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Chinas Sprung nach vorn' | APuZ 4/1959 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 4/1959 Volkskommunen in China Chinas Sprung nach vorn'

Chinas Sprung nach vorn'

Gegenseitige Abhängigkeit Peking — Moskau

China Sowjetunion Alle kapitalistischen Länder Darunter:

LISA England Frankreich Japan 1955 in 0/0 zu 1949 391, 4 226, 5 148, 5 142, 7 125, 7 135, 9 236, 6 1955 in O/o zu 1952 159, 9 142, 0 117, 7 111, 5 118, 3 115, 8 138, 1

Die große Krise, die nach den Ereignissen in Polen und Ungarn alle Länder des Ostblocks mehr oder weniger erschütterte, ist überwunden. Wer aber meint, daß mit der Überwindung dieser Krise der frühere alleinige und unumschränkte Führungsanspruch Moskaus wiederhergestellt ist, der irrt. Audi im östlichen Machtbereich kann man das Rad der Geschichte nicht restlos zurückdrehen und solche bedeutsamen Ereignisse, wie die des Jahres 1956, mußten zu Veränderungen führen. Die in allen Ostblockstaaten geführte Propaganda über die „führende Rolle der Sowjetunion“ kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß Moskau nach den Prüfungen des Jahres 1956 nicht mehr imstande war, seine alte Position im Ostblock wiederzugewinnen. Der polnische Oktober und die Revolution in Ungarn führten zwar nicht zum Siege des Nationalkommunismus. Auch Tito kam nicht zum Zuge. Aber dennoch brachte die Entwicklung nach dem XX. Moskauer Parteitag Veränderungen im Kräfteverhältnis im Moskauer Machtbereich, die von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Ostblockpolitik sind.

Diese Veränderungen werden in jüngster Zeit durch den politischen Wind, der in Peking gemacht wird, deutlich demonstriert. Wenn auch die Pekinger Führer Großbritannien nur ökonomisch in 10 bis 15 Jahren einholen wollen, so erklären sie doch, daß die „Verwirklichung des Kommunismus in China keine Frage der fernen Zukunft mehr sei" — sie also im Begriffe seien, die Sowjetunion politisch einzuholen. Allein diese Fragestellung zeigt, daß sich die Chinesen in einer stärkeren Position fühlen. Tatsächlich führte die Schwächung Moskaus durch den XX. Moskauer Parteitag und den ihm folgenden Ereignissen zu einer bedeutenden Stärkung der Stellung Chinas im östlichen Machtbereich. Die Rotchinesen gingen als Gewinner aus der Ostblockkrise hervor. Und das Sprungbrett für Mao’s „großen Sprung vorwärts“, den er heute verkündet, wurde eben durch die Vorgänge des Jahres 1956 gelegt.

Erinnern wir uns:

Mao Tse-tung war im Jahre 193 5 ohne Zutun Stalins, im Gegensatz zu der Moskauer Praxis, die Führer aller kommunistischen Parteien selbst zu ernennen, an die Spitze der chinesischen KP gelangt. Der Sieg Mao’s im Jahre 1949 war nicht ein Verdienst der Politik Stalins. Stalin riet noch im Jahre 1946 von der Politik der chinesischen Kommunisten, vom Kampf um die Macht in China, ab. Noch zur Zeit der Diktatur Stalins konnten die Rotchinesen sich eine Sonderstellung im Ostblock sichern, waren sie nicht den europäischen Satelliten gleichzusetzen, sondern bezogen die Stellung eines Juniorpartners der KPdSU.

Nach dem XX. Moskauer Parteitag fühlten sich die chinesischen Kommunisten von der Entstalinisierung kaum betroffen. Die KP Chinas war ohne Stalinkomplexe. Ja, die Abwertung Stalins führte zur Aufwertung Mao Tse-tungs. Stalin war im kommunistischen Lehrgebäude, Schüler Lenins, Theoretiker, Ideologe, Interpret der Doktrin und Praktiker in einer Person. Davon blieben nach seinem Tode und nach seiner Abwertung nur die Praktiker im Kreml übrig. Mao Tse-tung aber nimmt heute noch als einziger lebender KP-Führer ähnliche Eigenschaften wie Stalin in Anspruch. Auf der 6. Plenarsitzung der Kommunistischen Partei Chinas vom 28. November bis 10. Dezember 1958 in Wuchung wurde der Beschluß gefaßt, Mao Tse-tung, den „aufrichtig geliebten und langerprobten Führer der Völker der verschiedenen Nationalitäten des ganzen Landes" — wie es in dem Beschluß wörtlich heißt — „von seinen Pflichten als Vorsitzenden des Staates zu befreien". Mao Tse-tung, wird gesagt, soll in der Zukunft „noch besser in der Lage sein, seine Kräfte auf Fragen der Richtung der Politik und der Linie von Partei und Staar zu konzentrieren". Vor allem aber betont das ZK der KP Chinas, daß Mao Tse-tung „mehr Zeit für die theoretische Arbeit auf dem Gebiet des Marxismus-Leninismus erübrigen" soll. Auf Grund dieser Aufgabenstellung erinnern wir uns, daß Gomulka schon nach der Rückkehr von seiner ersten Reise aus Moskau nach dem „polnischen Oktober" im vertrauten Warschauer Kreise äußerte, daß nach dem Tode Stalins die Stelle des Theoretikers im kommunistischen Machtbereich vakant sei. Es ist offensichtlich, daß die Chinesen allein schon durch eine solche Aufgabenerteilung für Mao das theoretische Vakuum im Ostblock ausfüllen werden.

In der Zeit der ersten großen Krise des Ostblocks blieb die KP Chinas zunächst der einzige ruhende Pol im kommunistischen Machtbereich. Die Ereignisse in Polen und Ungarn fanden in China erst mehr als ein Jahr später ein Echo. In der Zeit der Ostblockkrise wuchs China politisch über seine Rolle als Juniorpartner hinaus. Die zahlreichen Erklärungen der Rotchinesen über die führende Rolle der KPdSU können nicht die Tatsache verdunkeln, daß Moskau seit dieser Zeit bei allen Ereignissen und Auseinandersetzungen im Ostblock auf die LInterstützung Pekings angewiesen ist. Das ist durch alle jüngsten Ereignisse von der Machtübernahme Gomulkas bis zum letzten Konflikt mit Tito erwiesen. Erst diese neue Stellung im Ostblock ermöglichte es Peking, nun auch offen in Theorie und Praxis mit eigenen, von Moskau abweichenden Ansichten und Maßnahmen, stärker hervorzutreten.

Mao’s 100-blühende-Blumenkampagne — ob sie gelungen ist oder nicht, ist für die Beurteilung der Stellung Chinas zunächst nicht das Entscheidende — war eine Häresie, eine Abweichung vom offiziellen Moskauer Dogma, die Moskau dulden mußte.

Mao’s verbissene Attacke gegen Tito galt zwar innenpolitisch den sogenannten „Rechtsabweichlern“, den verspäteten Auswirkungen der ungarischen Ereignisse in China — sollte aber außenpolitisch im gesamten Ostblock demonstrieren, daß die Zeiten, in denen Moskau den Ton allein angab, vorbei sind. Außerdem kämpfen die Rotchinesen aus ureigendstem Interesse gegen Tito. Titos Programm und politische Position stellten nicht nur die „führende Rolle der KPdSU“ in Frage, sondern auch die erworbene Sonderstellung Chinas im Ostblock. Tito strebte nach Gleichberechtigung aller Partner des Ostblocks, Chin wünscht nur die Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit für sich neben Moskau und die Unterordnung der anderen. China ist heute der ein-zigste Ostblockstaat, der eine solche weitgehende Gleichberechtigung neben Moskau erreicht hat. Diese Gleichberechtigung will Mao nicht mit den europäischen Satelliten teilen, denn auch er kämpft um die Anerkennung seiner führenden Rolle im Ostblock.

Die Tatsache, daß nicht nur China auf die Sowjetunion, sondern auch die UdSSR auf China angewiesen ist, wurde wohl am deutlichsten im Sommer des vergangenen Jahres anläßlich der Nahost-Krise sichtbar. Chruschtschow schien zunächst bereit zu sein, auch an einer Gipfelkonferenz im Rahmen des Sicherheitsrates der UNO, dem auch Nationalchina angehört, teilzunehmen — bis ihm Mao das Konzept verdarb. China erhob Einspruch: es wollte nicht übergangen sein. Und über Nacht mußte Chruschtschow nach Peking und die chinesischen Wünsche respektieren. Mit dem Geschützfeuer auf Formosa haben dann die Chinesen den Weg für solche Verhandlungen verrammelt.

Wenn es richtig ist — wie allgemein betont wurde — daß die Rotchinesen ihre Formosa-Aktion begonnen haben, um ihre internationale Anerkennung zu erzwingen und damit auch ihre Position im Ostblock zu heben, so ist nicht von der Hand zu weisen, daß Chruschtschow mit seiner jetzigen Kampagne um die „Freie Stadt West-Berlin“, auch den Chinesen den internationalen Wind aus den Segeln genommen hat.

Wir sind weit davon entfernt, uns den verbreiteten Spekulationen über den Gegensatz Moskau — Peking anzuschließen. Solche Spekulationen sind auf Grund vieler Widersprüche im sowjetisch-chinesischen Verhältnis verständlich. Sie eilen aber den Ereignissen voraus, zumal beide Partner bemüht sind, jede Auseinandersetzung zu vermeiden. Die verbreitete These und „Hoffnung“ auf den „unverweidlidien Gegensatz, der dvtrcU den kolossalen chinesischen Bevölkerungsdruck auf Sibirien“ entstehen sollte, ist inzwischen zunichte gemacht. Mao Tse-tung hat diesen Bevölkerungsdruck über die Volkskommunen in der Richtung der Steigerung der wirtschaftlichen Macht abgeleitet.

Wir sprechen hier nur von Veränderungen im Kräfteverhältnis des Ostblocks, davon, daß China seine Stellung als Juniorpartner der UdSSR politisch überwindet und heute China nicht nur auf die Sowjetunion, sondern auch die Sowjetunion auf China angewiesen ist. Die Sowjetunion ist auf einen Partner im Ostblock angewiesen — das ist das wirklich Gravierende!

Das neue Kräfteverhältnis und die politische Stellung Chinas im Ostblock wird am besten durch folgende Betrachtung erhellt: Moskau kann Tito bekämpfen, die sowjetische Presse kann die polnische Presse unter Feuer nehmen. Abweichungen jeglicher Art im Ostblock werden von Moskau angeprangert. Nur in China existieren für die Sowjets keinerlei Abweichungen, kein Wort der Kritik an China darf die sowjetische Presse äußern. Was würde geschehen, wenn Moskau das Pekinger Lehramt und die chinesische Praxis angriffe und kritisierte? Eine neue Krise im Ostblock wäre da, Lehramt würde gegen Lehramt stehen. Deshalb gibt es für Moskau im Verhältnis zu China heute nur einen Weg: Alle chinesischen Abweichungen in der Art der Volks-kommunen werden als chinesische Besonderheit, die nur in China anwendbar ist, „theoretisch begründet“.

Kritiker könnten uns die Frage stellen: Wie ist es möglich, daß China weitgehendste Gleichberechtigung neben Moskau genießt und wie ist es möglich, daß China über seine Rolle als Juniorpartner politisch hinausgewachsen ist, wenn es doch weder technisch noch wirtschaftlich mit der Sowjetunion konkurrieren kann?

Darauf können wir antworten: 1. Wie in Indien und Ägypten und überhaupt in allen Ländern Asiens und Afrikas, die ihre nationale Selbständigkeit erlangt haben, eilt auch die politische Entwicklung der wirtschaftlichen in China voraus. 2. Die Ostblockkrise des Jahres 1956 hat auch die sowjetische Wirtschaftshilfe für China so stark erschüttert, daß die Chinesen zu der Erkenntnis gelangen mußten, daß man sich nicht ewig auf die Sowjet-hilfe verlassen kann. Auch das war ein Grund der eigenen Kraftanstrengung zur Steigerung der Grundstoffproduktion.

Schließlich ist China auch bestrebt, gerade durch den „Sprung nach vorn“ wirtschaftlich zu untermauern, was es politisch im Ostblock erreicht hat.

Der Pekinger Ostwind, der — wie es in der bildhaften chinesischen Propaganda heißt — den Westwind besiegen soll, bläst auch über Warschau, Prag, Ost-Berlin und auch Moskau.

Rückgang der sowjetischen Wirtschaftshilfe für China

Land Stahl (in Roheisen Millionen Tonnen) 1955 1957 1958/60 ) * 1955 1957 1958/60 UdSSR 45 51, 2 68, 3 33 37 53 China 2, 85 5, 35 10, 7 3, 62 5, 94 16, 9 Polen 4, 3 5, 3 7, 2 3, 1 3, 5 ") 4, 6 CSR 4, 5 5, 2 6, 54 3, 0 3, 3 •) 4, 78 DDR 2, 5 2, 8 3, 12 1, 5 1, 6 1, 76 *) Chinesische Ziele für 1958, übrige Blockstaaten = für 1960 aufgestellte Planziele. “) DDR überwiegend Braunkohle, z. B. 1960 = 244 Millionen Tonnen Braunkohle und *“) 1965. 1955 391 93, 1 94, 5 63, 9 201, 4 Kohle 1957 463 130 94, 1 73, 2 215ソཐڨﯳ?

Am 28. Oktober 1958 teilte das Zentralorgan der SED, „Neues Deutschland“, mit, daß nunmehr die „DDR“ im Außenhandel mit der UdSSR an erster Stelle stehe. Diese Meldung erschien zunächst unglaubwürdig. Bisher war bekannt, daß sowohl im sowjetischen Außenhandel, wie in der Finanzhilfe der Sowjets und auch in der Sowjethilfe beim Aufbau von Industriewerken China seit dem Jahre 19 50 immer den ersten Platz einnahm. Aber obige Meldung wurde inzwischen durch die offiziellen Mitteilungen des Ministeriums für Außenhandel der UdSSR bestätigt. Nach dem Bericht dieses Ministeriums, „Der Außenhandel der UdSSR im Jahre 1957“ betitelt, ist im Außenhandelsumsatz der Sowjetunion mit China im Jahre 1957 im Vergleich zum Jahre 1956 ein Rückgang um rund 15°/o zu verzeichnen. Erreichte der chinesisch-sowjetische Gesamthandelsumsatz im Jahre 1956 die beachtliche Summe von 5 989, 0 Millionen Rubel, so sank er im Jahre 1957 auf 5 128, 9 Millionen Rubel ab; das ist ein Rückgang um 860, 1 Millionen Rubel in diesem Jahr. Im Jahre 1956 betrug der Anteil Chinas am Handels-umsatz der UdSSR mit den Ländern des Ostblocks 27 Vo, im Jahre 1957 sank er auf 20, 9 %. Aber diese Daten geben noch kein vollständiges Bild vom Rückgang der Sowjethilfe für China. In den Angaben über den chinesisch-sowjetischen Handelsumsatz sind die chinesischen Lieferungen an die UdSSR enthalten, die im Jahre 1957 um 776, 1 Millionen Rubel höher liegen als die sowjetischen Lieferungen an China. Erhöhte chinesische Lieferungen an die UdSSR bringen aber den Chinesen heute keinen besonderen Nutzen. Sie bringen noch nicht einmal Devisen, denn diese erhöhten chinesischen Lieferungen erfolgen zur Abdeckung früherer Schulden.

Die Sowjetlieferungen an China aber, die ein Gradmesser für eine Hilfe wären, weisen im Jahre 1957 einen Rückgang um 25, 8 °/o gegenüber dem Sowjetexport nach China im Jahre 1956 auf. Im Jahre 1956 lieferte die UdSSR nach China Waren im Gesamtwert von 2 932, 1 Millionen Rubel, im Jahre 1957 waren es nur für 2 176, 4 Millionen Rubel.

Im Jahre 1957 lieferte also die LIdSSR für 755, 7 Millonen Rubel weniger Waren nach China als im Jahre 1956. Das ist ein größerer Rückgang in den Lieferungen der LIdSSR nach China als der Waren-export der „DDR" und der Tschechoslowakei zusammen in jedem einzelnen Jahr von 1953— 19 57 nach China. Im Jahre 19 57 lieferte die „DDR“ für 42 3 Millionen Rubel Waren nach China und die Tschechoslowakei für 320 Millionen Rubel — zusammen 743 Millionen Rubel.

Auch die Annahme, daß die geringere Warenausfuhr der Sowjets nach China durch erhöhte Ausfuhren der Blockstaaten in dieses Land ausgeglichen worden sei, erweist sich als unrichtig. Die Angaben über den Handel Chinas mit den Ländern des Ostblocks liegen nunmehr vor. Sie zeigen, daß nur die „DDR“ und die Tschechoslowakei im Jahre 1957 um ein geringes mehr Waren nach China lieferten als im Jahre 1956. Der „DDR“ -Export nach China ist im Jahre 1957 um 44 Millionen Rubel höher als 1956. Bei der Tschechoslowakei beträgt die Steigerung 62 Millionen Rubel. Nicht nur die Lieferungen Polens und Ungarns an China sind im Jahre 1957 geringer als 1956, sondern auch der Gesamthandelsumsatz Chinas mit diesen beiden Ländern ist rückläufig.

Als Mao Tse-tung im Jahre 1957 zum „großen Sprung nach vorn" ansetzte, mußte er auch registrieren: China erhielt im Jahre 19 57 weniger Waren von den Sowjets als im Jahre 1952, dem letzten Jahr vor Beginn des ersten chinesischen Fünfjahresplanes zur Industrialisierung Chinas. Im Jahre 1957 lieferten die Sowjets den Chinesen — wie wir sahen — Waren im Werte von 2 176, 4 Millionen Rubel, im Jahre 1952 machte der Sowjetexport nach China 2 216, 9 Millionen Rubel aus.

/In der Zeit, in der das Ansehen und Gewicht Chinas im Ostblock politisch entscheidend gewachsen ist, sank die Versorgung der Chinesen mit Waren durch die Sowjets auf das Niveau des Jahres 1952. Auch diese Tatsache macht den Pekinger Wind verständlich.

Aber nicht nur die Warenlieferungen der Sowjets nach China zeigen den Rückgang der Sowjethilfe an. Dieser zeigt sich auch in der Finanzhilfe. Die Sowjetunion ist — wie die Chinesen mitteilen — das einzige Land, von welchem China Kredite erhält. Nach chinesischen Quellen bekam China im Jahre 195 5 von den Sowjets eine Kreditsumme von 1 657 Millionen Rubel, 1956 waren es 117 Millionen und im Jahre 1957 nur noch 23 Millionen Rubel. Der Bericht der UNO-Kommission für Asien und den Fernen Osten, Bangkok 1958, verzeichnet dieselben Summen.

Wie Chruschtschow auf dem XX. Moskauer Parteitag mitteilte, haben die Sowjets in der Zeit seit Kriegsende bis zum Jahre 1956 dem gesamten Ostblock Kredite in Höhe von insgesamt 21 Milliarden Rubel gewährt. Chinas Anteil an dieser gewährten Kredithilfe betrug damals etwa 25 Prozent.

In der Zeit bis zum Juli 1957 erhöhte sich aber die Summe der gesamten sowjetischen Kredithilfe für den Ostblock auf 28 Milliarden Rubel. Eine Steigerung um 7 Milliarden-in etwas mehr als einem Jahr.

Welchen Anteil hat nun China, das wenigstens bis zum Jahre 1956 in der Sowjethilfe immer an erster Stelle stand, an dieser Erhöhung der Sowjetkredite für den gesamten Ostblock um 7 Milliarden Rubel?

Im Zeichen der Krise im Ostblock in den Jahren 1956/1957 und zu ihrer Behebung mußten diese 7 Milliarden Rubel Sowjetkredite im wesentlichen Polen, Ungarn, Rumänien, der „DDR“ und anderen europäischen Ostblockstaaten gewährt werden.

Hier einen kurzen unvollständigen Überblick über die Linkosten, die die Ostolockkrise den Sowjets verursachte:

Polen erreichte Ende 1956 die Annullierung einer Schuld von 2. 1 Milliarden Rubel beim Gläubiger LIdSSR. Außerdem mußten ihm die Sowjets einen Kredit in Höhe von 1, 2 Milliarden Rubel bewilligen.

Der „D D R“ mußten die Besatzungskosten, die bereits im Jahre 1956 um 1, 44 Milliarden Rubel reduziert wurden, gestrichen werden. Drei neue Sowjetkredite in einer Gesamthöhe von 1 040 Millionen Rubel, darunter Kredite in frei konvertierbarer Valuta, benötigte die Sowjetzone.

Ungarn wurde eine Schuld in Höhe von über 1 Milliarde Forint (341 Millionen Rubel) gelöscht und bekam von den 7 Milliarden eine Milliarde Rubel als neuen Kredit zugeleitet.

Auch in den übrigen Ostblockstaaten entstanden der UdSSR auf Grund der Ostblockereignisse des Jahres 1956 Unkosten. Über Albanien wird in dem neuerschienenen Buch, „Das sozialistische Weltwirtschaftssystem“ betitelt (Moskau 1958, S. 111), berichtet: Die Sowjetregierung beschloß, „alle a conto sowjetischer Kredite erbauten Werke deut albanischen Volk als Geschenk des Sowjetvolkes zu übergeben. In Verbindung damit wurde Albanien von der Schuldenzahlung für Kredite in Höhe von 348 Millionen Rubel, einer Summe, die dem Wert der von der UdSSR erbauten Werke entspricht, befreit.“ Außerdem berichtet dieselbe Quelle, daß Albanien von der Tilgung einer weiteren Schuldsumme in Höhe von 74 Millionen Rubel, die am 1. Januar 1957 fällig war, entbunden werden mußte.

Bulgarien erhielt 1956 einen Kredit in Höhe von 370 Millionen Rubel und 1957 von 200 Millionen Rubel.

Rumänien erreichte eine Streichung der Restschulden für die zurückgegebenen Sowjet-Aktiengesellschaften und eine Stundung fälliger Kreditrückzahlungen.

Von den 7 Milliarden Rubel, die die Sowjets als Kredite im Jahre 1956/57 gewährten, blieb also für den chinesischen Partner nichts übrig!

Betrachten wir noch kurz die Sowjethilfe beim Aufbau neuer Industriewerke in China. Nach den verschiedenen Abkommen, die zwischen der Volksrepublik China und der LIdSSR in den Jahren von 1950 bis 1956 abgeschlossen wurden, verpflichtete sich die Sowjetunion beim Aufbau von 211 Industriewerken Hilfe zu leisten. Bei der Verkündung des ersten chinesischen Fünfjahresplanes im Juli 195 5 teilte der chinesische Planungschef Li Fu-chun mit, daß die LIdSSR bis zum Ende des ersten Fünfjahresplanes (Dezember 1957) den Aufbau von 145 Industriewerken in Angriff nehmen werde.

Der erste Fünfjahresplan ist mit dem Dezember 1957 abgelaufen und die Berichte über die Tätigkeit der Sowjets beim Aufbau neuer Werke in China liegen vor. Hier sind die Ergebnisse:

Bis zum Abschluß des ersten chinesischen Fünfjahresplanes haben die Sowjets in China 57 neue Werke errichtet. 10 weitere Werke wurden als teilweise bis Ende 1957 fertiggestellt gemeldet. Von 60 Werken wird berichtet, daß sie sich im Bau befinden und mit ihrer Fertigstellung im Laufe des zweiten Fünfjahresplanes (19 5 8— 1962) zu rechnen ist. 84 Werke befinden sich noch auf dem Papier. Anstelle der 145 Werke, von denen Li Fu-chun sagte, daß sie im ersten Fünfjahresplan von den Sowjets in Angriff genommen werden, hat also die LIdSSR tatsächlich nur bei 127 Werken mit dem Bau begonnen, von denen bis Ende 1957 insgesamt 57 Werke errichtet waren.

Die übergroße Mehrheit der von den Sowjets in China geplanten Industrievorhaben sind also noch nicht fertiggestellt. Mit der Erfüllung der Versprechen der Sowjets, 211 Industriewerke in China zu erbauen, ist erst in 5— 8 Jahren zu rechnen. Lind doch sollten diese 211 Werke die Schlüsselprojekte darstellen und den Kern der chinesischen Industrie bilden.

Mao Tse-tung kann aber und will nicht auf die Erfüllung der Sowjet-versprechen warten, deshalb seine eigene Kraftanstrengung und sein „Sprung nach vorn“ durch Einsatz von Chinas größtem Reichtum, seinen gewaltigen Menschenreserven über die Volkskommunen zur Steigerung der Stahl-und Rohstoffproduktion.

Der Pekinger Ostwind weht über dem Ostblock

Aus der sowjetischen Propaganda ist uns seit langem bekannt, daß das industrielle Wachstumstempo in der UdSSR, das Höchste in der Welt sein soll. Kein einziges Land des Ostblocks hat bisher nur in Erwägung gezogen, die Sowjetunion im industriellen Wachstumstempo einzuholen, oder sogar zu überholen. Nur die Korrektoren des Windes in Peking waren so vermessen.

In dem soeben erschienenen Sammelband, „Probleme der Entwicklung der Wirtschaft der Chinesischen Volksrepublik“ (Moskau 1958), das vor Mao's großem Sprung verfaßt wurde, wird folgendes ausgeführt: „Das Teittpo des Wachstums unserer Industrie übersteigt bedeutend das Wachstumstentpo der Industrie anderer Länder, was man aus folgender Tabelle ersahen kann:

Die in der Tabelle angeführten Daten zeigen, daß sowohl im Vergleich zu 1949 wie auch zum Jahre 1952 das Tempo des Wachstums unserer Industrie höher ist, als in vielen anderen Ländern und besonders in den kapitalistischen Staaten“ (S. 1 5 3/1 54).

Diese Tabelle, deren Daten wir nicht nachprüfen wollen, ist immerhin interessant. Sie gibt die chinesische Windrichtung an. Vor England steht in der Tabelle immerhin die Sowjetunion. Bevor der Pekinger Ostwind den Westwind besiegt, um England in zehn bis fünfzehn Jahren in der Grundstoffproduktion zu überholen, bläst er über den Ostblock.

Die Chinesen treiben den Produktionsindex zu neuen Rekordhöhen. Produktionsziffern werden von Monat zu Monat nach oben korrigiert. Selbst auf die Gefahr hin, daß einige Daten inzwischen „überholt und veraltet“ sind, wollen wir die chinesischen Ziele für 1958 kurz skizzieren.

Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist, rangierte China im Jahre 195 5 in der Grundstoffproduktion des Ostblocks noch hinter der UdSSR, Polen, der CSR und der „DDR“ an fünfter Stelle Im Jahre 195 5 erzeugte China noch weniger Kraftstrom, Stahl und Kohle als Polen. Bereits im Jahre 1957 aber produzierte es mehr Stahl und Roheisen als Die industrielle und landwirtschaftliche Produktion Chinas sollte im Jahre 1958 durch den „Sprung nach vorn" bedeutend gesteigert werden. „Man schätzt — heißt es in dem bereits erwähnten Beschluß des chinesischen Partei-ZK — daß der Gesamtwert der Produktion in der Industrie und Landwirtschaft im Jahre 1958 gegenüber 1957 um etwa 70 Prozent steigen wird, während er sich 1957 im Vergleich zu 1952 nur um 68 Prozent erhöhte“ („Prawda“ vom 18. Dezember 1958). Für die Produktion des Maschinenbaues war 1958 eine Erhöhung um das vierfache vorgesehen. Die Chinesen berichten, daß der Ausstoß von Hütten-ausrüstung 1958 um das 4ofache gewachsen sein soll, der Bergbauförderungsausrüstung 6, 5fach, der Erdölgewinnungsausrüstung 15fach und der Ausrüstung für Wärmekraftwerke 4fadi.

China will im Jahre 1958 erstmalig 80 000 Werkzeugmaschinen selbst erzeugt haben. In der Kraftstromerzeugung war eine Steigerung von 19, 03 Mrd. kWh im Jahre 1957 auf 27, 5 Mrd. kWh im Jahre 1958 vorgesehen.

Die chinesische Kohlenförderung soll nach Pekinger Angaben im Jahre 1957 130 Millionen Tonnen betragen haben. Für das Jahr 1958 war eine Kohlenförderung von 210 Millionen Tonnen als Sprungziel vorgesehen. Ende Oktober 1958 berichtete aber die Zeitung „Peking Review" bereits, daß in der Zeit vom Januar bis Ende Oktober 1958 in China 221 Millionen Tonnen Kohle gefördert wurden. Ende Dezember 1958 wurde die chinesische Kohlenförderung für das Jahr 1958 von den Chinesen auf 270 Millionen Tonnen beziffert.

10, 7 Millionen Tonnen Stahl und 16, 9 Millionen Tonnen Roheisen war Mao‘s „Sprungplan für 1958“. Eine Produktion von 11 Millionen Tonnen Stahl im Jahre 1958 meldeten die Chinesen zum Jahresende.

In der chinesischen Parteizeitung „Jenminyihpao“ schreibt Sin Hua: „In der Stahlproduktion ist China während der Zeit des ersten Planjahrfünfts vom 13. Platz auf den 9. Platz vorgerückt, d. h. fünf kapitalistische Staaten haben wir überflügelt. 1953 nahmen wir den 11., 1954 den 10. und 1956 den 8. Platz ein. In diesem Jahre werden wir mit größter Wahrscheinlichkeit weitere zwei kapitalistische Staaten in der Stahlerzeugung überholen. In der Roheisenproduktion hat China innerhalb des ersten Fünfjahresplanes drei kapitalistisdre Staaten überholt, in der Energieerzeugung acht, in der Zementerzeugung drei“ („Jenminyihpao“ vom 15. September 19 5 8).

Sin Hua berichtet nur von kapitalistischen Staaten, die China überholt hat. Er vergißt die Ostblockländer zu erwähnen. Die Entwicklung der Grundstoffproduktion Chinas im Vergleich zu der der OstblockStaaten wollen wir deshalb hier nachtragen: jeder der drei Ostblockstaaten Polen, die „DDR“ und die CSR, und mehr Kohle als die CSR und als Polen.

Die Stahlproduktion Chinas im Jahre 1958 ist aber mit 11 Millionen Tonnen höher als die Stahlproduktion der CSR und der „DDR“ nach dem ursprünglichen Plan zusammen im Jahre 1960 betragen sollte. China hat in dem Jahr des „großen Sprunges", 195 8, mehr Roh-eisen produziert als Polen, die „DDR“ und die CSR zusammen im Jahre 1960 erzeugen wollen. Auch in der Kohlenförderung hat China im Jahre 19 5 8 Polen und die CSR zusammengenommen überflügelt.

China ist also dabei, sich im Ostblock den Platz den es politisch schon innehat, auch in der Grundstoffproduktion zu erobern: die Stelle neben der UdSSR. Nach einem Bericht der „Prawda“ vom 19. 9. 1958 beträgt das durchschnittliche Wachstum der Industrieproduktion in der UdSSR jährlich 10, 1 Prozent. Wenn man nur die Friedensjahre berücksichtigt, ergibt sich in der UdSSR ein durchschnittliches Wachstum der jährlichen Industrieproduktion von 16, 2 Prozent. „In den 11 Vorkriegsjahren (1930 bis 1940) und den 11 Nacltkriegs-jahren (1947 bis 1957)" — schreibt die „Prawda“ — „betrug das durchschnittliche Wachstumstempo der Industrieproduktion in der UdSSR 16, 2 Prozent“ („Prawda“ vom 10. 9. 1958).

Und hier die Chinesen:

„ 19, 2 Prozent, das ist das durchschnittlidre jährliche Wachstum unserer Industrieproduktion in den fünf Jahren des ersten Fünfjahres-planes“ („Jenminyihpaö" vom 15. September 1958).

Also schon vor dem Jahr des „großen Sprunges“, 195 8, geben die Chinesen ein höheres industrielles Produktions-Wachstum als die Sowjets an.

Die chinesischen Daten aber über das industrielle Wachstum Chinas im Jahre 1958 stellen alle analogen Angaben sämtlicher Ostblockstaaten in den Schatten. „In den ersten acht Monaten dieses Jahres“ (1958, d. V.) — schreibt die obenerwähnte Zeitung — „hat sich die gesamte chinesische Industrieproduktion um 47 Proze-nt im Vergleich zu den ersten acht Monaten des Vorjahres erhöht. . .

Wenn man die gesamte Industrieproduktion Chinas in den gleichen Monaten des Jahres 1957 als Vergleich heranzieht und gleich hundert setzt, dann beträgt sie in diesem Jahre von Januar bis August 114, 118, 129, 142, 146, 155, 174, 201 (Jenminyihpaö vom 15. September 1958).

Noch einige Vergleiche auf Grund offizieller sowjetischer und chinesischer Angaben seien hier angeführt: Bei Eisenerz beträgt der durchschnittliche absolute Zuwachs in der UdSSR jährlich nach Angaben der „Prawda“ 6, 1 Millionen Tonnen. China aber will die Eisenerzförderung von 19, 37 Millionen Tonnen im Jahre 1957 auf 50 Millionen Tonnen im Jahre 195 8 steigern.

In der Stahlerzeugung nennen die Sowjets einen jährlichen durchschnittlichen Zuwachs von 3, 26 Millionen Tonnen. China produzierte im Jahre 1957 5, 35 Millionen Tonnen Stahl und will die Produktion 1958 auf 10, 7 Millionen Tonnen steigern.

Bei Roheisen beträgt die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate in der UdSSR 2, 4 Millionen Tonnen. China erhöht die Roheisenproduktion von 5, 94 Millionen Tonnen im Jahre 1957 auf 16, 9 Millionen Tonnen im Jahre 1958.

Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in der Kohlenförderung in der UdSSR beträgt 30, 6 Millionen Tonnen. China förderte im Jahre 1957 130 Millionen Tonnen Kohle und hat die Kohlenförderung im Jahre 1958 auf über 270 Millionen Tonnen gesteigert.

Dieses chinesische Wachstum, die Steigerung der Stahl-und Rohstoffproduktion in China, erfolgt ohne Rücksicht auf Kosten und Rentabilität. Die entscheidende Produktivkraft ist dabei die menschliche Arbeitskraft, die durch die Volkskommune für den Masseneinsatz mobilisiert wird. Ein deutlicher Ausdruck für die Anwendung primitiver Produktionsmethoden in China ist das relativ starke Zurückbleiben der Elektroenergieerzeugung im Tempo dieses genannten Produktionswachstums. Das Mißverhältnis zwischen Wachstum der Roheisenund Stahlproduktion wie Kohleförderung einerseits und der Kraftstromerzeugung andererseits, zeigt am deutlichsten, wie weit China noch davon entfernt ist, ein moderner Industriestaat zu werden.

Der jährliche durchschnittliche Zuwachs der UdSSR in der Kraftstrom-erzeugung beträgt nach sowjetischen Angaben 17, 49 Mrd. kWh. China will seine Elektroenergieerzeugung von 19, 03 Mrd. kWh im Jahre 1957 auf 27, 5 Mrd. kWh im Jahre 1958 steigern.

Auch die Erdölförderung ist der Produktionszweig, in welchem Mao Tse-tung der „große Sprung nach vorn“ nicht möglich ist. Die Erdölförderung der UdSSR betrug im Jahre 1957 nach Sowjetdaten 98, 3 Millionen Tonnen. Das chinesische Planziel für das Jahr 1962 im ursprünglichen Entwurf zum zweiten Fünfjahresplan ist die Gewinnung von sechs Millionen Tonnen Erdöl.

Gerade der Engpaß Elektroenergieerzeugung in China weist darauf hin, daß aus unseren Darlegungen keinesfalls der Schluß gezogen werden kann, daß China mit seinem Sprung die Sowjetunion oder die europäischen Industrieländer des Ostblocks in der Technik einhole. Ebenso wäre es eine Illusion zu glauben, daß China in der Lage wäre, die Pro-Kopfproduktion dieser Länder in der Rohstofferzeugung in absehbarer Zukunft zu erreichen.

Aber dennoch ist hier der große Sprung Chinas bedeutsam und für die Stärke seiner Position und Rolle im Ostblock entscheidend.

Eine Gegenüberstellung der chinesischen und sowjetischen Produktionsdaten vermittelt ein anschauliches Bild von der wachsenden Rolle und Chinas Gewicht im Ostblock.

In der absoluten Stahl-und Roheisenproduktion wie in der Kohle-förderung erreichte China im Jahre 1957 in etwa das Sowjetniveau in diesen Produktionszweigen des Jahres 1930. Mit der Erfüllung der Soll-Ziffern für das Jahr 1958 hat es in einemjahrein der Elektroenergieerzeugung den Sprung auf das Sowjetniveau des Jahres 193 5 und in den anderen Produktionszweigen sogar über das Sowjetniveau des Jahre 1940 gemacht.

Hier die Vergleichsdaten *):

Kohleförderung:

China 1958 -210 Millionen Tonnen, UdSSR 1948 = 208 Millionen Tonnen; die Kohlenförderung Chinas im Jahre 1958 macht 45, 4 °/o der Kohlenförderung der UdSSR im Jahre 1957 (463 Millionen Tonnen) aus;

Roheisenproduktion:

China 1958 = 16, 9 Millionen Tonnen, UdSSR 1940 = 14, 9, 1949 = 16, 3 und 1950 = 19, 17 Millionen Tonnen; im Jahre 1958 beträgt die Roheisenproduktion Chinas 45, 6 Prozent der Roheisenerzeugung der UdSSR im Jahre 1957 (37 Millionen Tonnen);

Stahlproduktion:

China 1958 = 10, 7 Millionen Tonnen, UdSSR 1937 = 17, 7, 1945 = 12, 25 Millionen Tonnen; China hat im Jahre 1958 21 Prozent der Stahlproduktion der UdSSR im Jahre 1957 (51, 2 Millionen Tonnen) erreicht;

Eisenerzförderung:

China 1958 = 50, 0 Millionen Tonnen, das sind 59, 4 Prozent der Sowjetförderung des Jahres 1957 (UdSSR 1957 = 84, 2 Millionen Tonnen);

Elektroenergieerzeugung:

China 1958 = 27, 5 Mrd. kWh, UdSSR 1935 = 26, 2 1936 = 32, 8 Mrd. kWh; nur 13, 1 Prozent der sowjetischen Kraftstromerzeugung des Jahres 1957 (209, 7 Mrd. kWh) hat China im Jahre 1958 erreicht.

Durch den „großen Sprung nach vorn“ will China nicht nur seine Stellung als Faktor im Ostblock, der in allen Fragen mitentscheidet und nicht mehr übergangen werden kann, ausbauen, sondern auch sein Gewicht in Asien heben. Der chinesische oder der indische Weg? — das ist die Frage, die in den Ländern Asiens in dieser und jener Form diskutiert wird.

Im Jahre 195 5 deuteten die Chinesen erstmalig an, daß sie Indien in der Grundstoffp. oduktion überflügelt hätten. Für dieses Jahr 1955 gaben sie folgende Daten bekannt:

Stahlerzeugung: China 2, 8 Mill. Tonnen, Indien 1, 7.

Roheisenproduktion : China 3, 8 Mill. Tonnen, Indien 1, 9. Kohleförderung: China 93, 6 Mill. Tonnen, Indien 39, 0. Energieerzeugung: China 12, 27 Mrd. kWh, Indien 7, 5.

Die Stahlerzeugung Indiens betrug im Jahre 1957 1, 7 Mill. Tonnen; Kohle förderte es im selben Jahre 44, 2 Mill. Tonnen.

Indien ist auch das einzige Land, mit welchem China den Wettbewerb in der Pro-Kopf-Rohstoffproduktion bisher aufnehmen konnte Die entsprechenden Daten nach chinesischen Quellen für das Jahr 1955 sind:

Stahlerzeugung pro Kopf der Bevölkerung: China 4, 7 kg, Indien 4, 6 kg.

Roheisenproduktion pro Kopf: China 6, 4 kg, Indien 5, 1 kg. Kohleförderung pro Kopf: China 154 kg, Indien 103 kg. Kraftstromerzeugung pro Kopf: China 20, 8 kWh, Indien 20, 0 kWh. („Probleme der Entwicklung der Wirtschaft Chinas“, Moskau 1958, S. 154/155).

Durch den „Sprung nach vorn“ sind aber diese Daten bei weitem zugunsten Chinas überholt.

Von unserem Gesichtspunkt mag man diesen Vergleich mit Indien als Beweis für die industrielle Rückständigkeit Chinas ansehen und vielleicht auch als belanglos betrachten. Für die Verhältnisse Asiens, mit asiatischen Augen betrachtet, kommt ihm aber eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.

Sein Prestige in Asien, das sich auch auf den verschiedenen Konferenzen, wie der Bandung-Konferenz, zeigte, konnte China bisher nicht wirtschaftlich untermauern. Die Befriedigung der Wünsche der Länder Asiens nach wirtschaftlicher Hilfe mußte China bisher im wesentlichen dem großen Bruder in Moskau überlassen. Der „Sprung nach vorn“ soll aber zweifellos nicht nur als Beispiel in Asien wirken, sondern auch die ersten Voraussetzungen zur Überwindung dieser Schwäche Chinas in Asien schaffen.

Auch im Hinblick auf die afro-asiatischen Pläne der Begründung eines afro-asiatischen Wirtschaftsrates, die auf der jüngsten Konferenz der Industrie-und Handelskammern der Länder Asiens erneut zur Debatte standen, hat das Hochtreiben des chinesischen Produktionsindexes eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Ob sich jedoch die Chinesen mit der Placierung der Exekutivorgane der afro-asiatischen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Kairo zufrieden geben, ist eine andere Frage.

China ist also im Begriffe, auch wirtschaftlich seine Stellung als Juniorpartner der Sowjetunion zu überwinden. Durch die Sicherung einer Sonderstellung im Wirtschaftssystem des Ostblocks hat es sich dafür schon günstige Voraussetzungen geschaffen.

China und das Wirtschaftsproblem des Ostblocks

Wenn sich auch China zum sogenannten „demokratischen Weltmarkt“, dieser von Stalin begründeten Form zur Isolierung der Ostblockstaaten vom Weltmarkt, zählt, so nimmt es doch im Ostblock-Wirtschaftssystem eine beachtenswerte Sonderstellung ein und erhielt in diesem System die gleiche Rangstellung wie die Sowjetunion zugebilligt. Innerhalb dieses „demokratischen Weltmarktes“ sind die europäischen Länder des Ostblocks im „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ *) gesondert zusammengefaßt. China gehört diesem Rat nicht an.

Seit dem XX. Moskauer Parteitag beschäftigt sich der „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ mit der wirtschaftlichen Großraumplanung für seine Mitglieder. Er führte eine Arbeitsteilung zwischen den euro-päischenOstblockstaaten ein, plant die Produktion für seine Mitglieder einheitlich und bestimmt was jedes Land produziert. Chruschtschow selbst gab auf dem XX. Moskauer Parteitag die Direktive für die Arbeitsteilung und die Produktionsbeschränkungen der einzelnen Länder innerhalb dieser Ostblock-Wirtschaftsunion. „Heute — sagte er — ist es nicUt inekr notwendig, daß jedes sozialistische Land unbedingt alle Zweige der Schwerindustrie entwidtelt. . . . Jetzt — fuhr er fort — da es einen mächtigen Freundschaftsband der sozialistischen Länder gibt . . . kann sich jedes europäische Land der Volksdemokratie auf die Entwicldung von Industriezweigen spezialisieren, für die es die günstigsten natürlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen besitzt."

Nach den Direktiven Chruschtschows sorgte der „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ dafür, daß seine Mitgliedsstaaten, die europäischen Länder des Ostblocks, ihre Wirtschaft nicht allseitig entwickelten, sondern im Rahmen der gesamten Wirtschaftsunion sich nur auf bestimmte Produktionszweige orientierten. Nur der Sowjetunion, die an der Spitze der Ratsorganisation steht, wurde es erlaubt, ihre Volkswirtschaft nach eigenem Ermessen allseitig zu entfalten. Das Ganze nannte man dann sozialistische Arbeitsteilung

Die Chinesen aber willigten in eine solche Arbeitsteilung, die Produktionsbeschränkung bedeutet, nicht ein. Obwohl in den Satzungen des „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ gesagt ist, daß der Rat eine offene Organisation sei und auch andere Staaten dem Rat beitreten könnten, machten die Chinesen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. Sie nehmen nur, wie in der Vergangenheit auch Jugoslawien, als Beobachter an den Tagungen dieses Wirtschaftsrates teil.

Nachdem Chruschtschow auf dem XX. Moskauer Parteitag die Arbeitsteilung und Produktionsbeschränkung der Staaten des Ostblocks angeschnitten hatte, fühlte sich auch Tschou En-lai verpflichtet, zu diesem Problem Stellung zu nehmen.

Auf dem VIII. Parteitag der KP Chinas im September 1956, etwa ein halbes Jahr nach dem Moskauer Parteitag, griff Tschou En-lai diese Frage wie folgt auf: „Manche fragen: Ist es noch notwendig unter den Bedingungen der unentwegten Entwicklung der Wirtschaft der sozialistischen Länder mit der Sowjetunion an der Spitze und des Bestehens der Möglidtkeit einer breiten ökonomischen Zusammenarbeit zwischen allen sozialistischen Ländern in unserem Lande ein vollständiges Industriesystem zu errichten? Wir sind der Meinung, daß sich die gegenwärtige Lage unseres Landes bedeutend von der Lage der Sowjetunion in der Anfangsperiode ihres Aufbaues, in der sie wirtschaftlidt isoliert war und keinerlei Hilfe bekam, untersdieidet. Die Entwiddung und die Existenz der Sowjetunion und der Länder der Volksdemokratien schufen in unserem Lande äußerst günstige Bedingungen für die sozialistische Industrialisierung.

Aber in unserem Lande, daß eine so große Bevölkerung, verhältnismäßig reidte Ressourcen und große Bedürfnisse hat, besteht dennoch die Notwendigkeit, ein vollkommenes 1 n d u s t r i e s y s t e m zu errichten. Vom Gesichtspunkt der innerstaatliclten Forderungen ist das damit zu erklären, daß wir in kurzer Frist die Rückständigkeit unserer Volkswirtschaft beseitigen müssen, und vom Standpunkt der internationalen Erfordernisse, daß die S c h a f f u n g einer mächtigen Industrie in unserem Lande dem allgemeinen Aufsdtwung der Wirtschaft der sozialistischen Länder helfen kann und die Kräfte für die Verteidigung des Weltfriedens stärkt.

Deshalb ist die Kostgänger-Gesinnung, die die Notwendigkeit unseres eigenen vollkommenen Industriesystems verneint, falsch“ („Prawda" vom 19. 9. 1956, Sperrungen v. V.).

Diese in der Moskauer Thesensprache gehaltenen Ausführungen Tschou En-lais waren eine glatte chinesische Ablehnung der sowjetischen Vorschläge auf Verzicht zur Entwicklung aller Zweige der Schwerindustrie und auf Produktionsbeschränkungen, wie sie Chruschtschow auf dem XX. Moskauer Parteitag für den Ostblock konzipierte.

Und wie bei anderen Gelegenheiten, bei denen es sich um China handelte, lenkten auch in diesem Fall die Sowjets ein. Auch diesmal wurde von Moskau eine „Theorie der chinesischen Besonderheiten“, die nur für China Gültigkeit habe, fabriziert. Die zuständige sowjetische Zeitschrift „Woprossi ekonomiki“ verkündete: „Außer der Sowjetunion kann sich von den Staaten des sozialistischen Lagers nur ein solcltes an gewaltigen menschlichen und natürlichen Ressourcen reiches Land wie die ChinesischeVolk s-republik die analoge Aufgabe der Schaffung einer allseitig ent-wid^elten Wirtsdtaft, die alle Bedürfnisse des Landes voll befriedigt,'stellen.

Kein anderes Land der Volksdemokratieverfügt über die realen Bedingungen dafür“ („Woprossi ekonomiki", Nr. 10/1957, S. 37, Sperrungen v. V.).

Diese Auslassungen des theoretischen Moskauer Wirtschaftsorgans sind äußerst aufschlußreich. Sie bestätigen, daß im Ostblocksystem keine wirtschaftliche Gleichberechtigung gilt.

Die Volkswirtschaften der europäischen Ostblockländer sind im „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ zu einer Wirtschaftsunion verschmolzen. Die Führung dieser Wirtschaftsunion liegt bei der UdSSR, die allein innerhalb dieses Rates das Recht hat, ihre Volkswirtschaft allseitig zu entwickeln und sich keinerlei Ratsbeschränkungen aufzuerlegen braucht.

Nur China, das außerhalb des Rates steht, sind die gleichen Rechte wie der UdSSR zugebilligt. Damit wurde eine neue Koexistenzform im Ostblock geschaffen, das Nebeneinanderbestehen zweier Wirtschaftsführer zunächst theoretisch zugestanden. Wenn auch diese Vorrechte, die China zugebilligt'werden mußten, heute noch keine allzu große praktische Bedeutung haben mögen, mit dem Rückgang der Sowjethilfe für China, mit weiteren chinesischen Sprüngen nach vorn und mit der Verwirklichung des chinesischen Zieles, England in zehn bis fünfzehn Jahren in der Grundstoffindustrie zu überflügeln, werden sie bestimmt zur Geltung kommen. „Nur ein soldtes an gewaltigen menschlichen und natürlidten Ressourcen reidtes Land wie die Chinesische Volksrepublik“ kann sich außer der UdSSR — nach den obigen Darlegungen — die Aufgabe stellen, seine Volkswirtschaft allseitig zu entwickeln. Scheinbar sind es also objektive Gründe, die Chinas Sonderstellung verursachten. Diese Begründung ist aber wenig stichhaltig! Es gibt eine Zahl von Ländern, die nicht über eine genügende Rohstoffbasis verfügen, aber dennoch ihre Volkswirtschaft allseitig entwickelt haben. Aber wenn die objektiven Bedingungen für China — wie für die LldSSR — schon zutreffen und China deshalb sich der Produktionskoordinierung des Ostblocks nicht anzuschließen braucht, warum gehören dann Nord-Korea, die Mongolei und Nord-Vietnam, für die doch die „realen Bedingungen“, von denen obige Zeitschrift sprach, bestimmt nicht existieren, dem „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ ebenfalls nicht an?

Auch diese Tatsache beweist, daß es sich bei der Sonderstellung Chinas weniger um objektive Gründe handelt, sondern daß sich Mao Tse-tung auch im Wirtschaftssystem des Ostblocks Vorrechte gesichert hat. Und diese Vorrechte schließen, wie die Beispiele Nord-Korea, Nord-Vietnam und die Mongolei zeigen, auch Chinas Interessen in Asien ein.

China hat tatsächlich die ersten Keimformen einer eigenen Wirtschaftshilfe, vornehmlich einer Finanzhilfe an die Länder Asiens und Afrikas, entwickelt. Die chinesische Wirtschaftshilfepolitik müßte gesondert behandelt werden. Hier soll nur angedeutet werden, daß diese chinesische Finanzhilfe an andere Länder, besonders in den letzten Jahren, die Summen der Sowjethilfe übertrifft.

Unter der Rubrik „Hilfeleistung für andere Länder“ werden in den chinesischen Staatshaushaltsplänen ausgewiesen: für 195 3 = 1 592 Mill. Yuan, für 1954 = 628 Mill. Yuan, für 1955 = 406 Mill. Yuan, für 1956 = 404 Mill. Yuan, für 1957 = 508 Mill. Yuan und für 1958 = 454 Mill. Yuan. Die weitere Entwicklung der Wirtschaftshilfepolitik Chinas hängt wirklich von dem Gelingen der „Sprünge“, d. h.der Industrialisierung Chinas ab. Die bisher genannten Produktionsziffern für das Jahr 1959 deuten an, daß die Chinesen in diesem Jahre 1959 den Produktionsindex von 1 958 noch übertreffen wollen.

Auf der erwähnten Tagung des ZK der KPCh im November/Dezem-ber 1958 in Wuchang wurden für das Jahr 1959 folgende Hauptziele proklamiert: „Steigerung der Stahlproduktion von schätzungsweise 11 Millionen Tonnen in diesem Jahr (1958, d. V.) auf etwa 18 Millionen Tonnen. Steigerung der Kohlenförderung von schätzungsweise 270 Millionen Tonnen auf etwa 380 Millionen Tonnen. Erhöhung der Getreideerzeugung von etwa 375 Millionen Tonnen auf etwa 500 Millionen Tonnen, Steigerung der B a u m w o l l e r z e u g u n g von etwa 3, 35 Millionen Tonnen in diesem Jahr (1958. d. V.) auf etwa 5 Millionen Tonnen“. („Prawda“ vom 18. Dezember 1958, Sperrungen des Verfassers).

Durch den Entscheid der jüngsten Wirtschaftskonferenz der Länder Asiens und Afrikas, die den Nasserplan der Errichtung der afro-asiatischen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem vorläufigen Sitz in Kairo akzeptierte, wären den Chinesen unter der Voraussetzung des weiteren Gelingens ihrer Produktionssteigerungspläne größere Möglichkeiten zur Entfaltung einer stärkeren Wirtschaftsaktivität in Asien und Afrika gegeben.

Innerhalb dieser neuen afro-asiatischen Wirtschaftsorganisation, die von ihren Initiatoren „als Antwort auf den Gemeinsamen Europäischen Markt“ ins Leben gerufen wurde, stehen die Auseinandersetzungen um die Führung noch bevor. Nach der Führung strebt sowohl Mao Tse-tung wie auch Nasser. Auch die Frage, welchen Zielen die Chinesen in dieser neuen Wirtschaftsorganisation Asiens und Afrikas zustreben werden, ob sie diese Organisation zur Stärkung ihrer eigenen Position benutzen oder unter sowjetischem Einfluß versuchen werden, diese Wirtschaftsorganisation zu einem Pendant de: „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ zu machen, ist noch offen. Die jüngste Diskussion der Sowjet-Ökonomisten in Moskau, in welcher der Sowjetökonomist und sowjetische Wirtschaftshilfepropagandist auf der Kairoer Solidaritätskonferenz im Dezember 1957 Arsumanjan, eine neue Theorie über die fortschrittliche Rolle des afro-asiatischen Staatskapitalismus im Kampfe gegen den Imperialismus entwickelte, signalisiert bereits, daß die Sowjets zu Zugeständnissen an die Chinesen in Asien und Afrika gezwungen sind. Wie es scheint, schwebt den Sowjets eine Arbeitsteilung vor, bei welcher den Chinesen die Aufgabe der Ausbildung der kommunistischen Kader für die Länder Asiens, in welchen die KP eine Rolle spielt, zufällt, während die Sowjets die Ausbildung der Manger für die Länder des asiatisch-afrikanischen Staatskapitalismus, wie z. B. für die Vereinigte Arabische Republik, übernehmen. Aber auch eine solch Arbeitsteilung würde nur das Kräfteverhältnis der Gegenwart berücksichtigen. Jedenfalls ist die Frage der führenden Rolle Chinas gestellt. Und sie wurde von niemanden anderes als von Mao Tse-tung öffentlich aufgeworfen.

Die „führende Rolle der Sowjetunion“ war bisher ein Axiom, ein unlöslicher Bestandteil der kommunistischen Doktrin. Auch der Ver-such, die Frage aufzurollen, ob nicht ein anderes Land im Ostblock die Führung haben könne, galt als Ketzerei.

Als aber Mao Tse-tung auf der Moskauer Tagung der 12 kommunistischen Parteien im November 1957 die führende Rolle der Sowjetunion zu begründen hatte, begann er mit der Fragestellung, ob nicht die Kommunistische Partei Chinas zu dieser Führung berufen sei. Ob Mao diese Frage aufwarf, weil sie im Ostblock diskutiert wurde oder ob er einen Versuchsballon steigen ließ, ist schwer zu beantworten.

Jedenfalls ist die Begründung Maos für die Führung des Ostblocks durch die Sowjetunion sehr aufschlußreich:

China habe zwar große Erfahrungen in der Revolution — sagte er — aber nur wenig Erfahrungen in bezug auf den sozialistischen Aufbau". Das gilt heute — konnte der Zuhörer denken — aber morgen wird auch China seine Erfahrungen haben. „China sei ein großes Land — begründete er weiter — habe aber nur eine kleine Industrie“. Der Sprung nach vorn“ war der erste Schritt zur Behebung dieses Mangels — könnte man kommentieren. „China habe nidrt einmal einen Viertel Sputnik — fuhr Mao fort — die Sowjetunion aber zwei“.

Das sind Argmente Mao Tse-tungs, die er mit der Feststellung beendete: „Aus alledem ergebe sich die führende Rolle der Sowjetunion ..." (Alle zitierten Stellen nach „Neues Deutschland“ vom 30. November 1957).

Die „führende Rolle der Sowjetunion" ergibt sich nach diesen Darlegungen Maos aus dem, was China noch nicht hat! Wer im Ostblock könnte wohl — außer Mao — in dieser zweideutigen Form die führende Rolle der Sowjetunion im Ostblock begründen? Das können nur die Chinesen. Lind auch das beweist, welche Veränderungen sich im Ostblock nach der großen Krise 1956/57 vollzogen haben und noch vollziehen.

Fussnoten

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