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Der verbrecherische Befehl | APuZ 27/1957 | bpb.de

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APuZ 27/1957 Der verbrecherische Befehl

Der verbrecherische Befehl

Wiederum jährt sich der Tag des 20. Juli 1944. Aus diesem Anlaß veröffentlichen wir im folgenden eine vom Arbeitskreis „EUROPÄISCHE PUBLIKATION", München, veranstaltete Diskussion. Historische Einführung, Diskussion und Dokumentenanhang wollen dem Leser die Möglichkeit bieten, sich ein eigene» Urteil zu bilden.

Die vom Arbeitskreis „Europäische Publikation" in München veranstaltete, hier im Auszug abgedruckte Diskussion zwischen Juristen, ehemaligen hohen Offizieren und Historikern bemüht sich um leidenschaftslose Analyse eines jener Hitler'schen Befehle, die schwere Verstöße gegen die Fundamente des allgemeinen Völkerrechts und der Menschlichkeit enthielten bzw. auslösten. An ihren Folgen hat Deutschland schwer zu tragen gehabt und auch heute noch zu tragen. Als Modell wurden die vor dem Angriff auf die Sowjetunion erlassenen „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare“ gewählt, da sie eines der hervorstechendsten Beispiele für die von Hitler betriebene Entartung des Krieges liefern.

Die Gesprächsteilnehmer:

Bekanntlich haben andere kriegführende Staaten, darunter die Sowjetunion, ebenfalls gegen die Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts und gegen vertraglich gesicherte Konventionen verstoßen, z. B. bei der Behandlung der ostdeutschen Zivilbevölkerung und deren Vertreibung. Derartige Verbrechen gegen die Menschlichkeit lassen sich aber nicht gegeneinander aufrechnen, und sie heben sich nicht gegenseitig auf. Mit dieser miserablen Argumentation hat das „Dritte Reich“ versucht, seine Verbrechen und Gewalttaten zu „rechtfertigen". Auf Hitler und den auf ihn Eingeschworenen liegt die besondere Schuld, den unseligen Weg zum moralischen totalen Krieg eher und bedenkenloser eingeschlagen zu haben als die Staatsmänner und Militärs der meisten anderen kriegführenden Mächte. Daran soll diese Diskussion erinnern.

Einführung

Hitlers Entschluß, die Sowjetunion anzugreifen, entsprang nach seinen eigenen Aussagen vor allem zwei Motiven: Erstens präventive Vernichtung eines potentiellen Gegners im uferlos gewordenen Weltkrieg, zweitens Streben nach deutschem Macht-und Kolonisationsraum im Osten. ‘Die politische Zukunftskonzeption schwankte anfangs zwischen dem Plan, im europäischen Rußland Satellitenstaaten zu errichten, und dem einer Aufteilung dieses Gebietes zwischen Deutschland, Finnland, Rumänien und Türkei. Die Zertrümmerung des sowjetischen Reichs für alle Zeiten glaubte Hitler nicht anders als durch physische Vernichtung der bolschewistisch gesinnten, herrschenden Intelligenzschichten erreizu können

OBERST a. D. v. BISCHOFFSHAUSEN GENERAL DER INFANTERIE a. D. BLUMENTRITT GENERAL DER FLIEGER a. D. BOGATSCH OBERST a. D. ECKSTEIN PROFESSOR DR. FERID GENERALMAJOR a. D. FRHR. R. v. GERSDORFF GENERALMAJOR a. D. G. v. GERSDORFF HERRMANN GRAML (Institut für Zeitgeschichte) GENERALMAJOR a. D. HASELOFF PROFESSOR DR. FRHR. v. d. HEYDTE OBERSTAATSANWALT HÖLPER DR. KRAUSNICK (Institut für Zeitgeschichte) STAATSMINISTER a. D. DR. MÜLLER PROFESSOR DR. MAURACH DIPL. -VOLKSWIRT RULAND OBERSTLEUTNANT a. D. SENDTNER DR. UHLIG GENERALMAJOR a. D. v. WITZLEBEN Bei einer grundlegenden Besprechung im Oberkommando der Wehrmacht (OKW.) erklärte Hitler am 3. März 1941, man solle für diese „Sonderbehandlung" der sowjetischen politschen Leiter und Kommissare doch gleich im Operationsraum des Heeres geeignete Organe Himmlers einsetzen. Am 26. März kamen OKW und Reichsführer SS überein, daß „Einsatzgruppen“ der SS im Operationsraum der Wehrmacht sogenannte Vorarbeiten für die politische Neu-Organisation der eroberten Gebiete übernehmen sollten 3). Sie sollten dabei im Operationsgebiet an Weisungen der militärischen Befehlshaber gebunden sein, um zu verhüten, daß ihre Tätigkeit den Kampfverlauf störend beeinflußte. Nach Hitlers Willen war der Operationsraum der Truppe an sich schon auf einen schmalen, etwa 50 km tiefen und dem Tempo des Vormarschs entsprechend variierenden Streifen beschränkt*). Dahinter bildete die politische Führung sogenannte Reichskommissariate unter bewährten, d. h. besonders harten Gauleitern. In beiden Räumen übernahm Himmler die Durchführung von „Sonderausgaben aus dem endgültig auszutragenden Kampf zweier entgegengesetzter politischer Systeme“ 5), mit anderen Worten: die Ghettoisierung, Dezimierung und Ausrottung ganzer Volksgruppen und Bevölkerungsschichten. Bei der erwähnten Besprechung im OKW hatte Hitler seine Absicht, in den eroberten Gebieten keine Militärverwaltungen einzurichten, damit begründet, daß die sich aus der politischen Neuorganisation ergebenden Aufgaben so schwierig seien, „daß man sie nicht dem Heer zumuten könne“ 6). Das eigentliche Motiv sprach er am 17. März 1941 nach einem Vortrag des Generalstabschefs über den Stand der Operationspläne aus: „Wir müssen stalinfreie Republiken schaffen. Die von Stalin eingesetzte Intelligenz muß vernichtet werden. Die Führungsmaschinerie des russischen Reichs muß zerschlagen werden. Im Großrussischen Reich ist Anwendung brutaler Gewalt notwendig. Weltanschauliche Bande halten das russische Volk noch nicht fest genug zusammen. Es wird mit dem Beseitigen der Funktionäre zerreißen“ 7).

Danach sah es so aus, als wolle Hitler die bisherige „Arbeitsteilung"

beibehalten, die Wehrmacht für die traditionellen militärischen Aufgaben, SS-und Polizeikräfte dagegen für die Besorgung seiner dunklen Massentötungs-und Unterjochungspläne einsetzen. Als jedoch die Befehlshaber und Stabschefs der zum Angriff an der Ostgrenze versammelten Wehrmachtsteile am 30. März 1941 in der Reichskanzlei zum Befehlsempfang erschienen, enthüllte Hitler in einer langen Ansprache seine eigentlichen Absichten mit ungewöhnlicher Offenheit und knüpfte daran Forderungen, die bis dahin noch keinem deutschen Offizier und Soldaten zugemutet worden waren. Nach den erhaltenen stichwort-artigen Notizen 8) führte er aus:

Es handele sich „um den Zusammenstoß zweier entgegengesetzter Weltanschauungen, der rücksichtslose Härte verlange. Die Wehrmacht müsse sich daher von den überkommenen Auffassungen und Maßstäben völlig frei machen. Es gelte die Ausrottung des Bolschewismus.

Träger der bolschewistischen Idee seien die politischen Funktionäre und die politischen Kommissare in der Wehrmacht. Die letzteren könnten nicht als Soldaten angesehen und daher gegebenenfalls auch nicht als Kriegsgefangene behandelt werden. Ebenso wie die politischen Funktionäre seien sie gleich nach der Gefangennahme von den anderen Kriegs-gefangenen zu trennen und den Einsatzgruppen des SD zu übergeben, die unter dem Befehl des Reichsführers SS die deutschen Truppen nach Rußland begleiten würden. Wo die Übergabe an den SD wegen der Kampfverhältnisse nicht möglich sei, müßten die Funktionäre-und Kommissare von der Truppe erschossen werden. Hitler begründete diesen Befehl, der ganz seinen am März geäußerten Gedanken entsprach, damit, daß die Sowjetunion der Genfer Konvention nicht beigetreten sei 9) und die deutschen Kriegsgefangenen sicherlich nicht nach deren Bestimmungen behandeln werde, und wies auf das Verhalten der russischen Soldaten und besonders der Kommissare in Polen, im Finnischen Winterkrieg, im Baltikum und in Rumänien als warnendes Beispiel hin.“

Mit anderen Worten: Allgemeine Hinweise auf völkerrechtliche Vergehen sowjetischer Truppen, auf den internationalen Ruf der UdSSR als einer aggressiven, vor schweren Verstößen gegen Recht, Humanität und Moral nicht zurückschreckenden Macht und auf die Nichtunterzeichnung der Genfer Konvention durch die Sowjetunion 10)

dienten Hitler als Vorwand für die geplanten eigenen Verstöße und als „moralisches“ Mäntelchen für seine Ausrottungsziele

Über die Reaktion der versammelten hohen Offiziere liegen zahlreiche, teilweise einander widersprechende Aussagen vor 11). Sicher ist, daß sehr viele von ihnen schockiert waren von dem ihnen zugemuteten Tötungsbefehl gegen Gefangene. Das führte damals und später zu heftigen Auseinandersetzungen über Ziel und Methode eines Protestes bei Hitler 12). Zu dessen Formulierung und Vortrag bei Hitler selbst scheint es aber nicht gekommen zu sein.

Am 31. März 1941 erhielt das Oberkommando des Heeres (OKH) den Auftrag, einen Befehlsentwurf „betr. Behandlung politischer Hoheitsträger usw.“ auszuarbeiten 13). Der General z. b. V. beim Ober-befehlshaber des Heeres (Ob. d. H.), Generalleutnant Müller, erhielt also mit seiner Rechtsabteilung die makrabe Aufgabe, nach Hitlers Richtlinien den Tötungsbefehl abzufassen.

Bei einer Einweisung von Heeresrichtern und Ic-Offizieren in die neuen Grundsätze soldatischen Verhaltens im Kampf und gegen die feindliche Zivilbevölkerung interpretierte Generalleutnant Müller die zugrunde liegenden Prinzipien durchaus im Sinne Hitlers 14):

„General z. b. V., Generalleutnant Mi-tller, führte nach Verlesen des Fiihrererlasses 15)

aus, daß int kommenden Einsatz Redttsempfinden u. LI. hinter Kriegsnotwendigkeit zu treten habe. Erforderlich ist daher: Rückkehr zum alten Kriegsbraudt. Unser bisheriges Kriegsredtt ist erst nadt dem Weltkrieg festgelegt. Einer von beiden Feinden muß auf der Strecke bleiben; Träger der feindlichen Einstellung nicht konservieren, sondern erledigen.“

Die übliche Interpretation der Gefangenschaft als Sicherungsverwahrung überwältigter Feinde in bewachten Lagern wurde hier also einseitig und wiederum nur für eine besondere Gruppe von Waffenträgern außer Kraft gesetzt wegen der bloßen Annahme, daß der Feind unter Führung der radikalisierenden Kommissare die international gebräuchlichen Kriegsregeln nicht einhalten werde.

Immerhin sprach Hitler mit dem Argument, in einem zweifellos gewagten und gigantischen Feldzug gegen einen harten, ideologisch fanatisierten Gegner Rechtsempfinden, humanitäre Rücksichten und moralische Grundsätze eventuell Kriegsnotwendigkeiten opfern zu müssen, nicht nur den soldatischen Kämpfer an, sondern eine gerade in deutschen militärischen Kreisen traditionell verbreitete Auffassung, daß militärische Erfordernisse im Zweifelsfall gegenüber dem Kriegsrecht den Vorrang hätten. Diese auch in anderen Staaten lebendige Auffassung fand bereits vor dem ersten Weltkrieg mehrfach theoretischen Niederschlag in völkerrechtlichen Untersuchungen und Auseinandersetzungen

Solange sich die kriegerische Auseinandersetzung im wesentlichen nur auf den waffentragenden Teil der Staatsvölker erstreckte und solange eine maßvolle Politik den Krieg und seine Ziele in Schranken hielt, solange die Truppen im Geist ritterlich ehrenhafter Kampfweise operierten, barg dieser Vorrang der Kriegsnotwendigkeit vor dem Kriegsrecht in heiklen Situationen keine prinzipiellen Gefahren für die allgemeine Gültigkeit des Völkerrechts. Von diesem Aspekt aus wird es erklärlicher, daß ein in diesem Geiste gebildetes Offizierskorps die allmähliche Perversion seiner Begriffswelt durch den von Sieg zu Sieg eilenden, mit allen Wassern dämonischer Beredsamkeit gewaschenen Hitler nicht oder doch nur sehr spät erkannte und schließlich Befehle hinnahm, die in moralisch und politisch gesunden Staatswesen weder erlassen noch befolgt werden. Die Situation der deutschen Offiziere komplizierte sich noch dadurch, daß es in der Wehrmacht — abgesehen von den knappen Dienstvorschriften und Merkblättern — an geeigneten einschlägigen Handbüchern fehlte und die kriegsrechtlichen Kommentare seit 1933 den pragmatischen Geist des nationalistisch gesinnten Dritten Reichs atmeten. Die psychologische Wirkung einer jahrelangen antibolschewistischen Propaganda darf ebenfalls nicht als geringfügig veranschlagt werden, zumal die Brutalität der sowjetischen Innenund Außenpolitik immer wieder das Weltgewissen beunruhigte.

Am 6. Mai 1941 reichte der Oberbefehlshaber des Heeres den von seiner Rechtsabteilung ausgearbeiteten Entwurf (s. Dokumentenanhang Nr. 2) an die Abteilung Landesverteidigung im Wehrmachtsführungsstab des OKW ein — zusammen mit einem Entwurf für den geplanten Erlaß zur Einschränkung der Militärgerichtsbarkeit im Operationsgebiet auf den hier nicht näher eingegangen werden kann. Die weitere Bearbeitung des sogenannten Kommissar-Befehls erfolgte im Wehrmachtsführungsstab. Die Rechtsabteilung des OKW war bei der endgültigen Fassung nur mitprüfend tätig Die letzte Hand legte der Initiator des Befehls, Adolf Hitler, an

Fast will es scheinen, als habe die Rechtsabteilung des OKH bzw.der General z. b. V. Hitlers Anweisungen vom 30. März zu wörtlich genommen denn -die von General Warlimont abgezeichnete Vortragsnotiz der Abt. Landesverteidigung v. 12. 5. 1941 (s. Dokumentenanhang Nr. 3) über die gleichzeitig eingereichten Vorschläge des OKH und des Reichsleiters und späteren Ostministers Rosenberg unterschied im Gegensatz zum OKH-Vorschlag zwischen politischen Funktionären in der Truppe und in staatlich-öffentlichen Bereichen. General Warlimont plädierte für Schonung der sich loyal verhaltenden Funktionäre und Kommissare aus dem zivilen Bereich und wollte den Tötungsbefehl auf die Kommissare bei der Truppe sowie auf feindselig auftretende Zivilkommissare beschränken. Diese Auffassung hat sich bei der endgültigen Fassung durchgesetzt, vor allem wohl wegen Rosenbergs Argument, die zivilen Funktionäre seien für den Aufbau einer Verwaltung der besetzten Gebiete unentbehrlich. Die endgültige Fassung der sogenannten „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare“ vom 6. 6. 1941 unterscheidet jedenfalls scharf zwischen politischen Kommissaren im zivilen Bereich und in der Truppe. Die letzteren sollten sofort aus den Kriegsgefangenen ausgesondert und „erledigt“ werden (s. Dokumentenanhang Nr. 5).

An Warlimonts Vortragsnotiz findet sich eine Randbemerkung Jodls, man zöge die Aktion am besten als Vergeltung auf, da sonst die in Gefangenschaft geratenden deutschen Flieger deren Folgen zu tragen haben würden. Jodl hat offensichtlich die kriegsrechtliche Problematik erkannt und nach einer Handhabe gesucht. Er glaubte sie im Repressalienrecht gefunden zu haben

Daß auch die endgültige Fassung des Kommissar-Befehls das Licht der Prüfung nach Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts zu scheuen hatte, erkannte selbst sein Urheber, denn die Verteilung erfolgte lediglich bis zu den Armeen in schriftlicher Form, von da ab zu den unterstellten Einheiten nur mündlich Die Heeresgruppe Nord ging sogar so weit, den ihr unterstellten Armeen die Vernichtung des vom OKH zugesandten Befehlstextes nahezulegen (s. Dokumentenanhang Nr. 8).

Parallel zur Bearbeitung dieses Tötungsbefehls gegen bolschewistische Kommissare bei der Truppe liefen die Beratungen über die von Hitler befohlene Lockerung der bisher sehr streng gehandhabten Kriegsgerichtsbarkeit zur Erhaltung der Disziplin und zur Verhinderung von Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung des feindlichen Landes Der schließlich formulierte und von Hitler als Oberstem Befehlshaber der Wehrmacht herausgegebene Erlaß vom 13. 5. 1941 stieß anscheinend bei den militärischen Befehlshabern auf weit heftigere Ablehnung dank ihrer traditionell-ritterlichen Einstellung gegenüber der wehrlosen Zivilbevölkerung Feldmarschall v. Brauchitsch gab zwar als Oberbefehlshaber des Heeres einen abschwächenden Zusatzbefehl heraus, in den Teile des ursprünglichen, im Prinzip schärfer gefaßten OKH-Entwurfs ausgenommen waren, aber auch dieser Zusatzbefehl hat offensichtlich nicht allenthalben befriedigt. Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dieser Zusatzbefehl habe eine Abmilderung des Tötungsbefehls gegen die Truppenkommissare bezweckt. Dieser wurde erst zwei Wochen später erlassen und war ebenfalls mit einem Zusatzbefehl v. Brauchitschs versehen, in dem der Oberbefehlshaber des Heeres lediglich anordnete, daß die „Erledigung“ der Kommissare außerhalb der Kampfzone und unauffällig erfolgen solle Mochte der Brauchitsch-Erlaß zur Erhaltung der Disziplin v. 24. 5. 1941 auch unzweifelhaft eine Milderung der von Hitler geforderten Kampfmethoden beabsichtigen, so hob doch der neue Zusatzbefehl diese Milderung für den Kampf gegen die Truppenkommissare wieder auf.

Das Heer besaß jedenfalls in seinem Oberbefehlshaber nicht die Persönlichkeit, seinen unbezweifelbaren Willen, an soldatisch-ritterlicher Kriegführung festzuhalten, gegenüber Hitler durchzusetzen, obwohl Feldmarschall v. Brauchitsch seinem eigentlichen Wesen nach diesen Geist durchaus verkörperte. Er überließ es aber seinen Untergebenen, mit diesem völkerrechtswidrigen, dem Charakter anständigen Soldatentums widersprechenden Tötungsbefehl fertigzuwerden und hat selbst die nach der Weitergabe einlaufenden Proteste der Befehlshaber und Kommandeure nur unzureichend unterstützt

Gewiß trog die in den oberen Führungsstellen gehegte Erwartung nicht, daß die Truppe dem Tötungsbefehl nur in seltenen Fällen nachkommen werde. Viele Kommandeure haben den Kommissar-Befehl nicht nur stillschweigend, sondern offen sabotiert, und die Truppe ignorierte ihn in den meisten Fällen 27). Das änderte aber an der Rechtslage nichts. Der völkerrechtswidrige Befehl, wehrlose Gefangene zu töten, bestand und blieb fast ein Jahr lang in Kraft. Und die Truppeneinheiten mußten zu festgelegten Terminen nach vorgeschriebenem Muster an das OKH auf dem Dienstweg melden, wieviel Kommissare von ihnen erschossen worden waren (s. Meldungen im Dokumentenanhang Nr. 9 und 10).

Der Befehl wurde beim Gegner sehr bald bekannt und hat nicht nur viel zur Fanatisierung des Kampfes beigetragen, sondern unmeßbaren psychologischen Schaden angerichtet Die deutschen Truppen kamen nicht, wie Hitler behauptete, als Befreier. Ihnen ging der Ruf voraus, einen schonungslosen Krieg gegen alles zu führen, was mit dem sowjetischen System zu tun gehabt hatte. Eine große Zahl der sowjetischen Truppenkommissare zog es deshalb vor, nach erbittertem Kampf sich in aussichtsloser Lage selbst das Leben zu nehmen Mochte die deutsche Truppe auch überwiegend ihrer alten soldatisch-ritterlichen Tradition treu bleiben, der mit diesem Befehl ihrem Ruf zugefügte Makel lastete nun auf ihr.

Zweifellos ist Hitler die völkerrechtliche Problematik bekannt gewesen. Das geht schon aus seinem Hinweis darauf hervor, daß die Sowjetunion die 2. Genfer Konvention vom 27. 7. 1929 betr. Kriegsgefangenenbehandlung, nicht unterzeichnet habe (übrigens Finnland und Japan ebensowenig). Beide totalitäre Staaten huldigten der egozentrischen Idee einer völkerrechtlichen Autonomie der Nationen und lehnten die Herrschaft eines übergeordneten immanenten allgemeinen Völkerrechts ab. Prof. Shapiro sagt über die sowjetische Völkerrechtsauffassung: „Das Völkerrecht verdankt seine unmittelbare Gültigkeit nur der Zustimmung der davon betroffenen Staaten, sich dadurch gebunden fühlen zu wollen .“

Immerhin hat die Regierung der UdSSR über ihre Schutzmacht Schweden, dem Deutschen Reich offiziell in einer Note vom 17. Juli 1941 mitteilen lassen, daß sich die Sowjetunion an die Kriegsregeln der Haager Landkriegsordnung vom 18. 10. 1907 gebunden fühle — selbstverständlich unter der Bedingung der Gegenseitigkeit Die Note blieb unbeachtet und wurde nie beantwortet. Die Sowjetunion hat dann in einer Zirkularnote am 25. November 1941 sämtliche Mächte, mit denen sie diplomatische Beziehungen unterhielt, über „erschreckende Grausamkeiten, die von den deutschen Machthabern gegen sowjetische Kriegsgefangene begangen wurden“, unterrichtet mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß es sich dabei um flagrante Verstöße gegen die Haager Konvention von 1907 handele, „die ebenso von der Sowjetunion wie von Deutschland anerkannt wurde" 32).

Erstaunlicherweise ist jene Note der UdSSR vom 17. Juli 1941 zumindest in der bekannteren deutschen Literatur nirgends erwähnt. Sie scheint auch in den einschlägigen Nachkriegsprozessen, außer dem „Leuna" -Prozeß zur Argumentation nicht herangezogen worden zu sein, obwohl sie das Deutsche Reich auf die Beachtung der HLKO verpflichtete. Denn die UdSSR konnte danach für sich in Anspruch nehmen, als Nachfolgestaat des Zarenreiches kraft Sukzession Mitglied zu sein und dies nunmehr noch durch eine eindeutige Willenserklärung formal bekräftigt zu haben. 33) Ihre Einhaltung in der Praxis wartete Hitler formal gar nicht ab, sondern brach von sich aus die Haager Konvention mit Angriffsbeginn.

Das Internationale Rote Kreuz betont in seinem zusammenfassenden Bericht über die im wesentlichen vergeblichen Versuche, den Genfer Konventionen auch im Konflikt der Achsenmächte mit der Sowjetunion Geltung zu verschaffen und die Tätigkeit des Internationalen Roten Kreuzes auf die Kriegsgefangenen der Ostfront auszudehnen, daß diese Versuche an der intransigenten Haltung Deutschlands und der Sowjetunion scheiterten.

Die kleineren kriegsführenden Staaten zeigten sich wesentlich zugänglicher für die von Genf angeregten humanitären Einschränkungen des Krieges. So bot Finnland, das ebenso wie die Sowjetunion die Genfer Konvention von 1929 betr. Kriegsgefangenenbehandlung nicht unterzeichnet hatte, den laufenden Austausch von Gefangenenlisten an. Italien und die Slowakei verständigten das Internationale Rote Kreuz (CICR), daß sie diese Konvention gegenüber der UdSSR beachten wollten. Das CICR leitete diese Angebote am 22. 7. 1941 an den Volks-kommissar für Auswärtige Angelegenheiten weiter.

Am 22. August 1941 teilte das Genfer Internationale Rote Kreuz der UdSSR mit, daß Finnland die Regeln der Haager Landkriegsordnung einhalten werde; am 28. August 1941 konnte es eine gleichlautende Erklärung Rumäniens übermitteln. „Hingegen nahmen die übrigen Verbündeten Deutschlands und vor allem das Deutsche Reich selbst niemals Stellung zu diesem Problem — wenigstens nicht unter Vermittlung oder mit Wissen des CICR.“

Ulrich v. Hassel war also recht unterrichtet, als er in seinem Tagebuch am 28. März 1943 über Hitler notierte: „Etzdorf erzählte noch zur Charakterisierung des entfesselten , Prometheus', daß er bei Beginn des Rußlandfeldzuges Stalins Angebot, sich an die Haager Konvention zu halten, ausdrücklich abgelehnt habe.“ Genauer gesagt: Hitler lehnte jede Stellungnahme ab, denn er hatte sich bereits für den Kommissar-Befehl und gegen die Haager Landkriegsordnung entschieden.

Anfang/Mitte September 1941 häuften sich beim OKH die warnenden und protestierenden Verstöße der Truppe offenbar so, daß sie den Oberbefehlshaber aus seiner Lethargie rissen. (Aus dieser Zeit stammen die im Anhang abgedruckten einzigen schriftlichen Proteste, die bisher dem Bearbeiter bekannt geworden sind.) Am 23. September — zumindest in zeitlichem Zusammenhang mit dem OKW-Befehl zur Kriegsgefangenenverschärfung — regte das OKH beim OKW an, „die Notwendigkeit der Durchführung des , Kommissar-Erlasses'in der bisherigen Form im Hinblick auf die Entwicklung der Lage zu überprüfen.“ (s. Anhang!) Jodl lehnte in Hitlers Auftrag mit einem zwei Zeilen umfassenden Fernschreiben jede Revision ab (s. Anhang Nr. 17). So blieb dieser völkerrechtswidrige Befehl selbst während der schweren deutschen Rückschläge im Winter in Kraft.

Erst Anfang Mai 1942 entschloß sich Hitler, „versuchsweise" den Kommissar-Befehl aufzuheben, angeblich um dadurch bei den Russen die Neigung zum Überlaufen zu erhöhen (s. Anhang Nr. 18). Das war die verklausulierte endgültige Aufhebung eines der unseligsten, in diesem Kriege erlassenen Befehle. Ohne Not lieferte er dem Gegner eine willkommene Handhabe, den Kampf mit allen Mitteln zu führen und sich bei passender Gelegenheit am deutschen Volke zu rächen. Der deutsche Frontsoldat wurde unverschuldet in eine rechtlich wie moralisch erschütterte Position gerade in dem Augenblick gestellt, als er dem schwersten Kampf in Hitlers Eroberungskrieg entgegenging.

H. LI.

Die Diskussion

v. Witzleben: Wenn die „Europäische Publikation“ heute ein Rund-gespräch mit dem Thema „Der verbrecherische Befehl“ veranstaltet, so beabsichtigen wir, die Mitglieder des Arbeitskreises, nicht etwa eine Art Neuauflage der entsprechenden Nürnberger Prozeßverhandlungen, sondern uns leitet das Bestreben, Juristen, Historiker und Soldaten zu einem freimütigen offenen Gespräch zusammenzuführen, um von verschiedenen Standorten aus einen Überblick über jene verhängnisvolle Lage zu gewinnen, in die eine verbrecherische Führung nicht nur den Soldaten und den Juristen, sondern das ganze deutsche Volk gebracht hat.

Hölper: Um bei dem Thema unserer heutigen Diskussion zu allgemein gültigen Erkenntnissen zu gelangen, ist es zweckmäßig, die typischen Merkmale eines verbrecherischen Befehls an einem besonders charakteristischen Beispiel zu erörtern und festzustellen. Das beste Beispiel dieser Art dürfte wohl der sogenannte Kommissarbefehl sein; ich meine damit den Befehl des OKW vom 6. 6. 1941, der bereits vor Beginn des Rußlandfeldzuges für den Fall der Gefangennahme von russischen Truppen-kommissaren deren unauffällige Tötung durch Angehörige der Deutschen Wehrmacht unter dem Befehl eines Offiziers anordnete. Man war sich bei der obersten Führung durchaus darüber im klaren, daß mit diesem Befehl dem deutschen Soldaten etwas Ungeheuerliches zugemutet wurde. Dies ergibt sich aus der beschränkten schriftlichen Verteilung des Befehls und dem Versuch, ihm eine Art Rechtfertigung angedeihen zu lassen. Diese stützte sich im wesentlichen auf drei Gesichtspunkte:

1. Im kommenden Einsatz gegen Ben Bolschewismus habe unter Umständen das Rechtsempfinden hinter die Kriegsnotwendigkeit zurückzutreten.

2. Der Feind selbst werde die Grundsätze der Menschlichkeit und des Völkerrechts nicht beachten; insbesondere sei gerade von den politischen Kommissaren als den eigentlichen Trägern des bolschewistischen Widerstands eine haßerfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung der deutschen Gefangenen zu erwarten. 3. Die politischen Kommissare würden nicht als Soldaten anerkannt;

der für Kriegsgefangene völkerrechtlich geltende Schutz finde deshalb auf sie keine Anwendung.

Dieses Verteidigungsvorbringen der obersten Führung —so möchte ich diesen Rechtfertigungsversuch des Kommissarbefehls einmal nennen — führt uns zu der grundsätzlichen Frage: Welche völkerrechtlichen Bindungen bestanden damals im Juni 1941 zwischen Deutschland und der Sowjetunion? Waren es nur die Bindungen an die allgemeinen Normen des Völkerrechts, oder können wir bei unserer Untersuchung die Bestimmungen des Abkommens, betr. die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907, der sog. Haager Landkriegsordnung (HLKO), und des Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. 7. 1929, die beide vom Deutschen Reich ratifiziert wurden, heranziehen?

Hinsichtlich des Genfer Abkommens kann diese Frage eindeutig mit Nein beantwortet werden, da die Sowjetunion einer der wenigen Staaten ist, die diesem Abkommen nicht beitraten. Dagegen ist die vertragliche Bindung der LIdSSR an die HLKO sehr umstritten. Das zaristische Rußland hat zwar die HLKO von 1907 ratifiziert; die LIdSSR brachte jedoch vor 1941 mehrfach zum Ausdruck, daß sie eine Bindung an Verträge, die von dem zaristischen Rußland als einem völlig verschiedenen Staatswesen abgeschlossen worden seien, nicht anerkenne.

v. d. Heydte: Das ist richtig. Die UdSSR vertrat die Auffassung, daß sie durch den Beitritt des russischen Zarenreiches zum Haager Gesamt-werk nicht gebunden sei. Dieser Standpunkt beruht nicht auf einer Leugnung der Rechtsnachfolge, sondern darauf, daß die Sowjetunion auf Verträge dieser Art grundsätzlich die clausula rebus sic stantibus anwendet. Diese Auffassung findet z. B. ihre Bestätigung darin, daß die UdSSR im Jahre 1929 zwar der Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken, nicht aber dem gleichzeitig geschlossenen Genfer Abkommen betr. die Behandlung der Kriegsgefangenen beigetreten ist.

Wenn die LIdSSR nach Kriegsbeginn im Juli 1941 offiziell erklärte, sie wolle sich an die Grundsätze und Bräuche der Haager Landkriegs-Ordnung von 1907 halten unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit, und am 25. November 1941 in einer (zunächst durch den Moskauer Rundfunk bekannt gegebenen) Zirkularnote der deutschen Wehrmachtsführung vorwarf, daß sie wiederholt die Haager Landkriegsordnung verletzt habe, obwohl ihr doch Rußland und Deutschland beigetreten seien, so ist damit die Zugehörigkeit der Sowjetunion zur Gruppe der durch die HLKO gebundenen Mächte noch nicht eindeutig beantwortet.

In ihrer praktischen Kriegführung hat die UdSSR jedenfalls des öfteren bewiesen, daß die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung für sie meist nur auf dem Papier existierten. Das Abgründige der bolschewistischen Politik liegt ja gerade darin, daß sie sich formal an das Völkerrecht der „kapitalistischen“ Welt klammert und mit dessen Begriffen ihre Handlungen zu rechtfertigen sucht. Ihre Berufung auf die Zugehörigkeit der beiden, gegeneinander Krieg führenden Staaten zur HLKO muß pragmatisch interpretiert werden. Es dürfte deshalb zweckmäßig sein, das ganze Problem der vertraglichen Bindung durch die Haager Landkriegordnung aus der Diskussion auszuklammern, weil es zu umstritten ist. Will man die Bestimmungen des Abkommens heranziehen, so kann es wohl nur unter dem Gesichtspunkt geschehen: Inwieweit stellt die HLKO eine Kodifikation des allgemeinen Völker-rechts dar, und welche Bestimmungen dieses Abkommens sind später in das allgemeine Völkerrecht übergegangen? Hat der Kommissarbefehl solche Normen des allgemeinen Völkerrechts, die das Deutsche Reich jedenfalls banden, verletzt?

Hölper: Man wird also bei der rechtlichen Untersuchung des Kommissarbefehls von den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen auszugehen haben. Aber kann auch nicht hier der Einwand gebracht werden, daß diese Normen mich nicht binden, wenn sie von meinem Kriegs-gegner verletzt werden?

v. d. Heydte: Dieser Einwand ist naheliegend, aber er schlägt nicht durch. Die allgemeinen Normen des Völkerrechts binden jeden Staat ohne Rücksicht darauf, ob sie von einer anderen Macht, sei es im Krieg oder im Frieden, beachtet werden oder nicht. Im Fall ihrer Verletzung kann lediglich die Repressalie unter Umständen ein zulässiges Mittel sein, den anderen Staat zur Beachtung dieser allgemeinen Normen zu zwingen.

Was nun den Kommissarbefehl betrifft, so wird zuerst zu prüfen sein, ob der politische Kommissar bei der russischen Truppe Waffen-träger im Sinn der echten Kriegsführung war. Die Beantwortung dieser Frage wird wesentlich davon abhängen, welche Stellung der Kommissar bei der Truppe bekleidete und welche Aufgaben er dort zu erfüllen hatte.

Maurach: Soweit ich das einschlägige Militärschrifttum verfolgt habe, ist von dem Zeitpunkt an, wo die Rote Armee ein Offizierskorps im Sinn unserer Gliederung einführte, kein Zweifel daran gelassen worden, daß der Kommissar ein Offizier, also ein Angehöriger der Truppe war.

Seine Funktion im militärischen Apparat ergab sich schon daraus, daß er den Befehl über die Einheit, der er angehörte, zu übernehmen hatte, wenn deren Führer ausfiel.

Uhlig: Auch die historische Entwicklung der Einrichtung des politischen Kommissars bei der Truppe gibt in dieser Richtung wertvolle Aufschlüsse. Der Kommissar hat zwar in seiner funktionellen Stellung, vom russischen Bürgerkrieg bis zum 2. Weltkrieg, zahlreiche Wandlungen durchgemacht, aber er war stets, wie wir aus den uns zugänglichen russischen Quellen und unseren persönlichen Erfahrungen wissen, als Angehöriger der bewaffneten Macht kraft deren innerstaatlicher Rechtsetzung dazu ermächtigt und bestimmt, am Kampf teilzunehmen, und ist damit zweifellos als Kombattant anzusehen v. d. Heydte: Selbst wenn man vorsichtigerweise an Stelle des Kombattanten den Begriff des Waffenträgers setzt, da dem allgemeinen Völkerrecht die strenge Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten im Sinn des Art. 3 der HLKO wohl fremd ist, kommt man nach meiner Auffassung zu dem gleichen Ergebnis. Der politische Kommissar war erkennbar in den Apparat der sowjetrussischen Streitkräfte und deren Kommandogewalt eingebaut und durch seine Funktion innerhalb dieses Apparates zur Setzung militärischer Gewaltakte ermächtigt. Selbstverständlich hatte er die Kriegsbräuche anzuerkennen, insbesondere die Waffen offen zu tragen. Damit erfüllte er alle Forderungen, die das allgemeine Völkerrecht an die große Gruppe der Waffenträger im Sinn einer echten Kriegführung stellt.

Feiid: Die Frage ist also letztlich ein Qualifikationsproblem. Der Russe qualifizierte den Kommissar bei der Truppe eindeutig als Waffenträger, während die nationalsozialistische Führung ihm diese Eigenschaft im sog. Kommissarbefehl ausdrücklich — wenn auch zu Unrecht — absprach. v. d. Heydte: Diese selbstherrliche Ablehnung der Soldateneigenschaft des Kommissars ist nichts anderes als der Ausfluß der vom Dritten Reich entwickelten eigenen Völkerrechtsdoktrin, die das Völkerrecht dem Staatsinteresse völlig unterordnete. Die nationalsozialistische Lehre ging davon aus, daß der Staat durch völkerrechtliche Normen nur insoweit eingeengt sei, als er sich selbst freiwillig an diese Normen gebunden hatte oder gebunden fühlte. In ihrer letzten Konsequenz bedeutet diese Doktrin von der freiwilligen Selbstbindung das Leugnen eines allgemeinen Völkerrechts, das den Staat auch gegen seinen Willen und gegen seine Interessen bindet. Die Lehre von der freiwilligen Selbst-bindung schließt in gewissem Sinne schon den Völkerrechtsbruch eventualiter in sich. Der Kommissarbefehl ist nur eine logische Folge dieser Völkerrechtstheorie des Dritten Reiches.

Uhlig: Also eine rein pragmatische Einstellung!

Hölper: Mit anderen Worten: Auch im zwischenstaatlichen Bereich kannte das nationalsozialistische Regime nur die einzige Norm: Recht ist, was dem Staate nützt.

Ich möchte aber im Rahmen unserer eigentlichen Untersuchung noch auf einen Punkt hinweisen, der mir wichtig erscheint:

Wie bereits erwähnt, heißt es in dem Kommissarbefehl wörtlich: „Die politischen Kommissare werden nicht als Soldaten anerkannt; der für Kriegsgefangene völkerrechtlich geltende Schutz findet auf sie keine Anwendung." Es wird aber nicht gesagt, als was sie dann eigentlich anzusehen sind, und das ist meines Erachtens ganz bewußt unterlassen worden. Denn man hätte die Kommissare dann höchstens als sog. Freischärler qualifizieren können. Das hätte bei ihrer anbefohlenen Tötung sogar sehr nahe gelegen, denn nach einer (allerdings bestrittenen) Auffassung ist es auch nach dem allgemeinen Völkerrecht zulässig, den Freischärler „nach Kriegsbrauch zu erledigen“, soweit nicht innerstaatliche Vorschriften entgegenstehen. Derartige Vorschriften bestanden nun aber in Deutschland. In § 3 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung vom 17. 8. 1938 wurde der Begriff des Freischärlers genau definiert Diese Definition paßt in keiner Weise für den uniformtragenden politischen Kommissar. Des weiteren bestimmte § 2 Abs. I Ziff. 4 b der Kriegsstrafverfahrensordnung, daß Freischärler im Kriegsverfahren durch Wehrmachtsgerichte abzuurteilen sind. Und schließlich lautet die Ziff. 3 des Merkblatts „ 10 Gebote für die Kriegführung des deutschen Soldaten“, das sich befehlsgemäß in seinen Händen zu befinden hatte:

„Es darf kein Gegner getötet werden, der sich ergibt, andr nidit der Freisdtärler und der Spion. Diese erkalten ihre gereckte Strafe durck die Geridkte.“ Es liegt wohl nun klar auf der Hand, warum man es unterlassen hat, den Kommissar zur eigenen Rechtfertigung als Freischärler zu qualifizieren.

v. d. Heydte: Ich glaube, wir können das bisherige Ergebnis unserer Untersuchung nunmehr dahingehend zusammenfassen:

Der politische Kommissar war kein Freischärler. In seiner Stellung als Waffenträger, die ihm durch den Kommissarbefehl nicht aberkannt werden konnte, war er von dem Augenblick an, in dem er sich ergab mit der deutlich erkennbaren Absicht, am Kampf nicht mehr teilzunehmen, als Kriegsgefangener anzusehen und nach den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen menschlich zu behandeln. Insbesondere durften gegen ihn von dem Augenblick seiner Gefangennahme an nur solche Gewaltakte gesetzt werden, die nötig waren, um seine Verwahrung sicherzustellen und seine weitere Teilnahme am Kampf zu verhindern. Die abschließende Feststellung kann daher nur lauten: Der Kommissarbefehl war völkerrechtswidrig.

Hölper: Ich habe eingangs unserer Diskussion bereits herausgestellt, welche Versuche die oberste militärische Führung unternommen hat, um dem Kommissarbefehl das Odium seiner Völkerrechtswidrigkeit zu nehmen. Der erste Punkt war, daß im kommenden Einsatz gegen den Bolschewismus unter Umständen das Rechtsempfinden hinter die Kriegsnotwendigkeit zurüdezutreten habe. Das ist die deutliche Berufung auf den sogenannten militärischen Notstand, die necessite de la guerre, die nach einer sehr bestrittenen Auffassung die Anwendung eines jeden Kriegs-mittels und zwar auch eines ausdrücklich verbotenen rechtfertigen soll, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.

Es ist in diesem Zusammenhang sehr interessant, was in dem Kommentar „Recht der Landkriegführung“ von Waltzog, erschienen im Jahre 1942, als Anmerkung zu Art. 22 der HLKO zu dieser Frage ausgeführt wird. Ich zitiere:

„Die kerrsekende Meinung gekt dahin, daß Kriegsnotwendigkeit grundsätzlich nur da die Anwendung verbotener Kriegsmittel erlaubt, wo dies ausdrücklich zugelassen ist. Darüber hinaus dürfen die Bestimmungen des Kriegsredrts nur dann und nur so lange unbeaditet bleiben, als das Nichtbeachten die letzte und einzige Möglidnkeit ist, sich vor der eigenen Vernichtung zu retten oder ein für den Kriegs-ausgang entscheidendes Unternehmen erfolgreich durchzuführen.“

Selbst wenn man diese Meinung akzeptiert, rechtfertigt sie in keiner Weise den Erlaß des Kommissarbefehls. Denn es kann doch keine Rede davon sein, daß die Tötung kriegsgefangener Kommissare die letzte und einzige Möglichkeit war, um sich vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu retten. Und ein kriegsentscheidendes Unternehmen waren diese Erschießungen erst recht nicht; vielmehr beweist die spätere Entwicklung, insbesondere die am 6. Mai 1942 erfolgte Lockerung des Kommissarbefehls, gerade das Gegenteil.

Maurach: An sich kann natürlich ein Notwehrakt für den Fall des Eintritts einer Gefahr schon vorher befohlen werden, gewissermaßen als Verhaltungsmaßregel. Aber ich stimme mit Ihnen vollkommen überein.

Auch wenn wir den Kommissarbefehl am Maßstab des militärischen oder übergesetzlichen Notstandes messen, kommen wir zu keinem anderen Ergebnis als zum Ausschluß jedes Rechtfertigungsgrundes.

Hölper: Was die weitere Begründung des Kommissarbeschls betrifft, daß der Feind selbst die Grundsätze der Menschlichkeit und des Völker-rechts nicht beachten werde und daß insbesondere gerade von den politischen Kommissaren als den eigentlichen Trägern des bolschewistischen Widerstandes eine haßerfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung der deutschen Gefangenen zu erwarten sei, so glaube ich, daß man damit den Kommissarbefehl als vorweggenommene oder präventive Repressalie rechtfertigen wollte.

Uhlig: Dies ergibt sich sogar eindeutig aus einer Randbemerkung Jodls auf einer Vortragsnotiz des OKW/WFSt/La vom 12. Mai 1941 betr. Behandlung gefangener politischer und militärischer russischer Funktionäre, wo es heißt: „Mit der Vergeltung gegen deutsche Flieger müssen wir rechnen, man zieht daher die ganze Aktion am besten als Vergeltung auf.“ v. d. Heydte: Repressalien sind an und für sich berechtigte Druckmittel, den Gegner, der völkerrechtswidrige Handlungen begangen hat, in der Zukunft zur Einhaltung der völkerrechtlichen Normen zu zwingen. Sie sind aber nur dann gerechtfertigt, wenn mit ihnen das gesteckte Ziel erreicht werden kann, und sie sind in ihrem Umfang beschränkt in dieser begründeten Aussicht auf Erfolg. Das Problem der sogenannten präventiven Repressalie ist sehr umstritten. Ich möchte sie nur im engsten Rahmen völkerrechtlich für erlaubt halten. Ein Beispiel der erlaubten präventiven Repressalie ist die Festnahme von Geiseln

Niemals kann aber die Tötung von Kriegsgefangenen eine völkerrechtlich zulässige Repressalie darstellen.

Sendtner: Ich glaube auch nicht, daß der Kommissarbefehl unter dem Gesichtspunkt der vorweggenommenen Repressalie gerechtfertigt werden kann; denn er würde einzelne Gruppen des Gegners präventiv treffen, ohne daß man vorher irgendwelche Erfahrungen gesammelt hätte. Die Begründung, daß die Kommissare den Widerstand der Truppe zu stärken pflegen, reicht nicht aus. Ebenso willkürlich könnte man dann sagen: Die Offiziere vom Major aufwärts sind zu erledigen, weil zu vermuten steht, daß sie den Widerstandswillen stärken.

Uhlig: Eine Art von Begründung hat Hitler allerdings gegeben. Bei seiner Ansprache an die Befehlshaber der deutschen Wehrmacht berief er sich am 30. März 1941 auf das angeblich völkerrechtswidrige Verhalten der Kommissare im Finnischen Feldzug 1940/41.

v. Witzleben: Hitler hat diese Dinge in keiner Weise zu Ende gedacht. Sein verhängnisvoller Irrtum war doch die Annahme, Rußland werde in vier bis sechs Wochen entscheidend geschlagen sein. Lind auf diesen Blitzkrieg war der Kommissarbefehl abgestellt. Er wirkte jedoch als Bumerang, als es nicht gelang, die russischen Streitkräfte in so kurzer Zeit zu Boden zu werkn. Er machte in der Folge den Krieg noch blutiger und verschärfte außerdem die Behandlung der deutschen Gefangenen in sowjetrussischer Hand.

Krausnick: Hitler hat von Anfang sehr deutlich betont, daß er mit der Ausschaltung der politischen Kommissare den Zweck verfolge, eine wesentliche Stütze des Sowjetstaates zu zerstören.

Blumentritt: Der Kommissarbefehl war tatsächlich nur ein Teilstück von Hitlers gesamtpolitischer und weltanschaulicher Tendenz. Der eigentliche Grund war auch nach meiner Ansicht Hitlers Absicht, die Sowjetführung zu zerschlagen und damit den Ostraum zu gewinnen.

Hölper: Ich glaube, daß es nunmehr möglich ist, auch diesen Abschnitt unseres Gespräches mit folgender Feststellung abzuschließen:

Der Kommissarbefehl ist weder durch die Berufung auf den soge-nannten militärischen Notstand noch als präventive Repressalie zu rechtfertigen. Er war ein völkerrechtswidriger Akt mit allen Folgen, die sich aus der Verletzung völkerrechtlicher Normen ergaben. Und ich meine, wir sollten zum Schluß kurz noch die Frage erörtern, wer diese Folgen zu tragen hat.

v. d. Heydte: Die völkerrechtswidrigen Handlungen eines Staatsorgans, also in unserem Fall der Personen, die an der Abfassung, Weiterleitung und Ausführung des Kommissarbefehls beteiligt waren, werden dem Staat zugerechnet. Diese Haftung des Staates begründet die kollektive Haftung des gesamten Staatsvolkes. Man hat diese Kollektivhaft u n g aller Staatsbürger, die sich als eine reine Erfolgshaftung (z. B.

entsprechend dem Kriegsausgang) darstellt, bei uns leider mit dem unglücklichen Wort „K ollektivschuld" falsch übersetzt. Das Charakteristikum der völkerrechtlichen Haftung ist gerade die scharfe Trennung zwischen Haftungsobjekt und Schuldsubjekt. Mit anderen Worten:

Die Schuldlosigkeit des einzelnen Staatsbürgers schließt seine völkerrechtliche Haftung nicht aus. Einen Strafanspruch gegen das Schuld-Subjekt, also gegen den einzelnen, der als Staatsorgan völkerrechtswidrig gehandelt hat, kennt das allgemeine Völkerrecht grundsätzlich nicht.

Aber das gesamte Problem der völkerrechtlichen Individualhaftung — denken Sie nur an die Nürnberger Prozesse und den terminus technicus des Verbrechens gegen die Menschlichkeit.'— ist so umstritten und hat so viele verschiedene Beurteilungen erfahren, daß eine ein-* gehende Diskussion über diese Frage wohl den Rahmen unseres Gespräches sprengen würde.

Anders verhält es sich mit dem innerstaatlichen Strafanspruch gegen den, der eine völkerrechtswidrige Handlung begangen hat. Grundsätzlich besteht ein innerstaatlicher Strafanspruch nur dann, wenn die völkerrechtswidrige Handlung zugleich auch eine innerstrafrechtliche Norm verletzt.

Hölper: Es ist meines Erachtens nicht zu bestreiten, daß durch die Mitwirkung bei der Abfassung des Kommissarbefehls, durch dessen Weiterleitung und Ausführung nicht nur gegen völkerrechtliche Normen, sondern auch gegen Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuches verstoßen wurde. Denn die vorsätzliche Tötung eines Menschen, ohne daß ihm in einer mündlichen Verhandlung vor einem ordnungsgemäß besetzten, unabhängigen Gericht ein todeswürdiges Verbrechen nachgewiesen wurde, erfüllt die objektiven Tatbestandsmerkmale eines Tötungsdelikts im Sinn der §§ 211 ff. StGB. Lind bezüglich der räumlichen Herrschaft des deutschen Strafrechts bestimmt der § 3 Abs. 1 StGB, daß dieses für die Tat eines deutschen Staatsangehörigen gilt, einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland begeht.

Zu den objektiven Tatbestandsmerkmalen einer Strafbestimmung müssen aber noch der Nachweis eines rechtswidrigen Handelns und der Schuld treten, wenn eine strafbare Handlung vorliegen soll. Dies kann aber nur nach Lage des einzelnen Falles entschieden werden unter Berücksichtigung der Rechtfertigungs-oder Schuldausschließungsgründe, die unter Umständen dem Täter zur Seite stehen.

Es kann daher, strafrechtlich gesehen, hier weder eine kollektive Verurteilung noch einen generellen Freispruch geben.

Vom historischen und ethischen Standpunkt aus kann allerdings wohl eine Wertung erfolgen, die bestimmt ist von dem deprimierenden Eindruck einer erschütternden Hilflosigkeit, mit der ein großer Teil des deutschen Offizierskorps einer Staatsführung gegenüberstand, die nicht nur verbrecherische Befehle gab, sondern auch den deutschen Waffenträger zwang, gegen seine soldatische Ehre und sein natürliches Rechtsempfinden zu handeln.

Blumentritt: Das Offizierkorps war in seinem ureigensten Element genau so tapfer wie früher. Alte Offiziere wie v. Rundstedt oder v. Kluge spürten genau, daß der Kommissarbefehl und der Erlaß zur Einschränkung der Kriegsgerichtsbarkeit gegen ihr soldatisches Ehrgefühl gingen.

R. Frhr. v. Gersdorff: Für mich besteht kein Zweifel daran, daß die führenden Persönlichkeiten, die mit dem Kommissarbefehl in Berührung kamen, ihn rein gefühlsmäßig ablehnten. Ich meine, man sollte diese gefühlsmäßige Reaktion mehr in Betracht ziehen als das juristische Den-ken, das dem Soldaten an sich fernliegt.

Maurach: Nun, ein Unrechtsbewußtsein kann sich auch auf gefühlsbetontes Denken gründen. Bei derartigen Verstößen gegen die Menschlichkeit, gegen die Gebote humaner Kriegführung braucht man das Unrechtsbewußtsein durchaus nicht nur auf juristische Liberlegungen abzustellen.

R. Frhr. v. Gersdorff: Diese zweifellos bestehenden gefühlsmäßigen Bedenken, die im vertraulichen Gespräch offen geäußert wurden, schaltete man schließlich ab. Das habe ich immer wieder erlebt.

Maurach: Den Hinweis auf das sogenannte Abschalten finde ich außerordentlich treffend. Dieses Abschalten mit dem Argument: „Der Führer wird schon recht haben! Befehle von oben sind auch in juristischer Hinsicht mitgeprüft, also in völkerrechtlicher Hinsicht in Ordnung!"

— das ist ein eklatanter Fall sogenannter Rechtsblindheit.

Hier tritt überdies ein Nichtsehen-Wollen zu deutlich zutage. Die Bearbeiter des Kommissarbefehls in OKW und OKH, die schließlich als alte Offiziere klare Vorstellungen vom Militärstrafrecht haben mußten und denen noch dazu Rechtsabteilungen zur Seite standen, wußten doch genau: Hier wird befohlen, Kriegsgefangene ohne kriegsgerichtliches LIrteil zu töten!

Krausnick: Keitel ist von Admiral Canaris in einer Vortragsnotiz am 15. September 1941 (s. Anhang) die Rechtslage und die Situation genau vor Augen gehalten worden, als das OKW die Behandlung aller sowjetischen Kriegsgefangenen verschärfte. Er schrieb an den Rand dieser Eingabe: „Die Bedenken entsprechen den soldatischen Auffassungen vom ritterlichen Krieg! Hier handelt es sich um die Vernidttung einer Weltansd'iauung. Deshalb billige ich die Maßnahmen und dedte sie.“

Maurach: Man wird also trotz einer infolge des Hörigkeitsverhältnisses zu Hitler bestehenden Trübung des Rechtsbewußtseins feststellen müssen, daß bei den Verantwortlichen im OKW die Rechtslage durchaus bekannt war und damit auch die Unrechtmäßigkeit des Kommissarbefehls

Sendtner: Ganz allgemein: Nimmt man eine solche Trübung des Rechtsbewußtseins infolge eines starken Hörigkeitsgefühls an, so ließe sich weiter argumentieren: Infolge von Urteilslosigkeit oder von Hörigkeit fehlte das Vermögen, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden.

Hölper: Je höher die Stellung, um so größere Kenntnisse der Zusammenhänge hönnen vorausgesetzt werden. Je mehr Einfluß und Anteil an der Entstehung bzw. Ausarbeitung des Kommissarbefehls jemand hat, um so schwerer wiegt seine Verantwortlichkeit, zumal sich aus der Fassung des Befehlstextes Indizien für das Bemühen ergeben, ihm den Charakter der offenkundigen Rechtswidrigkeit zu nehmen.

Maurach: Man muß sich aber ebenso darüber klar sein, daß demjenigen, der einen rechtswidrigen Befehl weiterleitet oder ausführt, nicht ohne weiteres ein Rechtfertigungsgrund nur deshalb zur Seite steht, weil es ihm militärisch anbefohlen war.

Hölper: Der vielumstrittene § 47 des Militärstrafgesetzbuches sollte ja gerade der Berufung auf die Pflicht zu unbedingtem Gehorsam bei verbrecherischen Befehlen entgegenwirken. Das ergibt sich aus seinem Wortlaut:

„Wird durdi die Ausführung eines Befehls in Dienstsadien ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorgesetzte allein verant-wortlidr. Es trifft jedodt den gehordtenden Untergebenen die Strafe des Teilnehmers, wenn ihm bekannt gewesen ist, daß der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, weld-te ein allgemeines oder militärisches Verbredten oder Vergehen bezweckte.“

Maurach: Ich möchte jedoch darauf aufmerksam machen, daß dieser Grundsatz nicht unangefochten blieb. Herr v. Ammon hat in seiner vielbeachteten und in Nürnberg viel zitierten Schrift die sogenannte Transformationstheorie vertreten. Ihr Gedankengang ist folgender: Je mehr untergeordnete, unverantwortliche Instanzen ein an sich und ursprünglich rechtswidriger Befehl durchläuft, desto rechtmäßiger wird er. Diese Argumentation vom psychologischen Aspekt führt natürlich zu einem juristisch unhaltbaren Ergebnis.

Krausnick: Goebbels hat übrigens dieses im erwähnten § 47 verankerte Recht auf Befehlsverweigerung gekannt und sogar bejaht — allerdings nur im Interesse der von ihm propagierten Lynchjustiz an alliierten Fliegern. Er schrieb am 28. /29. Mai 1944 im „Völkischen Beobachter“: „Es erscheint uns kaum noch möglich und erträglidt, deutsdte Polizei und Wehrmacht gegen das deutsdte Volk einzusetzen, wenn es Kindermörder so behandelt, wie sie es verdienen. Audi die anglo-amerikani-sche Kriegswillkür muß irgendwo ein Ende haben. Die Piloten können sich nidtt darauf berufen, daß sie als Soldaten auf Befehl handelten. Es ist in keinem Kriegsgesetz vorgesehen, daß ein Soldat bei einem sdtimpflidien Verbredten dadurch straffrei wird, daß er sich auf seinen Vorgesetzten beruft, zumal wenn dessen Anordnungen in eklatantem Widersprudt zu jeder meitsdilidten Moral und jeder internationalen Übung der Kriegführung stehen.“

Graml: Bei der Frage der Befehlsverweigerung wird man zu berücksichtigen haben, ob und inwieweit der Betreffende unter Druck stand. Dieser Druck des nationalsozialistischen Staates nahm ständig zu und wirkte sich sehr verschieden aus.

v. Witzleben: Und die Gefahr von der eigenen Obrigkeit her ist eine ganz andere als die vom Feinde. Die letztere endet schlimmstenfalls mit dem Heldentod, die andere mit Diffamierung und Hinrichtung. Haseloff: Bis zum Jahre 1941 ist noch kein deutscher General derart gemaßregelt worden. Das kam erst später.

R. Frhr. v. Gersdorff: General v. Treskow forderte nach dem Erlaß der heute diskutierten rechtswidrigen Befehle zur Tötung der Kommissare und zur Einschränkung der Kriegsgerichtbarkeit im Ostraum eine gemeinsame Aktion aller drei Heeresgruppen-Oberbefehlshaber, d. h. einen persönlichen Schritt bei Hitler, möglichst in v. BrauchitschsBeisein. Tresckow war damals — und ich bin es noch heute — der festen Ansicht, daß dieser Schritt Erfolg gehabt hätte. Für seine Beurteilung der persönlichen Folgen ist die Antwort kennzeichnend, die er einem dieser Feldmarschälle auf dessen Bedenken gab. Jener Oberbefehlshaber meinte:

„Wenn ich das tue, schickt Hitler euch den Hiwwler als Oberbefehls haber her!" Darauf erwiderte v. Tresckow: „Mit dem werden wir schon noch fertig werden!“

Blumentritt: Wenn Sie die Verlustlisten betrachten, war das Offizier-korps im persönlichen Einsatz auf seinem ureigenen Gebiet im zweiten Weltkrieg nicht weniger tapfer und nicht schlechter als im ersten. Auf politischem Gebiete jedoch, wo es auf Zivilcourage ankam, stand der Offizier nicht mehr auf dem Boden, auf dem er sich sicher fühlte.

Sendtner: Was man bisher für den höchsten Grad des Mutes und der Tapferkeit hielt — die Bereitschaft zu unbedenklichem Einsatz des Lebens für die höchsten nationalen Güter —, ist offenbar doch nicht die oberste Stufe der Tapferkeit, sondern eben jene Zivilcourage. Und dieser persönliche Mut zur Selbstverantwortlichkeit war leider vielfach nicht vorhanden.

Dokumentenanhang

1. Zehn Gebote für die Kriegführung des deutschen Soldaten

„In der Wehrmacht des Dritten Reiches sind die Soldaten durch Unterricht, Dienstanweisung und Befehle eingehend mit den für sie in Betracht kommenden völkerrechtlichen Bestimmungen vertraut gemacht worden. Jeder deutsche Soldat hat als Merkblatt folgende „ 10 Gebote für die Kriegführung des deutschen Soldaten“ in seinen Händen:

1. Der deutsche Soldat kämpft ritterlich für den Sieg seines Volkes. Grausamkeiten und nutzlose Zerstörungen sind seiner unwürdig, 2. Der Kämpfer muß uniformiert oder mit einem besonders eingeführten weithin sichtbaren Abzeichen versehen sein. Kämpfen in Zivilkleidung ohne ein solches Abzeichen ist verboten.

3. Es darf kein Gegner getötet werden, der sich ergibt, auch nicht der Freischärler und der Spion. Diese erhalten ihre gerechte Strafe durch die Gerichte.

4. Kriegsgefangene dürfen nicht mißhandelt oder beleidigt werden. Waffen, Pläne und Aufzeichnungen sind abzunehmen, von ihrer Habe darf sonst nichts weggenommen werden.

5. Dum-Dum-Geschosse sind verboten. Geschosse dürfen auch nicht in solche umgestaltet werden.

6. Das Rote Kreuz ist unverletzlich. Verwundete Gegner sind menschlich zu behandeln. Sanitätspersonal und Feldgeistliche dürfen in ihrer ärztlichen bezw.seelsorgerischen Tätigkeit nicht gehindert werden. 7. Die Zivilbevölkerung ist unverletzlich. Der Soldat darf nicht plündern oder mutwillig zerstören. Geschichtliche Denkmäler und Gebäude, die dem Gottesdienst, der Kunst, Wissenschaft oder der Wohltätigkeit dienen, sind besonders zu achten. Natural-und Dienstleistungen von der Bevölkerung dürfen nur auf Befehl von Vorgesetzten gegen Entschädigung beansprucht werden.

8. Neutrales Gebiet darf weder durch Betreten oder Überfliegen noch durch Beschießen in die Kriegshandlung einbezogen werden.

9. Gerät ein deutscher Soldat in Gefangenschaft, so muß er auf Befragen seinen Namen und Dienstgrad angeben. Unter keinen Umständen darf er über Zugehörigkeit zu seinem Truppenteil und über militärische, politische und wirtschaftliche Verhältnisse auf der deutschen Seite aussagen. Weder durch Versprechungen noch durch Drohungen darf er sich dazu verleiten lassen.

10. Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Befehle in Dienst-sachen sind strafbar. Verstöße des Feindes gegen die unter 1 bis 8 angeführten Grundsätze sind zu melden. Vergeltungsmaßregeln sind nur auf Befehl der höheren Truppenführung zulässig. — Offiziere und Wehrmachtsbeamte sind durch umfangreichere Merkblätter unterwiesen worden. Ferner sind die völkerrechtlichen Abkommen zum Gebrauch für die Truppe in besonderen Dienstvorschriften zusammengestellt *) worden.“

2. General z. b. V. beim Oberbefehlshaber des Heeres an Chef OKW am 6. 5. 1941 (Entwurf: , Richtlinien betr. Behandlung politischer Hoheitsträger usw.")

Der Oberbefehlshaber des Heeres 6. Mai 1941 Gen. z. b. V. Ob. d. H. (Gr. R. Wes.) (PS 1471)

An Chef OKW Abt. 1 a z. Hd. Gen. Warlimont „Richtlinien betr. Behandlung politisdier Hoheitsträger usw. für die einheitliche Durchführung des bereits am 31. 3. 1941 erteilten Auftrages.“ I. Armeegebiet Politische Hoheitsträger und Leiter (Kommissare) bedeuten bei der augenblicklichen Kampflage eine erhöhte Gefahr für die Sicherheit der Truppe und die Befriedung des eroberten Landes, denn sie haben durch ihre bisherige Wühl-und Zersetzungsarbeit klar und deutlich bewiesen, daß sie jede europäische Kultur, Zivilisation, Verfassung und Ordnung ablehnen. Sie sind daher zu beseitigen.

Soweit sie von der Truppe ergriffen oder ihr sonst zugeführt werden, sind sie einem Offizier, der Disziplinarstrafgewalt hat, vorzuführen.

Dieser hat unter Hinzuziehung von zwei weiteren Soldaten (im Offiziers-oder Unteroffiziersrang) festzustellen, daß der Ergriffene oder Zugeführte politischer Hoheitsträger oder Leiter (Kommissar) ist. Ist die politische Eigenschaft hinreichend begründet, hat der Offizier die Erschießung sogleich anzuordnen und durchführen zu lassen. Zu den politischen Funktionären gehören die polit. Leiter (Kommissare) in der Truppe. ... Sie werden nicht als Soldaten anerkannt. Die für Kriegsgefangene geltenden Bestimmungen finden auf sie keine Anwendung. Ferner gehören dazu die Kommissare bei der Verwaltung und der Partei sowie sonstige polit. Persönlichkeiten von Bedeutung, mit denen die Truppe zusammentrifft. Fachliche Leiter wirtschaftlicher und technischer Betriebe sind nur zu ergreifen, falls sie sich im Einzelfall gegen die deutsche Wehrmacht auflehnen. Ein Abschieben ergriffener polit. Hoheitsträger und Kommissare nach rückwärts wird untersagt.“ . . .

3. OKW /Abt. Landesverteidigung — Vortragsnotiz vom 12. 5. 1941 Betr. Behandlung gefangener politischer und militärischer Funktionäre

OKW (PS 1471)

Abt. Landesverteidigung (IV/Qu)

F. H. Qu., den 12. 5. 41 Geheime Kommandosache Betr.: Behandlung gefangener politischer und militärischer russischer Funktionäre. ChefSache! N. d. O.!

(hatidschriftl. Eintrag v. Jodl: „muß dem Führer noch einmal vorgetragen werden" gez. J. 13. /5.)

Vortragsnotiz I. OKH hat einen Entwurf für „Richtlinien betreffend Behandlung politischer Hoheitsträger usw. für die einheitliche Durchführung des bereits am 31. 3. 41 erteilten Auftrages“ vorgelegt, der als Anlage 1 beiliegt. Dieser Entwurf sieht vor:

1 .) Politische Hoheitsträger und Leiter (Kommissare) sind zu b e s ei-t i g e n.

2 .) Soweit sie von der Truppe ergriffen werden. Entscheidung durch einen Offizier mit Disziplinarstrafgewalt, ob der Betreffende zu beseitigen ist. Hierzu genügt die Feststellung, daß der Betreffende politischer Hoheitsträger ist.

3 .) Politische Leiter in der Truppe werden nicht als Gefangene anerkannt und sind spätestens in den Dulags zu erledigen. Kein Abschieben nach rückwärts.

4 .) Fachliche Leiter von wirtschaftlichen und technischen Betrieben sind nur zu ergreifen, wenn sie sich gegen die Deutsche Wehrmacht auflehnen.

5 .) Die Durchführung der Operationen darf durch diese Maßnahmen nicht gestört werden. Planmäßige Such-und Säuberungsaktionen unterbleiben.

6 .) Im rückwärtigen Heeresgebiet sind Hoheitsträger und Kommissare mit Ausnahme der politischen Leiter in der Truppe den Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei abzugeben.

II. Demgegenüber sieht die Denkschrift 3 des Reichsleiters Rosenberg vor, daß nur hohe und höchste Funktionäre zu erledigen seien, da die staatlichen, kommunalen und wirtschaftlichen Funktionäre für die Verwaltung des besetzten Gebietes unentbehrlich sind.

III. Es ist deshalb eine Entscheidung des Führers erforderlich, welche Grundsätze maßgebend sein sollen.

Vorschlag L für den Fall II:

1 .) Funktionäre, die sich gegen die Truppe wenden, was von dem radikalen Teil zu erwarten ist, fallen unter den „Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa“. Sie sind als Freischärler zu erledigen. Eine gleiche Behandlung sehen die „Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Rußland“ (Anlage 2) vor.

2 .) Funktionäre, die sich keiner feindlicher Handlung schuldig machen, werden zunächst unbehelligt bleiben. Man wird es der Truppe kaum zumuten können, die verschiedenen Dienstgrade der einzelnen Sektoren aussondern zu können.

Erst bei der weiteren Durchdringung des Landes wird es möglich sein zu entscheiden, ob die verbliebenen Funktionäre an Ort und Stelle belassen werden können oder an die Sonderkommandos zu übergeben sind, sofern nicht diese selbst die Überprüfung vorzunehmen in der Lage sind.

3 .) Funktionäre in der Truppe werden entsprechend dem Vorschlag OKH zu behandeln sein. Diese werden nicht als Gefangene anerkannt und sind spätestens in den Durchgangslagern zu erledigen und keinesfalls nach rückwärts abzuschieben.

Verteiler:

gez. Warlimont Chef WFSt.

Chef L. handschriftlichee Notiz von Jodl:

L IV „mit der Vergeltung gegen deutsche nachrichtl.. : WR Flieger müssen wir rechnen, man . zieht daher die ganze Aktion am besten als Vergeltung auf“.

4. Oberbefehlshaber des Heeres an Heeresgruppen und Armeen am 8. 6. 1941 (Begleitschreiben zum OKW-Erlaß vom 6. 6. 1941 betr. Behandlung politischer Kommissare, mit Zusätzen)

Der Oberbefehlshaber des Heeres (NOKW 1076)

Az. Gen. z b V b Ob d H (Gr. R. Wes.)

Hauptquartier Nr. 91/41 g. Kdos. Chefs. OKH, den 8. 6. 1941 Stempel: Chefsadte! 2047/138 Init. K. 9/6 Nur durch Offizier!

30 Ausfertigungen.

— Nadi anliegendem Verteiler — 19. Ausfertigung.

Betr.: Behandlung politischer Kommissare.

Stempel:

Gen. St. d. H.

Abt. Fremde Heere Ost 9. Juni 1941 Nr. 69/41 g. Kdos. Ani.

(2 unles. Init.)

Nachstehender Erlaß des OKW vom 6. 6. 41 — WFSt/Chefs.

Abt. L (IV/Qu) Nr. 44822/41 g. Kdos. Chefs. — wird bekanntgegeben. Zusätze:

Zu I. Ziffer 1:

Das Vorgehen gegen einen politischen Kommissar muß zur Voraussetzung haben, daß der Betreffende durch eine besondere erkennbare Handlung oder Haltung sich gegen die deutsche Wehrmacht stellt oder stellen will.

Zu I. Ziffer 2:

Die Erledigung der politischen Kommissare bei der Truppe hat nach ihrer Absonderung außerhalb der eigentlichen Kampf-zone unauffällig auf Befehl eines Offiziers zu erfolgen.

gez. von Brauchitsdt Stempel: Fuer die Richtigkeit:

Oberkommando des Heeres gez. Bechler (handschr.)

Gruppe Rechtswesen. Hauptmann

5. OKW /West /Abt. I. an Wehrmachtsteile OKH und OKL vom 6. 6. 1941 Betr. „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare"

Oberkommando der Wehrmacht (NOKW 1076) WFSt/Abt. L. (IV/Qu)

F. H. Qu., den 6. 6. 1941 Nr. 44822/41 g. K. Chefs. Stempel: Chef-Sadie!

Nur durch Offizier!

Im Nachgang zum Führererlaß vom 14. 5. über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet „Barbarossa“ (OKW/WFSt/Abt. L (IV/Qu) Nr. 44718/41 g. Kdos. Chefs.) werden anliegend „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare" übersandt.

Es wird gebeten, die Verteilung nur bis zu den Oberbefehlshabern der Armeen bzw. Luftflottenchefs vorzunehmen und die weitere Bekanntgabe an die Befehlshaber und Kommandeure mündlich erfolgen zu lassen.

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht 1. A.

gez. Warlimont Anlage zu OKW/WFSt/Abt. L IV/Qu Nr. 44822/41 g. K. Chefs.

Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten des Feindes nach den Grundsätzen der Menschlichkeit oder des Völkerrechts nicht zu rechnen. Insbesondere ist von den politischen Kommissaren aller Art als den eigentlichen Trägern des Widerstandes eine haßerfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen zu erwarten.

Die Truppe muß sich bewußt sein:

1 .) In diesem Kampf ist Schonung und völkerrechtliche Rücksichtnahme diesen Elementen gegenüber falsch. Sie sind eine Gefahr für die eigene Sicherheit und die schnelle Befriedung der eroberten Gebiete.

2 .) Die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Gegen diese muß daher sofort und ohne Weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden.

Sie sind daher, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen.

Im übrigen gelten folgende Bestimmungen:

I. Operationsgebiet 1 .) Politische Kommissare, die sich gegen unsere Truppe wenden, sind entsprechend dem „Erlaß über Ausübung der Gerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa“ zu behandeln. Dies gilt für Kommissare jeder Art und Stellung, auch wenn sie nur des Widerstandes, der Sabotage oder der Anstiftung hierzu verdächtig sind.

Auf die „Richtlinien über das Verhalten der Truppe in Rußland“ wird verwiesen.

2 .) Politische Kommissare als Organe der feindlichen Truppe sind kenntlich an besonderem Abzeichen — roter Stern mit goldenem eingewebtem Hammer und Sichel auf den Ärmeln — (Einzelheiten siehe „Die Kriegswehrmacht der UdSSR“. OKH/GenStdH O Qu IV Abt. Fremde Heere Ost (II) Nr. 100/41 g. vom 15. 1. 1941 unter Anlage 9 d.). Sie sind aus den Kriegsgefangenen s o f o r t. d. h. noch auf dem Gefechtsfelde, abzusondern. Dies ist notwendig, um ihnen jede Einflußmöglichkeit auf die gefangenen Soldaten zu nehmen. Diese Kommissare werden nicht als Soldaten anerkannt; der für Kriegsgefangene völkerrechtlich geltende Schutz findet auf sie keine Anwendung. Sie sind nach durchgeführter Absonderung zu erledigen.

3 .) Politische Kommissare, die sich keiner feindlichen Handlung schuldig machen oder einer sol-chen verdächtig sind, werden zunächst unbehelligt bleiben.

Erst bei der weiteren Durchdringung des Landes wird es möglich sein, zu entscheiden, ob verbliebene Funktionäre an Ort und Stelle belassen werden können oder an die Sonderkommandos abzugeben sind. Es ist anzustreben, daß diese selbst die Überprüfung vornehmen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob „schuldig oder nicht schuldig", hat grundsätzlich der persönliche Eindruck von der Gesinnung und Haltung des Kommissars höher zu gelten, als der vielleicht nicht zu beweisende Tatbestand.

4 .) In den Fällen 1.) und 2.) ist eine kurze Meldung (Meldezettel)

über den Vorfall zu richten:

a) von den einer Division unterstellten Truppen an die Division (Ic), b) von den Truppen, die einen Korps-, Armeeober-oder Heeresgruppenkommando oder einer Panzergruppe unmittelbar unterstellt sind, an das Korps-usw. Kommando (Ic).

5 .) Alle oben genannten Maßnahmen dürfen die Durchführung der Operationen nicht aufhalten. Planmäßige Such-und Säuberungsaktionen durch die Kampftruppe haben daher zu unterbleiben.

II. Im rückwärtigen Heeresgebiet Kommissare, die im rückwärtigen Heeresgebiet wegen zweifelhaften Verhaltens ergriffen werden, sind an die Einsatzgruppe bzw. Einsatz-kommandos der Sicherheitspolizei (SD) abzugeben.

III. Beschränkung der Kriegs-und Standgerichte Die Kriegsgerichte und die Standgerichte der Regiments-usw. Kommandeure dürfen mit der Durchführung der Maßnahmen nach I und II nicht betraut werden.

Verteiler:

Abschnittsstab Schlesien 1. Ausfertigung Heeresgruppe B 2. Ausfertigung Abschnittsstab Ostpreußen 3. Ausfertigung AOK 18 4. Ausfertigung Unterabschnitt Ostpreußen I 5. Ausfertigung Festungsstab Blaurock 6. Ausfertigung AOK 4 7. Ausfertigung Abschnittsstab Staufen 8. Ausfertigung Arbeitsstab Gotzmann 9. Ausfertigung AOK 11 10. Ausfertigung AOK 2 11. Ausfertigung Oberbaugruppe Süd 12. Ausfertigung Festungsstab 49 13. Ausfertigung Festungsstab Wagener 14. Ausfertigung Panzergruppe 4 15. Ausfertigung AOK Norwegen 16. Ausfertigung OKH/Adj. Ob d. H 17. Ausfertigung OKH/Abt. Fremde Heere Ost 19. Ausfertigung OKH/OP. Abt. (ohne OKW. -Erlaß)

20. Ausfertigung OKH/GenQu. (ohne OKW. -Erlaß)

21. Ausfertigung Vorrat 22. — 30. Ausfertigung

6. Panzergruppe 3/Ic Tätigkeitsbericht Januar — Juli 1941 betr. Rechtsfragen Behandlung von Freischärlern

Pz. Gru. 3 — Abt. Ic Tätigkeitsbericht Jan. — Juli 1941 (NOKW 2672) Bl. 29:

Rechtsfragen A. Behandlung von Freischärlern usw.

Am 11.6. wurde der Ic und der Heeresrichter der Gruppe nach Warschau zu einer Besprechung des Generals z. b. V. beim Ob. d. H. kommandiert. General z. b. V., Generalleutnant Müller, führte nach Verlesen des Führererlasses aus, daß im kommenden Einsatz Rechtsempfinden u. LI. hinter Kriegsnotwendigkeit zu treten habe. Erforderlich ist daher:

Rückkehr zum alten Kriegsbrauch, unser bisheriges Kriegsrecht ist erst nach dem Weltkrieg festgelegt. Einer von beiden Feinden muß auf der Strecke bleiben. Träger der feindlichen Einstellung nicht konservieren, sondern erledigen. Unter den Begriff „Freischärler“ fällt auch der, der als Zivilist die deutsche Wehrmacht behindert oder zur Behinderung auffordert (z. B. Hetzer, Flugblattverteiler, nicht befolgen deutscher Anordnungen, Brandstifter, zerstören von Wegweisern, Verräter usw.). Das Recht des freiwilligen Waffengreifens der Bevölkerung wird nicht anerkannt. Auch wehrsportliche Vereinigung (Komsomol, Ossoaviachim) hat dieses Recht nicht.

Bestrafung: Grundsatz: sofort, jedenfalls kein Aufschieben der Verfahren. Bei Einzelfällen kann in leichten Fällen u. LI. auch die Prügelstrafe genügen. Die Härte des Krieges erfordert harte Strafen.... In Zweifelsfällen über Täterschaft wird häufig Verdacht genügen müssen. Klare Beweise lassen sich oft nicht erbringen.

Kollektive Gewaltmaßnahmen durch Niederbrennen, Erschießen einer Gruppe von Leuten usw. Truppe soll sich aber nicht ablenken lassen oder im Blutrausch handeln. Kein unnötiges Scharfmachen, also nur so weit, als zur Sicherung der Truppe und raschen Befriedung des Landes notwendig. . . .

7. AOK 18/Ic an unterstellte Einheiten 14. 7. 1941 betr. Ausfindigmachen getarnter gefangener Kommissare

AOK 18 Ic Nr. 2034/41 . Qu. 2 H. Qu., 14. 7. 1941 Generalleutnant Müller, Gen. z. b. V. ObdH., machte am 10 7. anläßlich einer Besprechung mit Major i. G. Jessel im Auftrage des Herrn Oberbefehlshabers des Heeres auf die Beachtung folgender Punkte aufmerksam:

Bei dem raschen Fortschreiten der Op. ist anzunehmen, daß eine Reihe von polit. Kommissaren der Roten Armee nach Entfernung ihrer Abzeichen unerkannt in die Gefangenenlager geraten sind. . . . Die Ic‘s werden gebeten, auf die Notwendigkeit einer ständigen Überprüfung der Anwesenheit von politischen Kommissaren immer wieder hinzuweisen. gez. Unterschrift Maj. i. G. 8.

Heereesegruppe Nord an AOK 16, 18 und Panzer-gruppe 4 am 2. 7. 1941 betr. Vernichtung des Kommissarbefehls und Gefangenenerschießungen (NOKW 3136) Der Chef des Generalstabes der Heeresgruppe Nord H. Qu., 2. 7. 1941 An den Herrn Chef des Generalstabes Panzergruppe 4 1 .) Ich halte es für notwendig, den Erlaß des OKH betr Behandlung politischer Kommissare zu vernichten, damit er nicht in Feindes-hand fällt und propagandistisch ausgenutzt werden kann.

2 .) Ich bitte darauf hinzuweisen, daß nicht dort, wo Gefangene bereits zu Arbeitsabteilungen (für Flugplätze usw.) zusammengestellt sind, die Truppe nachträglich durch Erschießen eingreift.

Verteiler:

Chef d. Gen. St. AOK 16 gez. Brennecke Chef d. Gen. St. AOK 18 Pz. Gru. 4 Bef. rückw. H. G. 101 9, Panzergruppe 4 an Heeresgruppe Nord am 10. 7. 1941 betr. Erschießungsmeldung (NOKW 1674)

Funk-Spruch Nr. 559 Absendende Stelle: Abgegangen 10. 7. 10. 30 Panzergruppe 4 An Heeresgruppe Nord Zu Ob. d. H. Gen. z. b. V. Ob. d. H. (Gruppe Rechtswesen) Nr. 91/41 g. Kdos. vom 8. 6. 41 werden bis zum 8. 7. einschl. gemeldet 101 erledigt.

Panzergruppe 4 Ic F. d. R.

gez.: Bothe Leutnant 10. Panzergruppe 4 an XXXXI. A. K. am 22. 7. 1941 betr. Meldung über ,, Aktion" gegen politische Kommissare (NOKW 3437)

Fernschreiben: von Panzergruppe 4 Abgangstag: 22. 7.

Abgangszeit: 08. 31 An XXXXI. A. K.

Betr.: Politische Kommissare.

Meldung über Verlauf der Aktion vom 22. 6. 41 bis 19. 7. einschl.

mit Zahlenangaben sofort erbeten. Nächste Meldung zum 3. 8. mit Stand vom 2. 8.

Panzergruppe 4 lc F. d. R.

gez.: Bothe Oberleutnant 11. XVII. A. K. vom 23. 7. 1940 betr. Kritik an Maßnahmen des Volkssturmkampfes (NOKW 1674)

Gen. Kdo.

XVII. A. K. 23. 7. 40 Auftrag: „Sicherung eines Teiles der deutschen Ostgrenze im Rahmen der 18. Armee.......... 3.) Der Soldat, der aus dem Westen nach dem Osten kommt, hat keine Kritik darüber zu führen, wie der Volkstumskampf (Judenproblem) im Osten durch die politischen Stellen geführt wird. Diese Aufgaben sind vom Führer den politischen Stellen übertragen worden und keine Angelegenheit militärischer Stellen.“

12. Panzergruppe 3 Feindnachrichten-Blatt vom Juli 1941 und vom 8. 8. 1941 betr. politische Kommissare

Pz. Gr. 3 (NOKW 2239) Feindnachr. Blatt Nr. 10 Juli 1941 3.) Politische Kommissare haben Dienstgradabzeichen häufig abgelegt und befinden sich in Mannschaftsuniform unter der Truppe Meist erkenntlich an nicht verblichenen Stellen am Kragen und am Ärmel... Feindnachr. Blatt Nr. 18 8. 8. 1941 Betreffend politische Kommissare. Gemäß den neuen sowjetischen Bestimmungen haben alle Regimenter und Divisionen sowie höhere Stäbe Kriegskommissare (früher politische Kommissare), Kompanien, Batterien und Schwadronen politische Leiter (P o 1 i t r u k), die ebenfalls unter den Begriff der Kriegskommissare fallen. Einzelnachfragen seitens der Truppe machen den Hinweis erforderlich, daß sich in der Behandlung dieser Leute nichts geändert hat.

Im Gegensatz hierzu sind Angehörige der bereits öfter angetroffenen GPU, jetzt SiPo genannt, und solche der Grenztruppen ... in gleicher Form zu behandeln wie die Soldaten der Röten Armee.

13. Panzergruppe 3/Ic Tätigkeitsbericht Januar — Juli 1941 betr. politische Kommissare und Wirkungen der „Sonderbehandlung"

Tätigkeitsbericht (NOKW 1904)

d. Pz. Gru. 3/Ic Jan. — Juli 1941 „Die Sonderbehandlung der politischen Kommissare durch die Truppe führte zu einem baldigen Bekanntwerden auf der russischen Seite und Verschärfung des Widerstandswillens. Die Sonderbehandlung hätte zur Vermeidung des Bekanntwerdens erst in weit rückwärts gelegenen Lagern durchgeführt werden dürfen. Auch die meisten gefangenen Rotarmisten und Offiziere glaubten an eine solche Sonderbehandlung, die ihnen in Dienstbefehlen und auch von entflohenen politischen Kommissaren berichtet wurde.“ ....

„Bei rückschauender Betrachtung am 14. 8. ist festzustellen, daß entgegen den Erwartungen Freischärlerei nur in geringem Umfange vorgekommen ist und infolgedessen die strengen Strafen nur vereinzelt zur Anwendung kommen brauchten. Dagegen hat sich erwiesen, daß die politischen Kommissare Willensträger der bolschewistischen Idee waren. Die geistige Beeinflussung der von ihnen erfaßten Truppe war erheblich. Der zähe Widerstand der bolschewistischen Truppe ist wohl in erster Linie auf seine Hetze zurückzuführen, die zahllosen Soldaten glaubhaft machte, daß ihnen Durchhalten im Kampf oder martervolle Tötung nach Gefangennahme durch die Deutschen nur zur Wahl bliebe. In den ersten Kampfwochen wurden politische Kommissare und Offiziere nur in geringem Umfang gefangengenommen. Bis Anfang August wurden im ganzen Gruppenbereich etwa 170 politische Kommissare (innerhalb der Truppe) gefangen und als gesondert abgeschoben den AOK. s gemeldet.“

14. AOK 2/Ic an Heeresgruppe Mitte am 9. 9. 1941 betr. Wirkung der „Sonderbehandlung" der Kommissare und feindliche Vergeltungsmaßnahmen

AOK 2 Ic/A. O. Nr. 218/41 geh. Kdos. (NOKW 1905) Betr.: Politische Kommissare 9. 9 1941 An Heeresgruppe Alitte Nach zahlreichen Feststellungen ist der zähe Widerstand der sowjetischen Truppen zu einem Teil dem scharfen Terror der politischen Kommissare und Politruks zuzuschreiben. Diese selbst verteidigen sich nach den gemachten Erfahrungen meist bis töten letzten, zum sich häufig sogar selbst, um nicht in Gefangenschaft zu geraten, und versuchen mit allen Mitteln, auch die Offiziere und Soldaten zu diesem gleichen Verhalten zu bringen. Diese Haltung der Kommissare ist nach den getroffenen Feststellungen vor allem darauf zurückzuführen, daß sie überzeugt sind, als Gefangene erschossen zu werden. So hat ein Politruk, der in Zivil aufgegriffen worden ist, angegeben: „Nach meiner Ansicht würden die politischen Leiter, Kommissare und Offiziere der Roten Armee nicht solchen Widerstand leisten, wenn sie die Gewißheit hätten, bei Gefangennahme oder Überlaufen nicht erschossen zu werden. “ Diese Auswirkung der scharfen Befehle über Behandlung der Kommissare und Politruks als Mitursache des zähen feindlichen Widerstandes ist also nicht zu verkennen. Daß offizielle sowjetische Anordnungen über Vergeltungsmaßnahmen (z. B. Erschießen kriegsgefangener deutscher Offiziere oder Angehöriger der NSDAP) vorliegen, hat sich bisher nicht einwandfrei feststellen lassen. Es ist jedoch mit der Möglichkeit der praktischen Durchführung solcher Gegenmaßnahmen zu rechnen.

Im übrigen tragen nach dem Befehl Stalins vom 1. 8. 41 die politischen Kommissare Offiziers-Uniformen ohne besondere Abzeichen. Es ist daher damit zu rechnen, daß die Truppe unter den Gefangenen nicht mehr besonders nach Kommissaren forschen wird, falls diese nicht auf Grund von Denunziationen sofort ausgesondert werden können. In-folgedessen werden politische Kommissare jetzt häufiger mit in Gefangenenlager abgeschoben werden.

Für das Armee-Oberkommando Der Chef des Generalstabes gez. v. Witzleben F. d. R.

gez.: Unterschrift Hauptmann Anlage:

Meldung von 2 Fällen betr. polit. Kommissare f. 25. 8. — 7. 9. 41 durch Ic/A. O. gez.: Irkens

15. OKW /Amt Ausland /Abwehr an Chef OKW — Vortragsnotiz vorn 15. 9. 1941 betr. „Anordnung für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener zur Verschärfung der Behandlung

Amt Ausl/Abw.

Nr. : : — : : 9 7 3 1 /4 1 Chef Ausl. Berlin, den 15. 9. 1941 F XVI. E 1.

Geheim Dem Herrn Chef OKW vorzulegen.

Vortragsnotiz Betr.: Anordnung für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefang. ener Bezug: 2 f 24. 11 AWA/Kriegsgef. (I) Nr. 3058/41 geh. vom 8. 9. 1941.

I. 1. Die Rechtslage ist folgende:

Das Genfer Kriegsgefangenenabkommen gilt zwischen Deutschland und der UdSSR : : — : : nicht : : — : : daher gelten lediglich die Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts über die Behandlung von Kriegsgefangenen. Diese haben sich seit dem 18. Jahrhundert dahin gefestigt, daß die Kriegsgefangenschaft weder Rache noch Strafe ist, sondern lediglich Sicherheitshaft, deren einziger Zweck es ist, die Kriegsgefangenen an der weiteren Teilnahme am Kampf zu verhindern. Dieser Grundsatz hat sich im Zusammenhang mit der bei allen Heeren geltenden Anschauung entwickelt, daß es der militärischen Auffassung widerspreche, Wehrlose zu töten oder zu verletzen; er entspricht zugleich dem Interesse eines jeden Kriegführenden, seine eigenen Soldaten im Falle der Gefangennahme vor Mißhandlungen geschützt zu wissen.

2. Die als Ani. 1 beigefügten Anordnungen für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener gehen, wie sich aus den Eingangssätzen ergibt, von einer g! *rundsätzliche anderen Auffassung aus. Nach dieser wird der Kriegsdienst für die Sowjets grundsätzlich nicht als soldatische Pflichterfüllung betrachtet, sondern — wegen der von den Sowjetrussen begangenen Mordtaten — in seiner Gesamtheit als Verbrechen charakterisiert. Damit wird die Geltung kriegsrechtlicher Normen im Kampf gegen den Bolschewismus verneint, und außerdem vieles beiseite gestellt, was nach der bisherigen Erfahrung nicht nur als militärisch zweckmässig, sondern auch als zur Aufrechterhaltung der Manneszucht und Schlagkraft der eigenen Truppe als unbedingt erforderlich angesehen wurde.

3. Die Anordnungen sind sehr allgemein gehalten. Hält man sich aber die sie beherrschende Grundauffassung vor Augen, so müssen die ausdrücklich gebilligten Maßnahmen zu willkürlichen Mißhandlungen und Tötungen führen, auch wenn Willkür formal verboten ist.

a) Das ergibt sich einmal aus den Vorschriften über den Waffen-gebrauch bei Widersetzlichkeit. Es wird den mit den Sprachen der Kriegsgefangenen durchweg nicht vertrauten Bewachungsmannschaften und ihren Vorgesetzten häufig nicht erkennbar sein, ob Nichtbefolgung von Befehlen auf Mißverständnis oder Widersetzlichkeit zurückgeht. Der Grundsatz: „Waffengebrauch gegenüber sowjetischen Kriegsgefan-genen gilt in der Regel als rechtmässig“ überhebt die Wachmannschaft jeder Pflicht zur Überlegung.

b) Die Behandlung der Kriegsgefangenen ist weitgehend der Aufsicht der Wehrmacht entzogen; Nach außen wird jedoch die Verantwortung der Wehrmacht aufrechterhalten bleiben.

aa) Die Aussonderung der Zivilpersonen und politisch unerwünschten Kriegsgefangenen sowie die Entscheidung über ihr Schicksal erfolgt durch die Einsatzkommandos der : : — : : Sicherheits : : — : : polizei und des : : — : : SD nach Richtlinien, : : — : : die den : : — : : Wehrmachtstellen unbekannt : : — : : sind, und deren Einhaltung sie nicht nachprüfen können.

Randbemerkung von Feldmarschall Keitel: „sehr zweckmäßig!" und „Keineswegs!“ (betr. Unbekanntheit oder Mangel in Wachprüfungsmöglichkeiten)

bb) Die Einrichtung einer mit Stöcken, Peitschen und ähnlichen Werkzeugen ausgerüsteten Lagerpolizei widerspricht der militärischen Auffassung, auch wenn sie von Lagerinsassen ausgeübt wird; überdies geben damit die Wehrmachtstellen ein Strafmittel in fremde Hände, ohne dessen Verwendung wirklich nachprüfen zu können.

c) Durch die Schlußbemerkung der Anordnung wird den Kommandanten der Kriegsgefangenenlager nahegelegt, eher noch schärfer durchzugreifen, als die Anordnungen es vorsehen, um sicher zu sein, nicht selbst zur Verantwortung gezogen zu werden.

4. Nach allgemeinen Erfahrungssätzen fordert ungerechte Behandlung den Geist der Widersetzlichkeit heraus, so daß die Bewachung dieser Kriegsgefangenen wahrscheinlich immer schwierig bleiben wird. Schon die Anordnungen sehen für den Arbeitseinsatz für je 10 Gefangene 1 Wachmann vor, so daß schon bei der jetzigen Zahl von wohl fast 1, 5 Million einsatzfähiger Gefangenen mindestens 150 000 Mann zur Bewachung benötigt werden.

5. In Anlage 2 wird Übersetzung des russischen Erlasses über Kriegs-gefangene beigefügt, der den Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts und weitgehend auch denen des Genfer Kriegsgefangenenabkommens entspricht. Dieser Erlaß wird zweifellos von der russischen Truppe an der Front nicht beachtet, jedoch sind beide — der russische Erlaß und die deutschen Anordnungen — vornehmlich für das Heimatgebiet bestimmt. Wenngleich kaum anzunehmen ist, daß der russische Erlaß im russischen Gebiet der Sowjetunion beachtet wird, so besteht doch die Gefahr, daß die deutschen Anordnungen von der feindlichen Propaganda erfaßt und dem sowjetrussischen Erlaß gegenübergestellt werden.

6. Der für die deutsche Kriegswirtschaft lebenswichtige Wiederaufbau in den besetzten Gebieten wird erschwert. Es wird den Kriegsgefangenen, die für die Verwaltung dieser Gebiete wegen ihrer antibolschewistischen Einstellung, irgendeiner besonderen Ausbildung oder aus sonstigen Gründen verwendet werden könnten, politisch unmöglich gemacht, sich nach einer Freilassung für uns einzusetzen, selbst wenn sie es nach ihren Erfahrungen in den Kriegsgefangenenlagern noch tun wollten. Statt Spannungen innerhalb der Bevölkerung der besetzten Gebiete zur Erleichterung der deutschen Verwaltung auszunutzen, wird die Mobilisierung aller inneren Gegenkräfte Rußlands zu einer einheitlichen Feindschaft erleichtert.

7. Bei den Besonderheiten des russischen Kriegsschauplatzes muß durch den feindlichen Nachrichtendienst und durch die dort sehr schnell wirkende Flüsterpropaganda der Widerstandswille der feindlichen Truppen außerordentlich gestärkt werden.

8. Mögliche Informationsquellen werden verschüttet. Kriegsgefangene, die als innerpolitische Gegner des bolschewistischen Regimes für Ab-wehrzwecke einsatzfähig sein könnten, insbesondere Angehörige von Minderheiten, müssen jede etwa vorhandene Bereitschaft, sich anwerben zu lassen, verlieren. Das gilt besonders für die Völkerschaften des kriegswirtschaftlich entscheidenden Gebietes des Kaukasus.

9. Es entfällt die Möglichkeit, sich gegen schlechte Behandlung deutscher Wehrmachtsangehöriger in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zu wenden.

Randbemerkung Keitels: „wäre auch nutzlos“

II. Amt Ausl/Abw. ist vor Erlaß dieser Anordnung oder ihrer Vorgangsverfügung nicht beteiligt worden. Gegen sie bestehen nach Ansicht Amt Ausl/Abw. sowohl vom grundsätzlichen Standpunkt aus als auch wegen der sicherlich eintretenden nachteiligen Folgen in politischer und militärischer Hinsicht schwere Bedenken.

gez. Canaris 2 Anlagen 3

16. XXXIX. A. K. an AOK 16 am 17. 9. 1941 betr. Denkschrift an den Führer und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht „über die Möglichkeiten einer Erschütterung des bolschewistischen Widerstandes von innen her“ mit Forderung, den Kommissar-Befehl sofort aufzuheben

Gen. Kdo. XXXIX. A. K. (NOKW 2413)

17. 9. 1941 Denkschrift über die Möglichkeiten einer Erschütterung des bolschewistischen Widerstandes von Innen her Der bisherige Verlauf des Ostfeldzuges hat gezeigt, daß der bolschewistische Widerstand an Härte und Verbissenheit die meisten Erwartungen bei weitem übersteigt. Insbesondere verfügt die Rote Armee über ein Unterführerkorps, das die Mannschaften immer wieder im Angriff und Verteidigung fest zusammenhält....

Die alte Führung ist emigriert oder ausgerottet, die junge Intelligenz aus der Arbeiterklasse denkt kommunistisch. Jeder Versuch eines Um-sturzes wurde schließlich mit härtester Gewalt im Keime erstickt. Es konnte daher niemals angenommen werden, daß ein Krieg zu einer Revolution in der Sowjetunion führen werde. Der bolschewistische Staat zeitigt im Kampf die gleiche Widerstandskraft, die vergleichsweise die KPD im Kampf um die Macht im Reich aufwies. ... Im Feldzug macht sich besonders unangenehm bemerkbar, daß ... die politischen Kommissare schon deshalb weiterkämpfen, weil sie wissen, daß sie bei uns bestimmt erschossen werden. Dieses Bewußtsein kann die Kriegführung auch in Zukunft nur verschärfen. Für die gesamte russische Bevölkerung fehlt für eine klare Entscheidung jedes Bild der künftigen Entwicklung. ...

Als Sofortmaßnahme muß der Schießerlaß für politische Kommissare fallen. Solange die Kommissare sich gemeinsam gegen den sicheren Tod wehren müssen, werden sie wie Pech und Schwefel Zusammenhalten. Ja, sie werden durch unsere Drohungen auch bei sicherlich vorhandenen inneren Zwistigkeiten geradezu durch uns zusammengeschweißt. Wenn aber der einzelne Kommissar weiß, daß er als Überläufer sein Leben retten kann, wird die innere Geschlossenheit des politischen Führerkorps aufhören.

Auf weite Sicht ist aber noch viel wichtiger, dem russischen Volk eine positive Zukunft zu zeigen. ...

gez. S (Schmidt', Gen. Kdo. XXXIX. A. K.

Der Kommandierende General An AOK 16 Es wird gebeten, diese Denkschrift an den Führer und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht weiterzuleiten.

Der Kommandierende General

17. OKH /General Z. b. V. an OKW /L am 23. 9. 1941 betr. Lockerung des Kommissarbefehls

(NOKW 200) Oberkommando des Heeres H. Qu., den 23. 9. 1941 General z. b. V. beim Ob. d. H.

Geheime Kommandosache! Az. 501 Gen. z. b.

V. b. Ob.

d. H. 4 Ausfertigungen Nr. 516/41 g Kdos. 1. Ausfertigung An OKW l L zu Händen des Herrn Generalmajor Warlimont.

Betr. Politische Kommissare Bezug: OKW/WFSt/Abt. L (IV/Qu)

Nr 44 822/41 g Kdos. Chefs.

vom 6. 6. 41 Es wird gebeten, die Notwendigkeit der Durchführung des „Kommissar“ -Erlasses in der bisherigen Form im Hinblick auf die Entwicklung der Lage zu überprüfen. Von Befehlshabern, Kommandeuren und aus der Truppe wird gemeldet, daß sich eine Lockerung des Kampfwillens auf russischer Seite dadurch erreichen lasse, wenn den Kommissaren, die ohne Zweifel die Hauptträger des erbitterten und verbissenen Widerstandes seien, der Weg zur Aufgabe des Kampfes, zur Übergabe oder zum Überlaufen erleichtert würde.

Zur Zeit ist es so, daß der Kommissar auf jeden Fall sein sicheres Ende vor Augen sieht; darum kämpft eine große Zahl bis zuletzt und zwingt auch die Rotarmisten mit den brutalsten Mitteln zum erbitterten Widerstand.

Gerade in der augenblicklichen Kampflage, wo bei den hohen Ausfällen, mit der Abnahme des Zuflusses von personellen und materiellen Kräften, bei der Vermischung der Verbände, der Unsicherheit der Führung Lockerungserscheinungen auf russischer Seite da und dort sich zu zeigen beginnen, könnte eine Lähmung des allgemeinen Kampfwillens durch Brechung des Widerstandes der Kommissare nicht unerhebliche Erfolge zeitigen und unter Umständen viel Blut sparen.

Die Erreichung des Zieles müßte in geeigneter Form mit propagandistischen Mitteln verschiedenster Art angestrebt werden.

Auch der Oberbefehlshaber des Heeres glaubt, daß die vorstehenden Auffassungen, die ihm persönlich bei allen Heerestruppen vorgetragen worden sind, vom militärischen Standpunkt aus durchaus beachtlich sind und eine Über-prüfung der bisherigen Behandlungsweise der Kommissare zweckmäßig erscheinen lassen.

i. A.

gez. Müller Nach Abgang an:

Operations-Abteilung Heerwesen-Abteilung Handschrift 1. Randbemerkung v. Jodl: „Der Führer hat jede Änderung der bisher erlassenen Befehle für die Behandlung der polit. Kommissare abgelehnt. J. 26. /9."

handschr. Vermerk von Jodl: „Als FS 26. 9. an OKH/Gen. z. b. V. v. OKW/WFSt Abt. L"

18. Tagebucheintrag Jodls vom 6. 5. 1942 betr. probeweise Lockerung des Kommissarbefehls durch Führerbefehl Lockerung des Kommissarbesehls 6. 5. 1942 (PS 1807)

Lim die Neigung zum Überlaufen und zur Kapitulation eingeschlossener sowjetrussischer Truppen zu steigern, befiehlt der Führer, daß den sowjetischen Kommandeuren, Kommissaren und Politruks zunächst versuchsweise in solchen Fällen die Erhaltung ihres Lebens zugesichert werden kann.

(Jodl: Tgb. 6. 5. 42)

Betr.: Behandlung politischer Kommissare.

Betr.: Behandlung politischer Kommissare. 19. OKW/AWA/Krigsgef. an unterstellte Einheiten Juni 1942 betr. Aussonderung von Kommissaren und Politruks zur Verwahrung, Aufhebung der Sonderbehandlung (NOKW 040) OKW Az 2 f 24 73 AWA/Kriegsgef. Allg. (A)

Nr. 92/42 gKdos. Abschrift o. D. (Juni 1942) Betr.: Verhalten gegenüber Kommissaren und Politruks Um jede Verzögerung im Abtransport der neu anfallenden Kriegsgefangenen ins Reich zu verhindern, wird künftig die Aussonderung der Kommissare und Politruks durch Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei nur noch im Generalgouvernement vorgenommen . . . (Verweisung auf Verfügung vom 24. 3. 42/Ziff. 9 bestimmt Aus-sonderung politisch Unerwünschter durch Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD) ...

Die von den SD-Kommissionen Ausgesuchten werden künftig in hierfür besonders vorbereitete Lager der Sicherheitspolizei ins Generalgouvernement oder ins Reich überführt und bleiben dort in Verwahrung. Sonderbehandlung wie bisher findet nicht mehr statt, es sei denn, daß es sich um Leute handelt, denen eine strafbare Handlung wie Mord, Menschenfresserei und dergleichen nachgewiesen ist ...

gez. i. A. Reinecke 20. Oberbefehlshaber des Heeres /General z. b. V. an Heeresgruppen und Armeen Mai 1941 (Entwurf betr. Behandlung feindlicher Landeseinwohner und Straftaten Wehrmachtsangehöriger gegen feindliche Landeseinwohner im Operationsgebiet „Barbarossa")

Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet „Barbarossa“

Entwurf des Gen. z. b. V. beim Ob. d. H. /Mai 1941 NOKW 209 Ob. d. H.

gKdos. Chefs.

Az. Gen. z. b. V. b. Ob. d. H.

Nr. 75/41 gKdos.

Andie OBs d. HGrn A, B und C OBs der 2., 4., 6., 9., 11., 16., 17. u. 18. Armee und der Armee Norwegen Betr.: Behandlung feindlicher Landeseinwohner und Straftaten Wehrmachtsangehöriger gegen feindliche Landeseinwohner im Operationsgebiet des Unternehmens „Barbarossa“

Die weite Ausdehnung der östlichen Operationsräume, die Art der hierdurch bedingten Kampfführung und die Besonderheit des Gegners stellen die Wehrmachtgerichte vor Aufgaben, die sie während des Verlaufs der Kampfhandlungen und bis zur ersten Befriedung des eroberten Gebietes bei ihrem geringen Personalbestand nur zu lösen vermögen, wenn sich die Gerichtsbarkeit zunächst auf ihre Hauptaufgabe beschränkt. Das ist nur möglich, wenn die Truppe selbst sich gegen jede Bedrohung durch die feindliche Zivilbevölkerung schonungslos zur Wehr setzt.

Auf Grund der mir vom Führer und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht erteilten Weisungen bestimme ich deshalb für die Durchführung des Unternehmens „Barbarossa“:

I. Behandlung feindlicher Landeseinwohner Angriffe jeder Art von Landeseinwohnern gegen die Wehrmacht sind mit der Waffe sofort und unnachsichtlich mit den härtesten Mitteln niederzuschlagen. Landeseinwohner, die als Freischärler an den Feindseligkeiten teilnehmen oder teilnehmen wollen, die durch ihr Auftreten eine unmittelbare Bedrohung der Truppe bedeuten oder die sonst durch irgendeine Tat sich gegen die deutsche Wehrmacht auflehnen (z. B. Gewalttaten gegen Wehrmachtsangehörige oder Wehrmachtseigentum, Sabotage, Widerstand) sind im Kampf oder auf der Flucht zu erschießen . . .

Handschriftliche Randbemerkung: „geht weiter als WR *.

II. Lockerung des Verfolgungszwanges bei Straftaten Heeresangehöriger gegen feindliche Landeseinwohner 1. Strafbare Handlungen, die Heeresangehörige aus Erbitterung über Greueltaten oder die Zersetzungsarbeit der Träger des jüdisch-bolschewistischen Systems begangen haben, sind nicht zu verfolgen, soweit nicht im Einzelfalle die Aufrechterhaltung der Manneszucht ein Einschreiten erfordert.

Es bleibt unter allen Umständen Aufgabe aller Vorgesetzten, willkürliche Ausschreitungen einzelner Heeres (handschriftl. geändert:

Wehrmachts) angehöriger zu verhindern und einer Verwilderung der Truppe vorzubeugen. Der einzelne Soldat darf nicht dazu kommen, daß er gegenüber Landeseinwohnern tut und läßt, was ihm gut dünkt, sondern er ist in jedem Falle gebunden an die Befehle seiner Vorgesetzten. ...

2. Im übrigen bleibt es bei der Ahndung strafbarer Handlungen von Heeresangehörigen wie bisher. .. 21. Oberbefehlshaber des Heeres /General z. b. V. an Heeresgruppen und Armeen am 24. 5. 1941. Betr. Behandlung feindlicher Zivilpersonen und Straftaten Wehrmachtsangehöriger gegen feindliche Zivilpersonen (Zusatzschreiben zum beigefügten Erlaß über Einschränkung der Kriegsgerichtsbarkeit) — „Disziplinar-Erlaß" (NOKW 3 3 57) Der Oberbefehlshaber des Heeres Hauptquartier OKH, den 24. Mai 1941 Az. Gen. z. b. V. b. Ob. d. H. (Gr. R Wes)

Nr. 80/41 g Kdos Chefs.

340 Ausfertigungen 133. Ausfertigung — Nach besonderem Verteiler — Betr.: Behandlung feindlicher Zivilpersonen und Straftaten Wehrmachtsangehöriger gegen feindliche Zivilpersonen.

Nachstehender Führererlaß wird bekanntgegeben. Er ist schriftlich bis zu den Kommandeuren mit eigener Gerichtsbarkeit zu verteilen, darüber hinaus sind seine Grundsätze mündlich bekanntzugeben.

Zusätze zu I:

Ich erwarte, daß alle Abwehrmaßnahmen der Truppe zielbewußt zur eigenen Sicherung und zur schnellen Befriedung gewonnenen Gebiets durchgeführt werden. Der Vielgestaltigen volkstumsmäßigen Zusammensetzung der Bevölkerung, ihrer Gesamteinstellung und dem Maße ihrer Verhetzung wird Rechnung zu tragen sein.

Bewegung und Kampf mit der feindlichen Wehrmacht sind eigentliche Aufgabe der Truppe. Sie verlangt vollste Sammlung und höchsten Einsatz aller Kräfte. Diese Aufgabe darf an keiner Stelle in Frage gestellt sein. Besondere Such-und Säuberungsaktionen scheiden daher im allgemeinen für die kämpfende Truppe aus.

Die Richtlinien des Führers befassen sich mit schweren Fällen der Auflehnung, in denen schärfstes Durchgreifen geboten ist. Straftaten geringerer Art sind je nach den Kampfverhältnis-sen nach näherer Anordnung eines Offiziers (möglichst eines Ortskommandanten) durch Behelfsmaßnahmen zu sühnen (z. B. vorübergehendes Festsetzen bei knapper Verpflegung, Anbinden, Heranziehen zu Arbeiten).

Die Oberbefehlshaber der Heeresgruppe bitte ich vor Wiedereinführung der Wehrmachtsgerichtsbarkeit in befriedeten Gebieten meine Zustimmung einzuholen. Die Oberbefehlshaber der Armeen werden rechtzeitig Vorschläge in dieser Richtung zu machen haben.

Über die Behandlung politischer Hoheitsträger ergeht besondere Regelung. Zusätze zu II:

Unter allen Umständen bleibt es Aufgabe aller Vorgesetzten, willkürliche Ausschreitungen einzelner Heeresangehöriger zu verhindern und einer Verwilderung der Truppe rechtzeitig vorzubeugen. Der einzelne Soldat darf nicht dahin kommen, daß er gegenüber den Landeseinwohnern tut und läßt, was i h m gut dünkt, sondern er ist in jedem Falle gebunden an die Befehle seiner Offiziere. Ich lege beson-deren Wert darauf, daß hierüber bis in die letzte Einheit Klarheit besteht. Rechtzeitiges Eingreifen jedes Offiziers, insbesondere jedes Kompanie-Chefs usw. muß m i t h e 1 f e n, die Manneszucht, die Grundlage unserer Erfolge, zu erhalten.

Vorgänge nach 1 und II, die von Bedeutung sind, sind von der Truppe als besondere Vorkommnisse an OKH zu melden.

gez. von Brauclutsdi 22. Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht: Erlaß vom 13. 5. 1941 über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ,, Barbarossa“ und über besondere Maßnahmen der Truppe (NOKW 3357)

Der Führer Führerhauptquartier, den 13. Mai 1941 und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit irn Gebiet „Barbarossa" und über besondere Maßnahmen der Truppe Die Wehrmachtsgerichtsbarkeit dient in erster Linie der Erhaltung der Manneszucht.

Die weite Ausdehnung der Operationsräume im Osten, die Form der dadurch gebotenen Kampfesführung und die Besonderheit des Gegners stellen die Wehrmachtgerichte vor Aufgaben, die sie während des Verlaufs der Kampfhandlungen und bis zur ersten Befriedung des eroberten Gebietes bei ihrem geringen Personalbestand nur zu lösen vermögen, wenn sich die Gerichtsbarkeit zunächst auf ihre Hauptaufgabe beschränkt.

Das ist nur möglich, wenn die Truppe selbst sich gegen jede Bedrohung durch die feindliche Zivilbevölkerung schonungslos zur Wehr setzt.

Demgemäß wird für den Raum „Barbarossa“ (Operationsgebiet, rückwärtiges Heeresgebiet und Gebiet der politischen Verwaltung) folgendes bestimmt: • I.

Behandlung von Straftaten feindlicher Zivilpersonen 1. Straftaten feindlicher Zivilpersonen sind der Zuständigkeit der Kriegsgerichte und der der Standgerichte bis auf weiteres entzogen.

2. Freischärler sind durch die Truppe im Kampf oder auf der Flucht schonungslos zu erledigen.

3. Auch alle anderen Angriffe feindlicher Zivilpersonen gegen die Wehrmacht, ihre Angehörigen und das Gefolge sind von der Truppe auf der Stelle mit den äußersten Mitteln bis zur Vernichtung des Angreifers niederzukämpfen.

4. Wo Maßnahmen dieser Art versäumt wurden oder zunächst nicht . möglich waren, werden tatverdächtige Elemente sogleich einem Offizier vorgeführt. Dieser entscheidet, ob sie zu erschießen sind.

Gegen Ortschaften, aus denen die Wehrmacht hinterlistig oder heimtückisch angegriffen wurde, werden unverzüglich auf Anordnung eines Offiziers in der Dienststellung mindestens eines Bataillons-usw. Kommandeurs kollektive Gewaltmaßnahmen durchgeführt, wenn die Umstände eine rasche Feststellung einzelner Täter nicht gestatten.

5. Es wird ausdrücklich verboten, verdächtige Täter zu verwahren, um sie bei Wiedereinführung der Gerichtsbarkeit über Landeseinwohner an die Gerichte abzugeben.

6. Die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen können im Einvernehmen mit den zuständigen Befehlshabern der Luftwaffe und der Kriegsmarine die Wehrmachtsgerichtsbarkeit über Zivilpersonen dort wieder einführen, wo das Gebiet ausreichend befriedet ist.

Für das Gebiet der politischen Verwaltung ergeht diese Anordnung durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht.

II.

Behandlung der Straftaten von Angehörigen der Wehrntacht und des Gefolges gegen Landeseinwohner 1. Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.

2. Bei der Beurteilung solcher Taten ist in jeder Verfahrenslage zu berücksichtigen, daß der Zusammenbruch im Jahre 1918, die spätere Leidenszeit des deutschen Volkes und der Kampf gegen den Nationalsozialismus mit den zahllosen Blutopfern der Bewegung entscheidend auf bolschewistischen Einfluß zurückzuführen war und daß kein Deutscher dies vergessen hat.

3. Der Gerichtsherr prüft daher, ob in solchen Fällen eine disziplinare Ahndung angezeigt oder ob ein gerichtliches Einschreiten notwendig ist. Der Gerichtsherr ordnet die Verfolgung von Taten gegen Landeseinwohner im kriegsgerichtlichen Verfahren nur dann an, wenn es die Aufrechterhaltung der Manneszucht oder die Sicherung der Truppe erfordert. Das gilt z. B. für schwere Taten, die auf geschlechtlicher Hemmungslosigkeit beruhen, einer verbrecherischen Veranlagung entspringen oder ein Anzeichen dafür sind, daß die Truppe zu verwildern droht. Nicht milder sind in der Regel zu beurteilen Straftaten, durch die sinnlos Unterkünfte sowie Vorräte oder anderes Beutegut zum Nachteil der eigenen Truppe vernichtet wurden.

Die Anordnung des Ermittlungsverfahrens bedarf in jedem einzelnen Fall der Unterschrift des Gerichtsherrn.

4. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Aussagen feindlicher Zivilpersonen ist äußerste Vorsicht geboten.

, III.

Verantwortung der Truppenbefehlshaber Die Truppenbefehlshaber sind im Rahmen ihrer Zuständigkeit persönlich dafür verantwortlich:

1. daß sämtliche Offiziere der ihnen unterstellten Einheiten über die Grundsätze zu I rechtzeitig in der eindringlichsten Form belehrt werden.

2. daß ihre Rechtsberater von diesen Weisungen und von den mündlichen Mitteilungen, in denen den Oberbefehlshabern die politischen Absichten der Führung erläutert worden sind, rechtzeitig Kenntnis erhalten. 3. daß nur solche Urteile bestätigt werden, die den politischen Absichten der Führung entsprechen.

IV.

Geheinischutz Mit der Enttarnung genießt dieser Erlaß nur noch Geheimschutz als: : — : : Geheime Kommandosache. : : — : :

hn Auftrage Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht gez. Keitel F. d. R.

Unterschrift (uni.) ------------------Major d. G. Berichtigung In der Beilage zum „Parlament“ vom 29. Mai 1954 BXX/54 Seite 245 befindet sich unter dem Titel „Der Landesverrat“ eine dem Generaladmiral Boehm in den Mund gelegte Bemerkung, wonach dieser geschrieben haben soll, General Oster habe zu Recht den Tod verdient.

Die Europäische Publikation stellt fest, daß der Generaladmiral Boehm eine solche Äußerung weder brieflich noch mündlich getan und daß der Sprecher, Generalmjr.

a. D. v. Witzleben sich geirrt hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hitler am 3. 3. 1941: „Die sozialistische Idee sei aus dem heutigen Ruß-land nicht mehr wegzudenken. Sie könne allein die innerpolitische Grundlage bei der Bildung neuer Staaten und Regierungen sein. Die jüdisch-bolschewistische Intel-

  2. Hitler am 3. 3. 1941: „Ob es nötig sei auch schon im Operationsgebiet des Heeres neben der Geheimen Feldpolizei Organe des Reichsführers SS einzusetzen, müsse mit diesem geprüft werden. Die Notwendigkeit, alle Bolschewistenhäuptlinge und Kommissare sofort unschädlich zu machen, spreche dafür.“ (H. Greiner a. a. O. S. 370) — Halder nach Vortrag des Generalquartiermeisters Wagner am 5. 3. 1941: „Wagner Gen. Qu: Entwurf einer Verfügung d. OKW über Organisation der Ver-AUS

  3. Aktennotiz der Abt. La/WFSt/OKW v. 1. 5 1941 (Dok. NOKW 2504). — Vgl. auch Weisung des Reichsführers SS betr. Sonderauftrag des Führers (NOKW 2147).

  4. Jahrelange antibolschewistische Hetze hatte für diese Argumentation das geistige Klima bereitet. Daß dafür die Taten des sowjetischen Systems reichlich Nahrung lieferten, steht außer Zweifel. Dennoch war dieses Bild tendenziös verzerrt und von nationalistischen Vorurteilen gefärbt.

  5. Vgl. General v. Hartmanns These vom Realismus des Krieges (1877). — Einen kurzen Abriß der Lehrgeschichte seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gibt der Aufsatz „Der Zweite Weltkrieg und das Recht" von H. Laternser in „Bilanz des Zweiten. Weltkrieges" (Oldenburg 1953, S. 407 ff). Danach habe auch die 1902 im Auftrag des Generalstabes heuausgegebene Schrift „Kriegsbrauch im Landkrieg“ (Heft 31 der Kriegsgeschichtlichen Einzelschriften) die Auffassung vertreten, daß im Zweifelsfalle Kriegsnotwendigkeit vor Kriegsrecht gehe. — Mit diesem Argument zwang übrigens Churchill den Befehlshaber der britischen Mittelmeerflotte, am 3. Juli 1940 die in Oran liegende französische Schlachtflotte zu überfallen und zu zerstören, als deren Admiral die Aufforderung zur Übergabe zurückwies.

  6. Der im Dokumentenanhang (Nr. 20) abgedruckte Entwurf v. Mai 1941 wurde am 6. 5. 1941 dem OKW eingereicht (vgl. Schreiben der Wehrmachtsrechtsabteilung v. 9. 5. 1941 an Chef WFSt — Dok. NOKW 209) und von dessen Rechtsabteilung weiter bearbeitet 1t. Aussage von Generaloberstabsrichter Dr. Lehmann (OKW PR 9348 f.).

  7. S. Akten des OKW-Prozesses (OKW PR 9348 f.).

  8. Keitel: „Schließlich hat Hitler diese Richtlinien mehr oder weniger selbst bearbeitet und ihnen den Sinn gegeben, den er wollte“. (Aussage vor dem Internationalen Militär-Tribunal in Nürnberg zit. IMT Bd. X S. 595).

  9. Tagebucheintrag Generaloberst Halders am 6. 5. 1941: „Gen. z. b. V Müller mit Oberstkriegsgerichtsrat: a) Befehl an die Truppen im Sinne der letzten Führeransprache an die Generale. Truppe muß den weltanschaulichen Kampf mit durchfechten bei Ostfeldzug. b) Fragen der Gerichtsbarkeit im rückwärtigen Heeresgruppengebiet, c) Lockerung der festen Bindungen über Todesurteile gegen Heeresangehörige während der Operationen“. (Halder Tgb. 6. 5. 1941).

  10. Dr. P. Leverkühn bei der Verteidigung Feldmarschall v. Mansteins: „Die ganze Grundlage des Repressalienrechts . . . besteht in dem Grundsatz des Völkerrechts: Die Verpflichtung der einen Seite hört auf. wenn die andere Seite sie bricht“. (P. Leverkühn a. a. O. S. 19). Damit ist freilich die Problematik der Repressalie nicht erschöpft!

  11. S. Dokumentenanhang Nr. 5.

  12. S. Dokumentenanhang Nr. 20 und 22.

  13. Z. B. Feldm. v. Bode „ 4. 6. 1941. Eine Verfügung des Oberkommandos der Wehrmacht regelt das Verhalten der Truppe gegenüber der russischen Zivilbevölkerung. Sie ist so gehalten, daß sie praktisch jedem Soldaten das Recht gibt, auf jeden Russen, den er für einen Freischärler hält — oder zu halten vorgibt — von vorne oder von hinten zu schießen. Jeden Zwang zur Ahndung in dieser Richtung liegender Verbrechen lehnt die Verfügung ab, auch dann, , wenn ein militärisches Verbrechen oder Vergehen vorliegt'. Brauchitsch hat eine Ergänzung zu dieser Verfügung gegeben, die sie wohl abschwächen soll, was aber nur unvollkommen gelingt. . . Greiffenberg, der gerade beim OKH ist, gebe ich den Auftrag . . . festzustellen, ob die angekündigten Bestimmungen wesentliche Änderungen der Verfügung bringen. Ist das nicht der Fall, so soll Greiffenberg dem Obd. H. melden, daß nach meiner Auffassung die Verfügung in dieser Form untragbar und mit der Manneszucht nicht vereinbar ist. ... 7. 6. 1941. Da bis heute eine Antwort auf meinen Vorstoß am 4. 6. gegen die Verfügung über die Behandlung der russischen Zivilbevölkerung noch nicht da ist. rufe ich Brauchitsch an und mache den positiven Vorschlag, wie man den Befehl in eine auch für den Truppenoffizier verständliche und für das Heer tragbare Form bringen kann. Nach einer Stunde ruft Brauchitsch wieder an und erklärt, daß man das, was ich wolle, aus der Verfügung herauslesen könne und daß sie so gemeint sei, wie ich sie ausgelegt wissen wolle . . .“ (Persönl. Aufzeichnungen des Feldmarschalls v. Bock).

  14. S. Dokumentenanhang Nr. 4.

  15. Zur Vorgeschichte der im Dokumentenanhang auszugsweise abgedruckten „Denkschrift über die Möglichkeiten einer Erschütterung des bolschewistischen Widerstandes von innen her“, verfaßt vom Kommandierenden General des XXXIX. A. K. (NOKW 2413) teilte Generaloberst a. D. Schmidt mit:

  16. Vgl. im Dokumentenanhang Nr. 13, 14 und 16. — Tätigkeitsbericht des Ic der 3 5. I. D. v. 22. 6. 1941 — 10. 11. 1942: „Die jahrelange Bearbeitung des russischen Volkes schon vor dem Krieg und die intensiv betriebene Greuelpropaganda während des Krieges hatte zur Folge, daß der einzelne Soldat bis zuletzt gekämpft hat und sich besonders zu Anfang des Feldzuges nicht gefangennehmen ließ. Der Grund des Kampfwillens ist vorwiegend darin zu suchen, daß beim Feinde frühzeitig bekannt wurde, wie die Kommissare und politischen Leiter in deutscher Gefangenschaft behandelt werden. Man hat den Fehler begangen, sogar in deutscher Flugblattpropaganda darauf hinzuweisen. Zweckmäßig wäre es gewesen, die Behandlung der Kommissare

  17. Vgl. die in Anm. 28 genannten Dokumente aus dem Anhang! — Aus einem Feldpostbrief v. 26. Juli 1942: „Kommissare sind auch hier gewesen, doch sind alle entweder gefallen oder sie haben sich, wie wir beobachten konnten, selbst vernichte*.''

  18. Zit. bei P. Leverkühn a. a. O. S. 23.

  19. „Telegramme de Moscou, du 8 aoüt 1941. Huber president du CICR Geneve. En reponse ä votre No 7162 le Commissariat du Peuple aux Affaires etrangcres a l'honneur, d’ordre du Gouvernement sovitique, de vous faire part oue le Gouvernement sovietique a dj informe par sa note du 17 juillet dernier le Gouvernement de Suede, qui represente les intrts de 1URSS en A, magne, que l'Union sovietique considere cornrne obligatoires pour soi les regles i e la guerre qui sont exposes dans la IVe Convention de la Haye du 18 octobre 1907 concernant les lois eet coutumes de la guerre sur terre, sous condition obligate re que les reglis susmentionnees soient observees dans la guerre par lAllemagne et ses allies, le Gouvernement sovietique consent ä Pechange des indications des Prison niers de guerre blesss et malades dans 1 ordre prvu par les dispositions de 1 artice 14 de l’annexe ä ladite Convention ainsi que par l'article 4 de la Convention de Geneve du 26 juillet 1929 pour l’amelioration du sort des blesses et des malades dans les armees en Campagne. . . „ gez. Vychinski, Commissaire du Peuple adjoint aux Affaires etrangeres.

  20. Rapport du Comite international de la Croix Bouge . . . Vol. I, S. 431. — Vgl. auch den Bericht des Delegierten des CICR. Dr. Junod über seine im OKW mit General Reinecke und mit der sowjetrussischen Gesandtschaft in Ankara gerührten Verhandlungen zur Verbesserung des Loses der Kriegsgefangenen, die bei jeder Partei an der Bedingung der Gegenseitigkeit scheiterten d. h. an der mangelnden Bereitschaft, jeweils den ersten Zug selbst zu tun. (M. Junod: „Kämpfer beidseits der Front“. Europa-Verlag Zürich 1947, S. 240).

  21. LI. v. Hassell: „Vom anderen Deutschland“ Zürich 1947, S. 300.

  22. Vgl. Stalins Aufruf v. 3. 7. 1941 zum Partisanenkrieg (Wortlaut bei W. Ulbricht: „Zur Geschichte der Neuesten Zeit“. Berlin 195 5, 2. Bd., S. 349 f. — Im Auszug bei A. Guillaume: „Warum siegte die Rote Armee?“ Baden-Baden 1950, S. 217). Stalin betonte in dieser sehr vaterländisch-national gestimmten Proklamation: „Den Krieg gegen das faschistische Deutschland darf man nicht als gewöhnlichen Krieg betrachten.“

  23. Die Stelle des uniformtragenden politischen Kommissars bei der Roten Armee wurde im Bürgerkrieg geschaffen. Er überwachte die politische Loyalität der (meist zaristischen) Offiziere, erhielt mit dem Recht der Gegenzeichnung der Befehl einen Teil der Kommandogewalt und konnte sogar Befehle umstoßen (vgl. Stalins Rolle bei der Verteidigung Zarizyns). 1925— 37 war der Kommissar bei der Truppe nur noch Stellvertreter und politischer Berater. Während der großen Säuberung (ab 1937) bis zur Reorganisation der Roten Armee nach dem Finnischen Feldzug (1940/41) erhielt der Kommissar die alte maßgebende Position, fiel dann wieder auf die Stellvertreter-Rolle zurück bis Juli/August 1941. Die nun einsetzende militärische Krise gab den Kommissaren die alte Macht zurück. Seit Ende 1942 sind sie wieder Stellvertreter und politische Berater.

  24. § KSSVO lautet:

  25. Zur Frage der Berechtigung „präventiver" Repressalien: „Es ist allgemein anerkannt, daß der Verhängung von Vergeltungs-und Abschreckungsmaßnahmen eine angemessene Untersuchung in Bezug auf Tat und Täter der völkerrechtswidrigen Vor-Handlung vorausgegangen sein muß.“ (H. Laternser: „Verteidigung deutscher Soldaten,“ Wiesbaden 1950, Seite 76).

  26. Jodl hat sich in den lezten Tagen des OKW zur Frage der Haftung für Völker-rechtsbrüche geäußert: „ 17. — 22. Mai 1954.... Bei Frage der Kriegsverbrechen ist der § 47 des Militärstrafgesetzbuches heranzuziehen. , Kann ein Untergebener verantwortlich gemacht werden, ob er den Befehl seines Vorgesetzten befolgt hat oder nicht? Es erhebt sich die Frage: Welches Gesetz steht moralisch höher, das Gesetz, im Kriege alles einzusetzen für den Sieg seines Volkes, oder die Einhaltung der international geschlossenen Verträge der Kriegführung?'Eines steht nach Ansicht von Jodl fest: , Es ist nichts, was die internationalen Abmachungen verletzte, bei uns aus Machtlust geschehen, sondern weil es Hitler für notwendig für den Sieg gehalten hat. Und ist in diesem Falle ein Soldat verpflichtet zu sagen: Diesen Befehl führe ich nicht aus?,.. .“ (Auszug aus dem improvisierten Kriegstagebuch der Operationsabteilung Heer im Wehrmachtsführungsstab des OKW bei J. Schultz: „Die letzten 30 Tage". Steingrüben-Verlag Stuttgart 1951, S. 129 ff.).

  27. v. Ammon: „Der bindende rechtswidrige Befehl.“ Strafrechtliche Abhandlungen Nr. 217, Breslau 1926.

  28. gemeint ist: weitgehender als Entwurf der Wehrmachtsrechtsabteilung im OKW.

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