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Entstehung der subarktischen Großstadt Workuta (Polarural) | APuZ 7/1958 | bpb.de

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APuZ 7/1958 Entstehung der subarktischen Großstadt Workuta (Polarural)

Entstehung der subarktischen Großstadt Workuta (Polarural)

Helmut Schaefer

Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers veröffentlichen wir aus der Zeitschrift „ERDKUNDE, Archiv für wissenschaftliche Geographie", Band XI, Ltg. 3, 1957, Bonn, den folgenden Beitrag von Dr. Helmut Schaefer:

Die Schöpfung der Gefangenen Die rapide Entstehung einer modernen Großstadt in der Tundra am Nordural ist ein interessantes Phänomen. Workuta ist ein Gegenstück zu den Pyramiden. Es ist die Schöpfung der natürlichen Kräfte entrechteter Menschenmassen.

Die alte Bevölkerung der Samojeden hat in Jahrtausenden das Gesicht der Tundra nicht verwandelt. Im wesentlichen hat sie sich der Umwelt angepaßt. Ihr fast einziger Eingriff ist die Domestikation des Rens, die ihr den Existenzkampf dort überhaupt ermöglicht. Die unter grausamen Umständen eingeschleppte Menschheit aus Mittel-und Osteuropa hat es in wenigen Jahren vermocht, sich in hohem Maße die unwirtliche Natur nutzbar zu machen und sie den Gewohnheiten und Bedürfnissen des Zivilisationsmenschen anzupassen.

Ist es möglich, daß für die Schnelligkeit dieser Entwicklung die Not der Gefangenen und ihre bunte Mischung aus vielen europäischen Kulturstaaten als besonders förderliche Faktoren gewirkt haben? Man sollte annehmen, daß die überwiegend politischen Gefangenen aus ideologischen Widerwillen in einer passiven Resistenz gelebt, und daher eher einen hemmenden Einfluß ausgeübt hätten. Das war aber nicht der Fall. Dafür war das Leben zu hart. Es ging für jeden einzelnen um Sein oder Nichtsein. Aus elementarem Drang zur Selbsterhaltung suchte er jede Möglichkeit, seine Lebensverhältnisse zu verbessern. Die Not machte erfinderisch. Ein jeder brachte seine Fähigkeiten und Kenntnisse nach Kräften zur Geltung. Das begann mit dem Manuellen im rein Handwerklichen und ging bis etwa zu den modernsten Plänen für das Badezimmer eines Leiters, an die sich ein Baumeister aus seiner westlichen Heimat erinnerte. Es machte sogar vor dem Verrat von Dingen nicht halt, die nach normalen Maßstäben geheimgehalten werden mußten.

Der Weg zur Petschora-Kohle

Abb. 1: Petschora-Becken 1: 5 000 000

Das Beispiel Intas Durch den Augenzeugenbericht eines alten Volksdeutschen kenne ich am genauesten die Gründung von Inta (Abb. 1). Das ist das südliche Kohlenrevier im Petschora-Becken. Es liegt in der Luftlinie 270 km südwestlich von Workuta und ist gleichfalls Lagergebiet von Strafgefangenen. Es waren gegen hundert Mann, die unter Bewachung von SW herangeführt wurden. Bis Kotlas (Abb. 2) ging damals erst die Bahn. Von da aus mußten sie zu Fuß weiter durch die Taiga. Tausend Kilometer marschierten sie gen NO. Von Marschwoche zu Marschwoche wurde der Wald niedriger und spärlicher. Eines Tages rammte man einen Pfahl in den Boden, und es hieß: „Halt! Hier wird Inta!“

Das geschah im Sommer des Jahres 1936. Zahllose solche Hundertschaften sind gefolgt. Die ersten Zehntausend hatten noch keine Häuser, noch keine Wattekleidung, keine Preßlufthämmer und nur geringen Proviantnachschub. Sie hatten nichts, außer dem 4 bis 8 m hohen Wald und ihre Körperkraft und — dazu sieben Monate schweren Winters. Sie hatten nicht einmal Zündhölzer. Sie rieben Watte zwischen trockenem Holz, bis sie brenzlig roch, brachten sie durch schnelles Schwenken in der Luft zum Glimmen und entzündeten ein Holzfeuer, das sie in ihren Erdhöhlen und später in den Blockhütten sorgsam hüteten.

Aus dem Nichts haben sie Inta gebaut, das heute jährlich etwa vier Millionen Tonnen Kohle ergibt. Wo nur die karge Waldtundra stand, türmen sich die Schlackenberge von fast einem Dutzend Kohlenschächten. Im Jahre 194 3 hat die Stadt einen Bahnhof bekommen und später auch ein Hallenschwimmbad, dessen moderne Einrichtung man in ausländischen Illustrierten abgebildet sehen kann.

In ähnlicher Weise sind natürlich alle Lagergebiete entstanden, unter ihnen Workuta.

Die Entdeckung der Workuta-Kohle Schon in zaristischer Zeit war das Kohlenvorkommen im russischen Norden von englischen Forschern entdeckt worden. Der Zar lehnte jedoch die Ausbeutung ab, weil die Lebensverhältnisse als unerträglich beurteilt wurden. Die Regierung Großbritanniens soll die Schürfrechte erworben und am Ende des 1. Weltkrieges zur Wahrung ihrer Rechte sogar eine Flottendemonstration vorn Eismeer in den Petschora-Strom hinein unternommen haben.

In dem 1951 in Moskau erschienen Buch „Sonnengestein“ von Wacil-kow und Zeitlin heißt es, daß Lenin 1921 an alle sowjetischen Geologen die Weisung erlassen habe, das Land nach Bodenschätzen zu durchsuchen, und daß man daraufhin auch an die Petschora gegangenen sei. Hieraus könnte man schließen, daß das Kohlenvorkommen im Petschorabecken von früher her noch bekannt war. Vielleicht aber fanden die Geologen die Kohle nicht? Jdenfalls steht in demselben Buch in anders Stelle folgender Entdeckungsmythos von Workuta:

Viktor Jakobwitsch Popow war viele Jahre durch die Unbilden der Tundra gezogen, um Pelztiere zu erbeuten. Eines Tages fand er an einer Windung des Flusses Workuta glänzend Schwarze Steine. Zu seiner Freude entdeckte er, daß sie mit züngelnder Flamme brannten, wenn man sie ins Feuer warf. Er versäumte nicht, sie zur Untersuchung nach Moskau zu schicken. Dort wurde festgestellt, daß es sich um Kohle handelte. Hierauf entsandte Stalin im Sommer 1929 eine „größere Expedition“ an den Fundort, wo die Nacht dem Tage gleich, das Leben sehr schwer, die Kohle aber sehr gut war.

Diese Entdeckungsgeschichte dürfte grundsätzlich stimmen. Denn noch zu meiner Zeit lebte V. J. Popow als Träger des Leninordens in Workuta und wurde bei verschiedenen Anlässen wegen seiner großen Verdienste um das Sowjetvolk gebührend gefeiert.

Die Entwicklung bis Kriegsende Hatte man es anfangs mit dem Kohleabbau nicht so eilig oder waren die Lebensbedingungen wirklich unmenschlich? Die Förderung kam nicht recht in Gang. Man schürfte im Gebiet des heutigen Rudnik etwas Kohle im Tagebau, aber überwiegend für den eigenen Bedarf. Erst im Sommer des Jahres 1933 wurde ein Schacht fertig, Schacht 8, dessen Abbau sich gegenwärtig dem Ende nähert. Mehrere Jahre später entstanden nahe bei ihm der Kapitalschacht (Schacht 1) und hie und da noch einer weiter im Norden. Der Abtransport der Kohle war ungeheuer schwierig. Man fuhr sie auf kleinen Feldbahngleisen etwa 100 km durch die Tundra südwärts nach Ussa, dem heutigen „Ustj-Workutij“, wo die Workuta in die von hier anschiffbare Ussa mündet. Hier, an Workutas „Pionierort“, lud man die Kohle in Kähne um und schiffte sie den fast 2000 km langen Flußweg der Lissa und der Petschora hinab ins Eismeer, um sie über weitere tausend Kilometer Seeweg nach Murmansk bzw. nach Archangelsk zu bringen.

Aber man wollte die Kohle für die Leningrader Schwerindustrie verwenden! Mitte der dreißiger Jahre begann sich allmählich eine Bedrohung des russischen Hauptkohlengebietes, des Donbas. abzuzeichnen. So wurde etwa beim Beginn des Zweiten Weltkrieges die Kohlenproduktion im Norden zunehmend forciert. 1938 reichte die Eisenbahn über Kotlas bis Uchta, dem Erdölgebiet. Von hier wurde sie innerhalb dreier Jahre nach NO bis Workuta durch-gebaut, — ein Bahndamm von annähernd 1000 km Länge, durch menschenleere Taigawildnis und Tundramoore. Wenn man sich vorstellt, daß technische Mittel in ganz geringem Maße verfügbar waren und daß die Schneestürme des polaren Kontinentalklimas die Arbeit zur Unmöglichkeit erschwerten, dann kann das Ungeheuerliche dieser Leistung ein wenig geahnt werden, einer Leistung die nur unter-erbarmungslosem Einsatz an Menschenleben zustande kam Hauptbeteiligt an ihr waren polnische Staatsangehörige, die bei der Teilung ihres Staates nach dem deutschen Polenfeldzug in sowjetische Hand fielen.

Im Dezember 1941 erhielt das belagerte Leningrad die erste Workuta-Kohle auf dem Schienenweg. Von nun ab gewann Workuta von Monat zu Monat an Bedeutung. Immer größere Menschenmassen wurden nachgestopft, um die täglichen Lücken aufzufüllen und um die Produktion zu erweitern. Fast ein Dutzend Schächte wurden allein während der Kriegsjahre förmlich aus dem Boden gestampft, dazu ständig neue Anschlußstrecken, überirdische Anlagen, Wohngebäude u. a.

Der Aufschwung nach dem Siege Als der Krieg gewonnen war, begann Workutas große Zeit. Schon von Anfang an hatten bei allen Arbeiten Zwangsumsiedler und politische Gefangene den Hauptanteil. Gegen Kriegsende setzte ein Zustrom von wöchentlich Tausenden ein, besonders der zu Zwangsarbeit als „Zuchthäusler“ oder — je nach dem Jahrgang der LIrteile — zu Arbeitslager als „Häftlinge“ verurteilten Kriegsgefangenen. Sie bestanden zu-einem Teil aus Westukrainern (aus dem früheren Polen), zum anderen Teil aus Balten (Litauern, Letten und Esten) und zum dritten Teil aus Angehörigen fast aller Nationen, vornehmlich Europas und Asiens.

Jedem Schacht wurde ein Arbeislager räumlich angegliedert, mit 2000 bis 4000 Zudithäuslern und Häftlingen, die zeitweilig durch verschiedenartige Anbringung ihrer Nummern auf der Kleidung gekennzeichnet waren, im übrigen aber die gleiche Behandlung und die gleichen Pflichten hatten. Außerdem entstanden zahlreiche Lager mit Sonderausgaben, wie Bahnbau, Ziegeleien, Häuserbau etc. Die Geschlechter, die ursprünglich vermischt waren, wurden strenger voneinander abgetrennt. Ab 1948 wurde auch eine offizielle Sonderung der knapp 20 „Regime-Lager“ für politische von den zahlreicheren „Workut-Lagern“ für kriminelle Gefangene durchgeführt.

Durch die Arbeit dieser Menschen ist Workuta seit 1941 in einem Jahrzehnt zu einem der bedeutendsten Kohlenzentren der LIDSSR geworden, das — nach Angaben der russischen Literatur — heute an 4. oder 5. Stelle stehen soll. Es fördern jetzt ungefähr 20 Schächte, und zwar gegen 10 Millionen Tonnen Kohle im Jahr. Mehrere weitere Schächte sind im Bau. Der Kohlenvorrat wird auf 20 Milliarden Tonnen geschätzt. Bisher dürften nicht viel mehr als 100 Millionen Tonnen gefördert worden sein.

In Workuta ist der Verwaltungssitz des Kombinats „ Workut-Ugol" Dieses ist dem Trust „Wostok--Ugol" unterstellt. Workuta ist-der eine Teil und zugleich das Zentrum des sogenannten „Nördlichen Petschora-Kohlenbeckens“. Als anderer Teil wird Inta (Kombinat „Inta-Ugol") hinzugerechnet.

Inwieweit sich das Unternehmen, bei dem langen Transportweg der Kohle und dem in der Subarktis notwendigen besonderen Aufwand, wirtschaftlich — in unserem Sinne — „rentiert“, vermag ich nicht zu beurteilen. Sicher ist jedoch, daß der sowjetischen Regierung an der Gewinnung der nordrussischen Kohle sehr viel gelegen ist.

Die Anlage der großen Stadt

Abb. 2: Nosdost-Europa 1: 20 000 000

Die Einteilung in Rayons Nach groben Schätzungen hat das Kohlenrevier eine Bewohnerschaft von einer Viertelmillion. Hiervon lebt jedoch der größere Teil nicht in der Stadt selbst. Rund ein Drittel sind jetzt noch Gefangene, die in den Lagern verteilt und neuerdings in zunehmendem Maße daneben, in der sogenannten „freien Ansiedlung“, wohnen. Sehr beträchtlich ist auch die Zahl des Bewachungspersonals, das entweder als eine Art Polizei zu den Lagern gehört oder militärisch kaserniert oder auch als reguläre Truppe weiter draußen in der Tundra stationiert ist.

Die Kohlenmulde Workutas stellt ein Oval dar, dessen langer Durchmesser in der Südnordrichtung verläuft und 20 km lang ist, während der Querdurchmesser eine Länge bis 15 km erreicht (Abb. 3). Dem Rande des Ovals folgt die Anlage der meisten Schächte, in denen die Kohle nach der Ovalmitte hin schräg abwärts abgebaut wird.

Entsprechend der Hauptbesiedelung in der Nähe der Schächte ist das Gebiet verwaltungsmäßig in mehrere Rayons eingeteilt. Der neuere sowjetische Atlas „Mira“ läßt die eigentümliche Besiedlung der Kohlen-stadt nicht erkennen. Fünf gleichgroße Kreise mit je einem Ortsnamen sind gekennzeichnet und sollen wahrscheinlich den Rayons zugeordnet sein. Rayon I und III dürften als „Workuta“ bezeichnet sein, Rayon II als „Gornjatzkij“ (= Bergmann-Siedlung). Rayon IV als „Oktjabrskij" (Oktober-Siedlung), Nordrayon als „Sedlowaja" (Sattel-Siedlung) und Westrayon als „Komsomolski“ (= Komsomolzen-Siedlung). Die Eisenbahnverbindung zwischen diesen Plätzen ist ebensowenig eingetragen wie die nach Chalmerju.

Rayon I ist die seit Kriegsende neuerrichtete Stadt, die im Süden der ovalen Mulde liegt und im Jahre 1954 60 000 Einwohner gehabt haben soll. Ihm südlich dicht angelagert ist Rayon III mit 15 000 Köpfen. Er ist die sogenannte Altstadt d. h. diejenige Siedlung, die zu Beginn des 2. Weltkrieges, als die Eisenbahn nach Workuta fertiggestellt wurde, in aller Eile und äußerst notdürftig aufgebaut wurde. Gegenüber der neuen Stadt sieht sie sehr verwahrlost aus und besteht im wesentlichen aus verfallenden Hütten. In diesem Rayon ist Workuta im Jahre 1943 mit 12 000 Einwohnern zur Stadt erklärt worden.

Rayon II liegt etwa 6 km nordöstlich der Neustadt im Gebiet der Schächte 2, 3, 4 und des zentralen Frauenlagers „Predschachtne“. Er hat fast 30 000 Einwohner, eine Hauptstraße mit drei-bis vierstöckigen Wohnhäusern, ein Kino und einen großen Verschiebebahnhof.

Von hier 6 km weiter im Norden erstreckt sich der kleinere und weniger bedeutende Rayon IV bei den Schächten 5 und 6 und dem Krankenlager für Regime-Gefangene. Am Nordende der Mulde, nördlich der Schächte 12, 14, 16 und besonders zwischen Schacht 7 und dem neuen Elektrizitätswerk liegt der wenig größere Nordrayon. Im Westen der Mulde befindet sich noch bei den Schächten 17, 18 und 27 der Westrayon.

Es ist zu erwarten, daß diese Rayons mehr und mehr miteinander verwachsen, Schon heute sind allenthalben kleinere Wohnviertel eingestreut. Von ihnen ist vor allem Rudnik zu erwähnen. Es ist der alte Ansiedlungsplatz der Expeditionsmitglieder vom Jahre 1929 und zeigt — dicht vor dem 8. Schacht und gegenüber der Neustadt — noch die Spuren der ersten Kohlenförderung im Tagebau am rechten Flußufer.

Die Grundlagen des Verkehrs Dem Oval des Kohlenbeckens folgt eine ringförmige Eisenbahnlinie. Auf ihr findet ringsum ein regelmäßiger Personen-und häufiger Güter-verkehr statt. Hauptsächlich dient sie dem Abtransport der Kohle Diese wird aus dem Nordrayon, dem IV. und II. Rayon auf der Ost-strecke nach Süden gefahren. Hier wird sie in Rayon III auf dem alten Südbahnhof mit der Kohle vereinigt, die auf einer mittleren Strecke von Rudnik und von den Schächten 40, 8, 9, 10 und 1 herkommt Mehrere Kilometer weiter westlich mündet die Weststrecke ein, die die Kohle vom 29. Schacht, dem nördlichsten Punkt unseres Ovals, und aus den Schächten des Westrayons heranbringt. Hier verläßt täglich das Gebiet ein Dutzend mächtiger Kohlenzüge, meist vierzig Waggons von je sechzig Tonnen Faßraum, mit zwei Lokomotiven

Von der dargestellten Ringbahn zweigen an drei Stellen Nebenbahnen zu kleineren Kohlengebieten ab. Nördlich des 6. Schachtes ist seit 1953 der Anschluß nach dem etwa 70 Schienenkilometer weiter nordwärts gelegenen Calmerju über Pocelok und Siriega fertig geworden. Dieser Fundort von Antrhazitkohle liegt in der klimatisch noch ungünstigeren „Weißen Hölle“, zwischen den Tausendern des Ural-Nordendes und dem südöstlichen Eckfeiler des Pai-Coi, der Höhe 407, und von der Erdteilsgrenze an der Kara 2 5 km entfernt (Abb. 1). Chalmerju ist eine kleine Zwangssiedlung aus der Kriegszeit von Volksdeutschen aus Südrußland (abgeleitet von dem Familiennamen „Hal-mer“) und auch Lagergebiet. Es gehört bereits zum „Nationalbezirk der Njenzen", während Workuta aus verwaltungstechnischen Gründen in eine schlauchförmige Erweiterung der „Autonomen Sozialistischen Sowjet-Republik Komi“ einbezogen worden ist.

Eine Eisenbahnlinie von Chalmerju weiter nach NNW, und zwar zu dem Hafenpunkt Amderma auf der Nordspitze der Jugorschen Halb-insel am Karischen Meer, ist bisher weder erbaut noch abgesteckt worden. Sie dürfte sich durch irgendeinen Irrtum in mehrere unsere gebräuchlichen Atlanten eingeschlichen haben.

Vom II. Rayon aus ist von den weiblichen Gefangenen in den letzten Jahren eine 22 km lange Bahnlinie durch die Tundra Ostwärts angelegt worden. Sie führt nach Junjaga, wo zwei Schächte im Entstehen begriffen waren. Außerdem verläuft aus dem Rayon II eine Stichbahn nach NW zu Ziegelei II. Bei Meschekor, am Südende des Westringes, zweigt eine Verbindungsstrecke zu einigen westlich gelegenen Schächten ab, deren Produktionsbeginn 19 5 5 bekanntgegeben wurde.

Im Rayon I liegt Workutas neuer Personenbahnhof, der Nordbahnhof. Von ihm aus verkehren planmäßige Züge, auch Schnellzüge mit durchlaufenden Waggons nach den je ca. 2400 km entfernten Städten Moskau und Leningrad. 100 km von Workuta mündet in diese Linie bei Tschum (= Pest) seit mehreren Jahren die Anschlußstrecke von Salechard am Ob, der in der Luftlinie nur 160 km von Workuta entfernt ist. Vielleicht soll diese nördliche LIralüberqerung den Anfang für “ ine Sibirienbahn am Polarkreis bilden.

Entlang der Ringbahn um unser Kohlenrevier zieht sich eine breite geschotterte Autostraße hin, deren letzte Lücke im NW des Ovals 19 5 5 geschlossen wurde. Auf ihr verkehren, stellenweise in rascher Folge, moderne Busse mit farbigen Lichtsignalen. Neuerdings ist die Querverbindung durch eine Straße vom II. Rayon am 40. Schacht vorbei in den Westrayon hergestellt worden. Die Fluglinie von Workuta nach dem Süden führt über Syktywkar, die alte Hauptstadt der Komi-ASSR.

Die Bedingungen für das Bauen Als eine in einem Jahrzehnt aus der Tundra emporgetriebene Stadt weist Workuta in seiner Bauweise die Merkmale einer Art von Gründerstil auf. Vielleicht ist sie am treffendsten mit dem Wort „Gigantomanie“ zu charakterisieren. Je nach dem Geschmack und dem Elan der Gewalthaber, gewöhnlich höherer Offiziere, wurden durch die Gefangenen besondere Anlagen von pompösem Format geschaffen.

So wurde an einem schön gelegenen Platz am Ostrande des I. Rayons, am hohen linken Flußufer, gleich nach Kriegsende ein großes Sportstadion gebaut. Es besitzt riesige Zuschauertribünen und geradezu klassisch wirkende Plastiken und ist an seinen himmelragenden Flaggen-masten auf weite Entfernung zu erkennen. Dabei kann es nur selten benutzt werden, da es fast drei Viertel des Jahres von Schnee, Eis und Wasser bedeckt ist.

Unvermittelt ragen aus der moorigen Polarsteppe monumentale Ziegelbauten mit breiten Freitreppen und hohen Säulenreihen empor und prunken in ihrem weißen Putz. Dicht neben ihnen ducken sich schiefe Holz-und Blechbuden.

In der Bauweise hat man viel experimentiert. Der strenge Winter und der gefrorene Boden bringen Schwierigkeiten mit sich. Wenn das Erdreich unter dem Haus auftaut, verschieben sich die Fundamente. Es entstehen Risse in den Ziegelwänden. Neuerdings ist man dazu übergegangen, den gefrorenen Untergrund gegen die Wärme des Hauses zu isolieren, um sein Auftauen zu verhindern. Man legt zuunterst eine Schicht Balken, deren Zwischenräume mit Schlacke ausgefüllt werden. Hierüber gießt man eine dünne Zementdecke.

Im allgemeinen hat sich der Bau von Ziegelhäusern besser bewährt als der von Holzhäusern. Die letzteren würden sicherlich schöner aussehen und sich besser in die Landschaft einfügen. Aber man brauchte für sie ausgetrocknetes Holz. Bisher hat man nur frische Stämme verwendet. Die feuchten Blockhäuser sinken im Laufe von etwa fünf Jahren um mehrere Zentimeter in sich zusammen und werden reparaturbedürftig oder unbewohnbar. Selbst in dicken Betonwänden treten im Winter Risse auf, die sich im Sommer wieder schließen. Durch verschiedenartige Beimengungen versucht man, einen widerstandsfähigeren Beton zu erzielen.

Man kann wohl schätzen, daß nur ein Zehntel aller im Kohlenrevier lebenden Menschen bisher eine richtige Wohnung besitzt. Die Freigelassenen und Zwangssiedler hausen fast durchwegs in selbstkonstruierten Hütten aus Holz und Lehm. Die Gefangenen haben Holzbaracken, deren neuere nur etwa 100 Mann beherbergen und weit besser gebaut sind als die vor 1950 fertiggestellten.

Die Leningrader Straße zeichnet sich durch recht gefällige einstöckige Holzgebäude aus. Ein jedes hat vierzehn „Quartiere“, d. h. Zimmer, mit einem großen Gemeinschaftsraum, gemeinschaftlichen Küchen und Waschräumen. An der Lenin-Straße haben wir 1952 das Hotel „Norden“ gebaut. Es besitzt 100 Zimmer und ein Tanzcafe und soll für die Studenten der Bergakademie vorgesehen sein. Daneben stehen Blocks von drei-und vierstöckigen Wohnhäusern.

Die Einrichtungen des städtischen Lebens Vom Nordbahnhof verläuft nach Südosten die Komsomolzen-Straße. Sie ist der „Boulevard“ von Workuta. Sie hat Holzpflaster, das sich beim strengen Frost leicht hochwölbt und beschädigt, aber immer wieder mit triumphierender Schnelligkeit durch unsere Brigade „für verschiedene Arbeiten“ ausgebessert werden muß. Auf den Trottoiren dieser Straße sind Bäume angepflanzt, vier Meter hohe Fichten aus der Wald-tundra, die gewöhnlich im nächsten Winter absterben.

Die Straße mündet in den Stalin-Platz. In der Mitte erhebt sich auf einem drei Meter hohen Sockel aus künstlichem Marmor ein überlebensgroßes Stalinstandbild. An der Nordseite des auch holzgepflasterten Platzes steht seit 1951 ein glänzendes dreistöckiges Kinderkrankenhaus mit Säulen und Treppe. Auf der Ostseite befindet sich das 195 3 fertig-gestellte Kinotheater. Seine Fundamente haben wir zwölf Meter tief in den Frostboden versenkt. Es besitzt eine moderne Inneneinrichtung mit 1000 Sitzplätzen.

Von hier führen die Lenin-Straße nach Süden und die Leningrader Straße nach Osten. An der letzteren liegt das „medizinisch-therapeutische Institut“, die Poliklinik. Das Ostende der Straße reicht in die Gegend des Sportstadions und der größten Kaserne. An der Lenin-Straße wurde 195 3 mit großem Aufwand die neue Badeanstalt fertiggestellt. Sie besitzt jedoch — im Gegensatz zu der von Inta — kein Schwimmbassin und nur wenige Wannen und Duschanlagen. Gegenüber ist der „Gastronom“, das Lebensmittelkaufhaus. Im übrigen gibt es in Workuta vier Magazine, in denen es fast alle Warengruppen gibt. Das eine davon ist ein Möbelmagazin, in dem man seit mehreren Jahren auch Kinderwagen und Motorräder findet. Die günstigste Handelsstelle ist der Basar am Südende der Lenin-Straße. Hier darf zu gewissen Markt-zeiten jedermann grundsätzlich alles zum Kauf anbieten und einkaufen. Samojeden schlachten Rens, um das Fleisch zu verkaufen, und im Herbst werden Körbe voller Pilze und Beeren aus der Tundra hergebracht.

Am Nordrande der Stadt ist auf dem linken Flußufer nach Kriegsende ein Elektrizitätswerk errichtet worden. Es liefert mit vier Turbinen durchschnittlich 60 000 Kilowatt. Seitdem die Zahl der Schächte auf zwanzig angewachsen ist, reicht seine Leistung für den Bedarf der Kohlestadt nicht mehr aus. Man hat daher im Nordrayon ein neues E-Werk erbaut, das inzwischen arbeiten dürfte und mit fünf größeren Dampfturbinen mindestens die doppelte Energiemenge erzeugen soll.

Das nächtliche Workuta erstrahlt in einem wahrhaft verschwenderischen Lichterglanz. Man begnügt sich nicht mit den vielen Bogenlampen, sondern beleuchtet zahlreiche Gebäude und Straßen noch zusätzli: h mit Scheinwerfern. Bleibt jedoch der Strom aus — and das war bisher sehr häufig — liegt das Dunkel der Polarnacht um so lastender über dem gespenstischen Fleckchen Erde.

Unter den Straßen der Neustadt zieht sich ein Netz von Trinkwasser-leitungen und sogar einer Fernheizung hin. Bei starker Kälte ergeben Rohrbrüche der Dampfheizung mit riesigen weißen Wolken recht imposante Bilder. Das Reparieren solcher Rohrbrüche im Schneesturm und das Auftauen eingefrorener Wasserleitungen sind indessen furchtbare Areiten.

In Workuta befindet sich eines von den vier sowjetischen Instituten zur Erforschung der Gefrornis. Das Bergtechnikum, dem Nordbahnnof gegenüber, sieht schon beängstigend aus. Die Fassaden haben sich durch Frost und Feuchtigkeit in wenigen Jahren stark verschoben. Man hat dafür außerhalb der City, in südöstlicher Richtung, den Bau einer neuen Bergbauhochs'hule begonnen, die 75 m lang und 25 m hoch werden coll. In der Nähe dieser Baustelle ist nach mehrjähriger Arbeit das gewaltige Kühlhaus fertig geworden. Es umfaßt mehrere Gebäude mit fünf Stockwerken.

Vom Nordbahnhof aus zieht sich an der Bahn nach Süden eine kleine „Stadtpromenade“ hin. Hier wird an schönen Sommerabenden in einem offenen Pavillon getanzt.

Von sonstigen Einrichtungen der Stadt wären natürlich noch Partei-und Verwaltungsgebäude, ein Theater, ein kleines Museum, Schulen Apotheken, ein Telegraphenamt und im Westen der Neustadt, hinter Rayon III, der Flugplatz zu nennen.

Die Art der Zivilisation

Abb. 3: Kohlenrevier Workuta (schematisiert); in den Kreisen die Nummern der Schächte

Die Unterwerfung der Natur Wir müssen uns die klimatischen Grundbedingungen vergegenwärtigen, um die Gründung dieser Kohlenstadt als menschliche Leistung richtig würdigen zu können.

Workuta liegt auf 67, 5 Grad nördl. Breite und 64 Grad östl. Länge, 75 km westlich des Uralkammes und in einer Höhe von 100 m über dem Spieg. l des 180 km entfernten Karischen Meeres. Es hat eine Lufttemperatur von — 7 Grad im Jahresmittel und von annähernd — 25 Grad im Januar. Alljährlich werden Minima von über 50 Grad Kälte erreicht. Etwa 240 Tage weisen Schneebedeckung auf. In jedem Winter herrschen 15— 20 mehrtägige Schneestürme („Purga“) mit Windgeschwindigkeiten von 20— 30, in Böen auch bis über 40 sec/m. Einige davon kommen aus NO, durch die Lücke zwischen Ural und Pai-Choi, und toben bei einer Temperatur von ca. — 40 Grad. Die Sonne bleibt in der Zeit vom 5. Dezember bis 9. Januar beständig unter dem Horizont.

Boden den „Ewigen Frost“ auf; nur in den Monaten Mai bis September tauen einige Dezimeter der Erdoberfläche auf. Im Zusammenhang mit der überschüssigen Feuchtigkeit herrscht im Sommer Mückenplage.

Dieser Natur trotzt nun die große Stadt. Glücklicherweise findet in unseren Jahrzehnten eine geringfügige Erwärmung statt, die gerade in solchen Grenzgegenden recht spürbar ist. So berichten die ältesten Einwohner Workutas, daß sie früher schwerere Winter überstehen mußten. Es ist beispielsweise noch vor 15 Jahren geschehen, daß Seile gespannt werden mußten, an denen sich im Schneesturm die Zwangsarbeiter von der LInterkunft zum Schachteingang hinziehen mußten. Das kam zu meiner Zeit nicht mehr vor.

Es mag sogar sein, daß sich das Mikroklima mit der fortschreitenden Zivilisierung verbessert. Das soll nicht heißen, daß die glühenden Massen der zahlreichen selbstentzündlichen Gesteinshalden an den Schächten eine meßbare Erwärmung der Luft hervorriefen. Aber die dichte In der zweiten Dezemberhälfte gibt es nur einige Stunden mit heller Dämmerung. Der Luftdruck schwankt zwischen Extremen um 708 und 770 außerordentlich stark und schnell.

Die Taiga endet in einer südwärtigen Entfernung von 300 km Luft-linie. An sie schließt sich eine 200 km breite Region der Waldtundra. Die eigentliche Baumgrenze verläuft also etwa 100 km südlich Workutas. Von da ab dehnt sich Tundra bis zum Meer. Bei Workuta treten in geschützten Lagen Weidengebüsch, in Mulden Moore, an Hängen Grasrasen, auf Ebenen Zwergstrauchheiden und auf Hügelkuppen Flechtenrasen auf.

Das Gebiet gehört — wie die gesamte Polarzone zwischen Nord-ural und Petschora — zur „Vielerdigen Tundra", die mit Tonen und Sanden in durchschnittlich 10 m Mächtigkeit bedeckt ist. Es weist im Bebauung einer Gegend mit Häusern gewährt einen wichtigen Wind-schutz. Die Trockenlegung des Bodens, die Anlage neuer Straßen und die Errichtung langer Schneezäune tragen zweifellos zur allgemeinen Stabilisierung der Lebensverhältnisse bei.

Die Erhaltung der Menschenkraft Am Anfang lebte und starb man in notdürftiger Kleidung, meistens in den Resten der LIniform, in der man gefangengenommen worden war. Es gab nur wenige Hilfsmittel, sein Dasein zu erhalten. Dabei wurde Tag und Nacht gearbeitet. Neben der Leistungsnorm im Schacht oder beim Bahnbau mußten die Werkzeuge hergestellt werden, mit denen man lebenserhaltende Einrichtungen schaffen konnte. Von alten Drähten schlug man sich Stücke ab oder schnitt von altem Eisenblech schmale Steifen ab und verwendete sie — man tut es noch heute — als Nägel zum Barackenbau. Mit der Konsolidierung der Wohnverhältnisse war ein wichtiger Schritt zur Sicherung des Lebens getan.

Einige Jahre nach dem Kriege begann sich der Lebensstandard im allgemeinen zu heben. Mehr und bessere Materialien wurden in das nördliche Kohlenrevier geschickt.

Blieb die Ernährung auch karg und eintönig, so war sie doch genauer berechnet und brachte die notwendigsten Voraussetzungen zur Gesund-erhaltung. Sie bestand täglich aus Getreidebreien und Krautsuppen. Wer die letzteren regelmäßig zu sich nahm, blieb vom Skorbut im allgemeinen verschont. Die Grundbedürfnisse an Eiweiß konnten durch Fische befriedigt werden, die aus den verschiedensten Gewässern des großen Reiches stammten. Es machte sich allerdings bemerkbar, daß der Organismus älterer Personen, speziell der Männer, oft nicht in der Lage war, sich auf die primitive Kost umzustellen und aus ihr genügend Kraft zu gewinnen. Hinzu kam, daß der bessere Teil der Lebensmittel durch Lagerkorruption ungleichmäßig verteilt wurde und daß ein anderer Teil — z. B.der Salzfisch — sehr unschmackhaft war.

In den letzten Jahren wurde vor allem das Gesundheitswesen verbessert. An Ärzten hatte es unter den Gefangenen nie gemangelt. Die ungeheuerlichen Sterbeziffern der ersten Zeit erklärten sich durch das Fehlen an Medikamenten, Instrumenten und anderen Notwendigkeiten. Heikelste Operationen wurden mit behelfsmäßigen Werkzeugen gewagt. Hierbei sind neben Mißerfolgen zuweilen Leistungen vollbracht worden, die ans Unglaubliche grenzen.

Später konnte die Sterblichkeit auf ein normaleres Maß reduziert werden. Die hygienischen Verhältnisse wurden in vielen Lagern wahrhaft „peinlich“ gezüchtet. Sie wirkten in der Misere dieses Daseins lächerlich und ärgerlich. So mußte die Masse der Kranken in den Heil-baracken das Holz der Tische und Schränkchen jeden Tag mit kleinen Glasstücken blankscheuern. Auch in den Wohnbaracken wurde-fast pausenlos geputzt. Die Bretterböden wurden mit drahtumwickelten Schrubbergeräten bearbeitet. Mit dem sogenannten „Schwaber“, einem ähnlichen Instrument, aus dem ein harter Gummistreifen hervorragt, wurden sie dann mit Wasser gewaschen und schließlich mit Sägemehl oder mit Schnee abgetrocknet. Personen mit blütenweißen Mänteln und Kappen inspizierten mit gewichtiger Miene und mit strengen Kontrollnotizen die Räume.

Auch das Ungeziefer wurde recht erfolgreich bekämpft. Die Schlaf-bretter mußten ab und zu in ein heißes Bad getaucht werden. Die Kleidung wurde oft der Hitze des Entlausungsofens ausgesetzt. Die Menschen badeten monatlich dreimal.

Allgemein wurde eine zweckmäßige Kleidung eingeführt. Sie besteht von Ende September bis Anfang Mai aus einer langen Wattehose, einer langärmeligen Watteweste, einem kurzen Wattemantel, einer Watte-mütze, die nur das Gesicht freiläßt, und aus den Wattefäustlingen. Die besten Kleidungsstücke sind die Filzstiefel. Sie sind leicht, schmiegsam und warm. Im Sommer gibt es sehr primitive Arbeitsschuhe mit Gum. i-sohle, eine lange schwarze Leinenhose, Einheitsmütze mit Schild und den kurzen Wintermantel. Darunter trägt man ein bis zu den Hüften reichendes Leinenhemd und lange Leinenunterhose. Anstelle von Sokken wickelt man um die Füße Fußlappen.

Die Technisierung der Schachtarbeit Der Lebensnerv Workutas und der Grund für seine Anlage ist die Kohle. Mit ihrer Gewinnung ist der größte Teil der Einwohner beschäftigt. Alle anderen Berufszweige ranken sich nur als notwendiges Bei-werk darum. Man könnte auch noch andere Bodenschätze bergen. Auch könnte man alle möglichen Fabriken errichten, um den Transportweg der Kohle zu sparen und um weitab von Westeuropa zu bleiben.

Das ist eine Frage der Arbeitskräfte oder der Technisierung der Arbeit. Man hat sich daher von Anfang an bemüht, für die Kohlenförderung maschinelle Hilfsmittel bereitzustellen. Es ist nicht mehr so. daß die Kohle sackweise auf dem Rücken heraufgebracht werden müßte! Einige Schächte sind sogar ganz modern eingerichtet und sollen zu den vorbildlichsten des Landes gehören.

Im allgemeinen wird die abgebaute Kohle auf „Schüttelrutschen“ geschaufelt Von ihnen werden die kleinen Kipploren beladen. Diese werden von Pferden oder von Elektrolokomotiven gezogen.

Die Arbeit an der Kohle ist gefahrvoll und schwierig genug. Mehrere Schächte sind reich an Gasen, die schon oft zu Explosionen führten. Viele Stollen sind sehr feucht. Von der Decke tropft unaufhörlich Wasser herab und am Boden rinnen Bäche. Ventilation und Pumpwerk sind die Heiligtümer des Betriebes. Sie wurden z. B. als einziges nicht stillgelegt, als die Kohlenstadt Workuta im Sommer 195 3 ihren denkwürdigen Totalstreik durchführte. > Besonders erschwerend für die Arbeit ist die geringe Mächtigkeit der Flöze. Sie werden noch bei einer Stärke von 60 cm abgebaut Der Gefangene muß manchmal seine achtstündige überaus anstrengende Tätigkeit im Knien oder Liegen in der Nässe verrichten. Die Kohle wird entweder in senkrechten Fahrstühlen oder auf schrägen Gleisaufzügen zu Tage befördert. Hier wird sie aus den Loren auf ein Fließband gekippt. Dann wird sie auf dem Wege zu den Güterwaggons von Gesteinsstücken gesäubert. Die zur „Technischen Kohlenkontrolle“ gehörigen Gefangenen entnehmen den Waggons Proben, stellen durch Sieben die Größenordnung der Kohle fest und ermitteln durch Verbrennen den Schlacken-gehalt.

Erfinder unter den Häftlingen verhelfen manchmal durch eine Neukonstruktion ihrem Schacht zu einer höheren Produktion. In vieler Hinsicht aber wird mit Improvisation gearbeitet, wobei die nach unserer Ansicht notwendigen Vorbedingungen durch Ausdauer und Kraft und durch eine bewundernswerte „instinktive Zielsicherheit“ ersetzt werden.

Der Anbau von Pflanzen Man hat in der Tundra längst mit dem Anbau von Nutzpflanzen begonnen. In allen Teilen des Landes werden in zahlreichen Gartenbaubetrieben nach der bis vor kurzem in der LIdSSR dominierenden und sehr populär propagandierten Schule der „Mitschurinbiologie" Experimente durchgeführt und angeblich immer neue fruchtbarere und winterfeste Sorten gezüchtet.

In Workuta gedeiht bisher jedoch nur das Radieschen. In den Lagern wird in zusätzlicher „Freizeitarbeit" jedes Stück Boden umgegraben und bepflanzt. Zwischen allen Baracken dehnen sich die Radieschenbeete aus. Je nach der Witterung kann im Laufe des Monats Mai gesät und ab Ende Juni geerntet werden. Im Juli blüht die ganze Fläche. In günstigen Jahren können in geringem Umfang Salat, Spinat und Kohlrabi im Freien angepflanzt und geerntet werden. Dagegen scheitert der Anbau von Getreide und Kartoffeln. Als Viehfutter werden Hafer und Gerste stellenweise ausgesät. Sie kommen bis zur Blüte, reifen aber nicht.

Durch Saatversuche und besonders mit der oft von weit herantransportierten Nahrung für Mensch und Tier sind viele Pflanzenarten eingeschleppt worden. In den Lagern kann man die verschiedensten Nutzund Unkräuter finden. Manche von ihnen gedeihen und breiten sich über die Lagergrenzen hinweg in die Tundra aus. Kornblume und Kornrade, roten Mohn, Hanf und Hirse und vielerlei mehr haben wir blühen sehen.

Was der Mensch an Pflanzungen im Freien nicht verwirklichen kann, erreicht er in künstlichen Treibhäusern. In jedem Lager und an mehreren Stellen der Stadt kann man heute die kleinen oder größeren Glas-dächer der Gewächshäuser finden. Sie sind für gewöhnlich an Dampfheizungen angeschlossen. Im Winter und des Nachts werden sie elektrisch erleuchtet. In ihnen blüht und duftet es von vielen Zier-und Nutzpflanzen aus den verschiedensten Gegenden der Welt. Es werden Kartoffeln gezüchtet, wie auch Champignons. Reife Tomaten und saftige Gurken hat man fast während des ganzen Jahres. Es gibt die herrlichsten Blumen.

Aber den Wald kann man bisher nicht hervorzaubern. Die erwähnten Versuche, mehrere Meter hohe Fichten auf die Hauptstraße zu pflanzen, dürften hauptsächlich am Bodenfrost scheitern. Ein größerer Baum braucht eine entsprechende Bodentiefe zur Entfaltung seines Wurzel-werks. Könnte man künstliche Wäldchen anlegen, wenn man das Erdreich in eine Tiefe von 1— 2 m offen halten und etwa von Mai bis Juli vor dem Gefrieren bewahren könnte?

Soweit ich erfahren konnte, hat man sich in Workuta schon mit solchen Gedanken beschäftigt. Man dachte daran, an der Stadtpromenade einen Park zu pflanzen. Man wollte den Boden in 1 m Tiefe mit einem schachbrettartigen System von Heizungsrohren durchziehen und in jedes der 2— 4 qm großen Mittelfelder eine Fichte oder Birke setzen. Bisher hat man die Durchführung des Versuches nicht in Angriff genommen. Ob man es tun wird, erscheint fraglich, aber nicht ausgeschlossen. Es wird hier oftmals für Experimente und fast für Spielereien ein großer Aufwand nicht gescheut. Es entspricht der Mentalität: Man sucht, seine Eigenschaft als „Eroberer des Nordens" zu dokumentieren und sich mit imponierenden Äußerlichkeiten über die dürftige Realität hinwegzutäuschen. Die Haustierhaltung Besser als mit der Pflanzenwelt gelingt es dem Menschen mit der Haustierhaltung, seine im Süden gewohnten Lebensformen in die Subarktis zu übertragen.

Das Pferd ist hier wie dort sein wichtigster Arbeitsgehilfe. Es wird hauptsächlich in einer mittelgroßen, sehr widerstandsfähigen und stämmigen Rasse gezüchtet. Hierzu sei bemerkt, daß der ständige Begleiter des Hauspferdes, unser Sperling, sich gleichfalls angesiedelt hat. Rindvieh gibt es nicht gerade zahlreich, aber für die Versorgung der Stadt mit Frischmilch wohl genügend. In einigen Tälern weiden Herden von vierzig Stück. Sie fressen gern die Blätter der Strauchweiden. Für die Ernährung des Viehes im langen Winter wird von jedermann in der „freiwilligen Freizeitarbeit nach Kräften Heu gemacht.

Das Ren findet man als Haustier nicht. Es kommt nur in sehr großen Flerden vor, die entweder von Samojeden begleitet oder in besonderen Staatsfarmen gehalten werden. Es gibt in größerer Entfernung von Workuta auch eine Elchfarm.

Die Ziege ist ein häufiges Haustier; Schafherden trifft man ebenfalls in der Tundra. Seltsam mutet es an, wenn man in dem Weidengesträuch der Niederungen mehrere Schweine umherlaufen sieht. Sie bleiben in der Zeit der Mitternachtssonne wochenlang und ohne Zaun und Aufsicht im Freien. Sie gedeihen üppig.

Stark entwickelt ist die Kleintierhaltung. Hunde und Katzen sind in allen Rayons reichlich; vielfach findet man die schönen langhaarigen sibirischen Katzen. Die weitaus meisten Arbeiterfamilien züchten Kaninchen. Hühner, Gänse und Enten sind nicht zahlreich. Auch Haustauben gibt es. Man wundert sich jedesmal, wenn man an einem sonnigen Spätwintertag einen Schwarm von ihnen über der weiten Schneelandschaft kreisen sieht.

Die Tundra eignet sich gut zur Bienenzucht. Es sollen in den nachtlosen Sommermonaten Rekordernten an Honig erzielt werden. Es gibt in der Altstadt eine Großimkerei. Die Bienenkörbe werden in „Brigaden" auf drei bis vier Monate in die blütenreiche Landschaft gefahren. Hierbei werden je 24 Körbe in zwei Etagen auf große Schlitten geladen und mit Hilfe eines Traktors durchs Gelände gezogen. Besondere Schwierigkeiten und erhöhte Kosten sind natürlich mit der langen Überwinterung verbunden. Ein Teil der Bienenkörbe soll daher nur während der „Saison" in Workuta sein und Ende August mit Spezialwaggons südwärts transportiert werden.

Das Leben der Freien In Workuta hört man häufig den Ausspruch, daß das Leben dort nur im Alkoholrausch zu ertragen sei. Für das Gros der unfreiwillig dorthin Gekommenen kann das freilich zutreffen. Es mag jedoch teilweise aus ihrer Not, Zerbrochenheit und der Hoffnungslosigkeit ihres Daseins zu erklären sein

Sicherlich gibt es Menschen, bei denen es anders ist. Wieviele es sind, läßt sich schwer beurteilen Wahrscheinlich hat auch sie nur die höhere Bezahlung verlockt, in den Norden zu gehen. Aber letzten Endes haben sie es doch freiwillig getan. Diese verschwindend wenigen haben hier eine Arbeit und Aufgabe — und im Grunde auch eine neue Heimat gefunden. Es ist nach meiner Auffassung nicht so, daß die Natur des Polargebietes die Lebenserfüllung und Zufriedenheit des Menschen unmöglich macht.

Natürlich ist das Klima schwer zu ertragen. Die Gewalt der Schneestürme ist nicht zu bändigen. Die Barometerschwankungen bedrohen Herz und Kreislauf, sofern sich nicht der Organismus der Kinder daran zu gewöhnen vermag. Aber man kann in stabilen Gebäuden mit elektrischem Licht, fließendem Wasser und Zentralheizung wohnen. Auch im Winter kann man an den meisten Tagen mit Motorfahrzeugen die Straßen befahren. Man kann Radio hören, telefonieren und Briefe schreiben. An den langen Abenden kann man Bücher lesen, ins Theater und Kino gehen oder Geselligkeit pflegen. Man kann das ganze Jahr in den Kaufhäusern die gleichen Waren wie im Süden bekommen. Man kann mit der Bahn in zwei Tagen, mit dem Flugzeug in einem halben Tag, in der Hauptstadt sein. Selbstverständlich gilt dies alles ohne Berücksichtigung der speziellen Eigenart der Lebensumstände in der UdSSR.

Schon jetzt herrscht in den Straßen Workutas ein buntes Völker-gemisch. Neben den Russen sind besonders die Volksdeutschen zahlreich anzutreffen. Es gibt viele blonde Vertreter der baltischen Nationen, temperamentvolle Ukrainer, schwarzhaarige Angehörige der Kaukasus-völker und eine beträchtliche Zahl von Fernasiaten, darunter vor allem Chinesen. Zigeunerinnen lesen auf der Straße aus den Händen der Vorübergehenden die Zukunft ab.

Es mögen zwei bis drei Dutzend verschiedener Völkerschaften sein, aus denen sich die Mischung einer neuen Generation bildet. Es gibt Ehen, in denen sich die Partner sprachlich nur mangelhaft verständigen können. In recht entstellter Form und mit typischen Lagerausdrückeu vermengt, herrscht das Russische als allgemeine Sprache vor. Daneben lernen die Kinder eine Muttersprache gewöhnlich nur dann, wenn beide Eltern die gleiche Volkszugehörigkeit besitzen.

Kinder wachsen in großer, aber nicht ungewöhnlicher Zahl heran. Man sieht. an ihnen, daß die Akklimatisierung an die Polarzone bei jungen Menschen leichter und besser möglich ist als bei Erwachsenen. Sie sind größtenteils eine wilde und vitale Schar. Im übrigen zeigt sich die wichtige Bedeutung der Erziehung. Auch spiegelt sich in ihrem Äußeren die soziale Stellung der Eltern. Viele sind blaß und schlecht ernährt. Die Funktionäre schicken ihre Kinder auf die Krim und lassen sie im Winter mit Höhensonne bestrahlen.

Selten haben wir krassere Gegensätze zwischen arm und reich gefunden als in dem Lande, in dem-der Unkundige sie am wenigsten vermutet. Die Masse der Freien, die sich aus Heimatvertriebenen und früheren Gefangenen zusammensetzt, lebt ähnlich oder schlechter als die Lagerinsassen. Dagegen stehen Wohlstand und Luxus der Machthaber in auffälligem Gegensatz. Da gehen die dicken Damen der Leiter in Stöckelschuhen und gut geschneiderten Kostümen. Sie duften, und ihre Lippen und Fingernägel leuchten rot. Sie werden vor den Türen der Magazine von verstümmelten Schachtleuten angebettelt. Das Gros der Angesiedelten trägt Lumpen und besitzt zu Hause kaum einen Stuhl, geschweige denn ein richtiges Bett.

So lebt die Bevölkerung in inneren Spannungen. Doch ist die Furcht das umfassende Leitmotiv und unterdrückt den Willen zur Rebellion.

Die Bereitstellung genügender Arbeitskräfte ist das Hauptproblem für Workuta. Es erscheint sehr fraglich, ob man unter Verzicht auf Gefangenennachschub die Einwohnerzahl würde erhalten können. Anscheinend reichen die erheblichen Geldprämien und die bevorzugte Versorgung des Gebietes mit Verbrauchsgütern nicht aus, freiwillige Arbeiter anzulocken. Trotz allgemeiner Anprangerung Stalins hat man sich bisher nicht entschließen können, die unter seiner Herrschaft meistens grundlos abgeurteilten Gefangenen in die Heimat zurückkehren oder auch nur sich innerhalb des Kohlenreviers frei bewegen zu lassen.

Ein Vergleich mit Kiruna Zum Vergleich mit Workuta drängen sich uns die Verhältnisse in Lappland im allgemeinen und in Kiruna im besonderen auf. Das kann hier jedoch nur angedeutet werden Lapplands Ausdehnung vom Polarkreis bis zum 71. Parallel entspricht der Breite von Abes bis in den Südteil Nowaja-Semljas. Die schwedische Eisenstadt Kiruna liegt 40, der norwegische Hafen Narvik 100 und Hammerfest 400 km nördlicher als Workuta. Lim 40 Längengrade im Westen von Workuta besitzt Lappland eine gegen tausend Kilometer lange Küste am Atlantik und ist ein ausgesprochenes Protektorat des Golfstroms.

Zum milderen Klima kommen weitere grundlegende Unterschiede. Der Boden ist „wenigerdig“ und weist keinen Dauerfrost auf. Die Landschaft wird durch das skandinavische LIrgebirge bestimmt und ist reich gegliedert. Fauna und Flora sind stark differenziert. Man kann sagen, daß die beiden Gebiete nur das Notwendigste gemeinsam haben, wie das Polarlicht und die Mitternachtssonne. Die größten Unterschiede drücken sich aber in den Lebensformen der Menschen aus.

Kiruna, die mächtigste zusammenhängende Lagerstätte hochwertigen Eisenerzes in der Welt, hat ungefähr die gleiche Jahresproduktion an Erz wie Workuta an Kohle; die Förderung des Erzes erfolgt jedoch im Tagebau. Die Flächenausdehnung der Stadt Kiruna ist noch größer als die des Kohlenreviers Workuta. Die Einwohnerzahl ist relativ gering und beträgt 20 000, volkstumsmäßig nahezu sämtlich Schweden. Kiruna ist eine der frühesten europäischen Siedlungen jenseits des Polarkreises und daher verhältnismäßig organisch gewachsen. Es erhielt schon um die Jahrhundertwende die Bahnverbindung nach der Ostsee und dem Süden einerseits und nach dem Atlantik andererseits. Der Verkehr innerhalb der Stadt erfolgt hauptsächlich durch elektrische Straßenbahnen.

Das Leben verläuft normal und ruhig, im freien Spiel geregelter Kräfte, ohne Krampf und ohne Angst. Es vollzieht sich nach den allgemeinen Gesetzen des schwedischen Staates, der durch seine soziale Sicherheit ebenso bekannt ist wie durch seinen hohen Lebensstandard. Man braucht hier weder Geldprämien noch Lager, um Arbeitskräfte zur Gewinnung und Verladung der Bodenschätze heranzubringen.

Natürlich bedeutet es für viele Neuzugereiste eine gewisse Umstellung, im Sommer keine Nächte und im Winter kein Tageslicht zu haben. Es taucht bei uns noch gelegentlich die Bezeichnung „Lappenkoller" auf für eine schwermütige Verfassung der Psyche bei Personen, die sich an die neuen Verhältnisse nicht gewöhnen können. Von dieser Erscheinung habe ich in Lappland nichts mehr bemerken können. Die aus dem Süden stammenden Menschen, die ich dort kennenlernte, leben gern in dem nördlichen Land. Alkohol, der in Workuta als Tröster mißbraucht wird, konsumiert man weniger als bei uns.

Kiruna ist durch seine Lage Workuta gegenüber sehr bevorzugt. Das wirkt sich als Erleichterung auf allen Gebieten des menschlichen Lebens aus, z. B. auch auf die Möglichkeiten landwirtschaftlicher Nutzung und des Wohnungsbaus.

Die Entwicklung beider Städte beweist, daß die Polarzone durchaus zum Lebensraum und Wirkungsbereich der weißen Menschheit gehören kann. Viele Anzeichen deuten darauf hin, daß sie das künftig auch vermehrt tun wird. Die normalen Wege, die zur Entstehung Kirunas geführt haben, hätten jedoch wahrscheinlich nicht ausgereicht, um das gewaltige Unternehmen Workuta in so rasanter Weise zu verwirklichen.

Fussnoten

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Anmerkung: Dr. Helmut Schaefer war Leiter des Naturkunde-Museums in Görlitz an der Neiße, bis er am 28. Oktober 1947 von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und wegen angeblicher „Arbeit für die westliche Bourgeoisie etc." mit 25 Jahren Arbeitslager bestraft wurde. Er hat die Jahre 1950— 1955 in mehreren Lagern Workutas und Inta-Abes'verbracht. Da er die letzten Jahre als Invalide genügend Freizeit hatte, konnte er vielfältige Naturbeobachtungen durchführen und sammeln — z. B. ein jetzt noch vorhandenes Tundra-Herbar anlegen — und daher auch nachträglich die schematische Skizze der Abb. 3 aus der Erinnerung und nach Rücksprache mit heimgekehrten Leidensgefährten aus anderen Lagern entwerfen.