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Eine Frau erzählt | APuZ 42/1957 | bpb.de

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APuZ 42/1957 Eine Frau erzählt

Eine Frau erzählt

GRETE SALUS

ZUR GESCHICHTE DES MANUSKRIPTES Der Bericht entstand teilweise in Oederan, teilweise nach der Befreiung in den Monaten Mai/Juni 1945. Damals besuchte mich ein alter Freund, Angehöriger der Jewish Anny. Ihm erzählte ich alles, was ich erlebt batte, und e: war es, der mir riet, meine Erlebnisse niederzuschreiben. Ich folgte seinem Rat und schrieb Tag und Nacht. Damals wohnte ich in Prag, im 6. Stock eines Hauses, ganz allein. Oft hatte ich auf der Terrasse vo meinem Zimmer gestanden und hinausgeschaut. Es gab keine Freunde, keine Verwandten mehr, von meiner ganzen eigenen Familie lebte nur noch mein Bruder in Israel. Das Schreiben half mir. Der Bericht bliev in der Schublade liegen. Als ich nach Israel auswanderte, nahm ich ihn mit mir. Jahre vergingen. Durch einen Zufall traf ich in Israel Graf von Spreti, heute Gesandter der Bundesrepublik in Luxemburg, der uns vor dem Kriege in Prag einige Male besucht hatte. Er bat mich zu erzählen. Da nur sehr wenig Zeit zur Verfügung stand, erinnerte ich mich des Manuskriptes und gab es ihm mit den Worten: „Da, lesen Sie." Niemand hatte es außer meinem Bruder bisher gelesen. Durch die Vermittlung von Graf von Spreti aber werden es nunmehr viele lesen.

Auf dem Transport

Dm Baum, wie schön, wie stolz, wie frei . . .

Eigentümlich, wie viele Häute der Mensch zum Schutze seiner selbst trägt. Die erste ist noch sehr empfindlich und weicht dem ersten Anhauch. Die darunter ist schon widerstandsfähiger und so fällt eine nach der anderen, bis die letzte bleibt, die ihn dann wie ein fester Panzer umgibt. Dieser Panzer umschließt aber auch schon einen anderen Menschen, denn mit jeder Haut fiel ein Stück lebender Substanz.

Wenn das Grauenhafte ganz am Anfang mit voller Wucht auf uns eingestürmt wäre, es uns unvorbereitet getroffen hätte, wären wir alle unterlegen. So konnten einige sich retten, aber welchen Preis mußten sie dafür zahlen, was sahen sie alles, was taten sie alles, wie müssen sie sich jetzt damit herumschlagen, um wieder langsam Stück für Stück den alten Menschen aus sich herauszuholen. Jetzt spüren wir erst die Wunden, die man uns geschlagen, die feste Haut ist auf einmal nicht mehr da, ja unser Inneres hat sich gleichsam nach außen gestülpt und zuckt zurück vor jeder Berührung mit dieser Welt.

Oft fragt man uns: „Habt ihr Euch denn nie gewehrt? Ihr ward doch eine Masse gegen ein Häuflein Eurer Peiniger.“

Niemand kann ermessen, der es nicht selbst erlebt hat, was es hieß, eingeschlossen zu sein in dieses System kalter, planmäßiger Vernichtung, einer Vernichtung mit den raffiniertesten und perversesten Mitteln. Man hat uns präpariert, langsam jedes eigene Leben in uns ertötet und vor allem die Selbstachtung zerstört. Lind wir waren so überzeugt Sie können uns die Selbstachtung nicht nehmen, mögen sie tun. was sie wollen Lind wir glaubten es, um das Weinen in uns zu übertönen.

Wir haben es nur allzubald an der eigenen Haut gespürt innerhalb unserer engen Notgemeinschaft. Wehren — wehren konnten wir uns nicht mehr, nicht einmal gegen unsere eigenen Leute. Ja am Anfang dieses Weges, da hätten wir uns gewehrt, aber da war noch nichts, auf das man losgehen konnte, da hatte es noch keine Gestalt und keine Wirklichkeit. Da hätten wir noch gekämpft und wären ehrenvoll unterlegen. Später hatte man leichtes Spiel mit uns, wir wurden Marionetten in einem fürchterlichen Puppenspiel. Wir wurden meisterhaft in Bewegung gesetzt und gegeneinander ausgespielt. Auch die Besten von uns wurden endgültig hereingezogen in dieses frevelhafte Spiel und wir halfen selbst mit an unserem eigenen Untergang. Wie wäre es denn sonst möglich gewesen, daß wir noch im Oktober 1944 ganz ahnungslos in den Tod hineingingen. Überall wußte man schon von dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, nur wir in unserem warmen Sumpf Theresienstadt wußten von nichts. LInsere besten Jungen gingen sogar ganz frohgemut; „Aha, sie brauchen uns für die Arbeit" war die Rede und sie spürten bereits Morgenluft. Ja, Morgenluft, aber nicht für sie, denn die wenigsten überlebten Auschwitz. Dann gingen ihnen noch ihre Frauen nach, freiwillig und fanden dasselbe Schicksal. So gut dressiert waren wir und so wenig Arbeit machten wir unseren Peinigern.

Als wir in die Viehwaggons hineingestoßen wurden, die Türen sich hinter uns schlossen, um sich erst wieder in Auschwitz zu öffnen, griff wohl kalte Angst nach uns und entpreßte meinem Manne die Worte: „So, jetzt sind wir in der Falle“. Aber schon begannen wir, uns auch dieser Situation anzupassen, schichteten fein sorgfältig die Gepäckstücke und richteten uns häuslich ein. Ganz mechanisch, gewohnheitsmäßig taten wir das; auch in einem Waggon mit 5 8 Menschen und Gepäckstücken vollgepreßt, mit einem Kübel zur Verrichtung der Notdurft und einem Krug Trinkwasser, fanden wir irgendwo Raum für unsere Körper. Wo viele Kranke und Kinder waren, gab es natürlich panikartige Stimmungen. In unserem Zuge waren viele Kranke und allein 300 elternlose Kinder. Ein kleines Mädchen, mit einer Puppe auf dem Rücken — so groß wie sie selbst — sah ich einsteigen, ein süßes winziges Ding. Wir fuhren 32 Stunden, einen Nachmittag, eine Nacht und einen Tag. Im Waggon waren zwei kleine Gucklöcher und da stand immer einer, um zu berichten, wo ungefähr wir uns befänden. Wenn zufällig draußen jemand vorüberging, riefen wir mit angstgepreßten Stimmen, „wohin fahren wir, bitte sagen sie uns, wohin wir fahren“.

Unterdessen floß der Kübel mit Unrat über, machte das Trinkwasser unbrauchbar, beschmutzte unser Gepäck und uns selbst. Unruhe wechselte mit müder Stumpfheit. Die besonders Geschickten hatten sich allmählich ein Plätzchen zum Liegen zurecht geschoben, andere konnten kaum stehen. Einer schlief etwas erhöht über mir, ein großer, schwerer Mann, und im Schlaf fiel er immer über mich, nachdem auch ich für Minuten in einen Halbschlummer gesunken war. Das entnervte mich so (noch heute schäme ich mich dessen), daß ich anfing zu weinen, das letzte Mal während der ganzen Konzentrationshaft Resultat, daß mein Mann um einen Platz für mich kämpfte. Immer werde ich es vor mir sehen, das arme verstörte Gesicht meines Mannes. Das mußte furchtbar für einen Mann sein, seine Frau und Kinder so leiden zu sehen, ohne helfen zu können. Da waren Männer, die im Kriege gekämpft hatten und da waren sie doch Männer unter sich und jetzt mit Frauen und Kindern, das raubte ihnen die letzte Kraft, so daß wir Frauen oftmals die Stärkeren sein mußten.

Wenn die Gefahr von überall lauert, Du nicht weißt, von wo sie kommt und wie sie aussieht, eingesperrt bist in einen fahrenden Kasten, in dem Du kaum atmen kannst, wo einer den anderem fast erdrückt mit seinem Haß und seiner Körperlichkeit, da kannst Du Dich nur hineinflüchten in rettende Stumpfheit.

Wir fuhren durch Schlesien, was konnte das anderes bedeuten,'als Birkenau-Auschwitz.

Wir wußten nur von Birkenau, daß man vom Manne getrennt und durchsucht wurde, von da ging es weiter in die verschiedenen Arbeitslager. Der Gedanke an die Trennung war bitter, war man doch schon einen langen schweren Weg gemeinsam gegangen, aber man tröstete sich, es wird nicht mehr lang dauern, machte einen Plan, wo und wie man sich nach dem Krieg treffen und Nachricht geben würde.

So hilft sich der Mensch, klammert sich an irgend etwas, verliert es, greift nach etwas anderem und erliegt immer wieder einer Selbsttäuschung, die ihn hält. Ich kann kein Heldenepos des Menschen schreiben, so gerne ich es auch täte. Ja, ich kann nur sagen, nie soll der Mensch soviel aushalten müssen, wie er aushalten kann und nie soll ein Mensch sehen müssen, wie dieses Leiden höchster Potenz nichts Menschliches mehr hat. Es gibt wohl Momente, wo sich die Menschen aneinanderklammern, einander stützen, aber nur dann, wenn alle nackt sind und nichts haben, um auch ihre Blöße zu verdecken. Da sind sie wirkliche Brüder.

: Gut war es, daß die Bedürfnisse des Körpers auf ein Minimum herabgeschraubt waren, zum Teil infolge einer gewissen Disziplin, zum Teil infolge unseres Seelenzustandes. Man benützte den Kübel so wenig als möglich, aß fast nichts und empfand auch den Durst nicht allzu qualvoll. Ich sah z. B. keinen ohnmächtig werden, keinen toben.

Wir waren tief in Schlesien, sahen Breslau, Gleiwitz an uns vorübergleiten und wußten, daß nun Birkenau nicht weit sein konnte.

Es war bereits dunkel, der zweite Reisetag, und wir hatten vom Kriege noch nichts gesehen. Das machte uns mutlos, da laut Theresienstädter Rundfunk, die Russen nicht weit von Schlesien seien und wir die irrsinnige Hoffnung hegten, daß wir Birkenau vielleicht aus diesem Grund nicht mehr erreichen könnten.

Wir sahen nach oben abgeschirmte Lampen, fast keine Bombentrichter, hörten keinen Alarm und bemerkten von der Nähe der Front überhaupt keine Spur. Unserer bemächtigte sich große Erregung, der Wunsch, heraus aus dem plombierten Wagen zusammen mit der Angst vor dem kommenden Ungewissen brachte uns in den heftigsten Widerstreit der Gefühle.

Man zog sich an, zog sich wieder aus, stritt um die Fensterplätze, suchte sein Gepäck zu erreichen, wiederholte geschlossene Vereinbarungen, gab einander Ratschläge, schaute sich an in tiefster Hilfslosigkeit.

Das Handgepäck meines Mannes fiel in den Unrat, was einen noch nie gesehenen Wutanfall bei ihm auslöste Ich weiß es. ich fühle es noch heute, das war für mich ein Alarmzeichen, denn in mir wurde aut einmal alles eiskalt, ich erstarrte gleichsam und fühlte Gefahr, höchste Gefahr.

Es war der Brotsack meines Mannes, indem sich die, wie wir glaubten, notwendigsten Dinge befanden. Daß man auch ohne diese sogenannten notwendigsten Dinge leben kann, das erfuhren wir später nur allzu gründlich.

• Mit Besitz ist es ein eigen Ding. Als wir die erste Aussiedlung aus unserer fast normalen Häuslichkeit erlebten, da hatte ich nur einen Kummer, was wird aus meinem kleinen Kätzchen. Daß wir sonst alles zurücklassen mußten, berührte uns kaum. Wenn Menschen zu uns kamen, denen keine Aussiedlung drohte, konnten sie sich nicht genug wundern über unseren Gleichmut. Wir hatten schon so viele derartige Phasen durchlaufen, daß wir eigentlich schon nichts mehr als unseren Besitz betrachteten, ja nicht einmal uns selbst. Man wußte, man war ausgeliefert, zählte nicht mehr, war gleichsam hypnotisiert von der eigenen Hilflosigkeit. Wenn ich mir heute verschiedene Situationen vergegenwärtige, so will es mir scheinen, daß es manchmal möglich gewesen wäre, etwas zu tun, um durchzuschlüpfen.

War man einige Monate in Theresienstadt, die ersten Aufregungen vorüber, ging dieser Ausnahmezustand des Menschen, dieses zu allem Bereitsein, langsam über in ein verhängnisvolles Streben nach „sich sein Nest bauen“. Wenn einer in einem Massenquartier nur ein Bett bewohnte, so nahm er es in Besitz, hämmerte herum, da ein Haken, dort ein Brettchen und hatte wieder Grund unter den Füßen. Nach einigen auf dem nackten Fußboden verbrachten Nächten, war er froh und dankbar ein genau ausgemessenes Brett zu besitzen, auf dem er allein liegen konnte.

Aber nicht lange, denn schon sah er die Möglichkeit einer Verbesserung, denn es gab auch kleinere Ubikationen mit mehr Bewegungsfreiheit und Komfort, wie Tisch und Kleiderkasten. Lind dann Kumbals und Mansarden und höchster Traum, ein Zimmer für sich allein. Jetzt begann er um diese besseren Lebensbedingungen zu kämpfen, war so beschäftigt mit sich selbst und den Schwierigkeiten des täglichen Lebens, der Routine ihnen zu begegnen, daß er nur zu oft vergaß, wo er sich eigentlich befand und worum es ging.

Theresienstadt bedeutete schon Gefangenschaft, ausgeliefert sein, denn was waren denn diese Maßlosigkeit, Hemmungslosigkeit anderes, als die Auswüchse gefangener Menschen. Im Augenblick wirklicher Gefahr zeigten unsere Leute Haltung, sogar einen gewissen Heroismus, der einen oft überraschte. Wenn aber die Gefahr nicht mehr eine unmittelbare war, dann sank das alles wieder in sich zusammen und der Mensch lebte weiter, so wie vorher, stumpf, in einer gewissen Zufriedenheit, die erschütterte.

Meist hatt er irgendeine Arbeit, die er mit großem Ernst verrichtete. Hatte er eine leitende Stellung und einen Stab von Mitarbeitern unter sich, war das Gefühl der eigenen Wichtigkeit oft tragikomisch. Nach einem längeren Aufenthalte, wenn er arbeiten konnte, immer auf dem laufenden war, hatte er wieder Kleider, Wäsche, Geschirr, eine richtige Häuslichkeit, die er nun eifersüchtig bewachte. Kam er nun in den Transport, so schleppte er das alles mit und packte Tag und Nacht. Er rechnete natürlich damit, alles zu verlieren, hoffte aber doch und packte die weniger notwendig scheinenden Sachen in Koffer und die notwendigsten trug er am eigenen Körper und im Brotsack. Resultat, daß auf der Reise nach Auschwitz die Gepäckzahl die der Menschen weit überstieg, sie fast erstickte und eine ständige Quelle der Aufregung bildete.

Arme Menschen, gehetzte, gejagte Kreaturen. Mein Mann — Gesicht meines Mannes — letzter Eindruck — unauslöschlich eingeätzt trage ich es in mir — muß es tragen bis ans Ende.

Ein Ruck, wir hielten. An beiden Seiten des Zuges sahen wir Stacheldraht, wir waren also mitten in das Lager hineingefahren. Ab-geblendete Scheinwerfer, fensterlose Baracken, keine Menschenseele, Totenstille. Wir sahen uns an, was ist das, wo sind die Menschen, alles schien uns wie ausgestorben. Es war bereits zehn Uhr nachts und wir sagten uns, daß wir wahrscheinlich noch die Nacht über in den Waggons zubringen würden und begannen uns auszuziehen und auf ein abermaliges Übernachten vorzubereiten. Da auf einmal — brach es aus der Stille. Wir hörten Waggontüren aufreißen, scharfe Befehle, ein Geschrei und Gelaufe, daß es uns kalt über den Rücken lief. Unsere Waggontür wurde aufgerissen und ein Mann in gestreiftem Anzug sprang zu uns herein, „Gepäck und Kranke liegen lassen“ alle anderen schnell heraus, schrie er uns zu und draußen war er. Wir packten aber trotzdem unser Handgepäck und sprangen aus dem hohen Wagen.

Ankunft in Auschwitz

Das Lächeln war nicht mehr hinweggewischt von frevelhaften Händen.

Was ich zuletzt sah, war nur bittre Qual.

Schnell, schneller, schneller — noch immer gellt es in meinen Ohren, dieses Wort, das uns von nun an Tag und Nacht hetzte, vorwärts-peitschte und uns nie zur Ruhe kommen ließ.

Laufschritt — das war die Parole, im Laufschritt essen, schlafen, arbeiten und im Laufschritt in den Tod.

Es war vielleicht gut so, daß man nicht richtig zur Besinnung kam und das unmittelbar Erlebte über sich hinwegbrausen ließ wie eine Windhose des Grauens, die einem emporwirbelte, einen fast zerriß, einen hinunterwarf in schreckliche Tiefen und doch wie ein Wunder wieder auftauchen ließ — scheinbar unverletzt.

Als wir aus dem Wagen herausgesprungen waren, schlug es auch schon über uns zusammen und wir schwammen dahin, halb bewußtlos, irgendetwas Furchtbarem entgegen, das wir nur ganz tief in unserem Unterbewußtsein empfanden. Jetzt rollte alles ab, in atemberaubender Schnelligkeit. Nur Einiges blieb gleich Blitzlichtern haften, alles andere drang nicht ins Bewußtsein.

Scheinwerfer warfen ihr grelles unbarmherziges Licht auf den Ablauf eines Geschehnisses, gewaltig in seiner Dämonie. Sie beleuchteten hin und herwogende Menschenmassen und unendlich viel Papier und Abfälle und Berge, ja Gebirge von Gepäck, trostlos und drohend bezeugten sie, daß tausende Menschen bereits vor uns hier gewesen.

Zuerst war ich noch mit meinem Manne zusammen. Man tat und sprach Sinnloses, letztes Anklammern an etwas Wirkliches, Vertrautes. Meine Freundin verteilte Schockolade, mein Mann nahm ein Stückchen, sagte, „ich komme gleich, laufe nur mal schnell zum Wagen zurück, um meinem kranken Freunde die Schokolade zu bringen.“

Das waren die letzten Worte, die ich von ihm hörte, ich sah ihn zum letzten Male. Verspielt ein Leben, ein so reiches Leben war verspielt. Schokolade, so hübsch klingt das, nach Kinderjause und Geburtstag, hier wurde es vielleicht zum schicksalshaften Werkzeuge. Durch sein Zurücklaufen blieb er bei den Letzten, Kranken.

Nicht einmal ein Kuß, ein Händedruck.

Vorläufig dachte man noch gar nichts, wurde vorwärtsgestoßen. „Weisungswagen vor“, lautete ein Befehl. Ich sah einen Mann, einen Kinderwagen schiebend, hinter ihm seine Frau mit dem Bab}'auf dem Arm, vorwärts eilen.

Schreie, Kinderweinen, ohrenbetäubender Lärm. Abermals ein Befehl „Frauen und Männer auseinander“. Ein dicker SS-Mann schlug den Leuten das Gepäck aus den Händen. Eine Frau hinter mir klammerte sich wildschreiend an ihren Mann, bis ein SS-Mann sie brutal auseinanderriß. Dabei wußte man doch gar nichts, wußte nicht, wie nahe man dem Tode war.

Da stand er vor uns, der über Tod und Leben entschied, der schöne Teufel „Dr. Mengelen“.

Er stand da, wie ein liebenswürdiger, eleganter Tanzmeister, der eine Polonaise dirigiert.

Links und rechts und rechts und links, zeigten seine Hände mit einer beiläufigen Geste. Leicht, graziös war die Atmosphäre um ihn, stach wohltätig ab gegen die brutale Häßlichkeit der Umgebung, besänftigte unsere aufgepeitschten Nerven und nahm dem Ganzen jede Bedeutung.

Nur ein gutbezahlter Mörder, folgsamer Diener seines Herrn, war er doch ein wahrhaftes Symbol dieser abgrundtief verlogenen Verderbtheit des Systems.

Ein guter Schauspieler? Ein Besessener? Ein kalter Automat? Nein, ein Meister in seinem Fache, ein Teufel, der mit Lust am Werke war.

Vorzustellen — welche Macht, welches Amt —? Herr über Leben und Tod — mit einer Handbewegung ausgelöscht — mit einer anderen — Geschenk, Leben.

Nichts, nichts, das einen warnte, kein Engel stand hinter ihm. Ganz gleichgültig — ein Werkzeug des Meisters — gingen die Menschen nach rechts oder links. Manchmal wollte eine Tochter die Mutter nicht lassen, aber die Worte „Ihr seht Euch ja morgen“ beruhigten sie vollkommen.

So gingen die Menschen nach links, nach rechts — diese kleine Schwenkung vom Leben in den Tod — ganz automatisch, auf das Geheiß einer Hand.

Nach rechts gingen viele, ach, so viele ins Nichts — auf die andere Seite. Nach links gingen wenige, so wenige — auf die gute Seite. Tilch selbst stand plötzlich vor irgendeiner Holzschranke, mußte ganz verfallen und verschreckt ausgesehen haben — wie gewöhnlich mein Gesicht wieder einmal unbestechlicher Spiegel meines Seelenzustandes — da stand ein großer, gut aussehender SS-Mann vor mir, der mir intensiv ins Gesicht schaute. Er fragte mit suggestiver Herzlichkeit „Sind Sie krank?“. Ich antwortete ganz spontan „Wieso kommen Sie darauf?“. Eine eigentümliche Reaktion, Frage mit Frage zu beantworten, noch dazu einem gefürchteten SS-Manne gegenüber, in einer Wortstellung, die sonst nicht meine Art war.

Darauf eine Handbewegung nach links, und in diesem Moment — vielleicht in einem Moment des Zögerns — zog mich auch schon meine Freundin zu sich hinüber.

Meine Hand zittert, mein Herz klopft bis in den Hals hinein, Schauer überlaufen mich, wenn ich das jetzt ganz bewußt und wissend, ach, nur allzu wissend, niederschreibe.

Idi fragte oft Menschen, die dasselbe erlebt, nach ihren Eindrücken bei ihrer Ankunft in Auschwitz. Die Mehrzahl konnte nicht viel darüber erzählen. Fast alle sagten, wir waren ja ganz verblödet und halb betäubt, wie wenn man uns auf den Kopf geschladen hätte. Sie empfanden alle das Licht der Scheinwerfer quälend, den Lärm unerträglich, Dr. Mengelen als schön und sympathisch.

Am Scheidewege fühlten sie gar nichts. Einzelne, die bereits auf der anderen Seite“ waren, sahen einen Freund auf „der guten Seite“, und nur diese Tatsache allein bewog sie, ganz unbehelligt hinüberzugehen.

* Was bedeutete „Weisungswagen“? Weisung, das hatte auch in Theresienstadt einen üblen Klang.. Man hatte die Erfahrung gemacht, daß Menschen, die als Weisung gingen, spurlos verschwanden. Von den anderen kamen doch hie und da Karten, entweder offiziell oder Kurier oder schwarz. Diese Kurierpost war natürlich nur Verschleierung und wurde gerne praktiziert. Von den ersten Transporten im September, Oktober 1944 kamen sogar Karten aus verschiedenen deutschen Städten und das beruhigte außerordentlich. Die schwarzen Nachrichten waren immer so verklausuliert, daß man nie recht klug daraus wurde und ihnen verschiedene Bedeutung gab, ganz das Gegenteil der beabsichtigten Informationen.

Heute erfahre ich, daß einmal ein ganz ausführlicher Bericht über die furchtbaren Geschehnisse in Auschwitz ins Ghetto kam. Er wurde so geheim gehalten, daß niemand etwas davon erfuhr, und man nur darüber munkelte. Gerüchte gab es allzu viele in Theresienstadt, diese Flüsterpropaganda in gutem und schlechtem Sinne machte die Atmosphäre undurchsichtig und verstrickte die Menschen so unentwirrbar, daß sie nur das glaubten, was sie glauben wollten.

Wir erfahren es ja heute noch, daß dies alles auch jetzt noch in vielen Ländern nicht geglaubt wird, obwohl doch die Zahlen schwarz auf weiß nur eine allzu deutliche Sprache sprechen. Man will es nicht glauben, die Konsequenzen, die man aus diesem Wissen ziehen müßte, wären zu einschneidend und beschämend. Die sechs Millionen Menschen sind eben nicht mehr, und es sieht so aus, als wenn man in einiger Zeit leugnen würde, daß sie jemals existiert haben.

Als Weisungen gingen Ghettoinsassen, die im Ältestenrat waren oder irgendeinen verantwortungsvollen Posten bekleideten, der sie in engen Kontakt mit der deutschen Kommandostelle brachte. Diese Menschen wußten zu viel, ihren Tod konnte man nicht dem Zufall überlassen.

Deshalb wurden sie auch geschlossen in Weisungswagen, mit einer amtlichen Liste versehen, nach Auschwitz gebracht.

Wir anderen waren namenlos, ja wir hatten nicht einmal eine Transportnummer. Ein Arzt, ein sehr guter Freund meines Mannes, fuhr mit dem Weisungswagen des Transportes, und mein Mann war sehr beunruhigt über diese Tatsache. Daß man auch auf andere Weise denselben Weg gehen konnte, dieser Gedanke kam uns nicht.

Mit unserem Transport gingen ebenfalls geschlossen elternlose Waisen — auch Mischlinge — deren Eltern in Konzentrationslagern oder im Ausland gestorben waren, der Rest der Theresienstädter Kinder, was zurückblieb, war ein verschwindend kleiner Teil.

Es waren Kinder bis zu 16 Jahren — 16 Jahre, das war die Grenze nach unten, 4 5 Jahre die Grenze nach oben. Sie waren von vornherein für die Vernichtung bestimmt. Sonst hing eine solche Sortierung nur von einer ungefähren Schätzung ab, denn unter uns geretteten Frauen waren einige 12-und 14jährige Mädchen und zwei Frauen über 50 Jahre. Sie überstanden auch glücklich die zwei folgenden Selektionen, die Kinder, weil sie ziemlich entwickelt, die Frauen da sie jünger waren und sehr gut aussahen.

Von den 300 Kindern und den sie begleitenden Erzieherinnen überlebte keines Auschwitz. Wieviele verzweifelte Eltern werden sie heute suchen und immer noch hoffen. Die Menschen im Ausland hoffen immer noch, glauben an irgendein Wunder der Errettung. Wir, wir hoffen nicht mehr, für uns ist es Gewißheit, daß es auf der anderen Seite kein Entrinnen gab.

Von unserem Transport blieben 200 überlebende Frauen in Auschwitz, demgegenüber die Zahl von nur 45 Männern. 1 800 Menschen waren wir nach Auschwitz gekommen, 24 5 wurden dazu bestimmt, vorläufig, so lange Verwendung, zu leben, die anderen wurden liquidiert.

Hier gibt es Gas!

Da kauerst Du, Mensch, ein Häuflein Unglück, Nadit und bloß, versunken in Dielt selbst, Hingegeben Gedanken, die erfüllt sind von Leid.

Ich fand mich in einer Gruppe von Frauen, meinen Brotsack hatte ich noch immer bei mir. Meine Freundin hielt mich fest an der Hand gepackt, als wenn sie noch immer Angst hätte, daß ich davonlaufen könnte. „Wir bleiben zusammen“, sagte sie zu mir, und so blieb es auch während unserer ganzen KZ-Haft. Dieses Zusammenhalten hat uns beiden viel Kraft gegeben und uns über vieles hinweggeholfen. Sie hielt körperlich viel mehr aus als ich, hatte in schwierigen Situationen ein gewisses Phlegma, das mich oft unduldsam machte, mich aber vor vielen Übereiitheiten bewahrte. Freilich war dieses Phlegma nur eine Schutzschicht über einem allzu verletzbaren Stolz. Oft sah ich sie in heißem Zorn entflammen, wenn man ihn allzu rauh berührte, oder wenn man mir zu nahe trat.

Und daß sie mich so fest an den Händen hielt, das war ein Glück, denn schon begannen mich Zweifel zu bestürmen, ob es richtig gewesen sei, daß ich auf diese Seite gegangen war. Den ganzen Weg über sprach ich von nichts anderem —er hat midi so lieb und menschlich angehen — als ob er mir in den Mund legen wollte, daß ich sage — ja, ich bin krank —Vielleicht ist auf der anderen Seite das Familienlager, und ich wäre dort mit meinem Manne beisammen. Ich sprach so lange davon, daß mir meine Freundin schon ungeduldig antwortete — „nun bist Du schon hier bei uns, kannst es momentan nicht ändern und weißt auch nicht, wozu es gut ist — also belaste Dich nicht mit müßigen Erwägungen.“ Mein Brotsack war sehr schwer, und ich konnte ihn kaum schleppen. Die Nacht und die zwei Tage im Viehwagen und ein quälender Durst machten sich bmerkbar. So gingen wir vielleicht eine halbe Stunde oder mehr, flankiert von Feldpolizei, eine trostlose Straße entlang, mit Draht eingezäunt, dahinter Baracken, die von keinem Leben zeugten. Die uns begleitende Feldpolizei waren junge Burschen, scheinbar neu, denn sie hatten noch nicht die routinierte verächtliche Art der anderen. Einige Mädchen unterhielten sich mit ihnen, fragten sie vor allem, „wohin gehen wir, wo sind die anderen" und dergleichen. Das wurde vorschriftsmäßig und leichthin beantwortet. Immer noch glaubten wir, in ein Ghetto zu kommen, bis uns einer von der Begleitmannschaft aufmerksam machte: „Aditung, imnier in der Mitte der Straße bleiben, nicht an den Draht kommen, Lebensgefahr!“. Da wurden schon Zweifel laut, wie:

„da geht es schon schärfer zu“, oder „Konzentrationslager“. Die letzte Vermutung wurde entrüstet von den meisten zurückgewiesen. Hie und da fuhren geschlossene Riesenlastkraftwagen an uns vorüber, denen wir überhaupt keine Bedeutung beimaßen. Später erfuhren wir, daß so Menschen aus dem Lager ins Gas gebracht wurden. Wir waren müde und überwach und versuchten uns vorzustellen, was jetzt kommen und wie dies hier alles aussehen wird. Diese geladene Stille, keine Menschen-seele weit und breit, bedrückte uns sehr. So stolperten wir schweigsam weiter, bis es plötzlich hieß „Halt“. Wir hatten gar nicht bemerkt, daß wir vor einem größeren Gebäude angelangt waren.

Schon wurden die Türen geöffnet, und wir befanden uns in einem großen Vorraum. Wir erschraken, denn da waren eine Menge SS-Leute und andere Frauen und Männer in gestreiften Kleidern. Bevor wir uns auch nur umsehen konnten, hieß es, schnell die Kleider herunter, nichts anbehalten, die Schuhe in die Hand.

Vor den Männern uns ausziehen, zögernd sahen wir uns an, aber schon sprangen die Gestreiften auf uns zu und rissen uns die Kleider vom Leib. „Schnell, schnell“, hetzten sie uns, so daß wir mit fliegenden Händen alles von uns warfen. Ich hatte eine kleine silberne Theresienstädter Münze um den Hals, ich gab sie einer der Gehilfinnen mit der Bitte, sie mir aufzuheben, da es ein teures Andenken sei. Sie lachte höhnisch und geiferte: „Jetzt brauchst Du keine Andenken mehr. Lind ich erlebte zum erstenmal diesen bitteren Haßton, der mich ansprang wie ein wildes Tier.

Ich konnte unterdessen meine Schuhe nicht mehr finden, schöne rotbraune Sportschuhe, vielleicht das einzige, was wir behalten durften.

Nun mußten wir geradestehen, eine ganze Front nackter Frauen-leiber, eine drängte sich an die andere, zitternd und noch voll tiefer Scham. Die SS-Männer musterten uns von oben bis unten, wie man eine Ware abschätzt. Dann mußten wir langsam an ihnen vorüberziehen, manche, die mager waren, Ekzeme hatten oder überhaupt nicht intakt schienen, wurden von einem SS-Mann, dem Arzt, herausgeholt und mußten beiseite treten. In einigen von uns erwachte ein gewisser Trot die mußten nicht sehen, wie gedemütigt wir uns fühlten. Sie strafften sich und gingen aufrecht und frei an ihnen vorüber, als wenn es gar nichts wäre. Man war wieder einmal entschlossen, komme was komme, stoisch zu ertragen Wir kamen in einen anderen Raum, da saßen Kameradinnen auf Sesseln, doch welch ein Anblick, eine Kopfhälfte war bereits kahl, und über die andere sauste unbarmherzig die Maschine. Fast eine jede von uns flehte: „nicht ganz kahl, bitte nicht ganz kahl“. Als wir aber sahen, daß nichts uns helfen könnte, trösteten wir uns gegenseitig mit den Worten: „Die wachsen ja wieder nach“ und dergleichen. Wir lachten sogar, ein sehr ersticktes Lachen, aber wir lachten. Um Gottes willen, wie sahen wir aus. Wir fragten uns: „Wer bist Du?“, und dann war's eine gute Bekannte. Wir sahen aus wie die Affen. Es waren so schöne Frauen unter uns, mit dem Haar war alles dahin. Wie ich sie mir alle so ansah, fand ich die Kopfformen nicht sehr schön. Bei meiner Freundin konstatierte ich eine etwas spitze Kopfform, worüber sie sehr beleidigt war. Gut war es, daß man sich selbst nicht sah, so konnte man sich damit trösten, daß man vielleicht besser aussehe. Vor uns lag ein Berg von Haaren in allen Farbschattierungen, traurig lagen sie da, alle die schönen langen Locken.

Dann gingen wir in einen anderen Raum, da waren Becken mit einer ätzenden Flüssigkeit, in die alle ausrasierten Stellen hineingetaucht wurden, das gab Brandmale, die wir noch lange als Andenken an uns trugen. Fortwährend gingen SS-Männer und Frauen durch die Räume und kontrollierten mit veiächtlichen Blicken. Plötzlich Geschrei, eines der gestreiften Mädchen bekam Ohrfeigen von einer Obergestreiften, eine deutsche Aufseherin mit der Peitsche stand daneben. Wir waren nicht genügend ausrasiert. In die nötige Positur gestellt und unter hysterischem Geschrei und unflätigem Geschimpfe wurde diese Prozedur noch einmal an uns vollzogen.

Manche von uns keuchten vor Wut und wären ihnen am liebsten an die Kehlen gesprungen. Wir taten nichts, denn schon hatte uns diese furchtbare Maschine in ihren Fängen. Wir waren aber noch immer ungebrochen, diese auf-und absteigende Skala der Gefühle zeugte dafür. Meine Freundin sprach sehr laut und viel, ein Zeichen ihrer großen Erregung.

Wir gingen noch an verschiedenen Tischen vorüber, wo uns Eheringe und Ohrringe abgenommen wurden; wenn sie nicht heruntergingen, wurden sic abgefeilt. Ich hatte ein Stückchen Seife in der Hand; das brachte ich durch bis in das Konzentrationslager in Deutschland. Es war mein köstlichster Besitz, einmal in der Woche wusch ich mich damit.

Im wahrsten Sinne des Wortes nackt, betraten wir den Duschraum. Ich weiß nicht wie, auf einmal tauchte das Wort „Gas" auf. Irgendeine der Gehilfinnen mußte etwas erzählt haben, und nun stammelten einige mit versagenden Stimmen: „Hier gibt es Gas.“ Ich sagte mir, hier im Duschraum gewiß nicht, dazu laufen zu viele Deutsche herum, und stellte mich ruhig unter die Dusche.

Nach der Dusche mußten wir naß, wie wir waren, in einen anderen größeren Raum eintreten. Es war empfindlich kalt. Die Türen standen offen. Es herrschte reger Betrieb. Deutsche gingen ein und aus, wie in der Halle eines großen Hotels. Wir nackt, frierend aneinandergepreßt, ein jämmerlicher Anblick. Als ich mich so umsah, griff es mir ans Herz, und ich fühlte ein starkes Gefühl in mir emporwallen.

Eine Masse zerlumpter Weiber

Hinter mir stand ein schwaches Geschöpf — sah aus wie ein gefangenes Mäuschen — das sich kaum auf den Füßen hielt; sie wimmerte vor sich hin, sterben — sterben. Ich selbst benahm mich lächerlich. Ich'sagte immerfort, Du, ich darf jetzt keinen Hexenschuß bekommen, hüpfte wie eine Wahnsinnige herum und massierte die bedrohten Körperstellen.

In der Mitte des Saales stand eine deutsche Aufseherin und verteilte unterdessen Kleider, Holzpantinen, Strümpfe und Kopftücher So standen wir endlos lange, bis die Reihe an eine von uns kam. Sommerkleider — eine fantastische Kollektion farbiger Lumpen. Strümpfe — keine bekam das gleiche Paar. Einen weißen und einen roten Strumpf und das Schlimmste, auch nur einen einzelnen Strumpf. Ich war unter den Einstrümpfigen. Als Kopftücher gab es Bauchbinden, Kniewärmer und dergleichen.

Wir waren eingekleidet, wir schauten uns an — stumm — sprachlos. Jetzt waren wir Masse, zerlumpte Weiber, keine unterschied sich von der anderen. Noch kränkte es uns sehr, daß wir so aussahen, und alle hatten wir denselben Gedanken, gut, daß uns unsere Männer so nicht sehen.

Unter den Gehilfinnen tauchte ein gut gekleidetes Mädchen auf — eine Pragerin — bewundernd und wehmütig betrachteten wir ihre langen Haare. Sie tröstete uns, daß wir als guter Transport — la Material — vor Abgang in das Arbeitslager noch einmal besser eingekleidet würden. Wir fragten sie, wie es käme, daß sie so gute Kleider und keine gestreifte Uniform trage und vor allem noch so lange Haare habe. Sie erzählte uns, daß sie schon in mehreren Konzentrationslagern gewesen, schon lange hier sei und aus diesem Grunde eine bevorzugte Stellung bekleide. Wir verstanden nichts von alledem und schauten uns fragend an.

Ja, wir sollten uns noch oft wundern über diese Widersprüche, und es dauerte lange, bis wir begriffen, daß auch dieses System Lücken hatte, Möglichkeiten der groteskesten Art offenließ. Es mußte wahrscheinlich so sein, denn solange etwas vom Menschen gemacht wird — ich will sie hier Menschen nennen — ist das glatte Gelingen immer eine problematische Sache. Menschen, die durch lange KZ-Erfahrung und in der Erkennung dieser Schwächen einige Routine hatten, konnten allerhand für sich und die anderen tun. Natürlich waren das nur so Kleinigkeiten, das Grundprinzip blieb davon unberührt. Wir Überlebenden sind der Beweis für die nicht ganz abgerundete Rechnung, die Millionen Hingemordeter aber der Beweis für die Einhaltung des Grundprinzips. Wir sollten ja nicht mehr existieren. Der Befehl lautete: „Nicht lebend in die Hände der Alliierten fallen lassen", daß wir es doch überlebten, verdankten wir verschiedenen technischen Schwierigkeiten, die sich den Deutschen in den Weg legten. Linser zukünftiges Arbeitslager sollte z. B. beim Anrücken der Amerikaner nach Mauthausen zum Vergasen gebracht werden — so lautete der Befehl aus Flossenbürg, dem wir unterstanden —. Durch Kompetenzstreitigkeiten zwischen Oberaufseherin und Oberscharführer verzögerte sich unser Abtransport um einige Tage, und da die Straßen bereits blockiert waren, erreichten wir diesen unseren Bestimmungsort nicht mehr.

Wir wollten die Pragerin — irgendwie Gruß aus der Heimat — noch vieles fragen, aber schon hieß es „Weitergehen .

Nun kamen wir abermals in einen großen Saal. Wir sahen uns an, wußten nicht, ob wir uns setzen durften. Einige faßten sich ein Herz und setzten sich nach einigem Zögern auf den Boden. Wir waren zum LImfallen müde, doch befanden wir uns immer noch in dieser eigentümlichen Wachheit, wie bei einem Wachposten, dem bereits die Beine den Dienst versagen, dem aber die Pflicht gebietet, um jeden Preis auf seinem Posten auszuharren. Bei uns war es mehr, als nur dieser Befehl von innen, eine unerträgliche Spannung ließ uns auch nicht für einen Moment einschlummern. Manche versuchten es trotzdem, legten sich lang hin auf die Erde, aber ich glaube, daß es keinem gelang.

Diese Spannung hielt uns die ganze Zeit unseres Auschwitzer Aufenthaltes über aufrecht. Sie ließ uns nicht krank werden — ein unerforschtes Geheimnis psychischer und physischer Kampfbereitschaft.

Ein Hundertstel all dieser Möglichkeiten krank zu werden — übertragen in ein normales Leben — genügte, den Menschen todkrank zu machen. In der schlesischen Ebene fiel bereits Schnee, vermischt mit Regen, es lag meterhoher Kot, ein kalter Wind wehte und wir waren doch fast nackt, ohne Wäsche, nur die dreckigen Sommerkleider am bloßen Körper. Bei stundenlangen Appellen, fast ohne Nahrung, noch einmal Bad bei offenen Fenstern und immer wieder nackt ausziehen, bekamen wir auch nicht die geringste Erkältung, ja nicht einmal einen Schnupfen.

Standhafter Körper, Soldat ohne Moral, richtiger Landsknecht in seiner Freibeuterei. Er verlangte gebieterisch sein Recht, ließ nicht so leicht locker und nahm den Menschen die Wohltat eines schnellen und leichten Todes. Einmal aufgestanden zum Kampfe, kämpfte er mit allen ihm zu Gebote stehenden Waffen erbarmungslos bis an das bittere Ende. Manche mögen denken, daß man so etwas nicht aushalten könne.

Keine von uns, die wir fast alle aus guten Lebensverhältnissen kamen, hätte es sich auch nur träumen lassen, dies aushalten zu können. Freilich besaßen wir schon eine gewisse Vorschulung durch Theresienstadt und die Ereignisse der letzten Jahre, aber dies fiel fast gar nicht ins Gewicht gegenüber diesen harten und unabänderlichen Forderungen.

Schon in Theresienstadt erfuhren die Ärzte von dieser unfaßbaren, alle bisherigen Erfahrungen auf den Kopf stellenden Erscheinung. Kinderkrankheiten bekamen hauptsächlich Erwachsene. Schwere Tuberkulosen Leute, die schon längst über das dieser Krankheit gefährliche Alter heraus waren. Encephalitis (Kopfgrippe) bekamen nur junge Mädchen und Frauen, Männer fast überhaupt nicht. Auch in Theresienstadt verloren bereits einige Frauen die Menstruation, hier aber alle.

Eine gute Freundin von mir, die in einem der berüchtigsten Frauen-lager — Kurzbach — war und, wie mir Augenzeugen berichteten — dort todkrank im Revier bei der Evakuierung zurückblieb, ist, wie ich erfahre, am Leben, Ich zitiere hier ihren Brief, den ich vor einigen Tagen aus einem Krankenhaus in Schweden von ihr erhielt:

„Ich war am Tage des Aufbruches der anderen mit 40 Grad Fieber und einer Lungenentzündung im Revier, wo man den Schwerkranken versprochen hatte, uns mit Autos weiterzubefördern. Zwei Stunden nach Abmarsch der Gesunden kamen einige Wachtposten, befahlen mit Donnerstimme, uns anzuziehen und anzutreten. Es waren Gerhard, der Mistfitzenkrebs (mit diesem Wort beschimpfte er immer die Häftlinge) und der von der dritten Hundeitschaft, alle drei vollkommen besoffen. Einige Mädels waren schon zu schwach, um noch aufstehen zu können, und als sich die Tür hinter uns geschlossen hatte, hörten wir von drinnen Schüsse fallen und wußten nun, wie viel es geschlagen hatte. Draußen von Autos weit und breit keine Spur, hingegen führte man uns zum nahe gelegenen Wald, wo, was ich allerdings damals nicht wußte, ein Massengrab vorbereitet war. Am Rande dieses unseres Grabes spazierten wir ungefähr zwei Stunden hin und her. Einige Mädels wurden, da sie vor Schwäche am Wegrand sitzen blieben, vor unseren Augen erschossen, und wir erwarteten jeden Augenblick dieses Schicksal zu teilen. Dann kam aber Feldwebel Jakob, und in diesem Moment wußten wir auch, daß wir gerettet waren. Er hatte in der Zwischenzeit Breslau angerufen, um uns bis zum nächsten Ort Trachenberg führen zu dürfen. So gingen wir, glücklich über unser wiedergewonnenes Leben, diese kurze Strecke in Holzpantinen viele Stunden bis in die Nacht. Am nächsten Tage (Febr. 194 5) wurden wir in offenen Kohlenwagen nach dem KZ Groß-Rosen verfrachtet. Nach Auflösung dieses Lagers kamen wir nach unbeschreiblicher Reise über Buchenwald nach Mauthausen und von dort in die Hölle Bergen-Belsen. Ich will und kann Dir dies alles nicht ausführlicher erzählen. Es wird Dir genügen, wenn ich Dir sage, daß ich während dieser Zeit vier Pneumonien, Flecktyphus, Bauch-und Kopftyphus sowie eine beiderseitige Pleuritis mit Exudat und eine Herzmuskelentzündung überstanden habe. Nach Schweden kam ich am 15. Juli mit 40 Grad Fieber, einem Lungenbefund, mit einem Gewicht von 30 kg. Jetzt habe ich mich nach wunderbarer, aufopferungsvoller Pflege so weit erholt, daß ich angeblich nur noch zur Beobachtung hier-bleibe.“ Es starben viele nach ihrer Rückkehr — wußten gar nicht mehr, daß sie frei waren — lebten nur noch Stunden. Eine Frau aus unserem Lager behielt ihren Mann genau drei Tage, dann starb er.

Ich habe Angst vor den Menschen

Männer in gestreiften Uniformen sagten uns, daß wir nun hier bis zum Morgen warten müßten. Was dann, darüber zuckten sie nur die Achseln mit der beruhigenden Antwort: „Das weiß hier niemand!, was dann weiter mit ihnen geschieht.“ Solch’ rätselhafte unheimliche Antworten sollten wir noch viele bekommen. Diese Männer machten hier Dienst und sortierten die von uns mitgebrachten Kleider und andere Dinge. Immer einmal tauchte einer von ihnen auf, in der Hand eine Hose oder ein anderes Wäschestück. Wir stürzten uns wie die wilde Meute auf ihn, um dann neidvoll auf diejenigen zu blicken, die es errangen. Ich erkämpfte mir einen Socken, so besaß ich einen Strumpf und einen Socken. Keiner von uns merkte, daß er Hunger hatte, müde war oder ihm irgendetwas weh tat. Jeder war stolz auf sein Beutestück und hatte ganz vergessen, daß er vor einigen Stunden noch etwas mehr besaß. Es gab natürlich welche, die sich an all dem nicht beteiligten, verzweifelt oder apathisch am Boden hockten. Eine Kameradin brach zusammen, sie hatte infolge all dieser Strapazen und Aufregungen einen Abortus, durch den sie zu all dem Leid noch viele Schmerzen ertragen mußte. Letzten Endes rettete er ihr aber das Leben. Drei schwangere Kameradinnen kamen später nach Bergen-Belsen, wo sie und die Kinder starben.

Eines der Mädchen schrie auf: „Unsere Männer“. Und so war es, durch die Glastür, die zum Vorraum führte, sahen wir Männer unseres Transportes. Jede drängte zur Tür, die, die nicht sehen konnten, fragten die Vornestehenden, drängten und drängten und drohten so die Türe einzudrücken vor lauter Eifer. Einigen gelang es auch hinauszugelangen und mit den Männern — sogar mit dem eigenen Manne, einige Worte zu wechseln. Ich konnte meinen Mann nicht entdecken. Wir trösteten uns damit, daß die anderen eben noch im Bade seien. Schon stellte sich eine Wache vor die Tür und verstellte uns jede Sicht. Eine der Frauen weinte bitterlich, ihr Mann hatte sie nicht erkannt. Später behaupteten einige, meinen Mann unter den anderen gesehen zu haben, und diese Behauptung gab mir für die kommende Zeit viel Kraft.

Lind wieder große Unruhe und Bewegung: „Gas . Sie werden uns hier vergasen. Von wo es kam, wer es sagte, niemand wußte es und unter dem Drucke dieses zermürbenden Wartens verdichtete es sich zu würgender Angst. Auch ich wurde anfänglich davon ergriffen. Ich sah mich um, suchte nach irgendeinem Anhaltspunkt für diese Gefahr. Ich hatte keine Ahnung, wie so etwas gemacht wird, stellte mir aber vor, daß dies in einem ganz luftabgedichteten Raum vor sich gehen müßte, hier aber gab es nur große Fenster, die ins Freie führten.

Gas, auch ich erwog die Möglichkeit, daß von außen eventuell eiserne Verschlüsse in Aktion treten könnten, die alles abdichten. Eines fühlte ich ganz deutlich, du mußt auf alles gefaßt sein und die letzten Konsequenzen aus diesen Erscheinungen ziehen, und so fühlten auch die meisten von uns. Natürlich hatte das Ganze auch hier etwas Bedrohliches und außerdem, so viel Erfahrung besaßen wir leider, konnte man nie wissen, was sich hinter einer scheinbar eindeutigen Handlung versteckte. Zum Teil war es natürlich Psychose, Zwangsvorstellungen Gefangener, hauptsächlich aber Angst.

Wie war es in Prag gewesen?

Es wurde plötzlich das Ausreiseverbot für jüdische Arzte erlassen, und es sah wirklich so aus, als wenn sie vor Deportierung geschützt wären, um, wenn nötig, für deutsche Zwecke eingesetzt zu werden. Auf einmal — nur Ärztetransporte. Viele flüchteten in die Krankenhäuser, um geschützt zu sein. Resultat: bei einem Transport waren sie geschützt, in den nächsten kamen nur Kranke.

Theresienstadt: Als hundertprozentiger Schutz galt eine Kriegsauszeichnung und Kriegsinvalidität — Haupttreffer —. In einen Transport kamen nur Kriegsausgezeichnete und Invaliden.

Ausdrwitz: Die hiesigen Kranken hatten eine gute Krankenkost, dreierlei Diäten, wurden gut gepflegt, und plötzlich kamen sie ins Gas. Was man tat, was man vermutete, war falsch, nichts konnte man mit Sicherheit annehmen, jetzt so und im nächsten Moment schon ganz anders. Verzweifelt tappte man im Dunklen, sah nirgends einen Ausweg. Ob all dies nun beabsichtigt war oder nicht, jedenfalls hatte es eine verheerende Wirkung auf uns und bestärkte jedweden Selbstbetrug. Wurde etwas als Fakt hingestellt, so konnte man dem sofort etwas anderes gegenüberstellen, was es widerlegte. Es war ein richtiges Katz-und Mausspielen, so virtuos, daß es einem fast imponieren konnte. Es ging eigentlich alles von den primitivsten Voraussetzungen aus und war eben deshalb stark in seiner Wirkung.

Wir hatten schon viele Gesichter gesehen, eines häßlicher als das andere, aber die richtige Fratze, die sollte sich uns noch zeigen und uns mit ihrem Grinsen fast um den Verstand bringen Wohl dem.der nie gesehen, nie sehen mußte, was sich hinter Menschengesichtern verbergen kann.

Ein süßes, zartes Frauengesicht — verzerrt zu lustvollem Genießen an den Qualen Hilfloser, Ausgelieferter.

Das Gesicht einer ausgeglichenen Matrone — aufgerissen von tobender Gier nach noch mehr Schmerzzufügen.

Ein ruhiges, edles Gesicht — Steinhart, grausam kalt wird es bei jedem Flehen gepeinigter, gehetzter Menschen.

Eine endlose Reihe solcher Verwandlungen ziehen an mir vorüber in schreckensvoller Deutlichkeit. Ich habe Angst vor Menschen — ich habe vor nichts solche Angst wie vor Menschen Wie gut oder wie böse sie werden können, dafür gibt es kein Maß, keine Basis, keine Sicherheit. Die Lebensumstände und Erziehung sorgen gewöhnlich dafür, daß keines von beiden ins Maßlose wachsen kann; außer bei denjenigen, wo es überdurchschnittlich entwickelt ist, da bricht es die Schranken, Helden oder Verbrecher. Hier aber waren keine Verbrecher, die zu Helden wurden, keine Helden: Kleine Beamte, Handwerker, junge Mädchen, Frauen, die ganze Bosheit, die ihnen innewohnte, hätte sich unter anderen Umständen höchstens in Tratsch, Übervorteilen, Tyrannei im Familienkreise und dergleichen ausgelebt.

Ich habe Angst -ich habe Angst vor der Zukunft, denn daß dies alles geschehen konnte, daß es andere zuließen, zulassen mußten, eröffnet unheimliche Perspektiven.

Morgen, morgen leben wir vielleicht nicht mehr

Dit wirfst Dielt zur Erde nieder, Willst Trost von ihr und Warnte, Sie gibt nicht Trost, nicht Wärme, Ist selber nad^t und arm und bloß.

Als wir draußen standen, sahen wir zum erstenmal das Lager bei Tageslicht vor uns liegen. Grau in grau, trostlos, öde, bot es sich unseren Blicken dar. Soweit das Auge reichte, Baracken und Stacheldraht, hier und da drohend unterbrochen von einem hohen Aufbau mit Maschinengewehren, das ganze unter einem Schleier von Schnee und Regen. Wir mußten uns in Achterreihen aufstellen, und nun marschierten wir los, abermals unter Bewachung von Feldpolizei. Aber marschieren — trotz Befehl, es ging nicht. Die Holzpantinen, die im meterhohen Kot stecken-blieben, hinderten uns daran.

Immer blieben einige zurück, um sie aus dem Sumpf herauszugraben. Manche verloren sie endgültig und gingen nun in Strümpfen weiter. Diese Holzpantinen — manche hatten zwei von verschiedener Größe an den Füßen, manche bestanden nur aus einem Holzboden, fast ohne Ober-stück, so daß der Fuß überhaupt keinen Halt fand. Die Strümpfe fielen, da sie durch nichts befestigt waren, ständig über unsere Füße, der Wind wehte überall hinein, und doch schwitzten wir von der Anstrengung, weiterzugelangen.

Als die Begleitmannschaft sah, daß wir so nicht weiterkamen, erlaubten sie, uns einzuhaken. Jetzt ging es schon besser, und wir konnten um uns blicken. Da sahen wir hie und da Arbeitsgruppen — keine Einzelgänger — angetreten in Reih und Glied.

Kamen wir an einer Gruppe vorüber, so wurde uns in allen möglichen Sprachen zugerufen: „Woher kommt Ihr, welcher Nationalität seid Ihr?“, manchmal wurde auch gefragt, ob sich die oder jene, dieses oder jenes Namens unter uns befände.

Uns fiel sofort auf, daß die Menschen etwas Gehetztes, gleichsam Horchendes in ihrem Wesen hatten und vor allem trugen sie in den grauen Gesichtern die ganze Öde und Freudlosigkeit der Umgebung Es waren fast lauter junge Menschen, wir sahen keinen lachen oder auch nur lächeln. Bis auf diese Zurufe, die auch meist untersagt wurden, hörten wir keine Unterhaltung.

Da kamen wir an eine Baracke, in großer Aufschrift war zu lesen „Schneiderei“

Aus der offenen Tür klang Geschrei, und wir sahen mit wildpochendem Herzen ein Mädchen am Boden knien, hinter ihr ein SS-Mann, der mit einer Peitsche erbarmungslos auf sie einschlug.

Sie schrie immerfort gellend: „Verzeihen Sie mir, verzeihen Sie mir, bitte schlagen Sie mich nicht tot, Erbarmen, Erbarmen“. Mit zusammengebissenen Zähnen schleppten wir uns weiter.

Wieder einmal waren wir angelangt, diesmal vor einem baracken-artigen Zementbau, mit einer großen Tür im Vordergrund, keine Fenster. Eine Frau in einer gestreiften Jacke wurde herausgerufen, wir wurden ihr übergeben und mußten nun einzeln eintreten. Was kommt jetzt, dachte eine jede von uns.

Vorläufig sahen wir uns in einer Art Vorraum, links eine kleine Küche, Wohnung der Blockältesten, daneben noch eine Art Kammer. Weiter lag vor uns ein endlos langgestreckter hoher Raum mit Ober-licht statt der Fenster. Durch die Mitte desselben lief ein schmaler, ungefähr ein Meter hoher Ziegelbau, der Ofen -der nie geheizt wurde —. An beiden Seiten, rechts und links, dreistöckige Verschlage.

Sie wirkten wie Kaninchenställe und so auch die Frauen, die darin hockten, wie Kaninchen, mit ihren unruhigen Bewegungen. Einige schauten auf, als wir hereinkamen, im allgemeinen nahmen sie aber nicht viel Notiz von uns.

Im Gang auf der einen Seite mußten wir Aufstellung nehmen. Da standen wir ziemlich lange herum und wußten nicht, was wir tun sollten. Später kam dann von der Gestreiften der Befehl, uns in Viererreihen hintereinander aufzustellen, und nun wurden wir gezählt, einmal, zweimal, zwanzigmal, von hinten nach vorne, von vorne nach hinten, endlos lange, so daß uns die Beine langsam zu zittern begannen, es war sehr kalt, wir waren müde und langsam bemächtigte sich unser dumpfe Verzweiflung, da wir fürchteten, tagelang so stehen zu müssen.

Auf einer Seite der Baracke sollte ein Teil für uns freigemacht werden. Die Frauen, die dort kauerten, wurden mit Gewalt und Schlägen herausgezerrt. Wir bekamen böse Blicke und Schimpfworte zu hören. Endlich war es soweit, wir erstürmten die Betten, kämpften um ein Stückchen Raum, hockten endlich so wie die anderen eng aneinandergedrückt in diesen Betten, aber wir konnten wenigstens sitzen, zwar gekrümmt, aber wir saßen und starrten erschöpft vor uns hin.

Ununterbrochen rannte ein Mädchen auf und nieder, von Bett zu Bett und richtete die Decken. Hatte sich eine verschoben, heulte sie auf, schlug um sich, wie in einem epileptischen Anfall.

Wir zeigten mitleidig auf unsere Stirnen. Einmal versuchte sie, eine von uns zu schlagen, da kam sie aber an die unrichtige Adresse, wir packten sie uns, ließen sie nicht eher los, als bis sie uns weinend berichtet hatte, daß sie verantwortlich für die vorschriftsmäßig richtige Lage 3--Decken sei, daß, wenn eine deutsche Kontrolle käme, und etwas nicht in Ordnung fände, sie schwer dafür büßen müsse. Kaum daß sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, raste sie auch schon davon und wir hörten sie bereits wieder vom anderem Ende toben.

Auf einmal Bewegung — Mittagessen Wir durften aus den Betten heraus, bekamen aber nichts, hatten auch gar keinen Hunger. Wir sahen gierige Gesichter, zum Teil aßen die Frauen mit den Händen und zu drei und vier aus einem Gefäß.

Wir fragten, wohin wir austreten können. Antwort: „Vorläufig überhaupt nicht, Blocksperre.“ Es sei jetzt immer Blocksperre, da ständig Transporte ankämen, das bedeute ein Verlassen des Blockes nur bei Zählappell und einmal am Tage Austreten unter Bewachung der Gruppen.

Im rückwärtigen Teil der Baracke war ein kleiner Anbau, da standen vier Kübel und hier und da durfte die eine oder die andere, wenn es schon nicht mehr anders ging, mit der Erlaubnis der Blockältesten dorthin. Das war ein richtiger Amtsweg, erst die Gehilfin, die gab es weiter an die Stubenälteste und diese an die Blockälteste. Für einen Alteingesessenen war das zu umgehen, für einen Neuling voll unüberbrückbarer Schwierigkeiten. Es herrschte ständige Aufregung. Einmal wurden Na-

Worus > Weine nicht, kleine Schwester — denn andt wir werden leben, nicht so wie heute, wo der Tag ist ein langer, finsterer Weg.

Hinter uns Gewehre, vor uns Gewehre und an den Seiten elektrisdter Draht, Wir inmitten Kolonnen — auf gebeugten Rücken weithin sichtbare Kreuze. Gentalte Kreuze — kleine Schwester — doch unser Kreuzgang, der ist wirklich — audt Du mußt ihn gehen, kleine Schwester, Du Kind nodt — Wir sind Gezeidtnete, Namenlose No. 59 7SO — kleine Zahlen aber das tut nichts, Schwester, audt sprechen, noch sind sie stumm, gebannt in ein Stückdien Leinwand auf unserer keuchenden Brust.

Doch einmal, da werden drohend sie wachsen bis an das Firmament und anklagen mit feurigen Lettern.

Ja, kleine Sdrwester, kein Trost für Dein Herzdien, das wie ein Vöglein ängstlich flattert im Käfig der Gegenwart.

Du sdiaust midi an, Deine Augen fragen, wie die eines stummen kleinen Tieres — Warum — 2 Warum so hungern, warum so wünschen am Morgen, daß der Tag zu Ende sei und am Abend wieder die Angst vor dem nächsten Tage.

Warum — ja, warum — das frag ich mich selbst und weiß keine Antwort mir.

- menn aufgerufen, niemand meldete sich, darauf begann ein Suchen und Rufen des Personals und sie zogen irgendwo unter den Betten die sich heftig wehrenden Frauen hervor.

Wir konnten uns das alles nicht erklären, dachten, sie würden zu einer Arbeit gebraucht und wollten sich drücken. Manchmal war es auch nur eine harmlose Sache, die Frauen waren aber so von der Angst besessen, daß sie sich vor jeder Veränderung fürchteten. Am liebsten hätten sie sich irgendwo eingegraben, daß niemand sie finden, sie sehen könne.

Oft wurden sie auch in den Tod gezerrt.

Wir saßen in den Verschlägen und sahen dem Ganzen fassungslos zu. Oftmals rannte plötzlich eine der Frauen los, gegen die Hintertür der Baracke — wie eine Viper schnellte die Blockälteste in die Höhe und ihr nach in einem bewunderungswürdigen Tempo, erwischte sie und schleppte sie dann schreiend und schlagend zurück.

Dieses Schauspiel wiederholte sich oft.

Wir suchten nach keiner Erklärung mehr, wir hatten das Gefühl, unter lauter Irren zu sein.

Ein Rätsel war es uns, wie eine Blockälteste dieses Tempo, diesen ständigen Paroxysmus aushalten konnte.

Immerfort rannte sie, immerfort brüllte sie, manchmal weinte sie auch. Dazu kam noch das ständige Horchen, ob nicht eine deutsche Kontrolle im Anrücken sei, die Verantwortung, daß bei Zählappellen die angegebene Zahl auch stimme, Essensverteilung und dergleichen. Unter dem Druck dieser Stellung wurden diese Frauen fast alle Unmenschen, mitleidlos bis zum äußersten, die reinsten Hyänen. Und nur um besser zu wohnen, sich vollzufressen bis zum platzen und mit der leisen Hoffnung auf Rettung.

Natürlich gab es auch verbrecherische Elemente unter ihnen, die ihre Macht über Menschen ausnützten und wehe denjenigen, die ihnen ausgeliefert waren.

Diese Menschen sahen nurmehr den Tod, morgen, morgen leben wir vielleicht schon nicht mehr, deshalb müssen wir heute essen, ein Stück Brot tauschen gegen ein schönes, unnützes Seidentuch oder umgekehrt die einzigen Strümpfe gegen ein Stück Brot.

Wir verstanden noch immer nicht — die Menschen schienen uns nicht normal. Von früh bis abend, jeden Tag, die ewige Aufregung, Gelärme, nur plötzlich Totenstille, wenn es hieß „Deutsche Kontrolle“.

Ich fragte eines der Mädchen, warum sie alle soviel vom Sterben sprächen, daraufhin sah sie mich erstaunt an und antwortete: „Ja, glaubst Du denn, Du bist hierhergekommen um zu leben — hierher kommt man um zu sterben“.

Ich traute mich nicht mehr weiter zu fragen, hatte Angst vor dem, zu was ich hören bekommen würde.

In der Baracke waren gegen 1 200 Frauen. Nur weg von hier, denn schlimmer kann es nirgends sein, sagten wir uns.

Die Kameradin, die die Fehlgeburt im Bade hatte, litt schreckliche Schmerzen und hatte große Angst um das Schicksal ihrer Mutter, zu der sie sich freiwillig gemeldet hatte.

Sie erzählte, sie hätte gefragt, wo ihre Mutter sein könne, daraufhin: „Na wo dann anders als im Kamin“ (die Kamine der Krematorien) war die Antwort. Wir waren alle der Ansicht, daß die Mädels hier vor lauter Verbitterung uns nur Angst machen wollten.

Antreten zum Zählappell.

Wir stürmten alle heraus, mußten uns nun sechs Mann hintereinander aufstellen und stehen, 4 Stunden, 6 Stunden und auch noch mehr. Wir sahen vor den anderen Blocks dieselben Gruppen warten.

Endlich nach sechs Stunden kam eine deutsche Aufseherin, ließ sich die Zahl melden, wenn sie stimmte; konnten wir abtreten, wenn nicht, mußten wir stundenlang weiterstehen.

Bei unserem Appell wurde Brot und Margarine verteilt, wir bekamen nichts. Wir fragten, wieso gerade wir nichts bekamen, daraufhin: „neue Transporte bekommen die ersten Tage kein Essen."

Appelle — eine der gefürchtetsten und schlimmsten Institutionen im KZ.

Hier in Auschwitz sahen wir ganze Gruppen zur Strafe nieder-knien. Manchmal wurde auch während des Appells selektiert, da mußten sich die Menschen draußen nackt ausziehen — egal in welcher Jahreszeit —.

Eine Bekannte, eine ältere Dame, welche bis zur Befreiung durch die Russen in Auschwitz verblieb, erzählte mir folgendes: Sie hatte Ruhr, mußte Appell stehen, bat die Blockälteste, ob sie austreten könne, die Antwort — eine Ohrfeige.

Eine deutsche Aufseherin hatte es gesehen, trat auf sie zu und schlug so auf sie ein, daß sie ohnmächtig zusammenbrach, und für lange Zeit schwer erkrankte.

Unser Transport litt unter diesem Stehen in der Nässe und Kälte, da wir doch fast nichts anhatten. Wir bekamen alle ein unerträgliches Zie-hen im Unterleib, wenn wir uns bückten, konnten wir uns kaum aufrichten und diese Schmerzen behielt ich auch nach dem Kriege.

Nach dem Appell durften wir austreten und uns dann niederlegen. Wir lagen wie die Sardinen ineinandergeschachtelt, acht bis zehn unter einer Decke. Wenn sich eine im Schlafe umdrehte, so die ganze Reihe mit ihr. Wir waren so erschöpft, daß wir, wenn auch sehr unruhig schliefen.

Der Kamin brennt Tag und Nacht

Mütterchen, la^ mich den Schmetterling fangen — Mätterchen, ist es noch weit bis zur Sonne, Mütterchen, bis ich mal groß bin, Mutter — bleib — Mutter.

Um vier Uhr früh wurden wir geweckt und mußten zum Zählappell. Jetzt bekamen wir heißen Kaffee, wärmten uns abwechselnd die Hände daran, tranken ein wenig und das übrige benützten wir zum Hände-waschen. Nach dem Zählappell hieß es zurück in die Betten, aber nicht niederlegen. Eine Kameradin — Mutter eines 12jährigen Buben und einer 14jährigen Tochter — hatte gehört, daß Kinder unter 16 Jahren vergast werden. Sie hatte so ein armes Gesicht — ein bettelndes Flehen war darin, daß man sich die Lippen blutig biß um nicht herauszuheulen. „Glaubt ihr, daß es wahr ist“, frug sie jeden, wir verneinten natürlich und glaubten es nicht.

Kinder töten, das ist unmöglich, vielleicht Kranke, Alte, aber Kinder — Dann eine andere Mutter — sie hatte einen 15jährigen Jungen — auch so ein Gesicht und ich höre es immer noch, so ein hilfloses Hüsteln, kein Weinen.

Keiner weinte, wir waren wie erstarrt vor Entsetzen und doch wußten wir nichts Genaues und glaubten es nicht.

Unserem Bette gegenüber wohnte eine Alteingesessene, sie war in der Küche beschäftigt. Wenn sie von dort kam, zog sie von überall Margarine und Wurst in Haufen heraus, setzte sich hin, schaute uns böse an und fraß wie ein Automat. Einige von uns mußten hysterisch lachen, als sie sie so fressen sahen.

Sie schrie uns zu: „Ihr habt gar nichts zu lachen — in der Nacht, als Ihr ankamt, brannte der Kamin die ganze Nacht — Wir riefen: „glaubt ihr nicht, glaubt ihr nicht, das ist ja nur eine böse Hexe.“

Wir hörten wie sich zwei miteinander unterhielten: „Berge von Leichen gab es wieder einmal“.

Die Hexe gegenüber fraß und fraß und dazwischen sprach sie halb zu sich selbst, halb zu uns: „Alle kommen wir in den Kamin, auch Ihr eingebildeten Ziegen“.

Daraufhin eine von uns: „Wir kommen doch in ein Arbeitslager“. „Arbeitslager — wer weiß davon, wer hat es schon gesehen? Wir hier in Auschwitz glauben nicht daran, ob dies oder jenes, alles geht in den Tod. Sie werden rufen: eins, zwei, drei lauft, Ihr werdet laufen und sie werden euch von hinten niederknallen. So habe ich es selbst in Polen erlebt“.

Wir fühlten, wie sich uns die Haare sträubten vor Entsetzen, eine innere Panik sich unserer bemächtigte.

Um uns das Geschrei, uns gegenüber das hexenhaft böse Gesicht, das Ganze in einem Halbdunkel., Wir kämpften mit allen unseren Kräften gegen dieses Grauen, das sich nun unserer bemächtigte und uns an der Kehle würgte.

Zählappell, auch wir bekamen nun Brot und Margarine.

Linser Transport von ungefähr 214 Frauen mußte Zurückbleiben, die anderen abtreten.

Die Blockälteste, nachdem sie uns gezählt hatte, sagte: „Ihr geht heute in den Transport".

Wir waren so froh, nicht mehr zurück in den Block zu müssen, weg, weg, nur weg!

Wir marschierten nun los, trotz Holzpantinen und Dreck ging es ganz gut, da wir leichteren Herzens waren.

Hübsch sahen wir aus, die Strümpfe waren irgendwie zusammengebunden. Manche hatten herrliche Unterhosen, die bis zu den halben Beinen herunterreichten. Eine vor mir schleifte unter dem Kleide ein langes, blauseidenes Nachthemd nach, über das sie ständig stolperte. Wir hatten schon eine gewisse Technik im Holzpantinengehen erlangt. Man durfte den Fuß nicht heben, nur so durch den weichen Schlamm rutschen.

Da war sie wieder, diese unglaubliche menschliche Elastizität. Gas, Schrecken, Grauen wurden zurückgedrängt vom wieder hoffenden Ich.

Wir gingen ziemlich lange, begleitet von einer Schreiberin und einer deutschen Aufseherin.

Wir gingen an Baracken vorüber, hinter dem elektrischen Draht sahen wir Männer, manche riefen uns zu „Hals und Beinbruch!“ „Wohin?“ und wir gaben fast fröhliche Antwort. Später erfuhren wir, daß dieser Weg auch zu den Gaskammern führt.

Wir kamen an ein Tor, vor demselben eine Art Wächterhäuschen mit Turm und Maschinengewehr.

Die Aufseherin pfiff, ein deutscher weiblicher Wachtposten kam, sprach mit unserer Begleitung und rief: „kann die Häftlinge nicht mehr abfertigen“.

Häftlinge waren wir, wir hörten diese Bezeichnung zum ersten Mal.

Wir sanken zusammen, alles in uns sank zusammen. Ich sah in graue, erstorbene Gesichter. Als wir hierher kamen, waren wir noch junge Menschen, jetzt waren wir alte Frauen, die sich kaum weiterschleppten.

Häftlinge — zurück in den Block — flüsterten unsere Lippen. Als wir in den Block zurückkamen, waren unsere Betten wieder besetzt. Es dauerte lange bis wir unsere Plätze wieder hatten, ohne Decken. Sie waren nicht mehr auffindbar, aber die Blockälteste — wir wollten unseren Augen kaum trauen — brachte uns andere. Überhaupt wurden wir anders behandelt, gehässig zwar, aber mit einer gewissen Distanz, wahrscheinlich Dienstauftrag.

Die Hexe von gegenüber grinste höhnisch, als sie uns wiedersah.

Jetzt packte es uns, wir fühlten eine unbarmherzige Faust im Nacken, die uns trotz unseres Widerstandes, langsam zu Boden drücken würde. Wir wagten nicht miteinander zu sprechen, fürchteten ein jeder die Äußerungen des anderen.

Nur nicht hier bleiben, nicht hier bleiben in dieser Hölle. Wir legten uns nieder, ich konnte keine Ruhe finden, der Zwang, auf der einen Seite zu liegen, die Kameradin nicht zu stören, wurde zur Zwangsvorstellung, und ich fühlte, wie ich zitterte. Ich rief mich zur Ordnung, es half nichts. Über mich kam eine furchtbare Erregung. Ich horchte überall hin, hörte da ein Flüstern, dort ein Flüstern. Alles war so unheim-lieh, so bedrohlich. Auf einmal Bewegung — irgendwelche Leute waren in den Block gekommen.

Ich hörte, wie eine Frauenstimme bettelte: „Mädels, macht Platz für mich und meine Tochter, nehmt uns um Gottes willen auf.“ Einige Betten hinter mir Verhandlungen und ein Zusammenrücken. Die beiden Frauen hatten scheinbar Platz gefunden.

Stille, nach einer Weile ein Flüstern, so daß ich jedes Wort verstehen konnte.

Eines der Mädchen fragte, wieso sie jetzt in der Nacht in den Block kämen. Die Stimme der älteren Frau erzählte: „In unserem Block daneben war Selektion, und da bin ich und meine Tochter mit Hilfe der Blockältesten hierher geflüchtet. So machen wir es fast jeden Tag und halten uns nicht zu lange in einem Block auf. Wir wollen nicht in einen sogenannten Arbeitstransport, wir trauen dem nicht, er führt vielleicht in die Arbeit, aber viel wahrscheinlicher ins Gas.“

Die Frau erzählte weiter, daß sie von Prag aus im Jahre 1941 nach Lodz deportiert wurden und von dort hierher kamen. Lind jetzt schilderte sie die grauenhaften Einzelheiten aus den Massakern der Polen.

Ich rief, meiner Stimme kaum mächtig: „Aufhören, aufhören!“

Aber eines der Mädels, eine Holländerin, fragte immer weiter, wühlte sich gleichsam herein in dieses Grauen. Die Frau erzählte von Auschwitz, daß jetzt ganze Transporte, wie sie ankamen, ohne Selektion ins Gas gingen. Sei die gewünschte Zahl nicht vollständig, so hole man einfach aus dem Block heraus, bei Tag und bei Nacht, zu allen Zeiten.

„Und deshalb flüchten wir schon wochenlang von einem Block in den anderen. Einmal werden sie uns ja doch erwischen, aber wir versuchen es, so lange wie möglich. Der Kamin brennt jetzt Tag und Nacht. Hier sagt man , die Flamme schreit schon zum Himmel“'. Langsam erstarb das Geflüster, aus manchen Betten kam ersticktes Schluchzen. Nach und nach wurde es vollkommen still im Block. -

Die Stille senkte sich auf midi wie ein Gewicht, daß ich glaubte, es schon nicht mehr ertragen zu können.

Ich mußte in die Stille hineinhorchen, ich hörte nach draußen. Da schien es mir auf einmal, wie wenn irgendwo draußen ein Gong angeschlagen würde, ein unheimlicher Ton in dieser furchtbaren Nacht.

Da — waren das Schritte?

Ja, da gingen Menschen, viele Menschen.

Plötzlich hörte ich eine Frauenstimme in einer fremden Sprache aufschreien wie in höchster Not — einige Male —. Dann ein Laufen, ein dumpfer Laut — Stille.

Von irgendwo Schüsse.

Ich hatte das Gefühl, so, jetzt bin ich verrückt geworden. Das war ja gar nicht wahr, das war nur eine Halluzination, Produkt meiner gemarterten Nerven.

Ich fühlte, wie sich mein Körper ganz mit kaltem Schweiß bedeckt hatte. Lim mich herum schien alles zu schlafen, manchmal sprach eine aus dem Schlafe. Ich war ganz allein, glaubte die einzig Wachende zu sein.

Später im Lager erfuhr ich, daß dem nicht so war. Es hatten einige dasselbe gehört und nicht recht gewußt, ob es sich wirklich zutrug.

Oft wurden auf diese Weise Menschen in den Gasblock oder auch direkt ins Gas gebracht, und auf dem Wege dorthin stürzten sie sich in den elektrischen Draht.

Jetzt, nach dem Kriege, erzählte mir eine junge Ungarin: Kurz nach der Ankunft in Auschwitz — nachdem sie bereits in einem Block untergebracht war — wurde sie im Verlaufe einer Selektion mit ihrer schwangeren Freundin in den Gasblock gebracht.

Hier war es unbeschreiblich.

Einige wimmerten nur so vor sich hin, andere waren bereits wahnsinnig. Viele beteten.

Empfangen wurden sie mit den zynischen Worten: „Hier gibt es nur einen Ausweg, durch den Kamin."

Sie selbst war erfüllt von dem einen Gedanken „heraus“

Sie hatte unwahrscheinliches Glück, es kam ein Arzt mit noch etwas menschlichem Empfinden. Sie sagte ihm, daß sie doch ganz gesund und auch nicht schwanger sei.

Mit Hilfe dieses Arztes kam sie mit noch drei anderen Mädchen aus diesem Totenhause heraus und dann in einen Arbeitstronsport. Sie wollte lange nicht darüber sprechen und weigerte sich, nähere Details zu schildern.

Diese Nacht schlief ich auch nicht eine Minute, wagte aber nicht in meiner Bedrängnis, eine der Kameradinnen zu wecken, horchte immer gespannt nach draußen und kam nicht los von alldem. Ich tastete in mein Gesicht, ob da nicht tiefe Furchen entstanden. Denn jetzt hatte ich alles blitzartig begriffen und wußte, Wettlauf mit dem Tod.

So lag ich wach bis zum Zählappell. Wir sahen verfallen aus nach dieser Nacht und wurden den anderen erschreckend ähnlich. Auschwitz hatte uns bereits seinen Stempel aufgedrückt, und wir waren eingereiht in diesen gespenstischen Zug noch Lebender. Wir waren nicht mehr Zuschauer, wir waren nun mittendrin in dem Elend.

Wir sahen sie nun ganz nahe, diese grinsende Fratze, und schlossen schaudernd die Augen vor ihrer unfaßbaren Häßlichkeit.

Und doch suchten wir uns noch selbst und die anderen zu belügen.

Wir konnten es nicht fassen, daß man Kinder umbrachte, wir suchten es uns auszureden mit allen Mitteln. Es mußte uns auffallen, daß wir keine Kinder sahen. Unsere Blockälteste hatte z. B. einen kleinen Jungen bei sich, er stand mit Appell, die Deutschen sahen ihn und ließen ihn unbehelligt. Irgendwie hatte die Frau das Kind gerettet — es war nicht ihres — und auf Grund ihrer Stellung wurde es stillschweigend geduldet. Wir sahen auch in anderen Gruppen vereinzelt solche Kinder.

Zu diesem Buben war die Bestie rührend, er war gut angezogen, mit den besten Wollsachen warm eingepackt und sah blühend aus. Vielleicht tat sie das Böse nur, um dieses kleine Menschenleben zu retten.

Immer war es ein Vabanquespiel. Erschütternd — so eine Blockälteste, wenn sie mit uns sprach, das Gesicht, die Stimme — und wie es sich veränderte im Gespräch mit einer deutschen Aufseherin. Wie munter sie sich bewegte, wie untertänig, wie liebenswürdig sie war, und doch hinter allem sah und spürte man die Angst. Manchmal wurde sie behandelt wie die beste Freundin, genoß große Freiheit, bekam bei Block-sperre oft die Erlaubnis, andere Lager zu besuchen u. dgl. Aber das war alles nicht sicher, nicht endgültig. Hatte so eine Aufseherin schlecht geschlafen, zwei Nächte vielleicht schon keinen Mann gehabt oder war sie eben nur schlecht gelaunt, verfinsterte sich schnell die Sonne ihrer Huld, und oftmals wurde dann irgendeine Kleinigkeit zum Anlaß genommen, mit einem Schlage diesen Bevorzugten hinabzubefördern in die Dunkelheit der Anonymität der dreckigen Masse. Am anderen Tage sah man bereits eine andere Blockälteste mit derselben Angst, mit derselben Hoffnung an ihrer Arbeit. Lim jeden Preis suchte sie, diesen ihren Posten zu behaupten; wir mußten ihn bezahlen.

Je mehr eine schlagen konnte, je besser es ihr gelang, die Menschen herabzudrücken, je mehr sie für das reibungslose Funktionieren dieser Mordmaschine tat, um so sicherer ihre Position. Einige unter ihnen waren der Veranlagung nach bestimmt vollkommen amoralische Subjekte, aber nicht alle. Die Mehrzahl von ihnen hatte dieses Leben erst dazu gemacht, dieses furchtbare, zermürbende Leben, das am Menschen fraß wie ein eitriges Geschwür. • Es waren Menschen, die schon durch alles gegangen waren, ihre Angehörigen hatte man vor ihren Augen niedergeknallt; sie hatten zusehen müssen, wie man ihre Kinder auf die grausigste Art ermordete. Sie waren stumpf geworden gegen menschliches Leiden, sie hatten selbst zu viel gelitten. Sie wußten, waren sie einmal untergetaucht in diesem Elend, half ihnen keiner, und ein anderer an ihrer Stelle half mit, sie zu vernichten. Also oben bleiben, um jeden Preis.

Erschüttert blättern wir in diesem Buche menschlicher Unzuläng-lichkeiten. Die blutigen Lettern klagen an — sie klagen an die eigenen Brüder. Verrat und Brudermord — da steht es geschrieben und erzählt vom tiefsten Fall des Menschen.

Wie gerne würden wir ein Siegel daraufdrücken und es versenken in den tiefsten Schacht der Vergessenheit.

Wir wissen, Du und ich, die wir durch diesen Schlamm gewatet sind, wieviel moralische Kraft dazu gehörte, um nicht darin unterzugehen. Ein jeder von uns hat etwas getan, was zumindest an seiner Menschenwürde rührte.

Wie oft haben wir uns gebückt nach einem Stückchen Zwiebel, das einer achtlos auf den Boden warf.

Wie oft haben wir im Abfallkübel der deutschen Kantine gewühlt nach einem Krautstrunk.

Wie oft haben wir ein Stückchen Brot, das wir für den Kameraden aufgespart, dann doch selbst gegessen.

Du und ich, wir haben nichts Böses getan, wir haben keinen unserer Kameraden geschädigt. Oftmals haben wir auch einen Sieg über uns selbst errungen. Aber es scheint uns wenig, erschreckend wenig, was wir vermochten — unzulänglich. Wir wissen, daß man andere Maße anlegen muß, das alles wissen wir, und doch macht es uns traurig, dieses Wissen.

Hunger — Hunger allein ist so quälend und beherrschend, daß manchmal daneben nichts anderes mehr Raum hat.

Hunger ist ein weiter Begriff, denn es gibt alle möglichen Abstufungen und Steigerungen dieses Triebes. Es war unangenehm, wenn ich mal kein Mittagessen gegessen hatte, aber ich hatte doch immer die Aussicht, meinen Hunger einmal zu stillen. Aber dieser unstillbare Hunger eines Körpers ohne Reserven, dazu die Angst, morgen vielleicht schon überhaupt nichts mehr zu bekommen. Dieser Hunger, mit dem man sich unterhält, der richtig weh tut. Man versucht es mit Ableugnung seiner Existenz, man verspricht ihm, man belügt ihn, man redet ihm gut zu, umschmeichelt ihn, versucht, ihn abzulenken durch alle möglichen Mätzdien. Aber diesem Hunger kommt man durch nichts bei, letzten Endes unterliegt man kläglich, ist besiegt von seiner harten Unbeugsamkeit.

Noch heute in der Nacht springe ich auf, hole mir schnell etwas zu essen.

Ich ertappe mich auch leider dabei — und das ist noch viel schlimmer — wie ich hinter den Gesichtern von Menschen zu lesen versuche, mir vorstelle, wie sie sich in dieser oder jener Situation verhalten würden. Und wenn ich sie mir dann so vor Augen führe, sehe ich fast lauter Versager.

Dies ist eine schwere Last, zusätzlich zu allem anderen, die wir KZ-Menschen nun weiter durchs Leben schleppen. Die Welt hat nichts, aber auch gar nichts, um uns von diesen Krankheiten zu heilen. Wenn der Körper auch meist einen Knacks weg hat, so ist der Riß im Fundament unserer menschlichen Existenz ein viel unheilbarerer.

Wir wollen keine leeren Versprechungen und abschätzenden Blicke. Wir lassen uns nicht mehr täuschen, wir sind zu oft getäuscht worden. Wir können auch nicht zu lange warten, denn das Leben, das wir vor uns haben, scheint uns zu kurz.

Diese sechs Jahre Gefangenschaft, beladen mit hundert Jahren Leid, haben uns alt werden lassen.

Jeder Tag unserer Freiheit scheint uns wie ein kostbares Gefäß, das wir anfüllen möchten bis zum Rande mit allen Schönheiten der Welt.

Sechs Jahre, auch in ihrer eigentlichen Zeitauswirkung, wiegen sie nur allzu schwer.

Kinder sind Analphabeten geblieben, Männer ohne Frauen und umgekehrt, und vor allem Frauen ohne Kinder.

Jüdische Frauen durften keine Kinder bekommen, auch in Theresienstadt war es strengstens verboten. Manche versuchten es zu umgehen; Resultat: Gaskammer in Auschwitz.

All das muß man sich vor Augen führen, um zu erkennen, wie groß die Schuld und wie dringend die Forderung ist, wenigstens einen Teil davon abzutragen.

Arbeitslager

Nach dem Zählappell kam eine Schreiberin zu uns, sie notierte Namen und Alter mit dem Hinweis, daß wir wahrscheinlich noch heute mit Transport abgehen würden. Es wurde uns bedeutet, über 32 Jahre uns jünger zu machen, unter 17 älter.

Wir wagten schon nicht mehr daran zu glauben, in einem stillen Einverständnis sprachen wir nicht darüber, um es nicht zu zerreden.

Wir hatten gar nicht bemerkt, daß es auf einmal totenstill geworden war, alle gleichsam den Atem anhielten.

Wir sahen einige Frauen blitzschnell unter den Betten verschwinden, andere flüsterten uns zu „deutsche Kontrolle". Da „Achtung, Achtung, Theresienstädter Transport — Kleider ablegen — ganz entkleiden!“

Wir waren sehr blaß geworden —.

Das Personal trieb uns aus den Betten, zählte uns, und wir mußten wieder einmal nackt hintereinander antreten.

Da stand er schon wieder, der Dr. Mengelen.

Wir mußten mit erhobenen Armen an ihm vorüberdefilieren. Diejenigen, die er für gut befand, bekamen einen beifälligen Schlag auf den Rücken. Vor mir mußte eine heraustreten.

lind da sah ich, als ich an dem Kämmerchen vorüberging — zutiefst erschrocken sah ich es — das Gesicht einer älteren Frau aus unserem Transport an die Scheiben gepreßt, mit vor Entsetzen geweiteten Augen in größter Not uns anstarren. Ja, 14 Frauen kamen in dieses Kämmerchen, gingen nicht mit uns, hatten bereits den kleinen Schritt vom Leben in den Tod getan. Durch das Geheiß einer Hand — einer verruchten Mörderhand, lind verzeihet Euren Peinigern —, denn sie wissen nicht, was sie tun —.

Oh, diese wußten, was sie taten, kalt, überlegt, nicht aus einem Affekt heraus mordeten sie hilflose Frauen und Kinder.

Ich sah so einen Mörder zärtlich ein Hündchen streicheln, zu ihm sprechen in den liebevollsten Worten.

Menschenwesen, Kinder, sahen ihn an aus ahnungslosen, unschuldigen Augen.

Ausgelöscht, ohne Zögern, in treuer Pflichterfüllung.

Ein junger Arzt war Augenzeuge, wie Dr. Mengelen in ein Kinderheim kam und strahlend verkündete „morgen gibt es einen guten Pudding“.

Ja am übernächsten Tag war das Kinderheim liquidiert, die Kinder lebten nicht mehr.

Wir waren 200 Frauen, die in ein Arbeitslager kamen.

Wir machten abermals den Weg zu dem Wächterhäuschen und diesmal wurden wir durchgelassen.

Der Wind war zum Sturm angewachsen und wir froren jämmerlich. Nun kamen wir abermals in ein Bad. Nicht dasselbe wie bei unserer Ankunft, viel primitiver und sehr schmutzig. Wir mußten uns draußen im Gang ausziehen, auch diesmal wurde uns alles weggenommen — aber nur allzu gern warfen wir die Lumpen von uns — nur die Strümpfe mußten wir behalten. Wir standen ungefähr zwei Stunden nackt im Gange, uns schlugen vor Kälte die Zähne aufeinander, richtig blau-gefroren waren wir. Dann durften wir endlich in den Waschraum. Es zog von allen Seiten, da alle Fenster zerbrochen waren. Es war uns zumute, wie eine voller Pessimismus richtig bemerkte, „jetzt sollen sie nur kein kaltes Wasser auf uns lassen“, das war das einzige, was wir momentan befürchteten. Eine deutsche Aufseherin, unternehmungslustig mit der Peitsche knallend, ging ständig durch den Raum.

Heißes Wasser ergoß sich auf unsere erstarrten Körper.

Noch dampfend und naß mußten wir ganz in der Nähe der offenen Fenster Aufstellung nehmen, um unsere Kleider zu empfangen.

Ich bekam statt eines Hemdes eine elegante Pyjamajacke, keine Hosen — Ein Kleid — 7 Monate hatte es Zeit, sich in ein Nichts aufzulösen — mit zerfetztem Rücken nur gehalten durch die Ärmel. Dann aber Schuhe, richtige Schuhe. Die ersten, die ich bekam, waren Ball-schuhe mit hohen Stöckeln, ich kam beim besten Willen nicht hinein,

Cemat >

Was ist das, Heimat, frug midi meine kleine Schwester — die Mädels spredien oft dies Wort mit leisen Stimmen wie ein Gebet. Ist's vielleidit endlos weites Land, in dem es keine Mauern gibt, an denen man sich wundstößt, in dem man laufen kann, wohin man will, und es wird keiner auch nur rufen „Halt“ oder gar sdiießen — vielleidit wird es da Menschen geben, die anders ausseh'n als wie wir und unsere Wächter.

Ist es dies, Heimat oder Freiheit, wie Ihr es nennt?

Ja, kleine Schwester, das ist Freiheit, doch Heimat, das ist noch ein ander Ding. Wie sollst Du's wissen und begreifen, Du, die Du‘s nie gekannt und nie erlebt.

Heimat — das ist wie Mutter, kleine Schwester, zu der man flüditet, wenn man arm ist — wund sie wird nicht fragen, wird nur leidet darüberstreichen mit sanften, linden Händen, daß Du die Augen schließt und fast vergißt.

Heimat — das ist wie Erde — stark und voller Duft — zu der man kommt, ein müder Wanderer ohne Hoffnung;

sie aber wird aus unerschöpflide reichem Wachsen Dir neues Leben geben — wenn Du zu müd, dann wird ein Lager Deiner harren, auf dem Du langsam schlummernd eingehst in ihre große Ruhe.

Heimat — da fehlen Worte, kleine Schwester, für uns Gefangene ist's ein Traum, verboten und nicht gut zu träumen.

Verzeih'mir, kleine Schwester, wenn idt schwärmte und ganz vergaß, daß Du noch Kind und and'rer Sehnsucht voll. so zierlich waren sie. Ich meldete es, so wurden Riesenmännerschuhe mein Besitz.

Es gab Prügel. Manche, die sich über zu große oder zu kleine Schuhe beklagten, hatten auf beiden Seiten ihres Gesichtes ganz deutlich Fingerabdrücke. Es hieß von uns, wir seien ein rebellischer Transport.

Wir bekamen Mäntel, die halbwegs den ganzen Jammer verdeckten'. Meine Freundin erhielt sogar einen schönen, schweren englichen Mantel, der uns noch gute Dienste leisten sollte. Wir hatten keine Judensterne, aber auch keine Kopftücher. Wir baten sehr darum, bekamen aber keine. Als wir angekleidet draußen standen, siehe da, wir hatten in zehn Minuten die schönsten Kopftücher, das Futter aus den Mänteln herausgerissen und unsere kahlen Köpfe waren bedeckt.

So standen wir im Sturm, Schnee und Regen sechs Stunden. Wir klammerten uns aneinander, duckten uns, um dem Sturm weniger Widerstand zu geben und es war uns nicht gerade fröhlich zumute. Je länger es dauerte, um so mehr befürchteten wir, doch noch hierbleiben zu müssen.

Ein sehr gut gekleidetes Mädchen wurde in unseren Transport eingereiht. Sie weinte bitterlich. Sie weinte, weil sie von Auschwitz wegmußte. Sie war hier Blockälteste, kam strafweise in einen Arbeitstransport, hatte ihren Freund und Bruder vor kurzer Zeit ins Gas gehen sehen und weinte und weinte, weinte, weil sie von hier wegmußte.

Das waren Menschen, die schon ganz vergessen hatten, daß sie jemals ein anderes Leben als das eines KZ-Häftlings geführt hatten. Sie lebten nur in der Gegenwart, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, waren nur noch Produkt des jeweiligen Lagers geworden. Sie hatten Jahre im KZ verbracht, hatten ihre Freunde, die genau so waren wie sie selbst, und verkörperten einen Typ Menschen, der endgültig gezeichnet war von diesem Leben. Ihre Lebensbedingungen waren durch die Kenntnisse aller Lagerschliche erträgliche, sie hatten nur Angst vor einer Veränderung, wo sie dann auf unbekanntem Boden wieder neu beginnen mußten. Natürlich gab es Gaskammern, den Tod, aber der konnte ihnen fast gar nichts anhaben. Den Tod hier kannten sie und dank ihrer Erfahrungen und Beziehungen konnten sie sich oft einen Aufschub erwirken und auch hoffen, ihm zu entgehen. Aber der Tod, der vielleicht jetzt ihrer wartete, den kannten sie nicht, dem waren sie ohne Wissen ausgeliefert, wie alle anderen.

Ein solches KZ-Produkt war unsere zukünftige Lagerälteste. Sie war sicher nicht schlecht, hatte sie doch immer eine Gruppe von Mädchen um sich, denen sie wirklich half, mit denen sie alles teilte — aber dieses jahrelange Auschwitz hatte sie zu einem wunderbaren Instrument in den Händen deutscher Aufseherinnen gemacht. Es war ein fabelhaftes Zusammenarbeiten, einer machte sich dem anderen unentbehrlich und es klappte alles wunderbar. Es kam ihr gar nicht mehr zum Bewußtsein, daß sie etwas Unrechtes tat und es erschien ihr alles ganz in Ordnung. Dieses Sich-und-andere-Hetzen war ihr zur zweiten Natur geworden, so daß sie die Qual einer anderen gar nicht mehr sah.

Ihr Tag begann damit, im Gesicht der Oberaufseherin zu forschen und zu erraten, wie sie diesen Tag zu gestalten habe. Da gab es viele Nuancen: Uninteressiert — das war für uns ein Haupttreffer. Da konnte man sich was trauen und in den Taschen allerlei nach Hause bringen. Interessiert — das war unangenehm und brachte Überraschungen der mannigfaltigsten Art.

Soldatisch forsch — das war bitter. Da mußte man sich auf Kontrollbesuche und Strafarbeit gefaßt machen.

Am schlimmsten — wenn mild und gütig. Dann wurden alle Kranken aus den Krankenstuben herausgeschmissen, aus Gesundheitsrücksichten alle Matratzen auf den Hof geworfen und was dgl. menschenfreundliche Regungen mehr waren. Unsere Lagerälteste machte das alles mit, ohne uns unser Los zu erleichtern.

Manchmal, wenn sie gut gelaunt war, gab sie uns Verhaltungsmaßregeln für die verschiedenen Stimmungen. Es gab sicher viel ärgere dieser Sorte, aber unser Bedarf war mit diesem Musterstück vollauf gedeckt.

Nun, vorläufig war sie trotz besserer Kleidung und eines kleinen Köfferchens ein bangender Häftling, so wie wir alle.

Endlich, nach Stunden, die uns wie eine Ewigkeit schienen, wurde unser Transport zum Einwaggonieren ausgerufen. Vorher wurden wir sogar verproviantiert. Jeder bekam ein Brot, Wurst und Margarine.

Das war der Beweis, daß vorläufig unser Leben gerettet, wir aufgerückt waren vom namenlosen Etwas zum deutschen Arbeitssklaven. Die zweite Fahrt im Viehwagen begann, um uns wieder einmal etwas Unbekanntem entgegenzubringen.

Wir waren 72 Frauen in einem Wagen, unter Bewachung bewaffneter SS-Feldpolizei, saßen aufeinander, übereinander, auf einem Haufen. In der Nacht ohne Licht kam es zu einer unbeschreiblichen Verwirrung und Panik. Gegen Ende der Reise waren wir schon alle so erschöpft, daß uns alles egal war und wir nur einen Wunsch hatten, zu schlafen.

Von den Polizisten erfuhren wir, daß unser Ziel Oederan in Sachsen sei.

Bis Dresden war die Fahrt fast eine genaue Wiederholung unserer Auschwitzer Reise, nur dauerte sie noch länger und weckte schmerzliche Erinnerungen. Nur einige Tage lagen dazwischen und uns schienen es Jahre. Wir hatten in diesen Tagen so viele Etappen des Erleidens durcheilt, daß uns zumute war, wie einem Menschen, der herabstürzt, immer wieder von einem Felsvorsprung aufgefangen wird, weiterfällt, um dann tief unten liegen zu bleiben und nicht zu wissen, ob er eigentlich lebt. Er tastete alle seine Glieder ab, ob sie heil geblieben sind, kommt langsam zu sich, zum Bewußtsein, daß er lebt. Ich selbst fühlte mich auf der Fahrt am Ende meiner Kräfte. Wie ich in der Zukunft sah, war auch ich gerüstet, ohne daß ich es wußte.

Wir besaßen nun wirklich gar nichts, als die Lumpen, die wir am Körper trugen, und die Weisheit von einigen Auschwitzer Tagen.

Unser Leben im KZ Oederan

Du erfaßt die Hände, die sich Dir entgegenstrecken und schreitest langsam ein, in ihre Reihen.

Dit schmiegst Dich dankbar in die Menschenwärme die Dich umhüllend zart erfaßt.

Ja, wir hatten nur unser Leben und hegten keine zu großen Erwartungen nach alldem in Auschwitzer Erlebten.

So erschien uns das KZ Oederan — Außenkommando — Filiale — von Floßenbürg — anfangs noch erträglich.

Eine Erstaufseherin hatte die erste Zeit das Kommando — sie war nicht allzu schlecht — und was das beste war, wir mußten die ersten drei Wochen nicht zur Arbeit. Das war für unseren seelischen und körperlichen Erschöpfungszustand eine gute Sparmaßnahme unserer Kräfte, die den kommenden Anforderungen zugute kam. Diesem Umstande haben wir es wahrscheinlich zu verdanken, daß wir das Ganze so gut durchhielten. Als wir ankamen, waren bereits 300 Frauen anwesend, meist Polinnen und Ungarinnen. Diese hielten sich bereits drei Wochen in Oederan auf und nur ein kleiner Teil von ihnen arbeitete. Sie arbeiteten in einer Waffenfabrik — Patronen, — einige Schritte von unserem Lager entfernt. Wir waren natürlich eingesperrt, hinter vergitterten Fenstern, herausschauen war strengstens verboten, so daß wir nach einiger Zeit wünschten arbeiten zu können, um wenigstens hinauszukommen. Außerdem hatten wir Angst, wieder nach Auschwitz zurückgeschickt zu werden, wenn es hier keine Verwendung für uns gäbe. Die verhältnismäßig guten Zeiten sollten aber nicht zu lang dauern.

Wir bekamen eine Oberaufseherin zugeteilt, eine Oberaufseherin mit einer für uns beängstigenden Vergangenheit.

Zuerst war sie Aufseherin in Auschwitz und zu uns kam sie aus einem Konzentrationslager in Holland. Von dort mußte sie vor den anrückenden Alliierten flüchten. Sie hatte einen Streifen am Ärmel — bei uns bekam sie den zweiten — also SS-Offizier und gut geschult.

Jetzt kam in das Ganze ein anderer Zug. Alles wurde von Grund auf umorganisiert. Vor allem mußten alle arbeiten. War keine Arbeit da, so wurde sie eben aus dem Boden gestampft. Außerdem arbeitete die Fabrik bereits voll — natürlich Augenauswischerei — wenn kein Material vorhanden war, mußten die Arbeiterinnen stehen. Auch wenn nichts zu tun war, sie mußten stehen, sitzen war strengstens verboten. Im Anfang gab es noch einiges Material, aber da die Maschinen ständig Defekte hatten, wurde sehr wenig produziert.

Frau Oberaufseherin hatte für ihre eigene Person einen ganzen Stab von Häftlingen, die nur für sie arbeiteten. Das war eigentlich verboten, da das KZ für jeden arbeitenden Häftling einen großen Betrag von den verschiedenen Betrieben ausgezahlt bekam. Wir waren sehr teuere Arbeitskräfte, wie uns die verschiedenen Meister erzählten.

Befehle waren nur da, um von den Untergebenen und den Häftlingen befolgt zu werden.

Frau Oberaufseherin war Alleinherrscherin in ihrem Reich. So hatte sie eine Zofe, vier Schneiderinnen, vier Strickerinnen und eine ganze Gruppe Strohflechterinnen zu ihrer eigenen Verfügung. Natürlich nur das Beste vom Besten, denn Frau Oberaufseherin war eine Frau von Geschmack und wußte, was gut und teuer war. Die Strohflechterinnen vollbrachten wahre Kunstwerke, fast ohne jedes Handwerks-zeug arbeiteten sie die apartesten Schuhe und Teppiche.

Aus den Lagerbeständen der Häftlinge wurden die besten Pullover und Westen herausgesucht, aufgetrennt und von unseren Fachleuten zu den schönsten Sachen verarbeitet. Damit beschenkte die Dame ihre ganzen SS-Verwandtschaften und -Bekanntschaften. Wenn sie, zu einem Rendezvous gehend, an uns vorüberrauschte, hielten wir den Atem an vor neidvoller Bewunderung. Die Arbeiterinnen selbst waren die geplagtesten Wesen. Für jede Arbeit wurde eine Frist angesetzt und daß diese nicht zu lange bemessen war, das bewiesen die zitternden Hände unserer Schneiderinnen.

Eine. schwere Uniform arbeiten — da gab es überhaupt keinen Schlaf für die Armen und kein I-Tüpfelchen durfte fehlen. Nichts entging den unerbittlichen Augen.

Die Zofe — das ist wieder so ein Kapitel menschlicher Unzulänglichkeit. Ihre Hände zauberten die wunderbarsten Frisuren auf dieses so liebe Haupt. Sie fuhr dabei nicht allzu schlecht, denn wir hatten den Eindruck eines fast freundschaftlichen Verhältnisses.

Ebenso wurde eine Schreiberin ernannt. Auch ein gehetztes Wesen. Vor allem gehetzt durch ihre eigenen Nerven, durch ihre eigene Feigheit und durch die Sorgen um ihr eigenes Wohlergehen. Sie verdient kein Mitleid, denn sie machte trotz der Möglichkeit, uns durch ihr Wissen zu helfen, wenig Gebrauch von diesem Vorrecht.

Mit der Ankunft der Oberaufseherin wurde endlich ein verzweifelter Häftling, — die in Auschwitz eingereihte Blockälteste — zur Lager-ältesten erhoben. Lind dies auf Grund einer alten Bekanntschaft aus der gemeinsamen Auschwitzer Vergangenheit. Oh, diese Seligkeit — endlich wieder im richtigen Fahrwasser und auf gebührendem Posten. Aus der verweinten, sich nach Auschwitz Zurücksehnenden, wurde von Tag zu Tag eine gewichtigere Persönlichkeit. Ihre Information über die Oberaufseherin lautete nach ihrer Erfahrung: „Nicht die Schlechteste, aber sie schlägt“. Bis jetzt — zur Ehre der Aufseherin sei es gesagt — wurde nicht geschlagen.

Im Lager waren auch zwei Ärztinnen, eine russische und eine ungarische Ärztin. Die Letztere war, wie sich herausstellte, eine gute Bekannte meiner Freundin.

Endlich ein Mensch, der Mut hatte, nicht zu allem schwieg und für uns Häftlinge an sanitären Maßnahmen erkämpfte, was möglich war. Leider sollten wir sie nicht lange behalten, da sie in ein anderes Lager versetzt wurde. An ihre Stelle kam eine zwar brave, aber sehr ängstliche und schwache Persönlichkeit. Die ungarische Ärztin kam eines Sonntagnachmittag in unser Bett hereingekrochen. Sie hatte ganz verzweifelte Augen und bat uns, nicht böse zu sein, wenn sie jetzt zu uns spräche. „Ich muß zu jemanden sprechen, sonst werde ich wahnsinnig,“ waren ihre Worte.

„Mit zwei Kindern und meinem Manne kam ich nach Auschwitz. Ein vierjähriges und ein zweijähriges Mädchen. Die Größere — ein besonderes, kluges und aufgewecktes Kind, hatte auf der Fahrt furchtbare Angst, klammerte sich die ganze Zeit an mich und fragte ständig: »Mutti, Du wirst mich nicht allein lassen?'Mein Gotti“, und hier brach sie ganz zusammen: „Mein Mutterinstinkt hat mich verlassen — ich ließ mein armes Kind allein in all diesem Grauen. Eine Mutter hat ihre Kinder allein in den Tod gehen lassen und das bin ich. Das Kleine hat es nicht so verstanden, aber dieses sensible Kind, was muß es gelitten haben. Als wir in Auschwitz ausgestiegen waren, bedeutete mir einer der Leute des Hilfspersonals, meine Kinder vorläufig einer alten Dame zu übergeben. Ich habe es getan, natürlich ohne die Bedeutung dieses Rat-schlages zu ahnen. In diesem Wahnsinn wußte man doch überhaupt nicht, was man tat. Er wollte mir das Leben retten und ich, ich die Mutter, habe es getan, nichts hat mich gewarnt und ich habe meine Kinder im Stich gelassen. Lind ich lebe. Kann ich denn so leben mit dieser Schuld? Sagt selbst, kan ich denn leben?“

Wir trösteten sie natürlich, daß sie leben müsse, schon wegen ihres Mannes, den sie sicher wiedersehen würde.

Immerfort sagte sie „mein Mutterinstinkt", bekam einen furchtbaren Weinkrampf und damit glaube ich, hatte sich viel gelöst, denn sie lebte. Wir trafen sie zufällig bei der Evakuierung und wirklich, wie wir es unbewußt prophezeit hatten, kehrte ihr Mann zurück und sie waren wieder beisammen.

Manche Mutter, die das liest, wird vielleicht nicht verstehen können, wie diese Mutter noch leben konnte. Woher sie die Kraft nahm, unter so schweren Bedingungen weiterzuleben. Ja, eben diese schweren Bedingungen waren es, die sie am Leben erhielten. In einer normalen, gleichmäßigen Atomsphäre ohne besondere Anforderungen an ihre körperliche und seelische Widerstandskraft, hätte sie es vielleicht nicht ausgehalten. In diesem Leben aber kämpfte der Körper selbständig, ohne daß man ihm die Erlaubnis dazu gab.

Wie diese Menschen dies alles jetzt ertragen, nachdem die große Spannung nachgelassen und der erste Rausch über die wiedergewonnene Freiheit vorüber ist, das ist eine andere Frage und nicht so leicht zu beantworten.

Auch wir im KZ haben immer noch gehofft, trotz unserer bitteren Erfahrungen, unsere Leute vielleicht doch wiederzusehen. Diese Hoffnung war unser stärkster Halt. Wenn es bei manchen auch nur ein ganz kleiner Funke war, so hat er doch genügt, unserem zermürbenden Leben immer wieder den nötigen Auftrieb zu geben.

Eine beunruhigende Erscheinung konnte ich jetzt bei vielen meiner Freunde und auch bei mir selbst beobachten. Das Sprichwort „Zeit heilt Wunden“ scheint bei uns ins Gegenteil verkehrt. Je mehr die Zeit weiter schreitet, je mehr wir uns von all dem Erlebten entfernen, um so mehr scheinen wir auch zu vergessen, welchen Wert das nackte Leben für uns besaß. Wir werden anspruchsvoll, vielleicht zu anspruchsvoll, als Gläubiger einer Schuld, die einzutreiben fast hoffnungsloses Beginnen ist.

Einige wurden ganz apathisch, manche kehrten in die Vergangenheit zurück, wühlten sich hinein in ihren Schmerz, andere verzweifeln und verirren sich immer mehr in einem ausweglosen Gestrüpp. Ein jeder glaubt, selbst genug ertragen zu haben, um noch verschiedene Maße des Erduldens anlegen zu können. Jeder glaubt, daß seine Leiden unter dem Drucke dieses Krieges die schlimmsten gewesen sind. Es ist ja auch so, daß man nie wirklich das Leid des anderen begreifen kann und eben erst alles an der eigenen Haut verspüren muß, um verstehen zu können.

Es wird z. B. oft geantwortet: „Sie können sich gar nicht vorstellen, was wir hier in der Stadt mitgemacht haben. Vor jedem an der Tür sind wir zu Tode erschrocken, da wir immer damit rechnen mußten, daß es ein Gestapobeamter sei; da habt Ihr es in Theresienstadt viel ruhiger gehabt.“ Solche und ähnliche Gespräche höre ich ständig, sie widerlegen zu wollen, ist müßige Anstrengung und führt ins Uferlose.

Und wir haben geglaubt, daß alles ehrfürchtig schweigen wird vor so viel Schmerz, vor so viel unfaßbarem Leid.

Wir haben geglaubt, daß wir Ruhe finden werden am Herzen einer Welt, das für uns schlägt, für unser Schicksal. Daß dem nicht so ist, das ist ein schwerer Schlag für uns, der es uns schwer macht, uns wiederzufinden. Sicher sind wir zu anspruchsvoll und haben uns in unserer Gefangenschaft eine Welt zusammengeträumt, die es nicht gibt, nicht geben kann. Wir haben ein Extrem erlebt, das wirklich Böse. Jetzt dachten wir, das andere zu erleben — das wirklich Gute. Wir haben die richtigen Maße verloren und müssen erst den Weg finden zwischen diesen beiden.

• ALS OB Ich kenne ein kleines Städtchen, ein Städtchen ganz tip-top, ich kenn es nicht beim Namen, ich nenn die Stadt Als-ob.

Nicht alle Leute können in diese Stadt hinein, sie müssen Auserwählte, der Als-ob-Rasse sein.

Die leben dort ein Leben, als ob’s ein Leben wär und freun sich mit Gerüchten, als ob's die Wahrheit wär.

Die Menschen auf den Straßen, die laufen im Galopp, wenn man auch nicht’s zu tun hat, tut man halt als ob.

Es gibt auch ein Cafehaus, gleich dem Cafe Europa und bei Musik und Zeitung fühlt man sich dort als ob.

Lind mancher ist auch manchmal, mit manchem ziemlich grob Daheim war cs ein großer, hier tut er sich als ob.

Des Morgens und des Abends trinkt man Als-ob-Kaffee, am Samstag, ja am Samstag, da gibt’s Als-ob-Hachee.

Man stellt sich an um Suppe, als wäre etwas drin und man genießt die Dorsche als obs ein Vitamin.

Man legt sich auf die Erde, als wäre es ein Bett und denkt an seine Lieben, als ob man Nachricht hätt.

Man trägt das schwere Schicksal, als ob es nicht so schwer und spricht von schöner Zukunft, als ob es morgen wär.

So hatte einer der Theresienstädter geschrieben. Jetzt im Oederan erschien uns Theresienstadt in einem direkt verklärten Lichte und unsere Gespräche über Theresienstadt fanden kein Ende.

Man schlief zu zweit in einem der dreistöckigen Betten, zugedeckt mit einer dünnen Decke — oft krachte in der Nacht der ganze Bau zusammen — am Morgen war man müde und unausgeruht.

Am Abend faßten wir unsere Brotration für den ganzen folgenden Tag. Die meisten von uns aßen sie bereits am Abend, so daß wir mit leeren Mägen zur Arbeit ausrückten.

Vorher Zählappell und dann in Kolonnen zur Arbeit.

Dies natürlich unter Bewachung von Aufseherinnen und Werkpolizei.

Ich gehörte einer Gruppe für Außenarbeit an. Zuerst gruben wir einen Graben für eine Wasserleitung, bis tief in den Winter hinein. Dann wurde ich mit noch drei Kameradinnen einer Gruppe für Bauarbeit zugeteilt. Eine Leinenweberei wurde in eine Waffenfabrik umgewandelt.

Die schwere Arbeit, wie Ziegel und Zementsäcke verladen, machten wir gemeinsam mit einigen Italienern. Wir vier Frauen waren Gehilfinnen bei dem Umbau eines Lagers für neue Häftlinge. Die Häftlinge kamen nie, es wurden dann später deutsche Flüchtlinge und unsere ausgebombten Meister darin untergebracht.

Ich muß jetzt noch lachen, wenn ich daran denke, wie oft wir wahrend dieser schweren Arbeit Verwünschungen ausstießen: „Da sollen nur die Deutschen hereinkommen“, was auch wirklich, recht bald geschah.

Es war richtige Männerarbeit und unsere Hände waren wund vom ständigen Hantieren mit Ziegeln und Zement. Trotzdem hatten wir es besser als die Maschinenarbeiterinnen, da wir größere Bewegungsfreiheit hatten.

Wir brachten die politischen Nachrichten ins Lager, auch Zeitungen und Flugblätter, und wurden zu Hause schon immer sehnsüchtig erwartet.

Wie waren wir froh, wenn wir eine gute Nachricht mitbringen konnten.

Ein Flugblatt werde ich nie vergessen — ich lernte es auswendig — um es dann genau berichten zu können.

Überschrieben war es mit „Es geht zu Ende“ und am Schluß „Bleibt am Leben“. Inhalt war der entscheidende Übergang über den Nieder-rhein. Das Flugblatt wurde von jeder einzelnen des Außendienstes ge-lesen, dann aber zerrissen und weggeworfen, da damals schon ständig Leibesvisitationen waren.

Als ich ins Lager kam, wurde ich gefeiert und mußte das Ganze so oft zitieren, bis mir der Atem ausblieb.

In der Küche erhielt ich sogar eine Extraration.

Wir im Außendienst wurden zu richtigen Gangstern.

Die Aufseherinnen kannten wir recht gut in ihren verschiedensten Aufmachungen, so daß wir mit ihnen fertig wurden. Vor allem, wenn wir sie beim Flirt wußten — das ist natürlich viel zu fein ausgedrückt — dann waren sie gut aufgehoben und wir konnten alles wagen.

Das ging eine Zeitlang gut, bis zwei Affären, die viel Staub aufwirbeiten, uns später unsere Streifzüge erschwerten. Einmal wurde eine von uns beim Rauchen erwischt, Resultat: stärkere Bewachung.

In der zweiten Affäre spielte die Hose eines Italieners eine Rolle, die eines der Mädchen über Sonntag nach Hause nahm, um sie zu flicken. AIs wir an unserer Oberaufseherin vorübergehen mußten, fiel ihr der kolossale Leibesumfang der Sünderin auf und — o Schreck — sie zog die Männerhose heraus. Die Kameradin leugnete natürlich alles, um den Italiener nicht hineinzuziehen.

Sie bekam acht Tage Bunker ohne Essen und wurde aus dem Außendienst ausgeschlossen. Der Italiener blieb ohne Hose und wir stolperten jetzt auf Schritt und Tritt über Aufseherinnen und Werkpolizei. Aber wir fanden doch Mittel und Wege — oft mit einer Keckheit, die mir heute unverständlich ist — unsere verschiedenen Geschäfte zu erledigen.

So versorgten wir das Lager mit Handtüchern, Taschentüchern, und Kopftüchern, die wir von den Arbeiterinnen der Leinenweberei erhielten. Ein kleiner Teil der Fabrik — natürlich isoliert von uns — blieb Weberei. Wenn Menschen wirklich helfen wollten, so bestand auch die Möglichkeit dazu. Die Arbeiterinnen hatten teilweise Zivilcourage und versuchten immer wieder, uns etwas zuzustecken und uns unser Los zu erleichtern. Natürlich mußten vor allem wir immer auf dem Posten sein, wachsam, vorsichtig und diplomatisch.

Als es an Kohlen mangelte — die Aufseherinnenbaracken nicht mehr genug geheizt werden konnten — bekamen wir die inoffizielle Erlaubnis, am Bahnhof Kohlen zu stehlen. Bei diesen Aktionen durften wir uns natürlich nicht erwischen lassen — dann wurden wir offiziell bestraft — trotzdem taten wir es sehr gerne, da es uns fast immer gelang, Steckrüben für unseren eigenen Bedarf beiseite zu schaffen.

Die letzten Monate, als der Bau der Fabrik beendet war. die neuen Häftlinge nicht gekommen waren, wurde ein Teil des Außendienstes an die neuen Maschinen gestellt. Diese Maschinen arbeiteten aber nie richtig, da immer irgendwelche wichtigen Bestandteile fehlten.

Wir aber mußten Arbeit vortäuschen und wenn Kontrolle kam, sehr geschäftig tun. Das war gar nicht so einfach und mußte gut durchdacht werden. Dieses spätere nach Arbeitjagen wurde zu einem richtigen Alpdruck, dem wir mit allen möglichen Tricks beizukommen suchten. Nie durfte die Oberaufseherin oder eine sonstige Kontrolle merken, daß wir nichts zu tun hatten, denn dies hätte uns dann gefährlich werden können. Wir hätten auch nicht mehr schwer arbeiten können, denn wir hungerten sehr und wurden immer schwächer und schwächer. Auch früher hatten wir Hunger. Manchmal, wenn ich so auf einem der Baugerüste stand, konnte mich gerade noch irgendein Arbeiter erwischen, sonst wäre ich herabgestürzt. Mit einem mit Zement gefüllten Eimer die Leiter heraufzuklettern, war bei Hunger-Schwindel keine einfache Sache. Die Arbeiter erlaubten nicht, daß wir mit zwei Kübeln heraufstiegen, aber nur, wenn keine Aufseherinnen in nächster Nähe waren.

Die letzten Monate lebten wir nur noch von Wassersuppen mit Steckrüben — Kartoffeln gab es keine mehr — und einem Stückchen Brot, das täglich kleiner und kleiner wurde. Wir wußten nicht, wovon, wir eigentlich lebten und konnten uns nicht genug über diese Tatsache wundern und darüber philosophieren.

Aus einer anderen Fabrik wurde freilich jede Nacht Ohnmächtige — Nachtschichten waren am schwersten durchzuhalten — nach Hause geschleppt und die Kinder machten uns große Sorgen, da sie von Tag zu Tag mehr dahinschwanden.

Die Laune unserer Oberaufseherin wurde mit den fortschreitenden Erfolgen der Alliierten auch keine bessere und täglich wartete sie uns mit den unangenehmsten Überraschungen auf. Leibesvisitationen, Bett-kontrollen und Strafarbeiten waren an der Tagesordnung.

Bettkontrollen waren für uns eine schmerzliche Angelegenheit, da wir dabei immer unsere schwer erkämpften Kostbarkeiten wie Messer, Schere, Kamm und Spiegel einbüßten. Nach der Meinung der Oberaufseherin arbeiteten wir zu wenig. So entsprangen ihrem erfinderischen Geiste die angenehmsten Beschäftigungen. Den Hof waschen, vor den Aufseherinnenbaracken einen Garten pflanzen und das Schlimmste war, als sie uns verkündete, wir müßten uns einen Spielplatz für den Sommer bauen.

Wir vom Außendienst hatten keinen freien Sonntag mehr, wurden ständig —in Anerkennung unserer größeren Geschicklichkeit — zu diesen Arbeiten herangezogen.

Der Druck wurde immer stärker, der Hunger immer quälender und dazu kam noch die große Angst, wenn keine Arbeit vorhanden war, liquidiert zu werden.

Wir hörten unterdessen auch beängstigende Nachrichten von Häftlingen, die halbnackt und halbtot durch die Ortschaften zogen.

Wir sahen die deutschen Flüchtlingszüge, genau so wie wir in Vieh-waggons und heruntergekommen, am Oederaner Bahnhof stehen.

Einige Schichten wurden jetzt ständig aus der Fabrik zurückgeschickt, da es keine Arbeit mehr gab. Die Schikanen mehrten sich.

Wie ist mir — ich bitt so matt — die Schaufel in meiner Hand wird immer schwerer und schwerer -Der Sandberg vor mir wächst und wächst bald wird er sich über mich stürzen und mich unter sich begraben. Mein Gott — was ist mir, wahrscheinlich Hungervisionen — oder doch nicht?

Mein Herz — was ist mit meinem Herzen — ich spür es immer größer werden in meiner Brust, bald wird es mich zersprengen.

Und die Luft — was ist mit der Luft ich kann sie nicht atmen, wie nasse Tücher legt sie sich um mich, sucht mich zu ersticken. Ist Dir nicht gut, fragt mich flüsternd eine Kameradin — Du siehst ja furchtbar aus — aber das ist nur der Frühling — der macht uns heute alle ein biflchen verrückt.

]a, der Frühling —, das hatte ich ganz vergessen, das] es einen Frühling gibt.

Ich dacltte — dachte, es gebe nur noch Winter.

So also kommt der Frühling zu uns, und ich fürchtete schon: es war der Tod. „Der Führer hat Geburtstag“ noch immer höre ich diesen herzzerreißenden, monotonen Sang einer Kameradin —.

Als sie ins Lager kam, war sie noch ein kugelrundes Bauernmädel mit knallroten Backen. Später war sie dann eine von denen, die am meisten Hunger litt. Ihr einfacher Verstand wurde mit alldem nicht fertig und stand dem Ganzen fassungslos gegenüber. Wir bemerkten keine besondere Veränderung, war doch jeder zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um derartige seelische Vorgänge registrieren zu können. Wir fanden sie nur ein bißchen beschränkt und kümmerten uns nicht viel um sie. Der Geist unseres Lagers war sicher kein schlechter — denn es kam zu keinen Gemeinschaftsdiebstählen und nie zu Denunziationen — aber dieser tägliche Existenzkampf jedes Einzelnen richtete sich gegen die , weniger Befähigten und war oftmals grausam in seinen Auswirkungen.

Es erinnerte mich an die Kindheit, an die Schule — und hier im KZ wurde der Mensch aller künstlichen Umhüllungen beraubt — denn auch da gab es Kinder, die furchtbar litten unter der Stärke der anderen und der eigenen Kampfuntüchtigkeit. Als nun unsere Kameradin vor uns lag, besiegt von all diesen Mühsalen und unserer eigenen Unzulänglichkeit, hatten wir Gewissensbisse und gaben uns viel Schuld an dieser Tatsache.

Die Brotration sollte schon wieder einmal gekürzt werden und dies versetzte uns alle in die größte Unruhe. Das Gehirn unserer kleinen Margot konnte diesem Druck nicht mehr standhalten. Es begann damit, daß sie uns ständig fragte: „Ist es auch wahr?“ Am Abend lag sie ganz apathisch, wie in einer tiefen Ohnmacht. Dann fing sie an zu toben, so daß wir sie ins Krankenzimmer, das dicht neben unserer Ubikation lag, schaffen mußten. Tag und Nacht schrie sie: „Der Führer hat Geburtstag". Dann sang sie die holländische Hymne und flüsterte entsetzt:

„Die Oberaufseherin kommt“. Es schallte nur so durch das ganze Haus und erregte natürlich Aufsehen. Es gelang aber, den eigentlichen Zustand zu verheimlichen und ihn mit hohem Fieber zu bezeichnen.

Andernfalls wäre sie sicher weggeschafft worden. Später gingen die Tobsuchtsanfälle in ein schreckliches Verstummen über. Sie erlebte aber trotzdem die Freiheit, ob sie gesund wurde, ist mir unbekannt.

Was bedeutete es, wenn die Brotration wieder einmal gekürzt wurde?

Brot war etwas unvorstellbar Köstliches. Es wurrde direkt ein Kult damit getrieben. Da gab es gesuchte Brotschneiderinnen, die das Brot in so hauchdünne Scheibchen schnitten, daß man die Illusion hatte, einen ganzen Haufen vor sich zu haben und theoretisch die schönsten Einteilungen treffen konnte, bei der Verteilung gab es endlose Debatten, ob ein Eckstück besser als ein Mittelstück sei. Dann verglich man, fand immer, daß man betrogen war. Es wurden die fantastischsten Waagen aus Pappdeckeln fabriziert und die Besitzerinnen wanderten dann von Zimmer zu Zimmer und fällten ihr Urteil. Meine Freundin setzte sich jeden Abend nach der Brotverteilung auf unser Bett, machte allerhand geheimnisvolle Vorbereitungen — das Kopftuch wurde als Tischtuch benutzt — sie zählte ihre Brotfragmente und murmelte vor sich hin:

„So, zweie esse ich jetzt, zweie zum Frühstück, zweie zur Arbeit".

„Da werde ich wieder einen Hunger haben“, konstatierte sie mit einem schweren Seufzer. „Na, ich gehe ja bald schlafen da spür ich's nicht so“, beruhigte sie sich selbst, aß mit zeitlupenartiger Langsamkeit ihre zwei Stückchen, legte fein säuberlich ihre Fetzen zusammen, hüllte sich in ihren eleganten englischen Mantel und schlief sofort ein. Jeden Abend wiederholte sich dasselbe und ich wartete immer voller Angst und Wut auf dieses stereotype Selbstgespräch. Da ich meist meine ganze Brot-ration auf einmal aß und auch nicht so schnell einschlafen konnte, wurde mir diese ihre strenge Methodik zu einem ständigen Vorwurf und ich mußte neidvoll ihre Überlegenheit anerkennen.

Brot war eine gewisse Sicherheit und nahm ein bißchen von der Angst vor dem Verhungern.

Brot war eine feste Insel in dem Wassersuppenmeer.

Eine 14jährige LIngarin war wie die kleine Margot hineingeflüchtet in das Vergessen. Als die Oberaufseherin aufs Krankenzimmer kam, schaute sie das Kind ganz verklärt an und sagte: „Du bist soo schön“.

Von diesem Augenblick an besuchte sie die Oberaufseherin fast jeden Tag, ließ ihr Essen aus der Aufseherinnenküche bringen und stellte zu ihrer alleinigen Bewachung und Pflege eines unserer Mädchen ein.

Später, als die Kleine aufstehen konnte, wurden für sie die besten Kleider herausgesucht und sie wurde wie eine Puppe gekleidet. Das wurde der Oberaufseherin mit der Zeit natürlich langweilig und später kümmerte sie sich auch gar nicht mehr um sie. Ich selbst wurde auch krank in dieser Zeit, bekam hohes Fieber, mußte aber nach einigen Tagen das Krankenzimmer verlassen und blieb von da an sehr schwach. Überhaupt füllte sich das Krankenzimmer beängstigend. Kranke wurden nur bei 39° Fieber ausgenommen.

Es kamen die gefürchteten Kontrollen. Die Oberaufseherin spielte dabei selbst Ärztin, zog sich einen weißen Kittel an, fragte eine jede, was ihr fehlte. „Nierenentzündung.“ „Das habe ich auch“, war ihre Antwort, verabreichte eine Ohrfeige und warf die Kranke hinaus Das war ein Spaß und ein hübsches geistreiches Spiel. Wir überlebten es trotzdem.

Wirklich positiv — wenn auch sehr quälend — war der Sauberkeitsfanatismus der Oberaufseherin. Ständig wurden Fenster geputzt, Türen angemalt und wir selbst nach Läusen untersucht. Wir mußten sauber sein. Wie wir das zuwege brachten, ohne jedwede Hilfsmittel, das war natürlich schon nicht mehr ihre Sache. Aber wir wußten uns selbst zu helfen, stahlen kiloweise Soda in der Fabrik, ja, manche schleppten von dort kübelweise heißes Sodawasser ins Lager. So ein Kübel war begehrt.

Es gab meist etwa zehn Anwärter darauf. Dieses, unser hartnäckiges Bestreben, sauber zu sein — so viel Plage es auch kostete — trug für unsere Gesundheit gute Früchte. Das enge Beieinanderhocken und der Schmutz gehörten zu den ärgsten Geiseln der Konzentrationslager, da sie Epidemien begünstigten und viele Menschenleben kosteten.

Die Oberaufseherin führte ein strenges Regime auch unter ihren eigenen Leuten, den ihr untergebenen Aufseherinnen. Die letzteren behaupteten, und dies besonders als es schon langsam zu Ende ging, unter Zwang SS-Aufseherinnen geworden zu sein. Die Oberaufseherin nannten sie voll zitternder Angst „die Alte“. Die Alte war 22 Jahre alt. die anderen so zwischen 20 und 28 Jahren. Es gab für die 500 Häftlinge 30 Aufseherinnen. Sie rekrutierten sich meist aus gewesenen Arbeiterinnen der beiden Oederaner Fabriken. Vor allem lockten sie die viel besseren Lebensbedingungen bei der SS.

Sie hatten neben den Höchstzuteilungen an Nahrungsmitteln noch Sonderzulagen. Das Ausschlaggebende aber war eine gewisse Machtposition, die sie sich nie hätten träumen lassen. Wir waren ihre Dienstboten, die Blitzableiter für alle ihre primitiven Instinkte. Sie ließen sich gerne erzählen, was die oder jene früher gewesen, denn diese Umkehrung der Machtverhältnisse war ein besonderer Kitzel für ihre kleinen Gehirne. Solche Außenkommandos, wie das unsere, gab es Hunderte; sie unterstanden dem Oberkommando irgendeines Hauptkonzentrationslagers. Es kamen auch manchmal Kommissionen, aber im allgemeinen ließ man der jeweiligen Oberaufseherin ziemlich freie Hand. Offiziell wurde jedes ernstere Verfahren an das Oberkommando weitergegeben, inoffiziell aber bestimmte eine Oberaufseherin über Tod und Leben der Häftlinge. Auch wir hatten in unserem Lager eine politische Affaire. Eine Kameradin stand in Korrespondenz mit einem gefangenen Franzosen, und im Verlaufe einer Bettkontrolle fiel das deutsche Konzept eines derartigen Briefes in die Hände der Oberaufseherin. Wir sagten aus, daß die Kameradin infolge des Verlustet ihrer beiden Kinder nicht mehr normal sei.

Die Angelegenheit wurde an das KZ Floßenbürg weitergeleitet — der Brief war politischen Inhaltes — dies geschah aber kurz vor dem Anrücken der Alliierten, so daß es zu einer Verurteilung nicht mehr kommen konnte.

Wenn eine solche Oberaufseherin heute behauptet, sie mußte laut Befehl handeln, so ist dies eine sehr billige Rechtfertigung, denn wir erlebten es, wie viel Vergnügen sie daran fand, Menschen zu quälen.

Es gab z. B. ein Außenkommando in den Sudeten — es klingt direkt märchenhaft — wo der Betriebsleiter so viel für Häftlinge tat, daß sie im Rahmen des Möglichen ein menschenwürdiges Dasein führten. Ja, sie hungerten nicht einmal, da der Betriebsleiter auf den vorgeschriebenen Zuteilungen beharrte und dafür sorgte, daß die Nahrungsmittel wirklich den Weg zu den Häftlingen fanden. Ansonsten gingen diese Lieferungen durch so viele Hände — um dann zum Schluß in den Aufseherinnenküchen zu verbleiben — daß eben für die Häftlinge fast nichts mehr übrig blieb Dieser Mann war wirklich mutig, — ein Mensch — er beeinflußte das übrige Aufseherpersonal derart, daß sie mithielten. Zum Schluß blieb dieses Lager vor jeder Evakuierung verschont. Dies alles durch Mut und wahres Menschentum eines einzelnen. Nur ein kleiner Teil davon übertragen auf die übrigen Lager, hätte vielen, vielen das Leben gerettet. Dieser Mann steht auch jetzt unter dem Schutz seiner ehemaligen Häftlinge und ist samt seiner Familie ganz einer der ihren geworden.

Leider scheint dieser Fall vereinzelt dazustehen: es klingt unglaubhaft, aber wir mußten sehen, wie gerne und gehorsam diese Leute eine so schandbare Pflicht erfüllten.

Es war möglich zu helfen, so konnte der Betriebsleiter des jeweiligen Betriebes strikte verlangen, daß seine kostbaren Arbeitskräfte — und für ihn brauchten wir nur Arbeitskräfte zu sein — gut ernährt und be-Mandi einer trägt ein Lächeln int Gesidit ganz still und selbstvergessen. Der heutge Tag, er ist uns gut in seiner weidien Warnte Mandi einer trägt ein Leudtten in den Augen ganz tief, voll leiser Hoffnung.

Der heuTge Tag, er hat's in sich, er sdiimmert auf iw ros gen Glanz der Ferne.

Ein jeder von uns trägt's für sidr, ein heiwlich Sehnen.

Der heut'ge Tag ist ein Verführer uns in seiner warnten Lod? ung, zu rasdt schmilzt er das harte Eis erstarrten Lebens.

Der heut'ge Tag — idt sdiau ihm tief ins Angesicht.

Ich steh'auf einem Hügel, blidT ins Tal, das anmutig sidr wiegt im Sonnenglanze.

Audi midi will es mit zarten Fingern fassen, leiditkin und spielend von mir streidteln die dunk'len Zweifel.

Idi steh'und sdiau'und will mich schon bekehren zu diesem Tag voll Heiterkeit.

Da seh'ich plötzlich — eine Faust greift drohend in die süfle Landschaft, Gewehre blitzen, einen Zug von Menschen, der schwankend, straudielnd sidt dahinwälzt.

Halbnad^t sind sie, Skeletten gleidi, Gesiditer — eine schwarze Kruste ohne Leben.

Sie sehen nichts — sie hören nichts — Geh'n nur dahin aus irgendeinem Triebe.

]a, manche kriechen nur und einen seh'ich niedersinken am Wegesrand — ein Schuß gellt auf — ein Mensdt — vielleidit ein Freund — verströmt ein bißchen Leben langsam in das zarte Grün.

Das war es, was sich hinter diesem Tag verbarg, dem ich nicht glaubte.

Und weiter spielt er mit dem Sonnenlicht.

Dodt uns — uns hat das Grauen angerührt mit kalter Knochenhand.

Wir frösteln unter diesem eis'gen Haudte, und spüren nichts wehr von der Wärme dieses Frühlingstages. handelt wurden. Wenn einer dieser Betriebsleiter selbst auch nicht zu den überzeugten Nazis gehörte, so hatte er doch so große Angst vor der SS, daß er den Mut nicht aufbrachte, gegen die schmählichen Behandlungen ein Veto einzulegen, um so mehr, da einer dem anderen nicht trauen konnte.

Keiner traute keinem unter diesem Regime, sogar in der eigenen Familie herrschte das größte Mißtrauen, sogar vor den eigenen Kindern mußten sie auf der Hut sein. Einmal bei einer Bettkontrolle wurde einem Teil der Maschinenarbeiterinnen — eine böse Laune der Ober-aufseherin— die Kleider weggenommen, so daß die Frauen unter dem Mantel nackt zur Arbeit kamen. Das war das einzige Mal, wo unser Betriebsleiter protestierte und unsere Oberaufseherin zur Rechenschaft zog.

Wenn uns einer der Arbeiter in der Fabrik etwas zu essen geben wollte, so geschah das unter den größten Vorsichtsmaßregeln und war immer tragikomisch in seiner Auswirkung. Vor allem durfte es der andere Arbeiter nicht sehen — mit dem ihn sonst Freundschaft verband —, die Aufseherinnen mußten irgendwie abgelenkt werden. Und jetzt kam das Eigentliche — mit einem lachenden und einem weinenden Auge schreibe ich das — nämlich die Gabe zu finden. Mit einer Handbewegung deutete der Arbeiter auf einen Haufen Abfallbestandteile — ein Riesen-haufen war es — und jetzt begann das Suchen. Meine Kameradin und ich, die wir dann später als Ordonannzen und Lagerhalterinnen beschäftigt waren, trugen nun unter allen möglichen Vorsichtsmaßnahmen und Vortäuschungsmanövern diesen Haufen ab und zum Schluß stellte sich heraus, daß die ganze Arbeit überflüssig gewesen war, da das Stück Brot hinter dem Haufen unter einem Balken versteckt lag. Oder es wurde auf eine Maschine gedeutet. Wir suchten in allen Maschinen des Riesenfabrikraumes, um es dann gar nicht zu finden.

Oft wurden wir dabei schamrot, schauten uns vielsagend an und suchten weiter, getrieben vom Hunger.

Es war meist ein Stückchen Brot, etwas Salz oder einige Kartoffeln, die wir dann noch in vier Teile teilten. Dessen ungeachtet half uns dieser Bissen für einige Stunden den Hungerschmerz zu besänftigen.

Die Angst der Freien war immer eine viel größere, als die der Häftlinge, trotzdem wir doch, dabei erwischt, eine viel größere Strafe zu gewärtigen hatten als die Spender. Unsere Ängste aber waren ganz anderer Natur und hatten einen normalen Angstzustand so weit überschritten, daß nichts, was momentane gebieterische Forderung unseres Körpers war, uns zurückhalten konnte.

War z. B. Alarm und wir nicht im Lager eingesperrt, so konnte dieses von den anderen so gefürchtete Ereignis uns absolut nicht aus der Ruhe bringen. Wir waren durch diese vielen Zufälle, denen wir unser Leben verdankten, Fatalisten geworden. Die anderen rannten wie besessen und waren sehr aufgeregt. Das konnten wir nicht einmal verstehen, so weit hatten wir uns schon von alldem entfernt.

O, wir hatten Angst, aber eben die Angst Gefangener, der menschlichen Willkür ausgelieferter Häftlinge.

Angst hatten wir vor den verschiedenen, unberechenbaren Launen unserer Oberaufseherin, vor Kommissionen, Krankheit und Verringerung der Brotration. Angst hatten wir vor jeder Veränderung, vor Überraschungen. Vor allem hatten wir Angst vor dieser ungreifbaren Gefahr, die wir ständig spürten, die uns umgab und in die wir eingeschlosse waren, wie in einem magischen Kreis. Diese absolute Hilflosigkeit wurde uns durch nichts so ins Gedächtnis gerufen, wie eben durch diese eigentlich ungefährlichen Schikanen.

Eine Übersiedlung in einen anderen Block, eine Arbeitsumgruppierung, eine neue Bemalung *) unserer Kleider, das brachte uns aus dem Gleichgewicht und ließ uns immer das Ärgste vermuten.

Mit der Zeit wurde die Angst der Deutschen der unseren ähnlich und wir stießen auf mehr Verständnis.

Ein Zimmermann sagte einmal: „Wie bin ich blöd, da baue ich mein eigenes Gefängnis“. Oder, sie sahen uns an mit Blicken die sagten, so werde ich mal aussehen, und sprachen es auch aus. Sie wußten nicht, sollten sie das baldige Ende herbeiwünschen — allzuviele Schrecken des Krieges hatten sich ihnen bereits genähert — oder nicht, sie waren in einem großen Dilemma. Auf den Kern der Sache aber konnten und wollten sie nicht kommen. Immer suchten sie die Schuld bei den anderen, den Oberen, und nicht bei sich selbst.

Wir Oederaner Häftlinge können nichts Schlechtes von dem größeren 'den uns vor dem Zusammenbrechen bewahrt. Ich will ihre Hilfsbereitschaft nicht schmälern, denn sicher war es bei einzelnen wirkliches Mitleid und Helfenwollen. Bei den meisten aber war es ein beginnendes Schuldbewußtsein, allerdings erst unter dem Drucke der Ereignisse. Sie hatten bereits das Gefühl, je schlimmer unser Los, um so ärger ihr zukünftiges Schicksal. Wir waren ihnen gleichsam Verkörperung ihrer eigenen Zukunft. Es dämmerte langsam in ihren vermauerten Gehirnen, daß es doch so etwas geben könnte, wie eine ausgleichende Gerechtigkeit.

Fast erschütternd war es zu sehen, wie qualvoll langsam es an ihr Bewußtsein pochte, erschütternd deshalb, weil es deutlich zeigte, wie tief verschüttet dies alles lag. Ich kann mich noch erinnern, wie entsetzt ich war, als ein Arbeiter, von dem ich glaubte, daß er sehnlichst eine Veränderung herbeiwünschte, mir eines Tages mitteilte: „Roosevelt ist gestorben“ — wie reagierte er darauf? — „Vielleicht wird diese Tatsache dem Kriege doch noch eine andere Wendung und Hitler vielleicht doch noch die Möglichkeit zu einer Verständigung geben.“ Solche und ähnliche Bemerkungen hörten wir immer wieder, er schimpfte zwar auf das Ganze, duldete aber keinesfalls, daß der andere dasselbe tat.

Idi hätte gern all diese Arbeiter zu einer Zeit gesehen, wo sie noch erfolgreich waren und der nationalsozialistische Himmel alle seine Segnungen über sie ausschüttete. Da wäre ihre heutige Haltung von uns als Heldentat gefeiert worden, unter diesen Begleiterscheinungen aber, kommentiert durch eben diese Randbemerkungen, entwertete sich ihre Hilfsbereitschaft. Ich selbst aber erlebte das Wunder echter Hilfsbereitschaft. Eine kleine, arme Arbeiterin, Else Schrötter, nahm sich meiner an und half mir aufopferungsvoll, wo es nur eben ging. Sie selbst hatte sicher nicht viel zu essen und teilte noch das Wenige mit mir.

Ein psychologisch interessantes Moment muß ich hier noch anführen. Es war so, daß sich in allen Konzentrationslagern durch das Arbeitsverhältnis zwischen Häftling und deutschen Arbeiter ein gewisses Näher-kommen herausbildete. Dies beschränkte sich aber eigentümlicherweise nur auf die jeweilige Gruppe, die einander kannte. Dieses Moment gab es sogar bei der SS. Irgendein berüchtigter SS-Mann behandelte — wenn sich ihm die Gesichter einer Arbeitsgruppe eingeprägt hatten — die Häftlinge manchmal direkt jovial. Andere, die er nicht kannte, schlug er halb tot. Dieses gefährliche Moment einer zu engen Zusammenarbeit war der Führung absolut bewußt, deshalb zögerte sie, die Juden in den Arbeitsprozeß einzureihen. Aus demselben Grunde wechselte oft das Personal. Dieses Sichkennen rettete vielen der Gefangenen das Leben, denn wahrscheinlich machte es doch einen Unterschied, ob man in ein bekanntes Gesicht hineinschoß oder in eines der unbekannten Masse.

Wir, der Außendienst, unterstanden eigentlich einem SS-Oberscharführer. Als es einmal zu einem Austausch von 30 Frauen unseres Lagers mit einem anderen kam, sollte der Oberscharführer einen Teil davon aus dem ihm unterstehenden Außendienst aussuchen. Wir schauten ihn alle flehentlich an — da wir doch nicht wußten, was wieder einmal mit uns werden sollte — und da war er nicht im Stande, sich dieser Aufgabe zu entledigen. Er sagte: „Die Mädels sind schon eingearbeitet“. „Die Mädels", das war schon verpönt — worauf ihm die Oberaufseherin einen wütenden Blick zuwarf. Mit Vornamen, und überhaupt durften wir nicht angerufen werden, wir waren immer Häftling Nummero so und so viel.

Von da an traute die Oberaufseherin dem Oberscharführer nicht mehr recht und übernahm selbst die Kontrolle über den Außendienst.

Natürlich fand sie immer etwas nicht in Ordnung.

Mir begegnete sie einmal, als ich allein ohne Begleitung Wasser holte. Ein Appell der Aufseherinnen, Bestrafung der Verantwortlichen, Entzug einiger freier Sonntage, war das Resultat. Nach so einem Verfahren hatten wir es dann immer mit feindlichen Aufseherinnen zu tun und wir mußten für einige Zeit alle unsere Unternehmungen einstellen. Solche Appelle bestanden immer darin, den Aufseherinnen ins Gedächtnis zu rufen, wer wir eigentlich seien und wenn wir auch nicht zeigten, was wir wirklich dachten, hegten wir doch hinter der harmlosen Fassade nichts wie Mord-und Fluchtgedanken. Fluchtgedanken ja, aber Mord-gedanken nur theoretisch.

Einer der Befreier erzählte mir folgendes:

Als sie in das KZ Mauthausen einzogen — dort war jener berüchtigte Lagerkommandant, der seinem Jungen zum Geburtstage 50 Juden zum niederknallen schenkte — befand sich ein Häftling, der von diesem Kommandanten verstümmelt worden war. Die Befreier gingen nun in die herrschaftliche Villa in der Nähe des Lagers, um die Frau und die drei kleinen Kinder des Lagerkommandanten in Gewahrsam zu nehmen. Zu diesem Zwecke nahmen sie den Häftling mit und übergaben ihm die drei Kinder. Daraufhin frug er die Mutter, wo die Schwiegereltern wohnten, nahm die Kinder und brachte sie dorthin, ohne ihnen auch nur ein Haar zu krümmen.

Töten — nein, das ist unsere Sache nicht, überhaupt hilflose Menschen, so weit hat uns auch dieses Leben nicht bringen können. Wir wollen nichts mehr mit ihnen zu tun haben, aber das Richteramt überlassen wir anderen Mächten.

Vormarsch der Russen

Du aber wartest, Du mußt warten, denn irgendwo in weiter Ferne da muß es sein, da muß es kommen, das Unfaßbare — Unausspredilidte.

Die Russen gingen vorwärts.

Sie gingen so rasch vorwärts, daß uns schier der Atem wegblieb.

Wir erlebten diesen ganzen Vormarsch mit einer Intensität, die mandien dieser Soldaten erschüttert hätte.

Wir liefen mit, Tag und Nacht, wir waren wie in einem Rausch und vergaßen darüber unser kümmerliches Dasein.

Nichts konnte uns in dieser Zeit etwas anhaben, nicht der Hunger, nichts, nichts drang zu uns von dieser ganzen Mühseligkeit Wir waren wie Kinder in unserer Hingabe an die gegenwärtige Glückseligkeit.

Wir fachsimpelten wie alte Militärs. Holten alle unsere gehörten Kenntnisse vom vergangenen Kriege heraus. Zeichneten Landkarten, die wir dann gruppenweise studierten und hörten andächtig zu, wenn die eine oder andere irgendeine Weisheit von sich gab.

Nur ein wirklich Gefangener — ein Häftling — konnte dies alles so erleben, mit dieser Leidenschaft und mit dieser heiligen Glut.

Wir blühten direkt auf unter dieser Hoffnung. Über die abgezehrten Gesichter huschte schon manchmal ein Lächeln. Ja, wir wurden sogar übermütig und wieder richtig jung. Eine gute Nachricht jagte die andere.

Jede zurückkehrende Schicht brachte etwas Neues. Wir der Außendienst, waren sozusagen die höchste Instanz für die Zuverlässigkeit der Nachrichten.

Wir rechneten aus, wie lange es bei diesem Tempo dauern könne und zu welchem Zeitpunkt die Russen bei uns einmarschieren würden. „Werden sie uns zu essen bringen?", wurde oft besorgt gefragt. Darauf eine:

„Eine Unmasse Gulaschkanonen werden mit ihnen kommen“. Wir entwarfen die tollsten Speisezettel, um dann meist zufrieden bei einem ganzen Laib Brot zu landen. Es ist unmöglich, das alles zu Papier zu bringen, was gehofft, gewünscht und was alles an rührendem Unsinn zusammengeredet wurde.

Den Höhepunkt unserer Freude erreichten wir, als eines Tages unsere Oberaufseherin verreiste. Sie fuhr in ihre Heimat, nach Schlesien, um ihre dort lebenden Eltern vor den anrückenden Russen zu retten. Vorher versuchte sie stundenlang mit ihrer Schwester, Aufseherin in Auschwitz, in telefonische Verbindung zu kommen. Sie bekam sie nicht mehr, Auschwitz schwieg. Die Wogen unserer Begeisterung schlugen immer höher und höher. Wir hatten unserer lieben Oberaufseherin bereits „Lebewohl auf Nimmerwiedersehen“ gesagt. Mit ihrer Abreise lockerte sich auch die Disziplin unter den Aufseherinnen, und wir erlebten herrliche Zeiten.

Langsam erwachten unsere Spaßmacher, und am Abend, wenn wir in den Betten lagen, gab es richtiges Kabarett-Programm. Bis tief in die Nacht hinein wurde in allen Sprachen gesungen. Uralte Witze wurden zu den neuesten Schlagern.

LInsere Ruth war unübertrefflich. Sie ahmte ein richtiges Jazzorchester nach, kopierte die Marlene Dietrich, gab Annoncen auf, wie: „Tausche mit einer Kranken gegen ein Sonntagsessen“.

Einmal lag sie ganz still in ihrem Bette, und wir wunderten uns schon über ihr Stummsein.

Auf einmal begann sie mit sehr zarter Stimme sehnsüchtig: „Stellt Euch vor, es kämen jetzt Männer. Für jeden einer, aber was sag'ich, zumindest zwei, drei, müssen es sein.“ Jetzt schilderte sie das mit allen Details und so komisch, daß wir herzlich lachen mußten „Und jetzt entblättern wir uns."

„Stellt Euch das vor — wir entblättern uns.“

„Erst den Mantel, dann unsere hundert Hader“ — wie z. B. Watelin — das wir wie die anderen Lumpen um unsere Körper gewickelt trugen.

Lind darunter, o Schrecken, unsere Häftlingswäsche, die wir zu dieser Zeit gerade gefaßt hatten. „Blauweißgestreifte, dicke, abstehende, hochgeschlossene Hemden und ebensolche Hosen von Riesenausmaßen."

Dies alles sagte sie in diesem verträumten Ton, um zum Schluß ihre Stimme ganz ersterben zu lassen. Wir wäkzten uns in Lachkrämpfen und fielen beinahe aus unseren Betten.

Aha — da wieder ihre Stimme. „Das gefällt auch den feinen-Damen; mit sowas muß man kommen, daß sie auch einmal ihren Mund verziehen.“ Das war auf mich und meine Umgebung gemünzt, die fast aus lauter Arztfrauen bestand und sonst auf die ziemlich abgedroschenen und geschmacklosen Histörchen nicht reagierten. Diesmal hatte sie sich aber selbst übertroffen und die Traurigsten unter uns mußten Jachen.

Den Betrieb auf der Toilette mußten wir richtiggehend unter einen Ordnungsdienst stellen, denn sie konnte die vielen Zirkel die dort abgehalten wurden, gar nicht mehr fassen. Hier wurden die Zeitungen vorgelesen, Reden gehalten, ja sogar Zigaretten geraucht. Immerfort war irgend etwas los, und wir rannten von Block zu Block um nur ja keine Neuigkeit zu versäumen Meine Freundin und ich wurden allmählich stutzig über die Tatsache, daß die anglo-amerikanische Armee sich in diese Endphase nicht . einreihte. Es verlief die erste Woche, eine zweite, dritte — im Westen nichts — Wir sagten nichts von unseren Zweifeln, denn auch wir hofften noch immer, daß dieser Vorstoß die Russen so weit vortrage, daß auch wir in Sachsen in seinem Verlaufe befreit würden Man sprach davon, daß sie dicht vor Dresden ständen. Diese Nachricht aber trug bereits so viel Widerspruch und Unklarheit in sich,, daß sich langsam zweifelnde Stimmen erhoben. Es vergingen 14 Tage, drei Wochen. Die Russen kamen nicht. Die Rechnung, unsere Rechnung, war nicht aufgegangen. Wir hatten das sichere Gefühl, daß nur ein Überraschungsmoment uns retten könne, anders fürchteten wir die Vorkehrungen der Deutschen, die ihnen dann Zeit ließen, mit uns zu irgendeinem Ende zu gelangen.

Wir sahen die deutschen Flüchtlinge, die kleinen Lebensmittelzuteilungen der deutschen Arbeiter, wir sahen nun ein Ende mit Schrecken.

Jeder Tag .. eine schwere Last

Aber Dein Körper, der arme, gemarterte kann nicht mehr.

Da schwankst, Du taumelst, Deine Hände suchen Halt im leeren Raum — Keine Hilfe, nichts, nidtts — als graue Leere.

Wir waren doch Frauen, gefangene Frauen.

Hatten keine klare Übersicht über die ganzen Vorgänge und standen allzusehr im deutschen Milieu und unter der Propaganda. Wir spürten nur den Druck dieser Macht und nichts von den Zersetzungserscheinungen, die bereits daran fraßen.

Wir sahen nur das, was sich vor unseren Augen abspielte. Es wurden immer noch neue Maschinen gebracht, ebenso kamen neue Meister, und die Arbeiter, mit denen wir zusammenkamen, waren genau so unsicher wie wir selbst.

Langsam stellte es sich auch heraus, wo die Russen eigentlich standen, und das schien uns weit.

Die schlimmste Prüfung für unsere seelische Widerstandskraft kam, als die Oberaufseherin zurückkehrte. Sie kam zwar ohne Eltern, die sie nicht mehr erreichen konnte, aber ihre Bösartigkeit war ungebrochen und sammelte sich an zu drohenden Gewittern, vor denen wir zitterten. Es kam eine böse Zeit. Jeder Tag wurde zu einer schweren Last, die wir kaum zu schleppen vermeinten, und wenn wir auch immer wieder zu irgendeinem Hoffnungsanker griffen, so zehrte dies alles an unseren letzten Reserven, daß wir fast darunter zusammenbrachen.

Es kam der Vorfrühling 1945.

So schön, mit so viel Sonne, daß wir ständig irgendein Fleckchen suchten, um ein bißchen von ihrer Wärme abzubekommen. Wir drängten uns an die Fenster, hoben unsere Köpfe empor, es war ein trauriger Anblick, wenn man diese armselige, andächtige Sonnengemeinde sah. Man weinte jetzt leicht. Die meisten von uns fieberten, und überhaupt bemächtigte sich unser eine gefährliche, nachgiebige Weichheit, so daß es eigentlich ganz gut war, wenn die Oberaufseherin mit harter Hand in diese verdächtige Stimmung hineingriff.

In diese Zeit fiel auch der Zusammenbruch meiner Freundin, der mich zutiefst erschreckte, sah ich doch deutlich, was sich unter dieser scheinbaren Ruhe verbarg — wie zerbrochen wir waren. Wir erinnerten uns wehmütig, was wir in diesem oder jenem vergangenen Frühling getan, mit wem wir ihn verlebt, und suchten uns ins Gedächtnis zu rufen, wie es eigentlich war — Freiheit, Frau, Mutter, Kind.

Wir erinnerten uns daran, daß wir eigentlich Frauen seien, versuchten, unsere struppigen Haare in alle möglichen Frisuren zu zwängen, putzten an unseren Lumpen herum, sahen uns entsetzt an und versuchten, all dem mit einem gewissen Galgenhumor zu begegnen. Jetzt, als die Haare nachwuchsen, sahen wir, daß wir fast alle grau geworden waren. Die Sonne brachte es an den Tag. Diese Eitelkeiten waren die einzigen weiblichen Regungen und eben nur vage Erinnerungen. Wenn sich uns ein Mann genähert hätte, hätten wir ihn wohl nur erstaunt angesehen. Es gab auch hier Sonderfälle, aber eben nur Sonderfälle. Die KZ-Frauen, von denen man das Gegenteil erzählt, müssen bessere Lebensbedingungen gehabt haben, denn bei diesem Leben gab es nur zwei heftige Triebe — Hunger und Angst. In einigen größeren KZ, wie z. B. Oranienburg und Buchenwald, gab es Bordelle, in die sich die Frauen oftmals freiwillig meldeten. Auch dafür muß man Verständnis aufbringen, wenn man weiß, wie schwer und gefährlich dieses Vegetieren war und wie es dem Menschen den letzten moralischen Halt nahm. Sie hatten dann besseres Essen und Wohnen, waren geschützter vor den verschiedenen Epidemien und sahen in diesem Ausweg nur die momentanen Erleichterungen und nicht die anderen Gefahren.

Linser Lager blieb von so einer Versuchung verschont, und wir erfuhren erst nach dem Kriege von diesen Institutionen. Ein Teil der Frauen — besonders die Ungarinnen — flüchteten in ihre Religiosität, sie waren zu beneiden. Es gab eine unter ihnen, eine richtige Fanatikerin, die auf ihre Umgebung einen großen Einfluß ausübte. Sie berührte kein Fleisch, sparte die ganze Woche die gefaßte Margarine, tun sie dann zum Großteil am Samstag an die Bedürftigen zu verteilen. Sie pflegte in ihrer Freizeit aufopferungsvoll die Kranken und war eine Zeitlang eingesetzt zur alleinigen Pflege der kleinen irren Ungarin.

Als die jüdischen Feiertage kamen, gestaltete sie sie zu erhebenden Feiern. Am Sederabend — man muß sich vorstellen, unter welchen Schwierigkeiten — sprach sie in einer derartigen Ekstase zu ihren Leuten, daß diese Menschen alle Erdenmühsal vergaßen. Sie fastete acht Tage, aß fast nichts, bis auf einige Steckrüben, und diesem Beispiel folgten ihre Jüngerinnen. Gegen Schluß der Feiertage war sie fast am Dahinschwinden, aber eine innere Kraft hielt diesen gebrechlichen Körper aufrecht, daß es wie ein Wunder wirkte.

Es gab verschiedene Typen unter den Frauen;

Jola, eine 17jährige Polin, war von einer ergreifenden Schönheit. Wie eine Blume war ihr Köpfchen, goldenes Haar, große, eigenartig geschnittene, blaue Augen und überhaupt von einer herben Süße, die man kaum beschreiben kann. Diese, ihre ganze Schönheit, rettete ihr oft das Leben, denn sie hatte Furchtbares erlebt und war einige Male ganz nahe am Tode vorübergegangen und ganz allein zurückgeblieben. Diese Schönheit war aber nur sekundär, primär war ihre Kunstfertigkeit. Sie modellierte aus Brot — das sie dann hart werden ließ — die interessantesten Masken, Ringe und Anhänger. Die Sachen waren originell in ihrer Form und Komposition, und wir wollten natürlich jeder etwas besitzen von diesen Köstlichkeiten. Sie trennte sich aber nur ungern davon und behielt fast alle ihre Schöpfungen eifersüchtig für sich. Einen Buddha — ich sehe ihn noch heute vor mir — den sie aus irgendeinem Material, das eines der Mädchen aus der Fabrik mitbrachte, geschnitzt hatte, war ein wirkliches Kunstwerk. Dieser Buddha hatte ein Lächeln, das verblüffte, bei der Jugend und Unerfahrenheit der Schöpferin verblüffen mußte. Ihre Schöpfungen schuf sie fast ohne jedwede Hilfsmittel, nur mit einem primitiven Messer.

Ein sehr trauriges Kapitel waren unsere drei schwangeren Frauen. Eine von ihnen war noch ganz jung und im Februar bereits im achten Monat.

Es ließ sich nicht mehr verheimlichen, ihr Zustand war zu sehr ins Auge fallend, als daß wir die Zahl der Monate hätten heruntersetzen können. Diese Frauen litten furchtbar unter Hunger und Angst um ihr eigenes Schicksal und das ihrer ungeborenen Kinder, und wir mit ihnen.

Diese Angst war leider nur allzu begründet, denn eines Tages kam der Befehl „Fertigmachen zur Abreise“, und unsere Kameradinnen wurden nun unter Bewachung von drei Aufseherinnen nach Bergen-Belsen gebracht. Eine von den drei Frauen überlebte es wie durch ein Wunder, die anderen starben und ebenso ihre Kinder, die sie dort noch zur Welt brachten.

Wir hatten einen deutscharischen Häftling unter uns. Eines Morgens war sie da, halb totgeprügelt, mit den schrecklichsten Wunden am ganzen Körper. Sie war des intimen Verkehrs mit einem Gefangenen angeklagt, und als härteste Strafe wurde die jüdische Haft über sie verhängt. Im Anfang waren wir sehr mißtrauisch, mußten aber allmählich sehen, daß sie wirklich ganz harmlos und ungefährlich war. Vor Weihnachten war sie sehr unglücklich und niedergeschlagen, so daß wir ihr, um sie ein wenig aufzurichten, ein richtiges Weihnachtsfest arrangierten Ich selbst war unterdessen Ordonnanz des Betriebsleiters und der leitenden Ingenieure geworden, außerdem versah ich mit noch einer Kameradin den Dienst als Lagerleiterin. Ich hatte es eigentlich ganz gut auf diesem Posten, ließ er mir doch, obwohl mich Aufseherinnen überallhin begleiteten, eine gewisse Bewegungsfreiheit. Auch wenn ich gar nichts tat, hatte ich immer als Alibi den Kübel und Besen bei mir und konnte herumhorchen, was in den Büros telefoniert wurde. Der Betriebsleiter, wenn ich einen Augenblick mit ihm allein war, sprach sein Bedauern über unsere Situation aus, war aber jemand in der Nähe, gab er seine Befehle sehr barsch und kurzangebunden. Der leitende Ingenieur Jakob, ein Nazi ärgster Sorte, gab mir mit Begeisterung die erniedrigendsten Aufträge, war sehr befreundet mit der Oberaufseherin und auch der LIrheber unserer verschiedenen Strafarbeiten. Er war aber so unordentlich, daß er immer gegen seinen Willen etwas liegen ließ, wie Landkarten, Zeitungen und dergleichen, so daß ich meine Kenntnisse bereichern konnte.

In einem der Nebenräume stand eine ungeöffnete Kiste, und ich zerbrach mir den Kopf, was darin sein könnte. Einmal gab er mir den Auftrag, diese Kiste hinter seinen Schreibtisch zu verstecken. Solche Aktionen mit mir gemeinsam zu unternehmen war auf der Basis eines Vertrauens, das er eben in unsere Hilflosigkeit und unsere Ungefährlichkeit setzte. Diese Kiste enthielt die beste Kernseife zur Spezialbehandlung, der Patronenhülsen. Einige Stücke kamen auch so zur Verwendung, das übrige wanderte allmählich in die Taschen der Herren Ingenieure. Ich wurde oft Zeuge, wie gegen diese Seife alle möglichen anderen Sachen, wie Tabak und Lebensmittel, getauscht wurden. Die Kiste hätte eigentlich als Lagerbestand dem Lagerhalter übergeben werden müssen. Als ich die Seife von Tag zu Tag schwinden sah, bereitete es mir ein besonderes Vergnügen, mich an diesen Raubzügen zu beteiligen. Ich versorgte meine Freunde und mich reichlich mit dieser Kostbarkeit. • Die englisch-amerikanische Armee ging vorwärts. Der hohen Herren bemächtigte sich eine augenfällige Nervosität. Einmal wurde sogar ein Radio ins Büro mitgebracht, und zu den verschiedensten Zeiten verschwanden sie in einem der Räume, um zuzuhören, der Feind — ich — hörte mit. Sie hatten eine Riesenlandkarte, die sie am Fußboden ausbreiteten, und wenn unsere Oberin kam, konnte ich vom Fenster aus, das ich ständig putzte, ihre Köpfe eifrig darüber gebeugt sehen. Dieser Anblick ließ uns zögernd wieder neuen Mut fassen. Jetzt waren wir schon vorsichtiger geworden in unserer Zuversicht, und vor allem hatten wir nict mehr so viel Kraft, um es zu solchen Temperamentsausbrüchen kommen zu lassen wie bei dem russischen Vormarsch.

Die Alarme mehrten sich, und es kam zu den großen Anflügen auf Dresden, dann Leipzig und Chemnitz.

Einer der Arbeiter sagte uns, daß wir vor 14 Tagen Gefahr liefen, evakuiert zu werden, jetzt wäre diese aber absolut vorüber. Was das hieß — Evakuierung —, das wußten wir nur allzu genau, da wir bereits gesehen hatten, in welch furchtbarem Zustand solche Häftlinge hunger-marschierten. Zu uns drangen Nachrichten der widersprechendsten Art über die Befreiung von Buchenwald. Die einen behaupteten, daß dieses Konzentrationslager von den Deutschen an die Alliierten übergeben worden war und den Häftlingen nichts geschehen sei, andere wieder, daß alle Gefangenen vorher niedergemetzelt worden waren.

Wir nahmen nun Anlauf zu dieser letzten Kraftprobe, allem Kommenden mit Ruhe und Fassung entgegenzusehen. Leider fehlte uns jede organisierte Selbsthilfe, bis auf die, daß wir beide, meine Mitarbeiterin und ich, Drahtzwickzangen, Scheren und Schraubenzieher ins Lager schmuggelten, taten wir nichts Besonderes, da es uns vor allem an jeder Hilfe von außen mangelte.

So kam der Monat April und die Nachricht, die Amerikaner ständen bereits vor Leipzig.

Nun kam eine große Spannung über uns, denn diese Stadt war nur 60 km von Oederan entfernt.

Nach einem Telefongespräch des Betriebsleiters mit Leipzig fuhr der deutsche Magaziner dorthin, um auch wirklich nach einigen lagen mit sehr wichtigen Maschinenbestandteilen zurückzukommen. Wir waren bitter enttäuscht, um so mehr als auch zu gleicher Zeit eine Riesen-maschine ankam, die von 30 Mann transportiert werden mußte. Wir horchten aufmerksam überall hin und registrierten die feinsten Schwingungen dieses Niederganges.

Es kamen abgezehrte, abgerissene deutsche Soldaten. Sie waren Handwerker und arbeiteten an den verschiedensten Maschinen. Diese Soldaten waren ziemlich unbekümmert und unvorsichtig in ihren Bemerkungen, und daraus ersahen wir am besten, daß es wirklich zu Ende ging. Wir aber, wenn auch das Ende nahe, wußten, unser Schicksal hing an einem sehr dünnen Faden, der jeden Moment reißen konnte.

So nahe die Freiheit, wir aber waren in den Klauen dieser mitleidlosen Mörder, von denen wir kein Erbarmen zu erwarten hatten.

„Evakuierung vor dem Feind"

Du aber kannst nicht mehr, du fällst zu Boden.

Du gleitest hinab in abgrundtiefe Finsternis — ins Nichts — Doch nein — Du willst leben — Du mußt leben.

Du willst warten — Du mußt warten.

Am Freitag Abend, den 13. April, hieß es inoffiziell, wir würden vielleicht noch heute Nacht evakuiert.

Wir suchten uns damit zu beruhigen, daß die Amerikaner schon nicht mehr weit seien, so daß, wenn wir auch marschieren müßten, es nicht von langer Dauer sein könnte. Die ganze Nacht lagen wir wach und hörten ständig schwere Artillerie durch die Ortschaft rollen. Unsere Nerven waren zum Zerreißen gespannt und wir waren nur noch verkörpertes Hoffen und Wünschen.

Diese Nacht kam noch kein Befehl zum Abmarsch und am anderen Tage gingen wir wie sonst zur Arbeit. In der Fabrik war fast kein Betrieb und die wenigsten der Meister waren erschienen. Wir erhielten noch die falsche Information, daß die Amerikaner vor Leipzig nach links abgeschwenkt seien und unser Gebiet wahrscheinlich nicht berühren würden. Als zum Mittagsappell gepfiffen wurde, nahm ich auf jeden Fall meinen Kübel mit, und was ich noch so an anderen Dingen ergattern konnte.

Im Lager herrschte bereits große Aufregung, denn am Nachmittag um 3 Uhr sollten wir zum Abmarsch antreten.

Der Befehl'lautete: „Häftlinge und das gesamte Aufseherpersonal Antreten zur Evakuierung vor dem Feind“. Ziel unbekannt.

Gegen 8 Uhr hörten wir bereits Geschützdonner und unsere Herzen schlugen höher in der Hoffnung, daß es doch nicht mehr dazu käme.

Als wir um 3 Uhr antraten, zitterten die Fensterscheiben und der Boden unter unseren Füßen. Hand in Hand mit meiner Freundin, ausgerüstet mit einem Kübel, der vollgestopft war mit meinen Habseligkeiten, standen wir 500 Frauen im Hofe unseres Lagers, um uns noch einmal zu beugen unter diesem harten Joch. Lind dies im Angesicht der Alliierten, deren Stimmen wir vernahmen und die unser heißes Flehen nicht erhören konnten.

Unter Eskortierung von bewaffnetem Landsturm und Hitlerjugend gingen wir, in unsere grauen Decken gehüllt, dahin. Wir gingen zum Bahnhof und wurden in offene Kohlenwagen verladen. Dies schien uns immerhin besser, als marschieren zu müssen, andererseits aber hatten wir die berechtigte Angst, daß uns so die Amerikaner nicht einholen würden.

So fuhren wir in den herrlichen Frühling hinein, noch immer Gefangene und es schien uns, daß wir uns immer weiter von der Freiheit entfernten. Wir konnten diesen Wust von Empfindungen, der in uns tobte, nicht mehr bewältigen. Wir wurden hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Verzweiflung und wieder Hoffnung. Für mich hatte das Ganze etwas unwirkliches, traumhaftes. So erlebte ich auch diese ganze dramatische Endphase und ich kann eigentlich nicht sagen, wann ich zum Erwachen kam. Nichts konnte mich mehr erstaunen, nichts überraschen Ich stand gleichsam neben mir und schaute mir zu. Manchmal meldete sich mahnend die Forderung, diese eigentümliche Passivität abzuschütteln, etwas zu tun, auszureißen. Da meine Freundin aber nicht mit wollte, blieb ich und ließ alles geschehen.

Wir waren noch während der Fahrt ohne Nahrung. Das trug noch dazu bei, da unsere Körper bereits sehr geschwächt waren, keinen Entschluß fassen zu können und in diesen traumhaften Zustand zu sinken. Manchmal meldete sich freilich der quälende Hunger, aber eben nur zeitweise, meist dösten wir nur so dahin.

Zu Beginn der Fahrt zeigten wir uns noch aufnahmefähig, denn wir fuhren durch die herrlichen Wälder des Erzgebirges und spielten oft mit dem Gedanken, einfach abzuspringen und hineinzulaufen in das schützende Dickicht. In jedem der Wagen waren Aufseherinnen verteilt, aber sie waren so mit sich selbst beschäftigt, daß es sicher geglückt wäre. Die meisten von ihnen weinten bitterlich vor Abschiedsweh von der Heimat. Sie schimpften auf die Alte, die ihnen das eingebrockt hatte.

Wir waren nur erstaunt über die Gefühlsausbrüche. Einige unter uns sahen es mit aufleuchtenden Augen, sahen es befriedigt, dies beginnende Leiden des Feindes, als Auftakt zur Rache. Mir war es unangenehm und lästig, den Beginn dieses Weges zu sehen, den ich selbst gegangen, wendete mich ab und schloß mich ein in meinen Traum.

Ich saß auf einem Kübel, neben mir meine Freundin und um mich die Menschen, mit denen ich den Großteil dieses Weges gegangen — unwirklich und doch wieder wirklich in einer schicksalhaften Abgeschlossenheit. Blauer Himmel, Sonne, und grüne Wiesen — alles leuchtete. Wir fuhren mitten durch die ganze Lieblichkeit, eingehüllt in unsere grauen Decken, bleifarbene Gesichter — ein schmerzhafter Kontrast.

Wir schauten in diese Welt, die wir schon fast vergessen hatten. Es tat weh, ihr zu begegnen. Gleichsam zum Hohne breitete sie alles lockend vor uns aus. Die Ferne, die Freiheit, diese ganze pulsierende Lebendigkeit, um das alles wieder zurückzunehmen, nachdem wir es gespürt, gesehen hatten. Immer werde ich es vor mir sehen, dieses Bild der langen beweglichen Wagenreihe, dicht gefüllt mit den schwankenden, erloschenen Frauengestalten.

Als ich so vor mich hinschaute in meiner beklemmenden Benommenheit, sah ich aus der entgegengesetzten Richtung einen Zug entgegenkommen. Er fuhr an uns vorüber. In die lange Reihe der Frauengestalten kam heftige Bewegung, denn in diesem Zuge waren Gefangene — Männer. Fast gespenstisch war diese Begegnung. Die ganze Scala unserer eigenen Empfindungen sahen wir in den Gesichtern dieser Männer an uns vorüberstreichen. Einige von ihnen konnten zuerst nicht begreifen, was sie da sahen. Fast einfältig wurden ihre Gesichter in der Intensität des Begreifenwollens. Einer sprang auf, als wollte er sich in unseren Wagen hinüberschnellen. Manche schwankten erschütttert und krallten sich in ihren Nebenmann. Die meisten erstickten einen Schrei und wir sahen in weit aufgerissene Augen, die Hand auf den Mund gepreßt. Jetzt begann ein Geschrei von beiden Seiten. Wir waren aus unserer anfänglichen Erstarrung erwacht und nun fuhren verzweifelt herausgebrüllte Namen hinüber und herüber. „Ist der bei Euch — ist jener bei Euch? — und in einem der Wagen hatten sich zwei Menschen erkannt. Sie versuchten, sich viel zu sagen, es blieb nur beim Versuch, denn schon hatten wir uns voneinander entfernt, waren auseinandergerissen in zwei verschiedene Richtungen.

Wir waren aufgewühlt, denn nun war eine Seite in uns berührt worden, die schmerzhaft aufzitterte, uns weglockte von uns selbst, von unserer eigenen Not in die der anderen.

Wenn Freiheit, so würde sie zwei Gesichter tragen und dieses zweite Gesicht — die anderen, unsere Leute wie und ob wir sie wiederfinden würden — das war nun aufgetaucht aus barmherziger Tiefe.

Von Theresienstadt sahen wir niemand unter diesen Männern, wie uns die Polinnen berichteten, waren es-meist Ungarn und Polen gewesen.

Wir mußten uns niedersetzen, damit sich so etwas, wie es sich eben abgespielt hatte, nicht mehr wiederholte. Erst sahen die Aufseherinnen dem Ganzen fassungslos zu und auf einmal — wir hatten sie doch schon so klein und häßlich gesehen — nachdem der Befehl von der Oberaufseherin aus einem der vorderen Wagen gekommen war. waren sie wieder obenauf und hatten etwas, an das sie sich halten konnten. Es hieß, wir sollten nach Mauthausen gebracht werden. Die engere Garde der Oberaufseherin hatte es erlauscht und rief es sich von Wagen zu Wagen zu.

Mauthausen — wir bekamen einen sehr üblen Geschmack im Munde, dachten aber, das ist noch sehr weit und unterdessen kann noch viel passieren. Solange wir durchs Erzgebirge fuhren, hörten wir ständig Feindalarme und das war Musik für unsere Ohren. So ge-langten wir in den Aussiger Bahnhof, deutsche Flüchtlinge saßen auf Bündeln und anderem Gepäck und schauten ratlos vor sich hin.

Hier mußten wir halten. Betretene und erschreckte Blicke glitten unserem Zug entlang. Vielleicht saß dort einer meiner früheren Schüler, ging es mir durch den Sinn. Vielleicht müssen wir doch noch nicht sterben, und wir werden wieder zurückkönnen in ein normales Leben, normale Kleider tragen und wieder Mensch sein, in so einer netten kleinen Stadt. Dieser Aufenthalt stand sicher nicht im Programm, war ein ausgesprochener Regiefehler und so fuhren wir auch sobald als möglich heraus und hielten auf einem Nebengleise. Unsere Lokomotive verließ uns und so standen wir nun volle zwei Tage und erlebten einen Nahangriff, der sich auf ein einige Meter von uns entferntes Objekt konzentrierte. Die Flugzeuge flogen dicht über unsere Köpfe hinweg und wir hörten deutlich das tack-tack der Maschinengewehre. Wir blieben wie durch ein Wunder-davon verschont und bildeten uns ein, daß man uns aus den Flugzeugen erkannt hatte und aus diesem Grunde nicht angriff.

So verlief nun unsere ganze Fahrt. Ständig verließ uns die jeweilige Maschine und wir standen auf den verschiedenen Strecken. Einmal drei Tage in der Nähe von Leitmeritz und es wurde schon gemunkelt, daß wir nun zu Fuß gehen müßten. Da aber die Aufseherinnen keine Lust dazu hatten, blieb uns dies erspart. An unseren Zug hatte sich ein schwer-bewaffneter SS-Zug angehängt und unsere Begleitmannschaft hatte nun ein Leben, wie sie sich es nur-wünschen, konnte.

Solche SS-Züge fuhren zu Hunderten hinter der Front herum und der unsere konnte sich damit, zu unserer Bewachung da sein zu müssen, legitimieren. In dieser illustren Gesellschaft hielten wir nun tagelang auf den verschiedensten Bahnlinien, bewegten uns immer um Aussig, Leitmeritz im Kreise.

Jetzt war eine Flucht unmöglich geworden, da ständig Wachtposten aufgestellt waren. In der Nacht durfte sich keine erheben, wie ein Kopf auftauchte, wurde sofort geschossen.

Unsere Aufseherinnen bekamen wir nun selten zu Gesicht, sie verlebten herrliche Tage und Nächte im Kreise ihrer Götter. Unsere Ober-aufseherin lag schäkernd im Grase, an ihrer Seite den Kommandanten des SS-Zuges. Es war ein wahrhaft idyllisches Leben, das sie nun führten.

Wir spürten aus der SS-Küche des Zuges die verlockendsten Düfte herüberwehen — wir litten Tantalusqualen — und am Morgen sahen wir dann die Aufseherinnen mit dickangefüllten Jacken an uns vorüber-eilen. Wir aber hungerten, waren schmutzig und verdreckt und drohend starrten die Maschinengewehre von den Dächern des SS-Zuges. LInsere Körper waren abgemagert und wund vom ständigen Hocken auf dem Boden. Meist sanken wir in einen wohltätigen Halbschlummer, aus dem uns nur Berichte unseres Kundschafterdienstes emporrissen. Einmal hieß es nach Dachau, dann nach Floßenbürg und gegen Ende unserer Wanderschaft tauchte das Wort „Theresienstadt“ auf.

Der Oberscharführer, dem das Ganze sehr gegen den Strich ging, sagte, daß er alles tun würde, um uns nach Theresienstadt zu bringen. Sie waren alle ratlos, was sie mit uns beginnen sollten, da alles bereits blockiert war und wir nirgends durchkommen konnten.

Wir fuhren nach Leitmeritz, näherten uns Theresienstadt. Wir wurden aus unserer Apathie gerissen, denn Theresienstadt, wie es auch heute aussehen mochte, schien uns die Rettung. Es hieß, wir würden auf die kleine Festung gebracht. Kleine Festung — das war schon was anderes — und unsere Freude ließ beträchtlich nach.

Wir standen nun vor Theresienstadt einen halben Tag und kehrten wieder um. Theresienstadt hatte seine Tore geschlossen und ließ niemanden herein.

Zurück nach Prag, Pankratz/Gefängnis, war die neue Devise. Wir sanken wieder in wohltuende Bewußtlosigkeit. Unterdessen hatten wir verschiedene Begegnungen. Ein Häftlingszug, Frauen so wie wir. Er hielt und, o Wunder, in einem der Wagen unsere ungarische Ärztin. Nun erfuhren wir, daß auch sie vergebens vor Theresienstadt gehalten hatten.

Wir erfuhren, daß im Oktober 1944 noch ein Transport nach dem unseren nach Auschwitz gegangen war. Es wurde damals gesagt, daß mit unserem Transport die Aktion abgeschlossen sei. Nun hörten wir, daß auch noch die letzten 2000 jüngeren Menschen denselben Weg genommen hatten wie wir. Unter uns brachen einige zusammen, ihre Leute, die zurückgeblieben waren und die sie in Theresienstadt in einer gewissen Sicherheit geglaubt hatten, waren wahrscheinlich nun zum großen Teil nicht mehr am Leben.

Wie in einem Film tauchte ein Luxuszug vor uns auf. Da gab es Schlafwagen, an den Fenstern fabelhaft hergerichtete und schick angezogene Mädchen und ebenso saßen sie auf den Dächern, Zigaretten rauchend und flirtend. Dann Küchen, Wagen mit Schweinen, Geflügel, das reinste fahrende Paradies. Dieser Flakzug erschien uns wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt und uns blieben Augen, und Mund offen-stehen vor lauter Bewunderung. Wir mußten dumm dreingesehen haben, denn einige der elegant uniformierten Mädchen wiesen lachend mit den Fingern zeigend auf uns.

So etwas gab es auch noch, Luxus, gutangezogene Frauen. Wir selbst musterten uns schweigend von oben bis unten und setzten uns traurig nieder.

Solange blieb die Maske der Deutschen erhalten, auch jetzt noch diese unbekümmerte und gedankenlose Sorglosigkeit, auch jetzt noch in den letzten Minuten vor ihrem Untergange. Auch bei den Aufseherinnen sahen wir diese Sorglosigkeit und sie war absolut echt. Wir sprachen mit ihnen, kannten wir sie doch allzu gut — und daraus ersahen wir, daß sie es nicht begriffen, zumindest der Großteil von ihnen hatte noch immer keine Ahnung.

Die Aufseherin in unserem Wagen ärgerte sich darüber, daß die Kleider im Koffer so zerdrückt seien, daß sie schon einige Tage nicht gebadet habe und nicht so richtig satt sei, sie behauptete es, nachdem sie, wie sie sagte, ihr letztes Ei aufklopfte.

Und das erzählte sie uns, die wir schon halbverhungert waren, erzählte es uns in ihrer Gedankenlosigkeit und aus der Gewohnheit heraus, uns nicht als Lebewesen zu betrachten. Diese gewohnheitsmäßige Ableugnung unserer menschlichen Existenz zeigte, wie erschreckend dieser Abgrund war, der diese Menschen von allem Menschlichen trennte. Diese Aufseherinnen waren nicht besonders böse. Sie waren kleine, primitive Mädchen, die man sicherlich von klein auf angehalten hatte, den Armen zu geben. Aber wir waren nicht arm, wir waren nur ein Nichts — ein Nichts.

In unserer Oberaufseherin erwachte plötzlich wieder ihr Reinlichkeitsfanatismus, als sie irgendwo eine Gartenspritze entdeckte. Wir mußten alle antreten zum Waschen. Zum Gaudium der ganzen Besatzungsmannschaft entledigte sich Frau Oberaufseherin begeistert dieses Amtes.

Wir mußten ein jeder die Hände darunter halten, kamen wir zu nahe, ließ sie den Strahl hochaufschnellen und wir waren dann von oben bis unten patschnaß. Das war wieder einmal eine nette Abwechslung und ein hübsches Spiel, ihr perlendes Lachen konnte jeden überzeugen. Wir waren viel zu müde und abgekämpft, um uns zu empören. Es gab viel peinlichere Situationen, an die wir uns nur schwer gewöhnen konnten, wie das Austreten auf den Wiesen vor den Augen der ganzen Besatzung. Auch das wurde uns allmählich gleichgültig und wir waren noch froh, wenn wir zu diesem Zwecke aus den Wagen heraus konnten.

Als es hieß nach Prag, bereiteten einige der Mädchen die Flucht vor Sie ließen sich das KZ aus dem Mantel herauskratzen, eine nähte sogar ein Stück Stoff darüber. Aber es blieb nur bei den Vorbereitungen, weiter reichten die Kräfte nicht mehr. Wir ließen uns treiben in einer Lässigkeit, die fast schon strafbar war.

Bei den Zählappellen sahen wir ein spöttisches Lächeln der Ober-aufseherin, denn die Zahl stimmte immer. Auch ich wunderte mich, daß nicht einmal die Jüngeren, die Außendienst gemacht hatten, die Flucht ergriffen, denn diese hatten sich immer als mutig und unternehmungslustig erwiesen. Ich finde keine andere Erklärung für diesen erstaunlichen Umstand als den vollständiger Zermürbtheit und allzu geschwächter körperlicher Verfassung. Wenn wir ein paar Schritte gingen. so war das eine ungeheure Anstrengung und die Vorstellung daß dies stundenlang und eventuell im Laufschritt geschehen müßte, ließ uns erschauern und die Unmöglichkeit einer solchen Leistung erkennen. Vor allem wußten wir überhaupt nicht, wo Freund, wo Feind und bewegten uns ständig auf deutschem Gebiete, und da uns jede Beurteilung der Einstellung dieser Bevölkerung unbekannt war, hatten wir kein rechtes Vertrauen dazu, ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auf tschechischem Boden wäre es vielleicht doch dazu gekommen und aus diesem Grunde wurde dies auch wohlweislich vermieden Wir standen nun wieder längere Zeit irgendwo in der Leitmeritzer Gegend. Ständig hörten wir Alarme. Der SS-Zug leistete uns auch weiterhin Gesellschaft.

Auf einmal sahen wir in den Wagen vor uns aufgeregtes Durcheinandersprechen, Gestikulieren und nun erfuhren auch wir, es sollte abermals nach Theresienstadt gehen. Wirklich, der SS-Zug hängte ab, und wir fuhren nun ohne seine Begleitung nach Theresienstadt.

Es begann heftig zu regnen. Während der ganzen Zeit unserer Wanderschaft hatten wir gutes Wetter gehabt, und das erleichterte uns das Hausen in den offenen Wagen.

Wir waren 8 Tage auf Fahrt, ohne Nahrung, und lebten. Als es hieß, nach Theresienstadt, rafften wir noch einmal alle unsere Kräfte zusammen, bissen die Zähne aufeinander und sagten uns „durchhalten“.

Wir fuhren bis Leitmeritz, hier verließen wir die Wagen. Ich nahm meinen Kübel mit, konnte ihn aber nicht mehr tragen, andere, die stärker waren, taten es für mich. Nun gingen wir zwei Stunden zu Fuß nach Theresienstadt. Erst gingen wir durch die ganze Stadt Leitmeritz, bereits naß bis auf die Haut. Ein unheimlicher Zug; die entsetzten Blicke der Bevölkerung bewiesen es. Auf diesem Wege legte sich eine der Frauen auf den Boden, wollte nicht weiter, begann furchtbar zu schreien und dies vor den Augen der deutschen Passanten. Wir trugen sie nun abwechselnd. Sie war verrückt geworden. Ich konnte nicht daran glauben — wir alle konnten es nicht — daß wirklich Theresienstadt das Ende unseres Weges sein sollte, gerade da, wo wir ihn auch begonnen hatten.

Es schien mir wie das happy end eines Hintertreppenromanes. Aber irgendwie paßte das Ganze in meinen Traum und wie in einem solchen ging ich auch dahin. Meine Füße bewegten sich ganz automatisch, hie und da knickten sie ein, aber der Motor ging weiter und trug mich bis zum Grenzbalken von Theresienstadt.

Hier standen wir nun, sahen uns an mit großen Augen, fassungsloses Staunen war darin. Da schrie auf einmal eine von uns „Schaut, schaut, unsere Jungens“.

Jenseits des Balkens sahen wir eine Masse Menschen, anfänglich wie zu Salzsäulen erstarrt. Da hatten sich bereits einzelne erkannt und nun begann ein heller Wahnsinn. Wir auf der einen Seite warfen die Arme hoch, manche stürzten zu Boden, auf der anderen Seite drängten sich die Menschen.

Ein Schreien und Weinen: „Theresienstädter Frauen“ wurde gerufen. Der Balken ging hoch, und wir taumelten vorwärts, die Aufseherinnen hinter uns lassend. Wir wankten durch ein Spalier von Menschen.

Ganz totenstill war es geworden. Das Spalier war gebildet von Menschen, die sich an den Händen hielten, um uns zu schützen vor der sich auf uns stürzenden Masse. Und doch wurde die Kette natürlich durchbrochen von einer Mutter, die ihre Tochter kommen sah. Du mein Gott, ich kann es nicht schildern, was da mit uns geschah, denn all das, was nun auf uns hereinbrach, riß uns fast auseinander mit brutaler Gewalt. Wir waren doch fast Totgesagte, der erste größere Transport Theresienstädter Frauen, der nun geschlossen ins Ghetto zurückkam Ich rief nach meinem Manne, bildete mir ein, er müsse bereits hier angekommen sein. Meine Freundin wurde mit einem gellenden Schrei von mir weggerissen: „Deine Mutter ist hier, komm, ich schaff Dich zu Deiner Mutter“.

Alles weinte, es war ein unbeschreiblicher Taumel des Schmerzes, der Freude und des Entsetzens.

Wir waren der zweite derartige Transport, der hier eintraf. Wir kamen am Samstag, den 21. April 1945. Am vorhergehenden Tag, Freitag, war der erste Transport angekommen nur mit vereinzelten Frauen aus Theresienstadt.

Unsere Ankunft ließ die Menschen wieder ein wenig hoffen, daß vielleicht noch weitere kommen und das Furchtbare, was sie gehört, hatten, übertrieben war. Ja, es kamen wohl noch weitere Transporte, aber so wenige, daß dieser Optimismus nur allzu bald verflog.

Wir sahen keine Aufseherinnen, nur unsere Leute. Dies genügte uns, ein Gefühl der Geborgenheit in uns hervorzurufen. Man überschüttete uns mit Liebe, jeder brachte was er hatte und wir waren nicht mehr hungrig, aber krank von den vielen Zuckerstückchen, die man uns zu-warf. Alle Theresienstädter hatten die Taschen voller Zucker, da man ihnen gesagt hatte, daß dies für uns das Beste und Notwendigste sei.

Wir kamen in Quarantäne, da der Transport, der vor uns angekommen war, flecktyphusverdächtig war. Mich selbst nahm für die erste Nacht eine gute Bekannte zu sich.

Ich wusch mich mit richtiger Seife, zog ein richtiges Nachthemd an, bekam zu essen an einem gedeckten Tisch, Bestecke lagen darauf. Meine Hände zitterten, als ich sie in die Hand nahm, und nun aß ich. Ich hätte wohl die ganze Nacht durchgegessen ohne aufzuhören, wenn man es mir aus Gesundheitsrücksichten nicht verwehrt hätte. Einige Freunde saßen dabei und sahen mir andächtig zu, trauten sich nicht zu fragen, behandelten mich wie einen ganz zerbrechlichen Gegenstand.

Eine wohlige Wärme durchströmte mich, hüllte mich ein, so sanft, daß ich zu schweben vermeinte. Idi konnte mir absolut nicht klar werden, ob das nun ich bin, die ich jetzt auf einem Sessel vor einem Tisch saß, um mich vertraute Gesichter, und ich wartete jeden Moment darauf, daß alles mit einem Schlage wieder verschwinden und ich mich irgendwo in irgendeinem der vielen Viehwagen — in denen ich bereits gesessen — wiederfinden würde.

Da verschwamm auch schon alles vor meinen Blicken, ich taumelte, fing mich aber wieder aus altgewohnter Disziplin, gab mir einen Ruck und sagte mir „noch nicht, dein Weg ist noch nicht zu Ende .

Dann lag ich in einem Bette, in einem richtigen Bette mit sauberen Überzügen und einem Leinentuche.

Ich konnte lange nicht einschlafen. Als es dunkel war, begann ich zu erzählen. Ich wußte es selbst nicht recht, später hörte ich mit Erstaunen davon, daß ich dies und jenes gesagt und daß es meine Zuhörer zutiefst erschüttert hätte.

Theresienstadt

Und irgendwo in weiter Ferne ein Lächeln — schwebend nur — Ach nicht so wild. Du kleines Mädchen . . .

Früh, als ich erwachte, war es wieder etwas Neues, als ich mich wieder fand, und so empfand ich alles in der kommenden Zeit. Alles, jede Kleinigkeit war köstliches Geschenk und dabei war es noch nicht die richtige Befreiung, mein Mann war noch nicht bei mir.

Ja, mein Mann.

Es kamen weitere Transporte in einem furchtbaren Zustande. Ich rannte zu einem jeden der Ankommenden und suchte meinen Mann. Den Gedanken, daß er nicht kommen könnte, wies ich weit von mir. Die Männer, die ankamen, waren in einem viel schlechteren Zustande als wir. Diejenigen, die noch gehen konnten, gingen wie Puppen, die man aufgezogen hatte, die meisten aber waren nicht mehr dazu im Stande. Diese Menschen hatten nichts Menschliches mehr, und man konnte sich nicht erklären, wieso sie eigentlich lebten.

Bei der Ankunft eines derartigen Transportes war ich Zeuge, wie eine Mutter ihren Sohn unter den Ankommenden erkannte. Sie schrie „Zdenek, Zdenek", er aber ging weiter, den erloschenen Blick nach vorwärts gerichtet und nickte nur immerfort mit dem Kopfe. Es war ein vielleicht 18jähriger Bursche, er konnte nichts mehr erfassen, ging nur automatisch weiter. Von den Ankommenden hörten wir so Furchtbares an menschlichem Erdulden und Ertragenkönnen, daß es selbst über unser Fassungsvermögen ging, für Menschen aber, die ähnliches nicht erlebt hatten, überhaupt nicht zugänglich war.

Dar traurigste Kapitel dieser Hungermärsche war, daß Menschen knapp an der Schwelle zur Freiheit nicht weiter konnten oder wollten, niedergeknallt wurden oder sogar darum baten. Die Frauen und die ganz jungen Menschen fanden sich eher zurecht und schufen sich auch hier einen Wirkungskreis, der ihnen über vieles hinweghalf.

Hier in Theresienstadt kamen nun die Erinnerungen an das Theresienstadt zurück, bevor ich es mit Transport verließ, wie ich gelebt hatte damals mit meinen Freunden, meinem Mann.

Damals als ich mit meinem Manne im Jahre 1942 im Ghetto ankam, hatte ich irgendwie den Eindruck einer versunkenen Stadt. Dieses Ghetto ••••••••••• lvensport nac Uyeresenstadt Die Stadt liegt noch im tiefen Schlafe, mich erweckt irgendein Geräusch, das in der Stille aufklingt.

Ich werde ganz wach, dieser Ton hat mich aufgesdnreckt aus meiner Ruhe.

Ich muß heraus aus meinem Bette, zum Fenster eilen, um zu schauen.

Da seh‘ ich, wie in der stillen Straße unter mir bewaffnete Polizei aufmarschiert und diese von beiden Seiten flankiert.

Was mag das wohl sein? Schwerverbrecher, die weggeschaff werden oder irgendein kostbares Gut?

Da hör" ich auf einmal die Schritte vieler Menschen, aber keine Menschenstimmen.

Da taucht es vor mir auf, ein gespenstischer Zug — Ich sehe Frauen, Männer, Kinder schwerbepackt, mit Pappendeckel-

täfeldien um den Hals, unter mir vorüberziehen.

Sie gehen ganz langsam, mit gesenkten Köpfen, manche schleppen sich kaum weiter, keiner spricht ein Wort, man hört nur das Klappern der Eßgesdiirre auf den Rucksäcken.

Hier und da schaut einer auf und läßt einen sehnsüdttigen Blick an den Häuserzeilen entlanggleiten. So traurige, verzweifelte Augen.

Ich spüre, wie mir die Tränen über das Gesidu laufen. Ich weiß nicht, was es ist, ich muß das Fenster aufreißen und ihnen zuwinken.

Weg vom Fenster oder idt schieße, gellt es zu mir herauf und ich sehe ein Gewehr auf mich gerichtet.

Jesus Maria, was war das — soldt" arme Mensdten, auch Kinder, ganz kleine Kinder — was konnten denn die so Böses getan haben.

Den ganzen Tag mußte ich daran denken 2)

hatte etwas Unheimliches, Gespenstisches für mich. Zu dieser Zeit im November 1942 waren so ungefähr 60 000 Menschen im Ghetto.

Auf der Straße ausgemergelte, bleiche Gesichter. Menschen mit Eßgeschirren in ihren Händen. Ein Gedränge und Gestoße, daß man kaum weiterkam. Diese kleine Stadt bot normalerweise für 5 000 Einwohner Raum. Leichenwägen — alte, schwarze Karossen, in denen alles Notwendige transportiert wurde, geschoben von alten Männern. An der Deichsel gingen einige an Stelle der Pferde und rückwärts und an den Seiten schoben sie dieses makabre Gefährt vorwärts. Hie und da wurde auch ein Schubkarren geschoben, irgendein lebloser Gegenstand, nachlässig mit einem Tuche zugedeckt, lag darauf — Leichen.

Damals starben die Menschen in Massen. Es starben speziell die alten Leute an einer Art Ruhr.

„Eine versunkene Stadt", die plötzlich von irgendwo aus dem Nichts aufgetaucht war. Die Menschen darin, eigentümlich verändert. Besonders empfand ich dies bei jenen, die mir vertraut und bekannt waren aus meinem früheren Leben.

Ein Verfall der seelischen und körperlichen Kräfte, der mich schaudern ließ. Männer, die gewöhnt waren, daß zu Hause die Frau für sie sorgte, mußten nun Dinge verrichten, die sie nie getan hatten. Resultat: eine Hilflosigkeit gegenüber den Verrichtungen des täglichen Lebens unter besonders schweren Bedingungen. Dies brachte sie von Tag zu Tag mehr herunter.

Die Frauen und die ganz jungen Menschen fanden sich eher zurecht.

Sie schufen sich auch hier einen Wirkungskreis, der ihnen über vieles hinweghalf.

Die Alten fraß das Ghetto mit atemberaubender Schnelligkeit, speziell diejenigen, die keine Kinder hatten, die sich ihrer annahmen, sie stützten. Viele, die nicht durch das alles gegangen sind, werden nicht verstehen können, wie es dazu kommen konnte.

Auch in Theresienstadt herrschte bereits ein erbitterter Kampf in einer erstickenden Enge gegen die Gefahren von Krankheit, Hunger, Lingeziefer und Transport. Jeder kämpfte für sich, seine Familie und seine engeren Freunde, weiter reichten die Kräfte nicht. Die alten Leute hätten ganz anders ernährt werden müssen, aber da waren tausende Kinder, die gerettet werden mußten, um jeden Preis, und dies war nur möglich durch bessere Ernährung als die der Erwachsenen. Das Tischtuch aber langte nicht überall hin, immer blieben irgendwelche Stellen unbedeckt. Man zog es hin und her, man kalkulierte, experimentierte, es langte eben nicht. Das Ghetto mußte aus eigener Kraft erhalten werden.

Es gab schwere und unangenehme Arbeit, die getan werden mußte, wie: Kanalräumen, die verschiedenen Lebensmittel verladen, Leichen und Kranke tragen und überhaupt alles, was zur Aufrechterhaltung des Lebens einer so großen Einwohnerschaft gehörte. Diese Leute erhielten bessere Ernährung, sie mußten zusätzlich honoriert werden.

Mit der Zeit entstand ein Prämiensystem für die verschiedenen Arbeiten, damit sie gut und richtig getan wurden. Da war die Masse der Lungenkranken, um sie am Leben zu erhalten — meist handelte es sich um Kinder und junge Menschen — mußte zunächst für bessere Ernährung gesorgt werden. Woher nehmen bei diesen’knappen Zuteilungen? Irgendeine Gruppe mußte benachteiligt werden, und da am Anfang die Zahl der alten Leute die der Jungen fast übertraf, waren es diese, die es treffen mußte. Die Ärzte hatten anfänglich wahre Pionierarbeit zu leisten, ohne irgendwelche Erleichterungen, ohne Medikamente. So ein Arzt mußte sich auf die Erde zu den verlausten Patienten setzen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich nachher umkleiden oder baden zu können.

Mein Mann hatte, als wir noch in Theresienstadt weilten, vor dem Abtransport, die Leitung eines Spitals übernommen gehabt, als die verheerende Typhusepidemie unter den Kindern ausbrach. Er trug die Kleinen auf seinen Händen wie eine Kostbarkeit und rettete samt seinen Hilfsärzten durch aufreibende Tag-und Nachtarbeit vielen der Kinder das Leben. Die Betten, jedes Stück der Spitaleinrichtung, mußten sie eigenhändig herbeischaffen. Schnelligkeit war strengstes Gebot, damit die Epidemie nicht weiter um sich greifen konnte. Lind dies tat er unter den schwierigsten eigenen Lebensbedingungen. Er wohnte mit noch 3OO anderen Männern in einer ganz primitiven LIbikation, mußte zur Essenszeit weglaufen von seiner Spitalarbeit, um sich zum Essen anzustellen. Dies konnte ich nicht lange mit ansehen, seine Kräfte schwanden dahin. Ohne sein Einverständnis erst einzuholen, übersiedelte ich seine Sachen in die Ambulanz des Spitals, stellte ein Bett darin auf und von nun an erholte er sich ein wenig und konnte sich voll und ganz seiner schweren Aufgabe widmen.

Die Epidemie, obwohl viele Kinder starben, wurde gestoppt und griff nicht weiter um sich. Was dies an menschlichem Einsatz und Liebe zur Sache erforderte, kann nur derjenige voll und ganz ermessen, der dies aus nächster Nähe mit angesehen hat. Aus dem Ghetto wurde herausgepreßt, was nur irgendwie möglich war, um die Kinder zu retten. Vor allem wurden die allgemeinen Zuteilungen für die Dauer der Epidemie gekürzt. Es war sehr hart und dies wieder in erster Linie für die Alten, da auch die Spitäler mit Kindern überfüllt waren und sie keinen Platz darin fanden. Dies bedrückte uns sehr, wir wußten aber, daß es unabänderlich und eine natürliche Folge all dieser Erscheinungen war. Später verbesserte sich dann die Lage, da sich die Zahl der alten Menschen verringert hatte, die Krankheiten nachließen und Lebensmittelsendungen aus dem Auslande eintraten. Da war es wieder, dieses grausige Marionettenspiel. Wir taten das alles selbst aus einer unentrinnbaren Notwendigkeit. Wir hatten ja Selbstverwaltung, ließen die Alten verhungern, stellten selbst Transporte zusammen, schickten die eigenen Leute in den Tod.

Jeder weiß es, daß es nicht anders ging und doch werden diese Menschen — die Verantwortlichen — die die Transporte zusammenstellen mußten, Verteilungsbestimmungen trafen, nicht davon loskommen.

Aus dieser Konstellation entwickelten sich Machtverhältnisse unter den Ghettoinsassen, die zu einem unerbittlichen Kampfe führten, den nun ein jeder kämpfen mußte, ob er wollte oder nicht.

Die September-und Oktobertransporte — genannt „Blitztransporte" — gingen größtenteils der Vernichtung entgegen und einige von den Verantwortlichen wußten von den Gaskammern in Auschwitz. Was sollten sie tun? Der einzige Vorwurf, den man ihnen me-en kann, ist der, wie sie weiterleben konnten mit diesem Wissen. Hätten sie darüber gesprochen, hätte es nichts an der Tatsache geändert und eine Panik mit unübersehbaren Folgen ausgelöst.

Durch das Geheiß einer Hand ... irgendeiner verruchten Mörderhand ...

Lind das Ausland?

Was geschah mit den 1000 polnischen Kindern, die ins Ghetto kamen, hier wochenlang verpflegt wurden, vollkommen von der übrigen Einwohnerschaft isoliert und gekleidet waren in die besten Sachen, die vorhanden waren? Diese Kinder waren zum Austausch bestimmt. Warum kam es nicht dazu? Warum mußten diese 1000 Kinder sterben, diese Ärmsten, die bereits in Theresienstadt, als man sie reinigen wollte, sich mit aller Macht dagegen wehrten, unter die Dusche zu gehen.

Warum wehrten sie sich? Diese Kinder wußten vom Gas, das aus Duschen kommt, und manch andere furchtbare Dinge. Warum wurden diese Kinder nicht ausgetauscht, gerettet? Warum wurden denn diese Kinder samt Pflege-und Ärztepersonal nach Auschwitz ins Gas gebracht? Warum? Warum?

Ich kenne den Preis nicht, den die Nazis für diese Tat forderten. Sicher war er ein hoher. Warum wurde er nicht gezahlt? Wieso kamen im Februar 1945 1200 Juden aus Theresienstadt in die Schweiz? Daß so etwas überhaupt möglich war, beweist diese Tatsache allein. Wenn Menschen im Ausland bereit waren, sich mit all ihren Kräften für so eine Aktion einzusetzen, gab es also doch positive Resultate.

Wir hören es heute aus verläßlichem Munde, denn die Menschen, die dafür kämpften, bestätigen es uns, daß Widerstände auftauchten, Widerstände der groteskesten Art. Die Deutschen gaben sehr viel auf Prestige — auch für sie gab es noch ein Prestige zu wahren; warum und gegenüber wem ist mir nicht klar, das bewies das wunderbar herausgeputzte Ghetto Theresienstadt für die verschiedenen internationalen Kommissionen. Warum versuchte man nicht, hinter diese Fassade zu schauen? Nur ein Blick hinter diese betrügerischen Kulissen, und sie hätten es bemerken müssen, alles was nicht schön anzusehen war, wie Kranke, Verrückte, vor Hunger Sterbende, alte Leute auf den Böden und in den Kellern versteckt.

Die Tatsache bleibt bestehen, daß unschuldige, hilflose Menschen hingemordet wurden, ohne jedwede Hilfe von außen. Vor den Augen der ganzen Welt geschah das, sie wandte sich zwar schaudernd ab, nahm es aber hin als unabänderliche Forderung dieses Krieges, nahm dieses Opfer hin, schweigend. Die Flammen schrien, die Flammen der hundert Verbrennungskamine schrien mit Frauen-und Kinderstimmen, züngelten auf bis zum Himmel, um dann erst zu erlöschen, wenn eben nichts mehr Lebendes da war, mit dem sie genährt werden konnten.

Wir, wir hätten sie selber löschen sollen. Wir hätten aufbegehren sollen gegen so viel böse Kraft wie uns heute Herr X, der gemütlich aus weiter Ferne mit einem Tränchen im Auge vieles gehört, vorwurfsvoll sagt und es war nicht einmal eine waffenstrotzende Welt dazu imstande, versuchte es nicht einmal.

Oh, es ist viel geschehen, viel versucht worden von armen, gefangenen Menschen.

Menschen, Gefangene, versuchten heroisch die Gaskammern in Ausschwitz zu sprengen. Es mißlang, mußte mißlingen ohne Hilfe von außen. Es opferten sich viele für diese Aufgabe, es war umsonst.

Sie konnten nicht verhindern, daß nach diesem Versuche dieses Vernichtungswerk anschwoll bis ins Unermeßliche. Es wurden in den Monaten September, Oktober 1944 täglich innerhalb von 24 Stunden manchmal bis 30 000 Menschen verbrannt. Ich weiß — die Herren X aus Kalkutta, Brasilien usw. sind nicht zufrieden, denn für dieses Tränchen wollen sie auch etwas haben, Heldentum und Aufopferung und wie noch all diese anderen schönen Filminhalte heißen, in denen er sich herrlich über sich hinaus schweben sieht, über seine kleine, enge Seele.

Die Menschen sind alle mehr oder weniger Herren X, erst starkes eigenes Erleben ist imstande, sie zu wandeln, sie zu erwecken aus dieser tödlichen Lethargie. Menschen sind keine Helden, und noch weniger gefangene Menschen, in denen unter diesem Drucke langsam jeder Glaube zu irgend etwas ersterben muß. Jeder einzelne hat all zu tief in sich selbst und in die Untiefen der anderen gesehen, zu sehr hat sich ihm das Bild der Welt verschoben, zu demaskiert hat sich ihm alles dargeboten, während seiner grausamen Haft und auch nach seiner Befreiung. Was die Welt nach dem Kriege zu sehen bekam, das waren nicht gerade Repräsentanten eines heroischen Schicksals. Das waren arme, verstörte Menschen, mit nur einem Wunsche ihres gemarterten, entwürdigten Menschentumes, alle KZ-Merkmale abzuschütteln und endlich normale Menschen zu werden unter normalen Lebensbedingungen. Ja Helden, es gab wohl Helden, aber nur vereinzelt, die durch ihre Kraft imstande waren, auch andere mitzureißen.

Es gab stilles Heldentum in diesen tausenderlei verschiedenen Menschenschicksalen, aber dies zu schildern, da es sich ohne jedwede besonderen Effekte vollzog und in der heutigen Atmosphäre auch nicht als solche gewertet würde — ist müßiges Beginnen.

Wenn so ein alter Mann still und abseits verhungerte ohne zu betteln und zu schreien, wenn ein Mann oder eine Frau sich von ihren knappen Rationen absparte, um sich gegenseitig zu helfen, wenn eine Kameradin der anderen, Kranken, ihre Zuckerfassung schenkte, obwohl sie selbst vor Schwäche taumelte, so klingt das nach nichts und war doch in diesem Leben so viel, so unendlich viel.

Ja, Mala Zimentbaum war eine Heldin.

Sie war 22 Jahre alt, Dolmetscherin in Auschwitz. Sie hatte eine einflußreiche Stellung und gebrauchte sie auch ausgiebig für ihre Mitgefangenen, zu ihrem Wohle und vor allem zur Orientierung über verschiedene Unternehmungen der Nazis. Sie kannte keine Angst, kein Zögern, wenn es sich darum handelte, irgendeine Nachricht, die sie durch ihre Stellung erlauscht hatte, auszubeuten zur Rettung ihrer Kameraden. Sie ergriff die Flucht, gemeinsam mit einem Polen. Sie hatte unter ihrer Häftlingskleidung eine Aufseherinnenuniform angezogen, ihr Begleiter war in SS-Uniform. Als Häftling, in Begleitung eines höheren SS-Wachtdienstsoldaten, passierte sie ohne Schwierigkeiten das Tor von Auschwitz. Ihr Verschwinden wurde sehr bald bemerkt und jetzt wurden alle SS-Stationen benachrichtigt und alarmiert und ein ganzes Heer dieser Verbrecher machte Jagd auf sie. Sie fanden sie, als sie sich absolut sicher fühlend, in einem Kaffeehaus in Kattowitz saß. Sie wurde nach Auschwitz zurückgebracht und zum Tode durch Gas verurteilt. Vor Vollziehung des Urteils wurde sie bei einem Sonder-appell ihren Kameradinnen vorgeführt und da gelang es ihr, sich mit einem Rasiermesser die Pulsader der einen Hand durchzuschneiden. Wie von der Tarantel gestochen fuhr ein SS-Mann auf sie zu, faßte die verletzte Hand, brach sie um, aber Mala versetzte ihm nichtsdestoweni-Und als er mir so durdi’s Haar fuhr und sein Lächeln zu mir sprach:

„Nur nicht so wild, Du kleines Mädchen“

da wurde alles still in mir und voller Ruhe ich strebte zu ihm mit meinem ganzen Sein.

Sein Lächeln, wenn ich's vor mir sehe voll unbeschwerter Heiterkeit und stiller Güte ein bißchen spöttisch, weise, weise, da fährt ein Schmerz durch mich so heiß und voller Schärfe daß mir der Atem stockt, ich fast vergehe.

Wie oft ich fragte — was ist Tod — Du weißt es, hast ja oft ihn schon geseh’n wie kommt er und wie sieht er aus, ach sag’ es mir, es quält mich gar so sehr.

Sein Lächeln gab mir Antwort Du darfst nicht immer rühren wollen an Dingen eh’ sie reifen mußt warten bis von selbst sie zu Dir kommen.

Das Lächeln war nicht mehr — dies Lächeln letzter menschlicher Vollendung es war nicht mehr — hinweggewischt von frevelhaften Händen was ich zuletzt sah, war nur bitt’re Qual.

Geschändet war das Antlitz einer ganzen Welt und tauchte sie — in tiefste Dunkelheit — Schuld — der Engel der die Waage hält — erzittert — gehäuft die beiden Schalen voll von Schuld Schuld nur — auf beiden Seiten so daß sich keine höher oder tiefer neigt und irgendwo in weiter Ferne ein Lächeln — schwebend nur ach, nicht so wild, Du kleines Mädchen.

ger mit der anderen unverletzten Hand eine heftige Ohrfeige. Stolz-erhobenen Hauptes, wenn auch mit versagenden Knien, ließ sie sich abführen und warf den Kameradinnen noch einen tief aufleuchtenden Blick zu.

Wir fanden in Theresienstadt wenig von dem, was wir verloren hatten. Die Menschen waren meist andere, Fremde, und es kamen die Erinnerungen an Menschen, mit denen wir hier gegangen waren und gelebt hatten. Wir spürten die lähmende Angst, die sich der Menschen hier bemächtigt hatte, es war noch immer die Angst vor dem Kommenden.

Wir aus dem KZ sahen ein bißchen herablassend auf diese — wie wir es nannten — eingebildeten Ängste von Menschen, die dem Tode nicht so nah wie wir gegenübergestanden hatten, von Angesicht zu Angesicht. Wie wir aber nach dem Kriege erfuhren, waren sie doch nicht ganz unbegründet, denn auch hier waren Gaskammern für unsere Vernichtung vorbereitet. Dazu kam es aber nicht mehr, denn als wir in das Ghetto kamen, stand es bereits unter dem Schutze des Internationalen Roten Kreuzes.

Nach der ersten bei Freunden verbrachten Nacht kehrte ich in die allgemein Quarantäne, in die Gemeinschaft unserer Frauen zurück. Hier verbrachten wir drei Wochen, gemeinsam mit einem Frauentransport, der, wie sich später herausstellte, der eigentliche Träger der Flecktyphusepidemie war, die nun ganz Theresienstadt ergriff. Von unserem Lager erkrankte nur eine einzige an dieser tückischen Krankheit und auch diese gesundete. Wir blieben wie ein Wunder verschont. Es starben viele der Theresienstädter Ärzte und Pflegerinnen, die in allzu dichte Berührung mit den verlausten Häftli • ngen kommen mußten.

Langsam bemächtigte sich meiner eine peinigende Unruhe, mein Mann kam nicht, und wir hörten nichts von den Männern unseres Transportes. Da hieß es, ein Männertransport wäre eingetroffen, und es fiel der Name eines Arztes, der mit uns in demselben Waggon nach Auschwitz gefahren war. Ich hätte eigentlich sofort laufen müssen, um ihn zu suchen und alles Nähere von ihm zu erfahren. Eine unerklärliche Scheu hielt mich davon zurück. Zufällig traf ich mit ihm zusammen, er tat sehr eilig, verabschiedete sich rasch von mir und bat mich, ihn am nächsten Tage zu besuchen. Als ich zu ihm kam, teilte er mir mit, daß mein Mann auf die andere Seite gegangen war, daß er nicht unter den 4 5 Männern war, die mit ihm ins Bad kamen. Ich blieb ganz ruhig, ließ mir noch erzählen, wie es ihm gegangen war u. dgl. Dann irrte ich durch Theresienstadt und dachte an nichts, hatte vergessen, was eigentlich mit mir geschehen war. Ich traf Leute, sprach mit ihnen, um plötzlich abzubrechen, und sie weitergehend stehen zu lassen. Ich konnte mich nicht erinnern, was ich eigentlich erfahren hatte, irgendetwas Furchtbares, aber was?

Ich kam in die Baracke, wo ich wohnte, wurde von einer lähmenden Müdigkeit befallen, legte mich nieder und fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Als ich erwachte und zu mir kam, saß meine Freundin auf meinem Bette und als ich sie sah, erinnerte ich mich an alles. Ich erzählte ihr, was ich erfahren hatte, setzte aber sofort hinzu, daß es meine feste Überzeugung sei, daß er noch am Leben sei. Alle Frauen unseres Transportes trösteten mich und sich selbst damit, daß es auch noch vor den Gaskammern Möglichkeiten gab, sich zu retten. Sie führten Beispiele an von solchen Errettungen und sprachen alle die Überzeugung aus, daß auch noch auf der anderen Seite Leute, Fachkräfte wie Ärzte, die momentan gebraucht wurden, dem Tode entgingen. Solche Fälle waren wirklich vorgekommen, aber nicht mehr in den Monaten September/Oktober 1944. Aber das wußten wir noch nicht, denn so Grauenhaftes wir auch hörten und selbst erlebten, eine klare Übersicht über das Geschehene hatten wir nicht, und es dauerte noch ziemlich lange, bis sich das endgültige, furchtbare Endfazit herausstellte. Wir warfen unsere ganze Hoffnung auf die Wenigen, Einzelnen, die zurückkamen und wollten die Verlorenen noch lange, lange nicht verlorengeben. Es hieß, Tausende, Tausende sind auf dem Wege, viele krank, ohne die Möglichkeit, Nachricht zu geben. Ich suchte meinen Mann noch viele Monate nach dem Kriege durch das Radio, lief zu jedem ankommenden Repatriationsauto, das die Menschen aus den verschiedenen Konzentrationslagern brachte und frug jeden einzelnen von ihnen nach ihm. Es kam zu den tragischsten Namens-und Personenverwechslungen, die mich immer wieder hoffnungsvoll aufleben ließen, um sich dann eben als Täuschung herauszustellen.

Alles Selbsterlebte verblaßte vor diesen Qualen, die immer schlimmer wurden, je mehr die Freiheit von ihrer ersten berauschenden Kraft einbüßte. Theresienstadt sah mit Spannung der endgültigen Befreiung entgegen. Wer würde sie bringen? Die Russen? Die Amerikaner? Die Engländer?

Noch war die deutsche Kommandostelle anwesend, aber ebenso das Internationale Rote Kreuz. Die Rote-Kreuz-Fahne war auf der Kommandantur gehißt. Das Rote Kreuz war in weithin sichtbaren Farben auf den Dächern der Theresienstädter Häuser aufgemalt.

Täglich die Nachricht „Es ist zu Ende“. In den Nächten kam es zu den schönsten Siegesfeiern und alle die aufgesparten Schnäpse und anderen Leckerbissen waren schon verbraucht, als es wirklich dazu kam. Am 5. Mai 194 5 wurde die Nachricht von der endgültigen Kapitulation der Deutschen in das Ghetto gebracht von Leuten, die auf geheimnisvolle Weise hereinkamen und auch hier blieben.

Plötzlich wieder die Nachricht, Prag brenne — Prag kämpfe — Prag riefe uw Hilfe.

Nun wußten wir wieder nicht, ist nun Schluß oder geht der Krieg weiter? Außerdem befürchteten wir, daß Prag, unsere Heimat, für uns wieder verschlossen und vor allem vollkommen zerstört sein würde.

Jedenfalls durften wir Theresienstadt noch immer nicht verlassen, wurden ungeduldig, und viele der Ghettoinsassen flüchteten.

In der Nacht auf den 8. Mai weckte uns heftige Schießerei aus dem Schlafe. Es hieß, die Russen ziehen gegen Prag. Einige Tage später mar-

schierten sie ein in das Ghetto. Über das Ghetto wurde strengste Quarantäne verhängt, niemand durfte heraus, denn hier wütete der Tod. Flecktyphus war ausgebrochen und nahm die bedrohlichsten Ausmaße an. Mich aber konnte nichts mehr davon abhalten, Theresienstadt zu verlassen.

Eines Morgens gelang es mir, zu entschlüpfen. Die Hälfte des Weges fuhr ich mit einem russischen Panzerauto.

So oft wir in Theresienstadt von der Freiheit gesprochen hatten, sagten wir immer: „Zu Fuß will ich meinen Weg nach Prag finden." So war es auch bei mir. Die zweite Hälfte des Weges wanderte ich in die Freiheit, nach Prag. Nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte, jubelnd und jauchzend, sondern sehr bangen Herzens, voll Erwartung und großer Angst.

Prag — ich ging durch die Straßen — staunend.

Eine Stadt — das gab es noch — eine Stadt, in der man gehen konnte, allein. Die Menschen gingen so selbstverständlich darin, sie wußten gar nicht, was für ein Wunder das war, so gehen zu können.

Ich hatte das Gefühl, als wenn man es mir ansehen müßte, als wenn alle Blicke der Vorübergehenden auf mich gerichtet wären, mich anstarrten. Man sah es mir auch an, es war keine Einbildung, denn auf einmal spürte ich in meiner Hand ein Päckchen. Als ich es öffnete, war es angefüllt mit den besten Leckerbissen. Ein lieber Gruß — von einer lieben Menschenhand. Da kam es mir zum Bewußtsein, daß ich ganz allein war. Mein Mann — ich suchte meinen Mann.

Langsam wurden die Straßen zu Stimmen, Stimmen des Vergangenen, die mich nun jagten, unbarmherzig von einem Grab zum anderen.

Eine Frau sprach mich an: „Warum so verzweifelt, es wird sicher alles gut.“

Eine Menschenstimme sprach zu mir in meiner furchtbaren Einsamkeit. Tränen flossen über mein Gesicht, und ich irrte weinend umher, immerfort mußte ich weinen.

Mein Mann war nicht mehr — meine Eltern waren nicht mehr — Millionen waren nicht mehr — durch das Geheiß einer Hand — irgendeiner verruchten Mörderhand.

Anmerkung Grete Salus, geb. 20. Juni 1910 in Böhmsich-Trübau, lebt heute mit ihrer kleinen Tochter in Israel.

Aus dem Inhalt unserer nächsten Beilagen:

Irving Fetscher:

„Die Freiheit im Lichte des Marxismus-Leninismus"

Johannes Gaitanicles:

„Volkskapitalismus-Romantik oder Realität?"

Hans Koch: „Die Zusammenarbeit Moskaus und Pekings während der europäischen Satellitenkrise"

Georg Stadtmüller:

„Geschichte Europas als Problem"

Stephan Thomas:

„Sozialdemokratie und Kommunismus"

Markus Timmler: „Der wirtschaftliche Wettstreit um Asien und Afrika"

Hermann Weber: „Von Lenin zu Chruschtschow"

Bernhard Wegmann: „Die Weltindustrieproduktion"

Heinrich Weinstock: „Die politische Verantwortung der Erziehung in der demokratischen Massengesellschaft des technischen Zeitalters"

• Karl A. Wittvogel: „Die chinesische Gesellschaft"

Henri M. Wriston: „Erziehung und das Nationalinteresse"

• • • „Das Reich der Mitte unter Mao Tse Tung"

Fussnoten

Weitere Inhalte