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Der Präsident und die Sicherheit des Landes | APuZ 19/1956 | bpb.de

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APuZ 19/1956 Amerika, Karthago und die Kolonialreiche Verhandlungen mit den Sowjets. Einige Lehren aus der Kriegszeit Der Präsident und die Sicherheit des Landes

Der Präsident und die Sicherheit des Landes

DILLON ANDERSON

Mit freundlicher Genehmigung des Verlages veröffentlichen wir aus der amerikanischen Zeitschrift „THE ATLANTIC" (Januar 1956) den folgenden Aufsatz von Dillon Anderson.

Eines Tages werden Historiker aus der „klaren Sicht der Rückschau" die außenpolitischen Erfolge und Mißerfolge unseres Landes während dieser bedeutungsvollen mittleren Jahre des 20. Jahrhunderts registrieren. In hundert Jahren werden selbst Personen, die sich nur ober-flächlich mit unserer Vergangenheit beschäftigen, beurteilen können, welche Fortsdiritte wir in der Erreichung unseres letzten Zieles — eines gerechten und dauerhaften Weltfriedens — gemacht haben. Diese „Rückschau“ haben natürlich nicht jene, die gegenwärtig die Entscheidungen treffen müssen; sie müssen sich auf die Voraussicht verlassen. Die Rückschau offenbart die Lehren der Geschichte, aus denen u. a. hervorgeht, daß sich die Geschichte oft wiederholt, oftmals jedoch auch nicht. Lim den Weg zu finden, müssen diese Lehren in der richtigen Weise mit der Voraussicht gepaart werden. Nur auf diese Weise können wir in unserer Rolle als Führer der freien Welt die vermutliche Entwicklung realistisch beurteilen.

Was ist das Charakteristische einer Voraussicht, die sich mit der Planung langfristiger Außenpolitik befassen muß? Sie ist vielgestaltig und unglaublich komplex. Da sind all die wichtigen außen-und innenpolitischen Fakten, die einen Einfluß auf unsere gegenwärtige Position in der Welt und unsere Fähigkeit, sie zu behaupten, ausüben: die Politik anderer Nationen auf wirtschaftlichem, militärischem und politischem Gebiet; die Ideologien und Bestrebungen und das unterschiedliche Verantwortungsgefühl führender Persönlichkeiten gegenüber ihren Wählern: die Veränderungen und Tendenzen in den niemals statischen Fronten der Nationen und die Kräfte, die am Werke sind und weitere Veränderungen ankünden.

Diese historischen und faktischen Gegebenheiten müssen analysiert, beurteilt und konstruktiv weiterentwickelt werden; dann folgen Entscheidungen über die politischen Ziele und den geplanten Aktionsablauf, um sie zu erreichen. An den Wert dieser Voraussicht ist in den meisten Fällen ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Spielraum für Fehlentscheidungen dürfte vielfach genug sein.

Nach unserer Verfassung ist die Leitung der die Landessicherheit betreffenden Angelegenheiten eine bestimmte exekutive Verantwortlichkeit, obgleich Verträge vom Senat gebilligt werden müssen und der Kongreß die entsprechende Gesetzgebung als notwendige Koordinate zum Gesetz erheben muß. Und natürlich kann nur der Kongreß einen Krieg erklären. Der Schmelztiegel, in dem seit 1947 die exekutive Politik auf diesem Gebiet geläutert wird, ist der Nationale Sicherheitsrat.

Was ist der Nationale Sicherheitsrat und woher stammt er? Wie werden ihm Probleme vorgelegt? Wie arbeitet er? Welche Ergebnisse zeitigt er? Da der Rat vor nicht ganz zehn Jahren ins Leben gerufen worden ist, über seine Sitzungen nichts veröffentlicht wird, seine Beratung-gen und selbst seine Tagesordnung aus Gründen der Sicherheit gewöhnlich geheimgehalten werden, können weitere Kreise auf diese Fragen gar keine Antwort geben. Doch ist der Mechanismus des Nationalen Sicherheitsrates nicht geheim; und es gibt keine Gründe, warum diese Fragen nicht beantwortet werden sollten, vorausgesetzt, daß weder Informationen, die die Sicherheit der Vereinigten Staaten schaden könnten, noch vertrauliche Diskussionen zwischen dem Präsidenten und seinen Ratgebern, die aus naheliegenden Gründen auch vertraulich bleiben müssen, preisgegeben werden.

Der Rat erhielt seine feste Form in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg. Es war eine Zeit, in der die totale Gefahr noch immer drohte, es war aber auch eine Zeit, die der Menschheit ein weit besseres Leben versprach, wenn bei stärker gesichertem Frieden Wissenschaft und Technik bessere Pflugscharen liefern könnten. Unsere relativ junge Vorherrschaft in der Weltpolitik, unsere Verantwortung für die Führung der freien Welt und die Einsicht, die z. B. einen so nachdenklichen und patriotischen Mann wie James Forrestal auszeichnete, daß die technischen Fortschritte eine andere Welt geschaffen hatten, alles zusammen überzeugte die Leiter unserer exekutiven und legislativen Behörden von der Notwendigkeit, die Planung und Formulierung unserer Landespolitik an einer zentralen Stelle zusammenzufassen, die den Gipfel der Regierung bilden würde. Mitglieder waren natürlich die Leiter der Ministerien und Ämter, die für die Durchführung der verschiedenen Punkte des nationalen Sicherheitsprogramms verantwortlich waren.

Die Verwendung interministerieller Ausschüsse zur Integrierung der Politik war natürlich nicht neu; viele Ausschüsse dieser Art waren schon vorher tätig gewesen, wenn auch mehr oder weniger ad hoc. Aber hier bestand zweifelsohne ein Bedürfnis nach mehr. Mit anderen Worten, eine zweckmäßige Militär-und eine tragbare Außenpolitik konnten nicht mehr länger getrennt voneinander behandelt werden; desgleichen konnten ohne Beurteilung der Weltlage auf Grund möglichst umfassender Informationen und unter Berücksichtigung der amerikanischen Wirtschaftskapazität weder die Militär-noch die Außenpolitik in erforderlicher Weise geplant werden, um unsere Ziele zu erreichen und unseren Verpflichtungen gegenüber der übrigen Welt nachzukommen. Außerdem konnten Entscheidungen, die die Tätigkeit verschiedener verantwortlicher Ämter berührten, nicht mehr zuverlässig auf Grund einer dem Präsidenten gegebenen ex parte Darstellung eines einzelnen Behördenleiters getroffen werden.

Das Nationale Sicherheitsgesetz

Um daher das Bedürfnis nach Integration der nationalen Sicherheitspolitik auf höchster Ebene zu befriedigen, erließ der Kongreß 1947 das Nationale Sicherheitsgesetz. Durch dieses Gesetz wurden vier wichtige Dinge geschaffen:

1. Das Verteidigungsministerium, dem die Armee, die Flotte und die Luftwaffe unterstellt wurden;

2. eine Zentralstelle für Nachrichten und Abwehr (Central Intelligence Agency), wo an zentraler Stelle die für unsere nationale Sicherheit wichtigen Nachrichten aus der ganzen Welt verglichen und ausgewertet werden;

3.der Sicherheitsausschuß für Kriegswirtschaftsmaßnahmen (National Security Resources Board) — jetzt Amt für Verteidigungsmobilmachung (Office of Defense Mobilization) —, „das den Präsidenten in Fragen der Koordinierung der militärischen, industriellen und zivilen Mobilmachung beraten soll" und 4.der Nationale Sicherheitsrat (National Security Council).

Die gesetzlichen Pflichten des Rates gehen im wesentlichen aus nachstehendem Gesetzesauszug hervor:

....... um den Präsidenten hinsichtlich der Integration der Innen-, Außen-und Militär-politik zu beraten, soweit sie die nationale Sicherheit betrifft, um dadurch die militärischen Stellen und andere Ministerien und Ämter der Regierung instand zu setzen, in Fragen der nationalen Sicherheit wirkungsvoller zusantmenzuarbeiten ..

„ .. . um die Ziele, Verpflichtungen und Risiken der Vereinigten Staaten im Verhältnis zu unserer aktuellen und potentionellen mili-

tärischen Macht zu beurteilen .. .“

und „ um politische Probleme, die für die mit Fragen der nationalen Sicherheit befaßten Ministerien und Regierungsämter von allgemeinem Interesse sind, zu behandeln und dem Präsidenten hierzu Empfehlungen zu unterbreiten.“

Somit erkannte der Kongreß sorgfältig die Prärogative des Präsidenten, die aus seiner konstitutionellen Verantwortlichkeit herrührt, nämlich die Pflicht zur Entscheidung, an. Die anderen Ratsmitglieder sind nur eine beratende Körperschaft. In dieser Eigenschaft kann der Rat prüfen, beurteilen und raten, aber nicht entscheiden; er beschränkt sich auf Empfehlungen an den Präsidenten. Daher handelt der Rat mit einer unten erwähnten Ausnahme weder korporativ als Aufsichtsrat, noch leitet er Maßnahmen oder gibt er Weisungen. Nur der Präsident entscheidet.

Der Rat hat fünf gesetzliche Mitglieder mit dem Präsidenten, der die Zusammenkünfte leitet. Die anderen vier gesetzlichen Mitglieder des Rates sind: der Vizepräsident, der Außenminister, der Verteidigungsminister, der Leiter des Amtes für die Verteidigungsmobilmachung. Die Gründe für die Teilnahme dieser Regierungsvertreter sind klar. Der Vizepräsident hat in erster Linie die Aufgabe, die Kontinuität der vollziehenden Gewalt sicherzustellen, wenngleich er außerdem auch noch sein Urteil und seine Erfahrungen, vor allem aus seiner Tätigkeit als Senatspräsident, in den Rat mitbringt.

Der Außenminister ist anwesend als der Haupt-ratgeber des Präsidenten in außenpolitischen Fragen. Der Verteidigungsminister vertritt die drei kombinierten militärischen Ämter. Und der Leiter des Amtes für die Verteidigungsmobilmachung stellt dem Rat sein Urteil über unsere Wirtschaftskapazität zur Verfügung auf Grund seiner Verantwortung für die Ausarbeitung von Plänen und Programmen zur Mobilmachung der Industrie und für eine maximale Bereitschaft im Notfälle hinsichtlich der Rohstoffe, der Produktion und der Arbeitskräfte zur Deckung der militärischen Anforderungen.

Zwei andere Behörden nehmen ebenfalls am Rat teil: die Zentralstelle für Nachrichten und Abwehr, die durch ihren Leiter vertreten wird, und die Stabschefs der amerikanischen Verteidigungsstreitkräfte, deren Vorsitzender gewöhnlich der Sprecher ist. Sie sind auf ihrem Gebiet die Hauptratgeber des Präsidenten.

Zusätzlich zu den eben Genannten nehmen jetzt noch andere Personen regelmäßig an den Sitzungen des Rates teil: Der Finanzminister, Hauptratgeber des Präsidenten für die Beschaffung von Dollars für die nationale Sicherheit, und der Leiter des Budget-Amtes, der dem Präsidenten über die verschiedenen Anforderungen an das jährliche Regierungseinkommen genau berichtet. Daß Präsident Eisenhower diese beiden Regierungsvertreter in den Rat berief, ist bezeichnend für seine Überzeugung, daß einer der wichtigsten Grundlagen der nationalen Sicherheit eine starke und lebensfähige Wirtschaft ist, die sich die Verteidigungsausgaben auf lange Sicht stützen können.

Zeitweise nehmen auf Einladung des Präsidenten auch Leiter anderer Ministerien oder Ämter an den Sitzungen des Rates teil, um sich an der Beratung von Fragen zu beteiligen, an denen sie besonders interessiert oder für die sie amtlich verantwortlic sind. Es kann sich dabei handeln um den Botschafter bei den Vereinten Nationen, den Justizminister, den Innenminister, den Handelsminister, die Staatssekretäre und die Generalstabschefs der drei Waffengattungen, den Direktor das Amtes für Internationale Zusammenarbeit (früher FOA), den Leiter des Amtes für Bundeszivilverteidigung, den Leiter des Informationsamtes der Vereinigten Staaten und die Leiter des Präsidialausschusses für die innere Sicherheit. Ein oder mehrere Sonderberater des Präsidenten nehmen ebenfalls auf Einladung des Präsidenten an den Sitzungen des Rates teil. Es handelt sich um den Sonderberater des Präsidenten für Atomenergie (gleichzeitig Leiter der Atomenergiekommission), für Abrüstungsfragen, für Außen-handelsfragen und für koordinierte Planung.

Der Sonderberater des Präsidenten für Angelegenheiten der nationalen Sicherheit nimmt an allen Treffen teil und hat besondere Aufgaben, die später noch beschrieben werden. Der geschäftsführende Sekretär des Rates und sein Stellvertreter sind mit der Wahrung der Aufgaben des Sekretariats betraut. Sie nehmen an allen Sitzungen teil.

Der Arbeitsaufbau des Nationalen Sicherheitsrates

Der Arbeitsaufbau des Nationalen Sicherheitsrates ist mit einer Pyramide vergleichbar, mit dem Präsidenten und dem Rat an der Spitze. Er wird von vier Unterausschüssen in seiner Tätigkeit unterstützt, zwei sind durch Gesetz und zwei sind aus Vertretern verschiedener Behörden zusammengesetzt und durch Verordnung des Präsidenten ins Leben gerufen worden.

Wie schon gesagt, ist durch das nationale Sicherheitsgesetz die Zentralstelle für Nachrichten und Abwehr eingerichtet worden, die von einem Direktor geleitet wird. Zum Nutzen des Rates ist hier das Nachrichtenwesen integriert worden. Der Rat wird durch den Direktor laufend über die Weltlage informiert. Entsprechend dem Gesetz berichtet der Direktor den Mitgliedern des Nationalen Sicherheitsrates als korporativem Organ, das einzige Mal, in dem der Rat als solches agiert. Mit anderen Worten, für die Zentralstelle für Nachrichten und Abwehr ist der Rat der gesetzliche Aufsichtsrat. Der zweite Unterausschuß der Ratspyramide ist eine interministerielle Gruppe, die in der einen oder anderen Form seit Bestehen des Rates tätig gewesen ist. Die Gruppe, die nach Weisungen des Präsidenten vorgeht, wird gegenwärtig der Planungsausschuß des Nationalen Sicherheitsrates genannt. Er leitet dem Rat politische Vorschläge zu.

Vorschläge zur nationalen Sicherheitspolitik kommen normalerweise aus den verschiedenen Behörden, deren Leiter Ratsmitglieder sind, wenn vielleicht auch die ursprüngliche Anregung vom Präsidenten ausging, der den Auftrag gab, ein Problem zu studieren und Empfehlungen auszuarbeiten, oder von einem Vorschlag aus einer Behörde oder von einem Auftrag herrührte, der in einer Ratssitzung vorgeschlagen und vom Präsidenten gebilligt wurde.

Nachdem der Stab der Behörde das Problem studiert und die Spezialisten für das betreffende Land und die Sache ihre Meinung geäußert haben, gehen die Unterlagen an den Planungsausschuß des Nationalen Sicherheitsrates. Dieses Gremium ist auf Unterstaatssekretärbasis wie der Rat selbst zusammengesetzt. Daher sind das Außen-und Verteidigungsministerium, das Amt für die Verteidigungsmobilmachung, das Finanzministerium und das Budget-Amt im Planungsausschuß vertreten. Die Zentralstelle für Nachrichten und Abwehr und die Stabschefs der Verteidigungsstreitkräfte haben Ratgeber. Beobachter des Justizministeriums und der Atomenergiekommission und anderer Ämter nehmen nach Bedarf an den Sitzungen teil. Die Mitglieder des Planungsausschusses werden vom Präsidenten auf Empfehlung der Leiter der betreffenden Ämter ernannt. Der Sonderberater des Präsidenten für Fragen der Nationalen Sicherheit leitet die Sitzungen.

Im Planungsausschuß des Nationalen Sicherheitsrates wird jeder politische Vorschlag in langen Diskussionen zwischen den Unterstaats-Sekretären der verschiedenen beteiligten Behörden geprüft als eine Art Vorbereitung auf die später im Rate stattfindende Besprechung. In diesem Destillationsprozeß werden die Unterlagen geändert, weiter entwickelt und gewöhnlich noch einmal umgeschrieben.

Es kann Meinungsverschiedenheiten zwischen den Behörden geben, und es gibt sie auch. Bei fortschreitender Arbeit kann jedes Mitglied des Planungsausschusses laufend über die Reaktion seines Amtes auf die vorgeschlagenen Änderungen berichten und zwischen den Sitzungen des Planungsamtes bei seinem Minister rückfragen. Auf diese Weise werden viele Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt, eine gemeinsame Basis wird gefunden, und es stellt sich nach gründlicher Besprechung heraus, daß viele Meinungsverschiedenheiten gegenstandslos und keineswegs grundsätzlicher Art sind. Aber wenn eine unüberwindliche Meinungsverschiedenheit zwischen den im Planungsausschuß vertretenen Behörden auftaucht, dann muß der Ausschuß die umstrittenen Punkte klar herausarbeiten, die politischen Alternativen genau beschreiben und sie begründen, so daß sie dem Nationalen Sicherheitsrat vorgelegt werden können.

Im gleichen Bereich wie der Planungsausschuß arbeitet der dritte Unterausschuß. Es handelt sich um einen kleinen, ständigen, durch Gesetz ins Leben gerufenen Stab, der dem geschäftsführenden Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates untersteht, und die technische Aufgabe hat, das täglich dem Rat in Massen zugehende Material zu verarbeiten, zu analysieren und zu ordnen. Der Stab arbeitet unabhängig von den Behörden, deren Leiter den Nationalen Sicherheitsrat bilden, und seine unparteiische Arbeit, die dem Rat vorzulegenden Probleme klar zu umreißen, ist von großer Wichtigkeit für den Rat, für den Sonderbeauftragten für die Angelegenheiten der Nationalen Sicherheit und für den Planungsausschuß des Nationalen Sicherheitsrates. \ Zu den bisherigen Unterausschüssen des Nationalen Sicherheitsrates ist jüngst noch der Koordinierungsausschuß (Operations Coordi-nating Board) hinzugekommen. Es handelt sich um eine Neuerung Präsident Eisenhowers. Der Ausschuß soll den politischen Kreis schließen und dafür sorgen, daß die Behörden auf die Erreichung der für die Nationale Sicherheit notwendigen Ziele hinarbeiten.

Der Ausschuß besteht aus dem Staatssekretär des Außenministeriums, dem stellvertretenden Verteidigungsminister und Vertretern anderer Behörden, die oft gleichzeitig auch Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates sind. Bei ihren regelmäßigen wöchentlichen Sitzungen sucht die Gruppe sicherzustellen, daß die amtlichen Programme auf internationalem Gebiet zeitgemäß sind, miteinander übereinstimmen, aufeinander abgestimmt sind und die beste Möglichkeit zur Durchführung der vom Präsidenten gebilligten Politik darstellen. Der Koordinierungsausschuß erläßt keine Weisungen. Es ist seine Aufgabe zu koordinieren. Er nimmt Berichte entgegen und überprüft laufend den Stand des von den verschiedenen Behörden durchgeführten Sicherheitsprogrammes. Außerdem unterrichtet er den Rat mittels regelmäßiger Berichte darüber, welche Maßnahmen im Gange und welche Fortschritte auf dem Wege zur Erreichung der einzelnen politischen Ziele gemacht worden sind. Diese vier Unterausschüsse tragen wesentlich zum Funktionieren des Nationalen Sicherheitsrates bei.

In welchem Verhältnis steht der Rat zu ähnlichen Gremien, die seit langem schon bei der Regierung bestehen? Sie arbeiten gut miteinander. Die Funktionen des Rates verstoßen zum Beispiel in keiner Weise gegen die Prärogativen des Kabinetts. Der Rat ist kein Überkabinett. Beide Gremien haben beratende Funktionen beim Präsidenten, und die Grenzen ihrer Arbeitsgebiete verfließen, aber sie überschneiden sich nicht. Die Mitgliedschaft in beiden Gremien verhindert ein Gegeneinanderarbeiten. Im großen und ganzen beschäftigt sich das Kabi-nett vorwiegend mit inneren Angelegenheiten des Landes, mit Fragen, die das Justiz-, Post-. Innen-, Landwirtschafts-, Handels-, Arbeitsministerium und das Gesundheits-, Erziehungsund Sozialamt usw. betreffen. Der Rat aber beschäftigt sich mit der gesamten Planung der nationalen Sicherheit, und zwar äußerst intensiv.

Die Arbeit des Rates überschneidet sich auch nicht mit, der Tätigkeit des Außen-und Verteidigungsministeriums oder einer anderen Behörde, die auf dem weiten Gebiet der Nationalen Sicherheit Weisungsbefugnisse hat. Durch die Arbeit des Rates soll der Behörde, die die primäre Verantwortung für die Durchführung der Regierungspolitik trägt, stärkere Unterstützung zuteil werden. Die Politik ist sorgfältig ausgearbeitet und durch alle Ratsmitglieder überprüft worden. Sie haben sie mit-formuliert, und es besteht die Gewißheit, daß alle mit der Frage befaßten Behörden der exe-, kutiven Gewalt nach Anhören ihres Stand-punktes nach Weisung des Präsidenten zusammenarbeiten, um den eingeschlagenen politischen Kurs durchzuführen.

Von Gesetzen, nicht von Menschen regiert

Der Nationale Sicherheitsrat tritt regelmäßig am Donnerstagmorgen im Kabinettzimmer des Weißen Hauses zusammen. Die Sitzungen dauern normalerweise zwei bis zweieinhalb Stunden, manchmal auch viel länger.

Der Sonderbeauftragte für Angelegenheiten der Nationalen Sicherheit gibt eine kurze Erläuterung zu jedem Punkt der Tagesordnung, zu seinem Hintergrund und seinen Beziehungen zu anderen Fragen der nationalen Sicherheit. Er erklärt, warum die Politik einer Revision bedarf, oder warum ein neuer Vorschlag dem Rat vorgelegt wird, oder was der Rat bisher in diesen oder in ähnlichen Fällen beschlossen hatte. Er bemüht sich, klarzumachen, um was es geht, welche Alternativen es gibt, welche Meinungsverschiedenheiten bestehen und welche Maßnahme vom Planungsausschuß des Nationalen Sicherheitsrates empfohlen wird.

Der Präsident nimmt sich Zeit, um sich mit jedem einzelnen Punkt der Tagesordnung des Rates und allen Meinungsverschiedenheiten der Behörden, die vom Planungsausschuß des Nationalen Sicherheitsrates nicht ausgeräumt werden konnten, gründlich vertraut zu machen. Informationsgespräche zwischen dem Präsidenten und dem Sonderbeauftragten für Angelegenheiten der Nationalen Sicherheit, an denen oft der Sekretär des Rates teilnimmt, schließen die Vorbereitungen ungefähr einen Tag vor jeder Ratssitzung ab. So hat der Präsident Zeit, nach Bedarf weitere Informationen anzufordern und die in der bevorstehenden Ratssitzung zur Sprache kommenden Probleme zu beschlafen. Der gleiche Vorgang findet in den einzelnen Behörden statt. Mit anderen Worten, die Mitglieder des Planungsausschusses besprechen die Tagesordnungspunkte mit ihren Chefs, die an der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates teilnehmen. Gewöhnlich kommt jedes Ratsmitglied zu Wort, und die anderen Anwesenden können auch das Wort ergreifen und tun es auch häufig. Nadi Ansicht von Präsident Eisenhower sind die Ratsmitglieder nicht nur einfach dazu da, um den engen Standpunkt ihrer Behörde zu vertreten, noch sind sie dazu da, sich nur als Stempel zu betätigen. Viel eher geben sie sich in der letzten Beratungsphase als vertraute Ratgeber des Präsidenten, bevor er Entscheidungen von größter Tragweite für die Zukunft unseres Landes und der Welt trifft. Wie der Präsident einmal sagte, soll es die Aufgabe der Ratsmitglieder sein, „mit Hilfe ihrer Erfahrung und ihrer Fähigkeiten die besten staatsmännischen Antworten auf die Probleme der nationalen Sicherheit zu suchen".

Die Ratssitzungen sind formlos, und es wird kein Protokoll geführt. Es gibt nur einen Aktionsbericht. Dieser Aktionsbericht ist eine kurze Erklärung über die . Entscheidungen und politischen Weisungen zu denen sich der Präsident entschlossen hat. Der erste Entwurf des Aktionsberichtes wird allen an den Sitzungen teilnehmenden Behörden zugeschickt, damit jede ihre Ansicht äußern und Vorschläge machen kann. Dann wird er dem Präsidenten zur letzten Prüfung vorgelegt. Dieser Bericht mit den eventuellen Änderungen des Präsidenten wird der nationalen Sicherheitspolitik zu Grunde gelegt.

Es kann sich dabei um die Billigung von Vorschlägen handeln, die der Planungsausschuß gemacht hat, um die Weisung, einen alten politischen Kurs zu überprüfen und dem Rat neue Vorschläge hierzu vorzülegen, oder um Entscheidungen in irgendeiner der vielen verschiedenen Fragen aus dem weiten Gebiet der nationalen Sicherheit.

Die Arbeitsweise des Rates in den letzten Jahren mit seinen häufigen und oftmals ausgedehnten Sitzungen ist speziell auf die politische Planung ausgerichtet. Er berücksichtigt bewußt die Erfahrungen aus der Geschichte, wägt unsere derzeitigen Risiken und Verpflichtungen ab und sucht nach festen, langfristigen, politischen Zielen. Es handelt sich nicht etwa um irgendeine Art Zukunftsdeutung, sondern um außerordentlich differenzierte Bemühungen, realistisch in die Zukunft zu sehen und unserer Nation die Mittel an die Hand zu geben, sich ihrer Verantwortung gegenüber uns selbst und der freien Welt zu entledigen.

Der Nationale Sicherheitsrat, ein noch verhältnismäßig neuer Mechanismus in unserer Regierung, ist das Steuer geworden, von dem aus der Präsident vorwärts zum weiten Horizont sieht und den Kurs angibt, dem wir folgen sollen. Der Präsident hat die Meinung seiner verantwortlichen Minister, die sie in seiner Gegenwart, in der Gegenwart eines anderen und aller zusammen geäußert haben, geprüft. Er konnte sich ein Bild über ihre Ansichten auf Grund ihrer Erfahrungen, ihrer Klugheit und Phantasie und an Hand der Diskussionen machen. Er trifft seine politische Entscheidung, „nachdem jeder Minister, der etwas zu sagen hatte und der von der geplanten Maßnahme berührt wird, seinen Standpunkt frei und ausführlich vorgetragen hat — alles in dem gründlich vorbereiteten und intensiven Bemühen, von der düsteren Zukunft eine bessere Vorstellung zu gewinnen.

Als Ergebnis dieses Verfahrens ist ein gewisses Maß an grundsätzlichen politischen Erkenntnissen und an Strategie gewonnen worden, die zwar nicht starr sind und ständig überprüft werden, die aber doch Ausdruck einer gewissen grundsätzlichen Haltung sind und Richtlinien für jene Behörden darstellen, die für die Maßnahmen verantwortlich sind. Die sorgfältigen Maßnahmen machen panische Entscheidungen vermutlich unnötig.

t Dieses Reservoir politischer Führung kommt der Nation in Zeiten zugute, wenn der Präsident nicht im Amte sein kann, wie z. B Präsident Eisenhower im vergangenen Herbst, als er sich in Denver erholte. Die verschiedenenen Behördenchefs sind in der Lage, auch in solchen Zeiten die Arbeit im Nationalen Sicherheitsrat unter Wahrung der vom Präsidenten konzipierten politischen Planung weiterzuführen. Das integrierte Programm für die nationale Sicherheit, das unter Präsident Eisenhower in mehr als hundert wöchentlichen Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates aufgebaut worden ist, läuft ja auch weiter.

Daß die Regierung in solchen Zeiten den festgesetzten politischen Kurs fortführen kann, ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Beispiel für den Grundsatz, den John Adams 1780 in die Verfassung Massachusetts’ aufnahm — daß wir nämlich von Gesetzen und nicht von Menschen regiert werden.

Anmerkung:

Oberst Aitdr^ Cnrteiser, Mitarbeiter der Zeitschrift „Le Monde Francais", Paris.

John C. Campbell, Leiter der politischen Studien im Rat für außenpolitische Fragen: ehern. Mitglied des politischen Planungsstabes im Außenministerium: Autor des Buches: „Die Vereinigten Staaten in der Weltpolitik", 1945— 47 und 1947— 48.

Dillon Anderson: Rechtsanwalt in Houston, diente im zweiten Weltkrieg in der Armee unter Kriegsminister Stim-son Anderson ist jetzt Sonderberater des Präsidenten für Angelegenheiten der Nationalen Sicherheit.

Fussnoten

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