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Im Spannungsfeld der Luftmächte | APuZ 20/1956 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 20/1956 Im Spannungsfeld der Luftmächte Naturwissenschaft und Schute im geistigen Leben unserer Zeit

Im Spannungsfeld der Luftmächte

ERICH HAMPE

Die im Folgenden veröffentlichte Abhandlung des Präsidenten der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz Erich Hampe wird in erweiterter Form und mit graphischen Darstellungen versehen Anfang Juni im Maximilian-Verlag, Köln-Klettenberg, erscheinen. „... Es ist das Scltid^sal unserer Generation, daß sie in das Atomzeitalter kineingeboren ist. Keine Macht der Welt kann uns die volle Gewißheit geben, daß uns die Schrecken des Atomkrieges erspart bleiben. . .

Erde 20 cm 40 CM 60 CM 80 CM Beton 12 CM 24 cm 36 cm 48 cm Verminderung 1/, 1/, Vs 1/16 Dosiswert 200 r 100 r 50 r 25 r

. . . Die Sicherheit verlangt Opfer, sie verlangt Opfer von jedem einzelnen. Das ist ein geschichtliches Gesetz. Auch bei dieser Entscheidung geht es um die Bewährung unseres Willens zur Selbstbehauptung.“

Anzahl der Stunden Intensität in 1 100 2 45 5 15 24 2 48 1 nach der Detonation Prozenten

Bundesminister des Innern Dr. Schröder in der 125. Sitzung des deutschen Bundestages am 20. Januar 1956.

Entwicklung — ohne uns Die technische Entwicklung seit dem zweiten Weltkrieg und in den nachfolgenden elf Jahren kann man beispiellos nennen. Denn es gibt keinen Abschnitt in der Geschichte, in dem innerhalb so kurzer Zeit so gewaltige technische Fortschritte erzielt worden sind. Diese technischen Errungenschaften kamen bisher vorzugsweise der Waffentechnik zugute. Da der Beendigung des Krieges kein tatsächlicher Frieden folgte, vielmehr neue Gegensätze aufbrachen, verwendeten die unter den Waffen stehenden Staaten weiterhin hauptsächlich ihre Kraft und ihr Geld darauf, die Rüstung im gleichen Tempo weiter zu steigern wie während des Krieges.

Innerhalb des weiten Gebietes der Waffentechnik war es wiederum das militärische Flugwesen, dem der Hauptanteil der aufgewendeten Kräfte und Mittel zufiel. Hatte die Luftwaffe an den für den Ausgang des zweiten Weltkrieges entscheidenden Handlungen ihre bedeutungsvolle Rolle bewiesen, so erschien für die Zukunft die Beherrschung der Luft als eine unabweisbare Voraussetzung für die Erringung des Sieges überhaupt. Aus dieser Erkenntnis ergab sich der atemberaubende Rüstungswettlauf in der Steigerung aller potentiellen Kräfte des Luftkrieges.

Die Bevölkerung der deutschen Bundesrepublik ist in dem gleichen Zeitraum mit ihrem inneren und äußeren Wiederaufbau so beschäftigt gewesen, daß sie von dieser stürmischen technischen Entwicklung in der Welt draußen nur wenig berührt worden ist. Dazu kam, daß die Besatzungsmächte ihren Schutz übernommen hatten. Nur zeitweise erhellten sensationelle Berichte über neue Waffen und deren Wirkungen das Dunkel dieser unklaren Vorstellungen und wirkten dementsprechend schock-artig. Aber im allgemeinen herrschte das Bestreben vor, sich mit dieser Entwicklung, von der man selbst ausgeschlossen war, nicht näher zu beschäftigen.

Diese Haltung steht im vollen Widerspruch zu der Einstellung, die der Einzelne und die Gesamtheit sonst den sie möglicherweise bedrohenden Gefahren gegenüber einnehmen. Allen anderen Gefahren gegenüber sucht der Mensch auf den Grund zu kommen, sie in ihrer Entstehung, ihren Bedingtheiten und Erscheinungsformen genau kennenzulernen, um ihnen so sadagemäß und wirksam entgegentreten zu können. Lind dieser wohl größten Gefahr, der Gefahr eines Luftkrieges gegenüber, sollte diese Einstellung nicht gelten?

Es wäre doppelt verhängnisvoll, wenn die Bevölkerung der Bundesrepublik dieser Gefahr gegenüber eine solche Einstellung weiterhin bewahren würde. Ein Blick auf die Weltkarte würde ihr zeigen, daß sie durch ihre geographische Lage als Grenzvolk eines Tages im Brennpunkt dieser Gefahren stehen könnte. Eine genaue Beschäftigung mit den Gefahren aus der Luft würde sie zwar erkennen lassen, wie groß und vielfältig diese sind, aber gleichzeitig ihr auch die Ansatzpunkte für die selbst unter diesen schwierigen Umständen gegebenen Schutzmöglichkeiten aufzeigen. Von keiner anderen Seite kann sie diesen unmittelbaren Schutz erwarten, nur von sich selbst. Sie steht heute als Glied in der Völkergemeinsciaft der freien Welt. Als solches wird sie deren Beistand fordern und finden. Aber nur, wenn sie selbst als gleichberechtigter Partner das Notwendige für ihren eigenen Schutz tut, kann sie auf diesen Beistand rechnen und wird dieser sich wirksam erweisen können.

Die Anzeichen dieser stürmischen Entwicklung auf dem Gebiet des Luftkrieges machten sich bereits in der Schlußphase des zweiten Weltkrieges bemerkbar. Die fieberhaften Anstrengungen auf beiden Seiten der Kriegführenden schufen für manche der späteren Entwicklungen die Grundlage und Ausgangsposition. Aber während für uns mit dem Zusammenbruch auch die ganze Entwicklung beendet war, ist sic für die anderen im stetigen Fluß geblieben. Es kam hinzu, daß die Sieger auch die Neuerungen der Besiegten übernahmen, so daß eine Kombinierung aller an dieser Entwicklung tätigen Kräfte mit ihren Erkenntnissen und Ergebnissen möglich wurde. Es wäre verfrüht, von einem voraussichtlichen Abschluß dieser Entwicklung zu sprechen. Immerhin zeichnen sich gewisse klare Endziele ab, deren Erreichen die Sprunghaftigkeit der Entwicklung abebben lassen dürfte.

Es bleibt der Wunsch Aller, daß die gewaltigen Anstrengungen, die unter dem Zeichen des Krieges geleistet wurden und zu ungeahnten technischen Möglichkeiten führten, endgültig und immer für den Frieden sich nutzbar erweisen möchten. Es soll nicht verkannt werden, daß dies bis zu einem gewissen Grade bereits der Fall gewesen ist und die Hoffnung auf eine weitere segensreiche Fortsetzung in dieser Richtung berechtigt ist. Doch bleibt das Doppelgesicht des Januskopfes bestehen, solange der Frieden nicht endgültig gesichert ist.

Das neue Gesicht des Krieges Weil keine brauchbare Grundlage für einen dauerhaften Frieden gefunden wurde, vielmehr die politischen und ideologischen Gegensätze unter den ehemals Verbündeten immer stärker in Erscheinung traten, mußte von den in diese Gegensätze verwickelten Mächten die schier unglaubliche Folgerung gezogen werden, sich auf einen dritten Weltkrieg vorzubereiten. Dabei wurde es immer klarer, daß eine erneute kriegerische Auseinandersetzung den Zusammenstoß zweier mächtiger Welthälften bedeuten würde. Entsprechend der neuen Mächtegruppierung wie auch der sprunghaft fortgeschrittenen technischen Entwicklung würde ein solcher ganz andere Ausmaße und gewaltig gesteigerte neue Vernichtungsmöglichkeiten zur Folge haben müssen als alle bisherigen Kriege. Ein unter diesen Voraussetzungen ausbrechender neuer Weltbrand würde auch die letzten konventionellen Formen klassischer Kriege hinter sich lassen. Hierbei würde es nicht mehr wie bei den üblichen Kriegen um Durchsetzung irgendwelcher Ansprüche eines Staates gegen einen anderen gehen. Dieser Charakter des Krieges als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln war schon im letzten Weltkrieg erschüttert worden. Die tiefgründige Gegensätzlichkeit auf der einen und die Perfektionierung der Vernichtungsmöglichkeit auf der anderen Seite würden eine solche Auseinandersetzung zu einem Kampf um Sein oder Nichtsein der betreffenden Völker werden lassen müssen. So furchtbar diese gedankliche Folgerung ist, hat sie in gewisser Weise doch eine günstigere Kehrseite. Das Risiko eines solchen Krieges ist so ungeheuer groß und die Verantwortung so erdrückend, daß der Entschluß zu einem Kriege vielmal schwerer geworden ist als je zuvor.

Das Ausmaß einer solchen Auseinandersetzung würde die Dimensionen des zweiten Weltkrieges weit überschreiten. Wenn auch der zweite Weltkrieg am Rande überseeische Unternehmen aufwies, so war er im Grundzug doch ein kontinentaler Krieg, bei dem vornehmlich die Landstreitkräfte die letzte Entscheidung brachten, von dem Krieg gegen das Inselreich Japan abgesehen. Ein dritter Weltkrieg würde von Anfang an interkontinental geführt werden und in gleicher Weise den vollen Einsatz der Land-, See-und Luftstreitkräfte beanspruchen. Er würde also triphibisch verlaufen und damit den Kriegsbrand wahrscheinlich über die Kontinente und Weltmeere, also über die ganze Welt tragen. Dabei kann nicht außer acht gelassen werden, daß Kontinente und Meere ihre Grenzen haben, der Luftraum aber grenzenlos ist. Somit ist der Einfluß der Landstreitkräfte auf die Gebiete beschränkt, die sie besetzen können, der der Seestreitkräfte endet an den Küsten der Meere, aber die Luftstreitkräfte können aus dem Luftraum heraus jedes Gebiet und jeden Punkt treffen. Diese Möglichkeit hat ihnen die neueste technische Entwicklung verschafft. Und aus diesen Überlegungen wiederum ergibt sich, daß nach Ansicht der heutigen führenden militärischen Köpfe die ersten entscheidenden Schläge bei einer solchen weltweiten Auseinandersetzung zwischen den Luftwaffen um die Beherrschung des Luftraumes oder wenigstens um die Luftüberlegenheit geführt werden würden. Denn nur die Seite, die hierbei den Vorrang behalten würde, würde sich für alle weiteren Kriegsmaßnahmen die Freiheit des Handelns gesichert haben.

Aus dieser Auffassung ergeben sich zwangsläufig weitere Folgerungen. So sind die Militärmächte heute gehalten, laufend größtmögliche Bestände sofort einsatzbereiter Flugzeuge verfügbar zu haben, damit das Ziel der Luftüberlegenheit gleich zu Beginn errungen werden kann. Dieses Ziel sofort zu erreichen, scheint auch deshalb unumgänglich, weil sonst die Gefahr besteht, daß bei der ungeheuren Vernichtungskraft der heutigen Luftwaffe der Gegner durch seine ungehinderten Schläge aus der Luft das Anlaufen aller anderen Verteidigungsmaßnahmen stören, wenn nicht unmöglich machen könnte.

Die Luftwaffe im Zenith So hat sich denn im Laufe der Entwicklung immer stärker die Auffassung von der überragenden Bedeutung der Luftmacht im Rahmen der Gesamtstrategie durchgesetzt. Die gewaltigen Rüstungsanstrengungen des letzten Jahrzehnts haben vornehmlich ihrer Verbesserung und ihrem Ausbau gedient. Ihre Bedeutung stieg im gleichen Maße wie die Entwicklung auf dem Gebiet der atomaren und thermonuklearen Waffen fortschritt, da sie ja die Hauptträgerin für diese Waffen war und diese an jedem Punkt zum Einsatz zu bringen vermochte. Das bekannte Wort des ehemaligen englischen Premierministers Winston Churchill: „Die Luftherrschaft ist heute der vollendete Ausdruck militärischer Macht" bezeichnete klar diese Entwicklung, und er fügte hinzu: „Flotte und Armee, so notwendig sie auch sein mögen, müssen sich damit abfinden“.

Diese Veränderung in der strategischen Weltlage hat auch längst schon entscheidenden Einfluß auf die Weltpolitik ausgeübt. Gebiete und Punkte, die ohne diese Entwicklung politisch und wirtschaftlich keine besondere Bedeutung besitzen, bekommen dadurch einen neuen Wert. Das große militärische Interesse an Arktis und Antarktis beispielsweise entspricht dieser veränderten militärischen Gesamtschau.

Sie ist für uns Deutsche, die wir an kontinentales Denken gewöhnt sind, völlig neu. Aber auch wir müssen uns damit abfinden, daß der Luftkrieg der vielleicht entscheidende Teil einer etwaigen Weltauseinandersetzung sin wird. So müssen wir uns mit den Gefahren aus der Luft, die unsere Bevölkerung bei einer etwaigen kriegerischen Auseinandersetzung bedrohen können, erneut befassen, ob wir mögen oder nicht, wenn wir überleben wollen. Und dies ist umso nötiger, als unsere so bitteren Erfahrungen aus dem letzten Weltkrieg durch die stürmische Weiterentwicklung überholt sind. Der neuen Lage müssen wir mit neuen Überlegungen und Maßnahmen entgegentreten. Dazu ist es notwendig, zunächst einmal klar und nüchtern die eingetretene Entwicklung und die daraus sich ergebenden Gefahren kennenzulernen.

Leistung der Flugzeuge vermehrfacht Die Leistung eines Kriegsflugzeuges wird nach Geschwindigkeit, Flug-höhe, Reichweite und Ladefähigkeit beurteilt. Nach allen diesen Richtungen hat sich die Leistung neuzeitlicher Kriegsflugzeuge verdoppelt, meist vermehrfacht. Bei dieser Betrachtung muß es genügen, einige Angaben über die entsprechende Leistungssteigerung der Bomber zu machen. Der heutige schwere Langstreckenbomber, wie ihn die Luftwaffe der USA, aber auch seit kurzer Zeit die Sowjetunion besitzt, ist eine Größenklasse für sich, die es im zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben hat. Die früheren schweren Bomber rechnen heute zu den mittleren, die früheren mittleren zu den leichten Bombern. Wichtig ist der Hinweis, daß der aus dem letzten Weltkrieg bekannte Jabo (Jagdbomber) mit Raketengeschossen, Napalm-Bomben, Sprengbomben oder aber auch mit einer taktischen Atombombe ausgerüstet sein kann und damit zu einer gefährlichen Angriffswaffe geworden ist. Die USA haben mit ihren Jabos die Angriffe gegen die Yalu-Kraftwerke im koreanischen Feldzuge geflogen.

Um einige konkrete Beispiele dieser Leistungssteigerung zu geben, sei vermerkt: Der amerikanische Bomber B 24, der im zweiten Weltkrieg den größten amerikanischen Bombertyp im europäischen Luftraum darstellte, hatte eine Geschwindigkeit von 400 km/h, eine Flughöhe von 9 750 m, eine Reichweite von 3 200 km und eine Ladefähigkeit von 3, 4 t. Demgegenüber steht der heutige amerikanische Bombertyp B 52, der allmählich zum Rückgrat der amerikanischen Bomberwaffe werden soll, mit einer Geschwindigkeit von etwa 1 OOO km/h, einer Flughöhe von 16 000 m, einer Reichweite von 12 800 km und einer Ladefähigkeit von 34 t im engeren und 12 t im weiteren Flugbereich.

Die neuesten sowjetischen Bombertypen erreichen diese Spitzenleistung zwar noch nicht voll, sie stellen jedoch eine beachtliche Annäherung dar. Nach Schätzungen alliierter Sachverständiger erreicht der sowjetische Langstreckenbomber Typ 37, genannt „Bison“, eine Geschwindigkeit von 965 km/h, eine Reichweite von 9 000 km und besitzt eine Ladefähigkeit von 9 t. Der mittlere sowjetische Bomber Typ 39, genannt „Badger", entspricht in seiner Leistung etwa dem mittleren englischen Bomber der V-Klasse. Er soll eine Geschwindigkeit von ebenfalls 965 km/h, eine Reichweite von 4 200 km bei einer Ladefähigkeit von 9 t aufweisen.

Wenn man die Eindringtiefe mit 40 v. H.der Reichweite ansetzt, so daß Hin-und Rückflug eingerechnet sind, so erstreckt sich der von diesen Bombern erreichbare Raum nach Westen über ganz Westeuropa bis nach Nordafrika hinein. So ist die sowjetische Luftwaffe von heute in keiner Weise mit der am Ende des zweiten Weltkrieges zu vergleichen. Auch sie hat stürmische Fortschritte in den verflossenen 10 Jahren zu verzeichnen. Wenn sie auch nicht den amerikanischen Kontinent unmittelbar aus der Luft in großem Stile anzugreifen vermag, so stellt sie doch für die Länder Westeuropas eine außerordentliche Bedrohung dar.

Abwurfmittel verbessert Zu dieser allgemeinen Leistungssteigerung der Flugzeuge tritt eine hochwertige Verbesserung der Bord-und Zielgeräte. Mittels Radar ist die Ortung und Zielerkennung aus großen Höhen — 12 000 bis 15 000 m — und bei jeder Wetterlage möglich. Diese Möglichkeit kommt einmal dem eigenen Schutz des Angreifers gegenüber einer Abwehr, sodann der Treffgenauigkeit seiner Abwurfmittel zugute. Die Abwurf-mittel selbst sind zunächst die bekannten Splitter-, Spreng-, Minen-und Brandbomben. Sie sind ballistisch verbessert. Sprengbomben können mit einem Raketenzusatz versehen sein, wodurch ihre Durchschlagskraft erhöht wird. Durch einen Abstandszünder lassen sich diese Bomben in einer gewünschten Höhe über dem Erdboden zur Detonation bringen. Dadurch wird der Wirkungsbereich wesentlich erweitert. In der Napalm-Bombe hat die Brandwaffe einen neuen Zuwachs erhalten, der seine Gefährlichkeit im koreanischen Feldzug gezeigt hat. Diese Bombe hat eine ausgedehnte unmittelbare Brandwirkung und ist in diesem Bereich nur schwer zu löschen.

Ob auch Abwurfmittel, die chemische Kampfstoffe versprühen, zukünftig verwendet werden, bleibt eine offene Frage. Wenn auch im zweiten Weltkrieg von keiner Seite davon Gebrauch gemacht worden ist, so steht doch fest, daß die großen Militärmächte die Forschung nach besonders wirksamen Angriffsmitteln und -möglichkeiten auch auf diesem Gebiet fortgesetzt haben. Die dabei entwickelten neuen Kampfstoffe, wegen ihrer Störung des Nervensystems Nervengase genannt, sind kaum wahrnehmbar, aber von sehr heftiger Wirkung. Nach amerikanischer Angaben besitzen die Sowjets Kampfstoffbomben, die 50 Kanister mit je 1 kg Kampfstoff enthalten. Durch Abstandzünder werden die Bomben in einer bestimmten Höhe zur Entladung gebracht, wodurch die Kanister auf einen breiten Zielraum verteilt werden. Die Kanister selbst besitzen eine Sprengladung, die beim Aufschlagen den Kampf-stoff versprüht. Damit kann ein großes Gebiet durch Kampfstoff vergiftet werden.

In der Literatur finden sich immer wieder Hinweise, daß es sich für einen Angreifer, der ein Land besetzen wolle, mehr empfehlen würde, chemische Kampfstoffe einzusetzen als ausgesprochene Zerstörungsmittel. Denn durch chemische Kampfstoffe würden Anlagen und Einrichtungen nur zeitweise unbenutzbar gemacht und nicht zerstört werden.

Nun kann sich der Mensch aber gegen chemische Kampfstoffe weitgehend schützen. Diese Tatsache läßt die chemischen Kampfstoffe nicht als eine kriegsentscheidende Waffe erscheinen. Nur dann, wenn keine Schutzmaßnahmen vorbereitet sind, ändert sich die Lage. Diese Feststellung zwingt also zu Schutzmaßnahmen auch gegenüber diesen Gefahren. Hier dürfte genügende Vorsorge auch zugleich die beste Vorbeugung einer Anwendung darstellen.

Sehr ähnlich liegt es mit der Beurteilung, ob biologische Kampfmittel, die ja ebenfalls aus der Luft abgeworfen werden können, zum Einsatz gelangen werden. Die Skala der Möglichkeiten ist hierbei nicht allzu groß, der Erfolg dabei von Voraussetzungen verschiedener Art abhängig. Auch hier ist bei rechtzeitiger Erkennung eine Eindämmung des Gefahrenherdes und wirksamer Schutz möglich. Dazu kommt, daß Seuchen und Pestilenzen keine Grenzen kennen und sich auch gegen ihre Anstifter selbst richten können. Eine gute Gesundheitsorganisation und ein hoher hygienischer Stand eines Volkes bilden dabei die besten Voraussetzungen, um dieser Gefahr wirksam begegnen zu können.

Das Atomzeitalter brach an Aber alle diese herkömmlichen Möglichkeiten werden durch die neuen Waffen, mit denen sich das Atomzeitalter zum Schrecken der Menschheit unerwartet eingeführt hat, weit in den Schatten gestellt. Als die ersten Atombomben über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki detonierten, hielt die Welt den Atem an. Gegen die Wucht dieses Angriffsmittels schien es keinen Schutz mehr zu geben. In der Tat, die Waffentechnik hatte mit'der Erfindung dieses Angriffsmittels einen Sprung getan, der ohne Vergleich in der bisherigen Entwicklung der Waffentechnik war. Auch die Erfindung des Schießpulvers hatte nicht die gleiche Bedeutung. Wohl wurde damit eine chemische Entdeckung für kriegerische Zwecke ausgenutzt und dadurch die Reichweite wie die Durchschlagskraft des Geschosses erheblich gesteigert. Für die Kampftätigkeit blieb aber der Grundsatz unverändert, mit der Waffe ein bestimmtes Ziel zu treffen. Die Atomwaffe dagegen sucht nicht mehr ein Einzelziel. Sie trifft einen Raum und verwandelt ihn in eine Vernichtungszone. Nicht mehr mit der Kugel oder dem Sprengstück sucht sie den einzelnen Gegner zu treffen, sondern ihre Kräfte sind Luftdruck, Hitze-blitz, Gammastrahlung für den näheren Umkreis und radioaktiver Aschenregen für den weiteren.

Die Wirkungen der Atombombe Für die Berechnung der Wirkungen atomarer Angriffsmittel wird die Stärke der Bombe zugrunde gelegt, die über Hiroshima und Nagasaki zur Detonation gebracht wurde. Sie gilt als nominelle Atombombe und wird als X-Bombe bezeichnet. Durch Hinzufügen der entsprechenden Zahl zum X wird die größere oder geringere Stärke einer Atombombe ausgedrückt. Diese nominelle Atombombe setzte ein Energieäquivalent frei, das der Energieentwicklung von 20 000 t Sprengstoff Trinitrotoluol entspricht. Sie wurde in einer Höhe von 600 m über dem Erdboden gezündet.

Ihre Wirkungen sind, wie bereits kurz angedeutet: Luftdruck, Hitze-blitz, Gammastrahlung und Reststrahlung. Die Druckwelle läuft etwa mit Schallgeschwindigkeit und übt im engeren Kreis eine vertikale, in weiterer Entfer. ung eine horizontale Druckwirkung aus. Ihr Druck ist nicht schlagartig wie bei kurzzeitigen Explosionen, sondern von einer gewissen Dauer, was bei der Berechnung der Widerstandsfähigkeit von Bauten gegenüber dieser Druckwirkung von Bedeutung ist. Die dem Druck nachfolgende Unterdruckphase bleibt in ihrer Stärke weit hinter dieser zurück. Die Zerstörungswirkung einer nominellen Atombombe auf oberirdische Baulichkeiten muß für einen Radius von über 1, 6 km (mittelschwere Zerstörung) angenommen werden. Die Gefahr der Druckwelle für den menschlichen Körper, sofern er sich nicht in dem unmittelbaren Wirkungsbereich um den Bodennullpunkt der Explosion efindet, besteht nicht so sehr im Druck auf den menschlichen Körper wie in der Möglichkeit, daß die durch den nachfolgenden gewaltigen Windstoß niederstürzenden und umherfliegenden Trümmerstücke, Holzteile oder Glasscherben den Körper treffen.

Dagegen wirkt sich die Hitzestrahlung unmittelbar, wenn auch nur sekundenlang, auf den ungeschützten menschlichen Körper aus. Die plötzliche Hitzestrahlung ist so gewaltig, daß sie bis zu 2 km schwere und bis zu 3 km Verbrennungen geringeren Grades auf ungeschützte Körper-teile verursacht. Mit einer brandstiftenden Wirkung auf brennbare Gegenstände muß ebenfalls bis zu 3 km gerechnet werden. Leicht entflammbare Stoffe können auch über diese Entfernung hinaus in Brand geraten. Diese Zahlen gelten für klare Sicht. Die Hitzewirkung wird wesentlich geschwächt, wenn die Sichtverhältnisse durch Staub oder Rauch, wie er meist über Industriestädten lagert, vermindert sind. Es hat sich gezeigt, daß helle Farben, auch bei Kleidung, die Hitzestrahlen gut reflektieren. Natürlich wirkt der Hitzestrahl nur dort, wo er hin-trifft. Im Schatten eines Hanges oder einer Mauer oder unter der Erdgleiche bleibt er wirkungslos. Selbst ein Hinwerfen auf den Boden und Überdecken mit einem Mantel oder einer Decke würde in nicht zu geringer Entfernung einen gewissen Schutz bieten.

Die ionisierenden Gammastrahlen durchdringen, ähnlich den Röntgenstrahlen, die Luft und den menschlichen Körper und können bis zu 1, 4 km Entfernung vom Explosionspunkt für den Menschen tödliche Wirkung haben. Schutz gegen diese Strahlung bietet möglichst dichte Materie, also Materie von hohem spezifischem Gewicht. Eine Betonwand von 12 cm Dicke halbiert die Strahlendosis, bei 48 cm Dicke wird die Wirkung auf 1/16 herabgesetzt. Dabei ist zu bedenken, daß die für 50 % der Menschen tödliche Dosis etwa 400 r (Röntgen-Maß der Strahlungseinheit) beträgt. Die nachfolgende Übersicht kennzeichnet, wie eine Strahlendosis von 400 r durch Beton oder Erde vermindert werden kann.

Daraus ergibt sich, daß ein Aufenthalt im Schutzraum mit entsprechender Deckenstärke, in gut abgedeckten Unterständen, Deckungsgräben oder auch im tiefeingeschnittenen Schützenloch einen wirksamen Schutz gegen die Gammastrahlung gewährleistet.

Es bliebe noch die Reststrahlung infolge Niederschlags von Spaltprodukten zu besprechen. Bei einer Detonation der Atombombe in der Luft werden die Spaltprodukte so fein verteilt und an die in den oberen Luftschichten befindlichen Schwebeteilchen angelagert, daß sie erst nach langer Zeit auf den Erdboden zurückgelangen und ihre Radioaktivität dann stark abgeklungen ist. Bei einem bald nach der Detonation einsetzenden Regen können sie jedoch früher niedergeschlagen werden, so daß in solchen Fällen Vorsicht am Platze ist. Noch anders verhält es sich bei Detonationen am Boden oder auf dem Wasser. An das dabei emporgerissene Bodenmaterial oder an die Wassertröpfchen lagern sich die Spaltprodukte an, wobei die größeren Teilchen infolge ihrer Schwere bald, die kleineren später niederfallen und das Gelände in einem weiteren Umkreis vergiften können. Eine längere Verweildauer in solchem radioaktiv vergifteten Gelände ist zum mindesten in der ersten Zeit, solange große Aktivität herrscht, lebensgefährdend. Gegen die Wirkung des radioaktiven Niederschlags schützt der Aufenthalt in geschlossenen, möglichst unterhalb der Erdgleiche gelegenen Räumen, gut abgedeckten Unterständen und notfalls auch eine Abdeckung durch übergeworfene Kleidungsstücke oder Zeltplanen, die später sorgfältig gereinigt oder vernichtet werden müssen. Die Radioaktivität klingt zunächst rasch, später langsamer ab. Welche Intensität jeweils herrscht; muß durch Strahlenmeßgeräte festgestellt werden. Aus diesen Messungen ergibt sich auch, wann und wie lange das Gelände ohne Gefahr wieder betreten werden kann.

Eine Übersicht über das Abklingen der Intensität mit der Zeit bringt die nachstehende Zusammenstellung. Die Strahlung ist dabei in Prozenten ausgedrückt, die eine Stunde nach der Detonation vorhanden ist.

Von besonderer Bedeutung ist, daß keine radioaktiven Partikelchen durch Mund oder Nase in den Körper eindringen, da sie im Innern des menschlichen Organismus besonders nachhaltige Wirkungen auslösen. Schutz dagegen bietet die Schutz-oder Staubmaske, notfalls auch ein behelfsmäßiges Abdecken von Mund und Nase. Aus dem gleichen Grunde ist der Genuß von Lebensmitteln oder Wasser, die durch radioaktiven Niederschlag verunreinigt sein können, zu vermeiden. Die Hände sollten durch Handschuhe geschützt sein, da die abgelagerten Spaltprodukte sich beim Anfassen auf der bloßen Haut festsetzen und Schädigungen hervorrufen können.

Weitere Steigerungen Schon im Winter 1953 verkündete Präsident Eisenhower, daß Atombomben von 25fach stärkerer Wirkungskraft als die Atombomben, die das Atomzeitalter eingeleitet hätten, hergestellt werden könnten. Er verkündete aber gleichzeitig, daß es neuerdings thermonukleare Bomben gäbe, deren Wirkungskraft Millionen Tonnen Sprengstoff entspräche. Damit war ein neuer Abschnitt in der Entwicklung der atomaren Angriffsmittel angebrochen. Zur Atombombe war die Wasserstoffbombe getreten.

Um zu dieser neuen gewaltigen Wirkungssteigerung zu gelangen, war ein völlig anders gearteter Weg beschritten worden. Wurde die Wirkung der Atombombe durch die Spaltung der Kerne bestimmter schwerer Elemente erzielt, so baut sich die Wirkung der Wasserstoff-bombe auf der Verschmelzung leichtester Kerne — schwerer, über-schwerer Wasserstoff und Lithium — zu einem neuen Element auf: Helium. Auch bei dieser Verschmelzung werden große Energiemengen frei. Es ist im übrigen ein ähnlicher Vorgang, wie er sich auf der Sonne im großen abspielt. Die Verschmelzung ist aber nur bei extrem hohen Temperaturen möglich. Da solche nur durch Zündung einer Atombombe entwickelt werden können, bedarf die Ingangsetzung dieser Verschmelzung bei der Wasserstoffbombe einer Atombombe als des den Vorgang auslösenden Zünders.

Eine kritische Größe gibt es für die Wasserstoffbombe nicht. Danach können theoretisch Wasserstoffbomben größten Ausmaßes hergestellt werden. Sie müssen lediglich dem Gewicht nach zu transportieren sein. Es sind dementsprechend Wasserstoffbomben als möglich bezeichnet worden, die einen 1000-bis 5000fach größeren Energiebetrag freisetzen würden als die nominelle Atombombe. Die bei der Detonation einer Wasserstoffbombe freiwerdenden Energiemengen würden demnach der Explosionskraft von Millionen Tonnen Sprengstoff entsprechen.

Hierbei darf aber nicht übersehen werden, daß die Radien der mechanischen Wirkung nicht in gleichem Maße mit den höheren Energiebeträgen wachsen. Der Radius der Zerstörungswirkung durch die Druckwelle ist vielmehr der Kubikwurzel aus der freiwerdenden Energie proportional. Bei einem 100ofach höheren Energiebetrag würde damit eine zehnfache Vergrößerung des Wirkungsradius erzielbar sein. Der Wirkungsradius der Hitze vergrößert sich mit der Quadratwurzel aus der Energie bei klarer Sicht. Die Gammastrahlung bleibt dabei nur etwa die gleiche wie bei der Atombombe, die als Zünder benutzt wurde. Da somit die Schadensbereiche mit zunehmender Stärke der Bombe immer weniger wachsen, dürfte eine Vergrößerung über mehrere tausend x u. a. aus diesem Grunde kaum zu erwarten sein.

Neuerdings ist ein weiterer Bombentyp bekannt geworden, der dem Prinzip der Wasserstoffbombe entspricht, jedoch zusätzlich als Mantel eine starke Hülle von Uran 238 besitzen soll. Dadurch kann eine außerordentliche Vermehrung der bei der Detonation entstehenden Spaltprodukte erzielt werden. Diese setzen sich aus sehr verschiedenen chemischen Elementen zusammen, die hoch radioaktiv sind, und würden bei einer Bodendetonation nicht nur im engeren Umkreis der Detonation zu Boden sinken, sondern in Richtung der Windströmung bei ihrem schließlichen Niederfall weite Landstrecken vergiften. Während die Bevölkerung sich hiergegen bei rechtzeitiger Warnung durch Aufsuchen geschlossener Räume verhältnismäßig einfach schützen kann, sind die im Freien weidenden Viehbestände, die Weiden selbst, Feldfrüchte und offenes Gewässer der Vergiftungsgefahr ausgesetzt. Da bei dieser Anwendungsart einer Uranmantel-Bombe der Wirkungsumfang kaum vorher genau festgelegt werden kann, sondern durch unbestimmbare Witterungsfaktoren beeinflußt wird, kann diese Waffe bei Verwendung in grenznahen Räumen u. U. auch für den Angreifer gefährlich werden.

Druckknopfkrieg — keine Theorie Mit der V 1 und der V 2 traten im letzten Weltkrieg neue Arten von Fernwaffen in Erscheinung. Sie sollten trotz der alliierten Luftüberlegenheit Fernziele im gegnerischen Hinterland treffen. Da sie sich noch im ersten Stadium der Entwicklung befanden, waren diese „Wunderwaffen" in ihrer Handhabung noch nicht vollkommen.

Von alliierter wie von sowjetischer Seite sind die Fernwaffen mit Hochdruck weiterentwickelt worden. Es ist schwer zu sagen, welche der beiden Seiten im Rüstungswettlauf auf diesem Gebiet den Vorsprung hat. Darüber aber dürfte kein Zweifel bestehen, daß Sowjetrußland Fernwaffen besitzt, mit denen es Flächenziele von einigen Kilometern Ausdehnung auf 300— 400 km Entfernung treffen kann. Das ist etwa die Tiefe des westdeutschen Raumes.

Die Fernwaffe ist vom Standpunkt des Angreifers gesehen gegen feststehende Ziele eine fast ideale Waffe. Ohne ein eigenes Risiko durch Verlust kostbarer Maschinen oder schwer ersetzbaren Fliegerpersonals einzugehen, können von einem Angreifer weit entfernte Ziele bekämpft werden. Die Verteidigung kann hiergegen kaum eine aussichtsreiche Abwehr einsetzen. Es ist möglich, die Trefferwirkung bis zur Vernichtung zu steigern, wenn das Geschoß mit einem Atom-Sprengkopf ausgestattet ist. Da die Abschußbasen versteckt und unterirdisch angelegt oder aber transportabel gestaltet sein können, ist auch die Niederkämpfung der Abschußstellen durch eine etwa überlegene gegnerische Luftwaffe erschwert.

Es ist also kein Wunder, daß der Ausbau dieser neuen Waffe mit allen Mitteln vorwärtsgetrieben wird und in den zurückliegenden zehn Jahren bereits jetzt einen sehr beachtlichen Stand sowohl in der Vielfältigkeit der verschiedenen Arten wie auch in der Handhabung erreicht hat.

Es gibt heute Fernwaffen verschiedener Verwendungsart, so von Erde zu Erde, von Luft zur Erde, von Erde zur Luft, von Luft zu Luft. Das gleiche wie von der Erde gilt auch für die See. Man unterscheidet Fernwaffen, die nach ihrer Flugbahn ärodynamischen Gesetzen und solche, deren Flugbahnen ballistischen Gesetzen folgen.

Die Fernwaffe mit ärodynamischer Flugbahn gleicht einem unbemannten Flugzeug. Sie wird häufig durch eine Hilfsrakete gestartet und bewegt sich sodann wie ein Flugzeug mittels Strahltriebwerk in etwa horizontaler Bahn auf das Ziel zu. Beim Auftreffen auf das Ziel detoniert sie als Sprengladung. Ihre Flughöhe ist begrenzt. Ihre Geschwindigkeit liegt an der Schallgrenze. Sie kann auf dem größten Teil ihres Fluges ferngelenkt werden. Als Prototyp für diese Fernwaffe kann der amerikanische „Matador" gelten, mit dem zwei Flugstaffeln der amerikanisdien Luftwaffe auf deutschem Boden ausgestattet sind. Die Flug-höhe des „Matador“ beträgt etwa 13 000 m, die Geschwindigkeit etwa 1000 km/h, seine Reichweite wird mit 800— 900 km angegeben.

Die Fernwaffe nach ballistischem Prinzip zeigt die zylindrische Geschoßform. Sie wird als Rakete fast senkrecht abgeschossen, erreicht eine sehr hohe Gipfelhöhe und besitzt mehrfache Schallgeschwindigkeit. Als Prototyp hierfür kann der ebenfalls bei der amerikanischen Wehrmacht eingeführte „Corporal“ angesehen werden. Er erreicht eine Gipfelhöhe von etwa 80 km, eine etwa dreifache Schallgeschwindigkeit und eine Reichweite von etwa 240 km.

Die meisten Arten der Fernwaffen besitzen einen Lenkorganismus. Dieser kann vom Boden aus, oder von einem Flugzeug aus der Luft gesteuert werden. Eine Steuerung der ballistischen Fernwaffe ist nur bis zum Brennschluß möglich. Dann fliegt das Geschoß wie ein artilleristisches Geschoß weiter.

Die Vereinigten Staaten wie die Sowjetunion sind bemüht, die Reichweiten der Fernwaffen bis auf interkontinentale Entfernungen zu steigern. Der Durchführung dieses Vorhabens steht besonders die Schwierigkeit entgegen, auf so weite Entfernungen das Geschoß in das Ziel zu bringen. Jedoch wird mit der Überwindung dieser Schwierigkeit in absehbarer Zeit gerechnet. Zunächst scheint eine Mittelstreckenlösung bis zu einer Höchstentfernung von 2400 km verwirklichungsreif.

Im weiteren Zuge der Vermehrung und Verbesserung der Fernwaffen dürfte auch eine Wandlung in der Luftkriegführung eintreten. Die Bekämpfung von Flächenzielen in einer für die Fernwaffe erreichbaren Entfernung wird mehr und mehr von dieser übernommen werden, während die Bomber auf weiter entfernte oder bewegliche Ziele angesetzt werden dürften.

Die Luftverteidigung holt auf Zwar gibt es eine gewisse Regel, daß nach bestimmter Zeit sich Angriff und Verteidigung immer wieder die Waage halten. Gegenwärtig aber dürfte im Luftkrieg der Angreifer die Vorhand besitzen. Für die verschiedenen Angriffsmittel sind die größten Opfer gebracht worden. Allein für die Herstellung der Atombombe arbeiteten über zwei Jahre etwa 100 000 Arbeitskräfte, darunter 15 000 Ingenieure und Techniker mit einem Kostenaufwand von 2, 5 Milliarden Dollar!

Inzwischen beginnt allerdings die Verteidigung aufzuholen. Wie weit es gelingen wird, eine wirksame Luftverteidigung aufzubauen, wird erst die Zukunft lehren. Immerhin sind auch auf diesem Gebiete beachtliche Fortschritte verzeichnet worden.

Hierbei ist die frühzeitige Feststellung des Anflugs von Flugzeugen durch verbesserte Radar-Geräte von besonderer Bedeutung. Bis auf mehrere hundert Kilometer voraus läßt sich heute ein solcher Anflug feststellen. Diese Möglichkeit, deren Erweiterung mit allen Mitteln angestrebt wird, verhütet im allgemeinen eine Überraschung durch den Angreifer und gibt der Abwehr durch Jäger und Flak die Zeit, dem Angreifer entgegenzutreten. Zugleich ermöglicht die dadurch gewonnene Zeit, daß die Bevölkerung durch den Luftschutzwarndienst rechtzeitig alarmiert werden kann. Jedoch sind bei dem gradlinigen Verlauf der Radar-Wellen nur Ziele bei geometrischer Sicht zu erfassen. So wirkt sich die Erdkrümmung dahin aus, daß tief anfliegende Flugzeuge nicht erfaßt werden können. Auch behindert bergiges Gelände die Sicht. Diese begrenzte Ausnutzung der Radar-Geräte macht es notwendig, den Radar-Dienst durch ein dichtes Netz von Luftbeobachtungsstellen mit Luftbeobachtern zu ergänzen.

Im Zusammenhang mit dem Radar-Netz läßt sich der Fortschritt auf dem Gebiete der Fernwaffen auch für die Luftverteidigung nutzbar machen. Die Fernwaffe „Erde zur Luft“ kann als neues wirksames Abwehrmittel gegen schnell und hoch fliegende Flugzeuge angesehen werden. Die ferngelenkte Fliegerabwehr-Rakete ersetzt damit die schwere Flak, die mit ihrem Abwehrfeuer gegen die heutigen schnell und hoch fliegenden Flugzeuge nicht mehr wirksam ist. Die Fliegerabwehr-Rakete, die mittels Lenkverfahrens gegen das Ziel gesteuert wird, besitzt meist ein Zielsuchgerät, das elektromagnetische, thermische oder akustische Impulse des Zieles bei genügender Annäherung selbsttätig ausnutzt. Mittels dieses „Schnüffel-Kopfes“ folgt das Geschoß dem Ziel auch-bei etwaigen Ausweichmanövern. Damit dürfte die Fliegerabwehr-Rakete zu einer gefährlichen Abwehrwaffe auch gegen schnell und hoch fliegende Flugzeuge geworden sein.

Als Prototyp dieser Abwehr-Rakete sei auf das amerikanische Lenkgeschoß „Nike“ verwiesen. Batterien dieses Lenkgeschosses schützen die Großstädte des amerikanischen Kontinents. Neuerdings sind auch solche den amerikanischen Verbänden in Westeuropa zugeteilt worden und dürften für die Luftverteidigung der Bundesrepublik vorgesehen sein.

Inzwischen sind neue Versuche bekannt geworden, die darauf hinauslaufen, den Geschoßkopf der Fliegerabwehr-Rakete mit einer Atom-ladung zu versehen. Eine Detonation dieses Atomgeschosses in großer Höhe würde Verbände von Flugzeugen vernichten können. Das Raketengeschoß ist aber als Luftkampf-Rakete auch eine Waffe des Jagdflugzeuges geworden, mit dem es den Bomber wirkungsvoller als mit den bisherigen Bordwaffen anzugreifen vermag. Mittels Radar-Geräten, die zum Suchen und Zielen dienen, und in Verbindung mit einem elektronischen Rechengerät, das alle wichtigen Daten errechnet und automatisch im rechten Augenblick die Raketengeschosse auslöst, hat der heutige Turbojäger auch den schwerbewaffneten und schnell-fliegenden Bombern gegenüber wieder Aussicht auf gute Abschußergebnisse. Die Automatik des Verfahrens kann im übrigen auch noch weiter gesteigert werden. So können unbemannte Flugzeuge ferngesteuert an den Gegner herangebracht werden, den Angriff in der oben beschriebenen Weise durchführen und zur Ausgangsbasis zurückgelenkt werden.

Gegen Tiefanflüge wird die mittlere und leichte Flak nicht zu entbehren sein. Auch für ihre Zielerfassung und Feuerleitung ist die Entwicklung auf dem Gebiete des Radarwesens und der Rechengeräte leistungssteigernd gewesen.

Von den Luftwaffen selbst wird jedoch im allgemeinen der Gegen-schlag als die wirkungsvollste Verteidigung angesehen. Ein unmittelbar geführter Gegenschlag ist schon deshalb nötig, damit der Angreifer nicht zu weiteren Vernichtungsschlägen ausholen kann. Um aber den ersten Schlag zu überstehen, gehen auch die Luftwaffen dazu über, mit den Methoden und Mitteln des passiven Luftschutzes ihre Absprungbasen zu schützen. Sie sehen für ihre Einheiten eine aufgelockerte Aufstellung vor und machen von den Mitteln der Tarnung und des baulichen Schutzes für ihre wichtigsten Anlagen Gebrauch.

Umwälzende Erkenntnisse

INHALT DIESER BEILAGE: Erich Hampe:

Im Spannungsfeld der Luftmächte Wolfgang Finkelnburg:

Naturwissenschaft und Schule im geistigen Leben unserer Zeit (S. 317)

Diese technische Entwicklung auf dem Gebiete des Flugwesens hat die luftstrategische Lage in der Welt wie aller einzelnen Staaten von Grund auf verändert. Gab es noch Gegenden, ja Staaten, auf der Erde, die sich durch ihre erdräumliche Lage vor Luftangriffen sicher fühlen konnten, so ist dies heute nicht mehr der Fall. Denn zumindest theoretisch, aber auch im Einzelfall praktisch ist jeder Punkt der Erde heute flugtechnisch erreichbar. Ein Non-stop-Flug um die Erde bietet bei Nachtanken aus der Luft keine unüberwindbaren Schwierigkeiten mehr. Ein mittlerer Bomber der englischen V-Klasse könnte von London aus abfliegend in seiner einfachen Endringtiefe weit hinter Moskau den russischen Raum erreichen. Ein einmaliges Nachtanken würde ihn tief nach Asien, ein weiteres nach Indien bringen. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung des Systems der Luftstützpunkte ersichtlich. Sollte aber einmal, wie bei dem U-Boot praktisch versucht, auch die Möglichkeit der Verwendung der Atomenergie als Antriebskraft für Langstreckenbomber verwirklicht werden, was wohl nur noch eine Frage der Zeit ist, so würden Entfernungen überhaupt keine Rolle mehr spielen.

Das ist die Erkenntnis, die sich aus der technischen Fortentwicklung ergeben hat. Die zweite ist die folgende:

Der Angriff aus der Luft hat heute soviel Erfolgsaussichten, daß auch die stärkste Luftverteidigung oder selbst die Erringung der Luftüberlegenheit keinem Staate mehr eine absolute Schutzmöglichkeit verbürgen kann. Alle Luftmanöver haben erwiesen, daß es neuzeitlichen Kampf-flugzeugen bei ihrer heutigen Geschwindigkeit und Flughöhe immer möglich sein wird, wenigstens mit Gruppen oder Einzelflugzeugen den bestgeschützten Luftraum zu durchstoßen und das Heimatgebiet des Gegners anzugreifen. Da aber bereits ein einzelnes Flugzeug als Träger von Atom-und Wasserstoffbomben die Wirkung von Hunderten, ja Tausenden früherer Bombenflugzeuge auszulösen vermag, ist somit das Heimatland auch des luftüberlegenen Gegners ebenso bedroht, wie wenn ganze Geschwader eindringen würden.

In Räumen, die bereits heute von ferngelenkten Geschossen belegt werden können, hat die Frage der Luftüberlegenheit überhaupt keine entscheidende Bedeutung für den Schutz des Heimatgebietes mehr.

Damit ergibt sich aber zugleich die dritte Erkenntnis:

Die Zerstörungswirkung auf das Hinterland ist durch die neuen Kampfmittel sprunghaft gestiegen. Im ersten Weltkrieg war die einzelne Bombe, im zweiten Weltkrieg der Bombenteppich die gefürchtete Angriffsart. In einem zukünftigen Weltkrieg würden bei Anwendung der Atomwaffen nicht mehr Einzel-oder Mehrtrefferwirkungen erzielt werden, sondern die Elemente entfesselt sein. Orkane, Großbrände, Flutwellen können durch eine einzelne Bombe in Bewegung gebracht werden. Es liegt in eines einzelnen Menschen Hand, kleinere oder größere Katastrophen hervorzurufen. Und die Wirkung auf die Menschen wird um so verheerender sein, je mehr sie davon überrascht werden.

Alle Staaten, die aus der Kenntnis der inzwischen eingetretenen Entwicklung zu diesen Erkenntnissen gelangt sind, haben inzwischen in mehr oder minder vollkommener Weise die Folgerungen daraus gezogen. Ihre Folgerungen zielten dabei zunächst darauf hin, die Möglichkeit einer Überraschung durch Luftangriffe zu verhüten. Denn angesichts der Vernichtungskraft der neuzeitlichen Kampfmittel könnte eine solche Überraschung katastrophale Folgen auslösen und bereits die Entscheidung vorausnehmen.

Diese Sorge spielt bekanntlich in der heutigen Weltpolitik eine maßgebliche Rolle und wird sie voraussichtlich noch lange spielen. Von amerikanischer wie von englischer Seite sind der Sowjetunion weitgehende gegenseitige Sicherungsvorschläge gegen solche Überraschungen angeboten worden. Inzwischen aber suchen die Staaten durch technische Mittel sich davor zu schützen und sind dabei, durch Anlage von ständig in Betrieb befindlichen und längs ihrer Küsten und Grenzen verlaufenden Radar-Stationen sich zu sichern.

Unter Aufwand ungeheurer Mittel bauen die Vereinigten Staaten einen dreifachen Gürtel von Radar-Stationen im Verein mit Kanada gegen einen Überraschungsangriff über das arktische Dach hinweg, also gegenüber dem kürzesten Flugweg von Osten her auf. Die festen Stationen werden durch Stationen auf Schiffen und besondere Radar-Stationen in ständig patrouillierenden Flugzeugen ergänzt. Auch die anderen Flanken der Vereinigten Staaten werden ähnlich gesichert, wobei das Bemühen erkenntlich ist, die Stationen weit nach der See hinaus vorzuschieben und dazu auch künstliche Inseln zu errichten. Im Landinnern ist zur Ergänzung ein dichtgespanntes Netz ständig besetzter Flug-beobachtungsposten eingerichtet. Ähnlich hat auch die Sowjetunion ihr Gebiet mit einem Radar-Zaun nach den verschiedenen Richtungen hin abgesichert. Dazu treten in Verbindung mit den um die wichtigsten Industriegebiete gebildeten Abwehrzentren der Luftverteidigung auch noch innere Radar-Kreise.

Hinter den Radar-Zäunen beginnt das Gebiet der Luftverteidigung, die von startbereiten Jägern, Flak und Fliegerabwehr-Raketenbatterien durchgeführt wird. Mehr als 100 Raketen-Batterien schützen die wichtigsten Städte Nordamerikas. Außer dieser kontinentalen Abwehr gegen Luftangriffe, die unter einem Oberbefehl straff vereinigt ist, wird ein interkontinentales Langstreckenbomber-Kommando ständig bereit gehalten. Mit Teilen befindet es sich dauernd in der Luft, um so unverzüglich zum Gegenschlag anzusetzen, falls ein Angriff überraschend erfolgen sollte.

Aber weder eine starke Luftverteidigung noch der Ausbau ihrer Luftwaffe erscheinen den Staaten für den Schutz ihres Heimatgebietes ausreichend. Vielmehr wird gerade in den hochgerüsteten Ländern wie den Vereinigten Staaten und England entscheidender Wert zugleich auf einen umfassenden zivilen Luftschutz gelegt. Ohne ihn bleibt der Schutz der Zivilbevölkerung unvollständig und fragwürdig. Was in diesem Rahmen der zivile Luftschutz bedeutet, geht am besten aus dem nüchtemen angelsächsischen Ausspruch hervor: „Man kann damit zwar keinen Krieg gewinnen, wird ihn aber wohl ohne einen solchen verlieren." Zusammenschluß — das Gebot der Stunde Eine weitere Folgerung aber ist die: Die Überwindung von Zeit und Raum durch die hochentwickelte Flugtechnik hat den Erdball zusammenschrumpfen lassen. Aus der Sicht eines zukünftigen Luftkrieges spielen einzelne Staaten keine Rolle mehr. Hier sind nur noch Luft-räume über Kontinenten von Bedeutung. Europa im Ganzen ist nur noch Teil eines größeren Luftraumes. Nach Minuten nur rechnet die Zeit, in der ein Turbobomber das Gebiet europäischer Staaten überfliegt.

Die so entstandene gleichartige Luftgefahr für die europäischen Staaten und die immer mehr sich geltend machende Auffassung, daß dem Luftkrieg in einer etwaigen neuen Weltauseinandersetzung eine entscheidende Bedeutung zukommt, führen zwingend zu einem engen Zusammenschluß aller gleichermaßen bedrohten europäischen Staaten. Gemeinsame Gefahr verpflichtet zu gemeinsamer Abwehr. Die Erkenntnis, daß eine solche auch gerade die Luftverteidigung umfassen muß, hat zur Zusammenfassung der Luftverteidigung aller in der NATO zusammengeschlossenen europäischen Staaten geführt. Eine Radar-Frühwarnlinie vom Nordkap bis zu den Dardanellen wird die erste gemeinsame Maßnahme sein müssen. Dahinter werden sich die Luftverteidigungsgruppen Nord mit Oslo, Großbritannien mit London, Westeuropa mit Paris und Südeuropa mit Neapel als Zentren einrichten. Sie alle müssen in laufender engster Verbindung miteinander stehen und als Ganzes wirken.

Freilich ist auch dieser Raum — aus der Weitsicht gesehen, — nur ein Sektor der luftstrategischen Weltlage. Sie überspannt alle Kontinente. Lind aus dieser Schau wird immer deutlicher, daß die Welt sich mehr und mehr in zwei Hälften spaltet, von denen die eine als freie Welt, die andere als kommunistische Welt bezeichnet werden kann. Die Befürchtung liegt nur zu nahe, daß bei einem etwaigen nächsten Weltbrand nicht mehr einzelne Staaten, sondern Welthälften gegeneinander stoßen würden. Das ausgedehnte System von Luftstützpunkten, das die Vereinigten Staaten um die kommunistische Welt gezogen haben, und der gleiche Versuch der Sowjetunion, sich bei befreundeten Nationen Luftstützpunkte zu sichern, bezeichnen deutlich diese Ausweitung.

Ein Kampf der Welthälften?

Es liegt nahe, bei der Spaltung der Welt in zwei so gegensätzliche Lager eine Betrachtung über das beiderseitige Kräfteverhältnis anzustellen. Dabei soll sich diese Betrachtung nur auf die Faktoren erstrecken, die für die Luftkriegführung entscheidende Bedeutung haben. Ein solcher Versuch wird naturgemäß immer lückenhaft bleiben, da zuverlässige Unterlagen aus Geheimhaltungsgründen nicht zu erlangen sind. Unter diesen Umständen wird sich diese Untersuchung auf Schätzungen und allgemeine Angaben beschränken müssen. Aber selbst diese grobe Schätzung ist doch lehrreich genug, um wenigstens zu einer allgemeinen Beurteilung zu gelangen.

Der Stand der Luftrüstung an sofort einsatzbereiten Kriegsflugzeugen dürfte zahlenmäßig sowohl für den Ostblock wie den Westblock etwa der gleiche sein. Dabei besteht hinsichtlich der Flugzeugarten jedoch ein Unterschied. Von den Kriegsflugzeugen des Westens entfällt der größere Teil auf die Bomberwaffe einschließlich der Jagdbomber. Für den Ostblock ist das Verhältnis fast umgekehrt. Sein Schwergewicht liegt vorläufig noch auf der taktischen Luftwaffe. Daß hierin eine Wandlung eingesetzt hat und der Osten seit einiger Zeit die qualitative und quantitative Verstärkung auch seiner Bomberwaffe anstrebt, wurde an anderer Stelle bereits bemerkt. Diese Ungleichheit kann sich also im Laufe der Zeit ausgleichen. Über die Leistungsfähigkeit sowohl des fliegenden Personals wie des Materials Angaben zu machen, dürfte sehr gewagt sein. Nur soviel darf wohl angenommen werden, daß die größere Erfahrung in der strategischen Anwendung der Luftwaffe bei den Westmächten liegt und materiell gesehen auch die Präzisionsarbeit dort stärker hervortritt, die insbesondere für die Fertigung der neuzeitlichen Bord-und Zielgeräte ausschlaggebend ist.

Ebenso allgemein kann auch nur die Angabe über die mögliche Ausstattung mit atomaren Waffen gehalten sein, da hierüber größtes Geheimnis gebreitet ist. Aus der Entwicklung hat sich aber doch wohl ergeben, daß die USA eine breitere Ausnutzung der Atomwaffe für taktische Zwecke vorgenommen haben, während die Sowjetunion den Weg von der Atombombe zur Wasserstoffbombe abkürzte und damit diese Breitenentfaltung der taktischen Atomwaffe kaum aufzuweisen hat. Wie dem auch sei, der Stand an Atomwaffen in beiden Lagern ist an sich schon ausreichend, um bei einer kriegerischen Auseinandersetzung sich gegenseitig tödlich zu treffen.

Auch der Stand der Fernwaffen dürfte nicht sehr unterschiedlich sein. Die Besetzung der Versuchsanstalt für V-Waffen Peenemünde durch die Sowjets hat ihnen eine Grundlage zur Weiterentwicklung gegeben, die sie sicherlich voll ausgenutzt haben. Mag auch in der Entwicklung von Fernwaffen für interkontinentale Reichweiten zwischen den LISA und der Sowjetunion ein Wettlauf im Gange sein, bei dem noch unklar ist, wer gewinnt, im Bereich der taktischen Fernwaffe — und deren Bereich wird auf 1000 km veranschlagt — sind beide Lager wohl gleich leistungsfähig.

Nun spielt aber nicht nur der augenblickliche Rüstungsstand die allein entscheidende Rolle für die Kräftebemessung; es müßte auch das Luftkriegs-Rüstungspotential verglichen werden, das schließlich die Grundlage für die Luftkriegführung bildet. Und hier zeigen sich beträchtliche Unterschiede. Einige Gegenüberstellungen auf wichtigen Gebieten der Grundstoffproduktion mögen dies veranschaulichen:

An Rohstahl erzeugte die freie Welt 1955: 213 Mill. Tonnen, dagegen der Ostblock schätzungsweise nur 62 Mill. Tonnen.

An Aluminium wurden von der freien Welt produziert: 2, 4 Mill. Tonnen, dagegen vom Ostblock nur ein Fünftel: 0, 54 Mill. Tonnen.

An Erdöl entfielen auf die freie Welt: 634 Mill. Tonnen, auf die Länder des Ostblocks: 91 Mill. Tonnen.

Auch das Übergewicht an Uran-Fundgebieten liegt bei der freien Welt.

Das sind nur einige Grundzahlen. Aber sie zeigen doch sehr deutlich den Vorsprung, den die freie Welt auf dem Gebiet der Grundstoffproduktion hat und der auch durch den besonders hoch bemessenen Fünfjahresplan der Sowjetunion bis 1960 nicht eingeholt wird.

Will man nach diesem kurzen Überblick eine Beurteilung anstellen, so müßte diese wohl lauten:

In der luftstrategischen Ausgangslage ist die freie Welt im Vorteil. Sie hat die Überlegenheit in der Bomberwaffe und operiert von der äußeren Linie aus in allen Richtungen. Im Verlauf eines Krieges würde voraussichtlich diese Überlegenheit durch die höhere Produktion und das bessere Grundpotential noch steigen. Engpässe für den Osten sind dabei das weniger leistungsfähige Transportnetz und die verhältnismäßig geringe Erdölproduktion, die noch dazu in naher Reichweite des Gegners liegt.

Für die an den Ostblock grenzenden Staaten verschiebt sich dieser allgemeine Vorteil jedoch durch die in diesen Räumen operierende stärkere taktische Luftwaffe des Ostblocks, die Erreichbarkeit durch die sowjetische Fernwaffe und die zahlenmäßig weit überlegenen Landstreitkräfte. Dazu kommt, daß die nach Westen angrenzenden Staaten zahlreiche massierte und lohnende Angriffsziele bieten.

Diese Überlegungen lassen die besondere Gefährdung der Bevölkerung der Bundesrepublik als Volk zwischen den Fronten erkennen. Muß sie schon mit der Wirkung aller taktischen Waffen einschließlich der Fernwaffen rechnen, so wäre es leichtfertig, als Grenzland nicht doch auch die Möglichkeit der Verwendung schwerer Vernichtungswaffen in Ansatz zu bringen. Daß das Gebiet der Bundesrepublik außerdem noch als Operationsraum für die auch mit taktischen Atomwaffen ausge-rüsteten beiderseitigen Landstreitkräfte angesehen werden muß und damit die Zivilbevölkerung den gleichartigen Gefahren nicht nur aus der Luft, sondern auch von der Erde aus und auf dem Lande ausgesetzt sein kann, macht ihre Lage noch besorgniserregender und verlangt gebieterisch den Schutz gegen jede solche Einbruchsmöglichkeit von der Landseite her.

Die Vielfältigkeit der Gefahrenmöglichkeit aus der Luft gestaltet einen Schutz der Zivilbevölkerung der Bundesrepublik zu einem äußerst schwierigen Problem. Denn dieser Schutz muß für alle Gefahrenmöglichkeiten doch wenigstens bedingt wirksam sein. Daß unter diesen Verhältnissen ein allgemeingültiger Schutz niemals erbracht werden kann, sondern nur auf die verschiedenartigen Gefahren abgestellte Schutz-und Hilfsmöglichkeiten geboten werden können, dürfte auf der Hand liegen. Ist ein absoluter Schutz auch gegen Gefahren des friedlichen Lebens, sei es nun gegen Feuer-, Wasser-oder Seudiengefahr, niemals möglich, so wäre es widersinnig, einen solchen lückenlosen Schutz für diese Lage, in der sich die Bundesrepublik befindet, fordern zu wollen. Aber wie jedes verantwortungsbewußte Gemeinwesen trotz der Unmöglichkeit völligen Schutzes die Vorsorge gegen die Gefahren des täglichen Lebens dennoch trifft, so müßte diese Folgerung um so mehr für die Gefahren gelten, von der die Existenz des ganzen Volkes bedroht ist.

Mit diesem Hinweis, daß der Schutz nur ein begrenzter sein kann, wird aber der Bedeutung dieses Schutzes kein Abbruch getan. Durch die Luftschutzmaßnahmen im letzten Weltkrieg wurde immerhin die deutsche Bevölkerung soweit geschützt, daß sie nur etwa 1 Prozent ihres Personenbestandes als Opfer zu beklagen hatte. Eine amerikanische Kommission zum Studium der deutschen Luftschutzmaßnahmen im zweiten Weltkrieg kam zu der Feststellung, daß die deutsche Bevölkerung das Zwanzigfache an Verlusten erlitten haben würde, wenn keine Schutzmaßnahmen vorbereitet gewesen wären. Mit welchem Hundert-satz an Verlusten bei zukünftigen kriegerischen Auseinandersetzungen ohne oder mit Schutzmaßnahmen gerechnet werden muß, läßt sich natürlich mit Sicherheit vorher nicht sagen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß die Verluste bei Schutzmaßnahmen wesentlich niedriger sein würden als ohne solche. Denn auch die schwersten Gefahren sind begrenzt. Und ihre Grenzen werden verengt, wenn Schutzmaßnahmen vorhanden sind.

Eine wichtige Voraussetzung für die Wirkung der Schutzmaßnahmen ist freilich erforderlich. Das ist der Schutzwille der Bevölkerung, die geschützt werden soll. Während sonst der Selbsterhaltungstrieb bei den Menschen alle anderen Regungen übertrifft, besteht der größten Gefahr gegenüber — möglichenfalls durch die unbekannte Größe der Gefahr beeinflußt — noch weitgehende Gleichgültigkeit. Es wird eine der schwersten Aufgaben sein, diesen eigentlich selbstverständlichen Schutz-willen aus der Erstarrung zu lösen und zur Selbsttätigkeit zu bringen. Denn die Gefahren, durch die jeder einzelne bedroht ist, können nur verringert werden, wenn auch jeder einzelne sich selbst und anderen dabei hilft. Der Ruf nach dem Staate kann hier nur beschränkt Schutz schaffen. Auch der Staat wird das seinige dabei tun müssen und tun. Aber im Luftschutz kann man nicht, schon gar nicht in einem demokratischen Staatswesen, fordern: „Staat, schütze mich!", sondern muß sich darüber klar sein, daß man selbst ein lebendiges Glied dieses Staates ist. Es kann also nur heißen: „Schütze dich selbst!“ und der Staat, das ist die Gesamtheit, wird dich dabei unterstützen.

Fussnoten

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