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Der Partisanenkrieg in Südgriechenland | APuZ 5/1957 | bpb.de

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APuZ 5/1957 Zwischen Hitler und Petain Der Partisanenkrieg in Südgriechenland

Der Partisanenkrieg in Südgriechenland

GEORG STADTMÜLLER

In den Berglandschaften der inneren Balkan-halbinsel spielt seit Jahrhunderten die Gestalt des „edlen Räubers“ eine historische Rolle wie kaum sonst wo in Europa. Was in Andeutungen schon seit der römischen Kaiserzeit da und dort beobachtet werden kann, entfaltete sich in den Jahrhunderten der türkischen Fremdherrschaft zu einer festen gesellschaftlichen Erscheinung, die aus der balkanischen Innengeschichte nicht weggedacht werden kann: das heldische Räubertum mit politischer Färbung. Vor den Bedrükkungen türkischer Steuereintreiber und vor der Willkür türkischer Grundherren flohen viele Christen, vor allem junge Männer, „in die Berge“, von wo aus sie den Kampf gegen die verhaßte Zwingherrschaft führten. Bei • den Griechen nannte man sie „Klephten" (d. h. „Diebe, Räuber“), oder „Andarten" („Aufständische“), poetisch auch „Pallikaren" („Heldenburschen“), weiter nördlich bei den Serben und Bulgaren „Haiduken". Diese Freischärler, deren Taten von der Volksdichtung verherrlicht wurden, lebten unter dem Befehl eines Kapitäns oder „Harambascha“ oben in den Bergen, von wo aus sie in blitzschnellen Überfällen den Türken immer wieder zusetzten. Im Winter, wenn ihnen der Schneefall das Leben auf den Almen unmöglich machte, fanden sie in Klöstern oder entlegenen Dörfern ihren Unterschlupf. Im Frühling begann dann wieder der Kleinkrieg.

Diese nationalen Freischaren sind seit dem Ausgang des 16. Jahrhunderts eine ständig wachsende Bedrohung der türkischen Herrschaft geworden. Die Paschas, die als Statthalter in den Provinzen Rumeliens, wie man damals den Großteil der Balkanhalbinsel nannte, geboten, sind trotz aller Anstrengungen dieser Gefahr nie Herr geworden. Jede der zahlreichen Strafexpeditionen war ein Stoß ins Leere. Die Haiduken, Meister des Kleinkrieges, wichen jeder großen bewaffneten Machtprobe aus — in die Weiten der Hochgebirge, wo ihnen reguläre Streitkräfte niemals beikommen konnten. Die Türken-trafen leere Dörfer an. Sie konnten ihren Marschweg mit verbrannten Häusern und entehrten Frauen bezeichnen, die Haiduken bekamen sie nicht zu fassen. Waren die Strafexpeditionen vorbeigerollt, dann blieben die Haiduken wieder die eigentlichen Herren im Lande.

Dieses heldische Räubertum ist nur verständlich auf dem Hintergrund der örtlichen Selbstverwaltung, die sich auch unter türkischer Fremdherrschaft in vielen Bergkantonen ebenso wie auf den griechischen Inseln behauptet hatte. Die christliche Bevölkerung hatte sich dort unter der türkischen Herrschaft eine Sonderstellung bewahrt. Sie war von Steuern befreit und durfte Waffen tragen. AIs Gegenleistung hatte sie die Sicherung der durchziehenden Straßen zu übernehmen. An der waffenstolzen Bevölkerung der Bergkantone und an den abenteuerfrohen Bewohnern der ägäischen Inselwelt fand das heldische Räubertum zu allen Zeiten seinen Rückhalt.

Da die türkische Herrschaft nicht imstande war, die Haiduken und Klephten zu unterdrükken, blieb nichts anderes übrig, als sie zu Verbündeten zu gewinnen. Das Mittel dazu war die Aufstellung der sogenannten „Armatolen", die als örtliche Milizen bereits im ausgehenden Mittelalter nachweisbar sind. Ihr Hauptverbreitungsgebiet war das nördliche und mittlere Griechenland, aber auch in den slawischen Berglandschaften Mazedoniens und Bulgariens gab es ähnliche Einrichtungen. In den schwer zugänglichen Bergkantonen an der thessalisch-mazedonischen Grenze scheinen diese Armatolen-Milizen von den osmanischen Eroberern schon bei ihrer Herrschaftsübernahme im 15. Jahrhundert angetroffen worden zu sein. Die osmanische Herrschaft hat die kriegerischen Bewohner zunächst in ihren alten Rechten anerkannt und dann sogar begünstigt. Die Bergkantone der Armatolen waren in ihrer Blütezeit in vierzehn, später in zehn bis zwölf, dann wieder in siebzehn „Armatoliks" gegliedert. Die Armatolen-Milizen waren einem os-manischen „Derwendschi-Pascha" unterstellt, dessen Rang, wie schon der Titel andeutet, wohl in Nachbildung des byzantinischen Kleisurarchen geschaffen worden war (beide Titel bezeichnen einen „Befehlshaber der Pässe“).

Die Armatolen-Milizen hatten als eine Art Gendarmerie vor allem die Sicherheit auf den Verkehrsstraßen und Gebirgspässen zu gewährleisten. Daneben hatten sie auch die Aufgabe, gefährliche Klephten, deren man nicht Herr werden konnte, in Dienst zu nehmen. Die Führer der Armatolen-Milizen, „Kapitanoi“ oder „Protatoi“ genannt, übten die tatsächliche Macht in ihren Landschaften aus, sie waren die anerkannten Führer der waffentragenden Teile der christlichen Untertanenschaft (Rajah).

Da aber schließlich auch die Armatolen der osmanischen Zentralgewalt gefährlich zu werden drohten, bemühte sich die Sultansregierung seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts, sie zu unterdrücken. Man versuchte, sie durch albanisch-muslimanische („arnautische“) Söldner-truppen zu ersetzen. Dadurch wurde nun das Armatolentum genötigt, sich den Klephten (Haiduken) anzunähern. So nahm das Klephtentum im'18. Jahrhundert erneut einen großen Aufschwung. Der Unterschied zwischen Armatolen und Klephten begann sich zu verwischen. Der Kleinkrieg der Klephten und Haiduken wurde nunmehr erst recht zu jener nationalen Einrichtung, die die beste Kriegsschule zur Vorbereitung der kommenden großen Freiheitskämpfe war.

„Wie lang noch Pallikaren ..."

Der jahrhundertelange Klephtenkampf leitet unmittelbar zum großen griechischen Freiheitskrieg über. Am deutlichsten wird dies an der Gestalt des jungen griechischen Freiheitsdichters Rigas Pheräos Welestinlis (1757— 1798), der zusammen mit sieben Gesinnungsgenossen von türkischer Henkershand starb. Seine volkstümlichen Lieder, die sich an die Weise der Klephtendichtung anlehnen, haben sich rasch überall verbreitet, wo Menschen griechischer Zunge wohnten. In einem seiner schwungvollsten Lieder fordert er seine unglücklichen Landsleute auf, nunmehr der Schmach der viel-hundertjährigen Unterjochung ein Ende zu machen und zum Sturme auf die „Stadt der sieben Hügel“ (Konstantinopel) sich zu erheben Es schließt mit der klassischen Erinnerung an

Leonidas und die Thermopylen. Noch volkstümlicher wurde sein „Kampflied“: „Wie lang noch, Pallikaren, wollt in den Schlechten ihr wie Löwen einsam hausen im Feld-und Bergrevier? Wie lang in Höhlen hausen, im dunklen Waldeszelt, in Furcht der bittern Knechtschaft entfliehn dem Licht der Welt? Wie lang die Brüder hassen, Eltern und Vaterland, die Freunde und die Kinder, des Hauses ganzen Stand? Ist schöner eine Stunde des freien Daseins dodt als lange tausend Jahre in hartem Sklavenjodt!“ Bis tief ins 19. Jahrhundert hinein haben Haiduken und Klephten eine historische Rolle gespielt. Der albanische Usurpator Ali-Pascha von Janina, der sich im Kampfe gegen die osmanische Zentralgewalt in Konstantinopel zu Anfang des 19. Jahrhunderts einen faktisch selbständigen Staat in Nord-und Mittelgriechenland (mit der Hauptstadt Janina) aufrichtete, hat die Klephten abwechselnd unterdrückt und dann wieder als willkommene Waffengenossen gegen die Osmanen verwandt. In den Freiheitskämpfen, in denen sich Serben und Griechen und ihnen bald nachfolgend auch die anderen Balkannationen von der türkischen Fremdherrschaft befreiten, hat das haidukische Element eine große Rolle gespielt. So hatten in dem großen griechischen Freiheitskrieg (1821— 1829) Tapferkeit und Kriegserfahrung der rumeliotischen und moreotischen Klephten großen Anteil an der Behauptung gegen die

türkisch-ägyptische tibermacht. Ohne sie wäre der griechische Widerstand erdrückt worden, bevor die christlichen Großmächte 1827 in der Seeschlacht von Navarino eingriffen.

Aber überall zeigten sich nach der Erringung der Eigenstaatlichkeit auch die politischen Schattenseiten des Haidukentums. Diese Krieger, die seit Jahrhunderten ihr Leben „in den Bergen" im Kampfe gegen eine verhaßte Fremdherrschaft zugebracht hatten, waren weder imstande noch gewillt, sich friedlich in die neue Staatsordnung mit Polizei und Gericht einzufügen. Als in Griechenland König Otto von Wittelsbach mit Hilfe seiner bayerischen Berater daran ging, geordnete staatliche Verhältnisse zu schaffen, traf er vor allem auf den Widerstand der Klephturie. Sie entartete nunmehr zum wüsten Räuberunwesen. Dieser Plage, unter der die friedliebende Landbevölkerung schwer zu leiden hatte, wurde man dann Herr durch ein Mittel, das durchaus an die Armatolen-Milizen der osmanischen Zeit erinnerte: man gründete 1 833 ein Gendarmeriekorps von 12OO Mann. Sein erster Führer war der französische Philhellene Graillard. Die Offiziere wurden aus Pallikaren genommen, die sich im Freiheitskrieg ausgezeichnet hatten. Der hohe Sold und die Beibehaltung der nationalen Tracht und Bewaffnung lockten viele Klephten in dieses Korps, das sich große Verdienste um den Aufbau der neuen staatlichen Ordnung in Griechenland erwarb. So hatte man in kluger Weise der Unzufriedenheit der Klephten das erforderliche Ventil geöffnet. Ähnliche Erscheinungen zeigten sich auch in den anderen jungen Balkanstaaten. Sie mußten alle einen schweren Kampf um die Einfügung dieser unbändigen Elemente in die neue staatliche Ordnung führen.

„Partisanen

Manche dieser Erscheinungen lebten dann ruckartig wieder auf, als der zweite Weltkrieg ähnliche Situationen brachte. Nach dem deutschen Balkanfeldzug im April und Mai 1941 gerieten Jugoslawien und Griechenland unter deutsche Besetzung. Die verkehrsfernen Berg-landschaften blieben außerhalb der Kontrolle der Besatzungsmacht. Dort — vor allem in dem bosnischen Gebirgsdreieck — bildeten sich schon im Herbst 1941 kleine Widerstandsgruppen, die von Seiten der deutschen und italienischen Besatzungsmacht zunächst wenig beachtet wurden. Ausgangspunkt dieser Entwicklung waren Bosnien und Montenegro, von wo aus die Bewegung während des Jahres 1942 nach allen Seiten sich ausbreitete. Zu Ende des Jahres 1942 war auch Nordgriechenland — die Heimat der kampfberühmten Armatolen-Milizen — von dieser Bewegung erfaßt, zu Beginn des Jahres 1943 folgte Mittelgriechenland, während der Peloponnes bis zum Spätsommer 1943 partisanenfrei war. Die italienische Kapitulation am 8. September 1943 hat dann große Bestände an Waffen und Munition in die Hände der Partisanen fallen lassen, deren militärische Kampfkraft dadurch mit einem Schlag mächtig zunahm.

Man hat diese balkanischen Banden entsprechend dem Sprachgebrauch an der Ostfront als „Partisanen“ bezeichnet, man sah in ihnen zunächst nur ein Gegenstück zu den russischen Partisanen. Dann wurde aber nach und nach klar, daß das Bild dieser balkanischen Widerstandsgruppen viel bunter war. Königstreue Gruppen standen neben „national-liberalen“ und kommunistischen. Schärfere Beobachter erkannten bald, daß in der Verfassung dieser Banden gewisse Züge des altbalkanischen Haidukentums wieder auflebten. Die Führer dieser Gruppen wurden als „Kapitäne“ oder „Woiwoden" bezeichnet, manche führten Decknamen aus der Heldenzeit der nationalen Freiheitskriege (so z. B. Kolokotronis, Kanaris), die Bandenangehörigen nannten sich mit einem Ehrennamen aus dem großen Freiheitskrieg „Andarten"

(„Aufständische"), die Mannschaften wurden als „Momken“, „Junaken" oder „Pallikaren“

bezeichnet, ihre Kriegstaten im Kampf gegen die Besatzungsmächte wurden von Sängern im Stil der alten Heldenlieder verherrlicht.

Die Führer der Bandengruppen — nicht nur der nationalen, sondern aus taktischer Klugheit auch die Führer der kommunistischen Gruppen — haben bewußt an diese nationalen Traditionselemente angeknüpft. Die kommunistische Infiltration brachte in dieses Wiederaufleben altbalkanischer Formen eine neue Note. Es zeichnete sich seit 1943 ein klares Gegenüber von nationalen und kommunistischen Banden ab.

Auch diese letzteren gebärdeten sich „national“, auch sie knüpften mit Vorliebe an die Erinnerungen der Freiheitskämpfe an, sie stellten repräsentative nationale Persönlichkeiten — Offiziere, Geistliche, Dichter — heraus (z. B.

den Metropoliten von Pyrgos), sie feierten die nationalen Gedenktage, sie verliehen ihren Banden die Namen nationaler Regimenter. So gelang es ihnen, Jahre hindurch weite Teile der friedliebenden Bevölkerung über ihren kommunistischen Charakter zu täuschen. Aber auch die Politik der Westalliierten hat sich über den kommunistischen Charakter dieser Banden verhängnisvolle Illusionen gemacht — bis 1945.

Die Entwicklung ist allenthalben im Balkan ähnlich verlaufen. Die einzelnen Landschaften unterschieden sich nur nach dem Zeitpunkt des Einsetzens und nach der Intensität, die der Partisanenkrieg schließlich erreichte. Im allgemeinen wies — so wie schon im Haidukentum der Türkenzeit — die Entwicklung ein klares Gefälle von Norden nach Süden auf. Im Norden — in Montenegro und Bosnien — lag das Ursprungszentrum des balkanischen Partisanenkrieges, von dort drang die Aufstandsbewegung stufenweise nach Süden vor. Der Peloponnes als äußerste Südlandschaft wurde erst mit einer Phasenverspätung von zwei Jahren erfaßt. Dann hat freilich auch diese Landschaft alle Scheußlichkeiten balkanischen Bürgerkrieges in geradezu exemplarischer Schärfe kennengelernt.

Im Frühjahr 1943 war die Lawine des Partisanenkrieges nach Mittelgriechenland vorgerollt. Die Berglandschaften um die südlichen Ausläufer des Pindus wurden gefürchtete Partisanengebiete. Die partisanische „Bergregierung“, die den Anspruch erhob, als legitime Vertretung des „freien“ Griechenland zu sprechen, saß lange Zeit in dem mittelgriechischen Gebirgsstädtchen Karpenision. Zu dieser Zeit gab es auf dem Peloponnes noch keinerlei Anzeichen einer ernsteren Partisanenbewegung. Zwar wußten die italienischen Besatzungsbehörden von gelegentlichen Zusammenstößen mit bewaffneten Einwohnern zu berichten, aber dabei handelte es sich offensichtlich um örtliche Zwischenfälle — zum Teil veranlaßt durch Requirierungsmißbräuche —, denen keine größere Bedeutung beizumessen war. Schärfere Beobachter fürchteten freilich schon damals, daß über kurz oder lang die Lawine des Partisanenkrieges auch den bis dahin noch friedlichen Peloponnes erfassen würde.

Bis zum April 1943 war der Peloponnes ausschließlich von Italienern besetzt. Nur rings um die Küsten lagen einzelne kleine deutsche Marine-und Funktrupps. Als dann im Mai und Juni 1943 zum ersten Male wieder größere deutsche Truppenverbände in das Land kamen (1. Panzer-Division, 117. Jäger-Division), da wurden sie von der Bevölkerung freudig begrüßt. Die Griechen hofften, daß nunmehr die unbeliebten italienischen Besatzungstruppen über kurz oder lang völlig aus dem Lande verschwinden würden. Lim so größer war die Enttäuschung, als diese Hoffnung nicht in Erfüllung ging. Noch blieb das Land ruhig. Aber bereits im Juli und August 1943 ereigneten sich die ersten größeren Zwischenfälle gegenüber den Italienern. Die schwache Besatzung des italienischen Stützpunktes Leonidion in der ostpeloponnesischen Berglandschaft Kynurien wurde von einer stärkeren Andartengruppe angegriffen, belagert und schließlich zum Abzug über See genötigt. In der Nähe des Städtchens Maseika (in Achaia) wurden einige italienische Soldaten, die sich an griechischen Frauen vergangen hatten, ermordet. Daraufhin wurde im Zuge einer „Vergeltungs“ -Expedition das Dorf zerstört. Im Hinterland von Patras wurde eine italienische Kompanie von Andarten eingeschlossen und zur Waffenstreckung gezwungen. Sie wurde der Waffen und Uniformen beraubt und in diesem jämmerlichen Aufzug nach Patras zurückgeschickt.

Das war das Vorspiel zu dem Schlimmeren, das bald kam. Die griechische Bevölkerung versuchte vergeblich, die Unterstützung deutscher Dienststellen gegen gelegentliche italienische Übergriffe zu erreichen. Den deutschen Dienststellen waren die Hände gebunden, da sie politische Rücksicht auf die bekannte Empfindlichkeit der italienischen Bundesgenossen nehmen mußten. Die deutschen Soldaten blieben vor Überfällen zunächst noch verschont.

Als im Sommer 1943 im nordwestlichen Küstengebiet des Peloponnes einige Soldaten eines deutschen Vermessungstrupps, die irrtümlich für Italiener gehalten worden waren, gefangen genommen wurden, war den Andarten dieser Irr-tum nachträglich sehr peinlich. Sie ließen die Deutschen frei, beschenkten sie und schickten sie mit einem Entschuldigungsschreiben zum nächsten deutschen Kommandanten zurück.

Nachdem die griechische Bevölkerung sich monatelange in der Hoffnung gewiegt hatte, es werde gelingen, nachhaltige deutsche Unterstützung gegen die unbeliebten Italiener zu gewinnen, schwenkte die öffentliche Meinung im August 1943 um und nahm von da an in wachsendem Maße auch gegen die deutsche Besatzungsmacht Stellung. Das enge Zusammenwirken der deutschen und italienischen Besatzungstruppen war offenkundig. Die Abneigung gegen die Italiener übertrug sich nunmehr auch auf ihre deutschen Verbündeten. Bald kam es zum ersten blutigen Zwischenfall. An der Gebirgsstraße zwischen Tripolis und Olympia wurden zwei Kraftfahrer von Andarten erschossen.

Das war für die deutschen Besatzungstruppen ein unüberhörbares Alarmsignal. Bis dahin war es für deutsche Soldaten noch möglich gewesen, unbewaffnet und einzeln durch das Land zu fahren. Nunmehr — seit August 1943 — war nur noch das Fahren im bewaffneten Geleit von mehreren Fahrezugen möglich.

Damals wäre es auf dem Peloponnes vielleicht noch an der Zeit gewesen, die weitere Entwicklung des Partisanentums zum vollen Partisanenkrieg aufzuhalten. Für eine solche Aufgabe hätten noch verhältnismäßig geringfügige einheimische Kräfte genügt. Der größte Teil der griechischen Bevölkerung war loyal bestrebt, mit der Besatzungsmacht, die wohl oder übel im Lande war, bei der Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit zusammenzuarbeiten. Das besitzende Bürgertum in den Städten und die friedliebende kleine Bauernschaft in den Dörfern hatten die Entfesselung eines Bürgerkrieges in gleicher Weise zu fürchten. Die Zahl der Andarten war noch klein.

Oberst Dionysios Pagadongonas

Ein alter griechischer Offizier, der den Kommunismus haßte und die kommunistische Infiltration der „nationalen“ Andartengruppen mit argwöhnischen Augen beobachtete, suchte damals Fühlung mit der deutschen Besatzungsmacht zu gewinnen: der Oberst Dionysios Pagadongonas. Er stammte aus Lakonien und war wie die Mehrzahl seiner lakonischen Landsleute ein überzeugter königstreuer Nationalist. Aus unmittelbarer Anschauung der Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren abgespielt hatte, und aus der persönlichen Kenntnis der einzelnen Partisanenführer hatte er die Befürchtung, daß binnen kurzer Zeit der Partisanenkrieg, der sich erst in Ansätzen abzeichnete, den ganzen Peloponnes erfassen würde. Als Soldat, der die Schrecken des Krieges aus eigenem Erleben kannte, war er überzeugt, daß dadurch grenzenloses Unheil über die wehrlose Bevölkerung kommen würde. Noch war es Zeit, vorzubeugen. Zu jener Zeit — im Spätsommer 1943 — mag es auf dem ganzen Peloponnes einige hundert bewaffnete Andarten gegeben haben, die nur gegen die Italiener, nicht jedoch gegen die Deutschen Stellung nahmen. In kurzer Zeit konnte diese Bewegung — dies befürchtete Papadongonas — zu einer Lawine anwachsen, die die öffentliche Ordnung unter sich begraben würde. Der alte Oberst machte dem Kommandeur der 117. Jäger-Division einen brauchbaren Vorschlag. Er erbot sich, für Lakonien und Messenien je eine griechische Milizkompanie (200 Gewehre) zur Bekämpfung der Andarten aufzustellen. Die Bewaffnung mit Gewehren sei ausreichend. Damit werde er imstande sein, Lakonien und Messenien zu befrieden und auch in Zukunft ein Aufflammen des Partisanenkrieges unmöglich zu machen.

Der Vorschlag scheiterte an dem politischen Unverstand des Kommandeurs der 117. Jäger-Division, Generalmajor v. Le Suire, der darin von seinem Ic Hauptmann Fritz Weber beraten wurde. Die Forderungen, die der deutsche Divisionskommandeur dem griechischen Obersten stellte, waren für einen ehrenhaften griechischen Offizier unannehmbar: UInterstellung der aufzustellenden griechischen Milizen unter deutschen Befehl, Vereidigung auf Adolf Hitler (!), Verpflichtung, im Falle einer angloamerikanischen Landung auch gegen die Angloamerikaner zu kämpfen (.'). Diese Forderungen lehnte Papadongonas höflich, aber nachdrücklich als unzumutbar ab. Daran scheiterten die Verhandlungen. Papadongonas erklärte beim Verlassen des Stabsquartiers der 117. Jäger-Division mit prophetischem Ernst, er befürchte, seine Vorschläge würden schon in kurzer Zeit durch die Entwicklung des Partisanenkrieges völlig überholt sein. Dann seien 400 Gewehre nicht mehr ausreichend.

Dann seien die Deutschen vielleicht bereit, 4000 Gewehre zu geben und dazu Granatwerfer und Geschütze. Dann würden ihn die Deutschen vielleicht zurückrufen. Aber dann könne es vielleicht schon endgültig zu spät sein.

Der alte prächtige Soldat, der mir unvergeßlich in Erinnerung geblieben ist, behielt mit seiner Voraussage leider recht. Wenige Wochen später traf das ein, womit man von deutscher Seite aus seit langem rechnen mußte: Italien kapitulierte gegenüber den Wcstalliierten bedingungslos am 8. September 1943.

Seit langem hatte die deutsche Truppen-führung in Griechenland die für diesen Fall erforderlichen Maßnahmen getroffen. Ein Plan zur Entwaffnung der italienischen Bundesgenossen war mit generalstabsmäßiger Gründlichkeit ausgearbeitet worden, und bei Korinth hatte der umsichtige Quartiermeister des 68. Armeekorps ein großes Gefangenenlager zur Unterbringung der Bundesgenossen vorbereitet — zu einer Zeit, da zwischen deutschen und italienischen Generalen noch immer Trinksprüche auf das ewige Waffenbündnis zwischen „Rom und dem Germanentum“ ausgetauscht wurden. Alle diese Maßnahmen wurden am Abend des 8. September 1943 durch den sinnigen Funkspruch „Achse“ ausgelöst. Die italienischen Besatzungstruppen auf dem Peloponnes leisteten nirgends Widerstand, an vielen italienischen Soldatengesichtern konnte man die Freude darüber ablesen, daß der unbeliebte Krieg, dessen Sinn man nicht begriff, endlich ein Ende gefunden hatte. Aber die Entwaffnungsaktion rollte in jenen Gegenden, wo keine deutschen Besatzungstruppen lagen, nicht schnell genug ab. An manchen entlegenen Punkten — z. B. auf der Insel Kythera — dauerte es mehrere Tage, bis die nächsten deutschen Truppeneinheiten zur Stelle waren.

Diese Zwischenzeit hatten die italienischen Einheiten benutzt, um einen großen Teil ihrer Waffen-und Munitionsbestände an die Andarten zu verkaufen. So kamen die Andarten, die bisher nur mit Gewehren und Maschinengewehren ausgestattet gewesen waren, mit einem Schlage in den Besitz von zahlreichen leichten und schweren Granatwerfern. Dazu kam, daß nunmehr nach dem Wegfall der italienischen Besatzungstruppen das Netz der deutschen militärischen Besetzung überall dünn wurde. Die zwei deutschen Divisionen, die auf dem Peloponnes lagen, (an die Stelle der abge-zogenen 1. Panzer-Division war mittlerweile die schlecht ausgestattete 41. Festungsinfanterie-Division getreten) mußten sich im wesentlichen darauf beschränken, die städtischen Mittelpunkte, die Häfen und die großen Straßen zu sichern.

Innerhalb weniger Wochen nach der italienischen Kapitulation erfaßte die Partisanenbewegung alle Landschaften. Nunmehr stand der ganze Peloponnes in Flammen. Die Partisanen-gruppen vervollkommneten ihre Bewaffnung, Disziplin und militärische Gliederung (nach Bataillonen, Regimentern und Brigaden). Der Einfluß der kommunistischen Führung, der bisher unsichtbar im Hintergrund geblieben war, setzte sich nunmehr völlig durch. Die königstreuen Gegentruppen (Wretakos u. a.), die verschiedentlieh erfolglos Anlehnung an die deutsche Besatzungsmacht gesucht hatten, erlagen der kom-munistischen Übermacht. Die Masse der Bevölkerung verabscheute zwar den roten Terror, aber einmal zwischen zwei Feuer geraten, schlug sie sich auf die Seite des stärkeren und gefährlicheren Gegners: der Partisanen. Denn während die zwei deutschen Divisionen, die im Lande lagen, sich darauf beschränken mußten, die Straßen, Hafenplätze und Städte zu sichern, beherrschten die Andarten unangefochten das ganze offene Land. Sie richteten dort eine Art Verwaltung ein und zwangen die Bevölkerung sogar zur Ablieferung von Naturalsteuern. Ohne den Ausweis einer Andarten-„Behörde“ konnte man außerhalb der deutschen Geleitzüge nicht mehr reisen. Die Andarten waren seit dem Spätherbst 1943 die eigentlichen Herren im Lande. Die Landbevölkerung mußte sie mehr fürchten, als die fernen und schwachen deutschen Besatzungstruppen.

Gythion

So wurde die Lage der Deutschen immer schwieriger. Die von den schwachen deutschen Einheiten besetzten Städte glichen belagerten Festungen, zwischen denen ein Nachschubverkehrt nur mittels schwerbewaffneter Geleitzüge möglich war.

Als Beispiel sei hier das Hafenstädtchen Gythion, rund 40 km südlich von Sparta, herausgegriffen. Nach der italienischen Kapitulation hatte sich dort eine recht verzweifelte Lage herausgebildet. Die Andarten, die sich mit italienischen schweren Waffen ausgerüstet hatten, rückten von ihren Gebirgsschlupfwinkeln im benachbarten Taygetos und im Parnon-Gebirge vor und beherrschten bald das ganze Umland bis unmittelbar an den Rand des Städtchens, das durch die Sprengung der Straßen und Brücken von Sparta abgeschnitten war, während gleichzeitig auch der Seeverkehr um das Kap Malea von den Motorseglern der „Seepartisanen“ kontrolliert wurde. Die wirtschaftliche Not in der abgeschnittenen Stadt war groß, da die Bevölkerungszah] (vor dem Krieg rund 7000 Einwohner) durch den Zuzug wohlhabender Griechen, die vor den Erpressungsmaßnahmen der kommunistischen Partisanen aus dem Land in die Stadt flohen, auf fast das Doppelte angewachsen war. Lim das Städtchen herum lagen 1500— 2000 Andarten. Die deutsche Besatzung war n ein Bruchteil: Eine Strafkompanie und eine Marine-batterie. Die zu den 999ern gehörige Strafkompanie in Stärke von rund 150 Mann unter einem Hauptmann der Reserve Holler bestand mit Ausnahme der Offiziere und Unteroffiziere aus „Wehrunwürdigen“ (WLI), zum größten Teile aus wirklichen Kriminellen, zum kleineren Teile aus politischen Gegnern des nationalsoizalistisehen Herrschaftssystems. Der Kompaniechef wurde mit der schwierigen Aufgabe, eine solche Truppe zu führen, in bewunderungswürdiger Weise fertig. Die Marinebatterie, die südlich von Gythion auf der Höhe von Maurobunion lag, bestand aus rund 70 Mann. Außerdem gab es für den Hafen, der längst ohne nennenswerten Schiffsverkehr war, noch einen „Hafenkommandanten“ — im Soldatendeutsch „Deichhauptmann“ genannt. Der schon bejahrte aber lebensfrohe Seebär zu Lande befaßte sich in Ermangelung dienstlicher Aufgaben unter südlicher Sonne mehr mit den heiteren Seiten des Lebens. Da die Lage in dem belagerten Gythion infolge Mangels an Munition und Verpflegung bedrohlich wurde, entschloß man sich in den Weihnachtstagen 1943 dazu, durch einen mit Panzerspähwagen verstärkten großen Geleitzug von Sparta aus die Verbindung mit Gythion wieder freizukämpfen. Das Unternehmen gelang und die belagerte Festung wurde auf einige Zeit wieder mit Nachschub versorgt.

Zu Ende des Jahres 1943 wurde die Lage der zahlenmäßig schwachen deutschen Besatzungstrupp n in allen Landschaften des Peloponnes überaus schwierig. Der Kleinkrieg, der von Tag zu Tag seine Opfer forderte, war eine um so schwerere Belastung für die deutsche Truppe, als die Andarten sich in keiner Weise an die völkerrechtlichen Regeln der Kriegsführung hielten. Die Ermordung deutscher Gefangener war häufig. Von deutscher Seite sah man sich zu „Vergeltungsmaßnahmen“ veranlaßt. Weil diese aber großenteils mit plumper Unvernunft — ohne den rechtsförmigen Versuch einer Unterscheidung zwischen Schuldigen und Unschuldigen — gehandhabt wurden, wuchs das Übel des Bürgerkrieges immer schlimmer an.

Das Beispiel von Kalawrita zeigte, wohin die Dinge trieben. Dort — im Berglande des südlichen Achaia — war eine deutsche Jägerkompanie durch eine gewaltige Übermacht kommunistischer Partisanen umstellt und nach hartem Kampfe zur Hälfte aufgerieben, zur Hälfte gefangen genommen worden. Die gefangenen deutschen Soldaten wurden nach einiger Zeit von den Partisanen in unmenschlicher Weise ermordet. Darauf befahl der Kommandeur der 117.

Jäger-Division in Anwendung des bekannten Hitler-Befehls zur Vergeltung die zehnfache Anzahl von Griechen zu erschießen (Dezember 1943). Der Befehl wurde ausgeführt: rund 700 Griechen — Männer, Frauen und Kinder — wurden erschossen, die Dörfer der ganzen Umgebung in Brand gesteckt. Die Wirkung dieses Massenmordes war, daß die überlebende Bevölkerung nun erst recht keine andere Möglichkeit sah, als sich aktiv den Partisanenbanden anzuschließen.

Dabei hat die politische Ahnungslosigkeit der Angelsachsen der Infiltration Moskaus auf der Balkanhalbinsel Vorschub geleistet. Von dem alliierten Hauptquartier Mittelost in Kairo erfolgte jahrelang die regelmäßige Nachschub-versorgung der balkanischen Partisanenbanden, teils durch Luftabwürfe, teils durch Li-Bootlandungen. Verschiedene britische „Militärmissionen“ und zahlreiche einzelne britische Instruktionsoffiziere waren damals in Griechenland, Albanien und Jugoslawien tätig. Aber es gelang ihnen in keinem dieser drei Lände'-, die wachsende Partisanenbewegung unter ihrer Kontrolle zu halten. Die Agenten Moskaus waren durchtriebener und rücksichtsloser, sie gewannen das Spiel. Nach einem gleichbleibenden — in Moskau entworfenen — Schema bauten sie ein vielgliedriges Netz von Organisationen auf, die nach außen national getarnt waren, in ihrem inneren Gefüge aber völlig von kommunistischen Funktionären bestimmt wurden. Die beiden Eckpfeiler dieser Organisationen waren die „Nationale Befreiungsfront“ (in Griechenland: EAM — Ethnikon apeleutherikon Metopon) als politische Organisation und das „Nationale Volksbefreiungsheer“ (in Griechenland:

ELAS = Ethnikos Laikos Apeleutherikos Stratos) als militärische Organisation. Schrit-um Schritt wurden die nichtkommunistischen Organisationen zurückgedrängt, ohne daß die westalliierten Militärmissionen und Instruktionsoffiziere diese unerwünschte Entwicklung verhindern konnten.

Ein halbes Jahr, nachdem der Kommandeur der 117. Jäger-Division den griechischen Obersten Papadongonas gehen ließ, griff das 68.

Armeekorps (General der Flieger Felmy) als übergeordnete Kommandobehörde auf die damaligen Vorschläge des griechischen Obersten zurück. Man sah keinen anderen Weg mehr.

Durch einen Korpsbefehl wurde im Februar 1944 die Aufstellung griechischer Freiwilligenverbände auf dem Peloponnes befohlen. In rascher Folge entstanden in den nächsten Monaten fünf griechische „Gendarmericbataillone in Tripolis, Sparta, Gythion, Meligala, Pyrgos.

Besonders tat sich in Meligala der griechische Major Panajotis Stupas hervor. Diese rasch aufgestellten Freiwilligenbataillone haben sich gut gehalten und bis in den Herbst 1944 hinein viel für die Sicherung der Ordnung im Umkreis ihrer Standorte getan. Der Andartenbewegung konnten sie jedoch kein Ende mehr bereiten.

Nach dem Abzug der deutschen Besatzungstruppen (September und Oktober 1944) wurden diese „Gendarmericbataillone“ von der gewaltigen Übermacht der kommunistischen Partisanenverbände überwältigt und großenteils niedergemacht.

Doppeltes Nachspiel

Der griechische Partisanenkrieg fand dann noch ein doppeltes Nachspiel in dein roten Bürgerkrieg auf dem Boden Athens und in dem Nürnberger Prozeß gegen die deutschen Südostgenerale.

Als im Spätsommer 1944 nach der Kapitulation Rumäniens der Rückzug der deutschen Griechenland-Armee (Heeresgruppe E unter Generaloberst Löhr) beschlossene Sache war, haben alle Griechen gezittert im Gedanken an jenes Intervall, das zwischen dem Abmarsch der letzten deutschen Besatzungtruppen und der Ankunft der ersten britischen Truppen entstehen könnte.

Der kommandierende General in Athen, General Felmy, hat in jenen Tagen alles getan, um die Gefahr einer roten Terrorherrschaft von Athen abzuwenden. Er hat nicht nur die von Hitler kommenden Zerstörungsbefehle (Hafen Piräus, Stausee von Marathon) nicht ausgeführt, er hat auch die in Athen stationierte griechische Gendarmerie mit Geschützen und Munition ausgestattet und dadurch ihre Kampfkraft gegenüber dem vorausgesehenen kommunistischen Putschversuch wesentlich verstärkt. Trotzdem haben die kommunistischen Partinsanenverbände nach dem Abmarsch der deutschen Besatzung am 13. Oktober 1944 die Stadt besetzt und dann den Versuch gemacht, alle Macht an sich zu reißen. Wochenlang tobte auf dem Boden Athens ein erbitterter Straßenkampf. Die schwachen britischen Truppen unter General Scobbie und die griechische Gendarmerie mußten sich darauf beschränken, den innersten Stadtkern mit den Regierungsgebäuden — vom Königlichen Schloß bis zum Omonoia-Platz — zu behaupten, während die übrigen neunzehn Zwanzigstel der Riesenstadt mit ihren anderthalb Millionen Einwohnern in der Hand des so-genannten „Nationalen Befreiungsheeres“ war, das sich nun auch nach außen als das enthüllte, was es seit langem war: eine Organisation zur Vorbereitung der kommunistischen Machtergreifung im Dienste Moskaus. Diese blutigen Ereignisse um die Jahreswende von 1944 auf 1945 haben den Westalliierten wohl zum ersten Male die Augen darüber geöffnet, in welchem Ausmaß es Moskau verstanden hatte, die balkanische Partisanenbewegung auch auf dem Boden Griechenlands zu seinem willfährigen Werkzeug zu machen.

Dann kam ein zweites Nachspiel des balkanischen Partisanenkrieges: der vor einem amerikanischen Militärtribunal in Nürnberg durchgeführte Prozeß gegen die höheren deutschen Truppenbefehlshaber auf dem Balkan: die beiden Feldmarschälle List und v. Weichs, ihre beiden Generalstabschefs sowie die Kommandierenden Generale der auf dem Balkan stehenden deutschen Armeekorps. Der deutschen Verteidigung, die auch aus nachrichtentechirischen und organisatorischen Gründen gegenüber der amerikanischen Anklage beträchtlich im Nachteil war, gelang der Nachweis, daß die deutsche Besetzung Griechenlands tatsächlich eine „occupation effective" im Sinne der Haager Landkriegsordnung war, ferner der durch zahlreiche Zeugenaussagen erhärtete Beweis, daß die kommunistischen Partisanen sich in keiner Weise an die in der Haager Landkriegsordnung vorgeschriebenen Regeln der Kriegführung hielten und daher auch nicht beanspruchen konnten, von der deutschen Wehrmacht als „Kriegführende“ behandelt zu werden. Von den zahlreichen Anklagepunkten blieb schließlich nur der gewichtige Sachverhalt der kollektiven „Vergeltungsmaßnahmen“, insbesondere in der Form der massenhaften Geiselerschießungen. Die am Schluß des Nürnberger „Südostprozesses“ ausgesprochenen Urteile gründeten sich auf diesen Tatbestand.

Man wird heute aus dem zeitlichen Abstand eines Jahrzehntes in diesem Prozeß den redlichen, aber unzulänglichen Versuch sehen müssen, einen historischen Schicksalsablauf in das Koordinaten-netz strafrechtlicher Bewertung einzuspannen. Im Lichte der erbeuteten deutschen Feldokten und zahlreicher Zeugenaussagen rollte die ganze Entwicklung des Partisanenkrieges auf dem altbalkanischen Hintergründe seiner geschichtlichen Voraussetzungen nochmals ab — ein Gemälde, in dem die dunklen Farben von Grauen, Tragik und Unvernunft überwiegen, in dem aber auch die helleren Töne der Vernunft und der Menschlichkeit nicht fehlen.

Nachbemerkung: Die vorstehende Darstellung der Ereignisse in den Jahren 1943— 1945 beruht auf eigenem Miterleben und auf der Kenntnis der unveröffentlichten Akten. Ich war seit Juni 1943 bis Kriegsende persönlicher Dolmetscher des Generals der Flieger Hellmuth Felmy, der bis Dezember 1944 das 68. Armeekorps, dann bis zum April 1945 das 34. Armeekorps führte. Im Jahre 1947 habe ich in der deutschen Verteidigung des Nürnberger „Südost-Prozesses" mitgewirkt.

Eine zusammenfassende Darstellung dieses Gegenstandes fehlt noch. Einstweilen sind vor allem die folgenden Arbeiten heranzuziehen:

1. Ehrengard Schramm-von Thadden, Griechenland und die Großmächte im zweiten Weltkrieg.

Wiesbaden 1955 (VI, 244 S.).

2. Wilhelm Treue, Das Dritte Reich und die Westmächte auf dem Balkan. Zur Struktur der Außenhandelspolitik Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs 1933— 1939. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1953) S. 45— 64.

3. Erich Schmid-Richberg, Das Ende auf dem Balkan. Der Rückzug der deutschen Griechenland-Armee. Heidelberg 1955 (199 S.).

4. Roland Hampe, Die Rettung Athens im Oktober 1944. Wiesbaden 1955 (112 S.).

5. Hermann Neubacher, Sonderauftrag Südost 1940 bis 1945. Bericht eines fliegenden Diplomaten.

Göttingen 1956. (215 S., 13 Abbildungen, 3 Kartenskizzen.) 6. Franz Borkenau, Der europäische Kommunismus. Seine Geschichte von 1917 bis zur Gegenwart. München 1952. (540 S.) — Behandelt auch die kommunistische Durchdringung der balkanischen Partisanenbewegung.

7. William Hardy McNeill, Greek dilemma. War and aftermath. 1947. (240 S.)

8. Christopher Montague Woodhouse, Apple of discord. A survey of recent Greek politics in their international setting. London 1948. (320 S.) 9. Georg Stadtmüller, Haiduken und Partisanen.

In: Neues Abendland 9 (1954) S. 267— 276. — Größere Teile dieses Aufsatzes wurden in die vorstehende Darstellung übernommen.

Von griechischer Seite fehlt leider bisher eine zusammenfassende Darstellung. Die bisher vorliegenden griechischen Veröffentlichungen sind propagandistischer oder publizistischer Zielsetzung.

Anmerkung Dr. Georg Stadtmüller, Hon. -Professor, München, geb. in Bürstadt/Hessen 17. 3. 1909. Lehrgebiet: Geschichte Südosteuropas.

Fussnoten

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