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Sport hinter dem Eisernen Vorhang | APuZ 15/1956 | bpb.de

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APuZ 15/1956 Sport hinter dem Eisernen Vorhang

Sport hinter dem Eisernen Vorhang

Ein Bericht

Vorbemerkung Die Verweigerung der Einreisegenehmigung für eine ungarische Fußballmannschaft durch das Bundesministerium des Inneren steht z. Z. im Mittelpunkt einer heftigen Pressekampagne, die über die Sportkreise und ihre Fachpresse hinausgreift. Selbstverständlich hat diese behördliche Maßnahme auch die offizielle Presse der Ostblockstaaten beschäftigt. So erklärte ADN am 13. Januar 1956 in einem Kommentar: „Das von der Adenauer-Regierung ausgesprochene Einreiseverbot für die bekannte ungarische Fußballmannschaft VOEROS BLOBOGO hat in der Budapester Öffentlichkeit große Empörung hervorgerufen. Die Meinung von Millionen Budapester Sportanhängern drückt die Budapester Zeitung SZABAD NEP in einem Leitartikel in ihrer Freitag-Ausgabe aus, der unter der Überschrift „Feinde der Sportfreunde" steht. „An einiges seitens bestimmter westdeutscher Kreise sind wir schon gewöhnt," schreibt das Blatt. „Daß die politische Hysterie gegen friedliebende Sportler anderer Länder in eine solche Unhöflichkeit ausartet, hat uns doch überrascht. Scheinbar fürchtet man sich im Bonner Innenministerium auch vor Sportlern, in diesem Falle vor ungarischen Sportfreunden, deren sportliches Können und Auftreten nicht dem gleichen Bild entspricht, das von dem gegenwärtigen westdeutschen Regime über unser Land verbreitet wird.“

Nach einer Meldung der „Kölnischen Rundschau" hat der Deutsche Fußballbund bei dieser Gelegenheit auf den schweren Schaden aufmerksam gemacht, der dem Ansehen des deutschen Sports durch die Einreiseverweigerung zugefügt worden sei.

Ende November 955 schrieb die „Rheinische Post", Düsseldorf, daß für das Jahr 1956 eine „Sport-Offensive" der Sowjetunion bevorstehe, die als eine Art „Offensive des Lächelns" im internationalen Sport geplant sei. Das Blatt schrieb ferner:

„. . . Im Hintergrund werden dabei die Fäden auch von der politischen Seite her gesponnen. Die Gastspiele russischer Fußballmannschaften in Rot-China, Indien und Ägypten haben natürlich nicht nur eine sportliche Bedeutung. Hier wird ganz offensichtlich der internationale Sportverkehr als Vorspann für politische Aufgaben benutzt.

Diese Zusammenhänge lassen erkennen, daß eine bestimmte zentrale Steuerung von oben her erfolgt. Man kann das auch bereits an den für das Jahr 1956 abgeschlossenen Terminen ablesen. Die vorbereitenden Schritte gehen dabei sogar noch über das Jahr 1956 hinaus, wie beispielsweise das russische Angebot an den Deutschen Leichtathletik-verband, im Jahre 1957 einen Länderkampf UdSSR gegen Deutschland auszutragen, ..

In verschiedenen westdeutschen Pressekommentaren ist die sowjetische Sportpolitik als ein Bestandteil der Außenpolitik der UdSSR, ebenso wie ihre Handels-und Kulturpolitik, bereits erkannt worden. Im Zusammenhang mit diesem Problem dürfte die nachstehende Ausarbeitung interessieren, die auf offiziellen kommunistischen Quellen basiert und sich weitgehend einer Stellungnahme enthält. Sie kann deshalb der eigenen Meinungsbildung nur dienlich sein.

Die Jagd nach internationalen Titeln

Die Sowjetunion ist erst nach dem 2. Weltkrieg in den internationalen Sport eingetreten. Obwohl der Sport in der Sowjetunion in den dreißiger Jahren eine rapide Entwicklung erlebte, und dies dank staatlicher Förderung, nahmen keine sowjetischen Mannschaften an internationalen Wettbewerben teil oder kämpften gegen Nationalmannschaften anderer Länder. Die nationalen Sportorganisationen in Ländern außerhalb der Sowjetunion galten als „bourgeoise“ Einrichtungen, und nur in wenigen Ausnahmefällen, die mit jeweiligen politischen Konstellationen zusammenhingen, erhielten sowjetische Sportmannschaften die Genehmigung, gegen solche ausländische Sportmannschaften anzutreten, die von politisch annehmbaren Organisationen gegründet oder gefördert waren. Da aber in anderen Ländern die besten Sportler für Sportklubs spielten und sehr selten für politische oder gewerkschaftliche Organisationen, gewannen solche sowjetischen Mannschaften, in denen ja die besten Sportler der ganzen Bevölkerung vertreten waren, zwar regelmäßig ihre Wettkämpfe, trafen aber dabei nur sehr selten auf Spieler ihrer Qualität.

Der Beschluß, die Sportbeziehungen auszuweiten und gegen international anerkannte Mannschaften anzutreten, wurde in der zweiten Kriegshälfte gefaßt, nachdem die Sowjetunion der Verbündete Englands und der Vereinigten Staaten geworden war. Er bestimmte, daß eine besondere Sektion der WOKS (die staatlich kontrollierte allunionistische „Gesellschaft für kulturelle Verbindung mit dem Ausland“) gegründet werde, um den sportlichen Austausch, vor allem mit England und den Vereinigten Staaten, in die Wege zu leiten. Diese besondere Sektion ist nie gegründet worden. Aber die einmal angekündigte neue Sportpolitik wurde nach Kriegsende sehr schnell verwirklicht. Sowjetische Sportler nahmen an den Europameisterschaften 1946 in Oslo teil, und die anschließende Entwicklung dieser internationalen Sportbeziehungen ist in graphischen Darstellungen festgehalten, die die Sowjetregierung veröffentlicht hat. Zwischen 1947 und 1949 beteiligte sich die Sowjetunion an 14 internationalen Sportveranstaltungen, wie der stellvertretende Vorsitzende des sowjetischen „Komitees für Körperkultur und Sport“ mitteilte 1). Im Jahre 1950 besuchten 21 ausländische Sportmannschaften die Sowjetunion, die im gleichen Zeitraum 29 eigene Mannschaften in das Ausland schickte. 1953 waren es bereits 64 ausländische Mannschaften, gegen 68 sowjetische, die in andere Länder reisten (Prawda, 18. 7. 1954). Die besuchenden Mannschaften kamen aus 19 Ländern, die sowjetischen Mannschaften besuchten 29 Länder und nahmen an 60 internationalen Wettbewerben teil (nach einem Artikel in Trud, in der Wiedergabe von Radio Moskau vom 18. 4. 1954). 1954 wurde eine sowjetische Beteiligung an über 200 internationalen Wettkämpfen und Meisterschaften geplant (Trud, wie oben).

Bemerkenswerter noch als die Ausdehnung der internationalen Sport-beziehungen ist die Schnelligkeit, mit der sich die Sowjetunion in die Spitzenklassen des Weltsports placierte. Vor allem die sowjetischen Leichtathleten haben in olympischen und anderen Meisterschaften hohe Plätze erreicht. Bedeutende Erfolge erzielten auch die sowjetischen Fußballer, Schwimmer, Eishokeyspieler, Ruderer. Daß die Sowjetregierung von ihren Sportlern Siege und erste Plätze erwartet, bezeugte die „Komsomolskaja Prawda“, Organ der kommunistischen Jugendorganisation, in ihrer Ausgabe vom Juni 1954. Der Artikel, der ihre bisherige Leistungen scharf kritisierte, warnte sie, daß ihnen nur noch zwei Jahre blieben, um zu lernen, „schneller zu laufen als irgendjemand in der Welt, den Speer weiter zu werfen als irgendjemand in der Welt und höher und weiter zu springen“.

Radio Leningrad erklärte am 12. Januar 1952: „. . . Körperkultur und Sport sind keine Sache des Vergnügens, sondern von Staatsbedeutung.“

Die Stellung der anderen kommunistischen Nachkriegsregierungen in Osteuropa zum Sportaustausch unterschied sich von der der Sowjetunion. Ihre Länder waren vor dem Krieg nicht vom internationalen Sport isoliert gewesen, aber die unmittelbare Auswirkung der Errichtung der kommunistischen Regime nach dem Krieg war die Schaffung von Barrieren für den Sportaustausch. Aber diese Regierungen haben nun von Moskau ihre Weisungen erhalten und streben gleichfalls internationale Auszeichnungen an. Die besten Beispiele sind die Lingam und die Tschechen, die vor dem Krieg einen ausgezeichneten Ruf als Sportnationen hatten.

Sportbeziehungen und Regierungspolitik Als Konkurrenten aus den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang in ständig wachsender Zahl bei internationalen Meisterschaften und Kämpfen gegen andere Länder erschienen, betrachteten viele Menschen im Westen als ein Zeichen, daß die sowjetische Bevölkerung den Wunsch habe, die politischen Differenzen zu vergessen und Beziehungen in einer Atmosphäre herzusteleln, in der jede Nation die andere verstehen kann. Von sportlichen Kämpfen nimmt man allgemein an, daß sie um ihrer selbst willen durchgeführt werden. Doch, wie begeistert auch immer die sowjetische Öffentlichkeit an den sportlichen Veranstaltungen ihres Staates teilnehmen mag, der Aufstieg des Sports in der Sowjetunion und die Beteiligung sowjetischer Mannschaften an internationalen Wettkämpfen sind nicht das Ergebnis einer sontanen Volksbewegung, sondern eines Beschlusses der Sowjetregierung.

Ein solcher Beschluß ist selbstverständlich an sich ein willkommenes Ereignis, und die z. Z. sich ausweitenden sportlichen Beziehungen zwischen dem Sowjetblock und der freien Welt verdienen auch Ermutigung. Ja, diese Entwicklung steht mit Anzeichen einer Entspannung auf anderen Gebieten in Zusammenhang, die mehr oder weniger große Hoffnungen erwecken.

Für den Bürger der freien Welt ist es nützlich, den tiefverwurzelten politischen Hintergrund der Dogmen zu verstehen, die die Handlungen der sowjetischen Führerschaft bestimmen, und, günstigenfalls, mit einer schrittweisen und komplizierten Entwicklung zu einer echten, friedlichen Ko-Existenz zu rechnen. Er wird, in diesem Zusammenhang, auch nicht erwarten, daß sich über Nacht das Wesen des sowjetischen Sports durch ein Wunder wandeln wird, sondern sein Interesse an einer gesunden Entwicklung müßte ihm eine Studie der Hintergründe willkommen machen.

Sport und Propaganda

Im Jahre 1948 bestimmte ein Beschluß der KPdSU Leistungsnormen für die sowjetischen Sportler, die ihnen Weltmeisterschaften in den wichtigsten Sparten in nächster Zukunft sichern sollten, und eine offizielle Verlautbarung für die sowjetischen Fußballer sprach von der „patriotischen Pflicht für jeden Fußballspieler“, diese „historische Entscheidung" zu befolgen 2).

Das sowjetische Sportprestige ist jedoch nicht nur ein Aktivposten für den Nationalstolz. Es ist in erster Linie ein Anliegen des sowjetischen politischen Systems. So schrieb z. B. die Zeitschrift „Sowjetsport“ am März 1952, daß sich die Sowjetunion an internationalen Wettbewerben beteilige, „um eindeutig der ganzen Welt das Übergewicht und die Stärke des sowjetischen Systems“ zu demonstrieren, und ein sowjetisches Fußball-Handbuch erklärt: „Jeder neue Rekord und jeder neue Erfolg unserer Sportler in internationalen Wettkämpfen — sie alle sind Siege in erster Linie für die Sowjetkultur“ 3).

Das Ansehen, das die Sowjetregierung mit sportlichen Leistungen zu erringen hofft, bedeutet für sie in erster Linie eine Anerkennung der sowjetischen Überlegenheit, und damit, notwendigerweise eingeschlossen, des sowjetischen" Kommunismus. Sie versucht, damit zu beweisen, daß das sowjetische Zeitalter eine neue und überlegene Kultur geprägt hat. Dieses Bestreben wird auch auf den Sport übertragen. Die Sowjetunion bildet nicht nur bessere Sportler aus, sondern sie hat auch eine neue Schule des Sports hervorgebracht. So schrieb die „Prawda“ am 18. Juli 1954: „... Die Siege der Sportler unseres Landes bei internationalen Wettkämpfen und ihre Weltrekorde sind ein überzeugender Beweis für die Überlegenheit des sowjetischen Systems der körperlichen Erziehung und der fortschrittlichen sowjetischen Schule des Sports."

In demütiger Erniedrigung bestehen die Satellitenstaaten nicht auf den Erfolgen ihrer eigenen Länder,'sondern auf denen des gesamten Sowjetblocks und vor allem denen der Sowjetunion. So kommentierten die „Prager Neuen Briefe", Prag, am 18. August 1952, die Olympischen Spiele wie folgt;

„Die Erfolge der Sportler der Sowjetunion und der Volksdemokratien, vor allem Ungarns und der Tschechoslowakei, sind eine Rechtfertigung des Prinzips des Massensports, wie er in der UdSSR und in den Volksdemokratien verwirklicht wird.“

Und die rumänische „Scanteia" erklärte am 18. Januar 1953:

„Die Partei und Regierung befolgen bei der Entwicklung der Sportbewegung das ruhmreiche Experiment der Sowjetunion, des Landes mit der größten Massensportbewegung, das bei zahllosen Gelegenheiten seine sportliche Überlegenheit über die kapitalistische Welt bewiesen hat.“

Die Verbindung mit dem „Friedens“ -Kampf Der Sport steht aber auch noch mit einem anderen und artverschiedenen Propagandazweck in Verbindung, der dem der kommunistischen „Front" -Organisationen ähnelt — dem Weltfriedensrat, dem Weltbund der demokratischen Jugend u. a. Das erste Ziel solcher Einrichtungen ist, den Glauben zu suggerieren, daß das Sowjetvolk friedliche Absichten verfolge, und damit natürlich auch die Sowjetregierung. In dieser Aktion kann der Sportaustausch eine große Rolle spielen und seine Verwendung hängt eng mit der kommunistischen „Friedens" -Kampagne zusammen. So schrieb z. B. am 20. November 1951, also noch während der Kampfhandlungen in Korea, die Moskauer „Literaturnaja Gazeta": „Das Jahr 1951 geht zu Ende. Es stand unter dem Banner der Steigerung des Kampfes für den Weltfrieden. Die sowjetischen Sportler haben keinen geringen Anteil daran gehabt. Bekanntlich hat der Weltfriedensrat, der kürzlich in Wien zusammentrat, eine Resulution angenommen, die die Verstärkung der kulturellen Verbindungen zwischen den Völkern fordert. Internationale Sportbeziehungen sind eine der Formen kultureller Verbindungen.“ Die Moskauer „Prawda" erklärte am 5. November 1954:

.der Kampf um den Sieg in ehrlichen und kameradschaftlichen Sportwettkämpfen mit ausländischen Freunden und Rivalen bedeutet zugleich den Kampf gegen die Kriegshetzer und gegen diejenigen, die Mißtrauen und Feindschaft zwischen den Völkern ausstreuen.“

Diese letzten Worte gehören zu dem üblichen Vokabular des kommunistischen „Friedens" -Kampfes und werden regelmäßig zur Charakterisierung derjenigen Regierungen und Einzelpersonen gebraucht, die dem sowjetischen Druck Widerstand entgegensetzen.

Rakosi, der Sekretär der Kommunistischen Partei Ungarns, sagte, am 22. Mai 1952 unter Bezug auf die ungarischen Erfolge im internationalen Sport, daß sie den Geist der friedlichen Ko-Existenz der Völker stärken und die Sympathien nicht nur für das ungarische Volk, sondern für das ganze „Friedenslager“ steigerten. In der kommunistischen Propaganda wird das sogenannte Friedenslager eindeutig mit dem Sowjetblock gleichgesetzt.

Die Aktivität der kommunistischen Front-Organisationen Zwei der internationalen kommunistischen Frontorganisationen, der Weltbund der demokratischen Jugend und der Internationale Studentenbund, haben in jüngster Zeit auf dem Gebiet des Sports große Aktivität entwickelt. Der ISB veranstaltet seit 1947 die Welt-Universitäts-Sommerspiele, und 195 3 beteiligten sich der ISB und der WBDJ an der Organisierung der Weltjugend-Kongresse, die Sportveranstaltungen in ihr Programm ausgenommen haben. 1954 haben beide Institutionen ihre sportliche Aktivität erheblich gesteigert. Das Exekutivkomitee des WBDJ erklärte in einer Resolution, die bei dem Treffen in Stockholm im Januar 1954 angenommen wurde:

„Um für die Zukunft die Einheit der Jugend im Kampf um ihre Rechte auf Frieden und internationale Sicherheit zu verstärken, ruft das Exekutivkomitee des WBDJ zur weiteren Entfaltung der internationalen kulturellen und sportlichen Verbindungen auf."

Beide Einrichtungen haben als eine ihrer Hauptaufgaben auf diesem Gebiet Maßnahmen eingeleitet, um den Austausch von Sportmannschaften zwischen den Ländern zu intensivieren — ein Bericht, der der Konferenz des Exekutivkomitees des ISB im Januar 1954 vorlag, erwähnte besonders Einladungen rumänischer und bulgarischer Mannschaften an britische, französische, italienische und deutsche. Weiterhin haben beide Einrichtungen selbst ihre eigenen internationalen Sportveranstaltungen ausgeweitet. Das Programm des WBDJ für 1954 enthielt u. a. ein Internationales Straßenradrennen, die Internationalen Winter-Freundschaftswettkämpfe und eine Tischtennismeisterschaft. Ferner wurde ein „Massensport-Abzeichen des WBDJ“ gestiftet. Die XII. Welt-Universitäts-Sommerwettkämpfe des ISB, die vom Juli bis August 1954 in Budapest stattfanden, sollen mehr als 2100 Studenten aus 33 Ländern zusammen-geführt haben (Resolution des Rats des ISB, Moskau, August 1954). -Das Programm enthielt Leichtathletik, Gymnastik, Radrennen, Hürdenlauf, Basket-Ball, Volley-Ball, Schwimmen und Tischtennis für Herren und Damen, Ringkämpfe, Boxkämpfe, Gewichtheben und Fußballspiele für Herren. Der ISB veranstaltet diese Wettkämpfe alle zwei Jahre Die erwähnte Sitzung des Rats beschloß die Durchführung anderer sportlicher Veranstaltungen in den Interimsperioden.

Das Internationale „Friedens“ -Radrennen Die bekannteste internationale Sportveranstaltung der kommunisti-schen Welt ist das jährliche Straßenrennen auf der Strecke Warschau-Berlin—Prag, das sogenannte Internationale Friedensrennen. Es ist eine osteuropäische Schöpfung, die von den führenden Zeitungen der drei genannten Städte gefördert wurde. Doch jetzt geben die Regierungen Polens, der Tschechoslowakei und Ostdeutschlands großzügigste Unterstützung, die es ermöglichte, die Veranstaltung auch für Interessenten der meisten europäischen Länder attraktiv zu machen, für die aus England, Frankreich, Italien, Österreich und den skandinavischen Staaten ebenso wie aus den kommunistischen Ländern Osteuropas. Diese Sportveranstaltung wurde zu einer Demonstration für den „Friedenskampf“ und einem Propagandainstrument der kommunistischen Staaten entwickelt. „Neues Deutschland", der Berliner Schirmherr des Rennens, schrieb am 1. Juni 1954 anläßlich der siebenten Durchführung:

„. . . Das VII. Friedensrennen war nicht nur ein großes sportliches Ereignis, sondern ein ebenso großes politisches. Das Geheimnis der zehn Millionen Zuschauer liegt nicht nur in der Faszination eines internationalen sportlichen Wettbewerbs, sondern in der Tatsache, daß die Bevölkerung der drei Länder, durch die das Rennen führt, diese Veranstaltung als eine überzeugende Demonstration für den Frieden durch den Beitrag der europäischen Sportler betrachtet.“

Schon Wochen vor dem 1. Mai, dem Beginn der Veranstaltung, setzten umfassende Vorbereitungen ein. „Neues Deutschland“ veröffentlichte am 11. Februar 195 5 einen Aufruf des Organisationskomitees für das VIII. Rennen, in dem die Arbeiterschaft aufgefordert wurde, besondere Schichten aus Anlaß der Veranstaltung einzulegen. Die Gewerkshaften und die Jugendorganisationen wurden aufgerufen, Feiern und Kulturveranstaltungen entlang der Rennstrecke zu organisieren. Die Agitatoren der Nationalen Front erhielten die Weisung, die Bedeutung dieses Rennens zu popularisieren, und die Bevölkerung schließlich den Appell, diese Veranstaltung zu einer großen Manifestation für den „Frieden", für die Einheit Deutschlands und die Freundshaft unter den Völkern zu mähen. Das Rennen erstreckt sich über 14 Tage, und die Sieger jeder Tagesetappe erhalten Preise. Außerdem verleihen auf Grund offizieller Ermunterung die Betriebe und staatlihen Unternehmen noh Preise, so daß in irgendeiner Form fast jeder Teilnehmer in den Genuß eines Preises kommt. Da die Teilnehmer in den besten Hotels untergebraht und mit Vorzug verpflegt werden, auh sonst eine ausgezeichnete Betreuung erfahren, sind die Kosten für diese Veranstaltung sehr hoch.

Das „Geheimnis der zehn Millionen Zuschauer", um mit „Neues Deutschland“ zu sprehen, erklärt sih aber nicht vollständig aus der Faszination des Rennens oder dem Wunsch, für den Frieden zu demonstrieren. Da ist der Druck auf die Bevölkerung, der Veranstaltung beizuwohnen, Friedensparolen zu verbreiten und den ausländishen Teilnehmern Friedensbotschaften auszuhändigen. Die Jugend-und anderen Organisationen befehlen ihre Mitglieder zu den Demonstrationen, und große Teile der Arbeitershaft werden von ihren Betrieben abgeordnet. In den letzten beiden Jahren soll übrigens die Begeisterung der Zuschauer merklich nachgelassen haben.

Die politische Ausschlachtung des Sports, in Deutschland durch die SBZ

Unter der Parole der „Einheit Deutschlands" ist der Sport sehr intensiv im Kampf gegen die Pariser Verträge und die Wiederbewaffnung West-Deutschlands ausgenutzt worden. Ein besonderes Komitee, der Deutsche Sportausschuß, hat die Aufgabe, im Interesse dieses Kampfes Sportkontakte herzustellen. Die Statuten dieses Komitees vom 19. September 1952 definieren seine Aufgabe wie folgt:

„Der DS setzt sih für die Ausweitung gesamtdeutsher Beziehungen in Spielen und Sport und für die Shaffung gesamtdeutsher Meistershaften ein. Der DS unterstützt deutshe Sportler in allen Fragen, die den Kampf für Einheit und Freiheit im deutshen Sport betreffen.“

Schon geraume Zeit vorher waien angestrengte Bemühungen gemacht worden, die Sympathien der westdeutshen Sportler zu gewinnen. Sie erhielten zahlreihe Einladungen, an Veranstaltungen in der SBZ teilzunehmen. Eine Reihe westdeutscher Leihtathleten und Fußballmannshaften hat diese Einladungen angenommen und die ahtlosen Äußerungen dieser Besuher über Einheit und Frieden wurden durh die kommunistische Propaganda weidlih ausgeshlahtet. 1951 bestimmte der Deutshe Sportbund in der Bundesrepublik, daß solhe Einladungen nur nah vorheriger Genehmigung durh die zuständigen Sportorganisationen anzunehmen seien. Doch die Sportbehörden der SBZ setzten ihre Taktik fort. Im Sommer 1954 erhielten eine Anzahl West-Berliner Sportvereine eine Einladung, Vertreter zu einer Gesamtdeutschen Sport-konferenz zu schicken. Die Vereine antworteten nicht, und ungeachtet der Aufforderungen der kommunistischen Presse nahm kein prominenter West-Berliner Gast teil. Die Konferenz wurde trotzdem durchgeführt. Sie appellierte an alle Sportler, gegen die Pariser Verträge zu protestieren und entwarf ein Programm für Gesamt-Berliner Meisterschaften in jedem Sportzweig.

Die Fußballbehörden im sowjetischen Sektor Berlins bemühten sich um die Teilnahme von West-Berliner Fußballspielern an zwei Wettkämpfen in der Woche vor den West-Berliner Wahlen im Dezember 1954. Vereinigte deutsche Mannschaften sollten gegen Dynamo Moskau und eine ungarische Mannschaft antreten. Nur das zweite Spiel fand statt, und ohne einen West-Berliner Spieler. Aber die West-Berliner Öffentlichkeit wurde aufgefordert, sich zu beteiligen. Während aber die Bewohner des Sowjetsektors ihre Karten bei öffentlichen Verkaufsstellen erstehen konnten, mußten die West-Berliner sie in den politischen Propagandazentren im Sowjetsektor (Aufklärungslokale) abholen. Zur gleichen Zeit forderten die Sportvereine der SBZ in Briefen die Sportler in West-Deutschland auf, gegen die Wiederbewaffnung zu protestieren.

Die beiden Gesamtdeutschen Jugendfestspiele von 1950 und 1954 waren die mächtigsten Anstrengungen der ostdeutschen Kommunisten, den Sport in ihre Propaganda einzuspannen. Die Veranstaltung von 1954 hieß offiziell Zweite Deutsche Jugendfestspiele für Frieden, Einheit und Freiheit, und eine Resolution des Zentralrats der kommunistischen Jugendorganisationen, Freie Deutsche Jugend (FDJ), veröffentlicht in „Neues Deutschland“ vom 4. März 1954, führte aus:

„Der Zentralrat der Freien Deutschen Jugend ruft die Jugend in Westdeutschland auf, den Kampf gegen die Verträge von Bonn und Paris zu verstärken, den Abschluß eines Friedensvertrages zu fordern und die Teilnahme von Zehntausenden an den Zweiten Deutschen Festspielen in Berlin zu organisieren.“

Der Sportgeist -für westlichen Gebrauch

Sowjetische oder volksdemokratische Mannschaften zeigen bei Spielen gegen westeuropäische Mannschaften, ob sie im eigenen Lande oder im Auslande stattfinden, ein absolut korrektes Verhalten. Bei vielen Gelegenheiten hat die westliche Presse dieser Tatsache Lob gezollt. Sowjetische und volksdemokratische Äußerungen zu auswärtigen Sportveranstaltungen waren fair und bewiesen Sportsgeist — jedenfalls solche Kommentare, die im Ausland gehört oder gelesen werden konnten.

Ein genauer Blick zeigt aber, daß die kommunistische Haltung in sportlichen Angelegenheiten nicht immer mit diesen freundschaftlichen Bekenntnissen in Einklang steht.

Das schon erwähnte sowjetische Handbuch „Fußball in der UdSSR" nennt in einem Bericht über ein Spiel zwischen Dynamo Moskau und Arsenal die letztere Mannschaft . eine britische internationale Mannschaft. die in den Farben von Arsenal spielte“. Eine rumänische Zeitung schrieb in einem Bericht über die Olympischen Spiele von 1952 in Helsinki, daß die Schiedsrichter der „marshallisierten Länder“ Entscheidungen getroffen hätten, die sich „bis zum offenen Diebstahl von gewonnenen Siegen der Vertreter der sozialistischen Länder verstiegen“, und ein führendes Mitglied der rumänischen Mannschaft erklärte in einem Interview nach der Rückkehr, daß unehrliche Schiedsrichter durch unfaire Entscheidungen den LISA massenhaft Punkte zugesprochen hätten (Rumania Libera“, 2. 8. 1952, und „Ager-Press“, 13. 8. 1952).

Als 1954 Spartak Moskau ihr Spiel gegen Arsenal in England bestritten, wäre zu erwarten gewesen, daß der'Kommentar der British Broadcasting Cooperation in russischer Sprache in der Sowjetunion nicht gestört werden würde, wenn solche Wettkämpfe die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern fördern sollen. Er wurde aber trotzdem gestört. Bei einem späteren Wettkampf zwischen Spartak und Wolverhampton Wanderers wurden die sowjetischen Behörden um die Zusicherung ersucht, die Übertragung nicht zu stören, und davon wurde für die Sowjets die Genehmigung zur Übertragung eigener Kommentare abhängig gemacht. Diese Zusicherung war nicht zu erhalten. Die sowjetischen Behörden gaben ihre Antwort erst nach dem Spiel. Gleiches ereignete sich bei der ungarisch-englischen Fußballbegegnung 1 95 3 in Wembley, die in Ungarn große Begeisterung auslöstc. Die BBC strahlte ihren Kommentar von Wembley in vier getrennten Sendungen aus. Alle wurden gestört. -und für den Hausgebrauch Westliche Hörer würden über die Sportartikel von Radio Moskau, die nur für die Hörerschaft hinter dem Eisernen Vorhang bestimmt sind, überrascht sein. Sie würden feststellen, daß Unfreundlichkeiten gegenüber Spielern und Sportveranstaltern aus nichtkommnistischen Ländern an der Tagesordnung sind. Der folgende Satz in einem Artikel in „SowjetSport“ vom 16. Januar 1951 kann als typisch gelten:

„Bestechung, Denunziationssucht und die Aufforderung zum Haß gegenüber Menschlichkeit und ehrlichem Kosmopolitismus sind typische Züge des heutigen bourgeoisen Fußballs. Das alles muß den Spielstil beeinflussen, der von Tag zu Tag entartet

Der Artikel erklärt ferner, daß England seit seiner Mitgliedschaft im Nordatlantischen „aggressiven Block“ nur noch solche Sportarten wünscht, die geeignet sind, aggressive Truppen zu trainieren. Der „bourgoise Fußballsport in Großbritannien“ wurde „aufgerufen, unter der Jugend das Gefühl für nationale Würde zu töten und sie durch Erregung ihrer bestialistischen Instinkte auf den Krieg vorzubereiten“. Das Handbuch „Die sowjetische Schule des Fußballsports“ erklärt, daß in den kapitalistischen Ländern vorwiegend „Mitglieder der privilegierten aristokratischen Clubs“ Sport betreiben. Er ist „eine der Methoden, die Arbeiter vom Klassenkampf abzulenken und dient dem Zweck, Gewinne zu erzielen und gehorsame Soldaten für aggressive imperialistische Armeen zu erziehen, die Armeen der Mörder und Räuber, die das Blut des friedliebenden koreanischen Volkes und der Völker anderer Länder vergießen . . .“.

Wettkämpfe zwischen kommunistischen Ländern

Das Benehmen sowjetischer Mannschaften bei Besuchen in den kommunistischen Ländern Osteuropas sticht scharf von dem in Ländern der freien Welt ab.

Im kommunistischen Osteuropa beansprucht die Sowjetregierung für ihre Bevölkerung den Rang der Herrenklasse („führendes Volk“). Überdies ist es ein Grundprinzip der kommunistischen Politik in diesem Raum, daß die Sowjetunion als Vorbild in allen Dingen zu gelten hat. Ebenso wie sie sich als Geburtsland der Kultur und aller Erfindungen ausgibt, beansprucht sie dies auch für den Sport. Wie es eine „SowjetKunst“ und eine „Sowjetwissenschaft“ gibt, die allen anderen überlegen sind, gibt es auch eine „Sowjet-Schule des Sports“, die in gleicher Weise überlegen ist. Auf dem sportlichen wie auf allen anderen Gebieten sind die volksdemokratischen Regierungen bestrebt, diese Legende aufrechtzuerhalten und sich bei der Sowjetregierung beliebt zu machen.

Eine Resolution des Polnischen Zentralkomitees für Körperkultur, veröffentlicht in „Rzecspospolita“ vom 18. Dezember 1950, erklärt:

„Die Überlegenheit der stalinistischen sozialistischen Sportler über die kapitalistischen muß ständig demonstriert werden."

Die Bewunderung für die „Sowjet-Schule des Sports" und sowjetische Trainingsmethoden wird in ausgesprochen unterwürfiger Weise ausgedrückt. Die rumänische Zeitung „Scanteia Tineretului" schrieb am 13. Januar 1953: „Es muß der glühendste Wunsch jedes Trainers sein, sein leuchtendes Vorbild, den sowjetischen Trainer nachzuahmen und sich ihm anzugleichen, so weit wie möglich, um sich auf diese Weise seines Titels als Erzieher der Jugend rühmen zu können.“

Das Tschechoslowakische Staatliche Büro für Körperkultur und Sport sagte in seiner Neujahrs-Proklamation für das Jahr 1953:

„Lerne auf Schritt und Tritt vom sowjetischen Sportler. Lies sowjetische Literatur. Lerne Russisch."

Es ist zur normalen Praxis aller Sportler und Spieler der Volksdemokratien geworden, Trainingskurse in der Sowjetunion zu absolvieren. Eine Direktive des Zentralkomitees der KP der Tschechoslowakei vom 14. Dezember 195 2 führt aus:

„Nachdem die Reorganisation der körperlichen Erziehung und des Sports in der Tschechoslowakei nach dem sowjetischen Vorbild durchgeführt worden ist, wird das Staatskomitee für Körpererziehung und Sport trachten, eine ausreichende Anzahl von Studenten und Instruktoren für Körpererziehung und Sport zur Sammlung von Erfahrungen jedes Jahr in die Sowjetunion zu schicken."

Wettkämpfe und Sportveranstaltungen zwischen der Sowjetunion und den Volksdemokratien erbrachten eine große Anzahl von Siegen der ersteren. Nach Berichten von Flüchtlingen und aus der kommunistischen Presse erklären sie sich nicht restlos aus einer Überlegenheit der sowjetischen Ausbildung. Häufig werden Maßnahmen getroffen, um einen sowjetischen Sieg zu sichern. Das illustrierte u. a. das Asylgesuch des rumänischen Jockeys Cucu im Westen: Er hatte unbeabsichtigt ein Rennen gewonnen, für das, der russische Sieger vorbestimmt war. Die Besorgnis der volksdemokratischen Behörden in solchen Angelegenheiten kann einem Bericht der bulgarischen „Narodna Mladesch" über ein Volleyballspiel im April 1954 in Sofia entnommen werden, das die bulgarische Mannschaft 3: 2 gewann. Die Ausgabe des Blattes vom 27. April versuchte, diese wenig schmackhafte Wahrheit durch folgenden Zoll an die sowjetischen Spieler zu versüßen:

„Von ihnen haben die bulgarischen Volleyballspieler und alle anderen viel gelernt. Ihnen und der brüderlichen Verbundenheit mit den sowjetischen Sportlern überhaupt und der Erlernung des unbesiegbaren Sowjet-Sports verdanken wir unseren Sieg.“

Zuschauer bei Spielen mit sowjetischen Mannschaften kennen diese Lage und nehmen sie nicht immer still hin. So sind eine Reihe unliebsamer Vorfälle bekannt geworden. Das Finale der Weltmeisterschaft in Volleyball 1949 zwischen einer Mannschaft der UdSSR und der Tschechoslowakei hat unter den mehr als 15 OOO Zuschauern, die dazu überwiegend ausgesuchte Arbeiter waren, fast einen Aufruhr hervorgerufen. Der Schiedsrichter und tschechoslowakische Einpeitscher zeigten die deutliche Absicht, der sowjetischen Mannschaft zu helfen. Die heftigen Gefühle, die dadurch ausgelöst wurden, können aus einem offiziellen Bericht der „MIada Fronta" vom 20. September 1949 abgelesen werden. „Die Mehrzahl der Zuschauer," schreibt das Blatt, „verdienten nicht, dem besten Kampf in der Geschichte des Volleyballs zuzuschauen," und fährt fort:

„Es würde nicht richtig sein, die hysterisch schreienden Zuschauer (die in ihrer chauvinistischen Stimmung jede Enzelheit mit Voreingenommenheit und Vorurteil betrachteten) als politische Provokateure zu bewerten. Trotzdem darf man nicht übersehen, eine beschämende und ungerechte Tatsache, daß Menschen in ihrem Fanatismus unseren Spielern zuschrien: . Spielt nicht mehr weiter! Hört auf, zu spielen!'

Das beweist, daß ein Zuschauer infolge mangelnder politischer Schulung leicht durch übersteigerten sportlichen Chauvinismus und übertriebene Spielbegeisterung zu einem falschen Denken verführt werden kann. Daß die schlauen Reaktionäre von diesen menschlichen Schwächen Gebrauch machen, um politisch ungeschulten Massen reaktionäre Ideen einzuschärfen.“

Das Blatt rügte die tschechoslowakischen Spieler und die Zuschauer:

„Die Art, in der der Mannschaftskapitän, Riehe, bei dem Schiedsrichter protestierte, war völlig unzulässig und rief nur noch mehr Erregung unter den fanatisierten Zuschauern hervor.“

Das Verhalten der Zuschauer in Prag zeige, verglichen mit der Moskauer Zuschauerschaft, „wie weit wir noch immer vom Sowjetmensch entfernt sind“.

Einige fünftausend polnische Zuschauer demonstrierten während eines Wettkampfes im März 1954 gegen sowjetische Fechter. Die russischen Fechter bestritten die Entscheidungen des Schiedsgerichts, und die russischen Mitglieder des Schiedsgerichts bezeugten lärmende Parteinahme. Die Wettkämpfe wurden mehrfach von entrüsteten Zuschauern unterbrochen, die laut auf die Russen schimpften.

Dies sind nicht die einzigen bekannt gewordenen Fälle. Der eigentliche Zweck des Sportaustausches zwischen den kommunistischen Ländern ist die steigende Festigung des Zusammenhalts des Sowjetblocks. Die bereits erwähnte Resolution des Polnischen Zentralkomitees für Körperkultur erklärte, daß internationale sportliche Beziehungen vordringlich anstreben, „die Freundschaft und Brüderschaft mit der Sowjetunion und mit den Volksdemokratien zu stärken". In Anbetracht der vorstehend geschilderten Vorkommnisse dürfte es offen bleiben, ob dieses Ziel erreicht worden ist. Eine Resolution über „Sportaufgaben“ des Zentralkomitees des Ungarischen Verbands der Werktätigen Jugend (DISZ) enthält aufklärende Mitteilungen über die sportlichen Beziehungen zwischen den „brüderlichen“, d. h. kommunistischen Ländern:

„Junge Sportler müssen im Geist des Internationalismus ausgebildet werden, damit sie Liebe für die Sowjetunion und das Friedenslager empfinden, damit sie loyal die Leistungen und die sportlichen Erfolge der brüderlichen Länder achten ... In der Erziehungsarbeit müssen wir mit Entschlossenheit gegen feindliche und falsche Gesichtspunkte auf dem Gebiet des Sports ankämpfen . . . Wir müssen gegen die Selbstüberschätzung unserer eigenen Sporterfolge und die Unterschätzung der brüderlichen Völker ankämpfen“

Ausbildung für internationale Wettbewerbe

Beteiligung an internationalen Sportwettkämpfen und Festlegung von Kämpfen im Ausland sind in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang eine Sache der Regierungen. Sie sind politische Aktionen mit politischen Zwecken und werden deshalb nicht der Initiative einzelner Sportler oder Klubs überlassen. Die Regierung entwirft nicht nur die Sport-programme im Ausland, sondern sie stellt auch sicher, daß die entsandten Mannschaften vorbereitet sind, die Zwecke zu erfüllen.

Der Hauptzweck ist das Prestige, das Hauptanliegen der Regierung ist der Sieg ihrer Mannschaft, und es besteht deshalb ein ausgefeiltes System, diese Mannschaft auszuwählen. Hierüber, gibt es Darstellungen von Flüchtlingen, die entweder selbst Mitglieder solcher Mannschaften waren oder sich mit organisatorischen Fragen des Sports befaßt haben.

In regelmäßigen Zeitabständen entscheiden offizielle Kommissionen, welche Sportler und Spieler in die höchste Klasse einzugruppieren sind, so daß stets ein überprüftes Reservoir vorhanden ist, aus dem die Mannschaften ausgewählt werden. In Polen z. B. tritt eine besondere Trainer-kommissionviermal im Jahr zusammen und unterbreitet dem Haupt-komitee für Körperkultur eine Liste der Sportler und Spieler. Die von dieser Behörde anerkannten Sportler bilden die „Nationalen Kader".

Der Ausleseprozeß für diese Kader ist sorgfältig ausgearbeitet. Es gibt die Darstellung eines Flüchtlings über die Auslese der tschechoslowakischen Abordnung für die Olympiade 1952. Über 100 Kandidaten wurden in einem besonderen Trainingslager durch die Auswahlkommission überprüft. Diese Prüfung dauerte 14 Tage. Ein anderer Flüchtling hat die Auslese der Radrennfahrermannschaft beschrieben, die die SBZ bei dem Internationalen Friedens-Radrennen vertreten sollte. Obschon, wie bereits erwähnt, das Radrennen am 1. Mai beginnt, wurden die Kandidaten bereits im vorausgehenden Jahr ausgewählt. Sechs Teilnehmer und zwei Reservefahrer wurden benötigt, aber 24 Kandidaten ausgesucht. Sie absolvierten eine Ausbildung, die von Anfang Januar bis April dauerte. Dann entschieden der Cheftrainer und seine Mitarbeiter über die endgültigen Teilnehmer. Die Existenz besonderer Trainingslager wird übrigens bestritten. Der amerikanische Präsident des Internationalen Olympia-Komitees, Mr. Avery Brundage, erklärte gelegentlich einer Reise durch die Sowjetunion, daß der Vorsitzende des sowjetischen Regierungs-Sportkomitees, Nikolai Romanow, ihm versichert habe, daß in der UdSSR keine besonderen Trainingslager bestünden Ferenz Puskas, Kapitän der ungarischen National-Fußballmannschaft, stritt ab, daß die Mannschaft ein besonderes Training in einem abgeschlossenen Lager erhalten-habe. „Tatsächlich," sagte er, „kam die Mannschaft nur zu einer wirklichen Trainingsgelegenheit am Mittwoch vor jedem größeren Spiel zusammen"

Dagegen schrieb der Vorsitzende des Tschechoslowakischen Olympia-Komitees in der Zeitung „Mlada Fronta“ vom 30. Mai 1952:

„In weniger als sechs Wochen werden unsere Sportvertreter auf dem Weg nach Helsinki zu den olympischen Sommerwettkämpfen sein. In den nächsten paar Tagen wird sich entscheiden, wieviel Mitglieder unserer Mannschaft auf allen Sportsektoren an den olympischen Wettbewerben teilnehmen werden. Die ausgewählten Vertreter werden in Trainingszentren für jeden Sportzweig zusammengezogen werden, damit sie sich ernsthaft auf ihre große Aufgabe vorbereiten können.“

Die Mannschaft wurde also für wenigstens vier oder fünf Wochen vor ihrer Abreise in Trainingslagern ausgebildet. Flüchtlinge haben berichtet, daß regelmäßiges wochen-und monatelanges Training in speziellen Lagern vor internationalen Wettkämpfen zur Praxis gehört. Als solche haben sie das Tata-Lager in Ungarn und die Lager bei Bukarest, Brasov und Cluj in Rumänien bezeichnet.

Während dieser Trainingszeit erhalten die Mannschaftsmitglieder ihr volles Gehalt weiter. Diese Regelung ist gesetzlich garantiert. Nach einer Bestimmung des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport der SBZ aus dem Jahre 1952 sind die Arbeitgeber verpflichtet, den Sportlern ihren vollen Lohn weiterzuzahlen. Falls kleinere Betriebe hierzu nicht in der Lage sind, springt das Komitee ein. Der oben erwähnte Artikel in „Mlada Fronta“ führt dazu aus:

„Ein Sportrepräsentant muß systematisch täglich trainieren. Dies nimmt ihm viel von seiner Zeit, erfordert viel Selbstdisziplin, strenge Lebensregeln und eine besondere Art der Ernährung. Ein großer Teil seiner Arbeitszeit wird während der Zeit der Konzentrierung vor bedeutenden internationalen sportlichen Ereignissen durch die Vorbereitungslager in Anspruch genommen. Das bedeutet selbstverständlich Abwesenheit von der Arbeitsstelle."

Neben der Befreiung von finanziellen Sorgen haben die Mannschaftsmitglieder noch den Genuß freier Unterbringung und Verpflegung in den Lagern. Der Bericht eines rumänischen Sportlers, der am Training für einen internationalen Wettkampf teilnahm, besagt, daß die Tages-kosten für Unterbringung und Verpflegung, die das Zentralkomitee für Körperkultur und Sport aufbrachte, zwischen 3 5 und 50 Lei betrugen, d. h. dreimal höher waren als der Tageslohn eines Durchschnittsarbeiters oder Regierungsangestellten in Rumänien. Die Mannschaftsmitglieder können ferner Theater und Kinos frei besuchen. Daneben ist aus Berichten ehemaliger Sportrepräsentanten aus dem Osten bekannt, daß die Mannschaftsmitglieder vor Auslandsreisen unentgeltlich eingekleidet und ausgerüstet wurden, der Staat die Auslagen in Hotels und Gaststätten bezahlte und sie ferner ein tägliches Taschengeld bezogen.

Die besonderen Erleichterungen für das Training in den Ostblockstaaten — die im übrigen mehr denen für Berufssportler in anderen Ländern entsprechen — wurden eindeutig von den Instanzen der SBZ zugegeben. Am 26. November 1954 erklärte der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport, Ewald, bei einer Besprechung von Sportfunktionären, daß im Interesse der Erhöhung des Niveaus der ostdeutschen internationalen Mannschaften alle Sportorganisationen verpflichtet würden, besondere Klubs zu gründen, in denen Spitzenathleten ein ständiges und intensives Training erhalten sollten. Die Anordnung Nr. 5 dieses Komitees, die kurz nach seiner Gründung im Jahre 1952 herauskam, kündigte die Errichtung von „Schlüsselpunkten" an Orten mit besonders guten Trainingsmöglichkeiten an und die Konzentration von aussichtsreichen Sportlern an diesen Orten, wo sie in Betrieben zu beschäftigen seien, deren Sportvereine solche Erleichterungen garantierten. Ganze Fußballmannschaften wurden demzufolge von ihren Wohn-oder Beschäftigungsorten fortgezogen und in Gegenden verpflanzt, die Trainingsmöglichkeiten mit anderen Mannschaften boten.

Man darf vermuten, daß solche Verpflanzungen weder für die Betriebe noch für die Sportler gerade bequem waren. Aber — das nächste Kapitel bringt hierüber mehr — die Berufstätigkeit der Sportler ist keine sehr ernste Sache. Sie gibt ihnen eher eine Rechtsstellung und ein Einkommen als Arbeit.

Das System, Meister zu züchten

Zur Sicherstellung einer angemessenen Reserve von Talenten für internationale Kämpfe machen die Sportbehörden der kommunistischen Länder zunächst einmal das Leben eines Spitzensportlers attraktiv. Befähigte junge Männer und Frauen werden ermutigt, Sport als berufliche Laufbahn zu wählen, und angefeuert, hohe Ränge anzustreben. Es wird Vorsorge getroffen, daß sie Stellungen in Fabriken, Büros, im militärischen oder Polizeidienst finden, in denen sie eine angemessene Bezahlung erhalten, wo aber keine oder nur eine geringe Arbeitsleistung von ihnen erwartet wird. Tatsächlich werden sie als Arbeiter bezahlt, aber in erster Linie bilden sie sich auf sportlichem Gebiet aus. Dazu erhalten sie zusätzliche Lebensmittel, oft als Kalorienzuschüsse bezeichnet, um sicherzustellen, daß sie angemessen ernährt werden, d. h. besser als ihre Mitarbeiter im Betrieb. Für die Spitzensportler gibt es aber noch weitere Belohnungen.

In der Sowjetunion findet in jedem Jahr eine Auswahl der zehn besten Sportler in jeder Sportart statt. Die Ausgewählten erhalten für das folgende Jahr ein Monatsgehalt von 2500 Rubeln. Eine dementsprechende Auswahl wird auch für die niedrigeren Ränge getroffen. Ihre Gehälter bewegen sich für die nächsten Monate zwischen 1200 bis 1500 Rubel. Bereits diese beiden letzten Zahlen betragen — ohne Überstundenzuschläge — das Doppelte des Monatsgehalts eines Durchschnittsarbeiters in der UdSSR im Jahre 1954, wobei Millionen Menschen in diesem Staat weniger als der Durchschnittsarbeiter verdienen.

Die Mitglieder einer „ A“ -Fußballmannschaft in der UdSSR verbringen die sechs oder sieben Monate der Fußballsaison, von Ende April bis Ende November, mit Reisen und Spielen, ohne Rücksicht auf ihre berufliche Tätigkeit. Vor der Saison verleben sie zwei Trainingsmonate in einem Schwarzmeerbad und nach den Finalen einen Monat in einer entsprechenden Umgebung. Die Mitglieder der Siegermannschaft in der allunionistischen Meisterschaft erhalten jeder eine Extravergütung in Höhe von 5000 Rubel.

In Ungarn erhält ein Fußballer der Klasse I ein monatliches Einkommen von 4000 bis 5000 Forint, d. h. das Vierfache bis Fünffache des Monatseinkommens — ohne Überstunden — des ungarischen Durchschnittsarbeiters. Er ist in eine Berufsstellung gesetzt, die ihm zwischen 1200 bis 1500 Forint einbringt, obwohl er nach Belieben arbeiten kann, und bezieht von seiner Mannschaft ein Gehalt zwischen 2 500 bis, 3000 Forint im Monat, ohne Sondervergütungen. Puskas, der Kapitän der ungarischen Nationalmannschaft, wird auf ein Monatseinkommen von ca. 10 000 Forint geschätzt und soll nach dem Spiel Ungarn-Italien im Mai 1953 20 000 Forint Prämie erhalten haben.

Miroslava Nachodska, die tschechoslowakische Schlittschuhläuferin, die nach den Weltmeisterschaften im Februar 195 5 in Wien um Asyl im Westen nachsuchte, gab an, als Sonderbelohnung monatlich 600 Kronen erhalten zu haben. Sie bezog daneben als sog. Freizeitgestalter in einem Verwaltungsbüro einer militärischen Behörde ein Monatsgehalt von 900 Kronen, obwohl sie nur nachmittags zu arbeiten brauchte. Ihr monatliches Einkommen betrug nach ihren eigenen Angaben mehr, als ein Ingenieur in der Tschechoslowakei zu verdienen pflegte.

Jan Miecznikowski, der polnische Läufer, der gelegentlich der Europa-meisterschaften in Bern 1954 um Asyl nachsuchte, gab an, von der Regierung ein Gehalt zu beziehen, das 108 englischen Pfund entspricht. Er erhielt ferner Zuwendungen vom Polnischen Olympischen Komitee und seinem Sportklub. Alle polnischen Sportler mit Qualifikation für internationale Wettbewerbe erhalten eine monatliche Verpflegungszulage in Höhe von 450 Zloty. Sie allein entspricht der Hälfte des Monastverdienstes eines polnischen Durchschnittsarbeiters — ohne Überstundenzuschläge. Den Sportlern und Spielern in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang, deren Niveau sie für die Teilnahme an internationalen Veranstaltungen geeignet macht, wird auf diese Weise ein komfortables Leben ermöglicht, und die Spitzenkönner unter ihnen leben sogar verhältnismäßig luxuriös. Sie haben sogar Möglichkeiten, illegal ihr Einkommen zu vergrößern. Es scheint, daß die Zollkontrolle des Gepäcks einer Mannschaft, die aus dem Ausland zurückkommt, nicht streng zu sein pflegt — in jedem Falle, wenn die Mannschaft gesiegt hat — und daß die Mannschaften regelmäßig davon Gebrauch machen und große Mengen von Waren wie Nylonstrümpfe und -wäsche und Lippenstifte, die zu Hause nicht zu haben sind, mitbringen. Der Gewinn aus einer solchen Reise beträgt das Zwei-oder Dreifache des Monatseinkommens eines Sportlers, und meherere Reisen im Jahr haben mithin für ihn große Bedeutung.

Die Bestrafung von Mißerfolgen Drohungen sind mit Belohnungen als Anreiz für den Sportler gekoppelt. Der Verlust eines Spieles wird nicht dem Mangel an Glück oder Überlegenheit der gegnerischen Seite zugeschrieben, auch nicht in erster Linie der Trainingsmethode, sondern dem moralischen Versagen der Vertreter des Kommunismus. Geschlagene Sportler und Spieler fallen in Ungnade und werden in der Presse abgekanzelt. Die sowjetische Fußballmannschaft, die bei der Olympiade 1952 gegen Jugoslawien verlor, wurde in Ungnade aufgelöst. Als der russische Meisterruderer Tukalow in Henley von einem Jugoslawen geschlagen wurde, schrieb „SowjetSport“ vom 4. August 1954 unter der Überschrift „Warum Jurij Tukalow verlor":

„All dies kann durch seine Verwöhnung, seine Willensschwäche und seinen Mangel an Ausdauer erklärt werden."

Ein bemerkenswertes Beispiel für den Sturz in Ungnade boten die ungarischen Fußballer im Januar 195 5. Im Endkampf um die Weltmeisterschaft wurde die ungarische Nationalmannschaft im Juli 19 54 von einer deutschen Mannschaft geschlagen. Im Dezember unterlag eine führende ungarische Mannschaft während eines Besuchs in Wolverhampton. Diese Niederlagen müssen die ungarische Partei-und Staats-führung besonders verärgert haben, da sie aus vorangegangenen Siegen ungarischer Fußballer großes Kapital für das Regime gezogen hatten.

Am 6. Januar 195 5 wurde Puskas, Kapitän der ungarischen Nationalmannschaft, in der Presse für seine Disziplinlosigkeit scharf kritisiert. „Nepsport" schrieb u. a.: „Bei ihm stehen nicht Übergewicht oder übermäßiges Essen zur Debatte, sondern seine ganze Lebensauffassung, die zu vergnügungssüchtig ist.“

Am 24. Januar berichtete die ungarische Presse, daß drei andere Mitglieder der Nationalmannschaft — Gyula Grosits, Sandor Geller und Istvan Kovacs — ein Verbot für jede Sportausübung und das Betreten von Sportplätzen erhalten haben. Sie wurden beschuldigt, sich als „unwürdig“ für die Vertreter des ungarischen Sports betragen, das in sie gesetzte „Vertrauen und die Ehre mißbraucht" zu haben. Sie hätten ferner ihre Stellungen für Zwecke ausgenutzt, die „unvereinbar mit den Gesetzen und moralischen Prinzipien der ungarischen Volksdemokratie“ seien. Kovacs wurde auf Grund seiner Jugend nur für drei Monate suspendiert, die beiden anderen für ein Jahr.

Der Fall Puskas verweist auf den luxuriösen Lebensstil, dessen sich die Sport-Asse hinter dem Eisernen Vorhang erfreuen. Die Öffentlichkeit weiß, daß solche Personen besser bezahlt und besser versorgt werden, daß sie mehr Freiheit genießen als der Durchschnittsbürger, und das gibt der Anklage die Pointe. Aber die Regierung verwöhnt sie nur solange, wie sie ihr nützlich sind. Für Puskas, Grosits, Geller und Kovacs wird die Ungnade nicht lange dauern. Aber jeder Sportler, der endgültig in seiner Leistung abfällt, hat nicht nur Ungnade zu erwarten, sondern auch den Verlust seiner Stellung und damit seines ganzen Lebensstandards.

Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Abtrünnigkeit Trotz aller Privilegien haben eine große Anzahl international bekannter Sportler und Spieler der kommunistischen Staaten ihre Auslandsreisen dazu benutzt, sich abzusetzten. Dazu gehören, außer den bereits Genannten, Personen wie der tschechische Tennisspieler und ehemalige Wimbledonsieger Jaroslav Drobny, der polnische Tennismeister Wladislaw Skonecki und der polnische Schwimmer Bogdan Ladny. Da sie ins Ausland geschickt wurden, um das Prestige des Regimes zu steigern und politische Propaganda zu machen, bedeutete ihre Flucht einen Schlag für dieses Regime. Deshalb wurden sorgfältige Maßnahmen ausgearbeitet, um die Wiederholung solcher Absetzungen zu verhindern und jede Berührung mit Ausländern zu überwachen.

Die politische Schulung spielt vor jedem internationalen Kampf eine wichtige Rolle. Die Trainingslager werden mit wesentlich mehr Personen beschickt als für die Mannschaft benötigt werden, damit bei der endgültigen Auswahl die Entscheidung des politischen Instrukteurs den Ausschlag geben kann. Selbst der beste Spieler wird nicht ins Ausland gelassen, wenn er als politisch unzuverlässig gilt. Bevor ein Sportler die Ausreisepapiere erhält, muß er viele Fragen beantworten — ein Ungar berichtete von 18 solcher Fragen — und minutiöse Auskünfte über seine Familie, seine Freunde und — selbstverständlich — seine Auslandsbeziehungen geben. Er kann zurckgestellt werden, wenn er Verwandte im Ausland oder keine sehr starken Bindungen an seine Heimat besitzt, z. B. wenn er unverheiratet ist. Miroslava Nachodska gab an, daß sie selbst nach dem Sieg in den Nationalen Eislaufmeisterschaften der Tschechoslowakei 1951 keine Auslandsgenehmigung erhielt, weil sie damals unter Überwachung stand. 1952 war sie mit der Mannschaft zur Teilnahme an den Europa-Meisterschaften in Wien unterwegs, wurde aber noch an der Grenze aus dem Zug geholt.

Auslandsmannschaften werden streng überwacht und erhalten so wenig Bewegungsfreiheit wie möglich. Spaziergänge oder Einkäufe werden in Gruppen unternommen, denen immer ein politischer Beobachter angehört. Es gehört zur Praxis, daß sie mit einem Sammelpaß reisen und ihre Personalpapiere abzuliefern haben, bevor sie die Grenze überschreiten. Nach einem Reuter-Bericht vom 14. 6. 1955 forderten die sowjetischen und osteuropäischen Delegierten bei einer Konferenz des Internationalen Olympia-Komitees in Paris „positive Zusicherung", daß den russischen Leibwachen bei den Spielen in Melbourne 1956 das Tragen von Schußwaffen erlaubt werde.

Die Furcht vor Unzuverlässigkeit von Sportlern wird auch in der kommunistischen. Presse offen zugegeben. So heißt es in einer Resolution des Polit-Büros der Rumänischen Arbeiter-(Kommunistischen) Partei über Körperkultur und Sport, die in der „Scanteia“ vom 26. 6. 1949 veröffentlicht wurde:

„Das Komitee für Körperkultur und Sport hat sich sorgfältig der ideologischen Erziehung der Lehrer, Trainer und Instruktoren zu widmen. Es hat ebenfalls der Hebung des ideologischen Niveaus der Meistersportler Aufmerksamkeit zu schenken und aller derjenigen, die Rekorde schaffen oder andere Erfolge auf diesem Gebiet haben.“

Der bereits erwähnte Artikel der tschechoslowakischen Zeitung „Mlada Fronta“ vom 30. 5. 1952 erklärte über diejenigen Sportler, aus denen die Olympia-Mannschaften zusammengestellt werden sollte:

„In den Trainingslagern wird nicht nur der vollkommenen technischen Vorbereitung und dem Gesundheitszustand unserer Repräsentanten Aufmerksamkeit gewidmet werden, sondern auch ihrer ideologischen Entwicklung, um sicherzustellen, daß alle Vorbedingungen für eine erfolgreiche Teilnahme unserer Sportmannschaften an den Olympischen Spielen in Helsinki gegeben sind.“ Tatsächlich wurden eine Reihe von Spitzensportlern bei der endgültigen Zusammensetzung der Mannschaften aus politischen Gründen zurückgewiesen. 1954 wurde die „Zatopek-Bewegung", betitelt nach dem tschechischen Läufer und Weltmeister Emil Zatopek, gestartet. Prominente tschechische Sportler, die dieser Bewegung beitraten, verpflichteten sich selbst, ihre sportliche Ausbildung — nach Art der Stoßarbeiter — und auch ihre „ideologische Reife" zu „heben". Die Selbstverpflichtungen wurden vom Ministerrat für Körperkultur und Sport veröffentlicht. Sie entsprachen genau den beiden Selbstverpflichtungen, die Zatopek gegeben hatte:

„ 1. Ich verpflichte mich, den Weltrekord für 10 km und den Landesrekord für 5 km zu brechen. 2. Ich strebe an, zum Jahresende als „Hervorragend" in der parteipolitischen Schulung qualifiziert zu werden"

Der Zwang zum „Massensport" in der Heimat

In den kommunistischen Ländern wird jede sportliche Tätigkeit von einem Regierungskomitee koordiniert. In der UdSSR ist es das All-Unionistische Komitee für Sport und Körperkultur, das dem Ministerrat unmittelbar untersteht. Entsprechende Einrichtungen bestehen in den Volksdemokratien.

Diese Komitees besitzen ausgedehnte Verantwortung. Neben der Kontrolle der Tätigkeit der Sportvereine sind sie für das System der Körperschulung in den Schulen, für die Ausbildung der Sportlehrer und Schiedsrichter und für die Versorgung mit Sportgeräten und die Anlagen von Sportplätzen verantwortlich.

In der Tschechoslowakei wurden am 14. 12. 1952 die Richtlinien für den Aufbau des Sportbetriebs veröffentlicht. Sie legten fest, daß der Zentralrat der Gewerkschaften auf freiwilliger Basis Körperschulung und Sport für die Gewerkschaftsmitglieder zu organisieren habe: der Sokol für die Organisierung des Sports in den Dörfern und kleineren Städten verantwortlich sei, in denen keine Sportmannschaften der Gewerkschaften bestehen; dem Ministerium für Nationale Verteidigung wurde die Zuständigkeit für die Armee und dem Ministerium für Nationale Sicherheit die für die Polizei und die Grenzeinheiten auf dem Sportsektor . übertragen. Das Ministerium für Erziehung hat Sport und Körperschulung auf Pflichtbasis in den Schulen und auf freiwilliger Rasis außerhalb der Schulen sicherzustellen. Eine ähnliche Funktion wurde dem Ministerium für Arbeitskraftreserven gegeben.

Das Regierungs-Sportkomitee besitzt sein eigenes Budget, das im Wirtschaftsplan festgelegt wird, und unterstützt mit diesen Mitteln die sportliche Tätigkeit der Gewerkschaften, der Armee und aller anderen entsprechenden Organisationen. Es hat neben dem Staatsfond eigene Einnahmequellen, z. B. Verdienste aus dem Verkauf von Sportausrüstungen, und zieht Gewinne aus Sportveranstaltungen. Überdies tragen die Sportvereine selbst einen Teil der Kosten für Veranstaltungen. Die Sportvereine besitzen eigene Fonds. Nach einer Nachricht aus dem Jahre 1953 zeichnet jeder Arbeiter in der UdSSR, der einem Sportverein angehört, drei Rubel im Jahr. Ferner muß er, unabhängig von einer Mitgliedschaft, einen bestimmten Prozentsatz seines Einkommens für die Belange der Körperkultur und des Sports hergeben, womit bei 20% der Ausgaben auf diesem Gebiet gedeckt werden. Nach einer Nachricht aus Rumänien aus dem Jahre 1952 mußte dort jedes Mitglied eines Bukarester Sportvereins monatlich 1, 25 Lei zeichnen. Zusätzlich hatte jede Kooperative ihrem Sportverein monatlich 1000 bis 5000 Lei abzuführen. Jeder Aufwand für den Sport, ob aus dem Fond der Regierung oder denen der Vereine, wird durch das zentrale Regierungskomitee kontrolliert.

Die „Dynamos“ und andere Mannschaften Jeder Sportverein, der einen Industriezweig, einen Dienstzweig oder eine öfftliche Institution repräsentiert, besitzt einen nom-de-guerre, zumeist ein Einzelwort wie „Spartak“, „Torpedo“ oder „Lokomotiv“. Ihre Mannschaften sind unter dem Namen ihres Vereins und ihres Wohnsitzes bekannt. Das Organ der Britisch-Sowjetischen Freundschaftsgesellschaft, „Russia Today Newsletter", veröffentlichte in der Ausgabe vom 25. 8. 1954 eine Liste sowjetischer Sportvereine. Sie führte 28 Vereine auf, einschließlich „Spartak“, Verein der Produktionsgenossenschaften, „Lokomotiv", Verein der Eisenbahnarbeiter, „Burevestnik" (Sturmvogel), Verein der Post-und Telegraphenarbeiter und „Urozhai" (Ernte), Verein der landwirtschaftlichen Arbeiter. Der repräsentative Verein der Armee, der einzige, der stärkste Mannschaften stellt, ist „CDSA" (Zentral-Haus der Sowjet-Armee).

Einer der am besten bekennten Vereine ist Dynamo. Seine Mannschaften stehen in den Meisterschaften an der Spitze und spielen oft im Ausland. Die britische kommunistische Zeitung „Daily Worker“ schrieb am 25. 8. 19 54, daß der Eintritt in Dynamo allen Arbeitern der ganzen Industrie offenstehe. Ähnlich äußerte sich auch die zitierte Ausgabe der „Russia Today Newsletter“. Der Charakter dieser „Industrie“ wird nicht spezifiziert. Tatsächlich ist Dynamo der Sportverein der politischen Polizei (MVD). In der UdSSR weiß es jedermann, aber es wird nicht offiziell verlautbart. Die „Große Sowjet-Enzyklopädie“ erwähnt, daß Dynamo von Felix Dscherschinski gegründet wurde, der von ihrer Aufstellung bis zu seinem Tode (1926) Chef der politischen Polizei war. Das Dynamo-Stadium in Tiflis, der Hauptstadt 'Georgiens, trug den Namen Berijas, der bis zu seiner Hinrichtung 1954 Chef der politischen Polizei war.

Die Volksdemokratien haben vielfach russische Namen für ihre Sport-vereine übernommen, wenn auch nicht immer mit der gleichen Bedeutung. In Bulgarien z. B. ist „Spartak“ der Sportverein der politischen Polizei, während „Dynamo“ die Post-und Telegraphenarbeiter repräsentiert. Die Mannschaften der Armee und Polizei sind unpopulär, und die Zuschauer verraten manchmal bei Spielen ihre Gefühle für sie. Die Polizei-und Armeespieler sollen sich arrogant aufführen und rauh und unfair spielen. Bei einem Spiel zwischen einer Fußballmannschaft der Rumänischen Volksarmee und der Bukarester „Locomotiva“ 195 3 wurden die Zuschauer durch das Betragen der Armeespieler so aufgebracht, daß sie sie mit Limonadenflaschen bewarfen und das Spiel abgebrochen werden mußte.

Sportsdiulen und Verdienstabzeichen Abgesehen von der Einführung des Pflichtsports in den Schulen und Hochschulen haben die kommunistischen Regierungen ein ausgeklügeltes System für eine spezialisierte Ausbildung eingeführt, um sicherzustellen, daß eine angemessene Reserve von Sportlern und Spielern mit internationalem Niveau und an Lehrern und Schiedsrichtern vorhanden ist. Dieses System besteht in ganzen Sowjetblock, da das sowjetische Vorbild getreulich kopiert wurde. In der UdSSR können Schulkinder, die Hoffnungen für den Sport erwecken, sich zu einem Besuch der Gebietssportschule zwei-oder dreimal in der Woche melden, ohne ihre Schulausbildung zu unterbrechen. Höhere Ausbildungsstätten fordern ein vollzeitliches Training von denen, die beabsichtigen, Ausbilder oder Schiedsrichter zu werden. Titel mit entsprechenden Abzeichen werden für die verschiedenen Grade sportlicher Tüchtigkeit verliehen. Im allgemeinen bestehen drei Grade, und die russischen Titel sind kopiert worden. So lautet in der Tschechoslowakei der erste Grad „Verdienter Arbeiter in Körperkultur und Sport", der zweite „Meister des Sports" und der dritte „Verdienter Meister des Sports.

Titel werden für hohe Leistungen im Sport verliehen. Sie hängen sowohl von politischen als auch athletischen Überlegungen ab.

Der kommunistische Anspruch auf die Einführung des Volkssports

Die kommunistischen Regierungen schlagen viel Kapital aus ihrer Förderung der Entwicklung des Sports. Sie beanspruchen für sich, als erste den Volksmassen ihrer Länder die Möglichkeiten für körperliche Erholung und Sport gegeben zu haben und stellen sie den Möglichkeiten gegenüber, die der Bürger in den anderen Ländern besitzt, natürlich zum Nachteil des letzteren.

Sportzahlen Die Presse der kommunistischen Länder hat imponierende Zahlen veröffentlicht, um das Wachstum der Sportbeteiligung zu veranschaulichen.

Zur Vergegenwärtigung des Ausmasses der Beteiligung am Sport wird nachstehend die Zahl der Fußballspieler in Beziehung zur Bevölkerungsziffer gesetzt.

In der UdSSR wurde 1952 die Zahl der Fußballspieler mit fast 1 Million angegeben Die Bevölkerungsziffer dürfte etwas über 200 Millionen betragen.

In Ungarn haben 195 3 90 000 Personen Fußball gespielt Die Bevölkerung beträgt zwischen 9 und 10 Millionen.

In Großbritannien sind nach offiziellen Angaben dreiviertel Million jugendliche und erwachsene Fußballspieler vorhanden Die Bevölkerung beträgt etwas unter 51 Millionen. Selbst wenn man die kommunistischen Ziffern trotz-der gebotenen Vorsicht als vergleichbar akzeptiert, ergibt sich, daß vergleichsweise in der UdSSR und in LIngarn weniger Fußball gespielt wird als in Großbritannien.

Das Leistungsniveau der bedeutendsten Mannschaften und Einzel-athleten in der UdSSR und in Osteuropa hat sich in jedem Falle gehoben, obwohl die Verbesserung gegenüber den Vorkriegsjahren in der Tschechoslowakei und in Ungarn, deren Sport einen internationalen Rang hatte, weniger auffällt als in der UdSSR. Die kommunistischen Regierungen haben Geld und gesteuerte Propaganda eingesetzt, um den Sport zu verbreitern und das Niveau der Nationalmannschaften zu heben, und diese Maßnahme, die in Gesetzgebung und Staatsapparat ihren festen Rückhalt haben, führten selbstverständlich zu Erfolgen.

Auf zwei Dinge muß allerdings aufmerksam gemacht werden. Die von den kommunistischen Behörden veröffentlichten Zahlen müssen mit Vorsicht ausgenommen werden. Es gibt genügend Hinweise in der kommunistischen Presse selbst, daß die Beteiligung der Bevölkerung am Sport nicht so ausgedehnt ist, als sie scheinen könnte. Zum anderen ist die sog. Massenbeteiligung am Sport nicht gleichbedeutend mit einer Vielzahl von Menschen, die zu ihrem Vergnügen Sport betreiben. Die Vergünstigungen, die der Staat auf dem Gebiet des Sports austeilt, machen nicht alles aus, was die kommunistische Propaganda vorgeben will.

Mythos und Wirklichkeit Die Mitglieder der Sportvereine in den kommunistischen Staaten sind nicht in jedem Falle Personen, die Sport treiben wollen.'Viele und oft sogar die meisten Mitglieder sind von den Vorsitzenden der Vereine genötigt worden, weil diese den Verlust ihrer Stellung befürchten, wenn die Mitgliederzahl zu gering wird.

Die „Prawda" vom 19. 7. 1953 schreibt: „Häufig stehen hunderte und sogar tausende Personen auf den Mitgliederlisten der Sportvereine, aber in Wirklichkeit ist nur bei einem Bruchteil von ihnen festzustellen, daß sie in ihrem Sportzweig aktiv sind.“ Die bekannte sowjetische satirische Zeitschrift „Krokodil“ veröffentlichte in der Ausgabe vom 30. 3. 1952 eine Karikatur auf die Vorsitzenden von zwei Sportvereinen, die ihren geringen Mitgliederbestand dadurch zu verheimlichen suchten, daß sie in die Listen Personen einschrieben, die weder irgendeinen Sport betrieben noch je einem Sportverein angehört hatten. „Nepszava“, Organ der ungarischen Gewerkschaften, schrieb am 6. 10. 1954 in einem Erfahrungsbericht über die Sportvereine im Jahre 195 3, daß eine großer Teil der Mitgliedschaftspflichten nicht eingelöst wurden. Als Beispiel wurde der „Faklya“ -Sportverein angeführt, der an Stelle der veranschlagten 13 100 Forint aus Mitgliedsbeiträgen nur 94 Forint kassieren konnte.

In dem Bestreben, imponierende Eindrücke vom Fortschritt des Sports oder der Körperertüchtigung überhaupt zu geben, zitieren die Regierungsorgane riesige Ziffern der Träger des Abzeichens „Bereit zu Arbeit und Verteidigung“. Natürlich repräsentieren diese Zahlen nicht Personen, die regelmäßig Sport betreiben. Sie sind ferner das Ergebnis des starken Drucks, der auf die Bevölkerung ausgeübt wird, die Prüfungen abzulegen, und zugleich das Ergebnis unrichtiger Statistik.

Am 14. 2. 195 3 schrieb „Sowjet-Sport“ in einem Artikel über Schwindelzahlen: „Einige Körperkultur-Komitees verhalten sich im wesentlichen inaktiv. Es gibt zahlreiche Fälle von Betrug, in denen einzelne Vorsitzende zur Verschleierung ihrer nichtigen Arbeit in ihre Berichte stark übertriebene Zahlen über die Entwicklung der „Bereit zu Arbeit und Verteidigung“ -Abzeicheninhaber eingefügt haben und über solche Personen, die die Prüfungen bestanden, in denen Sportler aus der Stadt als Kolchosarbeiter zu Wettkämpfen geschickt und Mannschaften auf Kosten von anderen verstärkt wurden.“

Mangel an Möglichkeiten Ein anderer Grund, warum die offiziellen Ziele im Sport nicht erreicht werden können, ist der Mangel an Ausrüstungen und Sport-gelegenheiten. Das kommunistische Planwirrwarr herrscht auch auf diesem Gebiet. Der bereits erwähnte „Prawda“ -Artikel vom 19. 7. 1953 sagt zur Lage in der UdSSR:

„Häufig leiden unsere Sportler unter dem Mangel an Sportgelegenheiten und Ausrüstungsgegenständen. In Moskau z. B., wo 600 000 Menschen Körperkulturgemeinschaften angehören, ist nur eine Radrennbahn, eine Trainingsmöglichkeit für Ski und zwei Schwimmbäder vorhanden."

Ferner:

„Die Sportgeräteindustrie versäumt systematisch, ihren Verpfichtungen gegenüber den Sportlern nachzukommen. Selbst auf den Sportplätzen der Hauptstadt fehlen Ski und Schlittschuhe im Winter. Die Umkleideräume sind mangelhaft ausgestattet. Die Zahl der Schulsportplätze ist offensichtlich zu gering. Manche Schulen besitzen keine Turnhallen.“

Diese Klagen wurden von anderen sowjetischen Zeitungen übernommen. So schrieb die „Komsomolskaja Prawda" vom 18. 10. 1953 über den Mangel an Sportplätzen:

„In den Oblast Stalingrad bestehen 130 höhere und 411 siebenklassige Schulen. Nicht eine von ihnen hat eine reguläre Sporthalle oder einen Raum, der für den Sportunterricht geeignet ist.“

Die „Literaturnaja Gazeta" schrieb in ihrer Ausgabe vom 10. 10. 1953, daß eine rasche Entwicklung des „Massen“ -Fußballsports ohne eine schnelle Vermehrung der Sportanlagen unmöglich sei, aber in Wirklichkeit seien die Sportplätze in manchen Großstädten und ihren Vororten verkleinert worden, und in Moskau habe man in den letzten Jahren ungefähr 25 Fußballspielplätze geschlossen. Das Moskauer Telephonbuch führte Ende 1954 nur drei Schwimmbäder auf, ein Freiluft-und zwei Hallenbäder.

Zum Thema der Sportgeräte sind die folgenden Ausführungen charakteristisch, die dem Artikel „Mehr über die Erzeugung von Sportgeräten“ in der „Komsomolskaja Prawda" vom 10. 4. 1954 entstammen:

„Im vergangenen Jahr haben die Betriebe der Union und der Republiken die Produktion von Sportgeräten etwas gesteigert. Davon gingen Ausrüstungen im Wert von mehr als zwei Millionen Rubel an die Gewerkschaftsvereine. Trotzdem ist es häufig unmöglich, manche Sportgeräte zu erwerben, nicht nur im fernen Sachalin, sondern selbst in Großstädten wie Moskau, Leningrad, Swerdlowsk, Tscheljabinsk u. a.

... Wie kann z. B. ein normaler Sportler ein Rennrad erwerben, wenn davon nicht mehr als 30 Stück pro Jahr den grösten Oblasten der RSFSR zugestellt werden und selbst diese ohne Ersatzteile geliefert werden? Für 1954 sind neue Pläne für die Erzeugung von Sport-geräten angenommen worden . . .

Jedes Jahr werden Pläne gemacht, um mehr Skier zu produzieren, aber es ist schwer, Skier zu kaufen, vor allem gute. Woran liegt das? In erster Linie daran, daß auch die höheren Planziffern nicht dem Bedarf entsprechen. In zweiter Linie daran, daß die Pläne nicht erfüllt werden."

Die vorhandenen Sportmöglichkeiten und Hilfsmittel dienen in erster Linie der Ausbildung der Spitzensportler und -Spieler. Die Direktoren der Betriebe und Unternehmen, die den Sport favorisieren, wollen ihren Eifer damit unter Beweis stellen, daß sie Mannschaften vorführen, die Wettkämpfe gewinnen. Sie haben es sich zur Gewohnheit gemacht, wie Presseberichte zeigen, in ihre Mannschaften Spieler aufzunehmen, die nicht oder vorübergehend nicht arbeiten. Am 8. Mai 1952 deckte „Sowjet-Sport" auf, daß einige Fußballer, die bei den Gebiets-Jugendmeisterschaften in der Oblast Alma-Ata mitwirkten, nicht Arbeiter des Tabak-Staatsbetriebes waren, sondern Studenten der Staats-Universität von Kasachstan.Über die beschränkten Trainingsmöglichkeiten schrieb die „Prawda“ am 19. August 1953:

„Es ist die Regel, daß hier ausschließlich Meister des Sports trainieren. Gewöhnliche Sportler haben keine Gelegenheit.“

Die gleiche Zeitung schrieb in einem anderen Artikel am 5. September 1954:

„Unsere führenden Tiainer beschäftigen sich regelmäßig nur mit kleinen Gruppen und zeitweilig nur mit einzelnen Sportlern, sie halten es nicht für nötig, immer mehr neue Meister des Sports aus der Jugend heranzuziehen.“

Die ungarische Zeitung „Nepszava" stellte am 6. Oktober 1954 fest, daß die „Sportleiter ein Star-System geschaffen hätten, statt die Körperkultur allgemein zu fördern".

Das Zustandekommen der Sportfonds Die kommunistische Presse brandmarkt den Handel mit Fußballstars in den Ländern des Westens als Symptom der Entwürdigung im kapitalistischen System. In Wirklichkeit gehört dieser Handel zur normalen Praxis in den kommunistischen Staaten. Die Sportklubs der Armee und der politischen Polizei sind besonders erfolgreich in der Anwerbung guter Sportler, seit sie ihnen bevorzugte Stellungen mit besserer Bezahlung und günstigeren Bedingungen bieten können, als sie sonstwo zu haben sind. Dazu stehen Sportfonds zur Verfügung, die zumeist aus den Abgaben der Arbeiterschaft gebildet werden, und die nicht dem sportlichen Vergnügen des Durchschnittsbürgers dienen. Dazu schrieb „Nepszawa“ am 3. Februar 1955:

„Schlechte Wirtschaft... in unserem Sportleben setzt der Entwicklung große Hindernisse. Die Verschwendung führt zur Untergrabung der Moral unserer Sportler. In unserem Sportleben gibt es zuviel Ausgaben für die Bedürfnisse einzelner, Repräsentationsgelder, zu kostspielige Reisen . . . etc.“

Man kann sich unschwer vorstellen, was damit in Wirklichkeit gemeint ist. Die gleiche Zeitung hatte in der bereits erwähnten Ausgabe vom 6. Oktober 1954 einige Details gegeben. Sie sprach dort von Sportlern, die — wenn ihnen ihre eigenen Vereine nicht ausreichende Verdienstgelegenheiten boten — „selbständig in andere übertraten, deren Vorsitzende infolge mangelnder Kontrolle ihr Budget für diese Wünsche zur Verfügung stellten, statt Sportausrüstungen zu kaufen oder Sportplätze zu unterhalten". Sie fuhr fort:

„Man kann nicht von einem ordnungsmäßigen Budget angesichts der Tatsache sprechen, daß die Jahresabrechnungen mancher Vereine bis jetzt noch nicht bestätigt worden sind. Die Zahl der überflüssigen Bahn-und Bus-Ferienkarten ist erstaunlich groß. Es ist fast unmöglich festzustellen, wieviel Sportausstattungs-und -ausrüstungsgegenstände manche Abteilungen besitzen. Vermißte Ausrüstungs-und Ausstattungsgegenstände gehören überall zur Selbstverständlichkeit.

Gleiche Unregelmäßigkeiten herrschen in fast allen Sportvereinigungen.“

Motive der^Massensport 7-Kampagne

Obwohl das von der kommunistischen Propaganda vermittelte Bild eines ganzen sporttreibenden Volkes nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, darf das Bestreben der kommunistischen Regierungen, dem Sport eine breite Basis zu geben, nicht bezweifelt werden. Neben der Züchtung von Star-Mannschaften und -einzelsportlern besteht die Tendenz zum Massensport, die sich in den Massen-Sportfestivals und -paraden in Moskau und den anderen Hauptstädten der kommunistischen Welt manifestiert.

Andererseits geben offizielle Erklärungen häufig genug zu verstehen, daß der Massensport einer Steigerung der Bereitschaft der Bevölkerung zur Produktionserhöhung und militärischen Kraft dienen soll. Er ist gleichfalls eine Form der kommunistischen Erziehung. Sport wird nicht um seiner selbst willen ausgeübt, er dient nicht dem Interesse des einzelnen. Das Gesetz zur Bildung des Staatskomitees für Körperkultur und Sport in der Tschechoslowakei stellt ausdrücklich fest, daß die Ziele der Körperkultur „die Erhaltung und Förderung der Volksgesundheit, die Steigerung der physischen und Verteidigungsbereitschaft und ihrer Arbeitsleistung“ sind (Gesetz Nr. 187 vom 14. 7. 1949, Abs. 1).

Die Resolution des Politbüros der Kommunistischen Partei Rumäniens über die Entwicklung der Körperkultur, veröffentlicht in „S 7. 1949, Abs. 1).

Die Resolution des Politbüros der Kommunistischen Partei Rumäniens über die Entwicklung der Körperkultur, veröffentlicht in „Scanteia“ vom 26. Juni 1949, erklärt, daß alle Anstrengungen zu unternehmen seien, „um eine langfristige Entwicklung der Körperkultur und des Sports unter der Arbeiterschaft sicherzustellen", mit dem Ziel, sie in „möglichst kurzer Zeit zu einem gewichtigen Faktor in der kommunistischen und patriotischen Erziehung zu machen, zu einem Faktor, der zur Gesundheit der werktätigen Bevölkerung und zur Heranbildung der Jugend zur Arbeit, zur Verteidigung des Vaterlandes beiträgt“.

Die Ausbildungsvorschriften des Deutschen Sportausschusses der SBZ enthalten folgenden Passus:

„Wir betreiben nicht Sport um des Sportes willen, sondern um unsere Körper gesund zu erhalten, stark und leistungsfähig, um unser Volk zu befähigen, unseren Fünfjahrplan vorfristig zu erfüllen, um uns in die Lage zu versetzen, die Errungenschaften unserer Deutschen Demokratischen Republik gegen die Angriffe der amerikanischen Imperialisten zu verteidigen. Unser Sport ist deshalb bewußt politisch“ 13).

Der Sport als Liebhaberei wird deshalb als dekadent verdammt. Jozsef Gal, der ungarische Meisterringer, sagte in einer Erklärung über die Reorganisation des Sports in Ungarn, die die ungarische Presse am 8. Februar 1951 veröffentlichte, daß der veraltete Geist „Sport um des Sportes willen“ aus dem ungarischen Sport ausgemerzt würde. Eine Resolution der ostzonalen Gesellschaft für . Sport und Technik (GST) erklärte, daß nachdrücklich das „Nur-Sportlertum“ beobachtet werden müsse 14). „Bereit zur Arbeit und Verteidigung"

Das Interesse der kommunistischen Regierungen an der körperlichen Ertüchtigung der Bevölkerung für die Belange des Staates erweist sich an ihrer Bewertung der Bewegung „Bereit zur Arbeit und Verteidigung“, die unter verschiedenen Bezeichnungen in allen Staaten des Sowjetblocks besteht. Die Große Sowjet-Enzyklopädie, Band 12, 1952, schrieb dazu:

„Die Organisation ist auf den Grundprinzipien der Körperkultur als einem Teil der kommunistischen Erziehung errichtet. Sie löst das Hauptproblem der sowjetischen Körperkulturbewegung — die allseitige physische Entwicklung der Arbeiter, um sie für die sozialistische Arbeit und die Verteidigung der UdSSR vorzubereiten.“

Niemand kann in den kommunistischen Ländern seine Karriere im Sport machen, der nicht das Abzeichen dieser Organisation erworben hat. Sie ist die Grundlage des Staatsprogramms für körperliche Ertüchtigung überhaupt.

Die Anforderungen, die an die Erlangung dieses Abzeichens gestellt werden, sind in allen Ländern des Sowjetblocks gleich, da das sowjetische Vorbild genau kopiert wurde. Anfang 1955 wurden neue Vorschriften eingeführt. Sie wurden in „Sowjet-Sport“ vom 6. Januar 195 5 so offen kommentiert, daß sie die Abweichungen von normalen Sport-auffassungen illustrieren:

„Die Einführung des neuen „Bereit zur Arbeit und Verteidigung" -

Schemas hat sehr große Bedeutung für die weitere Entwicklung solcher Sportarten in unserem Lande wie Schießen, Granatwerfen, Schwimmen, Skilaufen, Übungsmärsche ..."

Damit ist die sowjetische Auffassung vom Sport als Anleitung zum Erwerb militärischer Fähigkeiten enthüllt. Am 7. Mai 1951 meldete Radio Kiew:

„Ein Kiewer Sportler, Cybulenko, stellte mit 89, 39 m einen neuen UdSSR-Rekord im Handgranatenwurf auf.“

Die „militärischen“ Sportvereine Die Idee, militärische Ausbildung unter der Bezeichnung „Sport“ zu vermitteln, ist die Grundlage der Organisationen, die in allen Staaten der kommunistischen Welt nach dem Vorbild der sowjetischen DOSAAF gegründet wurden. Die Zusammenarbeit mit der Armee ist ihr Daseins-zweck. Die Abkürzung DOSAAF bedeutet: All-Unionistische Vereinigung zur Unterstützung der Armee, der Luftwaffe und der Marine. Ähnlich bestehen in der Tschechoslowakei der „Verband für Zusammenarbeit mit der Armee“, in Bulgarien „Freiwillige Organisation für Zusammenarbeit in der Verteidigung“, in Ungarn die „Vereinigung der Freiheitskämpfer“. Die entsprechende Vereinigung in der SBZ heißt „Gesellschaft für Sport und Technik“ (GST).

Die Aufgaben der DOSAAF beschrieb ein Artikel im Organ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, „Parteileben“, Ausgabe 2 vom Januar 1955 wie folgt:

„Die Aufgaben der DOSAAF umfassen die Propagierung und Verbreitung militärischer, technischer, aeronautischer und seemännischer Kenntnisse unter den Mitgliedern der Vereinigung und unter den breiten Massen der Bevölkerung und, mit allen Mitteln, die Massen-ausbildung im Schießen, Fliegen, Fallschirmspringen, Segelfliegen, Auto-und Motorradfahren, Funken, Wasser-und Pferdesport, Hunde-abrichten und im Modellbau von Flugzeugen, Schiffen und Kraftfahrzeugen. Die Vereinigung organisiert die Ausbildung der Bevölkerung in der Abwehr von Luftangriffen und chemischen Kampfstoffen.“

Der Artikel fordert größere Anstrengungen zur Ausweitung der DOSAAF und fordert vor allem eine größere Aktivität des Komsomol, der kommunistischen Jugendbewegung, bei der Veranstaltung von militärischen Wettkämpfen. Die ungarische Zeitung „Szabad Ifjusag“ schrieb am 11. Februar 195 3 zur analogen ungarischen „Vereinigung der Freiheitskämpfer“ :

„Es ist unbedingt notwendig, in unserer Jugend eine stärkere Liebe zu unserer Volksarmee und zum Wehrsport zu erwecken.“

Den Wert dieser Vereinigungen für die kommunistischen Staaten drückt ein Aufsatz des Vorsitzenden des ZK der DOSAAF im „Roten Stern" vom 2. März 1954 aus:

„In den vormilitärischen Organisationen der DOSAAF wurden Tausende Kraftfahrer, Traktorfahrer, Motorradfahrer und andere Spezialisten ausgebildet, ohne damit in der Produktion auszufallen.“

Damit wird dem „Massensport“ in den kommunistischen Staaten ein zweites Ziel unterlegt, das dem Sport in den nichtkommunistischen Ländern fremd bleibt.

Die Überwachung des Sports durch die Partei

Nicht zu bezweifeln ist die allgemeine Begeisterung für den Sport als eine Art von Schauspiel in den kommunistischen Ländern. Massen begeisterter Zuschauer füllen die Sportarenen der Haupt-und Provinzstädte bei den Fußballwettkämpfen und Gastspielen ausländischer Mannschaften. Diese Begeisterung ist durchaus verständlich. Denn zum Vergnügen des Zuschauens kommt die willkommene Abwechslung gegenüber „Arbeitsnormen" und politischen Meetings hinzu. Die Begeisterung für das Fußballspiel ist die Gefühlsäußerung eines vom Staat regierten Volkes.

Die offizielle Politik gibt sich natürlich alle Mühe, ein solches Abweichen zu behindern. Anläßlich der Gründung des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport in Ost-Deutschland am 24. Juli 1952 stellte die offizielle Erklärung als seine Aufgabe fest, „das ideologische, organisatorische und politische Niveau der Körperkultur und des Sports zu steigern“. Der Neujahrsaufruf des Staatlichen Büros für Körperkultur und Sport der Tschechoslowakei für 1953 enthielt folgende ausdrückliche Befehle:

„Bereitet Euch selbst auf den Militärdienst durch ehrliche Mitarbeit in der Sportbewegung vor. Organisiert politische Zirkel auf jedem Trainingsplatz und nach jedem Wettkampf. Lest politische und andere Literatur."

Mitverursacht durch die Maßnahmen gegen geschlagene Mannschaften, werden Wettkämpfe oft sehr verbissen ausgetragen, und schlechtes sportliches Betragen ist an der Tagesordnung. Aber, gleichgültig, ob die Zuschauer oder die Spieler es gezeigt haben, wird es den Überresten der bürgerlichen Ideologie angekreidet. In dieser Hinsicht ist ein Aufsatz 1 der rumänischen Zeitung „Scanteia“ vom 1. November 1952 charakteristisch. In einem Appell an alle Sportorganisationen, „mit aller Kraft für die Verwirklichung der Parteirichtlinien im Sport zu kämpfen“, erklärt das Blatt zu kürzlichen Meisterschaftskämpfen, daß sie „Überbleibsel der verfaulten bürgerlichen Ethik im Sport“ bei einigen Spielern erwiesen hätten. „Zu wiederholten Malen haben solche Spieler rowdy-haften Brutalitäten nachgegeben, indem sie Spieler schlugen, mit denen sie konkurrierten, sich dünkelhaft auf dem Spielfeld aufführten, die Spielregeln und die Entscheidungen der Schiedsrichter mißachteten.“ Scharfer Wettbewerb zwischen den Klubs, um die besten Spieler an-zuziehen und Kämpfe zu gewinnen, wird häufig gestattet, aber als im Gegensatz zu den Prinzipien des Kommunismus stehend erklärt.

Die ideologische Sauberkeit Die eigentlichen Sportler, d. h. in Wirklichkeit: die Berufssportler, werden streng überwacht. Ihr politisches, moralisches und soziales Verhalten wird von der Partei kontrolliert und kritisiert. Man erwartet von ihnen, daß sie sich nicht nur auf dem Sportplatz korrekt betragen, sondern auch Beispiele politischer Tugend sind. Am 11. Juni 1951 schrieb die polnische Zeitung „Glos Pracy“: „Was meinen wir, wenn wir von der Moral der Sportler sprechen? Nun, wir halten es für angebracht, von jedem Sportler von Rang eine gründliche politisch-soziale Aufklärung und ein entsprechendes Bewußtsein zu erwarten. Ein aktiver Sportler, Mitglied eines Klubs oder einer Sportvereinigung, soll gleichzeitig in seiner beruflichen Ausbildung und Arbeit hervorragend sein. Er soll außerdem ein Vorbild für die anderen geben, sie für die Produktionserfüllung mobilisieren und für die Stärkung aller Errungenschaften, die die Volksregierung den Händen der werktätigen Massen anvertraut hat."

Der Sportler und Spieler muß viel von seiner Zeit der politischen Ausbildung widmen. Die tschechische Eisläuferin Nachodska und andere Sportler, die im Ausland Asyl gefunden haben, haben die politischen Schulen und Kurse beschrieben, und die offizielle Presse unterstreicht nachdrücklich ihre Bedeutung. Am 1. Oktober 1953 schrieb „Sowjet-Sport" zum Thema des Trainings der Sportler und Spieler:

„Die Beachtung der Hebung ihres politisch-ideologischen Niveaus und ihrer ständigen Beherrschung des Marxismus-Leninismus muß einen besonders wichtigen Platz einnehmen ..."

Offensichtlich ist die Ideologie das Geheimnis nicht nur des guten Betragens, sondern auch der sportlichen Erfolge. In einem Aufsatz „Für hochklassigen sowjetischen Fußball“ stellte die „Komsomolskaja Prawda" vom 19. April 1953 fest:

„Die politisch-ideologische Arbeit in den Mannschaften wurde in der zurückliegenden Saison schlecht durchgeführt. Das führte zu Schwächen bei den Wettkämpfen und im Betragen selbst einiger führender Spieler, die sich auf dem Spielfeld als feige erwiesen . .

Ein Artikel der gleichen Zeitung schrieb am 28. März 1952:

„In Kasachstan sind die sportlichen Leistungen der Leichtathleten, Schwimmer, Skiläufer und Fußballer nicht genügend hoch. Alles dies erklärt sich aus einem beträchtlichen Mangel in der politisch-ideologischen Arbeit.“

Erfolge, die anderenorts einer guten Mannschaftsarbeit zugeschrieben würden, schreibt die kommunistische Presse dem „Kollektivismus" gut. Eine sowjetische Publikation, die der „Junge Kommunist“ mit Beifall zitiert (Ausgabe vom November 1954), sagt, daß der „Kollektivismus einer der Grundzüge der sowjetischen Sportmannschaften ist, und die Quelle ihrer bemerkenswerten Erfolge“.

Ein Beispiel kommunistischer Kritik ist ein Leitartikel in „Neues Deutschland" vom 1. Juni 1954, der sich mit dem schlechten Abschneiden der ostzonalen Mannschaft beim Internationalen Friedens-Radrennen befaßt:

„Wir wissen, daß in diesem Augenblick das Staatskomitee für Körperkultur und Sport und die Radrenn-Sektion des Deutschen Sport-komitees in ernster und selbstkritischer Anstrengung damit befaßt sind, die Gründe für dieses Versagen zu entdecken und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, nicht nur für den Radrennsport, sondern für alle Disziplinen . . .

Das Hauptproblem der Schwäche unserer Rennfahrer liegt nach unserer Meinung in der völlig unzureichenden politisch-moralischen Erziehung unserer führenden Sportler. Soweit Nachforschungen durchgeführt wurden, haben sie gezeigt, daß gegenwärtig die politisch-moralische Erziehung als ein sekundärer Faktor im Training betrachtet und von besonderen politischen Funktionären in Kursen gänzlich außerhalb des Trainings durchgeführt wird. Es ist klar, daß diese „Methode" unzulänglich ist. . .

Sowohl Training als auch Rennen haben enthüllt, daß unsere Rennfahrer in diesem Jahr nicht die notwendige Überzeugung für eine solche Prüfung besessen haben. Ohne Überzeugung fährt man nur mit halber Stärke. Die sowjetischen Rennfahrer haben in diesem Jahr gezeigt, daß, wenn man hohen Kampfgeist und hohe politische Über-zeugung besitzt, man die höchsten internationalen Rekorde überbieten kann. Wo diese Überzeugung fehlt, da fehlt auch der erforderliche Kollektivgeist, der allein den Sieg einer Mannschaft in dieser schwersten sportlichen Prüfung sichern kann."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Nadi Angaben in . Ost-West-Sportbcziehungen“ von Ivor Montagu, veröffentlicht vom Nationalen Friedensrat in London, 1951.

  2. Die Sowjetschule des Fußballs, Publikation der Gesellschaft für die Verbreitung politischer und wissenschaftlicher Kenntnisse. Moskau. 1952.

  3. Fußball in der UdSSR, von V. V. Frolow, 1951.

  4. Veröffentlicht in „U Marcius", Organ des Zentral-Exekutivkomitees des DISZ, Ausgabe für Februar-März 1953.

  5. Zitiert in der britischen kommunistischen Zeitung „Daily Worker" vom 2. 8/1954.

  6. „Daily Worker", 11. 12. 1954.

  7. „Manchester Guardian“, 8. 4. 1954.

  8. Die bekannte tschechische Vorkriegs-Sportvereinigung, die vom kommunistischen Apparat aufgesogen wurde.

  9. Große Sowjet-Enzyklopädie, zweite Ausgabe, Band 14.

  10. Die Sowjetschule des Fußballs, Moskau, 1952.

  11. Esti Budapest. 27. 4. 1953.

  12. «Britannien: ein offizielles Handbuch", herausgegeben vom Zentralen Informationsamt, Januar 1954.

  13. Veröffentlicht in „Sport und Technik". 16. 8. 1954.

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