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Die politische Verantwortung der Erziehung in der demokratischen Massengesellschaft des technischen Zeitalters. Erster Teil Pädagogische Besinnung | APuZ 3/1958 | bpb.de

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APuZ 3/1958 Die politische Verantwortung der Erziehung in der demokratischen Massengesellschaft des technischen Zeitalters. Erster Teil Pädagogische Besinnung

Die politische Verantwortung der Erziehung in der demokratischen Massengesellschaft des technischen Zeitalters. Erster Teil Pädagogische Besinnung

HEINRICH WEINSTOCK

Theodor Litt, der nicht nur der Erziehung ihre politische Verantwortung immer wieder einschärite, sondern vor allem selber damit zeitlebens Ernst machte, auch. als dies lebensgeiährlich war, zugeeignet.

Unsere Aufgabe setzt offenbar zweierlei als selbstverständlich voraus: einmal, daß die Erziehung auch für die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens, die Pädagogik mithin für die Politik verantwortlich sei, und zwar sowohl in deren weitestem, also ursprünglich griechischem Verstände des Wortes, der alle Daseinsordnungen einbegreift, als auch im üblich engeren Begriff von heute; zum andern, daß diese Verantwortung ihre genauere Bestimmung durch die gegebenen Lebensumstände, also die Verfassung jeweils des Zeitalters erfahre, in dem die Erziehung gerade ihr Werk zu tun hat. Verstehen sich die beiden Voraussetzungen wirklich von selbst?

I. Der Anspruch der Politik an die Pädagogik

INHALTSVERZEICHNIS

Auf den ersten Blick scheint das keinen Zweifel zu dulden. Denn wenn wir unter Erziehung die Maßnahmen aller Art (und also unter Pädagogik deren wissenschaftliche Theorie) in Familie, Schule, Beruf, ja im gesamten Lebensbereich verstehen, die dem Menschen, vorab dem jungen, helfen sollen, nicht bloß irgendwie im Leben zurecht zu kommen, sondern es menschlich zu bestehen, und das heißt: in eigener Verantwortung zu führen, was die Doppelanstrengung erfordert, sich, das unfertig zur Welt gekommene Lebewesen, erst dadurch wahrhaft zur Welt zu bringen, daß es die Welt zu sich bringt; anders gesagt: sich dadurch zu humanisieren, daß es die Welt kultiviert — und wenn dabei insbesondere dieser homo sapiens faber, als geborenes zoon politikon auf das Miteinander mit Seinesgleichen angewiesen, auch diese-Geselligkeit erst und immer wieder neu herzustellen hat, dann dürfte es nicht nur auch eine, sondern geradezu die Grundaufgabe aller Erziehung sein, den Zögling zu politisieren, also ihn erstens zum Verständnis seiner politischen Verantwortung zu bringen und zweitens zu deren Vollzug zu befähigen und zu ermannen.

Dazu ist zu bemerken, daß dieses Programm freilich jenen eigentümlich abendländischen Begriff vom allmenschlichen Bedürfnis Erziehung voraussetzt, der sich nicht darin erschöpft, das Stiefkind der Natur lebensfähig oder auch -tüchtig zu machen, sondern der den Menschen zu einem menschenwürdigen Leben beruft, also ihn frei spricht, sich und seine Welt selbst zu gestalten. Dieser Prozeß mit seinen Siegen und Niederlagen, seinem Aufstieg und Verfall macht im abendländischen Verstände die Geschichte aus. Das ist der eigentliche Kerngedanke des sogenannten Humanismus. Versteht man diesen derart anthropologisch und geschichtsphilosophisch, dann ist es nicht übertrieben, wenn man die Zukunft des Abendlandes und damit heutzutage der ganzen freien Welt auf seine Schultern legt. Die Erziehung sodann würde ihrer Aufgabe nur gerecht, wenn sie sich als humanistische, also als Hilfe zur Menschenbildung im Ganzen, verpflichtete, dabei vor allem sich politisch verantwortlich machte, zumal in einer Zeit, da die Politik wie noch nie zuvor unser Schicksal geworden ist.

Der politische Ursprung der abendländischen Pädagogik So hat denn auch der erste in unserm Geschichtsraum, der „freie Geistesbildung" als die humane Lebensaufgabe gründlich bedachte, Platon, die Erziehung ausdrücklich auf die Polis vereidigt; besser: Politik und Pädagogik als die beiden denkbar möglichen und wirklich nötigen Handhaben des Unternehmens der Daseinsordnung verstanden, das ihm aber als ein und dasselbe nur dann Erfolg verspricht, wenn es von seinen beiden Polen her, dem Individuum und der Gesellschaft, zugleich betrieben wird, und zwar nicht bloß in einem duldsamen Nebeneinander, sondern im Füreinander von Bemühungen, die wechselweise aufeinander angewiesen sind. Der Mensch, als das Wesen der Freiheit genötigt, befähigt, berufen, sein Leben verantwortlich zu führen, worüber er sich ständig Rechenschaft zu geben hat, vermag diese Rechnung nur in einem ordentlichen Staat in Ordnung zu bringen, den aber wiederum nur der ordentliche Mensch zustande bringt. Aus solchem Begriff von der „Staatlichkeit" des Menschen, als der mächtigsten Gestalt seiner „Weltlichkeit“, versteht sich der Kernsatz von Platons gesamtem pädagogisch-politisch gewillten Philosophieren:

„Vom Unheil werden die Gesd'ilechter der Menschen nicht los-konnnen, bis entweder das Geschlecht der rechten und wahren Philosophen zur staatlichen Herrschaft gelangt oder das der Gewaltigen in den Staaten dutch Gottes Fügung wirklich philosophische Haltung gewinnt.“

Um diesem Anliegen gerecht zu werden, muß man freilich wissen, daß Platons Begriff des Philosophierens gegen zwei Fronten steht:

einmal gegen die Routinepraxis der Sophisten, die mit den Umständen dadurch fertig werden will, daß sie sich ihnen anpaßt, und der Wölfe dadurch Herr werden möchte, daß sie mit ihnen heult, was aber die Freiheit nicht ins Leben zu rufen vermag; zum andern gegen die reine Theorie, die dann Aristoteles als die wahrhaft menschenwürdige Lebensweise preisen sollte, was aber nicht nur die Praxis im Stich läßt, sondern ebenso die Freiheit ausgibt, indem man sie sich nur nimmt, um ihre Verwirklichung den Machtpolitikern zu überlassen.

Platon aber hielt noch jene dialektische Einheit von Denken und Tun aus, von der die Polis lebte und die Athen zum politischen Vorort des Abendlandes gemacht hat, so daß Perikies in der berühmten Leichenrede von seinen Landsleuten sagen konnte, sie „ b e d ä c h t e n das Hei! des Vaterlandes int täglichen Wirken Denn „wir“, rühmt er, „sind die Einzigen, die den, der gar keinen politischen Anteil nimmt, nicht für einen Unnütz, sondern für einen Nichtsnutz halten.“ Aber diese Leichenrede auf die Gefallenen von 431 war bereits der Ab-gesang auf die Polis. Die Kraft, Denken und Tun in der Person miteinander zu vermitteln, war erschöpft. Aber — vergessen wir das ja nicht! — das war dann auch das Ende der griechischen Freiheit.

Die Abkehr der Pädagogik von der Politik Aus der Not der Scheidung von Politik und Pädagogik eine Tugend gemacht zu haben, geht auf Rechnung des Aristoteles, dem aber deswegen Entlastung zu erteilen ist, weil er in einer Welt ohne Polis Platons Philosophieren in seiner dialektischen Vermittlung von Politik und Pädagogik nicht mehr verstehen, geschweige denn weiter vollziehen konnte. Die Stoa vollends erhob die betrachtende Lebensweise als die erst wahrhaft menschenwürdige über die tätige. Ihr „Weiser“ läßt das Handgemenge der Politik tief unter sich, da ihn das eigentlich nichts angeht. Aber auch sein Gegner, der Epikureer, will von diesem Kampf-getümmel nichts wissen, weil ihm das den Seelenfrieden, auf den allein es ankommt, nur stört. So zieht sich die Humanität, sei es in müdem Verzicht, sei es in erhabenem Protest, von der gemeinen Welt in das innere Heiligtum der Person zurück. Die Einheit von Denken und Tun, Tun und Denken, Goethes Summe aller Lebensweisheit, zerfiel in gedankenloses Tun und tatenarmes Denken (Hölderlin).

Diese Stimmung der Weltabkehr bestimmte immer stärker die Haltung der Gebildeten in jener Spätzeit, die das Bildungsprogramm des Humanismus verfaßte; daher die anti-, mindestens apolitische Haltung, die in dessen Geschichte immer wieder zu Tage tritt. Betrachtung und nicht Tätigkeit, Verstehen und nicht Sichentscheiden, Worte und nicht Sachen, Vergangenheit und nicht Gegenwart, Idee und nicht Realität, Form und nicht Gehalt, das sind seine Vorlieben. So will Erasmus, um einen ganz Großen dieser Bewegung zu berufen, zeitlebens lieber „der Tragödie zuschauen“ als in ihr verantwortlich mithandeln.

All das kommt aber aus einer edelsten Sorge; um das Heil des Menschen und sein kostbarstes Gut, die Freiheit der Person, die doch die Welt an ihre politischen Mächte und gesellschaftlichen Zweckverbände zu verknechten so begierig ist. So konnte denn auch der Humanismus seine wohl stärkste geschichtliche Wirkung damit vollbringen, daß er, in der Renaissance, der Hauptgeburtshelfer des selbstmächtigen Individuums wurde und damit jene Neuzeit mitheraufführte, der es um die Emanzipation des Einzelnen von den gesellschaftlichen Mächten, also um seine „Entpolitisierung“ geht.

Die Repolitisierung der Pädagogik Indes, die Dialektik der Geschichte schreitet nicht im logischen Schlußverfahren eines Weltgeistes fort, sondern macht paradoxe Sprünge. Indem der mündig gewordene Mensch sich von aller Welt und ihren herrschenden Mächten frei macht, wird er nur frei für neue, und die ziehen ihn immer mächtiger an und nehmen ihn damit in einen neuen Beschlag. Können doch alle Loblieder auf eine vita contemplativa den Urdrang des Menschen zum Handeln nicht in Dauerschlaf wiegen; jetzt um so weniger, als die Welt, der er sich von neuem hingibt, seine eigene Schöpfung ist und also ihm seine Freiheit gar nicht abnehmen könnte, sondern sie vielmehr erst recht ans Werk setzte.

Solcher Glaube an die Herrschaft der selbstherrlichen Vernunft über die Welt von Natur wie Kultur reißt auch die Pädagogik mit. Ihre fortschrittlichen Vertreter wenden sich von den humanistischen „leeren speculationes der unnützen Subtilitäten“ ab und den „ipsissimae res“, den Sachen höchstseiber, zu; das aber sind Gottes Werke in der Natur und „solche Maschinen, weld'ie in der Welt täglidten Nutzen prästieren“. Nun geht es nicht mehr um das Ideal selbstgenügsamer Bildung, sondern um die „Gewöhnung an eine wahre Realität“. Berufserziehung in „Geschäftswissenschaften“ und nicht Allgemeinbildung ist die Parole. Sie verwirklicht sich in lauter Spezialschulen: der Ritterakademie für den höheren Staatsdienst, der Real-oder Bürgerschule für das Gewerbe, der Bergakademie, der Pflanzschule für Militärärzte, der Tierarzneischule, der hohen Kameralschule, der Bauakademie, dem Ackerbauinstitut, der ökonomischen Fakultät. Selbst den wissenschaftlichen Sozietäten gibt sogar ein Leibnitz auf, utilia und nicht curiosa, also angewandte und nicht reine Wissenschaft zu pflegen. Der Reform-pädagoge Salzmann verspottet die humanistische Universität als „ein Kloster, das seine Insassen nur der Wirklidikeit entfremde“. Kurzum: Die Pädagogik macht es der Erziehung zur Aufgabe, nicht mehr „nur sdiulgerechte Leute“ zu bilden, sondern „Bürger für die Welt“ Darin sind sich alle einig, der merkantilistische Staat, die Anhänger Bacons und seines naturwissenschaftlichen Humanismus, die Aufklärer aller Richtungen, die Philanthropen wie auch die Pietisten.

Es ist hier nicht darüber zu reden, wie sehr diese ganze Bewegung gegen einen scholastisch erstarrten Humanismus darin Recht hatte, daß sie aus dem Beweggründe selber der sich formierenden Industriegesellschaft, nämlich dem Erwerbstrieb, ein Arbeitsethos entwickeln wollte, und wie notwendig und segensreich mithin auch ihre pädagogischen Maßnahmen im einzelnen waren. Aber uns geht es um deren Geist. „Bürger für die Welt“ — wer wollte dieser Forderung widersprechen! Aber welche Welt ist damit gemeint? Die Antwort gibt die andere Fassung: „Gewöhnung an eine wahre Realität“. Diese wahre aber ist keine andere als die bestehende mit ihren ökonomischen, sozialen, politischen Tatbeständen.

So läuft es mit diesem ganzen pädagogischen Realismus auf Anpassung an die Zeitlage in Wirtschaft, Gesellschaft, Staat hinaus. Der überall so hoch gepriesene „gesunde Menschenverstand“ soll zu jener Lebensklugheit gebildet werden, die sich mit den herrschenden Mächten gut stellt und sich durch den Erfolg als zeitgemäß und lebenstüchtig bestätigt.

Die Erhebung der Pädagogik gegen die Fremdherrschaft der Politik Von dieser Übermacht der Gesellschaft will Rousseau die Erziehung befreien und, wie Kant ihm dann bezeugt hat, „die Rechte der Menschheit (also nach damaligem Sprachgebrauch: der Menschlichkeit) wieder herstellen“. Darum ging es jenem in der Tat. Aber der Zorn über das Verderben der Zeit, ihr soziales Elend, ihren kulturellen Verfall, ihr politisches Unrecht, den er mit allen hellen Köpfen und glühenden Herzen damals teilte, riß seinen Schwärmergeist hin, all das nicht lediglich dieser Verfallszeit anzukreiden, sondern der Kulturgesellschaft überhaupt. In der ihr eigenen sozialen und politischen Künstlichkeit habe sie die ursprünglich reine Güte der Menschennatur verdorben. Neues Heil sei nur von einem radikalen Neubeginn zu erwarten, der von allem geschichtlich Gewordenen abzusehen habe.

So ruft er im selben Jahre 1762 die Pädagogik mit dem Emile, die Politik mit dem contrat social zur Revolution auf; stellt also damit die wahre und wirkliche, die Platonische Dialektik von Politik und Pädagogik wieder her? Keineswegs. Denn einmal siedelt Rousseau diese beiden Unternehmungen zur Lebensordnung außerhalb .des wirklichen Daseins in einen geschichtsleeren Raum an, zum andern läßt er jedes für sich und ohne Rücksicht auf das andere aus dem Nichts heraus beginnen.

Was die Erziehung insbesondere betrifft, so hat sie ihm überhaupt nur Aussicht auf wahre Menschenbildung, wenn sie den Einzelnen „für sich selbst und nicht für Andere“ besorgt. „Man muß sich entscheiden, ob man einen Menschen oder einen Staatsbürger bilden will; denn beides zugleich und auf einmal zu tun, ist unmöglid'i."

Daß die rechte Entscheidung gegen den „Bürger für die Welt“ fallen muß, ist nach Rousseaus „einfältiger“, also durchaus undialektischer Anthropologie klar. Damit soll aber nicht etwa der Bürger gänzlich den Abschied erhalten, also die Erziehung von der Aufgabe der Vergesellschaftung dispensiert werden. Wie könnte der Verfasser des Gesellschaftsvertrages das auch meinen! Er ist vielmehr davon überzeugt, daß man das Beste für den Bürger gerade dann tue, wenn man nichts ausdrücklich für ihn unternehme, sondern einzig die „reine Menschlichkeit“ des Zöglings bedenke und besorge. Denn „wer für diesen nach der Naturordnung allgemeinsamen Beruf des Menschseins gut erzogen ist, muß jeden andern, der damit in Beziehung steht, richtig ausfüllen können.“ So baut denn auch der contrat social seinen Staat der Gleichen und Freien auf jenen Gemeinwillen auf, dessen Eintracht unzerstörbar ist, weil jeder Einzelne seiner Inhaber dank seiner Erziehung, die ihn allein für sich und aus sich zu sich selbst kommen ließ, von allen gesellschaftlichen Beeinträchtigungen jener seiner Naturgüte ungeschoren blieb, die keinen Streit zwischen individueller Selbstbehauptung und gesellschaftlichen Ansprüchen kennt. Liegt es doch in der Natur der wahren menschlichen Selbstliebe, dem Nächsten und aller Welt nur wohl zu wollen.

Daß all das bloßer Wunschtraum ist, liegt auf der Hand; ebenso, daß solche anthropologischen Träume politisch lediglich die Schäume von Utopie zeitigen können, deren Paradiesideal sich sehr bald als ideologische Ausgeburt der Hölle entlarven muß. Damit wird klar, daß Rousseaus Traum nicht einmal schön war. Sieht sich doch der Träumer selber bereits im contrat social, diesem Gedankenexperiment mit seinen politischen Wünschen, durch deren unbarmherzige Logik genötigt, die Menschen „zur Freiheit zu zwingen“, und zwar durch Lüge und Gewalt. Dieser Widersinn, der die Freiheit so zur Welt bringen will, daß er sie im Mutterleib der Person abtreibt, ist aber die notwendige Folge nicht nur aller utopischen Politik, sondern auch jeder idealischen Pädagogik. Mit seinem utopischen Idealismus hat Rousseau dem Totalitarismus unserer Zeit nicht nur den Weg gewiesen, sondern auch das gute Gewissen verschafft.

Der unpolitische Neuhumanismus Humboldt freilich, der Pädagoge des idealischen Humanismus, würde solche Gewalttätigkeit entrüstet von sich weisen. Aber wie kann man diesen Kulturapostel mit dem Naturevangelisten Rousseau überhaupt in einem Atem nennen? Nun, was unsere Fragen nach dem Zusammenhang von Pädagogik und Politik betrifft, die auf die anthropologische Grundfrage nach dem Verhältnis von Mensch und Welt in seinen zwei Hauptbezügen von Person — Sache und Ich — Du zurückführt, so erdichtet Humboldt, genau wie Rousseau, sich eine „reine Menschlichkeit“, die sich allein und ganz aus der eigenen Bildungskraft des Individuums, seiner Innerlichkeit, entfaltet. Nur daß der eine dieses zeitlose Ideal in einen erträumten Naturstand ansiedelt, während der andere es in den verklärten Geschichtsstand der „edlen Einfalt und stillen Größe“ versetzt.

Humboldts Bildungslehre Aber nochmals: was hat mit dem „einsamen Spaziergänger“ im Walde von Montmorency und auf der Insel im Bieler See, dem Emigranten von Land zu Land und schließlich weltscheuen Menschenfeind der Staatsmann und Kulturpolitiker gemein, der in der großen Welt zu Hause ist und mit allen bedeutenden Geistern der Zeit Verbindung pflegt? Humboldt hat sich doch keineswegs vom Leben abgewendet (oder doch erst in seinen letzten, den Tegeler Jahren) und zeitlebens gar nicht genug Welt bekommen können. Richtig! Indes: er nimmt sie nicht so wie der Polit Platon als die Aufgabe ernst, der er zu dienen, an die er sich hinzugeben hat, sondern braucht sie nur für sich, weil ohne das Material ihrer Mannigfaltigkeit der schlummernde Reichtum seiner Individualität sich nicht zur Totalität vollenden und ihn in den vollen Selbstgenuß universaler Bildung bringen könnte. „Bloß weil sein Denken und sein Handeln nicht anders, als nur vermöge eines Dritten, nur vermöge des Vorstellens und Bearbeitens von etwas möglich ist, dessen eigentlich untersdteidendes Material es ist, Nidtt-Mensdi, d. h. Welt zu sein, sucht der Mensch soviel Welt als möglich zu ergreifen, und so eng, als er nur kann, mit sich zu ver-binden.“

Die Welt gibt ihm also sozusagen nur den Verzehr für seinen geistigen Stoffwechsel. Eigenrecht und Eigensinn hat sie nicht, nicht einmal in ihren Menschen.

„Die meisten Menschen und Dinge waren mir nur soweit lieb, als ich an ihnen lernen konnte ... Es war eine tötende Gleidtgültigkeit in mir.“

So führt er sein Leben nicht im Gehorsam gegen die Ansprüche der uns aufgegebenen Welt, wie sie insbesondere vom Nächsten an uns ergehen. Im Sprachschatz dieses geborenen Preußen und evangelisch Getauften spielen die Worte Pflicht, Arbeit, Dienst, Gehorsam keine entscheidende Rolle. Der Satz, auf dem das Gebäude seiner staatsphilosophischen Jugendschrift errichtet ist, lautet:

„Der wahre Zweck des Mensdten, nidtt der, weldten die wechselnde Neigung, sondern welchen die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt, ist die hödiste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Canzen“ d

Dieser Glaubensartikel eines wenn auch feinstgeistigen Epikureismus hebt aber die dialektische Verfassung der Person auf, wie z. B. Luther sie mit seiner Sprachgewalt auch dem gemeinen Verstände verdeutlicht hat, da er den Menschen zu einem freien Herren aller Dinge und niemandem untertan, eben aber auch nur dadurch werden läßt, daß der sich freiwillig zu einem Knecht aller Dinge und jedermann untertan macht. Daß nur Gehorsam befreit, daß Geben auch pädagogisch seliger ist, reicher macht als Nehmen, daß sein Leben nur gewinnt, wer es hingibt — diese Grundwahrheiten unserer dialektischen Existenz sind Humboldt deswegen verschlossen, weil er sich ganz in sich einschließt und aus der Not solchen Selbstschutzes seiner gefährdeten Natur die höchste und allgemein verpflichtende Tugend der Menschenbildung macht.

Aber hier geht es ja nicht um eine Humboldtstudie, sondern allein um die Folgen einer Lehre, die die deutsche Bildung bis heute weithin beherrscht, und insbesondere um ihre Auswirkungen auf den Zusammenhang von Pädagogik und Politik. Ihn hat Humboldt selber bereits in jener Jugendschrift bedacht. Ja, Staat und Bildung in das richtige Verhältnis zu einander zu bringen, ist deren ausdrückliches Thema. Nun, im Grunde ist die Sache ganz einfach. Wenn „der höchste Zwed^ des Weltalls die Bildung der Individualität ist“, so „wäre das höchste Ideal des Zusamnienexistierens menschlicher Wesen dasjenige, in dem jeder nur aus sidt selbst und um seiner selbst willen sich entwickelte“,

Ist das nicht, nur in anderer Sprache, Rousseaus reine Harmonie des Generalwillens, wo die Millionen Individuen aus purer Selbstliebe sich mit einander vertragen? So braucht in der Tat nichts mehr „den Menschen vom Bürger zu trennen". Es liegt allein an der Verfassung der Gesellschaft, daß „beide (Mensch und Bürger) im Individuum ineinander verschmelzen".

Aber was hat der Staat zu tun, damit sich diese Harmonie herstelle? Nichts, oder besser: möglichst wenig. Er muß seine groben Hände von allem lassen, was nicht seines Amtes ist, also nicht der Sicherung der Freiheit seiner Bürger nach innen und außen dient. Insbesondere hat er die empfindliche Aufgabe der Erziehung allein dieser selbst und das heißt den freien, individuellen Schöpferkräften des nationalen Lebens zu überlassen. Das kann er auch getrost tun. Reibungen oder gar Gegensätze, die eine übergeordnete Macht als Treuhänderin des Ganzen zu regeln hätte, kann es gar nicht geben. Denn wenn der Kosmos auf Bildung der Individualität angelegt ist, muß es auch eine prästabilierte Harmonie der gebildeten Individuen geben, die nur deswegen noch nicht zutage tritt, weil der Staat durch sein unbefugtes Eingreifen sie immer wieder stört; die sich aber in der sich bildenden Nation verwirklicht.

Wenn Rousseau in seinem Glauben an die Eigenmacht der Natur-güte eine negative Pädagogik des „ Wachsenlassens" lehrte, so erwartet Humboldt das Heil der Menschenwelt von einer negativen Politik, einer Abdankung des Staates vor dem einzig wahren Menschenrecht: daß „jeder Einzelne die ungebundenste Freiheit geniest, sidt aus sidt selbst, in seiner Eigentümlichkeit zu entwickeln“. Freilich denkt der allem Radikalismus Abholde doch insoweit noch realpolitisch, als er nicht auf sofortigen Thronverzicht besteht, sondern zum allmählichen Rückzug der Politik aus allen Bereichen der Gesellschaft rät, bis diese schließlich nur noch von jenem edlen Wettstreit lebt, den der Geist der Nation in der Ordnung der Freiheit hält. So befeuert ihn der Schwung der Preußischen Erneuerung zu dem „großen Plan, die Schulen bloß von der Nation besolden zu lassen".

Indes: nimmt dieser Glaube an eine Nation, die des Staates so gut wie nicht mehr bedarf, nicht die Marx-Engels-Erwartung einer Gesellschaft vorweg, in deren Armen „der Staat von selbst abstirbt"? Zweifellos; mögen die unentwegten Humboldtjünger unter den heutigen Humanisten noch so empört darüber sein, daß derart ihr idealistischer Heros in die niedrige Gesellschaft des historischen Materialisten gebracht wird. Jedenfalls haben beide denselben antistaatlichen Komplex. Historisch versteht er sich aus der nur allzu berechtigten Abneigung gegen den verbeamteten Obrigkeitsstaat, aber gerechtfertigt fühlt er sich durch den /Glauben an die Wesenseinheit von Natur und Geist, oder Sein und Bewußtsein, die zwar der Mensch zu verwirren vermag, die aber mächtig genug ist, sich in eine vollkommene Harmonie des Weltganzen wieder herzustellen. Aus dieser Überzeugung schöpft Humboldt auch die Zuversicht, „den schwer zu entdeckenden Punkt nicht zu verfehlen, auf weldtem Gedanke und Wirklichkeit sich begegnen und freiwillig ineinander übergehen",

Wir aber brauchen uns mit diesem Glauben an die schöpferische Heilkraft des individuellen Geistes in Person oder Nation nicht auseinander zu setzen, nachdem Hegel im Abschnitt der Phänomenologie über die schöne Seele die sterile Ohnmacht dieser Monadologie ein für allemal an den Pranger gestellt hat: Dieses Selbst „lebt in der Angst, die Herrlichkeit seines Innern durch Handlung und Dasein zu befled^en; und um die Reinheit seines Herzens zu bewahren, flieht es die Berührung der Wirklichkeit und beharrt in der eigensinnigen Kraftlosigkeit, seinem zur letzten Abstraktion zugespitzten Selbst zu entsagen und sidt Substanzialität zu geben oder sein Denken in Sein zu verwandeln und sidt dem absoluten Untersdtiede anzuvertrauen. Der hohle Gegenstand, den es sidt erzeugt, erfüllt es daher nur mit dem Bewußtsein der Leerheit; sein Tun ist das Sehnen, das in dem Werden seiner selbst zum wesenlosen Gegenstände sidt nur verliert und über diesen Verlust hinaus und zurück zu sich fallend, sich nur als Verlorenes findet; in dieser durchsichtigen Reinheit seiner Momente eine unglückliche sogenannte schöne Seele, verglimmt sie in sich und schwindet als ein gestaltloser Dunst, der sidt in Luft auflöst“.

Aber wozu erinnern wir an diese „Anstrengung des Begriffs“ heutzutage, also in einem Zeitalter, dem man doch wirklich Abkehr von der Welt nicht vorwerfen kann? Nun, der deutsche Kult der Innerlichkeit lebt immer noch, und es sind nicht einmal die Schlechtesten, die gegen den gewaltigen Sog der Sachen, der das heutige Individuum zu verschlingen droht, sich zu Humboldts absolutem Humanismus bekennen und Menschlichkeit nur als reine noch für möglich halten, als eine solche mithin, die, über die Niederungen der Realität erhoben, sich im Umgang mit den zeitlosen Gestalten und Vorbildern aus einer idealisierten Welt bildet.

Ihnen halten wir entgegen — und das ist es, was uns die Auseinandersetzung mit der „absoluten“ Pädagogik Rousseaus und Humboldts für unsere Aufgabe lehrt: Alle Gleichgültigkeit gegen die Welt fruchtet nicht der Person, sondern geht auf ihre Kosten, und eine Erziehung, die sich um Gesellschaft und Staat nicht kümmert oder auch nur ihre politische Aufgabe nicht über alles andere ernst nimmt, verfehlt gerade das, wonach sie so süchtig ist: wirkliche Menschenbildung.

Humboldts Bildungspolitik Das läßt sich nun auch an Humboldt selber, nämlich an seiner pädagogischen Wirksamkeit zeigen. Wiederum liegt es nicht so einfach, als ob seine beiden Hauptbildungswerke, die neue Universität und das humanistische Gymnasium, unpolitisch gedacht wären. Stehen sie doch im Zuge der Preußischen Wiedergeburt als sein Beitrag zur Einlösung des Königswortes: „Der Staat muß durch geistige Kräfte ersetzen, was er an physischen verloren hat." Wahre Erneuerung des Menschen wie des Staates kann für Humboldt nur der Geist der Wahrheit wirken, wie ihn am reinsten die Wissenschaft zutage bringt.

„Wird endlidt in höheren wissenschaftlichen Anstalten das Prinzip herrschend; Wissensdiaft also solche zu suchen, so braucht nicht mehr für irgend etwas Anderes einzeln gesorgt zu werden."

Mit Wissenschaft „als solcher“, womit er sich offenbar gegen jeglichen Magddienst dieser hohen Herrin wendet, meint Humboldt nun aber nicht etwa ein Wissen bloß um des Wissens willen. Nein, auch die Wissenschaft, wie jede menschliche Bemühung, soll dem „hödtsten Zweck des Weltalls, der Individualität", dadurch dienen, daß sie „den Charakter umbilde“. Denn „dem Staat ist ebenso wenig als der Mensch- heit um Wissen und Reden, sondern um Charakter und Handeln zu tun“. Solche Charakterbildung vermag aber nur eben Wissenschaft „als solche“ zu leisten, und „die wird nicht durch Sammeln extensiv aneinander gereiht, sondern aus der Tiefe des Geistes geschaffen“; sie „stammt aus dem Innern und kann ins Innere gepflanzt werden“.

Fragt man, warum dieser ausdrücklich praktisch gemeinte Begriff von Theorie nun aber tatsächlich nicht die Kraft hatte, praktisch zu werden und Politik zu machen, so wird man sich dieses Versagen zunächst aus dem Entwicklungsgesetz der modernen, der positiven Wissenschaft erklären, das ihr nur noch erlaubt, in immer genauerer Spezialisierung fortzuschreiten. Humboldt aber baute seine Universität auf den universalen Wissenschaftsbegriff des deutschen Idealismus, der indes nach Hegels Tode mit „dem Schiffbruch der Systeme“, wie Schelling feststellte, unterging. So mußte es schließlich zu jener Unwahrheit kommen, daß eine Dachorganisation von lauter Fachwissenschaften, die für die höheren Berufe in Staat und Gesellschaft ausbilden, sich weiterhin als Universitas litterarum bezeichnet und Menschenbildung von höchstem Anspruch zu wirken vorgibt.

Hier stellt . sich die ernste Frage: Kann sich die wissenschaftliche Hochschule (und mit ihr die höhere Schule) nur so wieder ehrlich machen, daß sie den Anachronismus von Humboldts Bildungsidee offen zugibt und sich dahin bescheidet, den Anwärtern der leitenden Berufe das notwendige Wissen und Können zu vermitteln, damit sie später den Sachansprüchen ihrer wichtigen und schwierigen Lebensaufgaben gerecht werden können? Mit dieser Frage wird aber, auf der höchsten Stufe des Bildungswesens, nicht nur Humboldts bestimmte Bildungslehre, sondern der Begriff von Menschenbildung überhaupt fragwürdig, von dem wir eingangs meinten, an ihm hänge das Schicksal der freien Welt. Oder um es auf ein allzu bekanntes, daher allzu vieldeutiges Stichwort zu bringen: Ist der „Humanismus“ heutzutage nur noch ein scheinlebendiger Leichnam, und muß nicht jeder, der sich für die Wirklichkeit des Menschen und seiner Welt verantwortlich weiß, ihn endgültig begraben helfen, damit dieses Gespenst endlich aufhöre, die Erziehung auf Irrwege zu locken? Denn was will Bildung zur Harmonie der in sich ruhenden Persönlichkeit in einer Welt, die dafür weder Raum noch daran Bedarf hat, und wonach die Menschen unserer Zeit auch nicht das mindeste Bedürfnis verspüren?

Hatte sich nicht schon Goethe vor hundertfünfzig Jahren über die „Narrenpossen“ solcher allgemeinen Bildung lustig gemacht und den tüchtigen Fachmann gefordert? Was aber genauer unser politisches Thema betrifft: Hat die Hege und Pflege der Innerlichkeit als des schöpferischen Kerns der Persönlichkeit nicht den antipolitischen Affekt unseres Volkes, mindestens seine apolitische Haltung nur noch bestärkt, und ist also der Neuhumanismus, als der eigentümlich deutsche Beitrag zur abendländischen Bildungsidee, die Haltlosigkeit nicht kräftig mitschuld, die uns Deutsche seitdem zwischen Anbetung und Verachtung des Staates und seines Machtauftrags hin und her taumeln und daher realpolitisch versagen läßt?

Der Streit zwischen Realismus und Humanismus Indes: Der neuhumanistische Idealismus ist auch keineswegs unangefochten geblieben, wie ja schon das Goethewort von den Narrenpossen seiner allgemeinen Bildung zeigt. Der pädagogische Realismus des 17. und 18. Jahrhunderts, mit seiner Absicht, „Bürger für die Welt“ zu bilden, ist nicht tot und wird im 19. sowohl durch die Fortschritte der Realwissenschaften wie durch den Aufbau der modernen technischen und ökonomischen Welt kräftig belebt. Heute scheint sogar der Streit zwischen Realisten und Humanisten, der durch das ganze Jahrhundert bis in unser 20. geht, wenn nicht de jure, so doch de facto durch die überwältigende Vorherrschaft der Realschulen zu deren Gunsten besiegelt zu sein. Die Minderzahl der humanistischen Gymnasien mag sich, in den Schmollwinkel gedrängt, dann an dem Stolz aufrichten, zu jenem Adel zu gehören, der nach Nietzsche in der Demokratie „versandet" Jedenfalls ist die Gefahr eines solchen eitlen Stolzes, den sich aber keine verantwortliche Bildung leisten kann, nicht gering. Blicken doch gar manche Humanisten heutzutage in derselben Verachtung auf die niedere Welt von Wirtschaft, Technik, Politik herab, mit der einer ihrer neuhumanistischen Ahnen, Friedrich Jacobs, 1807 sich über den ökonomischen Geist empörte, „welcher die Blid : e der Jugend auf ein Materielles und Nahes beschränkt, die Gemüter herabzieht, die Einbildungskraft erstid^t und das Götzenbild des Vorteils auf den Altar der Tugend erhebt“.

Gegen unsern Spott wird nun aber auch derjenige Humanist, dem die Sorge für die Menschlichkeit des wirklichen, also heutigen Menschen am Herzen liegt, aufbegehren und rufen: Hat denn jene Warnung vor dem ökonomischen Geist nicht schon damals tausendmal Recht gehabt und inzwischen noch viel mehr Recht bekommen? Sind sich nicht alle wahren Menschenfreunde darin einig, daß in der Anbetung des goldenen Kalbes und des eisernen Molochs (der Maschine) die Todesgefahr unserer Zeit besteht? Ist der Mensch heutzutage nicht so von dem Willen besessen, die Sachen in die Hand zu bekommen, daß er gar nicht mehr merkt, wie er sich selber immer mehr aus der Hand kommt? Lind ist dieses ganze unmenschliche Unheil eines modernen Fetischismus nicht aufs willigste und kräftigste gerade von jener pädagogischen Realpolitik befördert worden, die sich, wie wir vernahmen, von den „leeren Speculationes" der Humanisten ab und den Sachen selbst zu-wandte, nämlich „solchen Maschinen, welche in der Welt täglichen Nutzen prästieren“.

So wäre also der Streit zwischen Realisten und Humanisten doch noch nicht entschieden und es bliebe immer noch die Frage offen, ob man einen Menschen oder einen Bürger bilden solle.

Ein Blick auf Hegel Lind doch ist die Frage theoretisch, also durch die „Anstrengung des Begriffs“, längst entschieden, nämlich ihr Dilemma als ein lediglich eingebildetes, aber keineswegs wirkliches entlarvt worden. Derselbe Hegel, der, wie uns schon bekannt, die leere Ohnmacht von Humboldts Innerlichkeit bloßstellte, hat mit dem dialektischen Prinzip seiner konkreten Logik oder besser: Ontologie das Ganze der Wahrheit in deren Einheit des Widerspruchs von Positivität und Negativität und darin von Geist und Materie, Subjekt und Objekt, Mensch und Welt, Person und Sache, Individuum und Gesellschaft und damit auch von Pädagogik und Politik wiederentdeckt, die wir schon bei Platon gefunden hatten. Was insbesondere Rousseaus und auch Humboldts reine Menschlichkeit betrifft, so hat er die beiden hier obwaltenden Grundirrtümer abgetan; einmal die Einbildung, daß die „bloß auf sich bezogene Persönlichkeit“ wirklich frei sei; denn „Freiheit ist nur als Freiheit nicht vom Dasein, sondern im Dasein überhaupt, eine Freiheit die selbst Dasein hat“. Dazu aber kommt sie nicht im Selbstgenuß, sondern nur durch Selbstentäußerung, die denn auch für Hegel das wahre Verfahren der Bildung ausmacht:

„Nicht auf sich so sehr die Aufmerksamkeit richten, sich mit sielt als Individuum beschäftigen, — Eitelkeit; sondern sich vergessen, in die Sadte, das Allgemeine vertiefen, — Selbstvergessenheit“

Lind so fordert er mit Goethe gegen die Narrenpossen der Allgemeinbildung die Selbstbeschränkung auf den Beruf. „Wenn der Mensdt etwas werden soll, so muß er sidt zu beschränken wissen, d. h.seinen Beruf ganz zu seiner Sadte machen.“

Dem zweiten fundamentalen Irrglauben bei Rousseau wie bei Humboldt, nämlich dem Vertrauen auf den freiwilligen Übergang des Gedankens in die Tat, auf die Einmütigkeit von Selbstliebe und Gemeinwillen, also schließlich auf die Kraft des Guten, sich von selbst durchzusetzen, kurzum: diesem „harm-und kampflosen Hervorgehen, wie des organisdien Lebens“ stellt Hegel „harte, unwillige Arbeit gegen sich selbst“ als die wirkliche Forderung der Geschichte, dieser „Schädelstätte des absoluten Geistes“, entgegen. Alle die Momente, die wir bei Humboldt wegzudenken sind, werden von Hegel nicht nur auch berücksichtigt, sondern geradezu zu den fruchtbarsten Momenten der Bildung erhoben: Mühe, Kampf, Arbeit, Gehorsam, Dienst, Zucht, Pflicht, Lernen. „Die Idee sinkt zur Erbaulichkeit und selbst zur Fadheit herab, wenn der Ernst, der Schmerz, die Geduld und Arbeit des Negativen darin fehlt."

So kann das immer wieder nachzudenkende Kapitel „Herr und Knecht“ der Phänomenologie, das mit seinem Generalangriff auf den Begriff von Bildung als Selbstgenuß Humboldt vernichtend schlägt, Hegels dialektische Bildungslehre auf den Nenner bringen: „Die Wahrheit des selbständigen Bewußtseins ist demnadt das knedttische Bewußtsein."

Für unsere Frage nach dem rechten Verhältnis der Pädagogik zur Politik ergibt sich aus solch dialektischer Bildungslehre die Antwort von selbst. Wahre Erziehung, also eine solche, die dem Menschen dadurch zu sich selbst verhelfen will, daß sie ihn lehrt, sich an die Sache zu entäußern, hat nicht nur auch das Politische zu berücksichtigen, sondern muß von ihm ganz und gar durchdrungen sein. Ist dies doch das Bewährungsfeld, die Ringbahn, darin allein Bildung überhaupt antreten kann. Denn: „Alles Politische ist Entäußerung des Eigenwillens:

Familie, Ehe, Gesellsdtaft, Staat." Was aber das Politische im engeren Sinne betrifft, so ist es ja der Staat, der den anderen Daseinsordnungen erst Halt und Dauer gibt. Mithin verhilft die Erziehung dem Zögling nur dann zu sich selbst, wenn sie ihn für den Staat bildet. „Im Staat allein hat der Mensch vernünftige Existenz." Daher denn auch der Staat „wie ein Irdisch-Göttlidtes verehrt" sein will.

Dies ist nun eine jener Lobpreisungen, derentwegen man Hegel immer wieder der Staatsvergötzung geziehen hat. Dabei überhört man aber, daß er mit seinem Gebilde der „vollendeten Sittlichkeit“ den Staat nicht „nach dem Inhalt der äußeren Erscheinung", sondern als „ideale Weise“ meint, jenes „allgemeine Gemeinwesen, dessen Lebendigkeit das einzelne Individuum, als einzelnes ist". Einer solchen Politik aber, die nicht den Staat für den Tod der Person, sondern die Person für das Leben des Staates hält, entspricht eine Pädagogik des Lernens, des Gehorsams, der Zucht, die auch ihrerseits keineswegs „Unterdrüdtung der erwachenden Selbstgefühls“, sondern im Gegenteil ganz und gar „Erziehung zur Selbständigkeit“ meint, als welche eben nur so wahrhaft zu sich kommt, daß sie sich „in die Sadie versenkt".

Mithin tritt Hegel im Kampf gegen die Innerlichkeit eines absoluten Humanismus auch nicht auf die Seite der Realisten und ihrer Pädagogik der Anpassung an die Sachlage durch Übermittlung von Realkenntnissen und -fertigkeiten. Im Gegenteil! Er hält gar nichts von jenem „sogenannten nützlidten Stoff, jener sinnlosen Materiatur, wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes fällt; nur der geistige Inhalt, welcher Wert und Interesse in und für sich selbst hat, stärkt die Seele und versdiafft diesen unabhängigen Halt, diese substantielle Innerlichkeit, weldte die Mutter von Fassung, von Besonnenheit, von Gegenwart und Wadten des Geistes ist; er erzeugt die an ihm groß gezogene Seele zu einem Kern von selbständigem Wert, von absolutem Zwed^e, der erst die Grundlage von Braudibarkeit zu Allem ausmacht, und den es widitig ist, in allen Ständen zu pflanzen.“

So bringt also Hegels dialektische Anthropologie eine Pädagogik hervor, die den scheinbar ausschließlichen Gegensatz von Persönlichkeit und Sachlichkeit im Begriff der „substantiellen Innerlichkeit" versöhnt und das Dilemma von Mensch und Bürger als eitel „Vernünftelei", wie Kant sagen würde, auflöst. Müssen wir mithin diese dialektische Pädagogik als die wirkliche Wahrheit einer Menschenbildung bejahen, die auch unser Problem von Pädagogik und Politik ins rechte Licht stellt, so dürfen wir uns dafür dennoch nicht mit Hegel beruhigen; und zwar deswegen nicht, weil sein Begriff von der „idealen Weise“ des Staates die Erziehung doch auch wieder zu verführen droht, sich über die politische Wirklichkeit hinwegzusetzen. Im Grunde träumt Hegel mit seinem Staat doch von so etwas wie einem Gottesreich auf Erden. „Hier ist Staat in einem umfassenden Sinne genommen, so wie wir auch den Ausdrud^ Reidt gebrauchen, wo wir die Erscheinung des Geistigen meinen." Das aber hängt nun wieder mit dem Glauben an die Vollendung der Geschichte zusammen, der aber eben dieselbe Dialektik sich selbst zum guten Ende aufheben läßt, deren Ergründung Hegels unvergeßliche Leistung ist.

Das läßt sich nun gerade an jenem Gebilde mit Händen greifen, das der Realismus des 18. Jahrhunderts für seine „Gewöhnung an eine wahre Realität“ für so wichtig hielt, daß er ihm dieselbe Bedeutung wie „Gottes Werken in der Natur“ zusprach: der Maschine. Hegel ist nicht der einzige, nicht einmal der erste gewesen, der den blinden Glauben an die reine Segenskraft der Maschine und ihres Prinzips der totalen Rationalisierung des Lebens aufgab. Aber er hat im Zusammenhang seiner Philosophie der Arbeit doch zuerst das Verhängnis der modernen Maschinentechnik gründlich durchleuchtet. Indes: derselbe, der in der Jenenser Realphilosophie seiner Frühzeit noch die Maschinenarbeit „das Bewußtsein der Fabrikarbeiter zur letzten Stumpfheit herabsetzen" sah erwartet in der Rechtsphilosophie von 1821 von eben demselben Moloch, daß er den Menschen von der Mühsal der Arbeit ganz befreien werde. Lind das muß Hegel tun, weil sonst ja doch die Dialektik die Sprache des Weltgeistes nicht sein könnte und das System nicht abzuschließen wäre.

Das bedeutet für die Hegelsche Pädagogik: Ein wirklich ernstes Problem gibt ihr die Maschine nicht auf; denn schließlich sorgt schon der Weltgeist für ein gutes Ende auch ihrer Geschichte. Uns aber kann das Beispiel an einem überaus und gerade heute brennenden Punkt die Gefahr aufdecken, daß die Erziehung ihren eigenen Lebensnerv, die Unruhe, zu töten droht, wenn sie mit Hegel an die Selbstversöhnung der Dialektik glaubt. Lind das trifft nun den Kern der gesamten Problematik von Politik und Pädagogik überhaupt. Denn ein Glaube an die Selbsterlösung der Welt muß doch der Verantwortung des Einzelnen, also seiner Freiheit, den letzten Ernst nehmen und die Person zum Gerichtsvollzieher, höchstenfalls zum Geschäftsführer des Weltgeistes erniedrigen.

Wenn wir aber, dialektischer als Hegel, die Dialektik nicht sich aufheben lassen, sondern scharf halten, solange die Geschichte währt, wenn wir also deren Prozeß als eine Tragödie ohne Ende ansehen, dann glauben wir, daß so die persönliche Freiheit erst ernstlich ins große Spiel kommt und der Mensch die Hauptrolle in der Tragödie erhält, die gerade ihm auf den Leib geschrieben ist.

Damit treffen wir uns dann mit jenem pädagogischen Denker, der, ohne je etwas von Dialektik gehört zu haben, in seiner theoretischen Auseinandersetzung mit Rousseau einerseits und der Industriepädagogik anderseits, sowie vor allem im unaufhörlichen Kampf an der pädagogischen Front eine durch und durch und von A bis Z dialektische Pädagogik sich immer klarer herausgearbeitet hat. Dabei haben ihn die harten Leiden, die bitteren Niederlagen dieses Ringens nur immer fester zu jenem höchsten sittlichen Mut ermannt, daß er der Meduse ins schreckliche Gesicht schaute, ohne herzlos zu versteinern und am Menschen zu verzweifeln.

Pestalozzis Menschenbild Freilich ist das diesem Pestalozzi nicht geschenkt worden. Aus der Schwärmerei für Rousseau, zu der auch ihn wie alle Jungen damals, dessen Aufstand gegen die „tiefe Zeitverkünstelung und Unnatur ihres Verderbens", begeistert hatte, bringen ihn nicht Wissenschaft oder Philosophie zur Besinnung, sondern allein die Erfahrungen, die er mit sich und seiner Zeit macht, und die dieser philosophische Autodidakt und pädagogische self-made-man in einer harten, weil ungeschulten, eben daher aber ganz selbständigen Begriffsarbeit zu erklären und zu ergründen sich abmüht mit dem Ergebnis, daß er sich jene eigenmächtige, bildkräftige Sprache schafft, die der dialektischen Problematik der heißumworbenen Wahrheit Herr wird. Deswegen wird auch die Auslegung in diesem Falle ausgiebiger als sonst dem Autor selbst das Wort erteilen müssen.

Schon 1774 geht ihm auf: „Freiheit ist ein Gut und Gehorsam ist es ebenfalls. Wir müssen verbinden, was Rousseau getrennt.“ Daß die Verbindung aber niemals rein verschmilzt, sondern hier die stets offene Wunde der Menschenbildung blutet, darüber hat sich Pestalozzi durch keine der schönen Harmonielehren seiner Zeit hinwegtäuschen lassen: darin einer der großen unzeitgemäßen und daher über ihre Zeit hinaus gültigen Denker.

Nicht als ob er sich aus seiner Zeit in überzeitliche Ideen geflüchtet hätte! Ist es doch die Not der Menschheit gerade damals, was ihm dauernd Herzweh und mit ungelernter Gedankenarbeit ständig Kopfschmerzen macht. Daher kann er dann auch wieder zu -dem, was an der Zeit ist, so unerschrocken Ja sagen, daß er trotz aller Ausartungen des „Sanskulottismus" im Dezember 1792 an Nicolovius, den späteren Mitarbeiter Humboldts, schreibt: „Das Resultat meiner politischen Erfahrungen ist dieses: das Einsetzen der demokratischen Wahrheit ist allein fähig, die völlig ausgeartete und zum Unsinn herabgesunkene aristokratische Wahrheit unserm Erdball wiederzugeben.“ Was ihn aber so hellsichtig und zugleich so mutig machte, die erkannte Wahrheit immer und auch überall zu bekennen, das war jene Liebe zu den Enterbten aller Art, die ihn zu einem echten Jünger Jesu Christi erhebt; davor muß aller Streit um seine Christlichkeit schweigen. „Ich denunziere mich als parteilich fürs Volk.“

Keineswegs aber hat er sich wie Rousseau von der Volkssouveränität das Paradies vollkommener Freiheit und vollständiger Gleichheit versprochen. Ohne je etwas von Pascals dialektischer Menschenlehre gehört zu haben, nach der jeder Versuch, den Menschen zum Engel zu machen, ihn unweigerlich vertiert, stellt er mit denselben Stichworten fest: „Ewig teilen sich die Menschen ein in Engel des Lichts und in Engel der Finsternis. Ihr Schicksal ist immer, daß Licht und Finsternis in unmerklichen Schattierungen sich allenthalben gegenseitig verlieret In zähem Ringen hat er sich dann, vor allem in seinen „Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts“ von 1797, die sein damals wohl nächster Geistesverwandter Herder „eine Geburt des deutschen philosophischen Genius“ nannte, seine durchaus originale Menschenlehre erarbeitet. Ihre unerhörten und daher unverstandenen Erkenntnisse nehmen Grundsätze der Anthropologie unserer Zeit vorweg, von denen freilich die heute vorherrschende Pädagogik noch ebenso wenig Kenntnis genommen zu haben scheint wie von Pestalozzis dialektischer Bildungslehre.

Das ist um so schwerer zu verzeihen, als Pestalozzi mit seinen Gedanken pädagogischen und politischen Ernst zugleich macht und derart den von Platon (den er nicht kannte) angeknüpften Leitfaden abendländischer Menschenbildung, die dialektische Einheit von Pädagogik und Politik, wieder aufnimmt, also das leistet, was uns heute am dringendsten not tut; und dies auch noch in ausdrücklicher Auseinandersetzung mit den beiden Daseinsmächten, die wir menschlich zu bestehen haben und die damals in die Geschichte eintreten: Demokratie und Industrie.

Die Begründung der Bildungsdialektik Der anthropologische Grundsatz, der Pestalozzis pädagogisch-politische Lehre von der Menschenbildung trägt, besagt: Der Mensch ist keineswegs eindeutig verfaßt. Vielmehr ist er eine Person aus drei Naturen: der tierischen, der gesellschaftlichen, der sittlichen und daher von drei widerstrebenden Kräften bewegt: der Selbstsucht, dem Anpassungsbedürfnis, dem Veredelungsstreben. Die drei Grundtriebe bringen drei „Vorstellungsarten von Wahrheit und Recht“, drei Weltanschauungen könnte man sagen, hervor: die tierische, die gesellschaftliche, die sittliche. Diese Widersprüche harmonisch aufzulösen, kann nicht dem Menschen bestimmt sein. Denn so würde er ja seine Verfassung brechen, was ihn sein Leben kosten müßte. „Reine Sittlichkeit streitet gegen die Wahrheit meiner Natur, in welcher die tierischen, die gesellschaftlidten und sittlichen Kräfte nicht getrennt, sondern innigst miteinander verwoben erscheinen.“ AIs so ein heilloses Wesen kann der Mensch auch die Welt, die er sich herstellen muß, nicht in heilen Einklang bringen. „Das Verderben des gesellschaftlichen Zustandes ist unaus-weichlid-t;“ wie denn überhaupt „die Welt in allen ihren Verbindungen und allen ihren Gestaltungen im Argen liegt“.

Freilich sieht Pestalozzi in Jesu Frohbotschaft vom Gottesreich der Liebe „das größte Geheimnis und das einzig mögliche Mittel, unsere Natur im Innersten ihres Wesens ihrer wahren Veredelung näher zu bringen“, und bekennt sich daher „zum erhabenen Grundsatz Jesu: macht erst das Inwendige rein, damit audt das Äußere rein werde“. Aber zugleich muß er sich eingestehen, daß trotz diesem „Engelgang aller Kot der Welt seine Ordnung hat und sein Recht unabhängend vom Christentum“. Daraus folgt: „Idi kann und soll nicht verhehlen: meine Wahrheit ist an den Kot der Erde gebunden.“

Demnach kann es dem Menschen nicht abverlangt werden, wie weiland Herakles den Augiasstall dieser Welt von allem Kot zu reinigen. Was ihm aber aufgetragen wird, ist dies, daß „er sich durch den Kot hindurch arbeitet, ohne darin zu versinken“ Das meint: der Mensch, nicht geschaffen, sich selbst ganz gut und seine Welt ganz rein zu machen, muß sich dieses Unheil eingestehen, aber er soll es menschlich bestehen. Wer sich zum Ülbermenschen aufwirft und sich anmaßt, das Verderben ganz auszuräumen, wird ebenso unmenschlich, wie wer sich als Untermensch von ihm überwältigen Läßt.

Fragen wir, um zu unserm Thema zu kommen: Was ergibt sich aus diesen Grundgedanken für Gesellschaft und Staat?

Die Gesellschafts-und Staatslehre Der Mensch kann die helfende Hand des Mitmenschen nicht entbehren und muß sich zugleich dessen vernichtende Faust vom Leibe halten. Beides zusammen nötigt ihn zur gesellschaftlichen Vereinigung. Die ist also Vernunfttat der individuellen Selbstsucht, die sich nur so behaupten kann, daß sie sich selbst einschränkt, falls sie den andern von sich abhalten will. Sie gibt sich also nicht etwa in der Gesellschaft auf, sondern schickt sich lediglich in Regeln, die die gegenseitige Vernichtung verhindern. Diese Regelung leistet die bürgerliche Rechtsordnung. Die bedarf zu ihrer Erhaltung einer übergeordneten Macht Deren Träger ist der Staat. Sein Amt ist es mithin, den Bestand des Ganzen zu sichern, auf dem die Sicherheit der Einzelnen beruht. So verbietet er durch sein Gesetz jeden Bruch der Vertragsordnung, verhütet ihn durch seine Macht und weist ihn notfalls mit Gewalt ab.

Wie gering ist hier etwa gegenüber Hegel vom Staate gedacht! Er muß, mit Schillers Begriffen zu sprechen, sich mit der niederen Rolle des Notstandes abfinden, kann nie Staat der Freiheit werden; ja er darf die vollkommene Freiheit eben so wenig herstellen wollen wie die vollständige Gleichheit. Denn jede Unbedingtheit führt nicht in die Freiheit, sondern in die Versklavung. „Ein konsequentes Freiheitsregiment und ein konsequentes Despotenregiment grenzen in den Gewalt-mitteln aneinander.“ Die „französische Gleichmachungskunst“ verspottet Pestalozzi sehr anschaulich: „Ein Zwerg sagte zum Riesen: ich habe mit dir gleiches Recht. Der Riese erwiderte: Freund! das ist wahr! aber du kannst in meinen Schuhen nicht gehen.“, Zwingt man aber Freiheit und Gleichheit in ein Bett, so erzeugt das nur „das Mittel-• mäßigkeitsfieber, das alle Kräfte der Menschennatur in uns selber tötet“

So zieht Pestalozzis Abrechnung mit dem Wundertäter, der im Gemeinwillen „das Gleichgewicht des Wohlwollens und der Selbstsucht“

herzaubern wollte, den Schlußstrich: „Rousseau fand ein Wohlgefallen daran, den alten Schlummer des Weltteils zu stören, ohne einen Schatten von Kraft zu besitzen, dem Erwachenden Nahrung und Leben zu zeigen.“ Das aber widerfuhr ihm, weil er im „Glauben an die im gesellschaftlichen Zustand so allgemein gefährlichen Irrtümer von der natürlichen Freiheit und Gleichheit der Menschen“ lebte.

So scheitert jeder Versuch, die Harmonie staatlich herzustellen, an den unaufhebbaren Widersprüchen der Menschennatur, deren Gebilde doch der Staat ist. Selbst das Gleichgewicht der Gewalten, Montesquieus Weisheit, bietet Pestalozzi keinen dauerhaften Schutz für die Freiheit. „Es endet immer mit dem Übergewicht der größeren physischen Kraft.“ Nein! Der Staat ist nicht mit Hegel als ein Göttliches auf Erden zu verehren; er „repräsentiert den reinen Menschen“, wie Schiller schwärmte keineswegs. So versteht es sich auch, daß Pestalozzi die Rede vom christlichen Staat aufs entschiedenste ablehnt. „Die Welt wird nicht christlich regiert. — Man mißbrauche das Christentum auf keine Seite! Man fordere nicht, daß die Fürsten christlich regieren! Sie können es nicht.“ „Das ewige Übel des Staates“

Und warum ist der christliche wie der sittliche Staat unmöglich? Als Werk des widersprüchlichen Menschen „trägt jede Staatsvereinigung den Keim des Widerspruchs in sich“. Der tritt im politischen Leben in äußerster Schärfe hervor, wenn das Recht des Einzelnen mit dem Anspruch des Ganzen, also die Rücksicht auf dessen Bestand und die auf das individuelle Recht Zusammenstößen, kurz: Ordnung und Gerechtigkeit sich nicht vertragen. Dann hält Pestalozzi es wie Goethe, der lieber eine Ungerechtigkeit in Kauf nehmen als die Unordnung riskieren wollte, was idealistische Schwärmer ihm auch heute noch übelnehmen. Pestalozzi macht sich und uns die unausweichliche Notwendigkeit und also politische Richtigkeit dieser harten Entscheidung ganz nüchtern klar: „Der Staat muß bei jeder Kollision der kollektiven Existenz unseres Geschlechts mit der individuellen die erste gegen die letzte als Regel anerkennen.“ Denn „als kollektive Existenz unseres Geschlechts muß er sich als selbstsüdttig aussprechen, sonst hört er auf, Staat, er hört auf, mit seiner kollektiven Existenz, mit sich selbst in Harmonie zu sein und konsequent mit dem ursprünglichen Zwedt seiner Vereinigung zu handeln. Diese aber ist durchaus nicht Veredelung, Vervollkommnung des Menschengesddechts, sondern Sidrerstellung der Möglidikeit der Ruhe, der Befriedigung und der Häufung der Vorteile des Beieinanderlebens großer oder kleiner Menschenhaufen.“

Staat und Gesellschaft sind also nicht danach angetan, die Menschen zu versittlichen. Im Gegenteil! Zwar haben sie den zeitlichen Krieg aller gegen alle in die Regel des bürgerlichen Konkurrenzkampfes gezwungen. So verliert „dieses Erbteil unseres Gesddechts zwar den grellen Sd'iein seines, das Göttlidie unserer Natur vergiftenden Wesens, aber wahrlich nur auf Gefahr der Verstärkung seines unsichtbaren, inneren Giftes selber. -Redrtlosigkeit, Wahrheitslosigkeit, Lieblosigkeit wird durdi die Zivilisierung nur verstärkt; diese erhebt sie zu dem geistigen Wesen ihres Verderbens, zur Betrugskraft und gibt ihrer Gewalttätigkeit den Schein der Redttlichkeit. — Selbst die Religion ist in ihr nichts anderes als ein elendes Dienstmittel ihrer Schiefigkeit und ihrer Herzlosigkeit.“

Woher aber zuletzt all dies unvermeidliche Unheil? Wir wissen es schon: „Es kann nicht anders sein, die Welt in allen ihren Verbindungen und allen ihren Gestaltungen liegt im Argen.“ Da dieses Arge nicht aus der Welt zu schaffen ist, hat „alles Kot der Welt seine Ordnung und sein Recht.“

Was aber das Existenzrecht des Unreinen und Heillosen insbesondere in der sozialen und politischen Menschenwelt betrifft, so gründet es in der Tatsache, die nur verblendete Einbildung leugnen und selbstmörderischer Hochmut aufzuheben sich erdreisten kann: daß ohne den nicht ganz zu Unrecht so genannten „gesunden“ Egoismus kein Lebewesen am Leben bliebe. Im Menschen, diesem sich selbst überlassenen Stiefkinde der Natur, bringt dieser Grundtrieb die Selbstsorge, diese wiederum den Besitzwillen hervor. Der sodann muß sich seinen Raub von der Gesellschaft als rechtmäßiges Eigentum anerkennen lassen. So kommt es zum Widerspruch einer neuen Dialektik, daß „das Eigentum geheiligt ist, weil wir gesellschaftlich vereiniget sind“; daß aber zugleich dieses Eigentum „Pandorens Büchse geworden ist, aus der alle Übel der Erde entspringen“

Lind der Schluß daraus? Da „das Eigentum immer besser regiert als der Mensch“ weil es nämlichdie Selbstsucht, diesen stärksten Naturtrieb, zugleich anstachelt und zügelt, derart der individuellen Selbständigkeit, also der Freiheit. Kraft, dem Fortschritt Leben gibt, muß der Staat um des Gemeinwohles willen das Eigentum achten, das doch der fetteste Nährboden der Besitzgier ist und dadurch den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet. , Wie wahr ist wiederum diese dialektische Eigentumslehre, verglichen mit Rousseaus Einfalt, die nicht nur jegliches Elend der Gesellschaft vom Wörtchen „mein“ herleitet, sondern vor allem auch von diesem Besitzwillen lauter Böses erwartet. Davon aufgewühlt, hat dann Marx das Privateigentum an den Produktionsmitteln zum Sündenbock überhaupt der Menschengeschichte gemacht. Pestalozzi würde ihm freilich darin Recht geben, daß solches Eigentum, das Macht verleiht, die Menschlichkeit gefährdet; indes: er „weiß gegen die Ausartung keiner einzigen menschlichen Kraft und keiner einzigen menschlichen Tugend auf jeden Fall Mittel. Aber das weiß ich, daß keine Kraft und keine Tugend in meiner Seele ausgelöscht werden soll, damit sie nicht ausarten kann“. Sieht man wohl, welche Sprengmittel Pestalozzis Gedankenarsenal für unsern Freiheitskrieg gegen die marxistische Irrlehre liefert, den wir vielfach mit so stumpfen Waffen führen?

Den ewigen Frieden der Gesellschaft verspricht Pestalozzis Kriegs-führung freilich nicht. „Der Traum einer Bürgerruhe“ ist für ihn lediglich „ein Scheinabschwächungsmittel des Bösen“; denn „Ruhe schwächt, auch die verdiente Ruhe schwächt, nur die Anstrengung stärkt, und zwar nur solange, als sie andauert“. Mit dieser harten Tatsache will nur der Schwärmer sich nicht abfinden. Der nüchterne Sinn jedoch muß sich eingestehen, daß diese Lehre vom „ewigen Übel des Staats“ die Wahrheit über Staat und Gesellschaft sagt. Wäre ihre reale Dialektik gerade damals begriffen worden, als das Elend des Proletariats mit der Industrialisierung anhob, so hätte die utopische Dialektik des Marxismus wohl nicht so leicht die Köpfe verwirren und die Herzen überhitzen können.

Indes: daß Pestalozzis Einsichten weder damals noch seitdem wirksam wurden — liegt das nicht doch an ihnen selber, nämlich an ihrem einerseits -anderseits, daß sie, weder heiß noch kalt, den nicht zu begeistern vermögen, der die Gesellschaft humanisieren und den Staat kultivieren möchte? Läuft es mit dieser Lehre nicht auf den bloßen Sicherheitsstaat hinaus, der nichts mit der Menschlichkeit seiner Bürger zu tun und daher keinerlei sittliche Verantwortung hat? Der Segen des Staates Dieser Einwand denkt nur an Pestalozzis Nein zu Staat und Gesellschaft und überhört das Ja, das er ebenso entschieden sagt. Denn wenn der Staat dazu da ist, den Kampf aller gegen alle nicht zwar zu beenden, wohl aber in Regeln zu fügen, die allen die notwendige Sicherheit und jedem Einzelnen, schon durch das Eigentum, seinen unentbehrlichen Spielraum der Freiheit gewährleisten, so kann das allein durch eine allgemeingültige Rechtsordnung geschehen. Die aber gibt dem Staat nun doch wieder entscheidende Bedeutung für die Menschlichkeit seiner Bürger. Denn „da das Gefühl meiner rechtlosen, unsicheren Lage iw gesellsdiaftlidien Zustande alle Grundlagen des wensdtlidien Geistes tötet, durch welche die Veredelung der Nation allein möglich gemadit wird“ bereitet und wahrt das Rechtsschutz-amt des Staates überhaupt erst den Boden für alle mögliche Menschen-bildung. Diese hohe Verantwortung darf nur nicht den Staat so berauschen, daß er sich selber die Versittlichung unmittelbar zutraute und ein Reich reiner Humanität in vollkommener Gerechtigkeit herzustellen sich anmaßte. Vermöge der Widersprüche in der Menschen-natur und mithin in allem Menschenwerk führt jeder Versuch, eine unbedingte Idee in der Realität rein durchzusetzen, unweigerlich in Unmenschlichkeit. Wir hörten es schon: „Ein konsequentes Freiheits-

regiwent und ein konsequentes Despotenregiwent grenzen in den Gewaltmitteln aneinander.“ Der Staat der absoluten Gerechtigkeit, der vollendeten Sittlichkeit könnte sich nur als totaler Staat. verwirklichen, müßte also in der vollständigen Gleichheit aller jede Freiheit des Einzelnen ersticken, mithin die selbständige Person umbringen.

So würde derselbe Staat, der mit seiner Rechtsordnung jeder möglichen Versittlichung des Menschen den Boden bereitet, zugleich die Quelle verstopfen, aus der alle wirkliche Sittlichkeit entspringt: den Drang des Individuums zur Selbstveredelung. Der braucht ja doch, um sich zum sittlichen Willen zu ermannen, einen Spielraum der Freiheit. Der wiederum gibt freilich zugleich auch dem Todfeind aller Veredelung, der Selbstsucht, ebensoviel Freilauf. Das muß aber nicht bloß jener Staat in Kauf nehmen, dem es aus wohlverstandenem eigenen Interesse um Belebung der Tatkraft seiner Bürger geht, sondern gerade auch derjenige, der sich für deren Veredelung mittelbar verantwortlich hält. Er muß also wissen: die persönliche Freiheit seiner Bürger ist segensreich und unheilvoll zugleich; wie die Bürger ihrerseits zu begreifen haben: die Macht des Staates ist ebenso notwendig wie gefährlich. Denn alle Macht, und zwar die kollektive noch massiver und brutaler als die individuelle, ist von Natur unersättlich und will Allmacht.

Diese zwiefache, in Staat wie Individuum mächtige Dialektik macht nun drittens natürlich auch den Bezug von Individuum und Gesellschaftsordnung derart zweideutig und zwiespältig, daß die selbständige Person dem Staate nur dann gerecht wird, wenn sie Ja und Nein zugleich zu ihm sagt. Weiß sie doch beides: das Individuum kann ohne das Kollektiv nicht leben, das doch dem Individuum ständig nach dem Leben trachtet. Das ist die notwendige und daher einzig richtige Folgerung aus dem Begriff einer Wahrheit, die an den Kot der Welt gebunden ist; einer Auffassung also, die den Menschen berufen sieht, seine Wahrheit wirklich, seine Wirklichkeit wahr zu machen.

Aber ist das nicht eine armselige, eine trostlose Wahrheit? daß der mächtigste Ausdruck unseres Veredelungswillens in Hinsicht auf das Politische, nämlich der Hunger und der Durst des Menschen nach der Gerechtigkeit, nie gestillt wird, ja diese Stillung gar nicht wollen darf? Wie soll eine solche entmutigende Wahrheit fruchtbar werden können, worauf es aller wahren Praxis, also der Pädagogik so gut wie der Politik ankommen muß? Was insbesondere die politische Erziehung betrifft, der es doch zweifellos um Veredelung zu gehen hat, wenn sie sich nach unserm alten Grundsatz in den Dienst von Menschenbildung stellen will, — ist sie nicht von vornherein sinn-undfruchtlos, wofern sie sich auf eine Wahrheit des Kotes gründet, also die Heillosigkeit jeder politischen Ordnung nicht nur sich selber eingesteht, sondern ihren Zöglingen ausdrücklich einschärft?

Pestalozzis politische Pädagogik 1.

Verstümmelung und Täuschung Wenn allein die Unterwerfung unter gesellschaftliche Gesetze die unüberwindliche Selbstsucht der Menschen vor der wechselseitie 1 Ausrottung bewahren kann, dann ist das erste, was dem Menschenkinde erzieherisch not tut, dies, daß seine tierische Natur „umgestimmt", ja „verstümmelt“ werde damit sie in die Zwangsjacke der Gesellschaft paßt. Hier erreicht die Abkehr Pestalozzis vom Naturevangelisten der Humanität und allem Rousseauismus mit seinem Glauben an den Wildwuchs der Kindesnatur, der sich immer selbst und von selber zurechtbiegt, den äußersten Punkt. Damit nun aber diese Operation des gesellschaftsfeindlichen Eigensinnes, die für Individuum wie Gesellschaft gleich lebensnotwendig ist, nicht zum Tode des gesellschaftslebenden Eigenwillens der Person führe, betäubt Pestalozzi sie mit einer „Täuschung"; so nämlich, daß er dem Kinde einflößt, „jeder Lebensgenuß hänge am Verdienst“ das heißt: der einzige Weg zur Befriedigung seiner Wünsche führe das Kind über die gesellschaftlichen Tugenden von Gehorsam, Selbstbeherrschung, Pflicht, Dienst.

Diese Täuschung kann freilich nur überzeugen, wenn die kleine Welt des Kindes ganz und gar nach Recht und Verdienst geordnet ist, so daß nun im Kinde von selbst der Glaube entsteht, so gehe es in der Welt überhaupt, auch der Welt der „Großen", zu. Das ist wirklich und ganz bewußt Täuschung, aber eine „weise“, weil sie nämlich das Kind den widernatürlichen Zwang als Maßnahme zu seinem Besten verstehen und annehmen läßt. Glauben kann die Täuschung auch nur solange finden, als die wirkliche, also die arge Welt noch nicht in den Gesichtskreis kommt, mithin nur in der Kindheit. Deren Dauer wird freilich heuzutage durch das immer mächtiger gewordene „Zivilisatiousverderben" immer mehr verkürzt. Aber nur um so stärker, überzeugender, inniger ist die Täuschung durchzuführen. Denn sie, im Bunde mit der Verstümmelung, hat die erste, entscheidende Tat politischer Erziehung zu tun: daß die individuelle Selbstsucht mit ihrer Gier und ihrem Trotz sich in die Gesellschaftsordnung fügt, und zwar willig.

Denn keineswegs will diese verzuckerte Zwangskur nur gefügig machen. Findet doch, vermöge der weisen Täuschung, das Kind seine Welt in Ordnung und sich selbst darin geborgen. So weckt und bestärkt dieses Verfahren jenes Vertrauen auf Recht und Macht des Guten, das allein Mut zum Guten machen kann.

Indes: sieht dieses Vertrauen sich nicht schmählich getäuscht, wenn der Kot der wirklichen Welt unvermeidlich und unwiderstehlich immer näher an den Heranwachsenden heranschlemmt? Freilich wäre alle Erziehung der Kinderjahre umsonst gewesen, wenn nunmehr die Erziehung nicht an ihre zweite und ungleich schwierigere Aufgabe ginge: daß sie den Zögling die Heillosigkeit aller Menschenordnung zugleich mit ihrer Notwendigkeit einsehen lehrt. Aber vermag die Erziehung das überhaupt? Muß nicht vielmehr die Erfahrung des Bösen in der Welt, die alle bisherige Erziehung als Schwindel entlarvt, unweigerlich, je nach dem Temperament des Jugendlichen, entweder den ohnmächtigen Protest von Weltverbesserung hervorrufen oder den gewalttätigen Willen der Zerstörung oder das Einverständnis müden Verzichts, gewandter Anpassung, wenn nicht gar kräftigen Mitmachens? 2. Die Schule des Unredus In der Tat droht die Enttäuschung den Jugendlichen in eine dieser falschen Haltungen zu drängen. Dagegen wäre auch die Erziehung ganz ohnmächtig, wollte ihr jetzt nicht das Leben selbst zu Hilfe kommen, und zwar nicht trotz all seinem Unrecht, sondern gerade dadurch. Wieso? — Das frühere ungebrochene Vertrauen des Kindes auf die Herrschaft des Guten war lediglich das Werk seiner getäuschten Selbstsucht und hatte daher keinen sittlichen Eigenwert. Aber ohne die Täuschung keine — Enttäuschung, das heißt, keine Verwundung durch das Unrecht. Je tiefer und fester der Glaube an das Gute verwurzelt war, um so bitterer wird der Schmerz über die Ungerechtigkeit der Welt sein, um so heftiger Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit sich regen Das läßt sich nun freilich aus gekränkter Selbstsucht oder enttäuschtem Gemeinschaftsbedürfnis allein nicht erklären. Hier muß eine dritte Grundkraft, eine dritte Vorstellungsart, eine dritte Natur im Menschen a priori, von vornherein, vorausgesetzt werden, die gegen das Unrecht aufbegehrt, weil sie das Gute auch dann noch will, wenn sie es in der Welt nicht vorfindet.

Und da hören wir von dem, der sich über das unausrottbare Böse im Menschen nichts weiß macht, die erstaunlichen Worte: „Der Mensdt will so gern das Gute“. Einen Drang dazu findet Pestalozzi schon im tierischen Wohlwollen. Aber den schlagenden Beweis'für solchen guten Willen liefert nun gerade jener Betrug und Selbstbetrug, der, wie wir schon hörten, den geregelten Krieg der Gesellschaft bis ins Mark vergiftet: „Die tierische Natur, so sehr sie auch in ihrem Fühlen, Denken und Handeln zur Unmenschlichkeit versunken, bestrebt sich dennoch allgemein, den Schein der Menschlidrkeit und Gereditigkeit an sich zu tragen." Haben wir es nicht erlebt, daß selbst unser Hinkteufel der Lüge auch noch seinen handgreiflichsten Betrug als Wahrheit ausgeben und der Unmensch sein Mordregiment mit menschheitsbeglückenden Idealen rechtfertigen mußte?

Welche Kraft aber ruft diese unbestreitbare 1 atsache des sittlichen Bedürfnisses der Menschennatur ins Leben? Pestalozzi nennt sie „Ahnungsvermögen über die Grenzen alles hier möglichen Forsd-iens und Wissen hinaus oder auch „] raumkraft", auch „sittliche Vorstellungsart, Einbildungskraft von Wahrheit und Reda" oder schließlich eine dem Menschen angeborene „höhere Ansicht vom Leben“. Wenn er dabei gar von einem „salto mortale außer didt selbst" spricht, so wird ganz klar, daß er damit dasselbe meint, was Platon im Eros unvergeßlich als jene Schwungkraft der Geistseele gestaltet hat, ohne die Menschenbildung überhaupt nicht in Gang kommen kann: den Transzendierungsdrang des wahren Bildungswillens.

Aber dies ist bei Pestalozzi (wie bei Platon) nicht etwa eine höhere Natur, die über die beiden anderen erhaben wäre. Das Wahre an seiner Anthropologie (wieder wie auch an der Platonischen) liegt darin, daß hier die Person nicht in Schichten aufgeteilt wird oder in Gegen en auseinanderklafft, die nur durch Unterdrückung je des andern zu schlichten wären. Nein, der Mensch ist geeinte Dreinatur. Das Gegeneinar'er der Widersprüche, deren jeder „seine Wahrheit und sein Recht hat“, ist ein Ineinander, und zwar im Mit-wie im Gegeneinander zugleich. So ist auch das Innere des menschlichen Wesens, das Pestalozzi „für göttlidi adttet“ eben die sittliche Natur mit ihrer Traumkraft, „in der Hülle ihres Entstehens tierisdi“. Anderseits freilich liegt das Ziel der Vollendung gar nicht in den Grenzen der Hülle ihres Entstehens" . Dazu bedarf es eben jenes salto mortale.

Aber was macht dem Menschen Mut und gibt ihm Kraft zu diesem Sprung? Wohl wird weise Erziehung, hier wie auch sonst, dankbar die Hilfe der Natur annehmen und also an die „Reize" des tierischen Wohlwollens anknüpfen. Jedoch geht das nur solange, als dieses Wohl-wollen sich mit der Selbstsucht verträgt. Es kommt aber doch darauf an, das Wohlwollen zur uneigennützigen Liebe zu veredeln und zur zuverlässigen Treue zu bestärken.

Wo findet die Erziehung für diese ihre höchstsittliche Aufgabe Hilfe? Wir sagten es schon voraus: das Leben selbst muß ihr zu Hilfe kommen. Lind das tut es auch, freilich auf widersinnige Weise; nämlich mit den beiden sich widerstreitenden Grunderfahrungen, die inzwischen dem jungen Menschen beigebracht sind: von der Heilkraft des Guten und der Unheilsmacht des Bösen: „Ohne die Täuschung meiner Kinderjahre und ohne die Rechtlosigkeit meiner Lehrlingsjahre mangelte mir der Drang der Anstrengung und die Kraft der Treue, ohne die der Mensch zu keiner Selbständigkeit in der Wahrheit und in dem Recht sich zu erheben vermag. Das eine, wenn es nur tief und stark genug war, hinterläßt mit der Erinnerung an die harmonische Kinderzeit und mit deren Vorstellung von einer guten Welt den Glauben an die wirkliche Möglichkeit des Guten in der Welt. Das andere setzt diesen Glauben jener Anfechtung aus, ohne die er sich nicht wahr, 'und unter jenen Druck, ohne den er sich nicht wirklich zu machen vermag. 3. Die Heilquelle in der Individualität So kann man mit Hegel sagen, daß es „die ungeheure Macht des Negativen“ ist, die auch hier das Positive zur Welt bringt Nur daß Pestalozzi diese Macht nicht ontologisch in die Hände eines Weltgeistes legt, der damit den Weltlauf zur Vollendung lenkt, sondern sie anthropologisch an das allein dafür empfängliche Menschenherz rühren läßt, um es in jene Unruhe zu versetzen, die über alles bloße Dasein und Sosein hinaus treibt und der Pulsschlag aller möglichen Veredelung ist. Diese allein wiederum vermag die Welt soweit zu versittlichen, wie der Rechtsanspruch ihres Kotes das zuläßt. Das Bild, das dem Herzen dabei vorschwebt, ist Traumbild; daher die Kraft, die sich daran entzündet und bestärkt, Traumkraft. Es ist, wie wir bereits merkten, der Platonische Eros oder, in christlicher Redeweise, Augustins Unruhe des Herzens, oder in.der romantischen Sprache Humboldts „unstillbare Sehnsucht“. Aber sprachlich noch näher ist es dem großartigen Worte Shakespeares, das den Menschen aus dem Stoff gemacht findet, aus dem die Träume sind.

Da dieses Bild in der Welt keine Realität hat, könnte man es auch als Idealbild bezeichnen, wenn nur dieses Wort nicht durch allen idealen Humanismus so überfordert wäre, daß es den unmenschlichen Anspruch erweckt, der Mensch könne und solle entweder dieses Ideal in der Welt realisieren, was Fanatiker der Idee, also Unmenschen hervorbringen muß; oder, wenn die Welt sich diese Idealisierung nicht gefallen lasse, habe der Mensch die arge Welt fahren zu lassen und sich in das Heiligtum seiner Innerlichkeit zurückzuziehen, um sich selbst zu idealisieren; was politisch nicht zu verantworten ist. Der großartige Wirklichkeitssinn und Wahrheitsgeist Pestalozzis dagegen begreift die bildende Kraft des „Ideals“ gerade darin, daß sie ihren Träumer bestimmt und befähigt, nicht zwar die böse Wirklichkeit aufzuheben, wohl aber sie menschlich zu bestehen; „den Kot der Welt heiter zu machen“; wobei in Pestlozzis Sprache „heiter machen“: klären, sich verdeutlichen bedeutet, also meint: wir sollen uns das Arge der Welt eingestehen, aber die Welt weder auf sich beruhen noch fahren lassen, sondern uns durch ihren Kot hindurcharbeiten. Damit ist aber alles mögliche Heil der unheilbaren Welt dem Einzelnen aufgeladen. Denn „die Sittlichkeit ist ganz individuell, sie besteht nicht unter zweien . . . kein Mensch kann für midi fühlen, ich bin sittlich“, „Das Heiligtum des wahren inneren Wesens der Menschennatur ist im wesentlichen individuell.“ In der Tat ist denn auch „Individualbesorgung“ der Leitstern für alle Erziehungsbemühungen Pestalozzis. Die Grundabsicht seiner. Elementarbildung die man solange und immer noch bloß als methodische Kunstlehre auffaßte, ist Weckung und Stärkung der individuellen Selbständigkeit. Daher „konnte ich audi nicht anders, ich mußte auf das erhabene Grundgebot Jesu Christi bauen: macht erst das Inwendige rein, damit auch das Äußere rein werde“. 4. Individualbesorgiitig Indes: weiß damit nicht auch Pestalozzi als sein letztes Aufgebot gegen die harte und böse Welt doch nur wieder die „schöne Seele" ins Feld zu führen, deren Schwäche uns Hegel bereits so überzeugend entlarvt hat? Wer derart Pestalozzis Inwendiges mit Humboldts Innerlichkeit gleichsetzte, hätte das „damit" seiner Reinigung überhört. Aber dieses „damit auch das Äußere rein werde“ will auch nicht die Kluft zwischen Außen-und Innenwelt bloß von der einen Seite her überbrücken, sondern Pestalozzi „vertraut sich dem absoluten Unterschiede an“, Hegelisch zu sprechen: das heißt: er will die Dialektik derartig in ihrer lebendigen Spannung halten, daß das Inwendige seine Reinigung nur mit der Reinigung des Äußeren beglaubigt, das Äußere nur von einem reinen Inneren zu reinigen ist. In Pestalozzis frommer Sprache: „Der Gott der Liebe hat die Liebe an die Ordnung der Erde gebunden, und wer für das, was er in der Welt sein soll, nicht in der Ordnung ist, der ist audt für die Liebe Gottes und des Nächsten nicht in der Ordnung. Wer immer nicht ist, was er sein soll, nicht kann, was seine Pflidtt ist, und zu dem nidtt taugt, was ihm obliegt, dem mangelt die erste Kraft der reinen Liebe Gottes und des Nächsten . . . Die Liebe ist die Kraft des Menschen, die Last der Erde zu tragen, ihr Elend zu mindern und ihren Jammer zu heben.“

Das Leitwort der gesamten Bildungslehre Pestalozzis, Individualbesorgung, womit Weckung, Zurechtweisung, Stärkung des Selbständigkeitsdranges der Person zu “ Wahrheitskraft, Tatkraft, Liebeskraft, Glaubenskraft" gemeint ist, darf keine Pädagogik vergessen, wenn sie sich auf ihre politische Verantwortung besinnt. Denn was macht die beste soziale und politische Belehrung, was die schönste Gemeinschaftserziehung, was die Gewöhnung an die Tugenden des Miteinander aus, wenn über all diesen notwendigen und heilsamen Unternehmen, die Pestalozzi allesamt bejaht und mit denen sich jeder Erzieher zu schaffen machen muß, das eine vergessen wird, was wahrhaft not tut, das Heil der Seele, oder, anthropologisch gesprochen, das selbständige Gewissen der Person, deren Mitverantwortung für ihre Welt doch allein aus ihrer gewissenhaften Selbstverantwortung heraus wahrhaft und in der Tat — verantwortlich wird. Daher gilt denn auch Pestalozzis heißeste Sorge der Selbständigkeit des Individuums im Kollektiv, dem Spielraum seiner Freiheit in der Gesellschaft, seinem Widerstandsmut gegen den Staat.

Entkräftung und Belebung des Freiheitswillens Wenn „das Wesen der bürgerlichen Freiheit in der gesetzlid-ien Sicherheit des Bürgers gegen widerrechtlidie Anmaßungen des Staates" und dessen, mittelbarer, Dienst an der Versittlichung seiner Bürger in der Gewährleistung jener Rechtssicherheit besteht, so vermag aber nur die sittliche Freiheit, die einzig und allein vom selbständigen Individuum hervorzubringen ist, jene bürgerliche zuerst überhaupt ins Leben zu rufen und dann vor allem am Leben zu halten und immer stärker zu beleben. Darum verficht Pestalozzi leidenschaftlich „den Anspruch des Volkes an Selbständigkeit in seinem Recht“ und bekennt sich zu dem neuen politischen Prinzip; nun aber gerade nicht im Sinne der „Gleichmachungskunst“, die er verabscheut, sondern weil in dieser demokratischen Verfassung von Gesellschaft und Staat der Freiheitswille der Person am stärksten herausgefordert ist.

Dabei macht er sich über diesen Willen nicht das mindeste weis: „Mein Geschlecht wiegt sich in allen Lagen gern in den Schlaf ein, der in Rücksicht auf Wahrheit und Recht und wirkliche Veredelung sein Tod ist" „Massakraft und Massabedürfnisse" der kollektiven Existenz und ihres Zivilisationsverderbens werden keineswegs durch die Volkssouveränität gebrochen, sondern drohen jetzt nur noch massiver und brutaler zu werden sowie die „Konformationssucht" allgemein und unwiderstehlich zu machen. Dazu kommt der Wille der neuen Gesellschaftsmächte von Bürokratie und Technokratie, das Individuum „bloß als Ohr, Mundstück, Schreibmaschine, Blasebalg — kur” als ein totes Verhältnis eines nur als Masse existierenden Wesens anzusehen" Gegen diese Mechanisierung, Egalisierung, Konformierung, die Ausgeburten der fortschreitenden Rationalisierung des modernen Daseins, gibt es für ihn nur eine wirksame Gegenkraft: den Freiheitswillen der Person. Ihn also gilt es zu wecken, zu stärken, zurechtzuweisen.

Das aber kann „die Natur nicht für mich tun“ Daher ist auch „der Begriff eines Naturrechts, rein genommen, nichts anders als eine Täuschung" Freilich entbindet die natürliche Selbstsucht im Menschen den Drang nach tierischer Freiheit. Aber die muß ja gerade zur sittlichen erst veredelt werden. Dazu ist der Mensch anzuhalten. Das tut die Erziehung, die zwar wohlweislich auch hier an die „tierischen Reize" anknüpft, indem sie „das Interesse für die Freiheit weckt“. Aber dann gilt es, „die Führung unseres Geschlechts der blinden, spielenden Natur aus den Händen zu reißen" (welches Wort übrigens den klarsten Aufschluß über Pestalozzis Naturbegriff im Gegensatz zu dem Rousseaus gibt) und sie in eigene Verantwortung zu nehmen, eben durch eine Erziehung, die den Zögling zur sittlichen Verantwortung in der Absicht zieht, daß er sich mehr und mehr selber verantwortlich mache. Denn „Wahrheit und Recht ist dem Menschen nur etwas, insofern er sielt etwas daraus macht . . . Er findet Wahrheit, wenn er Wahrheit sucht. Er hat ein Recht, wenn er eines will". Diesen Willen zu wecken und zu stärken, ist also die höchste, aber zugleich schwerste Aufgabe der Erziehung. Denn „überall liegt im allgemeinen dem Menschen nichts an der Freiheit, wenn er glüddidt ist, und wenn er es audt nur halb ist, so liebt er seine Ruhe und seine Krippe zu sehr, als daß er diese so leidit aufs Spiel setze"

Es kommt also alles auf Bildung des selbständigen Gewissens, Wekkung und Stärkung seiner Tatkraft, Glaubenskraft, Liebeskraft an sowie auf Herausführung dieser humanisierenden Grundkräfte aus ihrem tierischen Drang. So keimt insbesondere Liebe, die allein wahre Gemeinschaft hervorbringt, „aus der Hülle des tierisdten Wohlwollens. Aber noch ist sie nicht Liebe, sie ist es nur, wenn sie sich zum Götter-sinn einer zuverlässigen Treue zu erheben vermag. Aber wo findest du diesen Göttersinn der zuverlässigen Treue? — Idt habe ihn auf Erden gesudit und nirgends anders gefunden als gepfropft auf Gehorsam und Furdit. Zeitalter! idt danke es dir nicht, audt idt warf in deinen Fluten Zwang und Furdit als lästiges Gewand weg, wie deine Jünglinge alle. Die Nadiwelt wird sie wieder sudten, die heilige Furdit und den frommen Gehorsam, auf dem so menschliche Früdtte gedeihen.“

Frommer Gehorsam und heilige Furcht Dieser Schlachtruf Pestalozzis gegen Rousseau sagt uns zweierlei: daß Gehorsam und Zucht nicht bloß für die gesellschaftliche Einordnung unentbehrlich sind, sondern die gesamte Erziehung durchwalten müssen; wobei freilich ebenso nachdrücklich einzuschärfen ist, daß nur Liebe den Erzieher als den Anwalt der allerhöchsten Liebe berechtigt, Gehorsam zu fordern, der eben damit fromm wird. Zum andern aber sagt das Wort von der heiligen Furcht, daß Pestalozzis Erziehung von Grund aus religiöse Bildung meint. Denn die heilige Furcht ist nichts anderes als Gottesfurcht. „Ohne der Gottesfurcht sinnlidie Handbietung ist Wahrheit und Redtt meinem Gesdiledtt nur Täuschung und Schein.“ Wieder sehen wir, selbst in diesem allerletzten Bezug, die pädagogische Weisheit am Werk, daß sie an die sinnlichen Reize der Tiernatur anknüpft. Aber wieder will sie das Sinnliche veredeln: „Im Bilde deines Gottes findest du das Bild deiner selbst. Daß dies im wahren Sinne religiös, also theozentrisch gedacht ist, stellt die entgegengesetzte, nämlich anthropozentrische Aussage Goethes in seinem Gedicht „Das Göttliche“ heraus, das Pestalozzi in den Nachforschungen ganz abdruckt, um es bewundernd abzulehnen: „Sein (des Menschen) Beispiel lehr uns jene (die Götter) glauben.“

Die Ermächtigung des guten Willens in Gesellschaft und Staat Entspringt mithin alles mögliche Heil und wahre Leben der Menschheit aus der sittlichen Natur der einzelnen Person, so stellt sich doch die Frage, was denn der Einzelne gegen das Zivilisationsverderben der kollektiven Existenz mit ihrer Massakraft und ihren Massabedürfnissen auszurichten vermöge. Wie kann Pestalozzi von „hidividualveredelung unseres Geschlechts“ reden? Wäre nicht auch noch dafür zu sorgen, daß die Gutwilligen sich vereinigen und so zu einer Macht werden, die den maßgebenden Einfluß auf die Gesellschaft erhielte? Aber das würde wiederum nur Organisation, also kollektive Existenz schaffen. Pestalozzi hält, soziologisch gesprochen, nichts von organisierter Elite. Aber er glaubt an das Dasein einer geheimen, zerstreuten Gemeinschaft aller Wohlmeinenden „Die wahren Fundamente der Menschenveredelung mangeln einem Volk, einem Staat nichts weniger als ganz. Diese ruhen wesentlich in dem Umfang alles Edlen, Guten und Großen, das im Staat wirklich da ist, und in Taten und Worten auf die Individua desselben wirkt. Es mag also in den öffentlichen Einrichtungen auch in dem Mehrteil unserer Staaten stehen wie es will, so sind in jedem derselben dennoch tausend und tausend Individua vorhanden, die unser Zeitverderben in seiner Wurzel erkennen und die Leiden und das Elend. Diese Menschen haben nur eine Erwedtungsstunde, nur einen höheren, nun sie erwed^enden, reinen, sie vereinigenden Mittelpunkt notwendig.“

Das aber leistet die Individualbesorgung, die derart also von selber jene geheime Elite bildet, die in einer demokratischen Gesellschaft allein noch Platz, aber auch das höchste Recht und die dringendste Notwendigkeit hat.

Deren Angehörige „in den niedersten wie den obersten Ständen, Männer von ausgezeidmeter Kraft, würden es unter sich, unter der Würde der Mensdiennatur fühlen, in ihren Verhältnissen wie über einen Leisten geschlagen, als dazustehen, geputzte Marionetten die ein Knabe hinter dem Vorhang mit einem Draht sitzen, liegen, gehen, stehen und tanzen mad'ien könnte, wie und wann er nur wollte.“

Diese Elite der Gutwilligen, sei es unter den Untertanen oder den Oberen, die ihre individuelle Menschlichkeit an ihren Kollektivdienst wohl hin-, aber nicht aufgeben, öffnen nun auch der Sittlichkeit wie der Christlichkeit, die beide nicht die Sache von Gesellschaft und Staat sind, so viele Schleusen, in die kollektive Existenz einzufließen, als Staatsbürger sittlich oder christlich existieren. Zwar kann kein Fürst christlich regieren. Aber wenn der Staatsmann wirklich ein Christ ist, wird er seine Macht als Dienst an den Mitmenschen ausüben und der Verführung zur Willkür, zur Unterdrückung der Untertanen, zu einem Gewaltregiment des Unrechts nicht erliegen. Er wird „als Mensch in sich selbst genötigt, für das Menschengeschledit mehr zu sein, als er als Staatsman eigentlid't dafür sein soll“ und er wird die Gesetze und Sitten seines Volkes „an den sittlichen Maßstab anschließen“ Genau dasselbe meint Platon, wenn er lehrt, der Widerspruch von Philosophie und Politik sei nur durch Personalunion zu versöhnen Der Bürger seinerseits wird die Gesetze willig befolgen, aber seine • Selbständigkeit in der kollektiven Ordnung nicht aufgeben In einem Konflikt jedoch zwischen Bürgerpflicht und Gewissensgebot wird er Gott mehr gehorchen als den Menschen und äußerstenfalls den Mut zum Widerstand auch mit Gewalt aufbringen, und zwar im Bewußsein, daß dies sein Recht ist. Denn „die Macht darf von mir nur fordern, daß ich ein sittlicher Mensch sei, als sie selbst sittlich, das ist, als sie nicht Macht ist, nicht als Madtt handelt.“ Eine wie einfach wahre Entscheidung für die viel umstrittene Eidesnot der Männer vom 20. Juli!

Das Ja und Nein zu Gesellschaft und Staat Die politische Pädagogik seit Pestalozzi Fassen wir zusammen, so läuft Pestalozzis politische Pädagogik auf die schwierige, aber einzig wahre Aufgabe hinaus, den Zögling für die Welt von Gesellschaft und Staat und zugleich dagegen einzunehmen; ihn dahin zu bringen, daß er weiß, wann und wo er zur kollektiven Existenz in ihrer belebenden wie auszehrenden Ordnung, sowie zum Staat mit seiner so unentbehrlichen wie gefährlichen Macht Ja oder Nein zu sagen hat. Dies ist freilich keine beruhigende Erziehung, sondern eine solche, die Unruhe erweckt. Wohl verabscheut Pestalozzi den Aufruhr des „Sanskulottismus“ und seine Anarchie; aber noch mehr verachtet er den „Schafskopf“, den die Macht gar nicht anspricht. Und wenn in allen politischen Krisen nach seiner Beobachtung der eine Teil der Menschheit „nach der Keule, der andere nach seinen Erdäpfeln greift“ so zieht er gegen diese „bürgerliche Ersdtlaffung und gänzliche Gleichgültigkeit in das Wesen des gesellsdtaftlichen Rechtes“ noch jene „Rudilosigkeit“ vor, weil hier doch wenigstens ein selbständiger Wille sich äußert.

Am Napoleonkult hat Pestalozzi beobachtet, „wie leicht unser Ge-schledtt beim Hochgenuß seiner tierischen Befriedigung im kollektiven Leben sidt gegen die ersten Bedürfnisse und Ansprüche des individuellen Seins unseres Gesdilechts tierisch verhärtet." Haben wir nicht dasselbe, nur noch weit niederdrückender, erlebt? Und da glaubt man, den Bestand der demokratischen Freiheit dadurch zu sichern, daß man die Erziehung ganz und allein auf Partnerschaft und gesellschaftliche Anpassung einstellt! Als ob nicht die ganze Weltgeschichte eine einzige Lehre dafür wäre, daß die Menschheit längst im Kot ihrer „Dummdreistigkeit , wie Platon das treffend nennt, verkommen wäre, wenn nicht immer wieder selbständige Köpfe, eigenwillige Herzen, selbstverantwortliche Gewissen sich gegen jenes Allgemeine, welches das Gemeine ist, aufgelehnt hätten.

Pestalozzis Individualbesorgung und ihre elementare Methode der Kräftebildung mit dem Ziel der Selbständigkeit, der Spontaneität, der Person Initiative, der Aktivität der ist die einzig wahre und fruchtbare Erziehung zur Freiheit. Damit könnte Pestalozzi gerade für unsere Zeit des Entscheidungskampfes um die Freiheit der stärkste pädagogische Nothelfer sein, wenn wir nur auf das Ja und Nein seiner dialektischen Erziehung endlich hören und damit Ernst machen wollten.

Damit sind wir am Ende unserer geschichtlichen Besinnung über das Verhältnis von Politik und Pädagogik. Denn was in der Geschichte der Pädagogik seit Pestalozzi dazu gesagt worden ist, fällt zumeist unter seinen Rang oder führt mindestens nicht über ihn hinaus Denn es krankt weithin an der Einfältigkeit der falschen Alternative zwischen einem puren Psychologismus und einem bloßen Soziologismus. In den humansten Vertretern aber erliegt es einem absoluten Idealismus, der einer spekulativen Idee anhängt. Dies ist zum Beispiel auch das Verhängnis eines so großen Erziehers, wie Kerchensteiner es war, daß sein System der staatsbürgerlichen Erziehung versagen mußte, als wir durch die brutale Macht auf die Feuerprobe gestellt wurden.

Der, soweit ich sehe, Einzige unter den lebenden Pädagogen, der schon mit seiner Entdeckung des „lebendigen Pestalozzi" bewies, daß er die Dialektik von Individuum und Gesellschaft, Bürger und Staat, Mensch und Welt als die Grundtatsache erfaßt hatte, auf der jede politische Erziehung und also Erziehung überhaupt aufbauen müsse, ist Theodor Litt. Ihm ist daher dieser Versuch mit Fug und Recht zugeeignet.

II. Der Anspruch der Zeit an die Pädagogik

Gibt es überhaupt etwas darüber zu reden, daß die Zeit ihren Anspruch an die Pädagogik hat? Versteht sich das nicht von selbst? Denn wenn die Erziehung lebenstüchtig, in welchem Sinne auch immer, zu machen hat, auf welches andere Leben könnte die Pädagogik sie dafür verpflichten als auf jenes, das die zu Erziehenden einmal zu bestehen haben, das Leben also dieser unserer Zeit. Lind was wiederum das Politische insbesondere betrifft: wenn die Erziehung gesellschaftsfähig und staatswillig zu machen hat, so kann sie dabei doch nur Gesellschaft und Staat je ihrer Gegenwart meinen, heutzutage also die industrielle Gesellschaft und die Massendemokratie.

Pädagogik des ewigen Ziels Lind doch versteht sich eine derart zeitgemäße Erziehung offenbar nicht für jede Pädagogik von selbst. Wie könnte sonst Rousseau den Erzieher anweisen, sich um seine Zeit nicht zu kümmern, ja ihr den Rücken zu kehren und allein auf die reine Menschennatur zu bauen, wie sie in jedem Neugeborenen zu jeder Zeit als immer dieselbe neu zur Welt komme und nur durch die Zeitumstände verdorben werde. Aber auch die idealen Humanisten halten von ihrem jeweiligen Zeitalter nicht viel und nehmen ihr Maß der Bildung am ewigen Rom oder feiern mit Stefan George „Hellas, ewig unsere Liebe“. In derselben Mißachtung seiner, der Neuzeit fordert ein Novalis die Christenheit Europas auf, sich nach dem allgültigen Bilde des Mittelalters zu richten.

Was die soziale und politische Erziehung im besonderen betrifft, so ist für alle solche pädagogischen Richtungen nicht der jeweils gegebene Gesellschaftszustand, die jeweils geltende Staatsordnung maßgebend, sondern die Idee des Politischen, des Sozialen an sich, was dann im Leuchtbild des Idealstaates, einer Gesellschaftsutopie dem Zögling vorgestellt wird. Am entschiedensten drückt diese pädagogische Zeitanschauung Jean Paul in der Levana aus: „Was für die Zeit erzogen wird, das wird sdiledtter als die Zeit. Nicht für die Gegenwart ist das Kind zu erziehen — denn diese tut es unaufhörliclt und gewaltsam sondern für die Zukunft, ja oft nodt wider die nächste.“ Dabei ist dann diese Zukunft einer vollendeten Menschlichkeit die erfüllte Zeit oder die Ewigkeit. Alle diese pädagogischen Richtungen sind auf den Nenner eines humanistischen, sei es objektiv, sei es subjektiv begründeten Idealismus zu bringen.

Zeitbestimmte Pädagogik Darin freilich hat Jean Paul recht: Jede Gegenwart hat es an sich, ihre Zeitgenossen zu vergewaltigen. Der Strom der Zeit, wie die Sprache treffend sagt, hat einen übermächtigen Sog. Dem kann sich auch die Pädagogik nicht entziehen. Daher die ständige Gegenbewegung wider jenen ungeschichtlichen Idealismus im pädagogischen Realismus, wie ihn schon das erste Kapitel in seinen verschiedenen Zeit-gestalten vorführte. Deren Lebensnähe meint immer die Gegenwart. In neuester Zeit hat die pädagogischen Folgerungen einer solchen geschichtsbewußten Realpädagogik mit philosophischer Entschiedenheit im Zuge des Kampfes einer Theologie der Krise gegen den philosophischen Idealismus Eberhard Grisebach unter anderem in einem Buch gezogen, das den bezeichnenden Titel „Gegenwart" trägt?

Wieder auf unsere Frage nach der politischen Verantwortung der Erziehung zugespitzt, läuft es mit der ganzen Auseinandersetzung um Zeit oder Ewigkeit auf die von Rousseau behauptete pädagogische Alternative hinaus, man müsse entweder den Menschen oder den Bürger bilden: denn beides zugleich sei unmöglich.

Die pädagogische Dialektik von Zeit und Ewigkeit Nachdem uns Pestalozzi bisher schon soviel Klarheit über die wahren Grundsätze einer wirksamen Erziehung geschenkt hat, fragen wir ihn nach seiner Meinung. Wie wir ihn kennen, ist nur eine dialektische Antwort von ihm zu erwarten. In der Tat! Leidenschaftlich verwirft er „die böse Unterordnung der ewigen, unabänderlidten Ansprüdte unserer Individualveredelung unter die Zeit-und Wedtselansprüdte unseres jeweiligen Zivilisationsverderbens“ um aber in derselben Schrift zu fordern: „Das Beste, das vorgeschlagen werden kann, muß seiner Natur nadt dem Zivilisationsverderben und allen seinen Ansprüchen ans Herz greifen.“ Das aber verpflichtet die Pädagogik offenbar, auf die wechselnden Zeitansprüche zu hören. So hält er auch in dieser pädagogischen Grundfrage nach dem Leitbild der Erziehung an seinem Bilde des aus Widersprüchen gemachten Menschen fest: daß der nämlieh zutiefst vom Ewigen, nämlich dem Göttlichen seiner sittlichen Natur lebt, daß er aber zugleich in der ihm gesetzten Zeit und der davon bestimmten Individuallage zu leben, also deren Ansprüchen gerecht zu werden hat; mithin das Recht des Kotes, mit dem der Zeitstrom die Erde überschwemmt, anerkennen muß.

Aufs Politische bezogen, besagt dies, daß Pestalozzi Rousseaus Alternative von Mensch oder Bürger als bloße Begriffsspalterei durchschaut, die also die Erziehung keineswegs in ein wirkliches Dilemma bringt; daß es vielmehr überhaupt nur möglich ist, einen Menschen zu bilden, wenn man ihn zum Bürger hier und jetzt erzieht, und daß man einen zeitgerechten Bürger nur erziehen kann, wenn man ihn zum Menschen bildet. Kurzum: das Ewige vermag allein in der Zeit zur Welt zu kommen. Wie in der Tat nur das Ineinander beider Bemühungen um das Zeitliche und das Ewige die Erziehung in ihren gebührenden Rang der stärksten Hilfskraft zur Menschenbildung zu erheben vermag, haben wir schon an der Pädagogik der Kinderjahre gesehen, wo die Verstümmelung den Anspruch der Zeit, die Täuschung das Recht der Ewigkeit verficht. Hier freilich ließ sich die Sorge für den Kot der Welt noch ohne ernste Schwierigkeiten mit den Forderungen des „Engelganges" vereinigen, weil die Kinderwelt nach den reinen Maßen einer pädagogischen Provinz auszugestalten war. Aber nur so konnte ja der Täuschungsraum mit seiner „Gemütsruhe" jenes Vertrauen auf die Segens-kraft des Ewigguten in das Kinderherz senken, das auch die schlimmsten Enttäuschungen des Zeitverderbens in den Lehrjahren muß überstehen können, wenn der Mensch zur Reife der humanen Lebensmeisterschaft kommen soll

Der Ausweg in die Pädagogische Provinz Daraus haben nun gerade begeisterte Erziehernaturen immer wieder den Schluß gezogen, man solle diesen heilkräftigen Aufenthalt in einem pädagogischen Naturschutzpark über die Kindheit hinaus bis zur Lebens-reife ausdehnen. Dies war schon die Absicht der Platonischen Akademie, das ist die Meinung von Rousseaus Erziehung in der Natur, ja selbst der reale Humanist Goethe dachte sich dafür seine Pädagogische Provinz aus. Alle Internatserziehung im angelsächsischen Stil oder, bei uns, in konfessionell oder weltanschaulich geschlossenen Räumen, schließlich in Gestalt des Landerziehungsheimes rechtfertigt sich ja zuletzt mit der Absicht, das Menschenkind dem Zeitverderben zu entführen und seine Menschenbildung in reiner Inselluft ungestört und ungebrochen so lange zu betreiben, bis es lebensreif geworden sei. Selbst in die öffentlichen Bildungsanstalten ist dieser idealpädagogische Gedanke mit der Forderung gedrungen, die Schule zu einem eigenen Lebensraum der Jugend auszugestalten.

Sehen wir von dem ernsten Bedenken ab, daß so der naturwüchsige Raum der Familie beeinträchtigt und durch einen künstlichen ersetzt wird, wogegen freilich die Heimerzieher auf die Zerstörung der Familie heutzutage, mindestens ihre Zerrüttung und Schwächung weithin, verweisen: worauf dann freilich Pestalozzi antworten würde, darum wisse auch er schon, aber darauf gebe seine Mütterschule die bessere Antwort. Indes: auch abgesehen von der Notlage der heutigen Familie, ist jene idealpädagogische Absicht nicht von der Hand zu weisen. Fragt sich nur, ob ihre pädagogische Provinz, zur alleinigen Musteranstalt erhoben, der Verfassung des Menschen ganz gerecht würde; ob es insbesondere dessen politischer Bestimmung genügt, wenn man die weise Täuschung auch in jenem Alter weitertreibt, da das kritische Bewußtsein erwacht und sich mit der Realität auseinandersetzen will. Würden so Pestalozzis wichtige Lehrlingsjahre des Unrechtleidens nicht überschlagen, und würde damit die Anstrengung, ohne die es zu keiner „Selbständigkeit in der Wahrheit und dem Recht“ kommt, nicht rechtzeitig und im Ernste versäumt?

Darauf werden die Vertreter aller pädagogischen Provinzen erwidern: Nur und gerade wenn der Jugendliche in jenen entscheidenden Lebens-jahren, da die Vorstellung von Welt und Leben sich bildet, die Haltung zu den Dingen, den Menschen, schließlich zum Absoluten sich begründet, in einem idealen Ordnungsraum lebt und dessen Segen an Leib, Seele, Geist erfährt, ist er gerüstet, später im Leben die schlechte Wirklichkeit menschlich zu bestehen, sich vom Zeitverderben nicht anstekken zu lassen, den Machenschaften der Tagespolitik nicht zu verfallen, vielmehr gegen den schlecht beratenen Staat an den wahren zu appellieren und derart kräftig mitzuhelfen, daß das garstige politische Lied reineren Klang erhalte. Gerade für Krisen-und Verfallszeiten erhält dieser Einwand Gewicht, wie denn ja schon Platon nur noch im stillen Hain des Heros Akademos jene Elite glaubte bilden zu können, die der Sauerteig für die Erneuerung der Polis sein sollte.

Nun, es geht hier nicht darum, die übliche öffentliche Unterrichts-anstalt und das geschlossene Schulheim gegeneinander auszuspielen. Auch im Hause der Erziehung sind viele Wohnungen. Wie wichtig aber auch die Raumfrage ist, so hängt doch alles Entscheidende von dem Geist ab, der den Raum durchweht. Es ist durchaus möglich, daß, ebenso wie damals in der Akademie zu Athen, auch heute in einer Heimschule ein frischerer Gegenwartswind bläst als in einer öffentlichen mitten im Großstadtgetriebe. Sollte freilich eine pädagogische Provinz unbedenklich sich ganz und gar unter das Wort Jean Pauls stellen, so bestünde die Gefahr einer idealischen Erziehung, die für die ganz einträchtige Gesellschaft, den idealen Staat, die Idee des Reiches begeistern würde, aber dem Recht, das der Kot der wirklichen Gesellschaft und des tatsächlichen Staates unweigerlich und stets hat, alles schuldig und daher realpolitisch, und das allein ist im Ernst politisch, fruchtlos bliebe. So hat ja zum Beispiel die idealische Begeisterung für ein Reich der Deutschen den großartigen Schwung der Jugendbewegung, deren pädagogischer Eros besonders in die Landerziehungsheime drängte, sich an der eigenen Romantik verzehren lassen.

Mensch oder Bürger?

Man tut dem Verfasser des Emile Unrecht, wenn man seine Pädagogik für politisch gleichgültig hält. Denn er verfaßt ja, sogar im selben Jahr, den Gesellschaftsvertrag. Rousseaus Grundirrtum besteht vielmehr darin, daß er Bildung des Menschen und des Bürgers zugleich für unmöglich hält. Daher erzieht er das Individuum außerhalb der Gesellschaft seiner Zeit und errichtet seine neue menschenwürdige Gesellschaftsordnung mit Hilfe solcher zeitunabhängigen Menschen auf einer zeitlosen tabula rasa. Damit aber wird die Geschichtlichkeit der menschlichen Existenz verneint, also die Tatsache, daß ein jeder sich hier und jetzt als Bürger und Mensch zu bewähren hat, oder er tut es nirgends und nie; träumt bestenfalls einem Ideal nach, das hier auf Erden keine Heimstatt haben kann.

Das hat die pädagogische Gegenbewegung begriffen und daraus geschlossen, es komme alles darauf an, den Zögling ausschließlich zeitgemäß zu erziehen und an die bestehende Gesellschaft anzupassen. Auch das hat seine Wahrheit, aber wiederum nur die halbe. Wollte J. Paul die Gegenwart an die Zukunft aufgeben, so wird hier die Zukunft der Gegenwart geopfert. Beide Male werden Zeitlichkeit und Ewigkeit getrennt.

Pestalozzi bedenkt und besorgt beides zugleich. Ihm geht es um den Menschen, und insofern betreibt auch er eine Pädagogik vom „ewigen“ Kinde aus. Auch für ihn hat die Kindheit ihr Gegenwartsrecht; aber wie deren Individuallage durch die Vergangenheit vorbestimmt ist, so strebt sie auf die Zukunft hin; wollen doch alle Kinder gern erwachsen sein, und da sie es im Ernst noch nicht sein können, sind sie es im Spiel. Weil Pestalozzi um die dreigegliederte Zeitlichkeit des Menschen weiß, fügt er von früh an das Kind in die zeitbedingte Gesellschaft sogar mit Zwang ein, paßt es aber nicht lediglich den Zeitverhältnissen an, sondern ruft zugleich mit der Täuschung das Ewige in der Kindes-natur für die Zukunft wider die Gegenwart auf, ja setzt den Heranwachsenden geflissentlich dem Zeitverderben aus, jedoch nur darum, daß dessen Unrecht den Selbständigkeitsdrang zu jener „Anstrengung in der Wahrheit und dem Recht" bringe, die dann den Veredelungswillen herausfordert und damit zukunftsmächtig wird.

Wissenschaftstheoretisch gesehen: Freilich stützt sich seine Pädagogik psychologisch und soziologisch ab; da jedoch seinem dialektischen Begriff von der Menschennatur eine lediglich psychologische oder bloß soziologische, auch eine beides vermittelnde sozial-oder epochalpsychologische Pädagogik nicht genügen kann, gründet er die seine auf philosophische Anthropologie, die er selbst bezeichnenderweise „seine Philosophie der Politik“ nennt. Die aber bringt eine Erziehung hervor, die zeitgemäß und unzeitgemäß zugleich ist.

Das Zeitgemäße in Pestalozzis Pädagogik Welch geradezu rücksichtslosen Ernst Pestalozzi mit der Pflicht der Erziehung macht, zeitgemäß zu sein, sagte uns schon sein pädagogisches Verfahren der Verstümmelung. Denn damit ging es ihm so wenig wie irgendwo sonst in seiner Lehre um Vergesellschaftung an und für sich, sondern um Einfügung in das soziale und politische Gefüge seiner Zeit. Daher seine Forderung, die so manches sozial empfindende Herz beleidigt, man müsse die Kinder der Armen für die Armut erziehen. Aber wie hätte er damals, da diese Individuallage nun einmal gegeben war, den Armen anders zu ihrer Menschenbildung verhelfen können? Dabei darf man nicht vergessen, daß er den Mächtigen der Zeit unaufhörlich ins Gewissen redete und selber alles dazu tat, die Lage des armen Volkes zu verbessern. Aber auf diese Verbesserung durfte die Erziehung mit ihrer Pflicht, für jeden und alle hier und jetzt, vor allem aber für die im Dunkel der Zeit Lebenden zu sorgen, damals so wenig wie sie es heute und je darf, warten; sie konnte sich nicht zur Ruhe setzen, bis bessere Zeiten kämen, oder auch bloß darauf vertrösten.

So verschmäht Pestalozzi die Flucht nach vorn in eine goldene Zukunft ebenso wie die nach hinten in eine verklärte Vergangenheit. Er hält vor der ihm anbefohlenen Gegenwart stand, um ihrem Zeitverderben mit allen Kräften seiner Person „ans Herz zu greifen“. So verschwendet er seine Liebe nie an den Traum einer LItopie oder das Gedankengespinst eines Ideals. Sie greift stets am Hier und Jetzt, dem Nahen und Nächsten der Zeitumstände an, die des Zöglings Individuallage bestimmen und die dieser einmal im Leben zu bestehen hat. Denn: diese Umstände sind es, die den Menschen machen.

Das Unzeitgemäße in Pestalozzis Pädagogik Jedoch in seiner Sprache der Dialektik fügt er sofort hinzu: „Aber der Mensch macht die Umstände.“ Wenn er damit den Menschen keineswegs aus den LImständen herausnimmt, sondern ihn nur innerhalb seiner Umstände freispricht, diese umzubilden, muß er, sofern er seiner dialektischen Grundanschauung treu bleiben will, nun denselben Zögling, den er so rücksichtslos den Zeitumständen unterwarf, ebenso entschieden dagegen einnehmen. Nachdem er diesen Zweck durch die weise Täuschung in den Kinderjahren vorbereitet hat, läßt er ihn durch das Unrechtleiden der Lehrjahre kräftig befördern. Damit das aber seinem wahren Ziel der Menschenbildung diene und nicht in das Gegenteil von gekränkter Nörgelei, unfruchtbarem Protest, zerstörerischer Revolution umschlage oder in die Schwachheit falle, sich mit dem Zeit-verderben abzufinden, wenn nicht gar zur Bosheit entarte, kräftig dabei mitzutun, — muß das Leiden zum Bewußtsein des Unrechts gebracht werden. Denn „ohne das Bewußtsein des Unrechts kommt das Bewußtsein des Rechts nidrt in meine Seele“.

Das tut es nun aber nicht von selbst, sondern dazu muß ihm die Erziehung verhelfen. Diese Hilfe leistet sie in zwei Bemühungen: einmal negativ dadurch, daß sie das Unrecht in allen Gestalten des Zeitverderbens dem Zögling aufdeckt; sodann positiv, indem sie dagegen Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit erregt. Das zweite vermag sie nur, wenn sie ein solches Bedürfnis in der Menschennatur voraussetzen kann. Das erlaubt ihr aber, wie wir schon wissen, die Tatsache des angeborenen „Ahndungsvermögens“ Dieses zur. wirksamen Traumkraft zu bestärken, ist mithin die Aufgabe einer Erziehung, die ihre Pflicht, unzeitgemäß zu sein, wahr nimmt.

Nur mithin wenn sie, alles in allem, zeitgemäß und unzeitgemäß zugleich gesinnt und gewillt ist, wird sie wahrhaft zeitgerecht; tut sie ihren Dienst in der Zeit an der Zeit für Zeit und Ewigkeit

Der pädagogische Zeitdienst heute Da die Zeit nicht still steht, muß jedes Zeitalter mit dem pädagogischen Zeitdienst seinen neuen Ernst machen. Unsere pädagogische Verantwortung gebietet uns also, die heutige Lebenswelt zu mustern, die Struktur unserer Gesellschaft und die Verfassung unseres Staates kritisch zu durchleuchten, damit wir erkennen, welchen Ansprüchen der Zeit die Erziehung zu gehorchen, welchen sie zu widersagen hat; wo sie mit der Zeit gehen und wo sie gegen deren Strom schwimmen und auch ihre Zöglinge dazu anhalten muß. Nur so vermag sie ihre wichtigste Zeitaufgabe zu lösen, daß sie unserm Zeitverderben ans Herz greife.

Für solche Ergründung der Zeit muß sich die Pädagogik die kräftige Hilfe der Soziologie, der-Wissenschaft von der Politik, natürlich auch der Historie leihen. Daß die dort erfahrenen Tatbestände und Bezüge dann unter das Gericht der Menschlichkeit gestellt werden, das über deren humanen Wert oder Llnwert zu entscheiden hat. dazu dient die philosophische Anthropologie. Schließlich: daß und wie auf Grund all dessen die Erziehung ihren Hilfsdienst zur Menschenbildung im Hier und Jetzt dieser ihr aufgetragenen Zeit wahr und wirklich mache — das ist die eigene Forschungsaufgabe der pädagogischen Wissenschaft.

Der hochaktuelle Pestalozzi Selbst für dieses Grundproblem einer Pädagogik in der Mitte des 20. Jahrhunderts läßt unser Lehrmeister und Nothelfer uns nicht im Stich, obwohl er schon 130 Jahre tot ist. Aber als er lebte, begann die Macht der Maschine jenen Eroberungszug, der das Ende der Neuzeit herbei-und das Atomzeitalter heraufführen sollte. Freilich war Pestalozzi nicht der einzige damals, der diese Schicksalsstunde der Menschheit begriff. Goethe hat auf die entmenschlichende Gefahr des aufkommenden Maschinenwesens hingewiesen; aber er wußte sich keinen Rat dagegen und war froh, selber seine Gewitterschläge nicht mehr über sich ergehen lassen zu müssen. Humboldt begriff, daß der Wille, der die Maschine hervorgebracht, nämlich zur Rationalisierung des gesamten Daseins, schließlich Mechanisierung, Bürokratisierung, Nivellierung des Menschengeschlechts zur Folge haben werde; aber er selber zog sich davor in seine Innerlichkeit zurück und entführte die Bildungselite ins Land der Griechen, wo keine Maschinen, also auch keine Maschinen-sklaven den Genuß reiner Menschlichkeit störten.

Pestalozzi begreift das Unheil in seiner totalen Macht und radikalen Schärfe; aber er allein streckt davor nicht die Waffen der Menschlichkeit und bietet alle seine Tatkraft zur Rettung des Menschen in diesen neuen Zeitumständen auf. Es ist nicht umzubringende Menschenliebe und nicht einzuschläfernde Menschensorge, die seinen Blick so schärft, daß er damals, als die Industrialisierung noch in den Kinderschuhen steckte, bereits alle Hauptmomente des Prozesses erfaßt, um die auch heute noch die Auseinandersetzung geht und auf deren Analyse unsere Gesellschafts-und Kulturkritik sich soviel zugute tut.

So das Problem der Vermassung: Massabedürfnisse, Massakraft sind Hauptvokabeln in Pestalozzis soziologischem Wörterbuch zusammen mit dem Begriff der „kollektiven Existenz“, die das „selbständige Individuum mit seiner Scham, seinem Gewissen“ verschlingt und ihm zugleich im Massendasein „das lehrreiclte Gefühl seiner individuellen Schwäche“ austreibt. So

So die Spezialisierung und Funktionalisierung des Menschen in Folge „der öden Leerheit der Trennung der Arbeit“, die den Arbeiter „als Ohr, Mundstücl?, Schreibmaschine ausbildet“ und höchstens eine „Duo-dezmenschlichkeit" übrig läßt

So die Auszehrung von Arbeitsfreude undArbeitsstolz, also der humanisierenden Kräfte der Arbeit: „Fabrikarbeit madit den Menschen zum viehisch geübten Werkzeug seines erniedrigten Brotverdienstes.“

So der Konformismus: „Konformitätssucht, Modeschwäche“ macht „Zeitweiber“ wie „unselbständige Männer“ und arbeitet kräftig dem „Unsinn des Gleichmachungssystems“, damit allen politischen „Allmachtsansprüdten“ in die Hände.

So nimmt Pestalozzi auch schon die Wahrheit des jungen Marx vorweg, daß das Unheil der Entfremdung total sei, den Kapitalisten ebenso entmenschliche wie den Proletarier: „Den Reidien versdiwindet der Mensch als Mensch aus ihren Augen. Sie werden nur von der Benutzung des Individuums, das vor ihnen steht, und nidit vom Individuum selber berührt.“

So welkt schließlich aller Lebenssinn dahin. Das Dasein wird zur öden Tretmühle: „Die Menschen treiben vom Morgen bis zum Abend ein Rad, damit sie sich mit Fleisch füttern können, und füttern sidt täg-lidi mit Fleisch, damit sie täglich ihr Rad treiben können.“

Dabei sieht Pestalozzi im Broterwerb nicht etwa, wie die hochmütigen Humanisten, eine unwürdige Tätigkeit, die man dem niederen Volk überlassen oder wenigstens möglichst schnell abtun müsse, um zu jener edlen Muße zu kommen, in der allein die humaniora, die menschlicheren, und das sind erst die wahrhaft menschlichen Anliegen, gedeihen. „Arbeit hat als Brotsorge gewiß ihr Böses wie ihr Gutes.“ Ja, sie ist sogar für wahre Menschenbildung unentbehrlich, weil sie „mit einer sittlichen und geistigen Belebung aller unserer Kräfte zur Anstrengung und mit einer zu unbedingter Fertigkeit gebildeten Kraft der Selbstüberwindung verbunden ist“. Fabrikarbeit freilich ist „als ungeistige und unveredelte Erwerbstätigkeit öhne jeden sittlichen End-zwedOd

Also Abschaffung der Fabrikarbeit und zurück zur Manufaktur, noch besser zum Handwerk? Keineswegs! Pestalozzi ist nicht hinter der Zeit oder will gar das Rad der Zeit zurückdrehen Hier ist er ganz zeitgemäß und geht entschlossen mit dem Fortschritt, der ja doch auch die von ihm so hoch gepriesene Denk-und Tatkraft befördert. Aber aus seinem Wissen um Größe und Gefahr aller Menschenkraft begreift er, daß der Fortschritt nicht bergauf, sondern bergab in den Abgrund der Unmenschlichkeit führt, wofern der Mensch sein Erstgeburtsrecht der Freiheit an „unveredelte Erwerbstätigkeit“ hier, unveredelten Macht-betrieb dort aufgibt.

Arbeit und Bildung Gegen dieses Zeitverderben, damals wie heute, das der Arbeit ihre Bildungskraft nimmt, die für das Heil der Menschlichkeit ganz unentbehrlich ist, muß die Erziehung zwei Anstrengungen machen. Die erste gehört in das Gebiet der Verstümmelung. Denn der Mensch ist keineswegs arbeitslustig von Natur. Sein angeborener Betätigungsdrang muß vielmehr in die Zucht von Selbstüberwindung durch Gewöhnung an Pflicht und Gehorsam gegen das Gebot der Sache wie den Anspruch der Arbeitsgesellschaft genommen werden. Daraus folgt, mit heutigen Begriffen zu sprechen, für die Schule das Leistungsprinzip des Arbeitsunterrichts in seiner Grundgestalt der Arbeitsgemeinschaft. Denn wenn die Arbeit in der rationalisierten Fabrik immer mehr in Werkgruppen organisiert wird, so sieht Pestalozzi darin eine große Hilfe für fruchtbare Menschenbildung in der Arbeit und durch sie: „Die Humanität bildet sich unter Mensdien, die einander gegenseitig wahrhaft und not- wendig bedürfen, weit eher rein und edel als unter solchen, bei denen dieses Bedürfnis nur einseitig ist.“

Indes strömt dieser Segen nicht von selber. Er muß entbunden und „eingelenkt“ werden, und das ist die zweite Anstrengung einer Erziehung, die in der modernen Arbeitswelt ihr Ziel der Menschenbildung nicht aufgibt. Ist doch „allgemeine Emporbildung der inneren Kräfte der Menschennatur zur reinen Menschenweisheit allgemeiner Zweclt der Bildung auch der niedersten Menschen. Übung, Anwendung und Gebrauch seiner Kraft und seiner Weisheit in den besondern Lagen und . Umständen der Menschheit ist Berufs-und Standesbildung.“

Da haben wir nun in der Tat die Überwindung der falschen Alternative von Berufs-oder Menschenbildung, die Versöhnung von Realismus und Humanismus: Menschenbildung in und mit Berufsbildung und durch sie; Berufsbildung als Menschenbildung. Die Devise dieser dialektischen Einheit hat Pestalozzi ebenso gültig für uns Bewohner einer total rationalisierten Arbeitswelt wie für die damaligen Anfänge der Industrialisierung in den Satz gefaßt: „Der Mensch muß seine Lehre hauptsächlich aus seiner Arbeit heraus finden und nicht die Arbeit aus der Lehre heraus spintisieren wollen; deshalb muß die Bildung eines jeden Menschen sich um die eigentliche Arbeit desselben herumtreiben.“

Herumtreiben — welch großartiges Wort! Es enthält in seiner Nuß die ganze Didaktik und Methodik für alle Bildungsanstalten heute, die im wahren Sinne zeitgemäß sein wollen, von der Grundschule bis zur Universität und Erwachsenenbildung.

Freilich wären deren Bemühungen alle umsonst, wenn der von ihnen geweckte und gestärkte Bildungswille durch die Verfassung des realen Arbeitslebens zerbrochen oder zermürbt würde. Hier muß der Pädagogik die Politik mit ihrer Ordnung des Arbeitslebens wie der Sozialstruktur überhaupt beispringen.

Aber das zu erörtern bleibt dem zweiten Teil dieser Untersuchung vorbehalten. (Wird in der nächsten Ausgabe der Beilage fortgesetzt)

Fussnoten

Fußnoten

  1. H. W., Platons Briefe. Kröners Taschenausgabe (KTA) Nr. 203, S. 38

  2. H. W, Thukydides. Der große Krieg. KTA Nr. 150, S. 31, 39

  3. Zum folgenden: H. W., Die Tragödie des Humanismus. 3 Heidelberg 1956

  4. So Christoph Semler, der 1708 eine „mathematische und mechanische Realschule eröffnete. S. Fr. Paulsen, Geschichte des Gelehrten Unterrichts II 3.

  5. Chr. G. Salzmann, Carl von Carlsberg oder über das menschliche Elend. Leipzig 1783-88. S. Paulsen III 251.

  6. F. G. Resewitz Die Erziehung des Bürgers. Kopenhagen 1773. S. 74 f. S. Paulsen II 58

  7. Emile 1. Buch

  8. Ebda

  9. Contrat social I Kap. 7

  10. Dazu H W., Tragödie Kap. 8 „Vom Generalwillen zur Generallinie"

  11. Theorie der Bildung des Menschen. Akad. Ausg. I 284

  12. W. u. K. von Humbodt in ihren Briefen. Berlin 1906 ff. I 258

  13. Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen. I 106

  14. Dazu die Einleitung meiner Humboldtausgabe in der Nr. 158, 1957

  15. Ideen I 109

  16. Geschichte des Verfalls und des Untergangs der griechischen Frei-staaten.III 174

  17. Zu diesem Begriff vgl. die nun schon klassisch gewordene Schrift v. Th. Litt, Führen oder Wachsenlassen 4. Stuttgart 1949

  18. Ideen I 111

  19. Briefe an J. Motherby, ed. H. Meissner. Leipzig 1894. S. 201

  20. Antrittsrede vor der Berliner Akademie v. 1809. III 221

  21. Phänomenologie. Lasson III S. 462

  22. Uber die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin. X 254

  23. Ebda 275

  24. S. Paulsen II 231 f. Zu diesem Abschnitt vgl. Th. Litt, Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt. Bundeszentrale f. Heimatdienst H. 15. Bonn 1955

  25. Rechtsphilosophie § 151 Zus.

  26. Philosophische Propädeutik § 35

  27. Geschichte der Philosophie. Vollst. Ausg. 1823 27, I 233

  28. Propädeutik I § 45

  29. Philosophie d. Weltgeschichte. Lasson VIII 1 2 S. 132

  30. Phänomenologie S. 20

  31. Ebda S. 174

  32. Rechtsphilosophie § 158 Zus.

  33. Philosophie der Weltgeschichte S. 90

  34. Rechtsphilosophie § 272 Zus.

  35. Ebda. Vorrede

  36. Phän. S. 341

  37. Gymnasialreden, H. Glöckner III 271

  38. Ebda S. 238

  39. Phän. S. 93

  40. Dazu vgl. H. W., Arbeit und Bildung 2 Heidelberg 1956 Kap. 2

  41. Realphilosophie, Hoffmeister I 239

  42. Rechtsphilosophie § 198

  43. Pestalozzi wird, wo nicht anders vermerkt, nach der Ausgabe des Verlags Zürich, ed. Bosshart, Dejung, Kempter, Stettbacher, zitiert IV 220 ff.

  44. Alle Versuche den Einfluß philosophischer Systeme auf P nachzuweisen, sei es des Libnizischen (Delekat), sei es des Kantischen (Stein), schlagen nicht durch. Dieser Mensch fängt mit der Anthropologie für sich so von vorn an wie Sokrates; so gleicht auch der Spiralenweg der Nachforschungen durchaus einem Sokratischen ereignet sich Philosophie Dialog:

  45. Tagebuch v. 1774 Sämtliche Werke, ed. Buchenau ü. a. I 227

  46. V 297

  47. An E. v. Fellenberg am 15. 11. 1793

  48. VIII 175

  49. VIII 136

  50. IV 216

  51. IX 18

  52. An Nicolovius am 1. 10. 1793

  53. VIII 157

  54. V 261

  55. IV 100

  56. Ebda 169 f.

  57. VIII 187

  58. V 313 f

  59. V 280

  60. VIII 166

  61. 4 Brief über die ästhetische Erzieh,

  62. V 277 f.

  63. VI 296 f.

  64. VI 300 f.

  65. IV 216

  66. VI 360 f.

  67. VIII 163

  68. VIII 75

  69. VIII 64

  70. VIII 69

  71. VI 291 f.

  72. VI 296

  73. VIII 57

  74. VIII 157

  75. VIII 154 ff.

  76. VIII 151

  77. IX 9

  78. IV 237

  79. VIII 81

  80. VIII 149, 126

  81. VI 296

  82. VIII 82

  83. VIII 82

  84. VIII 81

  85. VIII 172

  86. VIII 171

  87. VI 286

  88. IX 18

  89. II 564

  90. VI 215

  91. VIII 146

  92. VIII 60

  93. V 58

  94. VIII 134, 142, VI 103

  95. VIII 110

  96. VIII 127

  97. VIII 105

  98. III 327

  99. VIII 113

  100. VI 327

  101. VIII 80

  102. VIII 86

  103. VIII 87

  104. VI 238

  105. VI 239

  106. VI 422 f.

  107. VIII 227

  108. VIII 183

  109. VIII 54

  110. VIII 68

  111. VIII 51

  112. VIII 70 f.

  113. VI 325

  114. Th. Litt, Der lebendige Pestalozzi Heidelberg 1952 Der darin enthaltene Vortrag „Pestalozzis Anthropologie als Ausdruck protestantischen Geschichtsbewußtseins“ wurde 1938 gehalten.

  115. E. Grisebach, Gegenwart, eine kritische Ethik. 1928

  116. VI 441

  117. VI 235

  118. VIII 106 f.

  119. VIII 127

  120. III 203

  121. VI 403

  122. III 245

  123. VI 360 s.

  124. V 279

  125. Ausg. Seyffarth XII 148

  126. zitiert bei M. Konzeimann, Pestalozzi. Zürich 1926, S. 146

  127. III 245

  128. VII 441/6

  129. Seyffarth VIII 155

  130. VII 456

  131. V 200

Weitere Inhalte

Dr. phil. o. U. Prof, für Philosophie und Pädagogik, geb. in Elten/Ndrh. 30. 1. 89. Lehrgebiet: Pädagogik, Humanismus, Antike.