Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die Rehabilitierungen und ihre Grenzen | APuZ 49/1956 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 49/1956 Die Rehabilitierungen und ihre Grenzen

Die Rehabilitierungen und ihre Grenzen

W. HERMANN

„Lügner und Clowns, elende Pygmäen, Möpse und Kläffer, die sidt über den Elefanten er basten — so sieht diese Kumpanei aus . . .

blickt Politiker, sondern eine Bande von kriminellen Verbredtern, Diebe, die versudtten Staatsgut zu stehlen , — das stellt diese Kumpanei dar .. .

Im budistäblidien Sinne des Wortes eine Horde von Banditen, Räubern, Dokumentenfälsdiern, Diversanten, Spitzeln, Mördern . . .

Das ist ein übelriedtender Haufen mensdtlidten Absdtaums, der vor nidtts zurückschreckte, der vor nidtts zurückscheute, der zu allem bereit war — dazu, Betriebe und Eisenbahnzüge in die Luft zu sprengen, zur Vernichtung des Viehs, zum Verderben des Getreides, zu Mord, Spionage und Verrat“

Alle Personen, die der ehemalige Generalstaatsanwalt der UdSSR. Andrej J. Wyschinski, mit dieser Flut von Schimpfworten bedachte, sind längst tot. Die Sinowjew und Kamenew, Pjatakow und Serebrjakow, Bucharin und Rykow und die vielen anderen Begründer des KPdSU und des Sowjetstaates wurden nach den Forderungen Wyschinskis (der damit Stalins Wünsche und Befehle ausführte) wie „tollwütige Hunde“ erschossen. Stalin genügte der schmähliche Tod, den er seinen früheren Kampfgenossen zugedacht hatte, noch nicht. Er wollte jeden Gedanken an die ehemaligen Führer von Partei und Staat ausrotten, er ließ sie von seinen Schreiberlingen als „Volksfeinde und Agenten“ verfluchen und so die Namen seiner Gegner aus der Geschichte streichen. Doch die „Rache der Geschichte ist schrecklicher als die des mächtigsten General-sekretärs" — wie Trotzki, Stalins großer Gegner es ausdrückte. Stalin ist tot — sein Nimbus zerbröckelt und seine Nachfolger (gestern noch seine Schüler), begannen die Namen der von Stalin Verfemten reinzuwaschen. Zwar hat sich die Chruschtschow-Führung noch nicht offen von den Moskauer Prozessen distanziert, doch wurden seit dem XX. Parteitag der KPdSU eine ganze Reihe der seinerzeit von Stalin zu „Volksfeinden“ erklärten und erschossenen oder verbannten Bolschewiken rehabilitiert.

Diese Rehabilitierungen sind nicht nur wegen der damit verbundenen historischen Richtigstellung der Geschichte der KPdSU interessant, sondern sie vermitteln auch ein aufschlußreiches Bild politischer Wandlungen, sie lassen Hintergründe und Grenzen der Entstalinisierung erkennen.

Die Rehabilitierten

Der während der großen Säuberung 1937 verschwundene M. S. Kedrow wurde als Opfer Berijas schon in der Anklageschrift gegen den früheren sowjetischen Innenminister (1953) rehabilitiert. Im November 195 5 wurde bei einem Prozeß gegen Berija-Anhänger in Georgien erklärt, der 1937 erschossene Orasdtelaschwili sei zu Unrecht verurteilt. Auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 nannte Mikojan die Namen der Alt-Bolschewiken Antonow-Owsejenko und Kossior. Weitere Rehabilitierungen folgten in der Sowjet-Zeitschrift „Woprosy istorii" (Probleme der Geschichte). In Nummer 3 dieser Zeitschrift werden die Rehabilitierungen von Antonow-Owsejenko, Blücher, Bubnow (der inzwischen als einer der wenigen Überlebenden aus der Verbannung nach Moskau zurückkehrte), Gamarnik, Jegorow, Kedrow, Ruchimowitsch und Unsdtlicht bekannt gegeben. In „Woprosy istorii“ schrieb man später, daß die Rehabilitierungen von Skrypnik, Tsdtubar, Postyschew, Kaminskij und Kossarew erfolgt seien. Ulbricht erwähnte (als Echo von Chruschtschows Geheimrede) neben Postyschew auch Wosnessenski. In der Juristen-Zeitschrift „Sowjetstaat und Recht“ wurde Krylenko als rehabilitiert bezeichnet. Aus der Geheimrede Chruschtschows auf dem XX. Parteitag der KPdSU geht hervor, daß bereits mehr oder weniger rehabilitiert sind: Rudsutak, Postyschew, Eiche, Kossior, Tschubar, Kossarew, Karpow, Ruchimowitsch, Rosenblum, Kabakow, Wosnessenski, Kusnezow, Rodianow, Popkow, Kaminskij, Snegow, Kedrow, Kartwelischwili, Lawrentjew.

Eine indirekte Rehabilitierunng für Rykow bedeutete die Wiedergabe eines Lenin-Briefes in der „Prawda" (22. 4. 1956). In Nr. 4 der Zeitschrift „Woprosy istorii“ schließlich wurden Sdilapnikow, Raskolnikow, Sinowjew und Smilga indirekt rehabilitiert.

Diese auf den ersten Blick sehr umfangreich erscheinenden Rehabilitierungen führten verschiedentlich zu der Annahme, die nachstalinsche Führung sei nicht nur von ihrem Vorgänger abgerückt, sondern wolle auch der früheren Opposition gegen Stalin volle historische Gerechtigkeit widerfahren lassen. Zur Zeit sehen die Tatsachen allerdings noch anders aus.

Jede Einschätzung der gegenwärtigen Rehabilitierungen erfordert zunächst einen Rückblick auf die großen Säuberungen in der Sowjetunion von 1935 bis 1938.

Die große „Tschistka“ jener Jahre zog durch die Vernichtung der alten Garde des Bolschewismus und der Revolution einen Schlußstrich unter die gesellschaftliche Entwicklung, die seit Anfang der zwanziger Jahre zur politischen und wirtschaftlichen Herrschaft einer neuen bürokratischen Kaste, basierend auf der Grundlage der verstaatlichten Industrie und der kollektivierten Landwirtschaft, geführt hatte. Die blutige Säuberung beseitigte die Kräfte, die durch ihre Verbundenheit mit der revolutionären Tradition der neuen Herrschaft zur Unterdrückung der Arbeiter latent gefährlich werden konnten. Die politische Seite dieser Säuberung war die Ausschaltung jeder potentiellen Opposition gegen das Stalin-Regime durch die Vernichtung der Kader, die in irgendeiner Situation (z. B. in einem Krieg) einen Gegenpol zur Stalin-Führung bilden konnte. Der unbeschränkte Terror der Geheimpolizei sollte zugleich jede mögliche Opposition von unten ausschalten.

Daneben lieferte die „Tschistka" Sündenböcke für alle Fehler und Mängel der Wirtschaft und der Verwaltung Durch die Ausmerzung der lebenden Zeugen der wirklichen Geschichte der Revolution war zugleich die Bahn frei für eine ins Unermeßliche gehende Verherrlichung Stalins und seiner angeblichen Rolle in der Sowjetgeschichte.

Doch die Säuberung ging noch weiters Nicht nur alle ehemaligen Oppositionellen wurden vernichtet — ein Großteil derer, die Stalin zur Macht gebracht hatten und durch dick und dünn mit ihm an der Umwandlung des Revolutionserbes arbeiteten, wurde ebenfalls liquidiert. Die Säuberung nahm 1937/38 unvorstellbare Formen an. Niemand, bis in die höchsten Spitzen der Partei und des Staates hinein, war davor sicher, ein Opfer Stalins, Jeshows und der NKWD zu werden. Die alten Bolschewiken rechneten mit ihrer unausbleiblichen Verhaftung.

„Es war nidit die Liquidierung einer Verschwörung, audr keines Phantasiekowplotts, es war nicht der Versuch feindlicher Parteien, es war nicht die Unterdrüdrung einer Opposition. Es war die systematische Vernichtung aller jener, die mit ihrem klaren Verständnis der sozialistischen Sache gedient hatten und die sich der kaltblütigen Verwandlung ihres Staates in einen totalitären Sklavenstaat widersetzen wollten. Es war eine Gegenrevolution ..

So schätzte A. Barmine, einer der wenigen ehemaligen Kommunisten-Führer, die durch einen günstigen Zufall Stalins Zugriff entfliehen konnten (Barmine z. B. war Botschafter in Athen), die Säuberung ein — und so schätzte nicht nur er sie ein.

Ein weiteres Merkmal der Säuberung, genauer gesagt der Schauprozesse, sind die Anklagen gegen den damals im Ausland lebenden Leo Trotzki, der während und nach der Revolution neben Lenin der leitende Kopf der Bolschewiki war: Organisierung von Terror-und Mördergruppen; Spionage zugunsten der Geheimdienste fast aller Länder, die auf der Landkarte verzeichnet sind; Verbindung mit Hitler (die Stalin später selbst knüpfte!). Damit sollte verhindert werden, daß die Oppositionellen der Kommunistischen Parteien außerhalb der Sowjetunion jemals Trotzkis Beispiel folgten und aktiv gegen die Stalinisten kämpften. Zugleich waren die Anklagen ein Freibrief, jeden Unbequemen in der SU als „Trotzkisten" und damit als „Volksfeind“ zu liquidieren. Daß bereits 1937 ein Gegenprozeß in Mexiko die Moskauer Prozesse als Lügengebilde entlarvte, störte Stalin wenig. „Zwei Faktoren, die zu Beginn der Säuberungsaktion eine kleine Rolle spielten, aber in deren Verlauf zu immer größerer Bedeutung gelangten, verdienen besonders erwähnt zu werden.

Erstens hatte jeder NKWD-Beamte ein Interesse daran, möglichst viele Geständnisse zu produzieren ... Jeder polizeilidre Untersuchungsrichter, der die Beweise gewissenhaft prüfte und zögerte, einen „Fall“ zu verfolgen, weil eine Schuld nidit vorzuliegen schien, riskierte, selbst als Beschützer gegenrevolutionärer Saboteure entlarvt zu werden: zu viele seiner Kollegen und Untergebenen beneideten ihn um seinen Posten, als daß er dieses Risiko hätte auf sich nehmen können. Der zweite Faktor bestand darin, daß die zur Zwangsarbeit Verurteilten, als die Zahl in die Millionen wuchs, anßngen, eine wichtige Rolle in der nationalen Wirtsdtaft zu spielen .. ."

Man muß sich vergegenwärtigen, daß nicht nur die oberste Spitze liquidiert wurde, sondern Stalin und seine Leute im wahrsten Sinne des Wortes die ganze KPdSU umstülpten.

Innerhalb von 15 Jahren, von 1923 bis zum Ende der großen Säuberung 1938 wurden nicht weniger als zweieinhalb Millionen Mitglieder aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen, d. h. mehr, als die KPdSU 1939 Mitglieder zählte! Allein zwischen 1934 und 1938 betrug die Zahl der Ausschlüsse weit über eine Million — und Ausschluß war in der damaligen Zeit zumindest verbunden mit Verbannung, wenn nicht gar mit dem Todesurteil. Die KPdSU, die aus der Säuberung hervorging, hatte mit der Kommunistischen Partei der Zeit Lenins auch personell soviel wie nichts gemein.

Die Liquidierung der alten Garde

Wie sah die Dezimierung der ehemals führenden Bolschewiki durch die NKWD Stalins aus?

In drei großen Schauprozessen (Prozeß der „Sechzehn" mit Sinowjew, Kamenew, Smirnow u. a. im August 1936; Prozeß der „Siebzehn" mit Pjatakow, Radek u. a. im Januar 1937 und Prozeß der „Einundzwanzig“ mit Bucharin, Rykow, Jagoda u. a. im März 1938), in den unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführten Prozessen gegen Tuchatschewski und die Armeeführer vom Juni 1937, sowie gegen Jenukidse, Karachau u. a. im Dezember 1937 wurde ein Großteil der in der Revolution und im Bürgerkrieg führenden Kommunisten zum Tode verurteilt und später erschossen. Neben diesen zentralen Prozessen fanden ungezählte in der Provinz statt, denen die lokalen Führer zum Opfer fielen. Noch weit größer ist die Zahl der Erschossenen, die stillschweigend verschwanden, nachdem sie als „Volksfeinde" ihre Posten verloren hatten. Auf diese Weise vernichtete die NKWD Stalins während der Jahre 1936/38 fast die gesamte Führergarnitur der KPdSU aus der Zeit Lenins.

Dafür nur einige Beispiele:

Dem (wenn auch nur formal wirkenden) 1. Polit-Büro zur Durchführung der Oktoberrevolution gehörten an: Sinowjew, Kamenew und Sokolnikow, die unter Stalin in Schauprozessen verurteilt wurden; Trotzki, den ein Agent Stalins 1940 im mexikanischen Exil ermordete, und Bubnow, der verbannt war und erst jetzt nach Moskau zurückkehren durfte; Lenin, der 1924 starb und Stalin, der Urheber der großen „Tschistka“. Zu Lebzeiten Lenins wurden folgende KP-Führer Mitglied des Politbüros: Swerdlow, der 1919 starb; Bucharin, Kamenew, Kretinski, Rykow, Sinowjew, Serebrjakow, die in Schauprozessen verurteilt wurden; Preobraschenski, den die NKWD stillschweigend als „Volksfeind“

erschoß; Tomski, der Selbstmord verübte und Trotzki, der ermordet wurde.

Der einzige Überlebende hieß Stalin.

Dem Zentralkomitee gehörten in der für das Bestehen der Sowjetrepublik entscheidenden Zeit zwischen 1919 und 1921 insgesamt fünfundzwanzig Personen an. Davon starben vier vor den Säuberungen Stalins eines natürlichen Todes: Lenin, Dzierzynski, Artem und Stutschka. Zwei verloren während der Säuberung allen Einfluß: Muranow und Stassowa. Nicht weniger als sechzehn fielen der „Tschistka“ zum Opfer, davon zehn in Schauprozessen: Sinowjew, Kamenew. Jewdokimow, I. N. Smirnow, Radek, Serebrjakow, Bucharin, Rykow, Rakowski und Krestinski. Vier, die nicht gestanden, wurden ohne öffentlichen Prozeß erschossen: Smilga, Preobraschenski, Beloborodow und Rudsutak. Tomski verübte Selbstmord, Trotzki wurde ermordet. Außer Stalin überstanden nur Andrejew und Kalinin die Säuberungen unbeschadet

Welche Gruppen wurden liquidiert?

Bei den führenden Kommunisten, die den Stalinschen Säuberungen zum Opfer fielen, sind folgende Gruppen zu unterscheiden:

1. Die Gegner der stalinistischen Politik, die nicht kapitulierten.

2. Ehemalige Gegner der stalinistischen Politik, die vor Stalin kapitulierten, aber nicht in Schauprozessen „gestanden".

3. Ehemalige Oppositionelle, die vor Stalin kapituliert hatten und in Schauprozessen auftraten.

4. Führer der Wirtschaft und der Verwaltung, die vor ihrer Beseitigung die Stalin-Fraktion unterstützten.

5. Mitglieder der Armeeführung.

6. Stalinistische Führer, die selbst Opfer der Säuberung wurden.

Untersuchen wir diese verschiedenen Gruppen an Hand einiger Beispiele etwas näher:

1. Die Stalingegner, die sich durch nichts bewegen ließen, auf die stalinistische Linie umzuschwenken, waren in der Spitze der Parteiführung die kleinste Gruppe. Einige Oppositionelle mußten bereits 1924 in die Verbannung gehen. Gabriel Mjasnikow, leitendes Mitglied der „Arbeitergruppe“ teilte schon 1924 seinen Freunden mit:

„Wenn man meine revolutionäre, proletarische Abstammung und Verdienste in Betradrt zieht, so werde ich strenger behandelt als alle Konterrevolutionäre und Kriminalverbrecher des Gefängnisses von Tomsk . .. alle Konterrevolutionäre dürfen Verbindung mit der Außenwelt haben — mir ist es nicht erlaubt.“

Als Stalin sich und seiner Fraktion 1927/29 die Macht endgültig gesichert hatte, verschwanden alle Stalin-Gegner in Gefängnissen und Verbannung. Keiner, der seine oppositionelle Haltung konsequent weiter vertrat, überlebte die Säuberung—alle wurden stillschweigend liquidiert.

1928 starb der alte Bolschewik M. Laschewitsch, einer der Haupt-führer des Bürgerkrieges, und 1931 Kote Zinzadse, einer der legendären Führer der „Tifliser Expropriation von 1907“ in der Verbannung. 1929 erschoß die GPU die ersten Trotzkisten (Blumkin, Silow und Rabinowitsch) als „Organisatoren von Eisenbahnkatastrophen". Andere Trotz-kisten, wie B. M. Elzin (Parteimitglied seit 1903), W. F. Pankratow (1917 einer der Führer der Kronstädter Matrosen) oder L. Sosnowski waren fast zehn Jahre in Stalins Gefängnissen, dann erschoß die NKWD sie während der Säuberung ohne Aufhebens. Andere Führer der KPdSU, die zeitweise taktische Rückzüge machten, blieben von diesem Schicksal nicht verschont. T. W. Sapronow, seit 1910 Bolschewik und Führer der Gruppe „Demokratische Zentralisten", verschwand während der großen „Tschistka" ebenso wie W. M. Smirnow, einer der bekanntesten Führer des Bürgerkriegs, und Alexander Schlapnikow, der Leiter der „Arbeiteropposition".

Der einzige Ausweg der nicht kapitulierenden Oppositionellen vor den Mausern der NKWD war der Selbstmord. J. C. Lutowinow (Parteimitglied seit 1907) beging 1924 Selbstmord, ebenfalls Adolf Joffe (Mitglied des Revolutions-ZK von 1917) im Jahre 1927. G. W. Butow, der ehemalige Sekretär des Revolutionären Kriegsrats, starb 1928 nach 50tägigem Hungerstreik im Gefängnis der GPU.

2. Ein großer Teil der während der „Tschistka" 1936/38 erschossenen ehemaligen hohen KP-Führer waren frühere Gegner Stalins, die vor ihm kapitulierten. Angst vor einer Parteispaltung, der Glaube, Stalin ändere seine Politik oder die harten Maßnahmen der GPU, führten viele Oppositionelle zwischen 1927 und 1930 auf diesen Weg. Während der Säuberung weigerte sich ein großer Teil dieser ehemaligen Oppositionellen, die gewünschten „Geständnisse“ abzulegen, sie wurden meist stillschweigend erschossen. Zu dieser Kategorie zählen die Ex-Trotzkisten und ZK-Mitglieder E. A. Preobraschenski, Smilga („trotzkistischer als Trotzki selbst“ nannte ihn Jaroslawski 9 ), der frühere Innenkommissar Beloborodow; die Sinowjew-Anhänger und Führer des Komsomol Kuklin, Safarow, Saluzki; die „Rechten“ A. P. Smirnow, Wassilij Schmidt (zehn Jahre lang Volkskommissar für Arbeit), N. A. Uglanow, der ehemalige Finanzkommissar Frumkin, der Parteitheoretiker Slepkow; sowie von anderen Gruppen der frühere Regierungschef der RSFSR S. D. Syrzow und Schatzkin. Der langjährige Gewerkschaftsführer M. P. Tomski, der frühere Komsomolführer Lominadse, der Bjelorussische Regierungschef Tscherwjakow u. a., die bereits einmal vor Stalin kapituliert hatten, entzogen sich durch Selbstmord den „Geständnissen“.

3. Die bekanntesten Namen findet man in der Gruppe der Stalin-Opponenten, die kapitulierten und später in Schauprozessen „Geständnisse“

ablegten. So „gestand“ z. B. im Schauprozeß von 1937 G. I.

Sinowjew, einer der ältesten Mitkämpfer Lenins, Mitglied des ZK seit 1907 und langjähriger Führer der Komintern:

„Mein defekter Bolsdrewismus hat sidt in Anti-Bolsdtewismus verwandelt und über den Trotzkismus bin idt zum Faschismus gelangt.“

L. B. Kamenew, seit 1901 in der Partei, lange Jahre Stellvertreter des Regierungschefs und während Lenins Krankheit Vorsitzender des Polibüros, ergänzte Sinowjew im selben Prozeß:

„So dienten wir dem Faschismus, so organisierten wir die Konterrevolution gegen den Sozialismus, bereiteten und bahnten wir der Intervention den Weg. Das war unser Weg und das ist die Senkgrube schmählidten Verrats und allen möglichen Schmutzes, in die wir gesunken sind.“

Sinowjew und Kamenew sind ein deutliches Beispiel der Entwicklung dieser Gruppe und ihrer „Geständnisse“.

Nadi Lenins Ausscheiden aus der Politik bildeten Sinowjew und Kamenew mit Stalin ein Triumvirat, um Trotzki auszuschalten. Bereits 1925 mußten sie mit ihren Anhängern selbst in Opposition gehen und schlossen sich 1926 mit Trotzki zur „Neuen Opposition“ zusammen.

Als der Kampf 1927 ernsthaftere Formen annahm, kapitulierten sie zum erstenmal vor Stalin. 1932, im Zusammenhang mit der Rjutin-Plattform, wurden sie wieder aus der KPdSU ausgeschlossen. Es folgte eine erneute, demütigendere Kapitulation. Die Reueerklärungen wiederholten sich noch öfter. Nach dem Kirow-Mord 1934 wurden Sinowjew und Kamenew wieder verhaftet, sie nahmen im Geheimprozeß von 1935 die „moralische Verantwortung“ für den Mord auf sich. Endgültig gebrochen legten sie schließlich im Schauprozeß von 1936 ihre unsinnigen Geständnisse ab und wurden verurteilt und erschossen.

Denselben Weg legten ihre Anhänger und Mitangeklagten G. J.

Jewdokimow (früheres ZK-Mitglied und Parteiführer in Leningrad) und I. P. Bakajew (früheres Mitglied der ZPKK und Chef der Leningrader GPU) zurück. Nicht anders sah es mit den in Schauprozessen verurteilten ehemaligen Trotzkisten aus. I. N. Smirnow (altes ZK-Mitglied — „Lenin Sibiriens" genannt —) und N. N. Krestinski, (früheres Mitglied des Sekretariats und langjähriger Botschafter in Deutschland) waren die einzigen, die während der öffentlichen Verhandlungen von ihren „Geständnissen“

loszukommen versuchten. Karl Radek, Christian Rakowski (der erst 1934 vor Stalin kapitulierte hatte), S. W. Mratschkowski u. a. „gestanden“ die unwahrscheinlichsten Verbrechen. Auch die ehemaligen „Demokratischen Zentralisten“ J. N. Drobnis und M. S.

Boguslawski; die „Rechten" N. I. Bucharin, A. I. Rykow, M. A.

Tschernow; oder die „Nationalisten“ F. Chodshajew, A. Ikramow, G. F.

Grinko u. a. legten in Schauprozessen Geständnisse ab.

4. Ab 1937 waren es nicht nur wirkliche und ehemalige Oppositionelle, die dem Wüten der NKWD erlagen, sondern auch kommunistische Führer, die vorher Stalin in allen Fragen unterstützt hatten und führende Stellungen in Staat und Wirtschaft bekleideten.

Verwaltungs-und Wirtschaftsführer, wie der frühere Gosplan-Präsident und Stellvertretende Regierungschef Meschlauk, der Regierungschef der RSFSR, Sulimow, Stalins früherer Lehrer und Sekretär des Zentral-Exekutiv-Komitees, Jenukidse und viele andere wurden erschossen.

5. Die Armeeführung wurde von den Säuberungen besonders stark erfaßt. Neben den im Tuchatschewski-Prozeß Verurteilten (Putna, Kork, Uborewitsch, Primakow u. a.) verschwanden die Marschälle Blücher und Jegorow, der Chef der Luftwaffe Alksnis, der Flottenchef Orlow u. a.

6. Die Säuberung ergriff (besonders zum Schluß) selbst diejenigen, die Stalin bedingungslos unterstützt, die ihn zur Macht gebracht hatten. Die Mitglieder des Stalinschen Politbüros Rudsutak, Kossior, Tschubar, die Kandidaten Postyschew und Eiche, der Vorsitzende des Komitee für Sowjetkontrolle, Antipow fielen mit hunderten führenden Stalinisten den zum Exzeß ausgearteten Säuberungen zum Opfer.

Für das unbeschreibliche Ausmaß dieser Säuberung ein Beispiel. Dem stalinistischen ZK von 1934 gehörte nur ein früherer Oppositioneller an, Pjatakow, der faktische Leiter der gesamten Schwerindustrie. Trotzdem wurden von den 71 Mitgliedern dieses rein stalinistischen ZK nur noch 16 Personen in das ZK von 1939 übernommen. (Andrejew, Badejew, Berija, Chruschtschow, L. M. Kaganowitsch, Kalinin, Litwinow, Manuliski, Mikojan, Molotow, Nikolajewa, Schwernik, Shdanow, St Personen in das ZK von 1939 übernommen. (Andrejew, Badejew, Berija, Chruschtschow, L. M. Kaganowitsch, Kalinin, Litwinow, Manuliski, Mikojan, Molotow, Nikolajewa, Schwernik, Shdanow, Stalin, Woroschilow.)

Vier ZK-Mitglieder waren bereits vor 1939 verstorben: Krupskaja, Kuibyschew, Kirow (ermordet) und Ordshonikidse (Selbstmord?)

Nur ein Bruchteil der 1939 nicht wieder gewählten ZK-Mitglieder überlebten die politische Kaltstellung, die übergroße Mehrheit verschwand im Strudel der Säuberung. Die 51 Verschwundenen sind:

öffentlichen Prozeß als „Volksfeind" erschossen oder verOhne bannt:

Antipow, Wareikis, Sulimow, Chatajewitsch, Balitzki, Bubnow, Knorin, Eiche, Kabakow, S. Kossior, Kossarew, I. Kossior.

Lobow, Lawrentjew. Lebedew, Meschlauk, Mirsojan, Lubimow, Postyschew, Ruchimowitsch, Pjatnizki, Rumjanzew, Stetzki, Rudsutak, Tschubar.

Im Schau-„Prozeß der 17“ (1937) verurteilt und erschossen: Pjatakow.

Im Schau-„Prozeß der 21“ (1938) verurteilt und erschossen: Ikramow, Selenski, Iwanow, Tschernow. Jagoda, Im Prozeß gegen Tuchatschewski (1937) verurteilt und erschossen:

Jakir.

Im Prozeß gegen Jenukidse u. a. (1937) verurteilt und erschossen: Jenukidse.

Selbstmord: Gamarnik.

1939 abgesetzt und verschwunden:

Schicksal unbekannt (aber — vgl. Chruschtschows Geheimrede — sicher zum Großteil erschossen):

Alexejew, Schukow, Krinitzki, Baumann, Ushanow.

Petrowski Jakowlew, Kodatzki, (kaltgestellt)

E. Jewdokimow, Nossow, Scheboldaew, Krzyzanowski, Ryndin, Rasumow, Tschudow, Tschuwirin, Nicht viel anders sah es bei den Kandidaten des ZK von 1934 aus, (unter denen es noch einige ehemalige Oppositionelle gab). Als Voll-mitglieder ins ZK von 1939 gelangten sechs: Bulganin, Losowski, Bagi. row, Mechlis, Budjonni und Poskreyschew. Makarenko und Weinberg blieben Kandidaten. Towstucha und einige andere überlebten, die meisten jedoch wurden erschossen, u. a.: Kaminskij, Mussabekow, Un-schlicht, Blücher, Semjonow, Kalmanowitsch, Tuchatschewski, Eliawa, Golodjed, Sawenjagin, Ossinski, Blagonrawow, Rosengolz, Jegorow, Komarow, Bucharin, Uborewitsch, Grinko und Rykow. Sokolnikow wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, Ljubtschenko und Tomski verübten Selbstmord. So endeten die Mitglieder des nominell höchsten Organs der KPdSU, das 1934 gewählt wurde. Chruschtschow gab in seinem Geheimbericht bekannt, daß auch von den 1966 Delegierten dieses Parteitags 1108 verhaftet wurden.

Erste Vorbereitung der Rehabilitierungen

Eine Reihe alter Bolschewiki, die während der Säuberung ihre Funktion verloren hatten, werden von Stalins Nachfolgern wieder in den Vordergrund geschoben. Es handelt sich dabei z. B. um den früheren Kandidaten des Politbüros, Petrowski, um die langjährige Vorsitzende der „Roten Hilfe“ Stassowa, u. a., deren Rolle in der „Geschichte der KPdSU" auch nach ihrer politischen Kaltstellung weiter gewürdigt wurde. Die Verleihung hoher Orden an eine Reihe alter Bolschewiki im Jahre 195 5 bereitete wohl die Rehabilitierung vor, jedoch kann diese Auszeichnung noch nicht als Rehabilitierung bezeichnet werden.

So kann man z. B. in der „Geschichte der KPdSU“ über Petrowski lesen:

„Die Rote Armee hat darum gesiegt, weil au der politischen Erziehung Männer arbeiteten wie Lenin, Stalin, Molotow ... Petrowski, Jaroslawski, Dzierzynski . . . Mechlis, Chruschtschow“ 14)

Auch in der 1949 verlegten „Geschichte des Bürgerkriegs in der UdSSR“ wurde Petrowski gelobt:

„In Moskau betrieben unter Führung des ZK der Partei die Vorbereitung zu den historischen Kämpfen I. 1. Skworzow-Stepanow, J. Jaroslawski ... in der Ukraine K. 1. Woroschilow, F. A. Sergejew, G. I. Petrowski...“

„Schon die ersten Tage der Oktoberrevolution zeigten, welche gewaltigen Talente, welche zahlreichen Organisatoren nicht nur auf dem Gebiet der Parteiarbeit, sondern auch der Staatsführung in der Avantgarde des russischen Proletariats schlummerten. Die Metallarbeiter M. I. Kalinin, der die städtischen Angelegenheiten der Hauptstadt in die Hände nahm, und G. 1. Petrowski, der Kommissar für Innere Angelegenheiten wurde . . . das sind Beispiele be gabter Organisatoren und Staatsmänner, die von der Bolschewistischen Partei erzogen wurden“ 15).

Die bisherigen Rehabilitierungen gehen aber gerade so vor sich, daß die aus den historischen Betrachtungen gestrichenen „Volksfeinde“ wieder erwähnt werden. Deshalb kann bei Petrowski, Stassowa u. a.deren Rolle nie geleugnet wurde, auch nicht von Rehabilitierungen, wie wir sie untersuchen, gesprochen werden.

Zu den Rehabilitierungen im eigentlichen Sinne kann, auch die heutige Herausstellung der ehemals führenden Kommunisten nicht gerechnet werden, die bereits vor der Säuberung starben, deren Rolle aber seit der Tschistka verschwiegen wurde. Das gilt z. B. für den ehemaligen Chef des Stabs der Roten Armee S. S. Kamenew, den Historiker M. N.

Pokrowski, Lenins Frau Krupskaja, oder den langjährigen Leiter des Volkskommissariats für Äußeres (Außenministerium) G. W. Tschitscherin 1G). Trotzdem'ist die Nennung dieser Persönlichkeiten bedeutungsvoll, handelt es sich doch entweder um führende Kommunisten, die von Stalins Haß noch über ihren Tod hinaus verfolgt wurden (Tschitscherin, Pokrowski) oder um Personen, deren Rolle sich in die stalinistische Geschichtsklitterung schlecht einbeziehen ließ (S. Kamenew).

Die Nennung von M. N. Pokrowskis (seit 1905 Parteimitglied, nach 1918 stellvertretender Volksbildungskommissar und Mitglied des ZK bis zu seinem Tod 1931), der als Schöpfer der russischen marxistischen 16) Geschichtswissenschaft gilt, die Stalin später zugunsten einer chauvinistischen Betrachtungsweise verwarf, darf als neue Einstellung zur Geschichtswissenschaft betrachtet werden. Das Herausstreichen von S. S. Kamenew (ehemaliger zaristischer Generalstabsoffizier, von 1918— 1924 Oberkommandierender der Roten Armee, anschließend Chef des Stabes und bis zu seinem Tod 1936 Chef der Luftabwehr) ist ein Hervorheben der Rolle der Militärs im Bürgerkrieg und steht im Gegensatz zu der bisherigen Methode, den Sieg nur den politischen Führern zuzuschreiben. Beseitigt ist auch die Mauer des Schweigens, die Stalin um die Person G. W. Tschitscherin gebaut hatte. Nach dem XX. Parteitag der KPdSU schrieb die sowjetische Historikerzeitschrift über Tschitscherin, der (obwohl er aus einer alten Adelsfamilie stammte) seit seiner Jugend Revolutionär war und von 1918 bis 1930 Volkskommissar für Äußeres und Mitglied des ZK war: „Warttw sollen die Sowjetwensdten den Namen des hervorragenden sowjetischen Diplomaten G. W. Tschitscherin nicht erfahren, der von 1918 bis 1930 den Posten des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten innehatte?“

Trotz der Bedeutung dieser Hervorhebung betreffen die eigentlichen Rehabilitierungen einen andern Personenkreis, eben jene während der Säuberung von 1936 bis 1938 als Volksfeinde erschossenen und verbannten Gruppen der ehemals führenden Kommunisten.

Rehabilitierte Stalingegner?

Ein Vergleich der bisher von der Chruschtschow-Führung Rehabilitierten mit den verschiedenen Gruppen, die während der Säuberung verschwanden, läßt rasch erkennen, daß in der Hauptsache Stalinisten rehabilitiert wurden. -Die Stalinisten sind auch die einzigen, bei denen von einer vollständigen Rehabilitierung gesprochen werden kann. So erklärte Chruschtschow in seiner Geheimrede klipp und klar:

„Wir haben die Fälle untersucht und Kossior, Rudsutak, Postyschew, Kossarew und andere rehabilitiert.“

Auf diese Weise sind die führenden Funktionäre, die im innerparteilichen Kampf zur Stalin-Fraktion gehörten und den Säuberungen von 1937 bis 1938 zum Opfer fielen, heute im wesentlichen rehabilitiert.

Dagegen ist von den Anti-Stalinisten, die vor Stalin nicht kapitulierten (Gruppe 1 unseres Schemas) noch niemand rehabilitiert.

Von den kapitulierenden Oppositionellen, die in keinem Schau-Prozeß auftraten (Gruppe 2), ist bis jetzt außer der indirekten Rehabilitierung Smilgas nur die Rehabilitierung von Antonow-Owsejenko bekannt geworden.

Wladimir A. Antonow-Owsejenko, geboren 188 3, absolvierte die zaristische Offiziersschule, trat aber bereits 1902 der Partei bei. 1906 verhaftete ihn die zaristische Polizei wegen der Organisierung des Militäraufstandes in Sewastopol und ein Gericht verurteilte ihn zum Tode. Die Strafe wurde später in 20 Jahre Zuchthaus umgewandelt. Antonow entfloh und arbeitete illegal in Moskau bis ihn die Ochrana erneut verhaftete. Er konnte jedoch ins Ausland (Paris) entfliehen. Während der Oktoberrevolution war er Sekretär des Militärrevolutionären Komitees unter Trotzki und leitete die Erstürmung des Winterpalais. Er gehörte zu den drei Mitgliedern des Kollegiums für Militärfragen im 1. Rat der Volkskommissare (Sowjetregierung). 1922 bis 1924 war Antonow Leiter der Politischen Verwaltung der Roten Armee. Er war Anhänger der Trotzki-Opposition und drohte dem ZK, die Armee werde der Absetzung Trotzkis nicht tatenlos zusehen. Darauf wurde er durch Bubnow ersetzt und ging als Bevollmächtigter in die Tschechoslowakei, später als Gesandter nach Litauen und Polen. Schon 1927 sagte er sich als einer der ersten von der Opposition los und ging zu Stalin über. 1934 wurde er Staatsanwalt der RFSSR. Am 1. Oktober 1936 kam er als Konsul nach Barcelona.

„Der frühere Revolutionär Antonow-Owsejenko, der 1927 ein Reuebekenntnis seiner oppositionellen Sünden ablegte, und im Jahre 1936 von der Todesangst erfaßt wurde, auf die Anklagebank zu geraten, hat in der „Prawda“ seine Bereitschaft erklärt, , mit eigenen Händen Trotzkisten zu erdrosseln. Dieses Subjekt wurde sofort unter der Maske eines Konsuls nach Barcelona geschidtt mit der Weisung, wer zu erdrosseln sei. Die Verhaftung Nins (Führer der Poum) auf Grund einer wissentlich falsdten Anklage, seine Entführung aus dem Gefängnis und seine geheime Ermordung sind das Werk Antonow-Owsejenkos.“

19)

Diese harten Worte fand Trotzki für seinen ehemaligen Anhänger und die Tatsachen beweisen, daß in der Ehrenrettung Antonows trotz seiner Vergangenheit kaum die Rehabilitierung eines Oppositionellen gesehen werden kann.

Antonow sollte im Herbst 1937 die Leitung des Volkskommissariats für Justiz der RFSSR übernehmen. Er kam aus Spanien zurück, trat aber sein Amt überhaupt nicht an, sondern wurde verhaftet und erschossen.

Auf dem XX. Parteitag der KPdSU gab Milojan seine Rehabilitierung Auf dem XX. Parteitag der KPdSU nannte Mikojan seinen Namen. In der Zeitschrift „Woprosi Istorii" konnte man ferner über ihn lesen:

„Die Historiker sind angehalten, die Wahrheit wieder herzustellen und . . . die Verdienste der hervorragenden Kommandeure und Polit-Arbeiter der Roten Armee und nicht nur die J. W. Stalins zu zeigen.

In der Literatur der letzten Jahre blieben gänzlich unerwähnt die Namen: W. A. Antonow-Owsejenko, W. K. Blücher, A. S. Bubnow, J. P. Gamarnik, A. I. Jegorow, S. S. Kamenew, M. S. Kedrow, M. L.

Rachimowitsch, I. S. Unschlicht und die zahlreicher anderer Genossen, die nicht wenig für die Festigung der Roten Armee und ihrer erfolgreichen Aktionen geleistet haben.“ 20)

Werden die Schauprozesse aufgerollt?

Bei den in Schauprozessen verurteilten Funktionären (Gruppe 3) kann bisher nur von indirekten Rehabilitierungen gesprochen werden. Eine solche indirekte Rehabilitierung war zuerst die Veröffentlichung eines Lenin-Briefs, der u. a. an Rykow gerichtet war. Durch eine solche Veröffentlichung dürfte Rykow vom Vorwurf eines „Volksfeindes“ befreit sein.

Alexei Iwanowitsch Rykow, 1881 geboren, begann 1899 in Kasan seine revolutionäre Tätigkeit, wurde aber bald verhaftet. Wieder frei, nahm er am III. Parteitag im Jahre 1905 teil und wurde als einer der drei Boschewiki ins ZK gewählt (außer ihm Krassin und Desnitzki). Ab 1906 wechselten bei Rykow Parteiarbeit, Verhaftung und Verbannung, Flucht und wieder Parteiarbeit, bis er 1914 in eine entlegene Gegend Sibiriens verschiedet wurde. Durch die Februarrevolution befreit, arbeitete er bis zur Oktoberrevolution in der Moskauer bolschewistischen Partei-organisation. Rykow wurde in der Sowjet-Regierung Volkskommissar (d. h. Minister) für Innere Angelegenheiten, schied aber bereits nach wenigen Tagen, aus Protest gegen die Nichtaufnahme der Sozialrevolutionäre und Menschewiken in die Regierung, zusammen mit Nogin, Miljutin, Schlapnikow u. a. aus der Regierung und zusammen mit Sinowjew, Kamenew u. a. aus dem ZK aus. Nach Beilegung der Differenzen trat er der Regierung wieder bei, wurde später Vorsitzender des Obersten Volkswirtshaftsrats und nah Lenins Tod dessen Nahfolger als Regierungs-Chef. Seit 1919 war Rykow Mitglied des Politbüros. Zusammen mit Bucharin und Tomski bildete er 1928/29 die Führung der „Rechten Opposition“ gegen Stalin. Im Mai 1929 verlor er seinen Posten als Vorsitzender des Rats der Volkskommissare der RFSSR (den er in Personalunion mit dem der UdSSR innehatte). Auf dem XVI. Parteitag der KPdSU im Juni 1930 rückte Rykow von Tomski und Bucharin ab, die ihre Posten verloren und nicht mehr ins Politbüro ausgenommen wurden. Rykow dagegen wurde wieder ins ZK und Politbüro (!) gewählt. Am 19. Dezember 1930, nach dem Aufstiegen der geheimen Syrzow-Lominadse-Opposition, verlor Rykow seine Position als Vorsitzender des Rats der Volkskommissare der UdSSR (sein Nachfolger: Molotow). Er wurde am Dezember 1930 auch aus dem Politbüro ausgeschlossen. Er gab sofort (zusammen mit Bucharin) eine Reueerklärung ab. Im März 1931 wurde er Volkskommissar für Postwesen.

Der 17. Parteitag 1934 wählte ihn (ebenso wie Bucharin und Tomski) nur noch als Kandidaten ins ZK. Im September 1936 verlor Rykow seinen Regierungsposten an Jagoda und am 5. März 1937 wurde er mit Bucharin aus der KP ausgeschlossen. Nach längerer Untersuchungshaft war Rykow einer der Hauptangeklagten im Prozeß gegen die „Rechten und Trotzkisten“ von 1938. Rykow „gestand" dort: „Ich habe die Heimat verraten ... Wir bereiteten einen Staatsuntsturz vor, organisierten Kulakenaufstände, und terroristische Zellen, wandten den Terror als Kampfwethode an.“ 21)

Neben der indirekten Rehabilitierung Rykows (die nur die juristische Seite des Falls betreffen kann — Volksfeind, Spionage usw. —, da die politischen Ansichten der „Rechten" und damit auch Rykows weiter als „feindlich" bezeichnet werden), ist die Bekanntgabe von Lenins „Testament" für die weitere Entwicklung zu einer direkten und offenen Rehabilitierung der in Schauprozessen Verurteilten von großer Bedeutung.

Lenins „Testament"

Ende Juni veröffentlichte die Zeitschrift „Kommunist“ das sogenannte Testament Lenins, das vorher schon den Parteitagsdelegierten und den Parteiorganisationen der KPdSU zugängig gemacht worden war. Neben der Tatsache, daß das Testament überhaupt zum erstenmal in Rußland veröffentlicht wird, ist es auch für die Rehabilitierung von Bedeutung.

In Lenins Testament sind bekanntlich sechs Personen erwähnt; Stalin, Trotzki, Sinowjew, Kamenew, Bucharin und Pjatakow. Vier davon, nämlich Sinowjew, Kamenew, Bucharin und Pjatakow gestanden in SchauProzessen die unmöglichsten Verbrechen und wurden erschossen. Trotzki war für die Geschichtsschreibung unter Stalin überhaupt der Teufel in Person. Durch die Veröffentlichung von Lenins z. T. durchaus positiver Beurteilung der früher als Hauptvolksfeinde und Oberspione bezeichneten Stalin-Gegner Trotzki, Sinowjew und Bucharin ist der entscheidende Schritt zu einer auch direkten Rehabilitierung der Oppositionellen von diesem Vorwurf getan. Wenn der „Hauptinspirator dieser (d. h.der in Prozessen Angeklagten) ganzen Bande von Mördern und Spionen, der Judas Trotzki“ und „seine Helfershelfer Sinowjew und Kamenew", wenn . Pjatakow .. . und Bucharin . . . dieser Abschaum der Menschheit“ indirekt von den absurden Beschuldigungen entlastet werden, fällt die Anklage gegen die kleineren „Volkfeinde" erst recht in sich zusammen.

Die Bekanntgabe des Testaments könnte sogar der erste Schritt zu einer politisch objektiven Betrachtung — die aber auch eine politische Rehabilitierung der Stalin-Gegner wäre — der Zeit, da Lenin die KP leitete (bis etwa 1923), also bis zum Beginn der eigentlichen Fraktionskämpfe, sein. Daß die Veröffentlichung des Testaments heute keineswegs die politische Rehabilitierung der darin genannten Personen bedeutet, geht schon aus der gleichzeitigen Bekanntgabe einer Entschließung der KPdSU hervor. Darin wird weiter die Richtigkeit des stalinistischen Kampfs gegen die „Parteifeinde“ und Gegner, die Trotzkisten, Rechte usw. betont also gegen die Gruppen, an deren Spitze Trotzki, Sinowjew, Bucharin standen. Wie bei Rykow kann man bei der indirekten Rehabilitierung dieser Personen auch nur von der juristischen Bereinigung sprechen. Doch gerade bei diesen entscheidenden Fällen der Oppositionsführer ist solche Rehabilitierung nicht zu unterschätzen.

Leo Davidowitsdt Trotzki (Bronstein), den Lenin im Testament den „fähigsten Mann“ im ZK nannte wurde 1879 geboren. Er begann seine revolutionäre Tätigkeit im „Südrussischen Arbeiterbund“ und wurde schon 1898 zum erstenmal verhaftet. Nach längerer Gefängnis-haft und vier Jahre nach Sibirien verbannt, konnte er 1902 ins Ausland entfliehen. Er war Delegierter auf dem 2. Parteitag 1903 und schloß sich zunächst den Menschewiki an. 1905 kehrte er illegal nach Rußland zurück und hatte bedeutenden Anteil an der Revolution. Nach der Niederschlagung der Revolution wurde er als Vorsitzender des Petersburger Arbeitersowjet verbannt, floh aber unterwegs. Er übersiedelte nach Wien, gab zusammen mit A. Joffe die Zeitung „Prawda“ heraus und sammelte eine eigene Gruppe zwischen Bolschewiki und Menschewiki. Er arbeitete die Theorie der „permanenten Revolution" aus, die Lenin in der Oktoberrevolution mehr oder weniger übernahm. Während des Weltkriegs mußte Trotzki, der Teilnehmer der Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal war, Europa verlassen und ging nach LISA. Nach Ausbruch der russischen Revolution zurückgekehrt, leitete er in Petrograd die Organisation „Meschrajonzy“ und führte sie im Juli 1917 in die bolschewistische Partei über, in deren ZK er sofort gewählt wurde. Nach den Juli-Ereignissen verhaftet, wurde er Vorsitzender des Petrograder Sowjet, nachdem dort die Bolschewiki die Mehrheit hatten. In dieser Eigenschaft und als Vorsitzender des „Militärrevolutionären Komitees" war er neben Lenin der eigentliche Führer der Oktoberrevolution.

Das geht auch aus dem berühmten Buch des amerikanischen Kommunisten und Augenzeugen der Oktoberrevolution, John Reed, „Zehn Tage, die die Welt erschütterten", klar hervor. Reed (der Stalins Namen nur zweimal nebenbei erwähnte), stellt Lenin und Trotzki als die Hauptführer der Revolution heraus. Dieser Wahrheit wegen wurde das Buch während der Stalin-Ära in Rußland verboten, obwohl Lenin darüber geschrieben hatte: „Ich habe das Budt . . . mit größtem Interesse und unverminderter Aufmerksamkeit gelesen und empfehle dieses Werk aufs wärmste den Arbeitern aller Länder . . .denn es gibt eine wahrheitsgemäße und überaus lebendig gesdiriebene Darstellung der Ereignisse . . (Deutsche Ausgabe, Berlin 1927 S. IX.)

Nach langen Jahren des Verbots wurde kürzlich in Moskau eine Neuauflage und auch eine Verfilmung von Reeds Buch angekündigt. Das Erscheinen dieses Buchs wird ein weiterer Schritt der indirekten Rehabilitierung der alten Kommunisten sein.

Nach dem Sieg der Bolschewiki war Trotzki der 1. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten und leitete die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk. Nach Abschluß des Friedens (bis 1924) war er Volks-kommissar für Kriegswesen und Vorsitzender des Revolutionären Kriegs-rats und hatte entscheidenden Einfluß bei der Bildung der Roten Armee und im Bürgerkrieg.

Seit 1923 stand er in Opposition zur Parteilinie, und mit dem „Kampf gegen den Trotzkismus" begann Stalin seinen Aufstieg. 1926 wurde Trotzki aus dem Politbüro (dem er seit Gründung angehörte) und 1927 aus der KPdSU ausgeschlossen. Zunächst nach Alma-Ata verbannt, wurde er 1929 aus der SU ausgewiesen. Er setzte den Kampf gegen den Stalinismus von einer bolschewistischen Plattform aus fort, und war der eigentliche Hauptangeklagte der Moskauer Prozesse. 1937 fand er nach Aufenthalten in der Türkei, Frankreich und Norwegen Asyl in Mexiko und beteiligte sich aktiv am Gegenprozeß zur Ent-larvung der Moskauer Fälschungen. 1940 wurde Trotzki durch einen stalinistischen Agenten ermordet.

Grigorij ]ewsejewitsdt Sinowjew (Radomysljski), geboren 1883, trat 1901 der SDAPR bei und gehörte seit der Spaltung zu den Bolschewik!. Bis 1905 studierte er in der Schweiz und nahm dann an der ersten russischen Revolution teil. 1907 wurde er ins ZK gewählt. Er war (besonders während der Kriegszeit) der engste Mitarbeiter Lenins in der Emigration. Nach der Februarrevolution kehrte er mit Lenin (durch Deutschland) zurück und war einer der Leiter des Bolschewismus. Er und Kamenew sprachen sich gegen die Oktoberrevolution aus und waren nach der Revolution für eine Regierung aller sozialistischen Parteien. Sie traten aus dem ZK aus. Nach kurzer Zeit zurückgekehrt, war Sinowjew lange Jahre Vorsitzender des entscheidenden Petrograder Sowjet und von 1919 bis 1926 Vorsitzender der Kommunistischen Internationale. Mitglied des Politbüros von 1923 bis 1926, wurde er 1927 aus der Partei ausgeschlossen und (wie schon erwähnt) später erschossen.

Leo Borissowitsch Kamenew, 18 83 geboren, trat ebenfalls 1901 der revolutionären Bewegung bei und schloß sich sofort nach der Spaltung den Bolschewik! an. Er arbeitete bei den Parteiorganisationen von Moskau, Tiflis und Petersburg und war Teilnehmer des 3. und 5. Parteitags. 1908 verhaftet, konnte er fliehen und ging ins Ausland. 1913 nach Rußland kommandiert, übernahm er die Leitung der „Prawda". 1914 wurde er mit den bolschewistischen Dumaabgeordneten verhaftet und nach Sibirien verbannt. Mit Sinowjew Gegner der Oktoberrevolution, übernahm Kamenew später leitende Funktionen. Von 1918 bis 1926 Vorsitzender des Moskauer Sowjet, seit dem 2. Rätekongreß Vorsitzender des Zentralexekutivkomitees (Staatspräsident), ging er mit Sinowjew 1925 in die Opposition und war einige Zeit Botschafter in Italien. Er stand Lenin persönlich am nächsten, Lenin beauftragte ihn mit der Herausgabe seiner Werke. Über sein weiteres Schicksal unter dem Stalinismus wurde schon berichtet.

„Non den jüngeren Mitgliedern des ZK möchte ich einige Worte über Bucharin und Pjatakow sagen. Diese sind nach meiner Meinung die befähigtsten Kräfte unter diesen Jüngsten . . .“

Das sind Lenins Worte im jüngst veröffentlichten Testament über diese von Stalin zu „Mördern und Spionen“ erklärten Funktionäre.

Nikolai Iwanowitsch Bucharin, nach Lenins weiteren Worten im Testament der „Liebling der ganzen Partei" und „ein überaus wertvoller und bedeutender Theoretiker“, wurde 18 89 geboren und gehörte schon als Gymnasiast revolutionären Zirkeln an. 1906 nahm er an der Arbeit des Moskauer Komitees der Bolschewik! teil und wurde 1909 verhaftet und verbannt. 1911 ging er ins Ausland. Er arbeitete mit Lenin in Krakau und wurde bei Kriegsausbruch längere Zeit in Wien festgehalten. Anschließend übersiedelte er nach Stockholm und arbeitete an der Zeitung „Kommunist" mit,, wobei es zu Differenzen mit Lenin in der nationalen Frage kam. Aus Schweden ausgewiesen, wanderte er nach den USA aus und kehrte nach der Februarrevolution nach Rußland zurück. Auf dem 6. Parteitag 1917 wurde er ins ZK gewählt und arbeitete in Moskau. Während des Kampfs um den Brester Frieden war Bucharin der Leiter der „Linken Kommunisten“ gegen Lenin. 1923 bis 1927 zusammen mit den Stalinisten ein Wortführer des Kampfs gegen Trotzkisten und Sinowjewisten, wurde er ab 1928 neben Rykow und Tomski zum Leiter der „Rechten". 1918 bis 1929 war er Leiter der „Prawda", von 1918 bis 1929 Mitglied des Politbüros und Sinowjews Nachfolger als Vorsitzender der Komintern.

Nach der Abgabe einer Reueerklärung wurde Bucharin Chefredakteur der „Iswestja“ und Leiter der wissenschaftlich technischen Abteilung des Obersten Volkswirtschaftsrats. 1934 noch als Kandidat ins ZK gewählt, wurde er im März 1937 zusammen mit Rykow aus der KPdSU ausgeschlossen, verhaftet und war der Hauptangeklagte im „Prozeß der 21 vom März 1938. Während er ein Geständnis des Vorwurfs, bereits 1918 einen Mordanschlag auf Lenin vorbereitet und Spionage getrieben zu haben, ablehnte, gab er alle andern Beschuldigungen zu. „Die Ungeheuerlichkeit meiner Verbrechen ist grenzenlos“, . gestand'Bucharin.

Und der Ankläger Wyschinski beschimpfte denselben Menschen, len Lenin im jetzt veröffentlichten „Testament“ den „Liebling der ganzen Partei" nannte: „Das ist Bucharin, — diese heuchlerische, lügnerische, listige Natur, dieser frönimelnd-räuberische und würdig-tückische Mensch, diese .,. verfluchte Mischung von Fuchs und Sdtwein ... Um die Charakteristik des Verhaltens Bucharins und die Charakteristik Bucharins abzuschlieflen, muß man sagen, daß dieser Mensch, was Heuchelei und Tüdte anbelangt, die heimtückischsten und ungeheuerlidtsten Verbrechen übertroffen hat, die die menschliche Gesdtidite je gekannt hat ... Bucharin, dieser patentierte Heuchler und Jesuit ... Als treuer Kettenhund dieses Faschismus bellte er freudig .

..“

Georgij Leonidowitsch Pjatakow, 1890 geboren, war ursprünglich Anarchist und schloß sich 1910 den Bolschewiki an. Während des Krieges gab er die Zeitschrift „Kommunist" heraus, an der auch Bucharin mitarbeitete. 1918 wurde er Vorsitzender der 1.ukrainischen Sowjetregierung. Er gehörte den „Linken Kommunisten“ an. Längere Zeit war er Mitglied des ZK. Seit 1923 arbeitete er für die trotzkistische Opposition. Auf dem 15. Parteitag 1927 wurde er aus der Partei ausgeschlossen, sagte sich aber bereits 1928 von der Opposition los und wurde wieder ausgenommen. Er amtierte als Präsident der Staatsbank, später als Stellvertreter Ordschonikidses, des Volkskommissars für Schwerindustrie und war dabei der eigentliche Leiter dieses Industriezweigs. Bereits 1929, zum 50. Geburtstag Stalins, schrieb er in der „Prawda“:

„Die Frage der Führerschaft ist entschieden . . . Jetzt schon ist es vollkommen entsdtieden, daß man unmöglidt gleidtzeitig für die Partei und gegen das gegebene ZK und audt nicht für das ZK und gegen Stalin sein kann. Mit Loyalität und Neutralität ist es da nicht getan. Entsdtieden ist die Frage: Für ihn oder wider ihn.“

Trotz dieser „Entscheidung“ und obwohl er noch 1934 Vollmitglied des ZK wurde, war Pjatakow der Hauptangeklagte im „Prozeß der 17“ im Jahre 1937 und wurde zum Tode verurteilt und später erschossen.

Die jetzt erfolgte indirekte Rehabilitierung Rykows, Sinowjews, Kamenews, Bucharins und Pjatakows, die alle Hauptangeklagte in Schauprozessen waren, ist der erste offizielle Schlag gegen die Moskauer Prozesse.

Daß diese Menschen, während der Prozesse als Mörder, Agenten. Spitzel, Banditen usw. bezeichnet, der sowjetischen Öffentlichkeit heute mit den lobenden Worten des Leninschen Testaments vorgestellt werden, ist sicher nicht ohne Wirkung auf die öffentliche Meinung.

Es ist wohl auch kein Zufall, daß zur selben Zeit die Prozeßmethoden Wyschinskis getadelt werden, wie dies in der Zeitschrift für Rechtswissenschaft in der UdSSR geschah:

„Man muß audt zugeben, daß sich die Übertreibung der Rolle der wissenschaftlichen Arbeiten des Akademie-Mitglieds A. J. Wyschinski . . . negativ ausgewirkt haben . . .

Eine himmelsdtreiende Verletzung des Prinzips der sozialistisdten Gesetzlichkeit sowie der Grundlagen der juristischen Wissensdiaft ist die in der Praxis der Untersuchungs-, Gerichts-und Staatsanwaltsdraftsbehörden übliche Erkennung auf , sdtuldig'und , verantwortlidi‘ in Bezug auf seine Verbrechen lediglidi auf der Grundlage eines persönlichen Geständnisses der Angeklagten selbst.“


Revidierte Parteigeschichte

Der Abbau des Stalinkults und gewisse begrenzte Richtigstellungen der Parteigeschichte zeigen laufend neue, indirekte Rehabilitierungen an. So werden bei Stalin als „Volksfeinde“ geltende Altkommunisten, über die die sowjetischen Historiker jahrelang kein Wort verlieren durften, in den jüngsten Veröffentlichungen wieder erwähnt. Es handelt sich dabei keineswegs um offene Rehabilitierungen, aber die Tatsache der Namensnennung allein kann als Abrücken von den Stalinschen Vorwürfen des „Agententums", der „Spionage" usw. und somit als indirekte Rehabilitierung angesehen werden. In einem Artikel des Sowjet-Historikers Burdshalow (der dabei die bisher verschwiegene Stellungnahme Stalins gegen Lenin im März/April 1917 aufzeigt) werden auf diese Art nicht nur Kamenew, Rykow und Sinowjew wieder erwähnt sondern auch Schlapnikow, Raskolnikow und Smilga. Schlapnikows und Raskolnikows Erinnerungen (seit Stalins Machtaufstieg verboten!) werden als Quellen zitiert (!) und zum ersten Male seit über 20 Jahren zugegeben, daß Smilga auf der Aprilkonferenz 1917 zum Mitglied des ZK gewählt wurde.

Alexander Gregorjewitsch Schlapnikow, 188 3 geboren, war einer der wenigen Industriearbeiter in der bolschewistischen Führung. Anfang des Jahrhunderts trat er der revolutionären Bewegung bei, war aktiver Teilnehmer der Revolution von 1905, wanderte 1908 aus und kehrte 1914 nach Rußland zurück. Während des Krieges war er Leiter und Organisator des illegalen Büros des ZK in Rußland und stellte die Verbindung mit der Auslandsleitung (Lenin-Sinowjew) her. 1917 wurde er Vorsitzender der Metallarbeitergewerkschaft und nach der Revolution Volks-kommissar (Minister) für Arbeit. 1921 war Schlapnikow einer der Führer der „Arbeiteropposition" und erklärte, die Partei müsse sich mehr auf die Arbeiter stützen und dürfe der Bürokratie keine Zugeständnisse machen. Nach Ansicht der Arbeiteropposition sollten die Arbeiter und Angestellten die Betriebe selbst verwalten und die Gewerkschaften größere Rechte erhalten. Der X. Parteitag, im März 1921, verurteilte die „Arbeiteropposition" als „anarcho-syndikalistische Abweichung" und Schlapnikow wurde mit einer Handelsmission nach Berlin abgeschoben. Er nahm in Deutschland Verbindung mit „linken Kommunisten“ auf, mußte zurückkehren und wurde wieder Vorsitzender der Metallarbeitergewerkschaft. 1927 schloß er sich dem Oppositionsblock gegen Stalin an, arbeitet später an untergeordneter Stelle der Wirtschaft und verschwand während der großen Säuberung als „Volksfeind". Gerüchten zufolge soll er im KZ Magadan Stalin überlebt haben.

Die indirekte Rehabilitierung Schlapnikows ändert nichts an der Tatsache, daß seine Auffassungen und die Ideen der. „Arbeiteropposition“ in der Sowjetunion nach wie vor bekämpft werden. In den letzten Monaten wurden in der SU einige Kampagnen gegen die „parteifeindlichen“

Ansichten der seinerzeitigen Arbeiteropposition geführt. Wenn auch stillschweigend vom Vorwurf eines Volksfeindes rehabilitiert, bleibt Schlapnikow ein „Parteifeind". Seine Schriften aus der Zeit vor der Auseinandersetzung von 1921 sind aber wieder hoffähig, was einen deutlichen Unterschied zur Stalin-Ära erkennen läßt.

Fedor Fedorowitsdt Raskolnikow, 1892 geboren, hatte sich 1910 den Bolschewik! angeschlossen. Er entstammte einer Familie der alten russischen Intelligenz und war bei Ausbruch der Revolution als Seekadett bei der baltischen Flotte. Er wurde nach den Juli-Unruhen als führender Militärfachmann der Bolschewiken verhaftet. Er war Mitglied des Militär-revolutionären Komitees unter Trotzki und Mitglied der bolschewistischen Militärorganisation für den Oktoberumsturz. Raskolnikows Bruder schildert: „Man bildete nur ein Büro aus einigen Genossen, vorzugsweise Militärpersonen, das nidtt nur Vorbereitungsarbeiten leisten, sondern gegebenenfalls auch den Umsturz bewerkstelligen sollte. Diesem Büro gehörten die Genossen Krylenko, Antonow, Dybenko u. a. an, darunter audt mein Bruder Raskolnikow, obwohl er damals nodt im Gefängnis saß.“

Raskolnikow nahm als eigentlicher Führer der revolutionären Matrosen entscheidenden Anteil an der Oktoberrevolution. Im russischen Bürgerkrieg befehligte er die Wolgaflotte und war stellvertretender Volks-kommissar der Marine. Nach dem Bürgerkrieg betätigte er sich im diplomatischen Dienst, zuerst als Gesandter in Afghanistan, 1930 in Estland und 1937 in Bulgarien. Wie fast alle alten Bolschewiken hatte Stalin auch ihn zur Liquidierung vorgesehen. Doch Raskolnikow machte ihm einen Strich durch die Rechnung: er folgte einem Befehl, im April 193 8 nach Moskau zu kommen, nicht und floh statt dessen nach Frankreich.

Am 20. Juli 1939 brachte die Sowjetpresse eine Notiz, daß Raskolnikow sich „außer Gesetz“ gestellt habe, da er „desertiert" und ins „Lager der Volksfeinde“ übergegangen sei. Raskolnikow schrieb am 14. August 1939 einen offenen Brief an Stalin, der durch die Zeitumstände (der Beginn des zweiten Weltkrieges überschattete alles) erst später bekannt wurde

OFFENER BRIEF AN STALIN „Stalin, Sie haben mich für außerhalb des Gesetzes stehend erklärt. Damit haben Sie mich in meinem Rechte, genauer in meiner Rechtlosigkeit, auf das Niveau aller Sowjetbürger gebracht, die unter Ihrer Herrschaft außerhalb des Gesetzes stehend leben. Ich dagegen antworte meinerseits völlig entsprechend: Ich gebe Ihnen die Eintrittskarte für das von Ihnen aufgebaute Reich des „Sozialismus“ zurück und breche mit Ihrem Regime. Ihr „Sozialismus“, bei dessen Triumph seine Erbauer nur einen Platz hinter den Gefängnisgittern finden, ist so weit vom wahren Sozialismus entfernt, wie auch die Willkür Ihrer persönlichen Diktatur nichts gemein hat mit der . Diktatur des Proletariats'. Es kann Ihnen auch nichts helfen, wenn der verehrte, mit allen Orden ausgezeichnete Revolutionär und Volksmann N. A. Morosow behauptet, daß er gerade wegen eines solchen . Sozialismus'20 Jahre seines Lebens im Gefängnis Schlüsselburg verbracht habe.

Das natürliche Anschwellen der Unzufriedenheit bei Bauern, Arbeitern und der Intelligenz verlangte gebieterisch ein . großes Volksmanöver', ähnlich dem Übergang Lenins zur NEP (Neue Ökonomische Politik) im Jahre 1921. Unter dem Druck des Sowjetvolkes schenkten’ Sie ihm die Verfassung. Sie wurde vom ganzen Lande mit aufrichtiger Begeisterung begrüßt. Die ehrliche Verwirklichung der Verfassungsgrundsätze von 1936, die die Hoffnungen und Erwartungen des ganzen Volkes verkörperten, hätte eine neue Etappe im Leben des Sowjet-staates bedeutet. Für Sie aber ist jeder politische Schritt gleichbedeutend mit Lüge und Betrug. Sie züchteten eine Politik ohne Ethik, eine Staatsgewalt ohne jeden Anstand und einen Sozialismus ohne Menschenliebe. Was haben Sie mit der Verfassung gemacht, Stalin? Erschreckt durch die Freiheit der Wahl als . eines Sprunges ins Unbekannte', der Ihre persönliche Macht hätte gefährden können, haben Sie die Verfassung wie ein Stück Papier zerrissen, die Wahl in eine lächerliche Posse der Stimmabgabe für eine einzige Kandidatur verwandelt und die Sitzungen des Obersten Sowjets mit Lobgesängen und Ovationen zu Ihrer eigenen Ehre erfüllt. In den Zeiten zwischen den einzelnen Regierungsperioden vernichteten Sie aber die . schwankenden Abgeordneten'. Dabei machen Sie sich über deren Immunität lustig und erinnern daran, daß der Herr der Sowjetlande nicht etwa der Oberste Sowjet ist, sondern Sie selbst. Sie haben alles getan, um die Sowjetselbstverwaltung und den Sozialismus in Verruf zu bringen. Statt der von der Verfassung vorgezeichneten Linie zu folgen, haben Sie die wadisende Unzufriedenheit in Gewalttaten und Terror erstickt. Mit der allmählichen Ersetzung der Diktatur der Werktätigen durch das Regime Ihrer persönlichen Diktatur haben Sie eine neue Etappe eröffnet, die in die Geschichte unserer Revolution unter dem Namen . Die Epoche des Terrors'eingehen wird. In der ganzen Sowjetunion fühlt sich niemand mehr sicher, und niemand, der sich schlafen legt, weiß, ob er der nächsten Verhaftung entgehen kann. Niemand wird verschont. Der Schuldige und der Unschuldige, der Held der Oktoberrevolution und der Feind der Revolution, der alte Bolschewist und der Parteilose, der Kolchosbauer und der Botschafter, der Volkskommissar und der Arbeiter, der Intelligenzler und der Sowjetmarschall — alle sind sie gleichermaßen Ihren Knutenschlägen ausgesetzt. Alle drehen sich in Ihrem blutbespritzten Höllenkarneval. Wie bei einem Vulkanausbruch große Steinschichten mit Lärm und Krachen in den Krater stürzen, so lösen sich ganze Schichten der Sowjets ganz los und stürzen in den Abgrund.

Sie haben in blutigen Auseinandersetzungen mit früheren Trotz-kisten, Sinowjew-und Bucharinanhängern begonnen, dann sind Sie zur Ermordung der alten Bolschewisten übergegangen. Sie haben die Kader der Parteilosen und der Parteimitglieder vernichtet, die während des Bürgerkrieges herangewachsen waren und auf ihren Schultern den Aufbau der ersten Fünfjahrpläne getragen haben. Dann haben Sie die Ermordung der Komsomolzen organisiert. Sie verschanzten sich hinter der Losung des Kampfes gegen die „trotzkistisch-bucharinischen Spione'.

Aber die Macht liegt nicht erst seit gestern in Ihrer Hand. Niemand kann einen verantwortlichen Posten ohne Ihre Kenntnis einnehmen. Wer hat die sogenannten . Volksfeinde'auf die verantwortungsvollen Posten in der Partei, der Armee und der Diplomatie gestellt? Sie, Joseph Stalin! Wer hat die sogenannten . Schädlinge'sich in allen Poren des Partei-und Staatsapparates festsetzen lassen? Sie, Joseph Stalin! Sie tun so, als seien Sie ein vertrauensseliger guter Bursche, den irgendwelche Karnevalsungeheuer mit Maske mehrere Jahre hindurch an der Nase herumgeführt haben. Sie flüstern Ihren Kreaturen zu: . Sucht und findet Sündenböcke!'Damit wälzen Sie Ihre eigenen Sünden auf gefangene, zur Hinschlachtung verurteilte Opfer. Sie haben das Land in die Fesseln der entsetzlichen Furcht und des Terrors geschmiedet. Selbst der Mutige wagt es nicht mehr, Ihnen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Die Wellen der Selbstkritik ohne Unterschied der Person ersterben untertänigst am Fuße Ihres Thrones.

Sie sind unfehlbar wie der Papst! Sie begehen niemals Fehler! Aber das Sowjetvolk weiß ausgezeichnet, daß Sie für alles verantwortlich sind: Sie, der Schmied des . allgemeinen Glückes'. Mit Hilfe schmutziger Fälschungen haben Sie Gerichtsprozesse inszeniert, die mit ihren dummen Anschuldigungen die mittelalterlichen Hexenprozesse, von denen Sie aus Ihren Lehrbüchern vom Priesterseminar her wissen, weit übertreffen. Sie wissen selbst, daß Pjatakow nicht nach Oslo geflogen ist und daß Maxim Gorki eines natürlichen Todes starb.

Wohl wissend, daß alles das gelogen war, haben Sie Ihre Verleumder aufgehetzt: . Verleumdet immer nur ruhig weiter, von der Verleumdung bleibt doch immer etwas sitzen!'Sie sind ein Koch, der scharfe Gerichte kocht. Für normale Menschenmagen sind Ihre Speisen unverdaulich.

Am Grabe Lenins haben Sie einen feierlichen Eid geleistet, sein Vermächtnis zu erfüllen und über die Einheit der Partei wie über Ihren Augapfel zu wachen.

Sie Meineidiger, Sie haben dieses Vermächtnis Lenins zerstört. Sie haben Lenins langjährige Mitstreiter Kamenjew, Sinowjew, Bucharin, Rykow und andere, deren Unschuld Ihnen sehr wohl bekannt war, verleumdet, entehrt und erschossen. Vor dem Tode haben Sie sie gezwungen, Verbrechen zu bereuen, die Sie niemals begangen haben, und sich vom Kopf bis zum Fuß anzuschwärzen.

Wo sind die Helden der Oktober-Revolution? Wo ist Bubnow? Wo ist Krylenko? Wo ist Antonow-Owsejenko? Wo ist Dybenko? Sie haben sie verhaftet, Stalin! Wo ist die alte Garde? Sie lebt nicht mehr! Sie haben sie erschießen lassen, Stalin! Sie haben die Seele Ihrer Mitstreiter entehrt und beschmutzt. Sie haben Ihre Anhänger dazu gebracht, mit Qual und Ekel durch die Blutlachen, die von Ihren gestrigen Freunden und Kameraden herrühren, zu schreiten.

In der lügenhaften Parteigeschichte, die unter Ihrer Leitung verfaßt wurde, haben Sie die toten, erschlagenen und von Ihnen beschimpften Menschen beraubt und sich deren Taten und Verdienste zugeschrieben. Sie haben die Partei Lenins vernichtet und auf ihren Gebeinen die neue . Partei Lenins und Stalins'gegründet, die nur Ihrer Alleinherrschaft als bequemer Deckmantel dient. Sie haben sie nicht auf der Grundlage eines allgemeinen Programms und der Taktik aufgebaut, auf der sich jede Partei aufbaut, sondern auf der ideenlosen Grundlage der persönlichen Liebe und Ergebenheit Ihnen gegenüber. Die Kenntnis des neuen Parteiprogramms wurde für nicht obligatorisch erklärt. Dafür ist aber die Liebe zu Ihnen, Stalin, obligatorisch. Sie wird jeden Tag aufs neue von der Presse angefacht. Die Anerkennung des Parteiprogramms wird durch Liebeserklärungen für Stalin ersetzt. Sie sind ein Renegat, der mit seinem Gestern gebrochen und das Werk Lenins verraten hat. Sie haben feierlich die Losung von der Schaffung neuer Kader ausgegeben. Aber wie viele von diesen jungen Leuten, die sich aus der Masse emporgearbeitet haben, faulen in Ihren Gefängniskellern? Wie viele von ihnen haben Sie erschießen lassen, Stalin?

Mit der Grausamkeit eines Sadisten vernichten Sie die für das Land so nützlichen und unentbehrlichen Kader: Vom Standpunkt Ihrer persönlichen Diktatur aus gesehen scheinen sie Ihnen gefährlich zu sein. Am Vorabend des Krieges vernichten Sie die Rote Armee. Sie haben die Rote Armee ihrer Führer beraubt. Sie haben die begabtesten Heer-führer ermordet, die an den Erfahrungen des Weltkrieges und des Bürgerkrieges erzogen waren, an ihrer Spitze den glänzenden Marschall Tuchatschewski. Sie haben die Helden des Bürgerkrieges ausgetilgt, die die Rote Armee nach dem letzten Stand der Militärtechnik umgeformt haben. Im Augenblick der größten Kriegsgefahr fahren Sie fort, die Führer der Armee zu vernichten. Wo ist Marschall Blücher? Wo ist Marschall Jegorow? Sie haben sie verhaftet, Stalin! Zur Beruhigung der aufgeregten Gemüter lügen Sie dem Lande vor, die durch Verhaftungen und Erschießungen geschwächte Rote Armee sei noch stärker geworden. Obwohl Sie wissen, daß das Gesetz des Krieges einheitliche Kommandogewalt in der Armee vom Oberkommandierenden bis zum Zugführer verlangt, haben Sie die Einrichtung der politischen Kommissare wieder belebt, die in der Frühzeit der Revolution bei der Roten Armee und der Roten Flotte aufkamen, als wir noch keine eigenen Offiziere hatten und die militärischen Spezialisten der alten Armee durch politische überwachen mußten. In Ihrem Mißtrauen gegen die roten Offiziere tragen Sie doppelte Kommandogewalt in die Armee hinein und untergraben so die militärische Disziplin.

Unter dem Drucke des russischen Volkes haben Sie in heuchlerischer Weise den Kult der geschichtlichen russischen Helden Alexander Newski, Dimitrij Donskoi, Suworow und Kutusow wiederbelebt und hoffen, daß diese Ihnen in einem zukünftigen Kriege besser helfen werden als die erschossenen Generale. In der von Ihnen geschaffenen giftigen Atmosphäre des Verdachtes, des gegenseitigen Mißtrauens, allgemeinen Denunziantentums und der Allmacht der GPU, der Sie die Rote Armee und das ganze Land zur Folterung ausgeliefert haben, glaubt man jedem . aufgefundenen Dokument'als unstrittigem Beweis oder tut jedenfalls so, als glaube man daran. Durch Aussendung falscher Dokumente, die die ehrliche Arbeit der Gesandtschaft in Sofia bloßstellten, an die Agenten Jeschows erreichte man den Verfall und Zusammenbruch unserer Gesandtschaft in Bulgarien, und zwar vom Schofför angefangen bis zum Militärattache W. T. Suchorukow.

Sie vernichteten eine nach der anderen die wichtigsten Errungenschaften des Oktobers. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen die . Fluktuation der Arbeitskraft'haben Sie die freien Arbeitsverhältnisse und die Sowjetarbeiter durch Verpflanzung in die Fabriken und Werke versklavt. Sie haben den Wirtschaftsorganismus des Landes zerstört, Industrie und Transport desorganisiert und durch endlose Versetzungen und Ernennungen, Verhaftungen und Aufhetzungen die Autorität des Direktors, des Ingenieurs und Meisters geschwächt, immer auf der Suche nach . verborgenen, noch nicht entlarvten Schädlingen“. Indem Sie die normale Arbeit unmöglich machten, haben Sie in der Form des Kampfes gegen . Abwesenheit'und . Verspätungen’ die Werktätigen gezwungen, unter Peitschen und Skorpionen grausamer arbeiterfeindlicher Dekrete zu schaffen. Ihre unmenschlichen Repressalien machen das Leben der Sowjetarbeiter, die für das kleinste Vergehen aus ihren Wohnungen vertrieben werden, unerträglich.

Die Arbeiterklasse hat mit selbstverleugnendem Heroismus die Last angestrengter Arbeit, des Hungers, der Unterernährung, geringer Löhne, des Wohnungselends und des Warenmangels ertragen. Sie glaubte, Sie führten sie zum Sozialismus. Sie aber haben dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt. Die Sowjetarbeiterschaft hoffte, daß, wenn erst der Sozialismus in unserem Lande siegt, alle freudig und leicht leben würden. Sie haben diesen Leuten auch diese Hoffnung genommen: Sie haben erklärt, der Sozialismus sei schon aufgebaut und die Arbeiter, die ihren Ohren nicht trauten, fragten flüsternd einander: . Wenn das der Sozialismus ist, wofür haben wir dann gekämpft. Genossen?'

Sie, Stalin, haben die Theorien Lenins vom Verschwinden des Staates ebenso entstellt wie den ganzen Marxismus. Durch den Mund Ihrer ungebildeten Haustheoretiker, die die Stellen Bucharins, Kamenjews und Lunatscharski eingenommen haben, versprechen Sie, sogar unter dem Kommunismus die Macht der GPU beizubehalten. Sie haben den Kolchosbauern jeden Arbeitsantrieb genommen unter dem Vorwand des Kampfes. Sie haben die kleinen Eigenhöfe vernichtet, um die Bauern zu zwingen, nur auf Kolchos-Feldern zu arbeiten. Als Organisator des Hungers haben Sie mit der Roheit und Grausamkeit Ihrer rücksichtslosen Methoden, durch die sich Ihre Taktik auszeichnet, die Idee der Kollektivisierung in Mißkredit gebracht.

Während Sie heuchlerisch die Intelligenz für das , Salz der Erde'erklärten, haben Sie die Arbeit des Schriftstellers, des Gelehrten und Künstlers des Minimums innerer Freiheit beraubt. Sie haben die Kunst in die Enge getrieben, wo sie erstickt, farblos wird und stirbt. Die Allgegenwärtigkeit der von Ihnen eingeschüchterten Zensur und die begreifliche Angst der Redakteure, die für alles mit ihrem eigenen Kopf haften, haben die Sowjetliteratur völlig gelähmt. Der Schriftsteller kann seine Werke nicht drucken, der Dramatiker sie nicht aufführen, der Kritiker seine Meinung nicht sagen, wenn sie nicht offiziell approbiert ist. Sie ersticken die sowjetische Kunst, weil Sie von ihr höfische Speichelleckerei verlangen. Die Kunst aber zieht es Vor, zu schweigen, anstatt Ihnen Hosianna zu singen.

Sie führten eine Pseudokunst ein, die mit langweiliger Eintönigkeit Ihre berühmte Regierungs-, Genialität'besingt. Talentlose Graphomanen beten zu Ihnen wie zu einem Halbgott, und Sie ergötzen sich im Weihrauch wie ein Despot. Sie vernichten die Begabten schonungslos, wenn Ihnen die russischen Schriftsteller nicht passen. Wo ist Boris Pilnjak? Wo ist Sergej Tretjakow? Wo ist Alexander Arosew? Wo ist Michail Kolzow? Wo ist Tarassow-Rodjonow? Wo ist Galina Serebrjakowa, deren einzige Schuld es war, die Frau Sokolnikows zu sein? Sie haben sie erschießen lassen, Stalin! Mit meinen eigenen Augen habe ich gesehen, wie an die Sowjetbibliotheken lange Listen von Büchern geschickt wurden, die bedingungslos und unverzüglich vernichtet werden mußten. Als ich in Bulgarien war, fand ich 1937 in einer übersandten Liste verbotener für das Feuer bestimmter Literatur auch mein historisches Erinnerungsbuch . Kronstadt und Petersburg im Jahre 1917’. Unter den Namen vieler Autoren stand geschrieben: . Alle Bücher, Broschüren und Bilder vernichten!“

Sie haben die Sowjetgelehrten besonders auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften des Minimums an freiem wissenschaftlichem Denken beraubt, ohne das die schöpferische Arbeit des Forschers unmöglich wird. Von sich selbst eingenommene Ignoranten lassen mit Intrigen, Klatsch und Aufhetzereien die Gelehrten an den Universitäten, Laboratorien und Instituten nicht ruhig zur Arbeit kommen. Angesehene russische Gelehrte von Weltruf, Akademiker wie Ipatjew und Tschitschibabin haben Sie vor der Welt als . Nichtzurückgekehrte“ ihres Ruhmes zu berauben versucht. Dem ganzen Lande und der Weltöffentlichkeit haben Sie den für Ihr eigenes Regime traurigen Tatbestand verkündet, daß die besten Gelehrten Ihrem Paradies entfliehen und sich von Ihren . Wohltaten“ lossagen: der Wohnung, dem Auto und der Karte, die das Recht verleiht, im Bufett des Volkskommissariats zu Mittag zu essen. Sie vernichten die begabten russischen Gelehrten. Wo ist der beste sowjetische Flugzeugbauer Tupolew? Sie haben auch ihn nicht verschont und ihn verhaften lassen.

Es gibt kein Gebiet, keine Ecke, wo der Mensch ruhig seiner Lieblingsarbeit nachgehen kann. Sie wissen, daß bei unserer Armut an Menschen jeder kultivierte und erfahrene Diplomat wertvoll ist. Trotzdem locken Sie alle Sowjetbotschafter nach Moskau und vernichten dort einen nach dem anderen. Sie haben endgültig den ganzen Apparat des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten zerstört. Sie haben bei der Vernichtung der jungen Kader des Landes auch die begabten und vielversprechenden Diplomaten in der Blüte der Jahre ausgetilgt. Bei all Ihren Handlungen in der Außen-und Innenpolitik gehen Sie nicht von der Liebe zum Land aus, die Ihnen fremd ist, sondern von der tierischen Furcht, die persönliche Macht zu verlieren. Ihre prinzipienlose Diktatur liegt wie ein morscher Balken auf dem Wege unseres Landes. Als «Vater der Völker“ haben Sie die besiegten spanischen Revolutionäre verraten und sie der Willkür des Schicksals überlassen, als Sie die Sorge für diese Menschen anderen Ländern überließen. Großmütige Rettung von Menschenleben gehört nicht zu Ihren Grundsätzen. Wehe den Besiegten! Sie können Ihnen nichts mehr nützen.

Wie alle Sowjetpatrioten habe ich gearbeitet und vor vielen Dingen meine Augen verschlossen. Ich habe schon lange geschwiegen. Es ist mir schwer, meine letzten Bindungen zur alten Partei Lenins zu zerreißen, in der ich fast 30 Jahre verbracht habe. Ihnen ist es gelungen, sie in drei Jahren zugrunde zu richten. Je weiter desto mehr treten die Interessen Ihrer persönlichen Diktatur in einen unversöhnlichen Konflikt mit den Interessen der Entwicklung des ganzen Landes, über das Sie wie ein Tyrann herrschen, der endlich zur Alleinherrschaft gekommen ist. Ihre soziale Basis verengt sich mit jedem Tage. Im fieberhaften Suchen nach Stützen überhäufen Sie die . parteilosen Bolschewisten“ mit Komplimenten, schaffen immer neue privilegierte Gruppen, überschütten Sie mit Wohltaten, füttern sie mit Almosen — aber Sie können auch diesen neuen , Kalifen“ nicht das Lebensrecht garantieren. Ihr wüstes Bacchanal kann nicht mehr lange so weitergehen. Endlos ist die Liste Ihrer Verbrechen. Endlos ist die Liste der Namen Ihrer Opfer. Es ist unmöglich, alles aufzuzählen. Früher oder später wird Sie das Sowjetvolk auf die Anklagebank als Verräter des Sozialismus und der Revolution, als Hauptschädling, als wahren Volksfeind und Organisator des Hungers und der Fälschungen setzen. 17. August 1939. gez. Fedor Raskolnikow.“

« Raskolnikow erlebte Stalins Entthronung nicht mehr, er starb im September 1939 in Frankreich. Nachdem seine Erinnerungen jahrzehntelang auf dem Index standen, werden sie nun wieder von der sowjetischen Geschichtszeitschrift als Quelle angeführt. Nach Chruschtschows Enthüllungen des wirklichen Stalin scheinen die sowjetischen Historiker an Raskolnikows Angriffen gegen Stalin keinen Anstoß mehr zu nehmen. Diese indirekte Rehabilitierung spricht für sich.

I. T. Srnilga, geboren 1892, trat 1907 der bolschewistischen Bewegung bei und war unter dem Zarismus zweimal in der Verbannung. Auf der Aprilkonferenz 1917 wurde er (neben Lenin, Sinowjew, Stalin, Kamenew, Miljutin, Nogin, Swerdlow und Fedorow) ins ZK gewählt und gehörte einige Jahre diesem Spitzengremium der Partei an. Während des Bürgerkriegs war er an verschiedenen Fronten tätig und gehörte dem Revolutionären Kriegsrat der Republik an. Er war Kriegskommissar der Armee Tuchatschewski im Krieg gegen Polen. Später arbeitete Smilga im Obersten Volkswirtschaftsrat und anderen Wirtschaftsorganen.

Smilga bildete 1925/26 eine Oppositionsgruppe, die sich den Trotz-kisten anschloß. Nachdem er einige Jahre als leitendes Mitglied der Trotzkistischen Linken Opposition gegen Stalin gekämpft hatte, kapitulierte Smilga zusammen mit Radek und Preobraschenski im Juli 1929 vor Stalin und sagte sich von der Opposition los. Die damalige Schwenkung der Stalin-Fraktion zur Industrialisierung veranlaßte Smilga u. a. zur Kapitulation. Preobraschenski faßte das in die Worte: „Das, was die Opposition in dieser Frage immer vorgesdtlagen hatte, und das, was jetzt die Parteimehrheit durdizuführen versuchte, sind nur verschiedene Variationen ein und desselben strategischen Wirtschaftsplanes. Die Fortsetzung des brudermordenden Kampfes zwischen den Anhängern ein und derselben Linie in diesen Fragen wäre ein direktes Verbrechen vor der Revolution.“

Smilga war bis zur Säuberung in der Wirtschaft tätig. Bei den Schauprozessen wurde er mehrere Male als „Volksfeind“ genannt. Da er kein Geständnis ablegte, wurde er stillschweigend erschossen.

Daß sein Name in historischen Veröffentlichungen wieder genannt werden darf, ist eine indirekte Rehabilitierung. Im gleichen Maße, wie Stalins verlogene Übermenschen-Rolle aus der Sowjet-Geschichte gestrichen und die Geschichtsschreibung der Partei der Wirklichkeit angenähert wird, im gleichen Maße sind solche indirekten Rehabilitierungen unumgänglich, die ihrerseits wieder Wegbereiter direkter Rehabilitierungen der „Volksfeinde“ sind. Die politische Haltung der früheren Opposition gegen den Stalinismus wird dadurch allerdings nicht im geringsten gerechtfertigt.

Berija war schuld

Eine ganze Reihe von Stalin zu „Volksfeinden“ erklärter kommunistischer Führer aus Wirtschaft, Staat und Verwaltung (Gruppe 4) ist heute rehabilitiert. Es ist wesentlich, daß es sich hierbei um direkte Rehabilitierungen handelt.

Der (als erster) bereits in Berija-Prozeß (Dezember 1953) rehabilitierte Michail S. Kedrow, geboren 1878, war seit 1902 Parteimitglied.

Er gehörte dem Militärrevolutionären Komitee der Oktoberrevolution an und nach der Revolution der Tscheka, der späteren GPU. Unter Dzierzynski war er Mitglied des Präsidiums der GPU. Zuletzt war Kedrow Leiter der Rüstungsabteilung beim Gosplan. Er wurde auf Betreiben Berijas erschossen, obwohl selbst ein Militärgericht seine Unschuld feststellte. In seiner Geheimrede hat Chruschtschow einen Brief Kedrow verlesen, der für die persönliche Tragik Kedrows und einer ganzen Gruppe von Funktionären seiner Art zeugt:

„Ich rufe Euch aus einer düsteren Zelle des Lefortowski-Gefäugnisses um Hilfe an. Öffnet Eure Ohren weinetn Schreckensschrei;

bleibt nicht taub, nehmt mich in Euren Schutz, bitte, helft diesen Alpdrucli der Verhöre von mir zu nehmen und zeigt, daß alles ein Irrtum ist. Ich leide unschuldig, bitte, glaubt mir. Die Zeit wird die Wahrheit erweisen . . . Heute bedrohen die Untersuchungsrichter mich, einen 62 Jahre alten Mann mit noch schärferen, grausameren und erniedrigenderen Methoden der körperlichen Folter.“

Im November 1955 wurde Mamija D. Orachelaschwili rehabilitiert. In einem Prozeß gegen Berija-Anhänger in Tiflis hieß es:

„Unter den Verbrechen der Angeklagten nahmen terroristische Handlungen gegen Menschen, von denen Berija eine Entlarvung befürchten konnte, einen besonderen Platz ein.

So wurden terroristische Racheakte begangen gegen den ehemaligen Sekretär des Transkaukasischen Parteikomitees, Mamija Orachelaschwili und seine Frau Maria Orachelaschwili ..."

Orachelaschwili war am 16. Dezember 1937 unter Ausschluß der Öffentlichkeit im Prozeß gegen Jenukidse, Karachan u. a. verurteilt und dann erschossen worden. Er war einige Zeit Regierungschef und Partei-sekretär der damaligen Sowjetrepublik Transkaukasien, trat abet besonders als Historiker der georgischen Revolution hervor. Er war am Marx-Engels-Institut und an der „Prawda“ tätig und wurde noch auf dem XVII. Parteitag 1934 in die Revisionskommission der KPdSU gewählt (von deren 21 Mitgliedern übrigens nur ein einziger auch 1939 noch übernommen wurde). In Berijas „Zur Geschichte der bolschewistischen Organisation in Transkaukasien“ — das die Stalin-Heroisierung und Geschichtsfälschung großen Stils einleitete — ist über Orachelaschwili zu lesen: „Der Volksfeind Oraschelaschwili hat die Geschichte der bolschewistischen Partei bewußt gefälscht. In der Broschüre , Die transkaukasische Organisation im Jahre 1917'unterstellt er den Bolschewiki in verleumderischer Weise, sie glaubten an die Möglichkeit, die Menschewiki in ergebene Diener des Proletariats zu verwandeln, und erklärte die ganze gigantische Arbeit Lenins und Stalins zur Schaffung und Festigung der bolschewistischen Partei für Sicherheitsmaßnahmen gegenüber eventuellen Schwankungen der Menschewiki

Da die heutige Sowjet-Geschichtsschreibung die Linie Berijas für falsch, die von Orachelaschwili dagegen nicht für ganz unrichtig hält, Orachelaschwili auch keiner Oppositionsgruppe angehörte, ist seine relativ frühzeitige Rehabilitierung nicht verwunderlich.

Als einziger prominenter Überlebender konnte Andrej Sergejewitsch Bubnow kürzlich aus der Verbannung nach Moskau zurückkehren. 188 3 geboren, wurde er schon 1903 Mitglied der bolschewistischen Partei.

Unter dem Zarismus war er mehrmals in Haft und kehrte nach der Februarrevolution 1917 aus sibirischer Verbannung zurück. 1912 und auf der Aprilkonferenz 1917 wurde er als Kandidat und auf dem VI. Parteitag 1917 als Mitglied ins ZK gewählt. Neben Lenin, Sinowjew, Trotzki, Kamenew, Stalin und Sokolnikow gehörte Bubnow dem 1. Politbüro an, das zur Durchführung der Oktoberrevolution gebildet wurde. Im Bürgerkrieg war Bubnow in der Ukraine tätig und gehörte der ukrainischen Sowjet-Regierung an. 1918 zählte Bubnow zi.den „Linken Kommunisten“, er soll (nach Isaak Deutscher) auch die „Plattform der 46“ von 1923 unterschrieben haben, betätigte sich aber später nicht mehr im geringsten gegen die Parteilinie. Seit 1924 hatte er den wichtigen Posten eines Leiters der politischen Hauptverwaltung der Roten Armee inne und war Herausgeber der Zeitschrift „Roter Stern“.

1929 löste er Lunatscharski als Volkskommissar für Volksbildung der RSFSR (es gab kein Unionsministerium) ab. Bubnow war fast ständig Mitglied des ZK, wurde auch auf dem XVII. Parteitag 1934 wiedergewählt, überstand aber wie fast alle alten Bolschewiken die Säuberung nicht. Im Herbst 1937 wegen „Unfähigkeit und schädigender Arbeit"

abgesetzt, verschwand er in der Verbannung.

Im März 1956 konnte man über Bubnow in „Woprosy istorii" lesen:

„Licholat nannte die Genossen S. W. Kossior und A. S. Bubnow Helfershelfer Petljuras, Verräter und Kapitulanten . . . verstieg sich zu der Behauptung, diese ruhmreichen Revolutionäre und Bolschewiki hätten offen die Einstellung des Kampfes gegen das konterrevolutionäre Direktorium verfolgt ...“

Ein Kenner der Schauprozesse

Vom sowjetischen Staatsanwalt Rudenko wurde kürzlich in der Zeitschrift „Sowjetstaat und Recht“ eine Schrift von Krylenko lobend besprochen, womit dieser als rehabilitiert gelten kann.

Nikolay W. Krylenko, 188 5 geboren, war von 1905 bis 1908 Führer der revolutionären Studentenbewegung und gleichzeitig in der Petersburger Organisation der Bolschewiki tätig. Bei Ausbruch der Februarrevolution war er aktiver Offizier (Leutnant). Im Juni 1917 wurde er wegen bolschewistischer Agitation an der Front verhaftet. An der Oktoberrevolution hatte er aktiven Anteil. Im November 1917 übernahm Krylenko nach der Weigerung des Oberkommandierenden Duchonin, Friedensverhandlungen einzuleiten, den Oberbefehl über die Armee.

In den zwanziger Jahren wurde er Stellvertretender Volkskommissar für Justiz und Stellvertretender Generalstaatsanwalt. Krylenko war der Ankläger im Prozeß gegen die „Industriepartei“ (Ramsin u. a.) im Dezember 1930. (Vorsitzender des Gerichts war Wyschinski!) Das war der 1. Schauprozeß, in dem die „Geständnisse“ und Selbstbezichtigungen der Angeklagten wie am Schnürchen klappten. Auch im 1. politi-sehen Schauprozeß gegen das angebliche „Unionsbüro der Menschewiki“ (N. N. Suchanow, W. G. Gromann, W. W. Scher u. a.) vom 1. bis 9. März 1931 vertrat Krylenko die Anklage (Vorsitzender des Gerichts: Schwernik). Auch in diesem Prozeß legten die Angeklagten, die längst mit dem Menschewismus gebrochen hatten und hohe Posten im Sowjetstaat bekleideten, haarsträubende, selbstbelastende Geständnisse ab.

Nach diesen Prozessen wurde! Krylenko 1931 zum Volkskommissar für Justizwesen der RSFSR ernannt und als im Juli 1936 ein Unionskommissariat für Justiz gebildet wurde, erhielt Krylenko auch diesen Posten.

Im Herbst 1937 wurde er abgesetzt und verschwand. Da er die Technik der Geständnisse wohl zu genau kannte, tauchte er in keinem Schauprozeß auf sondern wurde in aller Stille erschossen. Von seinem Nachfolger Rytschkow wurde Krylenko als „elender Verräter“ beschimpft. Der in Chruschtschows Geheimrede rehabilitierte G. N. Kaminskij, seit 1913 Bolschewik, war lange in der Verwaltung tätig. Anfang 1934 wurde er Volkskommissar für Gesundheitswesen der RSFSR und als dieses Ministerium 1936 in ein Unionskommissariat verwandelt w-de, stieg er zum Volkskommissar der UdSSR auf. Zur selben Zeit wie Rudsutak verlor er 1937 seine Funktion und verschwand. Chruschtschow erklärte: „Bereits im Jahre 1937 erklärte der ehemalige Volkskcmmissar für Gesundheitswesen, Kaminsky, vor dem ZK-Plenum, Berija habe für den Mussavat-Nachriduendienst gearbeitet. Doch unmittelbar nadt Beendigung des ZK-Plenums wurde Kaminsky verhaftet und anschließend ersdrossen."

Zu den rehabilitierten Funktionären ist auch N. A. Skrypnik zu rechnen, der bereits am 7. Juli 1933 in den Selbstmord getrieben wurde. Das Sowjet-Organ „Iswestja" schrieb damals; Skrypnik habe sich „in den Netzen ukrainisch-bourgeois-nationalistischer Elemente verfangen". Skrypnik, der zur alten Garde des Bolschewismus zählte, kam als Kandidat ins ZK vom August 1917 (später wurde er Vollmitglied) und spielte bei der Gewinnung der Ukraine für den Kommunismus (1918) eine große Rolle. Er wurde Vorsitzender des Exekutivkomitees der Ukrainischen Sowjets (Staatspräsident), später Volkskommissar für Erziehungswesen der Ukraine. Er gehörte der 1922 gegründeten Kommission zur Überprüfung der Beziehungen zwischen der RSFSR und der Ukraine an. 1932 wurde der 60. Geburtstag Skrypniks in Moskau und Charkow (damals Hauptstadt der Ukraine) noch feierlich begangen. Der eigentliche Grund des Selbstmords von Skrypnik war die rigorose Säuberung der KP-Ukraine durch Postyschew und Kossior in den Jahren 1932/33. Heute bestätigt „Woprosy istorii" dem toten und bislang verfemten Skrypnik, daß er in der Revolution „keine Spur von nationalistischer Abweichung“ zeigte.

„Einzelne unridrtige Bemerkungen Skrypniks zur Nationalitäten-frage, die er einige Jahre danach machte, dürfen nicht zum Ausgangspunkt der Verleumdung eines alten Funktionärs der bolschewistischen Partei und der ukrainischen Sowjetregierung gemacht werden.“

Die Nennung von W. G. Knorin und W. J. Newski als Verfasser früher erschienener Parteigeschichten der KPdSU durch die sowjetische Historikerzeitschrift kann als indirekte Rehabilitierung dieser Funktionäre angesehen werden.

Newski nahm schon am III. Parteitag 1905 als bolschewistischer Delegierter teil und war während der Oktoberrevolution Organisator und leitendes Mitglied des Petrograder Militärrevolutionären Komitees. Später arbeitete er als Mitglied der Kommission für die Geschichte der Oktoberrevolution und der KPdSU und war am Lenin-Institut als Parteihistoriker tätig, bis er 1938 als „Volksfeind“ verschwand.

Knorin arbeitete nach der Revolution in der Komintern und wurde noch 1934 als Vollmitglied ins ZK gewählt. Die NKWD erschoß ihn als angeblichen „zaristischen Agenten", da er sich trotz aller Folterungen weigerte, in einem Schauprozeß aufzutreten.

Rehabilitierte Armeeführer

Der Nachfolger Bubnows als Leiter der politischen Hauptverwaltung der Roten Armee, Jan Borissowitsch Gamarnik (1894 geboren) war seit 1916 Parteimitglied und kurze Zeit Trotzkist. 1925 brach er mit dem Trotzkismus und kam in den Fernen Osten, wo er als Vorsitzender des Rats von Chaborowsk eine rasche Karriere machte. Bevor er 1929 Bubnow ablöste, (da er sich im Bürgerkrieg gegen Denikin ausgezeichnet hatte, war er in der Armee bekannt) arbeitete er als Parteisekretär in Weißrußland. Im Juni 1930 erhielt er neben seiner Funktion als Leiter der Politischen Hauptverwaltung der Armee auch die eines Stellvertretenden Volkskommissars für Kriegswesen. 1934 wieder als Vollmitglied ins Zentralkomitee gewählt, erhielt er im Jahre 193 5 als einziger politischer Funktionär den Titel „Armeegeneral 1. Ranges". Auf dem Höhepunkt der Säuberungen, am 31. Mai 1937, verübte Gamarnik Selbstmord. Offiziell wurde er daraufhin als „einer der gefährlichsten und niederträchtigsten Trotzkisten“ bezeichnet.

Im Schauprozeß von 1938 wurde sein Name öfter erwähnt. So mußte der Angeklagte Krestinski über das „Verschwörerzentrum" aussagen:

Nadi einer Reihe von Verhaftungen gehörten 1937 diesem Zentrum an: Rosengolz und ich seitens der Trotzkisten, Rudsutak und Jagoda seitens der Rediten und Gamarnik seitens der Militärs“.

Auch die Rehabilitierung Gamarniks greift also in gewissem Sinn in die Schauprozesse ein.

Bei den rehabilitierten Militärs ragt besonders Wassilij K. Blüdier (eigentlich Gurow) hervor. 1889 geboren, kam er 1910 wegen revolutionärer Tätigkeit ins Gefängnis. 1914 zur Armee eingezogen, diente er zwei Jahre an der österreichischen Front. 1916 wurde er schwer verletzt und entlassen. Er trat der Bolschewistischen Partei bei. Im Bürgerkrieg schlug er mit einem Heer aus Uralarbeitern den Kosakenführer Dutow. Als er im Juni 1918 von der Roten Armee abgeschnitten war, kämpfte er sich in einem 46 Tage langen Marsch mit 10 000 Grubenarbeitern, Frauen und Kindern wieder zur Hauptmacht durch. Dafür erhielt er den 1. Orden des „Roten Banner“, der überhaupt verliehen wurde. 1921 bekam Blücher den Oberbefehl über die Streitkräfte der fernöstlichen Republik. Von 1924 bis 1927 war er als „General Galen“ Militärberater in China. Nach dem Bruch Tsch. angkaischeks mit den Kommunisten kehrte Blücher auf seinen Posten in Ostsibirien zurück und baute eine mächtige Armee auf. die vom europäischen Rußland unabhängig existieren konnte.

Der XVII. Parteitag 1934 wählte Blücher als Kandidaten ins ZK.

Im November 1935 wurde er (neben Woroschilow, Tuchatschewski, Jegorow und Budjonni) zum Marschall ernannt, eine Bezeichnung, die es vorher in der Roten Armee nicht gab. 1937 gehörte er angeblich dem Gericht an, das Tuchatschewski und die andere Generale verurteilte.

Als Ende 1938 die fernöstliche Armee aufgeteilt wurde, verschwand Blücher, der noch im Juni 1938 den 2. (im Februar 1938 den 1.) LeninOrden erhalten hatte.

Alexander 1. Jegorow, 1885 geboren, war bereits in der zaristischen Armee Generalstabsoberst. In der Revolution ging er zu den Bolschewiki über. Während des Bürgerkriegs war er Kommandant des Revolutionären Kriegsrats der Südfront und einer der Leiter des Krieges gegen Polen. Später hatte er die Führung des Militärbezirks Weißrußland. Im Juli 1931 wurde er an Stelle von Schaposchnikow Generalstabschef der Roten Armee. 1934 als Kandidat ins ZK gewählt, wurde er 1935 zum Marschall ernannt. Nach dem Sturz Tuchatschewskis rückte er als Nachfolger Gamarniks zum 1. Stellvertreter des Volks-kommissars für Kriegswesen auf. Anfang 1938 verschwand er.

Auch der jetzt rehabilitierte 1. S. Unschlicht war Militär. Un-schlicht, ein alter Bolschewik polnischer Herkunft, war schon während des Bürgerkriegs Mitglied des Revolutionären Kriegsrats und später Stellvertreter Trotzkis als Kriegskommissar. Beim Vormarsch der Roten Armee auf Warschau gehörte er der kurzlebigen Sowjetregierung Polens an. 1923 wurde er Stellvertreter Dzierzynskis als GPU-Chef und rückte in die Kontrollkommission der Komintern ein. Von 1924 bis 1930 bekleidete er als Regierungsmitglied den Posten des Stellvertretenden Volks-Kommissars für Kriegswesen. 1930 wurde er Stellvertretender Vorsitzender des Obersten Volkswirtschaftsrats und 1933 Chef der Hauptverwaltung der zivilen Luftflotte beim Rat der Volkskommissare. Er verschwand im Jahre 1937.

Ein weiterer jetzt rehabilitierter Bürgerkriegsführer ist Moses L.

Ruchimowitsch. Er war während des Bürgerkriegs einer der Zarazyner (des späteren Stalingrad) Armeeführer und Anhänger Stalins. Später sattelte er um und ging zur Wirtschaft. 1930 wurde er Nachfolger Rudsutaks als Volkskommissar für Verkehrswesen. Noch im Dezember 1936 rückte er zum Volkskommissar des neugebildeten Ministeriums für Rüstungsindustrie auf. Ende 1937 wurde er durch einen Bruder des bekannten Stalinisten Kaganowitsch ersetzt und verschwand Der relativ starke Anteil der Militärs und Bürgerkriegsführer bei den Rehabilitierungen läßt auf einen Drude seitens der Armee schließen. Daher ist anzunehmen, daß früher oder später auch eine vollkommene Rehabilitierung Marschall M. N. Tuchatschewski und seiner Mitangeklagten (Uborewitsch, Jakir, Kork, Primakow usw.) erfolgen wird.

Heute ist bei den stillschweigend liquidierten Armeeführern noch eine große Zahl zu rehabilitieren. Es darf nicht übersehen werden, daß den Säuberungen fast sämtliche 80 Mitglieder des 1934 geschaffenen Obersten Kriegsrats und vermutlich 3 5 000 Offiziere zum Opfer fielen.

Allein im höheren Offizierskorps verschwanden: 3 von 5 Marschällen — Tuchatschewski, Blücher Jegorow; 13 von 15 Armeekommandeuren; 57 von 8 5 Korpskommandeuren; 110 von 195 Divisionskommadeuren usw.

So wurden z. B. alle Befehlshaber der Flotte erschossen: M. W. Orlow (Oberbefehlshaber), Siwkow (Ostsee), Chodazki-Rudnew (Amur), Koschanow (Schwarzmeer), Kirejew (Pazifik), Duschenow (Eismeer).

Auch bei den Armeeführern ist also die Rehabilitierung noch lange nicht abgeschlossen.

Stalins Politbüro-Mitglieder sind rehabilitiert

Die führenden Stalinisten, die bis 1937 bedingungslos zu Stalin standen und nur die Auswüchse der Säuberungen aufhalten wollten und dann selbst liquidiert wurden, sind heute fast sämtlich rehabilitiert. Das gilt z. B. für a 11 e nach dem XVII. Parteitag 1934 als Mitglieder oder Kandidaten ins Politbüro gewählten KP-Führer die 1937/38 als „Volksfeinde“ verschwanden: Kossior, Tschubar, Postyschew, Rudsutak und Eiche. (Daß bei Stalins Werkzeug Jeshow — 1939 verschwunden — nichts zu rehabilitieren ist, ist nicht nur für Chruschtschow selbstverständlich.) Von den nach dem XVI. Parteitag 1930 ins Politbüro gewählten Stalinisten sind auch f a s t a 1 1 e später der Säuberung zum Opfer Gefallenen rehabilitiert. Eine Ausnahme ist der damalige Politbüro-Kandidat S. D. Syrzow, der allerdings bereits Ende 1930 in Opposition zu Stalin geriet und seinen Posten verlor. Auch Rykow, der nur indirekt rehabilitiert ist, wurde bereits Ende 1930 aus dem Politbüro verdrängt. Doch alle anderen Politbüro-Mitglieder der Stalin-Ära seit 1930 sind voll rehabilitiert. Diese völlige Rechtfertigung fast aller gesäuberten Stalinisten ist das wesentliche Merkmal der in der Hauptsache abgeschlossenen ersten Etappe der Rehabilitierung Bei den oppositionellen, oder erst später zu Stalin übergegangenen KP-Führern sind die Rehabilitierungen dagegen noch sehr sporadisch.

Der Lette Jan E. Rudsutak wurde bereits 1920 als einer der ersten späteren Stalinisten Mitglied des ZK (Molotow und Petrowski waren damals noch Kandidaten!). Rudsutak, Parteimitglied seit 1905, war Teilnehmer der ersten russischen Revolution und verbrachte 10 Jahre in zaristischer Verbannung. Er war lange Jahre Stellvertreter des Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare und von 1924 bis 1930 außerdem Volkskommissar für Verkehr. 1927 kam er ins Politbüro, 1933 wurde er Vorsitzender der Parteikontrollkommission. Auf dem XVII. Parteitag 1934 gab er noch neben Stalin den Rechenschaftsbericht, wurde aber nur noch Kandidat des Politbüros. Auf dem Märzplenum des ZK 1937 stellte er sich zusammen mit Postyschew gegen die beabsichtigte (und dann auch durchgeführte) physische Liquidierung der „Rechten". Schon früher war bekanntgeworden, daß er im Politbüro hin und wieder mit den „Rechten“ gestimmt hatte. Nachdem er 1937 verschwand, wurde er im Prozeß gegen Bucharin u. a. auch als führendes Mitglied der „Rechten“ bezeichnet, ohne daß er in einem öffentlichen Prozeß auftauchte. In seiner Geheimrede sagte Chruschtschow über Rudsutak:

„So fiel der Leiter dieses äußerst waßgeblichen Parteiorgans (Kontrollkowwission)

brutaler Willkür zum Opfer; er wurde nicht einmal vor das Politbüro des ZK zitiert, da Stalin nicht wit ihm sprechen wollte. Binnen zwanzig Minuten war das Urteil gefällt und er wurde erschossen. Nach sorgfältiger Untersuchung des Falles iw Jahre 1955 wurde festgestellt, daß die Beschuldigung gegen Rudsutak zu Unrecht erhoben worden war und auf verleumderische Unterlagen beruhte.

Rudsutak wurde posthum rehabilitiert.“

Auf dem XX. Parteitag nannte Mikojan ein weiteres Politbüro-Mitglied öffentlich: Stanislaw W. Kossior, geboren 1889, seit 1904 Bolschewik. Kossior kam 1920 als Sekretär in die Ukraine und war dann lange in der Gewerkschaftsbewegung tätig. Seit 1927 im ZK, wurde er 1930 als 1. Sekretär der ukrainischen Kommunistischen Partei in das stalinistische Politbüro ausgenommen. Noch während der ersten beiden Schauprozesse 1936 und 1937 zählte er zur ersten Garnitur der stalinistischen Führer. Im Prozeß gegen Sinowjew, Kamenew u. a. beschuldigte Wyschinski die Angeklagten:

„Sie haben Genossen Kirow gemordet, sie rüsteten zu Mordtaten an den Genossen Stalin, Woroschilow . . . Shdanow, Kossior und Postyschew. Uyd dafür richten wir diese Leute, diese patentierten Mörder“

Selbst im Schauprozeß vom Januar 1937 (Pjatakow, Radek u. a.)

hieß es:

„Pjatakow bereitet durch seine ukrainischen Vertreter einen Terroranschlag gegen die Genossen Postyschew und Kossior vor . . .“ 43J.

Kossior stieg noch im Januar 1938, als die neue Regierung gebildet wurde, zum Stellvertretenden Regierungschef und Leiter des Komitees für Sowjetkontrolle auf (wo er den verschwundenen Antipow ablöste).

Bei der 1. -Mai-Feier 1938 fehlte Kossior, ein Zeichen, daß die Säuberung auch ihn ergriffen hatte.

Im März 1956 wurde Kossior (in „Woprosy istorii“) als einer „der hervorragendsten bolschewistischen Führer der Ukraine“ bezeichnet.

Ein rehabilitierter Politbüro-Kandidat der Stalin-Zeit ist Pawel P.

Postyschew, 1888 geboren und seit 1904 Bolschewik. Er war von 1929 bis 193 3 Sekretär des Zentralbüros und kam 193 3 als be-

rüchtigter Säuberet in die Ukraine. 1934 stieg er zum Politbüro-Kandidaten auf. Auch er wurde 1936 und 1937 in den Schauprozessen als einer der „Führer der Partei" genannt, auf die angeblich Anschläge vorbereitet wurden. Allerdings lehnte er sich auf dem März-Plenum 1937 (obwohl er Stalin persönlich sehr ergeben war) gegen die vorgesehene physische Liquidierung der „Rechten“ auf. Daraufhin wurde er im April 1937 aus der Ukraine abberufen und zum 1. Sekretär des Gebiets Kuibyschew degradiert. Von dort verschwand er. Chruschtschow sagte u. a. von ihm:

„Wer versuchte, sich gegen grundlose Verdächtigungen und Anschuldigungen zur Wehr zu setzen, fiel den Repressalien zum Opfer.

Ein typisches Beispiel hierfür bietet der Sturz des Genossen Postyschew.

Stalin brachte in einer seiner Reden seine Unzufriedenheit wit Postyschew zuw Ausdruclt und fragte ihn: „Was sind Sie eigentlich?“

Postyschew antwortete unmißverständlich: „Ich bin Bolschewik, Genosse Stalin, ein Bolschewik.“ Diese Entgegnung wurde zunädtst als Respektlosigkeit gegenüber Stalin angesehen, später wachte man daraus einen Schädlingsakt, der dann Postyschews Beseitigung und grundlose Anprangerung als „Volksfeind“ zur Folge hatte.“

Das Politbüro-Mitglied Jakowlewitsch Tschubar, 1891 geboren und seit 1907 Bolschewik, wurde ebenfalls von Chruschtschow rehabilitiert.

Er war von 1923 bis 1932 Vorsitzender des Rats der Volkskommissare (Regierungschef) der Ukraine. (Die Rehabilitierung relativ vieler Funktionäre der Ukraine — aus der auch Chruschtschow kommt — ist überhaupt auffällig. Allerdings wüteten dort die Säuberungen auch besonders schlimm.) Tschubar, bereits 1930 Kandidat des Politbüro, wurde nach dem 17. Parteitag 1934 wieder Politbüro-Kandidat, und rückte nach dem Ausscheiden Kirows und Kuibyschews Ende 1934 zusammen mit Mikojan zum Vollmitglied des Politbüro auf. 1934 wurde er Stellvertretender Regierungschef der UdSSR. Im Herbst 1937 ersetzte er den im Schauprozeß von 1938 erschossenen langjährigen Finanzkommissar Grinko. Bei der Neubildung der Regierung im Januar 1938 stand er in der Rangordnung als 1. Stellvertretender Vorsitzender des Rats der Volkskommissare sofort hinter dem Regierungschef Molotow. Erst bei der Aufstellung der Kandidatenlisten für die „Wahlen“ im Juni 1938 zeigte das Fehlen seines Namens den Sturz Tschubars an.

Rehabilitiert ist auch der Kandidat des stalinistischen Politbüros Robert J. Eicke, der 1890 geboren wurde. Seit 1905 in der Bolschewistischen Partei, war der Lette Eiche seit 1929 Sekretär des Sibirischen Parteikomitees der Bolschewiki. Auch er war noch 1937 als einer der führenden Stalinisten bekannt. Der alte Bolschewik Muralow, ein bekannter Bürgerkriegsführer, mußte im Schauprozeß von 1937 „gestehen": „Dem Trotzkisten Chodorose gab ick den Auftrag, eine Terrorgruppe zu organisieren. Er bildete sie 1932 und Objekt des Terror-aktes war Eich e, der Sekretär des Landesparteikowitees der KPdSU (B)“

Ende 1937 wurde Eiche Nachfolger des im „Prozeß der 21" erschossenen Volkskommissars für Landwirtschaft, Tschernow. Über Eiches Ende sagte Chruschtschow in seiner Geheimrede:

„Genosse Eiche wurde ant 29. April 1938 auf Grund verleumderischen Materials . . , verhaftet. .. Eiche wurde durch Folterungen gezwungen, von vornherein ein Geständnisprotokoll zu unterzeichnen, das die Untersuchungsrichter ausgearbeitet hatten und in deut er antisowjetischer Tätigkeit beschuldigt wurde. Am 1. Oktober 1939 sandte Eiche eine Erklärung an Stalin, in der er kategorisch jede Schuld bestritt und eine Überprüfung seines Falles verlangte. In dieser Erklärung schrieb er: ... „Da idt die Folterungen durch Uschakow und Nikolajew, . . . die wuflten, dafl meine gebrochenen Rippen noch nicht geheilt waren und mir große Schmerzen bereiteten, nicht ertragen konnte, habe ich unter Zwang mich selbst und andere be- schuldigt.“ . . . Am 2. Februar 1940 wurde Eiche vor Gericht gestellt. Am 4. Februar wurde Eiche erschossen. Heute ist einwandfrei erwiesen, daß der Fall Eiche fabriziert wurde; Eiche wurde posthum rehabilitiert.“

Ein weiterer rehabilitierter Stalinist ist Alexander W. Kossarew, lange Jahre Vorsitzender des Komsomol und eine sehr zwielichtige Gestalt. Seit 1918 Mitglied des Komsomol, machte ihn Stalin 1929 zum Vorsitzenden dieses Kommunistischen Jugendverbands. Er war durch seine guten Beziehungen zu Stalin bekannt. 1933 erhielt er für seine „Verdienste" den Leninorden. Er schaltete sich aktiv in der großen Säuberung ein. Auf dem X. Kongreß des Komsomol im April 193 5 sprach er schon von 3 5 000 Ausschlüssen allein im Leningrader Komsomol und führte Umbesetzungen im ZK des Verbandes durch. Im August 1937 berichtete er vor dem ZK der KPdSU ausführlich über „die Arbeit der Volksfeinde im Komsomol“.

Er selbst wurde erst Ende 193 8 abgesetzt und bezeichnenderweise nicht als „Volksfeind", sondern wegen „autokratischen Bonzentums".

Die Rehabilitierung Kossarew dürfte auch für die mit ihm abgesetzten Komsomolführer Bogatschew, Pikina, Werschkow und Belosudzew sowie den Leiter des Komsomol der Ukraine, Ussenkow, die Rehabilitierung bedeuten.

In Chruschtschows Geheimrede wurden auch einige andere, weniger bekannte Funktionäre rehabilitiert, die während der großen Säuberung verschwanden. So das ZK-Mitglied von 1934 Iwan D. Kabakow, geboren 1891, seit 1914 Bolschewik, ZK-Mitglied seit 1925 und zuletzt Gebietssekretär von Swerdlowsk Rosenblum, Parteimitglied seit 1906, Lawrentjew (Kartwelischwili), 1891 geboren, seit 1910 Bolschewik, Mitglied des ZK seit 1930. Er arbeitete im Kaukasus und war Parteisekretär der Trans-Kaukasischen Republik und noch 1934 Mitglied des ZK. W. I. Karpow, Mitglied des ukrainischen ZK und Snegow, früheres Mitglied des Parteikomitees der Trans-Kaukasischen Republik und einer der wenigen, die die Verbannung überlebten. Die 7 679 Personen, von denen Chuschtschow sagte, sie seien bisher rehabilitiert, bestehen sicher zum großen Teil aus solchen Funktionären.

Die „Leningrader färe" ist bereinigt

Vollständig rehabilitiert sind die Opfer der stalinschen Nachkriegs-säuberungen in der SU. Diese Entwicklung begann sofort nach Stalins Tod mit der Freilassung der angeklagten jüdischen Ärzte. In der Geheim-rede Chruschtschows sind auch Wosnessenski, Popkow, Kusnezow und Rodjonow, die bei der sogenannten „Leningrader Affäre" verschwanden, rehabilitiert. (Als Sprachrohr Chruschtschows hatte Ulbricht schon im März von der Rehabilitierung Wosnessenskis gesprochen.)

Diese 1949 verschwundenen Parteiführer waren Stalinisten, die selbst die große Säuberung 1936/38 überstanden hatten, ja, während dieser Säuberung erst in die Parteispitze aufgestiegen waren. Ihr Sturz war ein reiner Schachzug Stalins und der MGB gegen unbequem werdende Funktionäre und ein Abschreckungsmittel für alle, die ketzerische Gedanken 'egten und nach dem Krieg Änderungen erhofften. Inwieweit bei dieser Leningrader Affäre Cliquenkämpfe mitspielten (Shdanows Tod löste bekanntlich die Verfolgungen aus) ist schwer zu übersehen.

Der prominenteste Funktionär dieser Gruppe, Nikolai A. Wosnessenski, begann seinen Aufstieg in die Spitzengruppe der sowjetischen Hierarchie im Juni 1938. Damals wurde er Nachfolger des erschossenen Meschlauk als GOSPLAN-Vorsitzender (Staatliche Plankommission). 1939 ückte er auch zum Stellvertretenden Regierungschef auf. Auf der 18. Parteikonferenz im Jahre 1941 kam er als Kandidat ins Politbüro. 1942 wurde er ins „Staatskomitee für Verteidigung“ ausgenommen, in das höchste Organ während des Krieges, dem neben Stalin nur Molotow, Woroschilow, Malenkow, Berija und Mikojan angehörten.

Nach dem Krieg — im Jahre 1947 — rückte er anstelle des verstorbenen Kalinin zum Vollmitglied des Politbüro nach. Für sein Buch: „Die Kriegswirtschaft der UdSSR während des Vaterländischen Krieges“ erhielt er im selben Jahr den Stalin-Preis. 1949 verschwand er plötzlich.

Alexej A. Kusnezow stand (nach Chruschtschows Worten) ebenso wie Wosnessenski, „Stalin sehr nahe". Er bekleidete (als Vorgänger Suslows) den Posten eines Sekretärs des ZK für Agitation und Propaganda.

Er war zeitweise für die Überwachung des Staatssicherheitsdienstes zuständig, wurde im Jahre 1946 Kandidat des Politbüros (zusammen mit Bulganin) und verschwand 1949.

Michail 1. Rodionow war früher Regierungschef der RSFSR und Mitglied des Orgbüros. Peter S. Popkow, ebenfalls Mitglied des Orgbüros, war Parteisekretär von Leningrad. Ein weiteres Opfer der „Leningrader Affäre", G. M. Popow, war Mitglied des Orgbüros und Parteisekretär von Moskau. Nach dem Verschwinden Popows hieß sein Nachfolger — Chruschtschow. Es ist daher sicherlich kein Zufall, wenn Chruschtschow bei der Aufzählung der in der „Leningrader Affäre“ erschossenen Funktionäre gerade Popow „vergaß“ und von „und andere“ sprach. Doch sind diese Rehabilitierungen endgültig abgeschlossen und Chruschtschow erklärte: „Das ZK der Partei hat diese sogenannte . Leningrader Affäre'untersucht; Personen, die unschuldig leiden mußten, sind rehabilitiert“.

Diese Gesamtübersicht der bisher bekanntgewordenen Rehabilitierungen in der Sowjetunion (wobei sicher noch der eine oder andere bedeutende Name unter den fast 8 000 Rehabilitierten — von denen Chru-schtschow sprach — auftaucht) zeigt deutlich, daß die bisherigen Rechtfertigungen der ehemaligen Spitzenfunktionäre noch sehr sporadisch sind. Nur bei den eigentlichen Stalinisten, die den Säuberungen vor und nach dem Krieg zum Opfer fielen, sind die Rehabilitierungen fast beendet. Bei den stalinistischen Wirtschafts-, Staats-und Armeeführern ist ein relativ großer Teil rehabilitiert, während bei den in Schauprozessen verurteilten, den stillschweigend liquidierten ehemaligen Oppositionellen und bei den nicht kapitulierenden Anti-Stalinisten nur indirekte Rehabilitierungen zu verzeichnen sind. Von den Schlußfolgerungen, die sich daraus ergeben, wird noch zu sprechen sein.

Rehabilitierungen in Polen

Wenn man von der Rehabilitierung Kedrows in der Sowjetunion (beim Berija-Prozeß) absieht, wurden die Opfer Stalins zuerst in Polen rehabilitiert. Am 1. Mai 1955 veröffentlichte das Organ der polnischen Kommunisten „Tribuna Ludu“ unter dem Titel „Die Führer unserer Bewegung" neben einigen verstorbenen Altkommunisten auch die Bilder von fünf Funktionären, deren Name vorher nicht mehr genannt werden durfte Es handelte sich um führende polnische Kommunisten, die — wie fast alle Polen, die damals in der Sowjetunion weilten — 1937 der großen Säuberung zum Opfer fielen. Die meisten der seit der Revolution in der KPdSU oder im sowjetischen Staatsapparat tätigen Polen wurden damals ebenso verhaftet wie die aus Pilsudski-Polen ins Moskauer Exil geflohenen oder bei der Komintern arbeitenden KP-Führer. Die Auflösung der polnischen KP auf Befehl Stalins im Jahre 1938 als einer „Partei von Provokateuren“ beendete diese Periode.

Unter den 195 5 Rehabilitierten war Adolf Warski (Warszawski) der bekannteste. Seit seiner Jugend in der Arbeiterbewegung, gehörte er (neben Rosa Luxemburg u. a.) zu den Gründern der Sozialdemokratischen Partei Polens und Litauens. Als deren Vertreter nahm er am 2. Parteitag der russischen Sozialdemokratie (1903) teil und stimmte dort mit den Bolschewiki. Er war polnischer Teilnehmer der internationalen Konferenz in Zimmerwald (1915) und an der Gründung der polnischen KP maßgebend beteiligt. Neben Walecki und Kostrzewa Führer der KPP, veröffentlichte er 1922 eine Schrift „Rosa Luxemburgs Stellung zu den taktischen Problemen der Revolution", in der er die Kritik seiner toten Freundin an den Bolschewiki zu bagatellisieren versuchte. 1923 kam er selbst mit der Komintern in Konflikt, weil er engere Beziehungen zu Polens Sozialisten anbahnen wollte und in einem Brief an das russische Politbüro Trotzki verteidigte Der 5. Weltkongreß der Komintern (1924) verurteilte die Warski-Führung als „rechtsopportunistisch". 1925 übernahm Warski noch einmal die Führung und gab dabei beim Pilsudski-Putsch die Anweisung an die KP, den Staatsstreich zu unterstützen. Nach diesem Fehler schied er endgültig aus der aktiven Politik und ging nach Moskau. Er war bereits 70 Jahre alt, als er 1937 verhaftet wurde. Er soll im Gefängnis wahnsinnig geworden und gestorben sein.

Wern Kostrzewa, 195 5 ebenfalls rehabilitiert, kam vom linken Flügel der Polnischen Sozialistischen Partei. Sie galt lange als die Theoretikerin der KP. Sie gehörte zur Warski-Führung und lebte später auch in Moskau. 1937 wurde auch diese schwerkranke, alte Frau verhaftet.

Ein weiterer Rehabilitierter war Edward Prochniak, ein Arbeiter, lange Jahre ZK-und Politbüro-Mitglied und Leiter der illegalen Arbeit in Polen. Zuletzt arbeitete er in der Komintern und wurde 1937 verhaftet.

Julian Lenski war Mitglied der kurzlebigen polnischen Sowjetregierung von 1920. Da er sich nicht — wie Warski, Walecki und Kostrzewa — hinter Trotzki stellte, konnte er nach der Niederlage Trotzkis 1923 diese Parteiführung ablösen. Doch bald verhaftete ihn die polnische Polizei und nach der Flucht ging er nach Moskau. 10 Jahre lang, von 1927 bis 1937 leitete er wieder die Partei, dann verschwand er im sowjetischen Gefängnis. Auch sein Bild erschien am 1. Mai 1955 in der „Tribuna Ludu".

Der fünfte ehemalige Parteiführer, der 195 5 auf diese Weise rehabilitiert wurde, war Jersy Heryng, den die NKWD ebenfalls 1937 verhaftet hatte. Zwar fehlten bei den Rehabilitierungen 1955 noch eine Reihe bekannter Führer der KP Polens (z. B. Walecki, Dombai u. a.), doch darf heute auch ihre Rehabilitierung als abgeschlossen gelten, da jetzt in einem Beschluß der KPdSU und anderer Kommunistischer Parteien die Auflösung der KPP im Jahre 1938 überhaupt als ungerechtfertigt bezeichnet wird. Dieser Beschluß vom 19. 2. 1956 bedeutet nicht nur eine Rehabilitierung der Partei, sondern auch der während der großen Säuberung in der Sowjetunion liquidierten Spitzenfunktionäre. Daß die „Tribuna Ludu" am 3. und 7. März 1956 Kurzbiographien der Rehabilitierten als „glühender Kämpfer für die Sache der Arbeiterklasse“ brachte, beweist diese Behauptung.

Die Nachkriegssäuberungen in den „Volksdemokratien“ hatten einen etwas anderen Charakter als die Säuberungen der Sowjetunion. Bei den Gesäuberten handelte es sich um Stalinisten, die meist erst nach der Stalinisierung ihrer Parteien entscheidende Posten bekamen und fast nie früher kommunistischen Oppositionsgruppen angehört hatten. Trotzdem wurden sie nach der Verschärfung der politischen Situation nach 1948 — besonders nach dem Bruch Jugoslawiens — entweder als Sündenböcke geopfert oder aber sie waren selbst „Titoisten“, d. h. wollten eine gewisse Unabhängigkeit von Moskau erreichen und verloren deswegen Funktion, Freiheit und nicht selten das Leben. Hinzu kam, daß es sich meist um Funktionäre handelte, die entweder nicht lange genug in Moskau geschult waren oder sich in westlicher Emigration aufgehalten hatten, die also als unzuverlässig galten. Wie die Moskauer Säuberung von 1936/38 gingen diese Reinigungen weiter, als in den einzelnen Ländern ursprünglich geplant war und erfaßten „Zionisten“, als die sowjetische Außenpolitik bei den Arabern gut Wetter brauchte, ergriff den Staatssicherheitsdienst usw. usf.

In Polen handelte es sich bei den der Säuberung zum Opfer gefallenen in der Hauptsache um „Titoisten“, die einen eigenen, von Stalin unabhängigen „Weg zum Sozialismus" forderten. Die Wortführer waren Gomulka und (mit Abstand) Spychalski und Kliezko.

Edward Ochab, der Nachfolger Bieruts als Parteisekretär, erklärte noch im April 1956:

„Mit Sdmterz und Bedauern denken wir nidrt nur an die Tatsachen der unbegründeten Inhaftierungen unserer Parteigenossen, die wir später völlig rehabilitiert haben, sondern audi an die ungesetzlidten Inhaftierungen derjenigen Leute, die wir als Kolporteure opportunistischer und nationalistischer Ansichten zwar mit Recht bekämpften, die wir aber zu Unrecht der Diversionstätigkeit beschuldigten . . .

Die gegen Gomulka erhobene Anklage, er habe sich eine Diversionstätigkeit zuschulden kommen lassen, war nidtt nur ungerechtfertigt in Bezug auf ihn selbst, sondern auch irreführend für die öffentlidte Meinung ... Man muß jedoch mit aller Klarheit zum Ausdruck bringen, daß die Feststellung, Wladislaw Gomulka sei zu Unredtt beschuldigt worden, an der Richtigkeit des politischen und ideologischen Kampfes, den die Partei gegen die falsdten ideologischen Konzeptionen, die von Gomulka vertreten werden, geführt hat und weiterhin führt, nicht das geringste ändert.“

Eine solche Rehabilitierung im juristischen, nicht aber im politischen Sinne war offensichtlich nicht nur von der neuen KP-Leitung Polens für Gomulka, sondern von den neuen Männern des Stalinismus für alle früheren „Abweichler" vorgesehen. Völlig (politisch) rehabilitiert werden nur diejenigen, die niemals von der Parteilinie abwichen und trotzdem in die Säuberungen gerieten. Männer wie Gomulka, die selbständige politische Ideen vertraten, sollten nach dem Willen der Stalin-Nachfolger keinen politischen Einfluß mehr bekommen, auch wenn sie juristisch rehabilitiert waren.

Doch bald zeigte sich die enge Verflechtung zwischen den Rehabilitierungen und der politischen Gesamtentwicklung. Der Druck der polnischen Volksmassen erzwang nicht nur eine Änderung der Politik der polnischen „Vereinigten Arbeiterpartei“ (KP) — dieser Drude führte auch zu einer wirklichen Rehabilitierung Gomulkas und seiner Gesinnungsgenossen. Die raschen Fortschritte der Entstalinisierung in Polen warfen alle Absichten der Ochab-Führung in dieser Frage über den Haufen: Gomulka, Spychalski und Kliszko mußten wieder in die Partei ausgenommen werden.

Der Posener Aufstand und die andauernde Unruhe der polnischen Arbeiter und Studenten erreichte schließlich die Umbildung der polnischen Parteispitze, die eine echte Rehabilitierung Gomulkas und seiner Anhänger bedeutete und auch zu einer Änderung der polnischen Politik führte.

Die Entscheidung brachte das 8. Plenum des Zentralkomitees der polnischen Partei, das am 19. Oktober 1956 begann, und zwar in Anwesenheit Gomulkas. Selbst die überstürzte Ankunft der Sowjetführer (Chruschtschow, Molotow, Kaganowitsch und Mikojan) in Warschau konnte die Entwicklung in Polen nicht mehr aufhalten. Gomulka wurde nicht nur ins Zentralkomitee ausgenommen, sondern auch ins Politbüro gewählt. Er übernahm (an Stelle Ochabs) als Erster Sekretär nach acht Jahren wieder die Parteiführung. Die Umbildung des Politbüros und die spätere Ersetzung Marschall Rokossowskis durch Spychalski zeigte, daß in Polen die Rehabilitierungen nicht (wie in der Sowjetunion und den anderen Ländern) eine formale „Ehrenrettung“ blieb, sondern auch eine veränderte Politik zur Folge hatte. Denn Gomulka vertritt nach wie vor die Politik des von Moskauer Vorherrschaft befreiten antistalinistischen polnischen Kommunismus. In seiner Rede vor dem polnischen ZK ging Gomulka so weit (im Gegensatz zur offiziellen sowjetischen Darstellung), gesellschaftliche Hintergründe des „Personenkults“ aufzuzeigen und damit — wie Tito — nicht nur die Person Stalins, sondern den Stalinismus anzugreifen. „Anläßlich des Noveniber-Plemiws vor sieben Jahren sprach ich zunt letzten Male vor den Mitgliedern des Zentralkomitees. Zwar sind seit damals sieben Jahre vergangen . . . aber jene Periode liegt hinter uns und ist abgeschlossen. Es ist meine tiefste Überzeugung, daß sie unwiederbringlich der Vergangenheit angehört.

Viel Böses ist geschehen. Das Erbe, das jene Jahre der Partei, der Arbeiterklasse und der Nation hinterließen, ist in gewissen Lebensgebieten mehr als beunruhigend . . .

Die Definition des Personenkults kann nicht nur auf die Person Stalins beschränkt werden. Es handelt sich dabei vielmehr um ein bestimmtes System, das in der Sowjetunion herrschte, das mehr oder minder auf alle kommunistischen Parteien Übergriff und das auf eine Reihe von Ländern innerhalb des sozialistischen Lagers, einschließlich Polens, übertragen wurde.“

Die Rehabilitierungen in Polen führten zur Ablösung der alten Stalinisten und ihrer Politik und zu einer neuen, unabhängigeren Politik der einst von Stalin verfemten jetzigen Führer. Nichts könnte den Zusammenhang zwischen Rehabilitierungen und praktischer Politik deutlicher machen.

Das trifft nicht nur auf das Beispiel Gomulkas zu, sondern ebenso auf die mit ihm rehabilitierten Spychalski und Kliszko. General Marian Spychalski hat heute als Verteidigungsminister einen der wichtigsten Posten in Polen inne. Spychalski bekleidete bereits nach 1945 wichtige Funktionen. Er war schon damals Mitglied des ZK, stellvertretender Minister für Verteidigung und später Minister für Wiederaufbau. Als im August 1951 ein Prozeß gegen hohe polnische Offiziere stattfand (Kirchmaier, Tatar u. a., die inzwischen ebenfalls rehabilitiert wurden), mußte der bereits verhaftete Spychalski als „Zeuge“ auftreten, und es bestand kein Zweifel, daß er im geplanten Gomulka-Prozeß eine wichtige Rolle spielen sollte.

Kliszke, 1949 ebenfalls von der Säuberung erfaßt, ist bereits vor Gomulkas Wahl zum Parteiführer voll rehabilitiert worden und als Staatssekretär ins Justizministerium aufgestiegen.

Diese Beispiele zeigen, daß in Polen die Entstalinisierung am weitesten vorangetrieben wird. ,

Die „lichte Erinnerung" an Beta Kun

Der eigentliche Gründer der KP Lingams und Leiter der ersten ungarischen Sowjetregierung von 1919, Bela Kun, wurde 1937 in Moskau erschossen und sein Name deshalb im Nachkriegs-Ungarn höchstenfalls mit dem Attribut „Volksfeind“ genannt.

Bela Kun, während des ersten Weltkrieges in russische Kriegsgefangenschaft geraten, kehrte als Anhänger Lenins nach Lingam zurück und war führend bei der Gründung der ungarischen KP. Im Februar 1919 bei einem Aufstandsversuch verhaftet, übernahm er schon im März die Führung der Räterepublik Ungarn, nachdem er gegen Lenins Rat eine Verschmelzung der Kommunisten und Sozialisten durchgeführt hatte. Bereits am 1. August 1919 mußte Bela Kun nach Moskau fliehen: die Räterepublik war niedergeschlagen worden.

Bela Kun war bald führend in der Komintern tätig und schloß sich zu Anfang den „Linken Kommunisten“ an. Nach Stalins Aufstieg schwenkte Kun von Sinowjew ab und behielt weiter eine beherrschende Stellung im Kominternapparat. Doch seine frühere Verbindung mit Sinowjew und seine Stellungnahme gegen Trotzkis Ausschluß aus der Komintern-Exekutive im Jahre 1927 wurden von Stalin nicht vergessen. Im Mai 1937 wurde er als „Gestapo-Spion“ verhaftet und sollte durch unmenschliche Folterungen gezwungen werden, ein „Geständnis“ in einem Schauprozeß abzulegen. Er weigerte sich standhaft und wurde erschossen.

Bereits im März 1954 schrieb das ungarische theoretische KP-Organ, daß Bela Kun 1919 Führer der Partei war, warf ihm aber vor, „Anhänger der Verräter Bucharin und Trotzki“ gewesen zu sein. In der November-nummer 1955 der sowjetischen Geschichtszeitschrift schätzte Rakosi in einem Artikel Bela Kun schon vorsichtiger ein, nannte ihn aber immer noch „einen Opportunisten".

Zu seinem 70. Geburtstag am 21. 2. 1956 wurde Bela Kun endgültig rehabilitiert. Das ungarische Parteiorgan schrieb:

„Genosse Bela Kun war eine hervorragende Gestalt unserer Partei und der internationalen Arbeiterbewegung. Die ungarischen Kommunisten . . . gedenken des Genossen Bela Kun an seinem 70. Geburtstag mit Achtung, die dem großen Revolutionsführer gebührt.“

Und Eugen Varga ließ sich in der „Prawda" vom 21. Februar vernehmen: „Die lichten Erinnerungen an Bela Kun werden sich in den Herzen des ungarischen Volkes sowie im Gedenken der kommunistischen Kämpfer in allen Ländern für immer bewahren.“ * Der Rajk-Prozeß in Ungarn war der erste Schauprozeß im stalinistischen Bereich, der offiziell als Fälschung eingestanden wurde. Der abgesetzte ungarische Parteisekretär Rakosi mußte am 27. 3. 1956 öffentlich zugeben: „Nach der Entlarvung des imperialistischen Agenten Berija sowie der Bande um Gabor Peter in Ungarn selbst wurde auf Vorschlag unserer Parteileitung der Rajk-Prozeß einer Revision unterzogen. Die Parteileitung ist zu der Feststellung gelangt, daß der Rajk-Prozeß auf einer Provokation beruhte. Deshalb hat das Oberste Gericht. ..den Genossen Laszlo Rajk sowie andere Genossen rehabilitiert.“ Der damit vollkommen rehabilitierte Laszlo Rajk (geboren 1909) war von Beruf Mittelschullehrer. Er schloß sich früh der illegalen KP an und 1931 verhaftete ihn die Horthy-Polizei. Er emigrierte später und war während des spanischen Bürgerkriegs führend in der Internationalen Brigade tätig. Nach dem spanischen Bürgerkrieg in Frankreich interniert, konnte er später illegal nach Ungarn zurückkehren und wurde im Dezember 1944 erneut verhaftet. Nach Kriegsende bekleidete er die Funktion eines Sekretärs der KP für Groß-Budapest, wurde später Innenminister und zuletzt Außenminister. Am 30. Mai 1949 wurde er verhaftet und nach einem Schauprozeß Ende September 1949 erschossen.

Rajk „gestand" (ebenso wie die Moskauer Angeklagten 1936— 193 8) alle ihm zur Last gelegten Verbrechen:

„Vorsitzender: . Haben Sie die Anklage verstanden?'

Rajk: Ja.'

Vorsitzender: , Bekennen Sie sich schuldig?'

Rajk: Ja.'

Vorsitzender: , ln allen Punkten der Anklage?'

Rajk: , In allen Punkten. ’“

Aber was gab Rajk damit alles zu? In der Anklage hieß es: „Laszlo Rajk wurde im Jahre 1931 im Zusammenhang mit kommunistischen Plugsdiriften von der Polizei in Budapest in Gewahrsam genommen . . . Von dieser Zeit an war er als Polizeispitzel und agent Provokateur tätig... 1935 wurden... infolge der von Rajk verübten Provokationen 20 Verhaftungen vorgenommen . .

Rajk „gestand" weiter, in Spanien „trotzkistische" und „faschistische" Arbeit geleistet zu haben, vom amerikanischen Spionagedienst angeheuert worden zu sein, und nach 1945 Anweisungen des „Faschisten Tito" durchgeführt zu haben.

Der Versuch Jugoslawien zu diskriminieren darf überhaupt als Hauptziel dieses Prozesses angesehen werden. Es war laufend die Rede von den Befehlen, die Rajk angeblich von „Tito und seiner Bande“, der „Sturmtruppe des Imperialismus“ erhielt.

Von den Mitangeklagten Rajks verurteilte das Gericht neben Rajk auch Dr. Tibor Szöny, ehemaliger Kaderchef der ungarischen Kommunisten, und Andreas Szalai, Jugendführer und Propagandachef der Partei, zum Tode. Beide sind inzwischen rehabilitiert Dr. Tibor Szöny, geboren 1903, absolvierte die Universität und wurde Arzt. Er schloß sich der Kommunistischen Partei an und mußte 1930 aus Ungarn emigrieren, um sich der Verhaftung zu entziehen. 1938 kam er als Leiter der emigrierten ungarischen Kommunisten in der Schweiz mit dem Amerikaner Noel H. Field in Verbindung — das wurde später Szönys Schicksal Field spielte in den Säuberungsprozessen der Nachkriegszeit die Rolle des großen Drahtziehers, der für den USA-Spionagedienst alle Fäden in der Hand hätte. Field selbst legte allerdings nie ein Geständnis ab, obwohl er jahrelang in osteuropäischen Gefängnissen festgehalten wurde

Szöny, der nach seiner Rückkehr nach Ungarn Kaderleiter der ungarischen KP wurde, gestand ebenfalls alle -ihm zur Last gelegten Verbrechen. Beim Verhör von Szöny ging man soweit, ihn „gestehen“ zu lassen: „Ich . .. weif], das] bei Prozessen politischer Natur gewisse Kreise und gewisse Helden der Feder das Märchen zu verbreiten pflegen, das Geständnis der Angeklagten komme durch Gewalt oder unter Wirkung gewisser Drogen, durch Injektionen oder Suggestionen zustande.

Ich bin Arzt, sogar Nervenarzt, und weif] schon von früher her, daß dergleichen unmöglich ist. Jetzt habe ich aber aus eigener Erfahrung festgestellt, daß von dergleichen keine Rede sein kann. Mein aufriclttiges Geständnis hat einzig und allein den Grund, daß ich beschlossen habe, aufrichtig zu sein, um dast wenige, das sich im Zusammenhang mit einem so schweren Delikt möglicherweise noch gutmachen läßt, gutzumachen.“

Andras Szalai, 1917 geboren, war im Vorkriegsungarn Führer des illegalen Kommunistischen Jugendverbands, bis er 1944 von der Horthy-Polizei verhaftet wurde. Er „gestand“ direkter Agent der Jugoslawen und „als Provokateur und polizeilicher Angeber im Vorkriegsungarn tätig“ gewesen zu sein!

Diese Beispiele beweisen zur Genüge, daß der Rajk-Prozeß in seiner Form nichts weiter war, als eine Kopie der Moskauer Prozesse, die auf denselben verlogenen Grundlagen der Polizeiverhöre standen. Mit dem offiziellen Eingeständnis, daß der Rajk-Prozeß eine glatte Fälschung war, stürzt der ganze Bau aller Säuberungsprozesse zusammen. Es ist kaum zu erwarten, daß nach diesem Beispiel noch versucht wird, die Moskauer Prozesse als juristisch einwandfrei aufrechtzuerhalten. Daß gerade mit dem Rajk-Prozeß begonnen wurde, die Schauprozesse zu desavouieren, hat wesentlich außenpolitische Gründe: die gegen Jugoslawien gerichtete Spitze dieses Prozesses war besonders unzeitgemäß.

Die Rehabilitierungen erreichten den Höhepunkt und Abschluß, als am 6. Oktober 1956 Rajk, Szöny, Pallfy und Szalai in Budapest ein Staatsbegräbnis erhielten und über 200 000 Menschen am Beisetzungsort demonstrierten. Das ungarische Parteiorgan „Szabad Nep“ schrieb an diesem Tag unter der Überschrift „Nie wieder“: „Viele hervorragende führende Kämpfer befinden sich unter den Blutzeugen, und zu den größten unter ihnen gehören auch die vier Genossen, die heute von der Partei, vom Lande zu Grabe getragen werden.

Genosse Laszlo Rajk, eine hervorragende Gestalt der kommunistischen Bewegung in Ungarn, Tibor Szöny und György Palffy, beide ehemalige Mitglieder des Zentralkomitees, sowie Andras Szalai, der frühere stellvertretende Leiter der Kaderabteilung des ZK, sind nicht dem Terror der Gegenrevolution zum Opfer gefallen. Ihre Tragödie und die Tragödie der gesamten Partei liegt darin, daß sie unter unserem System in den Kerker geworfen und liquidiert wurden, daß im Namen des Volkes und des Sozialismus das Todesurteil über diese seihst noch in der Stunde ihres Todes treuergebenen Soldaten der Partei, des Volkes und des Sozialismus ausgesprochen wurde . . .

Diese Provokationsprozesse haben auch der Ehre unserer Partei tiefe und schmerzliche, heute noch nicht vernarbte Wunden zugefügt.“

Neben den Ereignissen in Polen war es besonders die durch die Rehabilitierungen wieder in den Mittelpunkt gerückte Erinnerung an die Schauprozesse, die zwei Wochen später das Feuer der ungarischen Revolution entfachten.

Kostoff gestand nicht

Kurze Zeit nach den Enthüllungen über den Rajk-Prozeß distanzierte sich die bulgarische KP vom Kostoff-Prozeß, der auf derselben Ebene lag und auch Kostoff wurde rehabilitiert. Am 14. 4. 1956 berichtete die bulgarische KP-Zeitung:

„Genosse Shiwkow (Parteisekretär) erklärte, daß die Beschuldigungen, die den Inhalt der Anklageschrift und der anderen Unterlagen zu dem Prozeß gegen Traitsche Kostoff sowie zu den ihm fol- genden Prozessen bilden, in denen die Verurteilten zu Unrecht verbrecherischer Verbindungen zu jugoslawischen Staatsorganen und führenden Politikern beschuldigt wurden, als frei erfunden und der Wahrheit nicht entsprechend entkräftet seien. Im Zusammenhang damit sind laut Beschluß des Ministerrats und des ZK der Partei alle auf Grund dieser Prozesse Inhaftierten bereits wieder freigelassen worden 59J. Eine Kommission des ZK ist beauftragt, die Prozeß- unterlagen zu prüfen, damit alle Genossen, die unschuldig gelitten haben, vor der Partei und dem Volke rehabilitiert werden.“

Traitsche Kostoff, 1897 geboren, stieß 1918 zur KP. 1924 verurteilte ihn ein Gericht wegen Beteiligung am kommunistischen Aufstand zu acht Jahren Zuchthaus. 1928 amnestiert, schloß er sich der linken Fraktion der Partei gegen die Dimitroff-Führung an. 1935 schickte ihn die Parteiführung nach Moskau, 1940 kehrte er illegal nach Bulgarien zurück und leitete die Parteiarbeit. 1944 wurde er offiziell Generalsekretär der KPB. Er war ein Gegner Titos und widersetzte sich (im Gegensatz zu Dimitroff) einer Balkanföderation. Ausgerechnet er wurde nach seiner Verhaftung 1949 als „Tito-Agent" bezeichnet. Wie Rajk wurde auch Kostoff Spitzeltätigkeit für die Polizei vorgeworfen und es ist eine Ironie, daß dieses Argument zuerst von den Jugoslawen lanciert wurde, die ihn während seiner Amtstätigkeit damit unmöglich machen wollten.

Kostoff weigerte sich im Prozeß, diese Anschuldigungen zu gestehen. Er gab nur zu, daß er mit Moskau einige Differenzen (wegen der Ausplünderung Bulgariens) hatte. Als er (wohl als einziger in einem Schauprozeß dieser Art) bis zuletzt kein „Geständnis“ ablegte, ließ man ihn nicht mehr zu Wort kommen. Selbst ein Schlußwort machte ihm der Vorsitzende unmöglich:

„Kostoff: , In meinem Schlußwort vor dem sehr geehrten Gericht halte ich es für meine Gewissenspflicht, dem Gericht und durch dieses auch der bulgarischen Öffentlichkeit zu erklären, daß ich niemals im Dienste des englischen Spionagedienstes gestanden, niemals an den verbrecherischen Verschwörerplänen Titos und seiner Clique teilgenommen . .

Vorsitzender: , Um was bitten Sie das Gericht?'

Kostoff: .... der Sowjetunion ...'

Vorsitzender: , Um was bitten Sie das Gericht?'

Kostoff: . .. , stets Achtung und Ehrfurcht entgegengebracht habe . .

Vorsitzender: , lwan Stefanoff Hadschi-Matejeff!'

Mit dem Aufruf eines anderen Angeklagten verhinderte das Gericht, daß Kostoff sein letztes Wort ausführen konnte. Ein von Kostoff angeblich vor der Hinrichtung unterschriebenes Geständnis ist offensichtlich eine Fälschung.

Es ist sowohl bei der Rehabilitierung Kostoffs wie bei der Rajks interessant, daß das heikle Kapitel der Hintergründe der Geständnisse umgangen wurde. Nur Chruschtschow gab in seiner Geheimrede einige Hinweise auf die Folterungen. Erst die Öffnung der Geheimpolizei-Archive wird das System und die Hintergründe der Geständnisse ganz erklärlich machen — doch diese Archive sind nach wie vor der Öffentlichkeit unzugänglich.

Bei zwei andern Schauprozessen sind die Angeklagten noch nicht rehabilitiert. In Albanien hatte bereits im Mai 1949 ein Prozeß gegen den Gründer der KP und Innenminister Kotschi Dsodse stattgefunden, der hingerichtet wurde. Die albanische KP lehnte bisher eine Rehabilitierung ab. Auch in der Tschechoslowakei sträubt sich die KP-Führung gegen eine vollständige Distanzierung vom Slansky-Prozeß. Zwar wurden die noch lebenden Mitangeklagten entlassen (Artur London, der „Zeuge“ Oren, u. a.) und man ließ auch nachträglich (und zeitgemäß) die Anschuldigungen des Titoismus fallen, doch Slansky wurde nicht rehabilitiert, da er für die „Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit“ verantwortlich sei. Andererseits mußte das KP-Organ „Rude Pravo“ am 12. April 1956 selbst zugeben: „Es hat sich gezeigt, daß es vollkommen falsch war, Menschen lediglich auf Grund ihres Geständnisses, das vielfach unter Anwendung ungesetzlicher Methoden zustande gekommen war, und ohne konkretes Beweismaterial abzuurteilen.“

Sicher steckt in den Vorwürfen gegen Slansky ein Teil Wahrheit, das ändert aber nichts an der Unwahrheit der erpreßten Geständnisse, die er und seine Mitangeklagten ablegen mußten. Die Geständnisse des Slansky-Prozesses sind nicht weniger eine Farce, als die des Rajk-oder Kostoff-Prozesses. Das letzte Wort scheint auch hier noch nicht gesprochen.

Die Zeit der Schauprozesse ist beendet und die Distanzierung und Enthüllung der erpreßten Geständnisse sind ein Gradmesser für die Bedeutung und Tragweite der Rehabilitierungen, sowohl in den „Volksdemokratien“ als auch in der Sowjetunion.

Die SED hinkt nach

„Wir haben keine solchen Prozesse wie z. B.den Rajk-oder Koßtoff-Prozeß bei uns gehabt und demzufolge auch nicht so tief-greifende Korrekturen durchzuführen . . . Die Generallinie unserer Partei war und ist richtig.“

Mit solchen Beteuerungen versuchte sich die SED zunächst von den Rehabilitierungen zu drücken. Die Ulbricht-Führung konnte die Rehabilitierungen in Deutschland zwar hinauszögern, aber nicht einfach umgehen. Die 28. Tagung des ZK der SED (27. — 29. Juli 1956) nahm endlich zu diesem’Problem Stellung. Im Kommunique der Tagung heißt es:

„Ferner wurden folgende Beschlüsse einstimmig gefaßt:

Die Parteistrafe für den Genossen Franz Dahlem wurde aufgehoben und Genosse Dahlem rehabilitiert.

Die Parteistrafen für die Genossen Ackermann, jendretzky und Elli Schmidt wurden aufgehoben.

Das ZK stellte nach Prüfung der Angelegenheit Paul Merker fest, daß die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen in der Hauptsache politischer Natur sind, die eine strafrechtliche Verfolgung nicht rechtfertigen.“

Danach ist nur Franz Dahlem, der Gegenspieler Ulbrichts, politisch rehabilitiert. Die ehemaligen Politbüro-Kandidaten Anton Ackermann, Hans Jendretzky und Elli Schmidt, die nach dem 17. Juni 1953 die „Fraktion Zaisser-Herrnstadt“ gegen Ulbricht unterstützten und die deswegen ihrer Funktionen enthoben und gerügt worden waren, sind dagegen nur indirekt rehabilitiert.

Paul Merker ist weder politisch rehabilitiert noch in die SED zurückgekehrt, aus der er 1950 ausgeschlossen wurde. Die übrigen der Säuberung zum Opfer gefallenen Spitzenfunktionäre werden im Beschluß des ZK überhaupt nicht erwähnt.

Franz Dahlem, 1892 in Lothringen als Sohn eines Arbeiters geboren, trat 1913 der SPD bei, ging während des Krieges zur USP über und kam nach der Spaltung der USP im Jahre 1920 zur KPD. Dahlem, von Beruf kaufmännischer Angestellter, war in den Revolutionswirren Soldatenrat und wurde später Stadtverordneter (in Köln) und Landtagsabgeordneter in Preußen. Von den Besatzungsbehörden aus dem Rheinland ausgewiesen, kam er als Redakteur der „Roten Fahne“ (Zentralorgan der KPD)

nach Berlin. Dahlem war bald (noch vor Ulbricht!) einer der leitenden Köpfe im Organisationsapparat der KP-Zentrale. An den politischen Auseinandersetzungen, die damals innerhalb der KPD wegen der Stalinisierung entbrannten, nahm Dahlem wenig Anteil. Ihm erschien wesentlicher, „daß unser bisheriger Parteiapparat in illegalen Zeiten zum großen Teil unbrauchbar ist, daß wir uns eine illegale Organisation schaffen müssen, die der Feind nicht finden und zersdtlagen kann, die aber doch so beweglich und schlagfertig ist, daß die Partei den Charakter der Massenpartei nicht einbüßt, daß mit ihr die bürgerliche Diktatur niedergerungen werden kann.“

Dahlem war von der Ruth Fischer-Maslow-Führung abgeschwenkt, als deren Stern sank und hatte sich dadurch einen maßgebenden Platz im ZK und Organisationsapparat der folgenden stalinistischen Führung der KPD unter Thälmann gesichert. 1928 wurde er Mitglied des ZK und des Politbüro und hielt auch im Reichstag Einzug. Nach 193 3 arbeitete er zunächst illegal in Deutschland, bis er emigrieren mußte. Im spanischen Bürgerkrieg war Dahlem (neben Andre Marty und Luigi Longo) politischer Leiter der Internationalen Brigaden. Nach dem Ende des Bürgerkriegs leitete er die KPD-Emigration in Frankreich, wurde 1939 interniert und 1942 an die Gestapo ausgeliefert. 1945 wurde er aus dem KZ Mauthausen befreit.

Beim Neuaufbau der KPD spielte Dahlem eine große Rolle. In der SED war er der für Kaderfragen verantwortliche Sekretär, verantwortlich für die westdeutsche KP und gehörte ständig dem ZK und dem Politbüro an. Er war der stärkste Gegenspieler Ulbrichts, doch auch ein ebenso treuer Stalinist wie dieser.

Scheinheilig gratulierte Ulbricht dem „vorbildlichen, verantwortungsbewußten Parteifunktionär“ Dahlem zu seinem 60. Geburtstag im Jahre 1952. Ein Jahr später hatte Ulbricht sein wirkliches Ziel erreicht: Am 14. Mai 1953 faßte das ZK der SED einen Beschluß, der Dahlem wegen „nichtparteimäßigen Verhaltens" und „zur Sicherung der Parteiführung“ seiner Funktion enthob. Dahlem wurde „aus dem Zentralkomitee und damit aus dem Politbüro und aus dem Sekretariat ausgeschlossen.“ Nach einem Beschluß vom Januar 1954 durfte Dahlem überhaupt keine Funktion mehr ausüben.

Die Rehabilitierung Dahlems hat bis jetzt noch nicht zu seiner Rückkehr ins Politbüro geführt, es ist noch nicht einmal bekannt, ob er in das inzwischen neugewählte ZK als Mitglied kooptiert wurde. Ob Dahlem wieder maßgebenden politischen Einfluß erhält, hängt von der weiteren politischen Entwicklung ab.

Auch die auf der 28. ZK-Tagung genannten Ackermann, Schmidt und Jendretzky stürzten seinerzeit als Gegner Ulbrichts. Sie unterstützten nach dem 17. Juni die Forderung Zaissers und Herrnstadts nach Abberufung Ulbrichts als Generalsekretär. Im Juli 1953 wurden sie daraufhin als Kandidaten des Politbüros abgelöst. Elli Schmidt verlor ihren Posten als Vorsitzende des Demokratischen Frauenbund und Jendretzky wurde als 1. Sekretär der Berliner SED abgesetzt. Im Januar 1954 wurden alle drei aus dem ZK ausgeschlossen. Ackermann erhielt eine „strenge Rüge“, Schmidt und Jendretzky eine „Rüge". Diese „Parteistrafen“ wurden nunmehr aufgehoben. Ihren früheren politischen Einfluß haben aber alle Drei noch nicht wiedererlangen können.

Sind diese Funktionäre (vielleicht mit Ausnahme Ackermanns) alles linientreue Stalinisten, die weniger wegen ideologischer Differenzen, als vielmehr um taktischer Auseinandersetzungen willen mit Ulbricht gemaßregelt wurden, so ist das bei Merker etwas anders.

Paul Merker, 1894 geboren, war bereits vor 1933 ein Führer der KPD, Mitglied des ZK und Politbüros der Partei. Er war Spezialist für Gewerkschaftsarbeit und saß in den dreißiger Jahren im Zentralrat der Roten Gewerkschaftsinternationale. Bereits 1932 wurde er seiner Ämter zeitweilig enthoben, da er sich einer neuen Schwenkung in der Gewerkschaftspolitik widersetzte, was als „ultralinke“ Abweichung gewertet wurde. Diese Tatsache und seine Emigration in den Westen (er war zuletzt in Mexiko) spielten bei seiner Absetzung keine geringe Rolle, auch wenn offiziell darüber nichts verlautet wurde.

Paul Merker war vor 1933 Mitglied des Preußischen Landtags und nach 193 3 ein Führer der illegalen Landesleitung der KPD. Nach seiner Emigration gehörte er in Frankreich und später in Mexiko dem Auslandssekretariat des ZK der KPD an.

Nach seiner Rüdekehr aus Mexiko wurde Merker Mitglied des Partei-vorstandes der SED und bei Gründung des Politbüros (Januar 1949) auch Vollmitglied dieses höchsten Organs der SED. Seit Oktober 1949 bekleidete er den Posten eines Staatssekretärs im Ministerium für Land-und Forstwirtschaft. Seine Auseinandersetzungen mit Ulbricht und Dahlem waren politischer Natur. Merker war — wenn auch Stalinist — gegen eine starre Nachahmung der KPdSU. Im August 1950 wurde Merker wegen „Unterstützung des Klassenfeindes" (Verbindung mit Noel H. Field) aus der SED ausgeschlossen. Im Slansky-Prozeß 1952 belastete der Angeklagte Geminder Paul Merker schwer; Geminder sprach vom „bekannten deutschen Trotzkisten Merker“ und erwähnte eine angebliche Verbindung Slanskys mit Merker Merker wurde damals verhaftet.

Daß im Zuge der Rehabilitierung von einer strafrechtlichen Verfolgung Merkers abgesehen wird, ist fast selbstverständlich. Es ist aber für die SED bezeichnend, daß eine politische Rehabilitierung Merkers, der sicher auch heute eine andere politische Linie vertritt als Ulbricht, unterbunden wird.

Für die Art, mit der die SED die Rehabilitierung handhabt, ist ferner charakteristisch, daß weder von Zaisser und Herrnstadt, noch von den mit Merker zusammen ausgeschlossenen Funktionären Kreikemey. er, Lex Ende, Leo Bauer usw. gesprochen wird. Auch über die seinerzeit vom SSD verhafteten KP-Führer Fritz Sperling und Kurt Müller schweigt sich die SED aus.

Schließlich darf nicht vergessen werden, daß bereits 1937 eine Reihe führender deutscher Kommunisten den Säuberungen in der Sowjetunion zum Opfer fielen (Remmele, Heinz Neumann, Eberlein, Kippenberger und andere). Die SED bemüht sich — im Gegensatz zu den kommunistischen Parteien in Polen und Ungarn — offensichtlich nicht darum, eine Rehabilitierung dieser ehemaligen KP-Führer zu erreichen. Daß Max Fechner, Paul Bender u. a. nur amnestiert wurden und die Rechtmäßigkeit ihrer Verurteilung nicht einmal in Zweifel gezogen worden ist, kennzeichnet die Haltung der SED zu den Rehabilitierungen.

Werden die Rehabilitierungen fortgeführt?

Trotz des Zurückbleibens der SED besteht kaum ein Zweifel, daß die Rehabilitierungen im allgemeinen weitergehen. Sind bis jetzt in der Hauptsache Stalinisten rehabilitiert (die Veröffentlichung der von Chruschtschow genannten fast 8000 Funktionäre in der Sowjetunion wird darüber noch genaueren Aufschluß geben), so bleiben die Rehabilitierungen dabei wahrscheinlich nicht stehen. Schon jetzt läßt sich sagen, daß die unsinnigen Behauptungen, die Stalin-Gegner seien „Volksfeinde“, „Agenten des Imperialismus“ und „Spione" gewesen, nicht aufrechterhalten werden. Dafür gibt es einige Beispiele. In der sowjetischen Zeitschrift „Woprosy istorii“ konnte man kürzlich lesen:

„Manche stellen die Sadte so dar, als ob in den zwanziger Jahren die Partei nicht gegen Strömungen gekämpft habe, die von der Partei abwichen und sich gegen Lenin richteten, sondern gegen ein Häufchen entlarvter imperialistischer Schädlinge.“

Oder an anderer Stelle:

„Die gegen Lenin geridrteten Äusserungen der Trotzkisten, der Redtten und der nationalistisdien Abweidder wurden in simplifizierender Weise als Aktionen ausländischer Spionageagenten hingestellt ..."

Diese verschämte Kritik bedeutet eine wesentliche Änderung des Geschichtsbildes. Zumindest für die frühen zwanziger Jahre steckt hinter diesen dürren Worten eine Revolution für die Sowjetgeschichtsschreibung.

Denn „manche“ — das ist nichts anderes als die gestrige offizielle Leseart. Hieß es doch in der . Geschichte der KPdSU (B) — Kurzer Lehrgang" deutlich, es sei erwiesen, daß die Trotzkisten, Bucharin-Leute usw.

„seit den ersten Tagen der Sozialistischen Oktoberrevolution in einer Verschwörung gegen Lenin, gegen die Partei, gegen den Sowjetstaat gestanden hatten. Die provokatorischen Versuche zur Vereitelung des Brester Friedens 1918 .. . die vorsätzlidie Zuspitzung der Meinungsversdtiedenheiten in der Partei im Jahre 1921 . . . die Belieferung ausländischer Spionagedienste mit Spionagemateria!... all diese und ähnliche Freveltaten wurden, wie sich herausstellte, im Verlauf von zwanzig Jahren unter Teilnahme oder Führung Trotzkis, Sinowjews, Kamenews, Bucharins, Rykows und ihrer Handlanger im Auftrage ausländisdier bürgerlicher Spionagedienste ausgeführt.“

Die neue Einschätzung besagt also gerade das Gegenteil der „Geschichte der KPdSU (B)". Es ist fast mit Sicherheit anzunehmen, daß bei Fortführung des jetzigen politischen Kurses diese neue Version auch für die spätere Zeit (nach Lenins Tod) übernommen wird, d. h. daß alle Opfer der Säuberungen vom Vorwurf befreit werden, „Agenten, Schädlinge und Spione“ gewesen zu sein. Das würde aber auch die Rehabilitierung der in Schauprozessen verurteilten alten Kommunisten bedeuten.

Diese (gleichgültig mit welchem Tempo) zu erwartende Rehabilitierung darf jedoch nicht gleichgesetzt werden mit einer Rechtfertigung der Politik der Stalin-Gegner und damit einer politischer Rehabilitierüng. Hier liegen die Grenzen der heutigen Regelung. Die Anti-Stalinisten unter den gesäuberten KP-Führern werden nicht mehr als „Volksfeinde" und „imperialistische Agenten“ wohl aber als „Parteifeinde“ und „Leningegner" bezeichnet. Wenn das auch historisch falsch ist, so wird damit doch die Argumentation der Geschichtsschreibung von der kriminellen auf die politische Ebene verlagert. Das ist für die historische Wahrheit ein entscheidender Fortschritt. Die Historiker, die sich heute Vorwürfe über ihre falsche Darstellung der Partei gefallen lassen müssen, werden außerdem vielleicht in Zukunft die Tatsachen genauer bringen, als es der Chruschtschow-Führung lieb ist. So ist es durchaus möglich, daß die Rehabilitierungen rascher und weiter vorangetrieben werden, als es die Politik der KP-Leitung wünscht.

Ob es der KP-Führung gelingt, eine solche Entwicklung abzubremsen, ist in erster Linie ein politisches Problem. Die jetzige Haltung der KPdSU ist deutlich zu erkennen: Zwar den Stalin-Kult abbauen, aber die vergangene Politik der Stalinisten und damit der herrschenden Sowjetbürokratie (zu der ja auch die Chruschtschow und Bulganin seit eh und je gehören) so weit als möglich unangetastet lassen. Dabei bleibt für die heutige Sowjet-Führung der entscheidende Punkt, daß Stalin und die regierende Schicht siegten „in unversöhnlichem ideologischem Kampf gegen verschiedene dem Leninismus feindliche politische Strömungen — Trotzkisten. Sinowjew-Leute, rechte Opportunisten und bürgerliche Nationalisten, gegen alle diejenigen, die versuchten, die Partei von dem einzig richtigen Leninsdten Weg abzubringen.“

Diese Worte der „Prawda“ vom 28. März 1956 sind das Programm der Sowjetführung bei den Rehabilitierungen. Auch die heutige Sowjetführung sucht das zu erhalten und verteidigen, was Stalin in den zwanziger und dreißiger Jahren gegen die „Parteifeinde" der Arbeiteropposition, Arbeiterwahrheit, der Trotzkisten oder Rechten vertrat: die Privilegien einer dünnen bürokratischen Oberschicht, die Abhängigkeit der Gewerkschaften vom Staat, die Unterdrückung der politischen Diskussionsfreiheit selbst innerhalb der Partei, die Verhinderung von Fraktionsbildungen, die Herrschaft des Direktors im Betrieb usw. Die ehemals führenden Kommunisten, ob Schlapnikow, Sapronow, Trotzki, Sinowjew oder Bucharin, und ihre Anhänger, die hier entschiedene Änderungen forderten, werden trotz aller Rehabilitierungen unter der jetzigen Führung weiter als „Parteifeinde und Anti-Leninisten" gelten. Eine solche Bezeichnung erlaubt der Parteiführung, das „unangenehme" Programm dieser Gruppe auch weiterhin ohne lange Diskussion zu verdammen und zu verschleiern. Hier würde eine neue wahrhafte Geschichtsbetreuung zu sehr in die wirkliche Geschichte greifen. Deshalb kann auch erst eine neue Politik zu einer wahrhaften Geschichtsbetrachtung führen.

Zusammenfassend kann man aus den bisherigen Rehabilitierungen folgendes entnehmen: 1. Die bisher namentlich bekannten Rehabilitierten (und selbst die von Chruschtschow genannten knapp 8000) bilden nur den kleineren Teil der in Säuberungen liquidierten und verbannten AltKommunisten. 2. Die Rehabilitierungen sind untrennbar mit der politischen Gesamtentwicklung verbunden. Jede weitere „Liberalisierung" wird auch die Rehabilitierungen vorantreiben und umgekehrt. Nach den Rehabilitierurgen zu urteilen, besteht die gegenwärtige Führung der KPdSU aus Stalinisten, die bestrebt sind, die stalinistische Politik /den veränderten Verhältnissen anzupassen und dabei auch die Auswüchse zu beseitigen.

3. Die Rehabilitierung der eigentlichen stalinistischen Spitzengruppe, die den Säuberungen zum Opfer fiel, ist daher am weitesten fortgeschritten. Insbesondere gilt das für die nach dem zweiten Weltkrieg gestürzten Funktionäre.

4. Ein größerer Teil der in der Sowjetunion rehabilitierten Kommunisten waren Leiter der Armee, von Staat und Wirtschaft, die vor ihrer Säuberung ebenfalls hinter der stalinistischen Politik standen. Der relativ hohe Anteil von Armeeführern läßt auf einen Druck seitens der heutigen Armeeführung schließen und eine Ehrenrettung" der im Tuchatschewski-Prozeß Verurteilten evtl, erwarten. 5. Das offizielle Eingeständnis, daß die Schauprozesse Fälschungen waren (Ungarn und Bulgarien) beendet die Ära der Schauprozesse.

Da die Moskauer Prozesse denselben Charakter hatten, dürfte auch ihre Enthüllung nur eine Frage der Zeit sein. Als Vorbereitung zu solchem Schritt ist die indirekte Rehabilitierung Rykows, Bucharins, Pjatakows u. a. (Veröffentlichung von Lenins „Testament" u. ä.)

anzusehen.

6. Von den ehemaligen Gegnern Stalins, die kapitulierten und ohne Prozeß erschossen wurden und von den nicht kapitulierenden Anti-Stalinisten ist nur eine kleine Zahl indirekt rehabilitiert. In absehbarer Zeit ist hier kaum mit entscheidenden Änderungen zu rechnen.

7. Die Rehabilitierungen gehen weiter. Es gibt dabei keine starren Grenzen. Möglicherweise werden alle Anhänger der stalinistischen Politik vollkommen rehabilitiert, während die Gegner der Stalin-Politik juristisch rehabilitiert werden.

8. Bei den Rehabilitierungen der früheren Stalin-Gegner ist dabei festzustellen, daß der Begriff „Volksfeind“ durch „Parteifeind“ ersetzt wird, d. h. die Behauptung vom „Agententum, Spionage“ usw.

fallengelassen, aber keinerlei Zugeständnis an die antistalinistische Politik geduldet wird. 9. Diese Form sollte offensichtlich in den Volksdemokraten übernommen werden. Doch hier lagen die politischen Gegensätze zur ehemaligen Stalin-Führung auf einem andern Gebiet. Die politische Position der „Titoisten“ ist inzwischen von Chruschtschow mit der Anerkennung des „verschiedenen Weges zum Sozialismus“ und den neuen Freundschaftsbanden nach Belgrad offiziell sanktioniert, ob aber diese Sanktionierung nach der großen Rede Rede Titos aufrechterhalten werden kann, werden die nächsten Maßnahmen erweisen müssen.

Während die erste Stufe der Rehabilitierung der „Titoisten“

ebenfalls nur eine juristische war, folgte (in Polen und Ungarn)

die politische Rehabilitierung und neuer politischer Einfluß (Gomulka). 10. Die SED ist bei den Rehabilitierungen, wie bei der „Entstalinisierung" überhaupt, weit hinter den Ostblockstaaten zurück.

11. Die Rehabilitierungen schließen eine erneute Periode, in der die politischen Gegensätze innerhalb der herrschenden kommunistischen Parteien zu derartigen Formen der Liquidierungen führen, nicht aus.

12. Erst eine neue Parteigeschichte wird alle Einzelheiten der Rehabilitierungen klar erschließen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. A. J. Wyschinski: Gerichtsreden (1924— 1938) Berlin 1951, S. 500, 575 und 635 36.

  2. Prozeßbericht über die Strafsache des trotzkistisch-sinowjewistischen terroristischen Zentrums. Moskau 1936, S. 167.

  3. Es darf nicht übersehen werden, daß sich 12 Jahre früher (bei der Parteidiskussion gegen Trotzki) in Moskau fast 5O*/o der Parteimitglieder für die Opposition und nur die Hälfte für Stalin und die damals mit ihm verbündeten Sinowjew, Kamenew und Bucharin aussprachen. Diese „gefährlichen" opponierenden Parteimitglieder waren längst nicht alle tot, war es doch besonders die Jugend, die gegen Stalin stimmte, (vgl. E. Jaroslawski: Aus der Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), II. Teil, Hamburg 1931, S. 299).

  4. „Jetzt ist es klar, warum es bei uns bald hier bald dort Stockungen gibt, warum auf einmal bei uns trotz Reichtum und Überfluß diese oder jene Produkte fehlen. Eben deswegen, weil diese Verräter daran schuldig sind", erklärte Wyschinski im Schauprozeß von 1938. (Vgl. Prozeßbericht über die Strafsache des antisowjetischen Blocks der Rechten und Trotzkisten. Moskau 1938, S. 731).

  5. A. Barmine, Einer, der entkam, Wien o. J., S. 459.

  6. Vgl. H. Seton-Watson: Von Lenin bis Malenkow, München 1955, S. 156.

  7. Die „Prawda" vom 23. 8. 1936 schrieb: „Das ZK der KPdSU teilt mit, daß der Kandidat des ZK, M. P. Tomski, der sich in die Netze seiner Verbindungen zu den konterrevolutionären trotzkistisch-sinowjewistischen Terroristen verstrickt hatte, am 28. 8. ... Selbstmord verübte,“

  8. Vgl. Illustrierte Geschichte der russischen Revolution. Berlin 1928. S. 336; Schneller: The Politbüro. Stanford University Press 1951; D. Shub: Lenin. Eine Biographie, Wiesbaden 1951. S 359 und M. Shachtman: Behind the Moscow Trial, New York 1936, S. 123.

  9. Mjasnikow konnte 1927 über Polen nach Frankreich fliehen und ergriff in Paris wieder seinen Beruf (Metallarbeiter). 1944 kehrte er (wahrscheinlich freiwillig) nach Rußland zurück und starb in erneuter Verbannung.

  10. Vgl. Die Aktion. Wochenschrift. XV. Jahrgang. 18. 4. 1925.

  11. Vgl. E. Jaroslawski, a. a. O., S. 397.

  12. Vgl. Prozeßbericht über die Strafsache des trotzkistisch-sinowjetischen terroristischen Zentrums (1936) S. 175.

  13. Vgl. a. a. O., S. 175.

  14. Boris Meissner zählt z. B. auch N. I. Podwoiski zu den Rehabilitierten.

  15. Vgl. Woprosy istorii Nr. 3/1956, deutsch: Ostprobleme 20/1956, S. 69».

  16. Stalin rechtfertigte die Absetzung Antonows auf der 13. Parteikonferenz der KPR folgendermaßen: „Antonow ist auf Grund eines vom ZK-Plenum bestätigten Beschlusses des Org-Büros des ZK seines Postens in der Politischen Verwaltung in der Roten Armee enthoben worden. Er ist vor allem deshalb seines Postens enthoben worden, weil er ohne Wissen des ZK und ohne Vereinbarung mit dem ZK ein Rundschreiben über die Einberufung einer Konferenz der Zellen der Militärhochschulen und der Luftflotte versandte... Er ist schließlich deshalb seines Postens enthoben worden, weil er an das ZK und ZKK einen im TOn völlig ungehörigen und dem Inhalt nach absolut unzulässigen Brief sandte, der dem ZK und ZKK androhte, die überheblich gewordenen Führer zur Ordnung rufen zu wollen. (Vgl. J. W. Stalin: Werke. Band 6, Berlin 1952, S. 38).

  17. Vgl. Prozeßbericht über die Strafsache des antisowjetischen Blocks der Rechten (1938), S. 800.

  18. Vgl. Geschichte der KPdSU (B) — Kurzer Lehrgang . .. S. 40s.

  19. In diesem „Beschluß des ZK der KPdSU über die Überwindung des Personenkults und seine Folgen“ vom 30. 6. 1956 hieß es sogar in der alten, Stalinschen Terminologie: „Nach dem Tode Lenins wurden die feindlichen Strömungen in der Partei aktiver — Trozkisten. Rechtsopportunisten und die bürgerlichen Nationalisten — die für den X erzieht auf die Leninsche Theorie von der Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Lande eintraten, was in Wirklichkeit zur Wiederherstellung des Kapitalismus geführt hätte“.

  20. Vgl. Lenins .. Testament“ in: Ruth Fischer: Stalin und der deutsche Kommunismus, Frankfurt/Main o. J.. S. 293 ff und: . Einheit“, Berlin, Nr. 8/1956.

  21. Vgl. Prozeßbericht über die Strafsache des antisowjetischen Blödes (1938), S. 697 ff.

  22. Vgl. Osteuropa. Zeitschrift für die gesamten Fragen des europäischen Ostens. Berlin, 5. Jahrgang 1929, S. 326.

  23. Vgl. Sowjetskoje gosudarstow i prawo Nr. 2/1956.deutsch : Ostproblem Nr. 21/1956, S. 744.

  24. Vgl. E. N. Burdshalew: Über die Taktik der Bolschewiki im März/April 1917. Woprosy istorii 4/1956, deutsch: Ostprobleme 28/1956, S. 947 0.

  25. Zwanzig Jahre nach seiner Erschießung wird Sinowjew dabei zum erstenmal von einer sowjetischen Zeitschrift positiv erwähnt: . G. Sinowjew sprach sich auf der Konferenz (April 1917) gegen die Ansicht Kamenews aus: in seiner Rede über die gegenwärtige Lage vertrat er den Leninschen Standpunkt."

  26. Vgl. A. Iljin-Schenjewski: Vom Februar zum Oktober, Moskau 1932, S. 101.

  27. Vgl. Anklage gegen Stalin. SBZ-Archiv Nr. 11 vom 10. 6. 1956, S. 171 f. Wortlaut in der 1941 von der bulgarischen Presse veröffentlichten und von Tronnceau. Berlin in deutscher Übersetzung verbreiteten Fassung.

  28. Vgl. Fahne des Kommunismus, Berlin, vom 5. 7. 1929.

  29. Vgl. Sarja Wostoka, vom 22. 11. 1955, zit. bei B. Meissner, Partei und Per•onelles. Osteuropa, Juni 1956, S. 173.

  30. Vgl. L. P. Berija: Zur Geschichte der bolschewistischen Organisation in Transkaukasien, Berlin 1950, S. 127.

  31. Vgl. Woprosy istorii Nr. 3/1956, deutsch: Ostprobleme 20/1956, S. 697.

  32. Vgl.

  33. a.a.O.

  34. Vgl. Seton-Watson a. a. O. S. 337.

  35. Das Politbüro von 1934 bestand aus Stalin, Molotow, Kaganowitsch. Woroschilow, Kalinin, Ordshonikidse. Kuibyschew, Kirow, Andrejew, Kossior als Mitgliedern und Mikojan, Tschubar, Petrowski, Postyschew und Rudsutak als Kandidaten. Nadi dem Kirow-Mord wurden Mikojan und Tschubar Mitglieder, Eiche Kandidat.

  36. Das Politbüro von 1930 bestand aus Stalin, Woroschilow, Kaganowitsch, Kalinin, Kirow, Kossior, Kuibyschew, Molotow, Rykow. Rudsutak, als Mitgliedern und Mikojan, Tschubar, Petrowski, Andrejew und Syrzow als Kandidaten.

  37. In „Woprosy istorii" wird die Forderung erhoben, die Arbeiten und Schriften von Wosnessenski. Kossior, Postyschew, Rudsutak, Tschubar usw. wieder herauszubringen. Fs ist von der . Wiederherstellung und Neuschaffung der Geschichte der KPdSU“ die Rede.

  38. Vgl. Prozeßbericht üb d. Strass, des trotzk. -sinowj. -terror. Zentrums (1936) S. 137.

  39. Vgl. Prozeßbericht über die Strafsache des sowjetfeindlichen trotzkistischen Zentrums. Moskau 1937, S. 557.

  40. Vgl.

  41. Dieser Kabakow war als kleiner Stalin Swerdlowsk’s bekannt. Im Januar 1937 fand in Swerdlowsk eine Versammlung des Parteiaktivs statt. Der Funktionär Krawtschuk vom Volkskommissariat für kommunale Industrie äußerte: „Ich verstehe nicht warum Kabakow solange mit dem Verräter Golowin zusammenarbeitete." Wegen dieser harmlosen Kritik ließ ihn Kabakow als „konterrevolutionären trotzkistischen Verleumder“ aus der Partei ausschließen und verhaften. Nach einem Monat bemächtigte sich die „Prawda“ des Falls und da nicht Krawtschuk, sondern Kabakow als „Volksfeind vorgesehen war, mußte er Krawtschuk freilassen und Selbstkritik üben. Das Ende vom Lied war: „Das NKWD-Kommando des Gebiets Swerdlowsk . entlarvte“ den sogenannten . Aufstandsstab Ural“ . ..dessen angeblicher Leiter der Gebietssekretär von Swerdlowsk, ZK-Mitglied der KPdSU, Kabakow gewesen sein soll, der seit 1914 der Partei angehörte " (Rede Chruschtschow.)

  42. Vgl. A. Burmeister, Rehabilitierte NKWD-Opfer, Ostprobleme Nr. 32/1955.

  43. Warski schrieb u. a.: „Wir halten es für unmöglich, daß Gen. Trotzki aus den Reihen der Führer der russischen KP und der Internationale ausscheidet." Stalin sagte 1924, für ihn sei „unwichtig, was Warski dachte, als er die bekannte Resolution des ZK der KPP, die für die Opposition der KPR Stellung nahm, verfaßte“ die spätere Verhaftung Warski's zeigt, daß Stalin die Haltung Warski’s nicht vergessen hatte.

  44. Dombai war schon 1920 Abgeordneter des polnischen Sejm. Als die Rote Armee vor Warschau stand, erklärte er im Parlament: „Ich sehe in der Roten Armee keinen Feind. Im Gegenteil, ich grüße die Rote Armee als den Freund des polnischen Volkes." Er wurde sofort verhaftet. Nach drei Jahren wurde er nach Rußland ausgetauscht und stürmisch in Moskau gefeiert. Er arbeitete in der Komintern. 1936 verhaftete ihn die NKWD mit de-Beschuldigung, er sei seit 17 Jahren (seit seiner Rede im polnischen Parlament!) polnischer Spion gewesen. Die Begrüßung der Roten Armee und die Kerker-jahre Dombais wurden als raffiniertes Komplott des polnischen Nachrichtendienstes bezeichnet und Dombai hingerichtett (Vgl. W. G. Krivitsky: Ich war in Stalins Dienst, Amsterdam 1940, S. 46/47.

  45. Vgl. E. Ochab in: Tribuna Ludu, 21. 3. 1956, deutsch: Ostprobleme 17/1956, S. 589.

  46. Vgl. Gomulka spricht, in: Hinter dem eisernen Vorhang. Nr. 10, O. Kröber 1956, S. 35/37.

  47. Vgl. Szabad Nep vom 21. 2. 1956, deutsch: Ostprobleme 14/1956, S. 501.

  48. Vgl. Szabad Nep vom 29. 3. 1956, deutsdi: Ostprobleme 16/1956, S. 542.

  49. Vgl. Laszlo Rajk und Komplicen vor dem Volksgericht, Berlin 1949, S. 41.

  50. Vgl. a. a. O. S. 14

  51. Der Oberste Staatsanwalt Ungarns. Non, gab bekannt, daß von den 149 Funktionären, die in den letzten Jahren als Agenten abgeurteilt wurden, 124 rehabilitiert sind. „Diese Personen sind auf Grund verlogener Anklagen abgeurteilt und nun nachträglich völlig rehabilitiert worden. Ihren Hinterbliebenen wird materielle und moralische Genugtuung gegeben werden.“

  52. Vergleiche hierzu auch Leo Bauer: .. Die Partei hat immer recht". Beilage zur Wochenzeitung . Das Parlament" Nr. B XXVI 1/56, 4. Juli 1956.

  53. Vgl. Laszlo Rajk und Komplicen ... S. 200.

  54. Vgl. a. a. O. S. 205.

  55. Das gilt natürlich nicht für den hingerichteten Kostoff, offensichtlich aber für seine Mitangeklagten, Finanzminister Hadschi-Matejeff, Sekretär des Politbüros Koleff, Regierungsmitglied Petkoff u. a Kostoff wurde übrigens vom Gericht nicht weniger als viermal zum Tode und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine „geständigen“ Mitangeklagten kamen alle mit dem Leben davon.

  56. Rabotnitschesko Delo, Sofia, 14. 4. 1956, deutsch: Ostprobleme 18/1956, 5. 622.

  57. Vgl. Traitscho Kostoff und seine Gruppe, Berlin 1951, 5. 639.

  58. Vgl. „Die leninistische Geschlossenheit unserer Partei", Neues Deutschland vom 29. 4. 1956.

  59. Vgl. Kommunique der 28. Tagung des Zentralkomitees der SED, Neues Deutschland vom 31. 7. 1956.

  60. Vgl. F. Dahlem: Lenin, Über Organisationsfragen, in: Der Parteiarbeiter, Mitteilungsblatt für Funktionäre, 2. Jg. 1924, Nr. 18.

  61. Vgl. Prozeß gegen die Leitung des staatsfeindlichen Verschwörerzentrums mit Rudolf Slansky an der Spitze, Prag 1953, S. 164.

  62. Vgl. Woprosy istorii 3/1956, deutsch: Ostproblem 20/1956, S. 693.

  63. Vgl. Geschichte der KPdSU (B) — Kurzer Lehrgang ... S. 432.

Weitere Inhalte