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Psychologische und soziale Folgeerscheinungen der Aufhebung des Terrors in der Sowjetunion | APuZ 43/1958 | bpb.de

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APuZ 43/1958 Psychologische und soziale Folgeerscheinungen der Aufhebung des Terrors in der Sowjetunion

Psychologische und soziale Folgeerscheinungen der Aufhebung des Terrors in der Sowjetunion

DAVID BURG

Erinnerungen

Ich erlaube mir, mit einigen persönlichen Erinnerungen zu beginnen:

Unter meinen Moskauer Bekannten befand sich eine deutsche kommunistische Schriftstellerin, Frau Gerda X. Diese Frau lebte seit 1933 in Moskau und war russische Staatsangehörige geworden. Bis 1953 erhielt sie keine Ausreiseerlaubnis, sogar in die DDR. Im März 1953 wurde sie eines Tages in die Redaktion der „Iswestija" gerufen. Man bat sie „die tiefe Trauer des deutschen Volkes über das Ableben des großen Führers der gesamten fortschrittlichen Menschheit, des Genossen Stalin“ schriftlich zum Ausdruck zu bringen. Die Redaktion der „Iswestija“ war der Ansicht, daß die hierfür geeignete Form am besten eine Ode sei. Diese Ode begann mit den Worten: „Die Brust der Erde hält den Atem an.“ Genossin X. bat mich nun, diese Ode ins Russische zu übersetzen. Da ich den verstorbenen Diktator aus tiefster Seele haßte, brachten mich diese in Hölderlin’schem Stil verfaßten Lobpreisungen in einen Zustand der Raserei. Dennoch stimmte ich zu. Es ging mir hierbei nicht allein um das Honorar, auch nicht darum, daß ich die Frau Gerda X., die mir lange Zeit die deutsche Sprache beigebracht hatte, nicht verletzen wollte. Mir schien nun, daß die Über-setzung der Ode in dem damaligen Augenblick die einzig sich bietende reale Möglichkeit war, aus einer verzweifelten Lage herauszukommen.

Die letzten Monate des Stalin-Regimes standen unter dem Zeichen eines militanten Antisemitismus, der durch den Fall der jüdischen Mörder-Arzte neuen Auftrieb erhalten hatte. Die Juden wurden damals rücksichtslos von allen Posten entfernt, obwohl ihre Rechte schon früher wesentlich eingeschränkt waren. Mir war bekannt, daß mein Ausschluß aus der Universität und von der Komsomol unmittelbar bevorstand.

Dies würde das Ende meiner Ausbildung, das Ende aller Hoffnungen, im besten Falle die Einberufung für 3 Jahre zum Militär, im schlimmsten Falle die Verhaftung bedeuten. Zu dem damaligen Zeitpunkt bestand für midi keinerlei Anlaß, anzunehmen, daß mit dem Tode Stalins die antisemitische Kampagne aufhören würde. Das Erscheinen der Ode „in der „Istwestija“ konnte vielleicht für mich die Rettung bedeuten.

Die Parteileitung der Fakultät würde sich siebenmal überlegen, etwas gegen einen Menschen zu unternehmen, der offenbar über Verbindungen zu der Redaktion des Regierungsorgans verfügt. Welchen Charakter diese Beziehungen trugen, konnten sie ja nicht wissen und würden es auch nie erfahren.

Kaum hatte ich die Übersetzung der Ode fertiggestellt, als meine deutsche Bekannte mich anrief. „Geben Sie sich weiter keine Mühe“, sagte sie, „die Redaktion der . Iswestija'hat die Anweisung erhalten, alle Trauerveröffentlichungen einzustellen.“ Dieses erschien mir äußerst sonderbar. Ich hatte mit einer halbjährigen Trauer gerechnet. Daß die Trauer bereits 10 Tage nach dem Tode Stalins eingestellt wurde, erweckte in mir die Frage: „Besteht nun wirklich die Absicht, sich von dem Führer loszusagen?“

Das Leben nahm unterdessen weiter seinen normalen sowjetischen Lauf. Ich wurde eines Tages in die Redaktion der Zeitung „Die Moskauer Universität“ gerufen. Es wurde mir mitgeteilt, daß in meinen Seminararbeiten wie auch in meinem gesamten Verhalten „ein bürgerlicher Kosmopolitismus“ sichtbar geworden sei, daß für solche Menschen, wie ich es sei, kein Platz mehr an einer Sowjetuniversität vorhanden sei, und daß die Absicht bestünde, über mich einen entsprechenden Artikel zu bringen, mit allen sich hieraus ergebenden Folgerungen.

Dieses war am 2. April 1953 und am 4. April erschien in sämtlichen Sowjetblättern eine kurze amtliche Mitteilung über die Unschuld der „Mörder-Ärzte“. Obwohl in dieser Mitteilung vom Antisemitismus nicht die Rede war, begriff ich sofort, daß die antisemitische Kampagne eingestellt worden sei, und daß es für mich weder einen Ausschluß aus der Universität noch einen diffamierenden Artikel geben würde und daß bedeutsame Veränderungen bevorstünden. Auf diese Weise tauchte in meinem Bewußtsein das Thema auf, über das ich jetzt schreibe — das Thema der Wandlungen im sowjetischen System.

In Erwartung grundlegender Umgestaltungen

Man wird mir wohl zunächst sofort erwidern — welche Blindheit. War nicht bereits wenige Tage nach dem Tode des Diktators eine Festigung in der Stellung der Minister und Mitglieder des reorganisierten Politbüros, die bis dahin lediglich Statisten waren, eingetreten? Hatten nicht diese Männer sofort die Leitung des politischen und wirtschaftlichen Lebens Rußlands in die Hand genommen, war nicht damit die gesamte Machtfülle auf sie übergegangen? Es trat damals eine Aufteilung der Regierungsgewalt zwischen dem Parteiapparat und der staatlichen Verwaltung ein. Die Macht über den Parteiapparat erhielt Chruschtschow, die Leitung des Staatsapparates wurde Malenkow übertragen. In ihren Reden am Grabe Stalins versprachen damals Malenkow und Berija dem Volk eine Besserung der materiellen Lebensbedingungen. Die eingetretenen Veränderungen erfuhr ich jedoch erst, als mein Schicksal davon unmittelbar berührt wurde. Tatsächlich traten mit den Augenblick des Todes Stalins Umgestaltungen im Sowjetsystem ein. Jedoch nur langsam wurden sie dem Einzelnen bewußt, denn nur dann, wenn der Mensch von Veränderungen allgemeiner Natur in seiner persönlichen Existenz berührt wird, ändern sich auch seine Mentalität und sein Benehmen. Deshalb trat erst im Jahre 1956 — insbesondere nach dem sogenannten „Geheimen Bericht Chruschtschows“, der wenigstens 30 Millionen Menschen in Rußland bekannt wurde, — das Empfinden vor sich gehender Veränderungen in das allgemeine Bewußtsein. Damit änderte sich auch das gesamte Verhalten der Menschen, deren Denken und Handeln von jahrzehntelangem Terror geformt worden war. Der Sowjet-Dichter Ewtuschenko schrieb damals: „Die allgeweinevi Nerändervtngen im Leben mit den großen Wandlnngen im eigenen Leben zusammen“ Die Veränderungen in der Psychologie des Sowjetmenschen wurden damals von der kommunistischen Parteileitung nicht sofort erkannt. Ebensowenig begriff die Mehrheit der Sowjetgesellschaft die Absichten der Parteileitung. Oder vielleicht gab sie sich nur den Anschein, die Absichten der Parteileitung nicht begriffen zu haben. Viele, sehr viele Menschen erwarteten damals grundlegende Umgestaltungen im Leben des Volkes: Demokratisierung, Selbstverwaltung der Arbeiterschaft, geistige Freiheit. Viele Menschen waren damals von dem Kommen grundlegender Reformen überzeugt und manche glaubten sogar, daß diese Reformen dem Willen der kommunistischen Parteileitung entsprangen. Auf diese Weise herrschte lange Zeit über den Sinn der Veränderungen ein Mißverständnis. Die damaligen Stimmungen und Hoffnungen brachte der junge Dichter Robert Roschdenstvenskij sehr gut zum Ausdruck in seinem allegorischen Gedicht „Die Morgendämmerung“. Die Stadt schläft mit ihren breiten Straßen. Alles in ihr — vom Antennendraht bis zu den Schlössern, bis zu den Litfaßsäulen — Alles ist voll Erwartung: bald Bald, bald hört ihr die Vögel singen Die Nebel lösen sich und schwinden dahin. Die Dunkelheit kriecht in Keller, Torbögen, leere Taschen beugt sich über die Uhren, blickt mit gebleichten Augen, All dieses wird ihr nicht mehr helfen. Das Gedicht endet so: Der Tag bricht an Der Tag bricht an Ich liebe diese Stunde Ich liebe das Leben. Die allegorische Bedeutung des Gedichtes haben wir nicht selbst erfunden. So hat es auch die sowjetische Presse angesehen. Vielen schien damals, daß der einzige logische Ausweg aus der allgemeinen Ernüchterung über die bekanntgewordenen Verbrechen Stalins nur in einer endgültigen Absage an das System, die diese Verbrechen geboren haben, bestehen könne. Dieses wäre nach der normalen Logik richtig. Nicht aber nach der Logik der Partei, deren Kraft nach einer geistreichen Bemerkung Trotzkis darin besteht, daß niemand ihr zu widersprechen wagt. Einfach eine sorgfältige Prüfung des „Geheimberichtes“ führt nun zu dem Schluß, daß darin nicht die Politik Stalins verurteilt wird, sondern nur die Methoden der Durchführung Die Richtigkeit der politischen Linie Stalins, die in dem Bericht als die '„Linie der Partei“ bezeichnet wird, wird im gesamten Verlauf des Berichtes durchaus bestätigt. Diese Linie, die Linie der Entwicklung des Kriegspotentiats und der damit zusammenhängenden Kollektivierung, der Rechtlosigkeit der Arbeiterschaft, der politischen Diktatur und der mangelnden geistigen Freiheit hatte nun damals im Frühjahr des Jahres 19 56 nichts gemeinsam mit den Wünschen und Hoffnungen breitester Schichten der russischen Gesellschaft. Die in dem Geheimbericht erfolgte Bestätigung dieser Parteilinie bot tatsächlich nur einen geringen Anlaß, grundlegende politische Umgestaltungen von oben her zu erwarten. Die russische Gesellschaft andererseits war damals viel zu schwach und unorganisiert, um von unten her Reformen erzwingen zu können. Die russische Intelligenz wollte aber nicht den Geheimbericht in seiner wahren Bedeutung begreifen. Allzu stark war damals der Wunsch nach Reformen. Aus dem Bericht Chruschtschows las sie das heraus, was darin gar nicht stand, — die Verurteilung der gesamten bisherigen kommunistischen Parteipolitik. Unter der Obhut von Chruschtschows Bericht wurden massive Attacken gegen die Diktatur gerichtet, die unter dem Namen „Revisionismus“ bekannt wurden. Die scharfen kritischen Äußerungen zahlreicher Sowjet-Schriftsteller mit Dudinzew an der Spitze, die freimütigen Diskussionen auf öffentlichen Versammlungen, alle diese Vorgänge des Herbstes und Winters 1956 sind in der Sowjetpresse wie auch in der Auslandspresse eingehend geschildert worden. Wir werden hierauf noch zurückkommen. 1958 erklärte der Vorsitzende des Verbandes der Sowjetschriftsteller Surkow in Erinnerungen an die damaligen Vorgänge: „Damals machten wir verhältnismäßig schwere Zeiten durch. Wir haben die Rückfälle in den Revisionismus in allen Schattierungen erlebt ". Wie war es nur möglich, daß das allmächtige Regime diese „schweren Zeiten“ erlebte? Wie konnte es sein, daß die stummen Sklaven Stalins von gestern jetzt plötzlich ihm die „schweren Zeiten“ zuschrieben? Nur die eingetretenen Veränderungen in der sowjetischen Gesellschaft konnten zu einer derartigen Wendung geführt haben. Welche Umgestaltung hat nun am stärksten auf die Mentalität und die Haltung des Sowjetmenschen, insbesondere der Sowjet-Intelligenz, eingewirkt? Welches waren die wichtigsten Veränderungen in ihren sozialen Folgerungen? Wir glauben, auf diese Fragen eine eindeutige Antwort geben zu können — die Milderung des Terrors. Bevor wir nun näher darauf eingehen, in welcher Form diese Milderung des Terrors zum Ausdruck kam, wollen wir zunächst versuchen, die Ursachen der Milderung zu begreifen. Wenn man erkennen will, wodurch das Abschaffen des Massen-Terrors hervorgerufen war, muß man sich die Situation in der Sowjetunion in den letzten Jahren der Stalin-Epoche vor Augen führen. Es war dieses die Vorbereitung der großen blutigen Säuberungen. Im Winter 1952— 1953 hatte im Zusammenhang mit der Anklage gegen die „Mörder-Ärzte“ und dem Prozeß gegen Wirtschaftsmanager in Kiew die Propaganda der sogenannten „Wachsamkeit“ geradezu hysterische Ausmaße angenommen. Im Lande herrschte eine Atmosphäre panischer Furcht. In seiner „Geheimrede“ berichtet Chruschtschow dem XX. Parteikongreß von einer Äußerung, die ihm damals Bulganin gemacht hatte: „Ich bin auf dem Wege zum Genossen Stalin. Wir werden wie Freunde miteinander reden. Aber ob ich von ihm nach Hause zurückkehre oder in einem Gefängnis ende — ich weiß es nicht“. So dachten damals alle, jedenfalls die Menschen in den großen Städten. Das Empfinden normaler Lebensverhältnisse war völlig geschwunden. Wer nur über die notwendigen Mittel verfügte, flüchtete aufs Land, in der Hoffnung, auf diese Weise der drohenden Verhaftung zu entgehen. Viele Menschen hofften damals auf den Krieg als den einzigen Weg zur Befreiung. Freiwillige des Terrors, Landstreicher, Alterslos alle und ohne Land Verbanden wir uns unter der freudigen Flagge, Der Flagge der Zerstörung und des Krieges. So hieß es in einem Gedicht, das unter der Hand verteilt wurde. Viele dachten damals: besser ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende. Die Sowjetunion hatte bereits einmal eine Periode grauenvoller Säuberungen durchgemacht. Das war im Jahre 1937. Chruschtschow und Bulganin traten damals für den Terror ein. Auf dem XVIII. Parteikongreß erklärte Chruschtschow: „Je mehr Feinde wir vernichten, umso schneller nähern wir uns dem Kommunismus“. Jetzt aber hatte der Parteiapparat Stalin die Gefolgschaft aufgesagt. Um nun eine solche Änderung in der Haltung des kommunistischen Parteiapparates zu begreifen, ist es erforderlich, einen Exkurs in die Geschichte der sowjetrussischen Gesellschaft vorzunehmen.

Ergebnisse der Revolution von 1917

Die sowjetrussische Gesellschaft ist aus der Revolution von 1917 entstanden. Auf den Fahnen der Revolution standen die Worte: Vernichtung der Ausbeutung, Demokratie ohne Bürokraten, Polizeigewalt, ständiges Heer, Erfüllung der Pflichten in der Verwaltung des Staates von jedem einzelnen Bürger. Dieses Programm hatte Lenin nun nicht etwa in der Stille einer Kabinettsitzung entwickelt, sondern vielmehr während der Revolution selbst, im Sommer 1917 in seinem Buch „Staat und Revolution“ öffentlich verkündet. Dieses in der soziologischen Analyse äußerst primitive Buch ist mit der Leidenschaft und der Überzeugungskraft einer biblischen Prophetie geschrieben. Aber vielleicht war Lenin nur ein ganz gewöhnlicher geschickter Demagoge? Alle, die ihn gekannt haben, wie die Nicht-Bolschewiken Balabanowa, Walentinof u. a. erklären übereinstimmend, daß dieses keineswegs der Fall sei. Lenin war ein Mensch von eigenartiger Ehrlichkeit. Er war allerdings keineswegs ehrlich im Verhältnis zu seinen politischen Gegnern. Er war der Ansicht, daß in dem Kampf um den Sieg der Revolution alle Mittel erlaubt seien. Er war aber ehrlich vor der Geschichte und der Revolution.

Seine Rechtfertigung aller Mittel im Kampf gründete sich auf seine tiefe Überzeugung, daß eine geringe Unehrlichkeit in keinem Verhältnis stehe zu dem grenzenlosen Glück, das der Sozialismus der gesamten Menschheit bringen werde. Er glaubte an sich selbst, und — was das Wichtigste ist — die Massen des russischen Volkes glaubten ihm damals und viele Millionen von Kommunisten in der ganzen Welt haben heute noch nicht aufgehört, ihm zu glauben.

Die Ergebnisse der Revolution ergaben nun das Gegenteil von dem, was Lenin und mit ihm ein großer Teil der alten Bolschewisten und weite Kreise des russischen Volkes erhofft und erwartet hatten. An die Stelle der proklamierten Vernichtung der Ausbeutung trat das Elendsdasein des gesamten Volkes, wurde den Arbeitern und Bauern der letzte Blutstropfen herausgepreßt. An die Stelle der proklamierten Demokratie ohne Bürokraten, der Polizei und der ständigen Armee trat eine allmächtige Bürokratie und die größte Wehrmacht der Welt. An die Stelle der geforderten Teilnahme jedes einzelnen Angehörigen der Gesellschaft an der staatlichen Verwaltung ging die Herrschaft über 200 Millionen völlig rechtloser Menschen in die Hände zunächst einiger Hundert Mitglieder des Zentralkommitees, sodann jedoch in die Hände der nur wenigen Mitglieder des Politbüros der kommunistischen Partei über, schließlich in die Hände eines einzigen Mannes. Zwischen der offiziellen Ideologie und der Wirklichkeit entstand ein unüberbrückbarer Widerspruch. Was war nun zu tun? Sollte man sich von der Ideologie lossagen? Aber in dem „Kampf für den Aufbau des Sozialismus und des Kommunismus“ im Sinne Lenins fand die neue diktatoriale Gewalt die einzige Begründung ihrer Legitimität. Sollte sie nun etwa auf die Macht verzichten? Dieses war nicht möglich, denn allzu viele Menschen waren wesentlich an der Erhaltung der gewonnenen Machtfülle interessiert. Aus dieser Lage fand nun Stalin einen wahrhaft genialen Ausweg. In seinem neuen Roman „Dr. Schiwago" schildert der Verfasser Pasternak den Ausweg in der folgenden Weise: „Um den eingetretenen Mißerfolg zu verbergen, war es notwendig geworden, mit allen Mitteln des Schredtens den Mensdten das Denken und Urteilen abzugewöhnen und sie dazu zu zwingen, die Wirklidikeit nicht zu sehen, sondern das Gegenteil der Wirklichkeit anzuerkennen. Hieraus entstand die beispiel'lose Grausamkeit des Regimes des berüditigten GPU-Leiters Jeschoff, die Verkündung einer Verfassung, deren Durchführung gar nicht beabsichtigt war, und die Einführung von Wahlen, die nun keineswegs auf Grundwahlen aufgebaut waren“

Mit anderen Worten — der Ausweg aus dem Widerspruch zwischen Ideologie und Wirklichkeit wurde darin gefunden, daß die Ideologie als außerhalb der Kritik stehend erklärt wurde. Der Wirklichkeit wurde ein ideologischer Überbau aufgestülpt, der angeblich die Wirklichkeit verständlich machen sollte, tatsächlich jedoch im vollen Widerspruch zu ihr stand. Es wurde befohlen, diesen Überbau wirklicher als die Wirklichkeit anzuerkennen. Um nun einen derartigen völlig normalen und unhaltbaren Zustand aufrecht zu erhalten, war es notwendig, jeden Anspruch auf Kritik oder geistige Freiheit rücksichtslos zu unterdrücken. Wie konnte man nun die Revolutionäre von gestern zu gehorsamen Konformister machen. Stalin fand darauf die Antwort: Mit dem Terror, mit dem sie teils gebrochen, teils vernichtet werden müßten. Die zwingende Notwendigkeit, den sich vertiefenden Abgrund zwischen dem Regime und der das Regime rechtfertigenden Ideologie zu überbrücken, bildete den ersten Anlaß, den Stalin auf den Weg des Terrors führte. Es war unbedingt erforderlich, den ideologischen Widerstand gegen das neue Regime zu brechen, das sich als etwas ganz anderes erwies, als dies die alten Revolutionäre von 1917 erwartet hatten.

Es ist begreiflich, daß sich hinter dem ideologischen Widerstand ge-gen das neue Regime die verschiedensten Formen des politischen Widerstandes verbargen, der Klassenkampf innerhalb der neuen Gesellschaft, obwohl nach den Gedanken der Schöpfer der Revolution dem Klassenkampf jeglicher Art ein für alle Male ein Ende bereitet werden sollte. Zwischen wem ging nun der Kampf?

An der Spitze der kommunistischen Revolution stand ursprünglich eine kleine Gruppe radikaler russischer Intellektueller, — Menschen besonderer psychologischer Struktur. Die russische Intelligenz ist in keiner Weise die gleiche wie die Intelligenz des Westens. Der bekannte russische Philosoph Berdjaew charakterisiert die russische Intelligenz mit den folgenden Worten: „Die russische Intelligenz stellt ein ganz eigenartiges, allein in Rußland bestehendes geistig-soziales Gebilde dar. Die russisdie Intelligenz war die Klasse der Idealisten, eine Klasse von Menschen, die sich völlig einer Idee hingegeben hatten und bereit waren, für ihre Ideen ins Gefängnis, in die Zwangsarbeit und zur Hinrichtungsstätte zu gehen. Die Unmöglichkeit, eine politische Aktivität zu entfalten, führte dazu, daß sie in der Zeit der Monarchie und der Leibeigenschaft der Bauern alle möglichen äußerst radikalen, sozialen Thesen propagierten“ Diese Charakteristik trifft in vollem Maße auf die frühen Bolschewisten, auf Lenin, Trotzki und einen großen Teil der Umgebung dieser Männer zu. Nach dem Gedanken Lenins sollte die Diktatur des Proletariats gerade von solchen Menschen verwirklicht werden, die zu jeglichem Opfer bereit waren und nicht das mindeste für sich selbst suchten. Von dem wahren Wesen der menschlichen Natur, wie von der verwickelten Struktur einer modernen staatlichen Verwaltung hatte Lenin nur eine höchst blasse Vorstellung.

Die Diktatur, wieviel auch in der Sowjetunion über deren proletarischen Charakter geschrieben worden ist, besteht nun niemals unab-hängig von den tatsächlichen Trägern der staatlichen Gewalt, in der Sowjetunion der hunderttausend Partei-und Staatsfunktionäre. Zwar erklären sich diese Träger und Vollstrecker der Macht als die Vertreter des Proletariats. Tatsächlich sind sie aber keinerlei Kontrolle weder seitens des Proletariats, noch seitens irgendeiner Gruppe der Bevölkerung unterworfen. Allein den über ihnen stehenden Bürokraten sind sie verantwortlich. Die Erwartung Lenins, daß die Masse dieser Träger der Gewalt ausschließlich aus idealistischen Motiven handeln und nichts für sich selbst verlangen werde, hat sich in keiner Weise erfüllt. Im Zuge der Revolution war die früher herrschende Klasse vom Gesicht der Erde weggefegt worden. Aus dem geschichtlichen Nichts gelangten einige Hunderttausend geistige Arbeiter, Bauern und Halbintellektuelle auf die Höhen der Macht. Sie waren zu Herrschern über ein gewaltiges Gebiet geworden, ohne irgendeiner Kontrolle von unten her unterworfen zu sein. Die Revolution gab das Monopol der politischen Macht uneingeschränkt in ihre Hände, dann das Monopol über die Industrie und Landwirtschaft Rußlands. Diese Männer, die nun keineswegs die typische Psychologie der Intellektuellen besaßen, waren in keiner Weise daran interessiert, Gerechtigkeit vor Gewalt zu stellen oder etwa den mystischen „Interessen des Proletariats“ zu dienen. Mehr als an allem anderen ging ihr Interesse auf die Festigung ihrer mit so vielen Mühen erworbenen Machtposition. Vom ersten Tag der Revolution an kämpften sie, von jeder Kontrolle seitens des Proletariats befreit, ausschließlich für ihre eigenen Interessen. Auf diese Weise entstand die neue herrschende Klasse, die Djilas zutreffend als eine „politische Bürokratie"

bezeichnet. In der ersten Periode war diese neue Klasse im Ganzen gleichbedeutend mit dem Parteiapparat der kommunistischen Partei.

Die nach der Revolution entstandenen neuen sozialen Zustände wurden von nun der neugebildeten herrschenden Klasse entsprechend ihrer Ideologie mit „Sozialismus" bezeichnet. Wie sah aber nun die Wirklichkeit aus? Die Nationalisierung der Produktionsmittel, die die neue Klasse als den Übergang der Produktionsmittel in das Eigentum der Allgemeinheit erklärte, bedeutete in Wirklichkeit nichts anderes als den Übergang aus privaten Händen in den kollektiven Besitz der neuen herrschenden Klasse. Der rechtlichen Form nach wurden die Produktionsmittel als staatliches Eigentum erklärt. „Die neue Klasse“, schreibt Djilas, „benutzte jedoch den staatlichen Apparat als Werkzeug, für die eigenen Interessen. Das Recht ant Eigentum ist“, so schreibt er weiter, „nidtts anderes, als das Recht auf die Einkünfte und auf die Verfügung über das Eigentum. Wenn nun soldte Redtte kennzeidtnend für die Klassen-Privilegien sind, so mufl man sdtliefllidi zugeben, daß die kommunistische Herrsdtaft die Grundlagen für einen neuen Eigentumsbegriff und für eine neue herrschende exploitierende Klasse gelegt hat"

Das besondere Kennzeichen der neuen Klasse ist nun — wie Djilas nachweist — das Monopol an der politischen Macht. Die Machtfülle haben die höheren Parteikreise. Aber gerade diese Kreise, in der Zeit nach der Revolution, zum Unterschied zu der gegenwärtigen Lage waren ihrer Mentalität nach, keineswegs mit der Masse der Apparatschiks gleichzusetzen. Die oberen Schichten der Partei bestanden damals aus der Parteiintelligenz, deren geistige Verfassung Berdjajew so treffend charakterisiert hat. Diese Intelligenz sah sich gezwungen, der Partei-bürokratie eine Reihe von Zugeständnissen zu machen. Die Intelligenz lebte in der Furcht der immer deutlicher sich abzeichnenden Konturen der neuen Klassengesellschaft. Nicht um eine Klasse von Exploiteuren durch eine andere exploitierende Klasse zu ersetzen, hatte sie schließlich die Revolution gemacht, sondern allein mit dem Ziel, ein für alle Mal jeglicher Ausbeutung der Menschen ein Ende zu bereiten. Sie idealisierte das Volk und liebte das Volk. Deshalb widersetzte sich die damalige Parteiintelligenz der Bildung der neuen Klassengesellschaft. Sie wehrte sich gegen alle Maßnahmen, die sichtbar zu der Festigung der Herrschaft der Apparatschiks der Partei über das Volk und zur Errichtung eines echten Monopols der Macht führen mußten. Dieser Widerstand fand seinen Ausdruck in zahllosen „Oppositionen“, an denen tatsächlich sämtliche Anführer der Oktober-Revolution von 1917, allerdings mit Ausnahme von Stalin, teilnahmen. Diese oppositionellen Gruppen fanden damals bei den niederen Parteimitgliedern in der Provinz, also bei den richtigen Apparatschiks, keine wesentliche Unterstützung. Statt dessen — was höchst charakteristisch ist — wurden sie regelmäßig von vielen Parteigruppen an den Akademien und Universitäten unterstützt. Die Programme dieser oppositionellen Gruppen, insbesondere der rechten Gruppe, die unter Führung von Bucharin stand, waren äußerst kennzeichnend. Sie wandten sich gegen die Zwangskollektivisierung, gegen die forcierte Industrialisierung, gegen die Herabsetzung der Lebenshaltung. Sie traten in erster Linie für die Herstellung von Verbrauchsgütern ein, für eine wenigstens innerparteiliche Demokratie, somit auch für das Recht der Kritik an der Ideologie. Die linke Opposition, die erstlinig mit dem Namen Trotzki verbunden ist, stellte das Primat der Weltrevolution vor den Aufbau des Sozialismus in einem Lande und wandte sich dagegen, daß die Interessen der machtvollen politischen Bürokratie bestimmend für die Politik der Sowjetunion würden. Zwischen diesen beiden Hauptgruppen der Opposition bestand viel Gemeinsames. Es war daher nicht zufällig, daß der Über-gang von einer Gruppe zur anderen fortgesetzt mit großer Leichtigkeit erfolgte. Dem Wesen nach kämpften diese oppositionellen Gruppen für die Interessen der verschiedenen Schichten der Nation und gegen die Interessen der politischen Bürokratie, die die reale Macht an sich gerissen hatte. Das war damals diese Parteiintelligenz, die die Partei-Apparatschiks daran hinderte, ein totalitäres Regime und ein echter Monopol der Macht zu errichten. Dieser Widerstand mußte daher unbedingt gebrochen werden. Angesichts der besonderen Psychologie dieser Intelligenz ist es verständlich, daß der Widerstand von dieser Seite nur durch Terror gebrochen werden konnte. Dieses ist nun die zweite Ursache, warum die Apparatschiks der kommunistischen Partei in den dreißiger Jahren den Stalinistischen Terror unterstützten.

Atomisierung der Gesellschaft

Der Terror richtete sich daher hauptsächlich gegen die Parteiintelligenz und erfaßte nur am Rande weitere Schichten der Bevölkerung. Dem „Geheimbericht“ von Chruschtschow auf dem XX. Parteikongreß können wir folgende Zahlen entnehmen: „Von 139 Mitgliedern und Kandidaten der Partei, die auf dem XVII. Parteikongreß anwesend waren, wurden 98, somit 70°/0, verhaftet und erschossen, die Mehrzahl davon in den Jahren 1937/38. Von 1 956 Delegierten, die im Parteikongreß das volle Stimmredit besaßen, wurden 1108 wegen konterrevolutionärer Tätigkeit verhaftet“.

Ein weiterer Grund, der die Apparatschiks der Partei in den dreißiger Jahren veranlaßte, den Stalinistischen Terror zu unterstützen, bestand in der zwingenden Notwendigkeit, den Widerstand in den unteren Schichten, besonders unter den Bauern, zu brechen. Wenn man von dem Bürgerkrieg von 1917— 1920 absieht, so erfaßten in den ersten 15 Jahren nach der kommunistischen Machtergreifung die ausgedehnten Bauernaufstände viele Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Auf-ständischen. Zu den bekannten Bauernaufständen gehört der von Kronstadt, den Lenin selbst als den Ausdruck der Unzufriedenheit der Bauern bezeichnete. Dann weiter die Bauernaufstände im Altai-und Kubangebiet und in den mittelasiatischen Gebieten. Im Gebiet von Altai waren z. B. während 4 Jahren die Kommunisten aus einem Gebiet in der Ausdehnung von Deutschland völlig verjagt worden. Der mittelasiatische Aufstand von 1931 wurde von ungefähr einer Million Widerstandskämpfern getragen. Nachdem der Aufstand gewaltsam gebrochen war, flohen ca. 200 000 Menschen über die Grenzen nach Afghanistan. Der Widerstand der Bauern wurde durch Terror und Hunger gebrochen. Allein im Jahre 1933 gingen 3 Millionen Menschen allein in der Ukraine zugrunde.

Um den aus verschiedenen Quellen gespeisten Widerstand endgültig zu brechen, und die politische wie ideologische Monopolstellung der Partei endgültig zu sichern, mußte die neue Klasse zum Terror greifen, ungeachtet der Tatsache, daß die durch den Terror geschaffene Atmosphäre sich schädigend, auch für die neue Klasse auswirkte. Im großen erwies sich die von Stalin geschaffene Politik des Terrors als durchaus erfolgreich. Die Folge war die völlige Unterdrückung jeden sichtbaren Widerstandes. Auf sozialem Gebiet führte der Terror zu einer völligen Atomisierung der Gesellschaft der Sowjetunion. Die Menschen hörten auf. einander zu trauen. Alle gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander waren zerrissen. Eine Zeit lang schien es sogar, daß die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander zerrissen waren. Nach der berühmten Affäre des Pioniers Pawlik Morosow, der seinen eigenen Vater denunziert hatte, vermochten Eltern nicht mehr ihren Kindern zu trauen. Erst allmählich stellten sich wieder normale Familienverhältnisse ein. Keineswegs jedoch in den gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen. Das Machtmonopol der neuen Klasse wurde vollständig.

Die entscheidende Aufgabe der Diktatur bestand von nun an darin, die Gesellschaft in einem atomatisierten Zustand zu halten. Was bedeutet das nun? Das bedeutet zunächst, daß die Bildung von irgendwelcher Art Beziehungen unter den Menschen nicht zugelassen werden durfte. Die Diktatur konnte es nicht dulden, daß außerhalb des Parteiapparates sich das bildete, was die amerikanischen Soziologen eine „concentration of power“ nennen. Ich denke hierbei nicht an eine organisierte Zusammenfassung von Menschen, die sich den Kampf gegen die Diktatur bewußt zum Ziele gesetzt haben, sondern darüber hinaus an die spontan entstehenden Interessengruppen und an die gegenseitige Hilfe der Menschen nach dem Prinzip: „Eine Hand wäscht die andere“.

Die Politik des Schreckens war darauf gerichtet, zwischen den Menschen Mißtrauen zu säen und auf diese Weise alle Beziehungen unter den Menschen zu vernichten, um sie damit hilflos der Macht des staatlichen Apparates auszuliefem. Sobald sich irgendwo eine Gruppe von Menschen bildete, die möglicherweise sich den staatlichen Interessen entgegenstellen könnten, erfolgte unmittelbar eine Säuberungsaktion.

Kurz nach Ende des Krieges wurde die sogenannte „Säuberung der Armee von Helden" durchgeführt. Tausende von Offizieren, durch die Tradition des Frontkampfes miteinander verbunden, wurden auf die verschiedenen Teile des Reiches verbannt, teilweise sogar nach Sibirien verschickt. Folgerichtig führte Stalin seine Politik der Vernichtung des Milieus durch, wo möglicherweise eine Opposition entstehen könnte.

Diese Politik ist, was ich Massenterror nenne. Von 1939 an war es schließlich Stalin gelungen, die völlige Atomisierung der sowjetrussischen Gesellschaft auf dem Wege lokaler Säuberungsaktionen aufrechtzuerhalten. Diese zweifellos erfolgreiche Politik Stalins hatte aber eine Kehrseite. Hinter der äußeren Unterwürfigkeit verbarg sich häufig Abscheu und Ablehnung des Regimes, die ihren Ausdruck in der Fahnenflucht von ca. zwei Millionen Soldaten zu Beginn des Krieges, sodann in der massenweise Mitarbeit der Bevölkerung mit den deutschen Truppen fand, obwohl das Verhalten der Hitler-Truppen auf russischem Gebiet gemäß der Stellungnahme Hitlers zum Slawentum als einer minderwertigen Rasse von großer Grausamkeit war. Außerdem gebar die Angst ein Gefühl der fehlenden Initiative, sowie die Notwendigkeit einer verwickelten und teuren bürokratischen Kontrolle.

Unterdessen wurde die soziale Struktur der sowjetischen Gesellschaft immer vielgestaltiger. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Industrie gewann die technische Intelligenz und der Apparat der wirtschaft-liehen Verwaltung weitgehend an Einfluß. Diese Schichten der Gesellschaft empfanden sich als ein Teil der neuen Klasse, jedoch entsprach ihr Einfluß im politischen Leben der Gesellschaft nicht ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft. Die fortgesetzten Eingriffe der Geheimpolizei und ahnungsloser Apparatschiks in die Führung der Geschäfte wuchs sich zu einer schweren Belastung des gesamten Wirtschaftsapparates aus. Wie schwer es den Wirtschaftsführern fiel, sich dem Parteiapparat unterzuordnen, geht aus der Erzählung von Granin „Die eigene Meinung“ hervor. Der Held dieser Erzählung, Direktor eines wissenschaftlichen Institutes, gibt erst nach schwerem seelischen Kampf seine Überzeugung gegenüber einem völlig bedeutungslosen allmächtigen Instrukteur der Partei auf und bekennt hierbei, daß er ein Feigling sei.

Trotz der Kontrolle durch die geheime Polizei entstand in den Kreisen der Wirtschaftsführung eine Methode der gegenseitigen Abdeckung ihrer Interessen. Im Winter 1952/53 beschloß Stalin eine neue allgemeine Säuberungsaktion durchzuführen. Diese Säuberung sollte nach seinen Plänen in 3 Richtungen verlaufen: Sie sollte sich erstens gegen die Juden richten, die im Hinblick auf ihre Beziehungen zu Israel als unverläßlich angesehen wurden, zweitens gegen die Intelligenz, und drittens gegen die Wirtschaftsführer. Ein Monsterprozeß, der Ende 19 52 in Kiew stattfand, zeigte deutlich, in welcher Richtung die Entwicklung verlief. Eine hysterische Furcht ergriff das ganze Land, einschließlich der Mitglieder des Politbüros. Aber im März 19 5 3 starb Stalin. Die neue Klasse fühlte sich in der damaligen Situation von keiner Opposition mehr bedroht. Sie meinte, daß die russische Gesellschaft nach den Jahrzehnten des Terror-Systems Stalins nun vollständig atomisiert sei, so daß eine irgendwie geartete Bedrohung ihrer politischen Monopolstellung nicht mehr zu befürchten sei. Andererseits war die Gefahr seitens der Organe der Staatssicherheit, die damals eine absolute Machtfülle hatten, sehr groß. Der neuen Parteileitung fehlte sowohl die Weitsichtigkeit wie die richtige Einschätzung der entscheidenden Parteiinteressen, wie dieses so kennzeichnend für Stalin war. In hohem Maße war sie augenblicklichen, vorübergehenden Stimmungen unterworfen.

Außerdem war ihre personelle Zusammensetzung keineswegs einheitlich. Damals, im Frühjahr des Jahres 1953 nach dem Tode Stalins, war sich das ganze Volk einig in dem einen Wunsch, mit dem Terror und der Willkür der Geheimpolizei endgültig Schluß zu machen. Die Parteileitung gab diesem allgemeinen Drängen nach, umsomehr als der Apparat der Staatssicherheit in den Händen des allmächtigen Berija eine Bedrohung des Lebens und der Sicherheit nicht nur der breiten Massen des Volkes sondern auch eines jeden Mitgliedes der kollektiven Parteileitung bedeutete.

Parteifunktionäre werden Parasiten

Die Auflösung und anschließend durchgeführte Rückführung des gesamten Staatssicherheitsapparates auf eine zweitrangige Position war 195 3 das wichtigste Ereignis im Leben der sowjetrussischen Gesellschaft, seit der großen Säuberung von 1937. Es entstand aber damit für die politische Bürokratie die schwerwiegende Frage, mit welchen Methoden in Zukunft die sowjetrussische Gesellschaft ohne Massenterror zu lenken sei.

Auf der einen Seite suchte sie nach Aufgabe des Massen-Terrors eine Sicherheitsgarantie für die neu-stabilisierte regierende Klasse zu erreichen. Auf der anderen Seite ergab sich für die politische Bürokratie die zwingende Notwendigkeit, das Monopol der Macht nicht aus der Hand zu geben und die Gesellschaft weiter im Zustand der Atomisierung zu halten. Jetzt, wo ihre Machtstellung gefestigt war, zeigte die neue regierende Klasse nur den einen Wunsch, ohne das Mittel von Massensäuberungen in aller Ruhe die Früchte des gewonnenen Sieges zu genießen. Dies schien durchaus verständlich. Aber es ergibt sich die Frage, aus welchem Grunde die Parteileitung darauf bestand, das Monopol der Macht weiter in den alleinigen Händen zu bewahren, und aus welchem Grunde damals der Weg der etappenweisen Demokratiesierung nicht beschritten würde? Machthaber pflegen erfahrungsgemäß nur höchst ungern auch nur Teile der errungenen Macht auszugeben. Das ist aber nicht das Entscheidende.

Das Entscheidende ist, daß mit dem weiteren Ausbau der sowjetrussischen Gesellschaft die neue Klasse ihre innere Einheit und Geschlossenheit verliert. Einerseits entsteht die technische wie die schöpferische Intelligenz. Wesentliche Funktionen in der Leitung der Wirtschaft und der geistigen Führung der Gesellschaft liegen in ihren Händen. Die Intelligenzschicht hatte eine privilegierte Stellung errungen und gehört in diesem Sinne zu der neuen Klasse. Andererseits hat sie keinen Anteil an der Macht. Politisch gesehen ist diese führende Intelligenzschicht macht-und rechtlos und völlig der Willkür der politischen Bürokratie des Parteiapparates ausgeliefert. Es genügt darauf hinzuweisen, mit welcher Leichtigkeit Chruschtschow unzufriedenen Schriftstellern den Mund verschließen und maßgebende Wirtschafts-führer in die Provinz verbannen konnte. Zur gleichen Zeit nimmt die Rolle der die gesamte politische Macht ausübende Parteifunktionäre immer deutlicher parasitäre Züge an. In der Frühperiode der Mobilisierung aller Kräfte der Gesellschaft zum Aufbau der neu zu schaffenden Industrie stellte die Parteibürokratie die hierzu benötigten Kader und übernahm damit die entscheidenden Funktionen im wirtschaftlichen Leben. Jetzt aber verliert sie diese Funktionen und behält nur eine einzige Funktion: die Kontrolle der gesamten öffentlichen Tätigkeit an allen Zweigen der Verwaltung und der Wirtschaft und zwar ausschließlich im Sinne der Sicherung der eigenen Interessen. Immer deutlicher aber wird sichtbar, daß eine solche Kontrollfunktion nur für die Apparatschicks selbst nötig ist. Der Parteiapparat konnte sich die Ausübung dieser Kontrolltätigkeit nur sichern, solange das Monopol der Macht weitgehend in ihren Händen war. Sie übt diese Kontrolle in Form einer rücksichtslosen Unterdrückung aller Interessen und Wünsche der verschiedenen sozialen Gruppen und Schichten des Volkes aus, die naturgemäß mit allen Kräften danach streben, sich von der parasitären Gewalt des Parteiapparates zu befreien. Das einzige Argument, das für eine Fortdauer der Parteiherrschaft zu sprechen scheint, ist der Hinweis auf Bestrebungen internationaler Kapitalisten zur Wiederherstellung des Kapitalismus. Um ausländischen kapitalistischen Bestrebungen Widerstand leisten zu können, sei die Geschlossenheit der Partei und die Unterordnung der gesamten gesellschaftlichen Interessen unter die Leitung der Partei notwendig, so argumentieren Parteiideologen. Je mehr sich jedoch die Macht Rußlands festigt, um so eindeutiger erweist sich, daß die ausländischen Kapitalisten gar nicht in der Lage sind, die ihnen zugeschriebenen Pläne durchzuführen. Dieses letzte Argument für die Ausübung der Parteiherrschaft entfällt. Die technische wie die geistige Intelligenz wird genauso wie das ganze Volk der Herrschaft der Partei müde. In welchem Ausmaß dieses eingetreten ist, das hatten die Appaschicks in der ersten Periode der Errichtung ihrer poststalinistischen Herrschaft noch nicht begriffen.

Die Parteiführer vertraten damals die Ansicht, daß die Unterwerfung unter das Regime und die Gewohnheit des Gehorchens im Laufe der Jahre im Volke bereits so tiefe Wurzeln geschlagen hätten, daß die Milderung des Terrors zu keinen ernsthaften Veränderungen in der Mentalität und dem Verhalten der Sowjetvölker führen würde. Die Apparatschicks der Partei rechneten damit, daß es ihnen gelingen werde, das Monopol der Macht allein mit Hilfe eines gewöhnlichen Polizei-regimes zu wahren, ohne nun zu den Mitteln des Massenterrors greifen zu müssen. Sie rechneten weiter damit, das gewisse wirtschaftliche Reformen zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen würden, ohne daß dabei die Kontrolltätigkeit des Parteiapparates gefährdet werde. Es wurden damals einige Reformen durchgeführt, die jedoch Folgen zeitigten, wie sie von der Parteileitung keineswegs vorgesehen waren.

Bei der Durchführung der damaligen Reform rechnete die Parteileitung immer noch mit der vom Terror geprägten Mentalität und Haltung der Menschen. Der Terror war eingestellt worden, und die Menschen verhielten sich nun ganz anders als dieses die Parteileitung angenommen hatte.

Es ist hier nicht der Ort, um Sinn und Ergebnisse der einzelnen politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen der neuen Klasse nach dem Tode Stalins im einzelnen darzustellen. Hier kann lediglich auf einige allgemeine psychologische Folgeerscheinungen und soziale Ergebnisse dieser Maßnahmen hingewiesen werden. Es erwies sich jedenfalls, daß die Wirtschaftspolitik der Parteileitung gegen ihre Wünsche zu einer erhöhten wirtschaftlichen Unabhängigkeit in der Leitung der wirtschaftlichen Betriebe führte, während die von der Partei eingenommene politische Linie eine Abschwächung der Furcht vor dem staatlichen Apparat, Versuche der Bezwingung des Parteiapparates und erste Anfänge einer Überwindung der Atomisierung der Gesellchaft hervorrief.

Hierzu sollen einige konkrete Beispiele angeführt werden. Die in der post-Stalin-Periode auf wirtschaftlichem Gebiet ergriffenen Maßnahmen führten zu einer Reorganisierung der gesamten industriellen Verwaltung. Wie bekannt, wurde die Mehrzahl der industriellen Unternehmungen der Verwaltung der örtlichen Wirtschaftsräte unterstellt, die ihrerseits der direkten Kontrolle des obersten und örtlichen Partei apparates unterstanden. Diese Reform verfolgte verschiedene Ziele: Erstens unter Bindung des Einflusses des zentralen Wirtschaftsapparates der im Gegensatz zu der zentralen Parteileitung stand. Nach Durchführung der Reformen blieb der Parteiapparat der einzige zentralisierte, und unmittelbar den Direktiven des zentralen Moskauer Parteiapparates unterstand, neben dem nur noch der geschwächte Apparat der Staats-sicherheit weiter bestand. Das zweite Ziel der Reformen war Einschränkung der Bürokratie und Förderung örtlicher Initiativen, drittens die Unterordnung der Industrie unter die alleinige Machtbefugnisse derer, die schon faktisch ihre Eigentümer sind. Für die Reform wurden auch einige andere Ziele gesetzt, die hier im einzelnen nicht weiter behandelt werden können.

Eines konnte nun der Parteiapparat nicht voraussehen: Wie weit auch die Kontrolle der wirtschaftlichen Unternehmungen ausgedehnt wurde, — die reale Verfügungsgewalt blieb doch weiter in den Händen der Wirtschaftsführer, und nicht in den Händen der Parteikontrolleure und die Wirtschaftsführer verstanden dann diese Lage ihrer eigenen Interessen voll auszunützen. Die Interessen der Leiter der sowjetrussischen industriellen Unternehmungen geht nun dahin, das auferlegte Plansoll durchzuführen. Hiervon hängt die Bewertung der Leistungen ab. Nach dem bisherigen System hatten die Leiter der industriellen Unternehmungen eine äußerst begrenzte Möglichkeit, nach eigenem Gutdünken vorzugehen, da das Zentrum selbst für die geringfügigste Maßnahmen Weisungen erteilte, und außerdem die Direktoren nur über geringe finanzielle Mittel verfügen. Während der Stalin-Epoche drohte außerdem jedem Industrieleiter bei dem kleinsten Vergehen das Konzentrationslager. Im Zuge der Reformen erhielten nun die Leiter der wirtschaftlichen Unternehmungen ein erhebliches Maß an Selbständigkeit.

Sie versuchten nun, diese neugewonnene Selbständigkeit im Sinne der eigenen Interessen ausnützten. Dieses Streben wurde von der Partei als eine „Mestnitchestwo", d. h. Lokalismus ausgelegt.

Dieser Terminus „Mestnitschestwo" stammt aus der russischen Geschichte des 16. Jahrhundert. Damals weitete sich das russische Kaiserreich nach allen Richtungen aus. Die örtlichen Machthaber, die „Wojewoden", versuchten damals eine von der zentralen Gewalt unabhängige Machtausübung zu gewinnen. Das hieß damals „Mestnitschestwo“. Die gleiche Tendenz ist unter ganz anderen Verhältnissen wieder neu zu Tage getreten und wird mit dem gleichen Begriff „Mestnitschestwo“

gekennzeichnet. Die zentralen Parteiorgane versuchten jedoch, diese neu gewonnene Selbständigkeit der wirtschaftlichen Führung wieder einzuschränken. Es kam der Parteileitung darauf an, die Befugnisse der örtlichen Wirtschaftsführer nach Möglichkeit zu begrenzen. Es hatte sich nämlich ergeben, daß die Leiter der Wirtschaftsräte die Erfüllung des auferlegten Plansolls vor allem innerhalb der LIntemehmungen ihres wirtschaftlichen Rayons zu erreichen suchten. Die Folge des Lokalismus war, daß die Verteilung der gering zur Verfügung stehenden Rohstoffe sowie der Fertigprodukte erstlinig innerhalb des Rayons erfolgte. Die Lieferungen zwischen Rayons setzten aus. Die Parteiorgane sahen sich nicht in der Lage, dieses Übel innerhalb des Sowjetssystem auf wirtschaftlichem Wege zu beseitigen. Sie schritten zu Repressalien.

Am 19. Mai 1958 wurde ein Gesetz veröffentlicht, laut welchem Wirtschaftsführer für ein solches Verhalten sich strengster strafrechtlicher Verfolgung aussetzten. Es erwies sich später jedoch, daß „Lokalismus“

keineswegs auf den Lieferungen beschränkt bleibt. In einem am 1. September veröffentlichten Artikel definiert die „Prawda“ den Lokalismus folgendermaßen: „E! uige Wirtschaftsleiter stellten die Interessen ihres Unternehniens über die Interessen des Staates“. Die „Interessen des Staates“ müssen hier als die „Interessen des Parteiapparates“ gelesen werden, in dessen Händen sich die gesamte staatliche Macht konzentriert.

Es liegt hier somit ein Konflikt zwischen den Interessen der Wirtschaftsführung und den Interessen des Parteiapparates vor. Welche konkrete Form nimmt nun diese Auseinandersetzung an? In dem Artikel der „Prawda“ heißt es: „Das Auftreten des Lokaliswus hat bei folgenden Erscheinungen seinen Ausdruck gefunden: Willkürliche Berichtigung über Sollerfüllung, das Verheimlichen und Vergeuden von wertvollen Materialien, das Streben nach einem möglichst geringen Plansoll, nad: Aufhäufung von Rohstoffen oder Mangelwaren, die Ablehnung neuer Aufträge. Einzelne Funktionäre versuditen, allen Schwierigkeiten und Mühen aus dem Wege zu gehen und entziehen sich der Einführung neuer fortschrittlicher Methoden der Produktion. Es liegen Fälle von willkürlicher Herabsetzung der zugewiesenen Budgetbeträge vor, die der Staatsplan für die Entwicklung der wichtigsten Industriezweige vorsieht. Diese Mittel wurden dann nicht ihrer Bestimmung nach verwandt. Die Pläne für die Lieferungen miteiander verbundener Betriebe wurden nicht erfüllt. Dieses Verhalten bedeutet eine Sdtädigung der staatlichen Interessen!“

Was tatsächlich vorging war, daß die örtlichen Wirtschaftsführer sich der Kontrolle des zentralen Parteiapparates entzogen und für sich eine wesentliche Selbständigkeit in Anspruch nahmen. Daß sie diese Selbständigkeit zur Schädigung der Produktion mißbrauchen, liegt an dem Mangel des sowjetischen Wirtschaftssystems. Diese neugewonnene Selbständigkeit der Wirtschaftsführung, nahm praktisch die Form einer unmittelbaren Täuschung der staatlichen Kontrollen an. Die Parteikontrolle müßte hier durchgreifen.

Aber, erstens, wie es in dem Artikel der „Prawda" heißt, kennen sich die Parteifunktionäre in der Sache oft nicht aus. Da diese meistens über keine sachverständige wirtschaftliche Ausbildung verfügten, sind sie gezwungen, den wirtschaftlichen Experten Glauben zu schenken. Die „Prawda“ betonte weiter, daß häufig die Parteifunktionäre zweifelhafte Dienste seitens der Wirtschaftsführer annehmen und in Abhängigkeit von den Leitern der Unternehmungen geraten.

Das letztere ist für Menschen, die die Situation in der Sowjetunion nicht kennen, nur schwer verständlich. Darf ich daher ein konkretes Beispiel anführen:

Dem Parteisekretär Iwanow wird ein Sohn geboren. Die Familie benötigt daher einen Kinderwagen. Ein solcher ist im Handel nicht erhältlich. Der Parteisekretär Iwanow ruft daher am Telefon den Direktor des mechanischen Kombinats Petrow an und bittet ihn, einen Kinderwagen für seinen Sohn anzufertigen. Der Direktor Petrow ist selbstverständlich einverstanden, erwartet jedoch aus diesem Anlaß seinerseits von Iwanow einen Dienst. Falls Iwanow darauf nicht eingeht und ihm ein zweiter Sohn geboren wird, wird er nun nach Moskau fahren müssen, um sich dort einen Kinderwagen zu beschaffen.

Verliert der Parteiapparat die Kontrolle?

Auf diese Weise hört praktisch das System der Kontrolle im Interesse des Staates auf zu funktionieren. Die reale Verfügungsmacht der Wirtschaftsleiter gerät in Konflikt mit der politischen Leitung des zentralen Parteiapparates und erweist sich stärker als diese. Die Wirtschaft beginnt sich auf Teilgebieten dem Einfluß der Parteifunktionäre zu entziehen. Die Parteileitung ist heute nicht mehr überzeugt, daß ihre Kenntnisse von dem Stand der Wirtschaft der Wirklichkeit entsprechen. Die Wirtschaftsleiter haben sich tatsächlich ein erhebliches Maß an Selbständigkeit errungen. Eine derartige Entwicklung wäre in der Epoche des Terrors undenkbar gewesen. Damals hätte auch nur die geringste Abweichung von den Direktiven des zentralen Parteiapparates zur Hinrichtung geführt. Und diese Abweichung war außerdem sehr leicht zu entdecken, da die ganze Wirtschaft dem zentralisierten Expertenapparat untergeordnet war. Die Wirtschaft ist heute über diesen Zustand hinausgewachsen. In der Sowjetunion bestehen heute 200 000 industrielle Unternehmungen und ca. 100 000 Baustellen. Chruschtschow hat in seinem Bericht über die Dezentralisierung der Wirtschaft in überraschender Weise nachgewiesen, daß die Wirtschaft unmöglich weiter vom Zentrum aus geleitet werden könne. Das neue System der örtlichen Wirtschaftsführung führt aber zu einer Autonomie der Wirtschaft, entreißt die Wirtschaft der Macht des Parteiapparates und enthüllt, — wie überflüssig eigentlich das Monopol des Parteiapparates ist. Hierin liegen nun die wichtigsten sozialen Folgen der jetzt durchgeführten Dezentralisierung der Wirtschaft unter dem Ausbleiben des Massenterrors.

Ein weiteres Beispiel: Das von Stalin durchgeführte Kolchose-System, das auf die Interessen der Kolchose-Bauern keinerlei Rücksicht nahm, hat zu einem Verfall der gesamten Landwirtschaft geführt. Hiervon hat Malenkow in seinem Bericht auf der September-Tagung des Plenums von 1953 ein rückhaltloses Bild gegeben. Es wurden damals Maßnahmen ergriffen, um der Kolchose-Wirtschaft einen neuen Auftrieb zu verleihen: Den Kolchose-Bauern wurde die Möglichkeit selbständiger Planung gegeben, die Lieferungspreise der landwirtschaftlichen Produkte wurden erhöht. Wie bekannt ist, besteht neben der staatlichen Verteilung ein freier Markt für den Absatz der landwirtschaftlichen Produkte der Kolchosebauern. Infolgedessen bestand in den Kolchosen von Anfang an das Bestreben nach Umwandlung der Kolchosen in gewöhnliche Kooperative. Die Leiter der Kolchosen interessierten sich öfters weit mehr für die Interessen der Kolchosebauern als für die Interessen des Staates. Im Jahre 1947 verfaßte der Sowjetschriftsteller Wirta ein Theaterstück, das den Titel trug: „Unser tägliches Brot". Es wird darin der Leiter eines Kolchoses namens Tichoj geschildert, der den Bauern einen über das amtlich festgesetzte Ausmaß hinausgehenden Anteil an der Ernte herabsetzte und diesen Anteil auf den Markt brachte, um die damit gewonnenen Einkünfte für den Ausbau des Kolchos zu verwenden. Selbstverständlich landete Tichoj im Gefängnis. Dieses ist ein äußerst typischer Fall, der in seinem Ausgang ebenso typisch für die Epoche des Stalin-Terrors ist. Das Verbrechen gelingt zwar nicht, aber der Verbrecher kommt ins Gefängnis. Die „Interessen des Staates" sind gewahrt, die Kontrolle ist vollständig.

Im Jahre 1958 erschien in der Zeitschrift „Swesda“ No. 7— 8 eine Erzählung mit dem Titel „Der goldene Ring“. In dieser Erzählung wird der Vorsitzende eines Kolchoses namens Melnikow geschildert, der den ihm unterstellten Kolchose eindeutig gemäß den Interessen des Kolchos und nicht des Staates leitete. Dieser Mann äußerte offen seine Meinung, daß der Kolchos ein Handelsunternehmen sei. Er handelt nun gemäß dieser Überzeugung. Unter seiner Leitung befanden sich die ihm von der Regierung übergebenen Traktoren. Melnikow versuchte nun, mit diesen Traktoren möglichst gute Geschäfte zu machen und verwandelte praktisch seinen Kolchos in ein privates Transportunternehmen. Er führte in seinem Kolchos einen schwunghaften Gemüsehandel ein. Im Herbst kaufte er bei seinen Nachbarn zu billigen Preisen Kohl auf, den er dann im Frühjahr mit erheblichem Gewinn auf dem städtischen Markt absetzte. Hierbei erzielte er für sein Kolchos Millionenbeträge. Es liegt hier somit der typischste Fall eines privaten Unternehmers vor, der nun keineswegs sich bemüht, möglichst viel für den Staat herauszuwirtschaften und dem Kolchos lediglich das verbliebene Minimum zuführt. Er handelt vielmehr erstlinig im Interesse seines eigenen Kolchos.

Was geschieht nun letzten Endes mit dem „Kolchos-Kapitalisten“ Melnikow? Sein unkorrektes Verhalten wird enthüllt und er bereut, daß er vom Standpunkt des staatlichen Interesses unrichtig gehandelt hat. Hierin liegt der Propagandawert der Erzählung. Melnikow bleibt aber tatsächlich weiter Leiter des Kolchos. Die Tatsache, daß er längere Zeit erfolgreich zum Nachteil des Staates, somit der politischen Bürokratie, den Kolchos geleitet hatte zeigt deutlich, bis zu welchem Grade heute die Befreiung der Kolchosen von der Kontrolle des staatlichen Apparates fortgeschritten ist. Daß der Betrüger Melnikow aber dank des Vertrauens seiner Bauern weiter auf seinem Posten verbleibt, zeigt nun, wie sich die Arbeitsbedingungen in den Kolchosen seit dem Jahre 1947 geändert haben. Ähnliche Vorkommnisse, wie sie sich jetzt auf dem Gebiet der Industrie abspielen, sind also auf dem Sektor der Landwirtschaft zu finden, nämlich der gleiche Rückgang der Kontrolle des Parteiapparates. Die Schwächung des Parteieinflusses ist die natürliche Folge der den Kolchosen eingeräumten neuen begrenzten Freiheit in der Planung und Leitung der Produktion, ohne die eine Leistungssteigerung in der Landwirtschaft unmöglich geworden ist. Der Widerspruch zwischen den Forderungen einer sich weiter entwickelnden Landwirtschaft und dem Monopol der Parteibürokratie und ihrer Verfügungsmacht über das Eigentum tritt im Dorf deutlich zutage. Die Notwendigkeit einer elementaren Rationalisierung in der Wirtschaftsführung zwingt die Parteifunktionäre, auf bestimmte Maßnahmen zu verzichten, die die Monopolstellung der Partei am besten sichern, (wie z. B. auf eine zentrale Planung der landwirtschaftlichen Produktion). Analoge Tendenzen treten also auf dem Gebiet der Industrie wie der Landwirtschaft zutage. Der Ausbau der Wirtschaft führt unvermeidlich zu der Notwendigkeit, die bisherigen Methoden der staatlichen Lenkung abzuändern, und zwar in der Richtung einer Dezentralisierung der staatlichen Kontrolle und einer erhöhten Selbständigkeit der unmittelbaren Produzenten. Es ist nur natürlich, daß die unmittelbaren Produzenten unter den Umständen des Wegfalles des Terrors mit allen Kräften bemüht sind, ihre neu gewonnene Selbständigkeit und die Schwächung der staatlichen Kontrolle im eigenen Interesse auszunützen. Eine solche Entwicklung führt nun zum Zusammenbruch der Monopolstellung des Parteiapparates und seiner bisherigen unbegrenzten Verfügungsgewalt über das Eigentum. Das Monopol der Partei bildet aber die eigentliche Grundlage seiner Existenz. Der Parteiapparat ist sich hierüber im klaren. Je weiter die Unterhöhlung der Monopolstellung des Apparates fortschreitet, umso aktiver werden naturgemäß die von der Partei ergriffenen Gegenmaßnahmen. Die objektiven Tendenzen der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung führen jedoch unvermeidlich dazu, daß die Macht der Parteifunktionäre untergraben wird. Die Machtstellung des Parteiapparates wird immer stärker als unerträglich empfunden und hindert die allgemeine Entwicklung. Unter diesen Umständen ist es unvermeidlich, daß sich schließlich eine politische Opposition gegen die Machtstellung der Parteifunktionäre bildet. Tatsächlich ist in Gestalt des sogenannten „Revisionismus" heute eine politische Opposition in Bildung begriffen.

Das Auftreten des „Revisionismus”

Das Auftreten des „Revisionismus" ist sichtbar die wichtigste polihische Folgeerscheinung der Aufhebung des Terrors. Stimmungen, die dem Revisionismus zugrunde liegen, bestanden bereits zur Zeit Stalins. Hier können einige Beispiele gegeben werden: Im Jahre 1952 hatte sich aus der Jugend heraus eine Gruppe Moskauer Studenten gebildet, die beschloß, eine anti-stalinistische Propaganda ins Leben zu rufen. Diese Gruppe existierte Monate lang. Auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit gelang es ihr, persönlich gegen Stalin gerichtete Propagandaschriften in Umlauf zu setzen. Diese Schriften wurden in der Druckerei eines Institutes hergestellt. Dort versammelten sich die Studenten des Nachts, nachdem es ihnen gelungen war, sich der Schlüssel zum Eingang in das Institut zu bemächtigen. Die Gruppe wurde nach 6 Monaten ihres Bestehens verhaftet, drei ihrer Anführer wurden erschossen. Es gab also auch damals politischen Widerstand. Im Jahre 1952 wurde in Moskau geheim auch das folgende Gedicht verbreitet: Und es kam die letzte Nacht des Regimes. Und irgendjemand — man weiß nicht warum — Steckte Moskau in Brand. Von niemand mehr geschützt ist der Kreml. Er wurde schließlich gen Himmel gesprengt. Und dann schoß jemand gegen jemand. Wie ein gigantisches Rauchfaß brannte Hotel Metropol. Die häßlichen Waben der Wolkenkratzer zerfielen. Ihre kurze Rolle war ausgespielt. Die Nacht verging. Die Toten bedeckten zufrieden den Bürgersteig, von Gehirn bespritzt. Auf blutigem Ziegelstaube lagen verkohlt an den Ecken die bekannten Bilder 6) — In dünnen Falten um die Augen, zwischen Lippen und Schnurrbart ist sein Lächeln erstarrt. Das verrotzte Kind auf der Straße spielt mit dem Zeiger, Dem Minutenzeiger der großen Turmuhr des Kremls. Unterirdische Stimmungen des Hasses gegenüber dem Regime bestanden also schon zur Zeit Stalins. Stehen nun derartige Strömungen mit dem neuzeitlichen „Revisionismus" im Zusammenhang? Der Schriftsteller Kotschetow, Stalinist und früherer Chefredakteur der „Literaturnaja Gasjeta“ bezeugt in seinem neuen Roman „Die Brüder Jerschow: „Unter der sdteinbaren Zusammenarbeit mit der Partei bei Liquidierung der Folgen des Personenkultes, revolutionäre Parolen laut verkündend haben solche Leute das Haupt erhoben, die jahrzehntelang den Mund nicht auftaten.“ Dieses Zeugnis ist außerordentlich interessant. Nach der Liquidierung des Terrors explodierten also die Sprengstoffe, die sich viele Jahre lang im Stillen im Bewußtsein der Menschen angesammelt hatten, dieses bedeutet nun keineswegs, daß zwischen den stimmungsmäßigen Situationen von 1952 und der von 1956/5 kein Unterschied sei. Im Jahre 1952 trug die gegen die Regierung gerichtete Stimmung einen zwangsmäßig radikalen Charakter. Unter der willkürlichen Herrschaft Stalins, die sich auf den keine Schranken kennenden Apparat der Geheimpolizei stützte, bestand keinerlei Hoffnung auf grundlegende Änderungen von oben. Es boten sich damals nur als Auswege: Verzweiflung oder die Hoffnung auf einen Umsturz. Der Sturz des verhaßten Berija, der rückläufige Einfluß der Staatssicherheitsorgane, die Einstellung der Massenarreste, die Amnestierung hoffnungslos in Konzentrationslager Verschollener, die Rehabilitierung zahlreicher Erschossener und schließlich der Kurs Malenkows in der Richtung einer Steigerung der Verbrauchsgüterproduktion zu Lasten der Schwerindustrie und die langsam beginnende Erhöhung der allgemeinen Lebenshaltung schufen im ganzen Lande eine neue psychologische Atmosphäre. In dieser Atmosphäre, besonders nach dem XX. Parteikongreß bildete sich eine neue weitverbreitete Gruppe, die die Auffassung vertrat, daß die Regierung „zur Vernunft gekommen sei", „endlich begriffen habe“, „dem Volk entgegen geht“ und daß grundlegende Änderungen bevorstünden. Auf der anderen Seite hatte der jahrelange Terror viele Menschen zu großer Vorsicht geführt. Es waren besonders die Menschen der mittleren Jahrgänge, die durch den Terror seelisch gebrochen waren und trotz ihrer tiefen Abscheu und Ablehnung des Regimes zu einer aktiven Mitarbeit bereitgefunden hatten, den es unwahrscheinlich erschien, daß überhaupt irgendwelche Änderungen eintreten würden. Diese Stimmung kommt deutlich in einem Gedicht von Jewtuschenko „Bahnstation Winter" auf, das in der Zeitschrift „Oktober“ 1956 erschienen ist (Nr. 10) Der Hauptheld dieses Gedichtes trifft sich mit einem Journalisten in einer provinziellen Teestube. Der Journalist war eingetroffen, um das Material für einen Artikel zu sammeln. Der Held bringt nun seine Zweifel und seine Hoffnungen vor ihm zum Ausdruck. Der Journalist, ein alter Mann, antwortet ihm nun in der folgenden Weise: Du naiver Junge! Einmal war ich genau wie Du. Ich wollte ergründen, woher alles kommt. Mir schien, ich war allem gewachsen, War bestrebt, zu verstehn und zu kämpfen, Lind die Zeit umzubauen, wie ich wollte. Ich war streitlustig und ungebeugt, Und wollte nicht vorzeitig bereuen. Dann: eine ungedruckte Novelle, Dann: Familie — dann muß man doch irgendwie leben. Jetzt bin ich ein Zeitungsschreiber, Und auch nicht der ärmste — muß ich bemerken. Begann zu trinken, bin mißmutig geworden — so sagt man. Nun, ich schreibe nicht mehr.

Und was ist heutzutage ein Schriftsteller?

Sicherlich nicht ein Anwalt des Gedankens, Sondern höchstens ein Wärter in seinem Gefängnis.

Änderung — Ja, schon.

Doch hinter neuen Phrasen verbirgt sich nebelhaftes Spiel.

Wir wiederholen das, wovon gestern geschwiegen wurde Und schweigen darüber, was wir gestern getan.

Der Held und der Verfasser dieses Gedichtes, der junge Poet Jewtuschenko, hat jedoch ganz andere Gedanken. Er ist völlig auf die Zukunft auf Änderungen ausgerichtet. Er glaubt an die Änderungen, will jedoch nicht passiv darauf warten. Er begreift die Notwendigkeit des Kampfes und glaubt, daß der Kampf möglich ist.

Ich weigre mich, der Schwäche recht zu geben Und will auch jene nicht von Schuld befrein Die die prophetische Geschichte Rußlands In Klatschereien wechseln möchten.

Die Eitelkeit, sei es das Los des Schwachen Wer andere beschuldigt, hat es leicht.

Nicht Schwäche, sondern Ruhm und große Taten, Das ist es, was Rußland jetzt von mir verlangt.

Was will ich?

Ich will mich tapfer schlagen, Und so, daß stets in allem, wofür ich mich schlag Die eine, nur die eine Wahrheit brennt, Von der ich niemals weiß.

Eine Zeitlang schien es Menschen, die ähnlich wie Jewtuschenko dachten, daß sie über eine echte Kraft für diesen Kampf verfügten. Im März 1957 antwortete Jewtuschenko seinen stalinistischen Kritikern, daß er ihnen auf die Finger klopfen würde. Nach ihrer Einstellung zu den Veränderungen können die oppositionellen Kreise der Jahre 5 5— 58, also nach drei Richtungen hin unterstrichen werden.

Der politischen Ausrichtung nach kann der Revisionismus, unbhängig von einzelnen Schattierungen, im wesentlichen vorläufig als eine einheitliche Bewegung angegeben werden. Das Wesen der Bewegung liegt im Kampfe gegen das Machtmonopol der politischen Bürokratie, und ihrer Herrschaft über das Eigentum an den Produktionsmitteln. Dem offiziellen Jargon nach, bedeutet dieses Monopol „die führende Rolle der Partei in dem Leben der Sowjetgesellschaft". Wie ein Artikel in dem Parteiorgan „Der Kommunist" Nr. 10 vom Jahre 19 57 bezeugt, richtete sich der Hauptstoß des gegenwärtigen „Revisionismus" gerade gegen „die führende Rolle der Partei im Leben des Volkes“. Nach Aussage des Blattes lehnen die Revisionisten den Führungsanspruch der Partei sowohl auf dem Gebiet der Ideologie wie auf dem Gebiet der Wirtschaft ab. Das Bewußtsein der nicht mehr tragbaren Belastung durch die Vormachtstellung der Partei ist auch in Offizierskreise eingedrungen, eine Entwicklung, die naturgemäß für die Parteifunktionäre besonders gefährlich ist. Der Chef der politischen Abteilung der Sowjetarmee, Generaloberst Golikow, schrieb am 29. August dieses Jahres in der „Prawda": „Der frühere Verteidigungsminister, Genosse Schukow, hat eine Linie vertreten, die auf die langsame Liquidierung der Tätigkeit der Parteiorganisationen, der politischen Organe und der Heeressowjets, sowie des Zentralkommitees und der Regierung hinausläuft“.

Wie wollen nun die Revisionisten die Befreiung von der Macht der hauptberuflichen Parteifunktionäre erreichen? Die Entschlossensten unter ihnen argumentieren nun einfach: In dem Roman des Stalinisten Kotschetow, der erfüllt ist von Abscheu gegenüber den oppositionellen Elementen, wird ein Gespräch wiedergegeben, das si chim Frühjahr 1956 abgespielt hat.

„Wenn wir nun die Folgen des Persönlichkeitskultes mit den Wurzeln ausreißen wollen, warum treiben wir dann nicht den alten Parteiapparat auseinander?“ Diese Frage stellt ein Student, „Weldten Apparat?“ fragt man ihn. Die Antwort lautet: „Jeden Apparat, vor allem den bürokratischen.“ Somit wollen die entschlossenen Elemente des Revisionismus den gesamten Parteiapparat verjagen. Andere sind wieder weit vorsichtiger. Sie verlangen, daß „lediglich“ die Gebiete der Wissenschaft, der Kultur und der Kunst der Leitung der Partei entzogen werden, in gleicher Weise wie die Lenkung der gesamten nationalen Wirtschaft, die in den Händen von Spezialisten übergehen soll. Nur das politische Leben darf in den Händen der Partei bleiben, aber nach Meinung dieser gemäßigten Revisionisten muß in der Parteipolitik vorerst eine Änderung eintreten. Zunächst müsse eine Sowjetdemokratie eingeführt werden, d. h. daß die Organe, die jetzt nur die Entcheidungen des Zentralkommitees durchzuführen haben, müßten in demokratische, gegesetzgebende und verwaltende Organe umgewandelt werden. Zweitens verlangen diese Elemente die Errichtung einer innerparteilichen Demokratie, d. h. die Freiheit, die eigene Meinung äußern zu können sowie Gruppen und Fraktionen bilden zu können. Auf diese zweite Forderung erwidert nun die Parteileitung, wobei sie recht hat, daß eine derartige „innerparteiliche Demokratie" tatsächlich das Ende der Einheit der kommunistischen Partei bedeuten und schließlich unvermeidlich zu einem Zerfall in einzelne Parteien führen würde.

Diesem Ideenkomplex, der „Revisionismus" genannt wird, sind viele Spezialarbeiten gewidmet worden, und wir werden uns damit nicht weiter beschäftigen. In jedem Fall geht aus dem bereits gesagten eindeutig hervor, daß der „Revisionismus“ eine Bewegung ist, die unter Einfluß der Einstellung des Massenterrors eine allgemeine Stimmung der Unzufriedenheit mit der Herrschaft des Parteiapparates an die Oberfläche getragen hat und jetzt einen politischen Kampf gegen den Parteiapparat führt. Das Ziel dieser Bewegung ist zweifellos, die Vernichtung des politischen Monopols der Parteibürokratie; die Folge dieses Kampfes wäre unvermeidlich die Bildung einer pluralistischen Gesellschaft.

Zeitweiliges Wiederaufleben normaler gesellschaftlicher Beziehungen

Die lange Dauer der unbestrittenen Herrschaft der Parteifunktionäre hat nun dazu geführt, daß diese dem echten politischen Kampf entwöhnt sind, daß sie zuerst gar nicht mehr in der Lage waren zu begreifen was nun tatsächlich vor sich geht. Die oppositionellen Elemente, hauptsächlich Studenten und Intellektuelle, verstanden es ausgezeichnet diese Situation für sich auszunützen. In den Jahren 1956/57 entspannen sich im ganzen Land auf Partei-und Komsomolversammlungen, bei literarischen Diskussionen wie in den dem Marxismus-Leninismus gewidmeten Seminare bisher noch nie erlebte Diskussionen. Die Folgeerscheinung dieser Entwicklung war, daß in Rußland der Prozeß der Überwindung der durch den Terror herbeigeführten Atomisierung der Gesellschaft einsetzte. Es begannen sich langsam wieder normale gesellschaftliche Beziehungen zu bilden. Jahrelang hatten die Menschen geschwiegen, wußten nicht was der Nachbar und der Arbeitskamerad dachte, waren voneinander durch Furcht getrennt. Jetzt fingen die Positionen an, sich zu klären, Verbündete und Gesinnungsgenossen auf der einen Seite, Feinde auf der anderen Seite fanden sich zusammen. Im Kreise der Schriftsteller kam es soweit, daß eine bemerkenswerte Organisation entstand, — die erste in der Geschichte Rußlands im Laufe der letzten 30 Jahre — die der Partei feindlich gegenüberstand und unter verhältnismäßig legalen Arbeitsbedingungen zu arbeiten vermochte. Es handelt sich hierbei um das Redaktionskollegium des bekannten Almanachs „Literaturnaja Moskwa“, daß eine Reihe oppositioneller Beiträge veröffentlichte.

Der von uns bereits erwähnte Kotschetow schildert die Redaktionskollegen in der folgenden Weise: „Der Almanach , Literaturnaja Moskwa wird ohne einen Redaktionsapparat herausgegeben, ist unabhängig und zeidtnet sich durch eine tendenziöse Einseitigkeit aus.

Die Schriftsteller, die sich um den Kreis der „Literaturnaja Moskwa zusammen-geschlossen hatten, einigten sich nach der Kritik und dem Verbot des Almanachs zu der inzwischen berühmt gewordenen „Verschwörung des Schweigens". Entgegen den Forderungen des Zentralkommitees der Partei weigerten sie sich, sich zu unterwerfen und Selbstkritik zu üben. Gegemäß der getroffenen Vereinbarung stellten sie nicht nur die Veröffentlichung oppositioneller Beiträge ein, sondern hüllten sich von nun an in Schweigen. Die Partei begann damals zu begreifen, was nun das eigentliche Ziel der Revisionisten war und die Gegenmaßnahmen wurden getroffen. Diese Vorkommnisse spielten sich nach den Ereignissen in Ungarn und Polen ab. Im November 1957 traten die Führer der 12 kommunistischen Parteien des In-und Auslandes zusammen und erklärten den Revisionismus „als die Haiiptgefährdung der internationalem kowmanistisdien Bewegung.“ Auf der einen Seite wurde damals erklärt, daß die Revisionisten eine bedeutungslose Gruppe darstellten, auf der anderen Seite wurde der Revisionismus als die „Hauptgefahr der Gegenwart“ erklärt. „Entweder beerdigen wir den Revisionismus oder der Revisionismus wird uns beerdigen. Eine dritte Lösung gibt es nidtt.“ Dies erklärte das Blatt „Moskwa" Nr. 1/1958. Den Revisionismus zu zerschlagen, sind die Apparatschicks in ideellem Kampf nicht fähig. Das einzige Argument, das von ihnen gegen den Revisionismus geltend gemacht wurde, ist die Behauptung, daß die Revisionisten „objektiv“ für die „Restauration“ des Kapitalismus mitwirken. Das ist natürlich vollendeter Unsinn. Von einer irgendwie gearteten Restauration kann selbstverständlich weder in Rußland noch in einer der Volksdemokratien die Rede sein. Eine Restauration ist erstens psychologisch ausgeschlossen. Allzu tief ist in das Bewußtsein der breiten Massen der Komplex eingedrungen: „Der Kapitalismus ist schlecht". Eine Restauration ist auch wirtschaftlich gesehen unmöglich, da nirgends Kapitalien in dem Ausmaß zur Verfügung stehen, um die gewaltigen neuen Industrieunternehmungen ankaufen zu können. Es geht heute gar nicht um die Wiederherstellung des Kapitalismus, sondern allein um die Befreiung der reif gewordenen Industriegesellschaft von der Ausbeutung durch eine einzelne Gruppe, um die Befreiung von einer selbstsüchtigen, die Entwicklung aufhaltende Diktatur, sowie um die Herstellung einer Form der sozialistischen Demokratie mit einem gemischt-wirtschaftlichen System. Alle anderen Argumente, die die Apparatschicks gegen den Revisionalismus vorbringen, entbehren auch nur des Anscheins der Wahrscheinlichkeit. Sie können ihre Position nur mit einem Faustschlag auf den Tisch und dem bekannten Polizeiruf „Schweigen" aufrechterhalten. Mit erstaunlicher Offenheit bringt das Kotschetow zum Ausdruck. „Es ist naiv, zu meinen, — so schreibt er auf der Seite 94 seines Romans — „das die von der Leitung der Partei befreite Kunst nickt sofort in die Arme der , bourgeosien Ideologie'gleiten werde.“ Mit anderen Worten: Die Parteiideologie hält sich heute nur noch dank der „Lenkung“ der Partei, hinter der die Macht eines totalitären Staates steht.

Diese Macht wurde eingesetzt und es wurde unter den Redakteuren der Presse eine Säuberungsaktion durchgeführt. Chruschtschow selbst nahm die Aktion in die Hand, um die schöpferische Intelligenz in den Zustand des Schreckens zu versetzen. Mitte des Jahres 1957 gelang es der Partei, alle Äußerungen oppositioneller Strömungen in den Seiten der Sowjetpresse zum Schweigen zu bringen. Dennoch ist das antirevisionistische Thema bis heute weiterhin das zentrale Thema aller Sowjet-publikationen. In der letzten Zeit hat diese Auseinandersetzung die Form einer anti-jugoslawischen Polemik angenommen. Marschall Tito hat durchaus recht, wenn er erklärt, daß die gegen Jugoslawien gerichtete Polemik tatsächlich nur eine Polemik gegen die fortschrittlichen Elemente des Sowjetblocks bedeuten. Es ist somit nicht gelungen, den Revisionismus ideologisch zu zerschlagen, es gelang bisher lediglich, den Revisionisten die offene Äußerung ihrer Meinung in der Presse zu untersagen.

Wir nähern uns nunmehr der entscheidenden Frage nach den Perspektiven der Entwicklung. Wir haben uns bisher bemüht nachzuweisen, daß die sowjetrussiche Wirtschaft fortschreitend der Kontrolle des Parteiapparates entgleitet, daß die Aufhebung des Terrors den Prozeß der Überwindung der atomisierten Gesellschaft ausgelöst hat, daß einflußreiche Gruppen des Volkes von dem Druck der Furcht befreit sind und das unter der Flagge des Revisionismus der politische Kampf gegen die Diktatur begonnen hat.

Daraus würde man allzu gern die Forderung ziehen, das die Tage des Regimes gezählt sind. Eine derartige Folgerung wäre jedoch, wie mir scheint, verfrüht. Nur in der historischen Sicht kann man heute Optimist sein. Der Kommunismus, jedenfalls der Sowjet-Kommunismus, wird wohl kaum zu dem ausweglosen Koschmar des Jahres „ 1948“

führen. Auf der politischen Ebene ist jedenfalls im Augenblick ein Optimismus nicht gerechtfertigt. Die politische Bürokratie verfügt heute noch über eine gewaltige staatliche Maschinerie. Viele Menschen, die mitarbeiten, verabscheuen die Diktatur, sind aber gezwungen, ihr zu dienen. Dem Zentralkommitee der Kommunistischen Partei ist es gelungen, mit der schwierigen Lage der Jahre 1956/1957 fertig zu werden und ihre Stellung erheblich zu festigen. Die Furcht vor Repressalien ist heute noch außerordentlich groß. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, daß die Repressalien aufgehört haben. Was eingestellt worden ist, ist lediglich die „soziale Prophylaxis“, d. h. die Verhaftung völlig unschuldiger Menschen, nur weil sie möglicherweise einem Kreis angehören, wo oppositionelle Meinungen entstehen könnten. Handlungen, die in der freien Welt in keiner Weise als Vergehen angesehen werden, werden in der Sowjetunion noch immer in drakonischer Weise bestraft. Ich möchte hier ein interessantes Beispiel anführen, das mir von einem Aspiranten der Moskauer Universität, einem Franzosen, berichtet wurde: Im vergangenen Semester, Sommer 1957, wurden an der Moskauer Universität zwei Widerstandsgruppen entdeckt. Die erste Gruppe an der philologischen Fakultät, bestehend aus drei ganz jungen Studenten, der eine von ihnen war der Sohn des bekannten Slawisten, des Professor Kusnetzow. Die zweite Gruppe hatte sich an der historischen Fakultät gebildet. Sie war viel größer, zehn bis fünfzehn Leute, und diese waren viel älter, nur einer war Student, die übrigen waren Aspiranten und junge Dozenten. Es ist interessant festzustellen, daß einige dieser während des polnischen Oktobers 1956 in Warschau und Spezialisten der polnischen Arbeiterbewegung waren. Merkwürdigerweise war der Führer dieser Gruppe der Komsomolsekretär der historischen Fakultät. Beide Gruppen, die voneinander nicht wußten, hatten insgeheim Pamphlete und Flugblätter geschrieben, gedruckt und in den Arbeitervierteln von Moskau verbreitet. Die Pamphlete tragen den üblichen revisionistischen Charakter, sie wandten sich gegen Chruschtschew persönlich und die KPdSU und traten für eine sowjetische Demokratie und eine Rückkehr zur leninistischen Linie ein. Die Mitglieder beider Gruppen wurden verhaftet und in einem öffentlichen Verfahren abgeurteilt. Der Prozeß der zweiten Gruppe fand gerade vor dem Welt-Jugend-Festival statt. In Moskau zirkulierten Gerüchte, daß die zweite Gruppe mit der polnischen Botschaft in Verbindung war und sogar, daß die Pamphlete in der polnischen Botschaft gedruckt worden waren. Das LIrteil lautete in beiden Prozessen auf drei bis acht Jahre Gefängnis.

In der Zeit Stalins wären sie zweifellos erschossen oder zu 2 5 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Aber selbst acht Jahre sind für ein Pamphlet ausreichend, ein hartes, auf Abschreckung abgestelltes Urteil. Dieses LIrteil zerstreut alle Illusionen und Hoffnungen, daß „von oben her“ alles wieder anders wird. Aber der Verlust von Illusionen führt zu einer Radikalisierung bei den einen, zur Verzweiflung und Einstellung jeden Widerstandes bei den anderen.

Die Sowjetgesellschaft ist heute noch in ihrer Gestalt atomisiert. Die früheren vorrevolitionären Gruppierungen sind längst verschwunden, die neuen Gruppen haben ihre Stellung noch nicht befestigen können. Dem mangelnden organisatorischen Aufbau der Gesellschaft steht eine durchorganisierte totalitäre Macht gegenüber. In diesem Zusammenhang muß nun noch ein anderer Faktor berücksichtigt werden.

Vorzeichen einer reaktionären Wendung?

Die Diktatur Chruschtschows ist keine stalinistische Diktatur. Stalin verwirklichte die Interessen der Parteifunktionäre, so wie er sie verstand. Chruschtschow ist gezwungen, mit der Meinung des Zentralkommitees zu rechnen, denn die Mitglieder des ZK bringen die Auffassung des gesamten Parteiapparates zum Ausdruck. Innerhalb der herrschenden Clique der Oligarchie hat sich eine eigenartige Demokratie herausgebildet. Die Apparatschicks fürchten den Terror nicht weniger als das ganze Land, denn unter einem Terror-Regime kann sich leicht die geheime Polizei über die Partei erheben und diese ebenso vernichten wie die übrigen Staatsbürger. Jedoch bei der Bildung des Chruschtschow-Regimes wurde eine bedeutungsvolle Vorbedingung für die Errichtung des Terrors geschaffen. Im Jahre 19 56 gab es keinen Diktator, der in der Lage gewesen wäre, praktisch den Ausbau eines Terror-Regimes durchzuführen. Jetzt ist aber der Mann vorhanden, der in der Lage wäre, die Maschinerie der geheimen Polizei wieder voll in Gang zu bringen, sofern das Zentralkommitee ihn dazu beauftragt. Falls es nun Cruschtschow auf der Höhe seiner Macht und in Geheimhaltung vor dem Zentralkommitee gelingen sollte, nach Stalins Muster ein ihm persönlich ergebenes Sekretariat zu schaffen, so könnte Cruschtschow heute mit oder gegen Vollmachten des Zentralkommitees den Terror wieder einführen. Die Frage ist nur, ob das ZK oder Chruschtschow den Mut besitzen, die Stellung des Organs der Staatssicherheit neu zu festigen und die Maschinerie des Terrors in Gang zu setzen.

Es darf nicht vergessen werden, daß der Terror nicht mehr Schrecken auslöst, sondern darüber hinaus die normale wirtschaftliche Tätigkeit untergräbt und dem Lande schwere materielle Verluste zufügt, insbesondere dadurch, daß der Terror die wertvollen Kader der Spezialisten vernichtet. Der Terror stärkt nicht allein die Parteikontrolle, sondern auch die Ablehnung des Regimes, und macht im Falle eines Krieges das Heer zu einem unverläßlichen Instrument. Chruschtschow wird sich daher siebenmal überlegen, ob er den Terror wieder einführt. Es ist theoretisch natürlich nicht ausgeschlossen, daß unterdessen die Ereignisse eine für Chruschtschow tragische Wendung nehmen werden. Die Beurteilung der gegenwärtigen Lage aber bietet keinen Anlaß zu diesem Optimismus.

In Rumänien herrscht, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ am 11. September berichtete, seit dem Juni dieses Jahres wieder der Terror. In Ungarn ist der Terror nach der Revolution niemals eingestellt worden.

Die Hinrichtung von Imre Nagy war die erste blutige Auseinandersetzung im Sowjetbereich mit Revisionisten, die sich weigerten, sich zu unterwerfen. Die unblutige Periode des Kampfes gegen den Revisionismus ist jetzt abgeschlossen. Das Strafgericht hat jetzt begonnen, obwohl es sogar im Präsidium des Zentralkommitees keine volle Unterstützung gefunden hat. Woroschilow z. B. vertritt unausgesetzt die Meinung, daß es möglich gewesen wäre, Imre Nagy nicht abzuurteilen. Das erklärte er nach einer Mitteilung der Zeitung „Manchester Guardian“ vom 15. August. Dennoch hat zweifellos das Strafgericht begonnen. Die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 5. Oktober berichtet aus Moskau: „Nach dem Urteil vieler Beobachter hat zwar Chruschtschow die alte Opposition zum größten Teil unschädlich gemacht. Aber die Gefahr, daß sich unter der Oberfläche neue Oppositionsgruppen bilden könnten, zwingt ihn zur Wachsamkeit. Die neue Verstärkung der Tätigkeit der Geheimpolizei, die man in den letzten Wochen und Monaten feststellen kann, dürfte zweifellos damit Zusammenhängen.“

All das sind äußerst ernste Vorzeichen einer reaktionären Wendung in der Sowjetrepublik. Vorläufig ist jedoch eine solche Wendung, die aller psychologischen und sozialen Folgen der Aufhebung des Massen-Terrors beseitigen würde noch nicht eingetreten, vielmehr nur eine Verlangsamung des begonnenen Prozesses der Befreiung.

Anmerkung:

David Burg, absolvierte mit Erfolg die Universität Moskau, emigrierte 1956 nach Westberlin und ist heute als freier Journalist in München tätig.

Aus dem Inhalt unserer nächsten Beilagen:

Peter Anrich: „Situation der polnischen Jugend von heute"

Leonhard Froese: „Sowjetische Menschenformung aus deutscher Sicht"

Robert Multhoff:

„Das Bild der deutschen Geschichte im Spiegel amerikanischer Geschichtslehrbücher"

Reinhold Niebuhr: „Die Ironie der amerikanischen Geschichte"

Carroll Reece:

„Das Recht auf Deutschlands Osten"

Percy Ernst Schramm: „Polen in der Geschichte Europas"

Wolfgang Schlegel: „Revision und Wiederherstellung des deutschen Geschichtsbildes"

Horst E. Wittig: „Die Marxsche Bildungskonzeption und die zweite . Polytechnisierung'

der Sowjetschule seit dem XX. Parteitag der KPdSU"

Fussnoten

Fußnoten

  1. »Oktjabr", Nr. 10, 1956.

  2. Literaturnaja Moskwa, Band I, Moskau 1956.

  3. „Literaturnaja Gaseta", 20. IV. 1958.

  4. zitiert aus dem russischen Manuskript.

  5. N. Berdjajew, Der russische Gedanke (Russkaja Ideja), S. 28, Paris 1946.

  6. Djilas: «Die neue Klasse" New York 1958, S. 53, russ. Ausgabe.

  7. gemeint sind die bekannten Porträts Stalins.

  8. A. Kotschetow, „Die Brüder Jerschow", Newa, Nr. 6, 1958, S. 94.

  9. ibid. Nr. 7, S. 73.

  10. Literaturnaja Gasjeta, 22. 5. 57.

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