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Was ist des Deutschen Vaterland? | APuZ 22/1964 | bpb.de

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APuZ 22/1964 Artikel 1 Der freiheitliche Rechtsstaat und die moderne Massengesellschaft Was ist des Deutschen Vaterland?

Was ist des Deutschen Vaterland?

Franz Schürholz

Wer über diese beinahe verdächtig klingende Frage etwas aussagen soll, kommt nicht an der Feststellung vorbei, daß das Wort patria bei uns begriffsfreudigen Deutschen viel von seiner einfachen Natürlichkeit, dem selbstverständlichen, keiner ideologischen Unterbauung bedürftigen Gefühlswert verloren hat. Ist die Entwicklungsreihe noch bekannt: das späte Werden einer deutschen Nation, die überbetonte geistige Nachhilfe durch Übersteigerung des Nationalgefühls durch Schulen, nationale Bünde und Parteien, patriotische Lyrik, durch künstliche Erziehung zum Stolz auf die Nation und ihre Leistungen hinauf zur Mission des deutschen Wesens bis endlich zur schaurigen Schlußperiode des Rassen-und reinen Volkstumsgedankens, der Heimatrecht nur dem „Volk ohne Raum" zuerkannte und die benachbarten Nationen so schmählich in die Untertanenrolle wies?

Als Gegenwirkung auf Träumereien, geistige Zügellosigkeit und politische Wildheiten finden wir heute eine Abwertung des Begriffs Vaterland, die vielen zu schaffen macht.

Ist es schon schwierig, zufriedenstellende Definitionen über verwandte Begriffe — etwa Volk, Nation und Heimat — zu geben, was erst begegnet uns räumlich, politisch, gesellschaftlich und geistig getrennten Deutschen, wenn wir über unser Vaterland sprechen?

Was ist denn Volk?: Ist es mehr als das Gewimmel von Leuten, die uns räumlich und sprachlich nahestehen? Ist es Kulturvolk oder Staatsvolk, das heute in völlig verschiedenen Staatsrechtsordnungen gehalten wird?

Was ist Nation? Eine geschichtlich erfüllte, zum kulturellen Selbstbewußtsein gekommene Lebensgemeinschaft mit gemeinsamen Gedenktagen und in die politische Form staatlicher Souveränität gefaßt? Für wen ist sie das?

Was ist Heimat? Ist es die von so vielen Gemütskräften der Vertrautheiten und des Zuhauseseins gebildete familiäre Landschaft? Für wieviele ist sie das? So einfach ist es ja nicht mehr, daß Natur und Volk allein Heimat ausmachen. Als ich vor einigen Jahren einem aus fernem Erdteil zurückgekehrten alten Freunde im abendlichen Gespräch das Gedicht von Theodor Fontane „Maß und Grenze“ in Erinnerung zurückrief, dessen erste Verse das Lebenswerk dieses Mannes besonders gut kennzeichnen: „Die Welt, die fremde, lohnt mit Kränkung, was sich umwerbend ihr gesellt“, schwieg er und schaute mich ernst an. Er kannte die anschließenden Verse, die von Herd und Heimat und der Beschränkung handeln, die nach Fontane das Glück und die Welt sind. Am folgenden Morgen lag diese Antwort auf meinem Tisch: „Ganz fremd entwand der eigene Boden, die nächste Heimat sich dem Bund. In fernsten Weltteils frischem Odem, ward Weib und Kind mir neu gesund. So spiel ich nicht mehr mit den Lauten von „Welt und Fremde, . Haus'und Herd’, die Herzen, denen wir vertrauten, versagen oder werden wert."

Gilt dieses Bild von Heimat nur für ihn, nicht auch für viele innere Emigranten oder durch das furchtbare Geschehen nachdenklich Gewordene? Auch diese Wandlungen können wir wohl nicht einfach ausklammern, wenn wir von den Wertinhalten des Begriffs Heimat sprechen.

Schließlich: was ist Vaterland? Die schönste, weil einfachste Erklärung dazu gab nach meinem Empfinden Bernanos: «La patrie? C'est le pays de nos peres. » Bernanos würde es wahrscheinlich lächelnd abgewehrt haben, den Begriff näher zu erklären. Aber dieses „Land der Väter“ genügt vielen nach gedanklichen Ausweitungen verlangenden Deutschen nicht. Ist es also etwa die freie Heimstatt menschlicher Entwicklungen und beruflichen Tuns? Sind es die von Familie, Verwandtschaft, Besitztümern und Erziehung bestimmten Lebensbezüge, die Völker gleicher Sprache und Kulturgeschichte in ihren Vaterländern zusammenbinden?

Was sagen uns wirklich hier und jetzt diese Worte? Wo werden sie gebraucht und für wen bedeuten sie menschliche und geistige Haltung Mitprägendes? Vielleicht kommen wir noch unmittelbarer an unsere Fragestellung heran, wenn wir diejenige Berufsschicht in unsere Blickrichtung nehmen, die aus guten Gründen mehr als andere sich selbst und durch eine spezifische Berufserziehung Gedanken darüber zu machen hat, was denn der Inhalt dessen, dem man dient, eigentlich ist. Bei allen natür-liehen Einschränkungen lohnt es sich, dazu den Soldatenberuf zu betrachten. Da sehen wir zunächst die für jeden bedrückende Situation, daß die Deutschen in ihrer aufgezwungenen Spaltung das Vaterland hier . so und dort völlig anders sehen oder genauer, in dem von uns abgetrennten Teile gezwungen werden, sehr viel andere Vorstellungen damit zu verbinden.

Nicht nur, daß die alten Namen (etwa Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Pommern) verschwunden und anonyme Bezirke nach Städte-namen an ihre Stelle getreten sind. Diese auch sonst tief eingreifende Sprachänderung steht ja in enger Verbindung mit dem grundsätzlichen Bestreben, die politische, gesellschaftliche und geistige Autonomie eines neuen Staatsgebildes zum Ausdruck zu bringen. Wer sich die quälende Mühe macht, die der militärischen Erziehung in der Sowjetzone gewidmete Literatur zu lesen, weiß, wieviele Gestalten unserer Vergangenheit (etwa Stein und Hardenberg, Ernst Moritz Arndt, Fichte und andere) dazu herhalten müssen, den „Staat der Arbeiter und Bauern“ in seinem gesellschaftspolitischen Anderssein und seiner politischen Verbindung mit der Sowjetunion zu unterbauen und den Verteidigungswert dieses Vaterlandes gegen die westliche Welt angestrengt herauszuarbeiten. Norden und Stern, die beiden führenden Historiker in der Züchtung einer neuen Nationalidee in der Sowjetzone, versuchen das so, daß sie aus volksgeschichtlichen Erinnerungen und nationalen Stimmungen aus der napoleonischen Zeit und der der Bauernkriege eine Neu-wertung der nationalen Wesenszüge unter der Leitidee eines proletarischen Internationalismus vornehmen. Wir kennen diese Versuche totalitärer Systeme ja noch aus der Zeit vor 30 Jahren, alle geistigen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen der Vergangenheit mit Gewalt auf ein Ziel, eine Gesetzmäßigkeit losmarschieren zu lassen auf das jeweils erstrebte Regierungssystem und seine weiteren Zielsetzungen.

Ich stelle lediglich diejenigen Fakten fest, die uns die Verschwommenheit, ja die teilweise Unmöglichkeit der Erfassung des Begriffs Vaterland erklären können. Insoweit allerdings müssen wir die heterogenen Gegebenheiten, wohl auch die vergifteten Vorstellungsgehalte deutlich zur Kenntnis nehmen.

Nur kurze Hinweise dazu: Vaterland ist doch wohl vorrangig eine auf geschichtsträchtigen Gemeinsamkeiten beruhende geistige Verwandtschaft. Bernanos meinte das nicht anders. Auch das Recht, das Jus, das alle Ordnungen des politischen, gesellschaftlichen und geistigen Lebens schafft und Sicherheiten stabilisiert, ohne den Willen zur Wandlung zu lähmen, muß überall sein. Der Begriff der Ubiquität des Rechts spricht das aus. Wenn diese lebenswichtige Institution des Rechts zusammen mit anderen Traditionen der aus christlichen oder humanistischen Postulaten entstandenen angeborenen Rechte ausgelöscht würde, welcher Art ist dann das Heimat-oder Vaterlandsgefühl? Wo so viele Bindungen zerbrachen, Inhalte und Formen verschwanden, um missionserfüllt und aus Lust an der Macht den Sprung in die Utopie einer kommunistischen Weltgestaltung zu tun, kann das Vaterland mindestens vorerst nur das Reservat einer kleinen machtausübenden Schicht sein. Für die anderen geht der suchende Blick über Mauern und Drahtzäune hinweg. Wo bleibt er haften, wo findet er das Gegenstück von Macht, das Gewissen und die auf ihm beruhende Freiheit des Denkens und Tuns?

Wie stellt sich aber das Vaterland in der Vorstellungswelt des Soldaten unserer Bundesrepublik dar? Was ist zunächst bei uns aus der Gärung des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs und aus unserer auch militärischen Integrierung in die freie Welt hervorgegangen? Gewiß, es gibt viele Aspekte, und die Möglichkeiten verschiedener Akzentsetzung sind, wenn man Lust dazu hat, sich auf Neben-gleisen zu bewegen, nicht gering. Das Wesentliche scheint mir darin zu bestehen, daß in diesem Teil Deutschlands der Begriff Vaterland weder auf offizieller Seite noch in einer breiten Öffentlichkeit eine über das Selbstverständliche hinausgehende Rolle spielt. Daß wir Deutsche wieder zusammenwohnen, Zusammenleben und unsere politische Daseins-form selbst bestimmen wollen, gehört zu den Elementarsätzen. Daraus werden bei uns keine künstlichen Konstruktionen gemacht, und die Vorstellungen von Nation und Vaterland brauchen nicht erst durch Vergewaltigungen unserer Geschichte und ideologische Akrobatik erklärt zu werden. Ist es vielmehr nicht so, daß ein großer Teil unserer Gedanken und unserer beruflichen Arbeit supranationalen Gebilden und bereits bestehenden europäischen Wirtschafts-, Sozial-und Verteidigungsinstitutionen gewidmet ist? Bleiben wir nach dem kleinen Streifzug durch das Doppelleben der Deutschen bei unseren westdeutschen Verhältnissen und betrachten wir unsere Frage nun von einer anderen Seite. Wir sind ein Volk wie alle anderen. Wie diese anderen Völker sind auch wir, besonders als ein vom Industrieleben, das heißt vom Zwang zur Mobilität und Kooperation beeinflußtes Volk schnellen Wandlungen unterworfen. Die Inhalte dessen, was wir unter Heimat, Nation und Vaterland verstehen, sind von diesem Prozeß nicht ausgeschlossen. Daran liegt es, daß auch das Gesamtinteresse der europäischen Gemeinschaft ein übernationales Wir-Bewußtsein wachzurufen beginnt. Mit der Demontage staatlicher Souveränitäten geht eine Überprüfung unserer Vorstellungen, ja eine Privatisierung unserer Gefühle für das, was uns Vaterland bedeutet, einher. Diese Privatisierung ist ja um so verständlicher, als wir wohl Jahrhunderte unserer Vergangenheit zusammenfassen müssen, um einen solchen Verlust an Überlieferung zu finden, wie er in der Gegenwart von nur einer Generation erlebt wurde. Der Substanzverlust kollektiv erlebter Vorstellungen geht weiter; der Bestand alter, heimatlich gebundener Überlieferungen wird kleiner. Dahin wirken vor allem die Dynamik der Technik und Wirtschaft und alle Auswirkungen zunehmender Bevölkerungsdichte. Wie stark unser Leben von der Technik verändert und fortbewegt wird, hat Eugen Rosenstock-Huessy besonders prägnant formuliert: . Bei jeder neuen Phase der Technik erweitert sich der Raum, verkürzt sich die Zeit, verändert sich die Gruppe." Erweitert sich der Raum und verändert sich die Gruppe — ich wiederhole diesen beachtenswerten Gedanken für jene, deren Vorstellungen vom Vaterland allzu anhänglich-liebevoll die Welt der Überlieferungen umklammern.

Begleitet werden diese Einflüsse von den die sogenannte pluralistische Gesellschaft prägenden Kräften und Motiven wirtschaftlicher, sozialer, politischer und geistiger Art. Nur als Stichworte dazu: Wir werden künftig die aus dem Ausland herbeigezogenen Arbeitskräfte, die wir heute noch freundlich unschuldig „Gastarbeiter" nennen, als integrierte Bürger aufnehmen müssen, wie wir ja auch umgekehrt damit begonnen haben, ganze Fabriken mit Stammbelegschaft ins Ausland zu verlegen, dort Industriesiedlungen aufzubauen, Entwicklungshilfe zu leisten, die Kommunikation der Völker zu fördern und zur Schaffung jener einen Welt beizutragen, über die die Lichter der ersten interkontinentalen Satelliten ihre Spuren ziehen.

Was bedeutet das nun für unsere Frage? Vielleicht lassen sich alle Überlegungen über die Unsicherheiten, die in dem Thema anklingen, auf eine Frage zusammendrängen: Kann ein Volk ohne Gefühlsbindungen, ohne sympathie-erfüllte Erinnerungen an die auf seinem Boden und in seiner Geschichte gewordenen Eigenarten und Werte seines politischen, geistigen, kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Schaffens eine gesunde Vitalität haben? Ich glaube, darauf folgende Antwort geben zu dürfen. Verdichtungsvorgänge aus Erlebnissen, menschlichen Beziehungen, aus Sachen und Ortseigenarten, Erinnerungen an die mit Freuden und Schmerzen durchgetragenen Stadien der nationalen Geschichte entziehen sich auch heute nicht dem Fühlen und Denken vieler Landsleute. Sie stützen vom Grunde her immer noch die Gewißheit unserer Volks-existenz. Freilich, daß sie nicht etwas stärker im Alltag unseres Lebens Ausdruck finden, hat Gründe, die wir ernster nehmen sollten. Der Verlust alter Ordnungen beschäftigt uns leider mehr als unsere Hilflosigkeit, neue, dem veränderten Leben angepaßte Ordnungsvorstellungen zu gewinnen, entsprechende freie Formen der Zusammenarbeit politischer und sozialer Art zu erarbeiten und dadurch auch die Ängste zu verlieren vor der Anonymität jener Kräfte, die unsere Entwicklung insgesamt beeinflussen. Die Lücken in unserer Schulbildung und in unserer politischen Erziehung halten uns, besonders in dieser Periode des Wohlstandsdenkens, noch allzusehr in einem unmündigen Verhalten fest und veröden in gefährlicher Weise unser gesellschaftliches und politisches Verantwortungsbewußtsein. Reden wir also nicht so viel von dem Natur-besitz des Vaterlandes! Wenn wir aber davon sprechen, sollten wir zweierlei nicht vergessen: 1. daß Inhalte sich erst im individuell erfahrenen Leben sammeln. Wo dieser Prozeß nicht bewußt im Kopf und im Herzen ausgenommen wird, bleiben die Begriffe im Dunst, der auch dadurch nicht klarer wird, daß wir uns mit stolzen Liedern begnügen, etwa über die „deutsche Treue", die wir, im Gegensatz zu anderen Tugenden, nicht zu den besonderen Eigenschaften unseres Nationalcharakters zählen können. Ideale bilden sich bekanntlich oft aus dem Bedürfnis nach dem, was man nicht besitzt; 2. daß der Inhalt des Begriffs Vaterland kein unwandelbar gleicher bleibt. Er ist kein Fixstern, sondern ein sich bewegender Planet, der ein von Generation zu Generation sich veränderndes Bild bietet.

Was also ist des Deutschen Vaterland? Wie weit sind wir entfernt von dem Vorstellungsgehalt eines Ernst Moritz Arndt: geographisch, politisch und in den Prioritäten der Lebenswertei Was gibt uns dazu die völlig veränderte deutsche, ja die unabweislich damit verbundene europäische Landkarte in die Hand? Welche Folgerungen hat unsere nationale Begriffswelt daraus gezogen? Inwieweit haben wir durch den Einfluß des Weltgeschehens auf unsere Lebensformen, Sprache und Sitten das Bewußtsein eines Eigenlebens mindern lassen oder stärken können?

Was heißt das: Eigenleben? Ich meine einen negativen und einen positiven Vorgang in unserer jüngsten Suche nach uns selbst. Negativ: darunter verstehe ich das Sichabwenden von dem pays de nos peres, seinen volk-liehen Schicksalen und Gestalten. Positiv in zweifacher Hinsicht: wir haben das Vaterländische geistig gesäubert, politisch entideologisiert, es auf die Selbstverständlichkeiten Verbundenseins mit unseren heimatlichen Familien, Nachbarn, Freunden, Arbeitsstätten, landschaftlichen Eigenheiten und auf die in ihnen, durch die Kraft der gemeinsamen Sprache dargestellten Werte zurückgeführt. Aber nicht nur das. Wir lassen uns diese Gefühle der Zuneigung nicht mehr aufreden, nicht mehr von einem geistigen Pöbel zu politischen Zwecken mißbrauchen. Ich glaube, daß wir heute in der glücklichen Lage sind, ein Gefühl dafür zu besitzen, daß das Nationale nicht mehr allein genügt und die Verbundenheit mit der werdenden einen Welt unser Lebensgefühl stärker bewegt und unseren Verantwortungssinn mehr aktiviert. Das hat nichts zu tun mit unserer leidenschaftlichen Hingabe an unsere politischen Aufgaben. Gerade denjenigen möchte ich etwas sagen, die in der sogenannten ungegliederten Massengesellschaft den Verlust heimatlicher Werte und Bindungen sehen und ihm durch elitäre Formationen zu begegnen suchen. So einfach ist das nicht, ganz abgesehen von der darin liegenden Verkennung des Charakters der Masse. Masse heißt ja Teig, der geformt, gestaltet werden will. Differenzieren wir die Menge durch lebendige Details örtlich, beruflich und vor allem durch so wichtige Gemeinschaftsaufgaben, wie sie in der Sicherung unserer Lebenselemente liegen: der sauberen Luft, des gesunden Wassers, der geschützten Landschaft und eines vernünftigen Boden-rechts I Eine der wichtigsten Gemeinschaftsaufgaben liegt in der steten Suche nach Wegen, wie wir die Verbindung mit den 17 Millionen unserer Landsleute lebendig halten können. Soweit es sich um eine geistig-seelische Verbindung mit ihnen handelt, ist es allein unsere Sorge, unsere menschliche und nationale Aufgabe.

Geht es um die politische Frage des Zusammenschlusses dieses Teiles deutscher Menschen und ihrer Landschaft mit uns, begegnet uns aber der ganze Umfang übernationaler Interessen und weltpolitischer Verflechtung.

eng ist da das Vaterländische an das Wie Europäische, speziell an das solange übersehene Mittel-und Osteuropäische gebunden.

So schmerzlich und untragbar auch Mauern, Stachel-

Wachtürme und Schießbefehle an drahtgrenzen im eigenen Lande uns, aber audi wohl Welt der freien und wahrscheinlich nicht nur dieser erscheinen, und so unleugbar es auch ist, daß unter solchen Gewaltverhältnissen kein dauerhafter Friedenszustand denkbar ist: vor uns steht die harte Realität jener aus Sicherheitsbedürfnissen der Nachbar-völker und Prestigedenken einer Weltmacht entstandenen Fakten, die so vorsichtig, 80 langsam die Überlegungen über Gründe und Gegengründe des Status quo in Gang bringen.

Wir dürfen jedoch nicht übersehen, daß dieser weltpolitische Brandherd innerhalb unserer Grenzen nicht ohne unsere historische Schuld entstanden ist, und wir müssen uns trotz berechtigter Warnungen 'an die mitverantwortliche Welt vor verkrampfter, nicht weiterführender Rechthaberei schützen, unsere Gedanken zur Beendigung der Spannungen beflügeln und zu einem fruchtbaren Zusammenleben auch der mittel-und osteuropäischen Völker unermüdlich aufrufen. Welch ein Vaterland, das diese Leistung vollbringt: die zerrissenen westlichen und östlichen Teile Europas verbinden zu helfen und seinen schöpferischen Zusammenhang wiederherzustellen! Ich glaube, daß es von der Erfüllung solcher Gemeinschaftsaufgaben abhängt, ob die politisch, gesellschaftlich und kulturell wirkende Generation im Hier und Jetzt etwas zur Auffüllung oder zur Auszehrung des Wort-inhaltes Vaterland getan hat.

Das Vaterland hat sicher für viele Menschen eine stabile, vom heimatlichen Lande her bestimmte organische Grundlage. Ohne geistiges Neuschaffen und sittliche Weiterschöpfung führt aber der Vaterlandsgedanke leicht zum nationalen Ejoismus und zum Nationalismus. Leistungen und Werte bleiben daher der Prüfstein, inwieweit wir miteinander im Vaterlande verbunden sind.

Je mehr wir es als unsere persönliche Aufgabe ansehen, uns um die geistige und rechtliche Innenausstattung unseres gesellschaftlichen und staatlichen Lebens, um die politische Kontinuität und kulturelle Tradition zu kümmern, um so deutlicher und wärmer wächst uns das Land unserer Väter zu.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Franz Schürholz, geb. 27. Juli 1894 in Hervest/Westf., promovierte 1923 in Köln bei Leopold v. Wiese. Vorrangige Arbeitsgebiete: Politisches und soziales Leben Veröffentlichungen u. a.: Grundlagen einer Wirtschaftspädagogik, Erfurt 1927, Um eine neue Aristokratie, Berlin 1931, Der Arbeitspartner, Düsseldorf 1950, Die deutschen Gewerkschaften, Düsseldorf 1955, Werkstattmodell Israel, Frankfurt 1962.