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Beistand und Rat zur Selbsthilfe der Entwicklungsländer | APuZ 50/1964 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 50/1964 Impessum Beistand und Rat zur Selbsthilfe der Entwicklungsländer Israel Entwicklungshilfe eines sich entwickelnden Landes

Beistand und Rat zur Selbsthilfe der Entwicklungsländer

Werner G. Middelmann

Die Entwicklungshilfe ist sicher nicht eine Aktion der Wohlfahrt oder der christlichen Nächstenliebe. Sie sollte aber auch nicht nur rein wirtschafltiche Hilfe sein. Die Entwicklung eines Landes erfordert möglichst gleichmäßige und gleichzeitige Maßnahmen auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet, wenn gefährliche Spannungen vermieden werden sollen.

Auf dem Gebiet der rein wirtschaftlichen Hilfe geschieht sehr vieles. Teils liegt es im wirklichen Interesse der Entwicklungsländer, teilweise ist die Wirtschaftshilfe aber auch stark von den Interessen der Länder beeinflußt, die sie gewähren. Der Erfolg der wirtschaftlichen Maßnahmen bleibt jedoch bescheiden und oft gefährdet, wenn der Mensch, der sie nutzen und mit der neuartigen Wirtschaftsform dann leben soll, nicht auf sie vorbereitet wird. Das geht nicht ohne eine Änderung der Sozialstruktur des Landes. Sie kann aber nur dauerhaft eintreten, wenn der Wille zur Selbsthilfe der Bevölkerung geweckt und gefördert wird.

Bisher gibt es in den Entwicklungsländern nur wenige Gruppen von Menschen, die die Kraft und die Verantwortung fühlen, die derzeitigen Verhältnisse in ihren Ländern zu ändern. Diese Menschen sollten den Beistand und den Rat erhalten, der sie stärkt und befähigt, weitere Selbsthilfekräfte zu mobilisieren. Nur dann kann die Brücke von einer alten, überwiegend traditionsgebundenen Lebensart und Sozialstruktur zu einer neuen, den modernen Verhältnissen angepaßten Lebensform gebaut und zum Besten aller genutzt werden.

Um die Aufgabe, die hier sowohl den gebenden als auch den empfangenden Ländern gestellt ist, richtig zu verstehen, erscheint es mir erforderlich, zuerst einige Begriffe zu klären. Entwicklungsländer sind im Grunde alle Länder. Nur der Grad der bisher erreichten technischen Entwicklung ist verschieden. Panta Rhei sagte schon ein Philosoph des Altertums, und auch heute noch sind in allen Ländern der Welt die Dinge in ständigem Fluß. Wer in der Rangfolge der technischen Entwicklung gestern unten saß, sitzt heute oben; wer aber heute unten sitzt, kann morgen oben sitzen.

Rückblick in die Geschichte Es tut uns Menschen der entwickelten Länder gut, einen kurzen Rückblick in die Geschichte der Entwicklung mancher Länder zu werfen. Für uns Deutsche bedeutete in der unmittelbaren Vergangenheit der Marshall-Plan Beistand und Rat zur Selbsthilfe, und vor etwa 10 Jahren leistete die Schweizer Finanzhilfe bei der Elektrifizierung der Bundesbahn uns ähnliche Dienste. Vor zwei Generationen erhielt Deutschland englische Hilfe bei der Errichtung von mehreren hundert Gasanstalten, die uns dazu verhalfen, die motorische Kraft in zahlreiche kleinere Gemeinden zu bringen. Vor drei Generationen empfing Deutschland englischen Rat und finanziellen Beistand bei dem Aufbau und Ausbau seines Bergbaues sowie der Eisen-und Stahl-Industrie. Noch heute liegt ein bedeutender Teil der deutschen Glas-Industrie in belgischer Hand, die diesen modernen Industriezweig bei uns einführte.

Einen ähnlichen Beistand bedeutete vor dem Ersten Weltkrieg die deutsche Hilfe bei dem Aufbau der Grundlagen einer industriellen Entwicklung an das zaristische Rußland. Diese Entwicklung wurde dann nachher von den Sowjets auf das allen bekannte heutige Ausmaß gesteigert. Während des ganzen 19. Jahrhunderts erfuhren die Vereinigten Staaten und andere Länder europäische Kapital-Hille. Sie und die Auswanderung von Millionen qualifizierter und teilweise auch ausgebildeter Menschen aus allen Teilen des alten Kontinents ermöglichten die eindrucksvolle Entwicklung Amerikas, Kanadas und Australiens. Europäern und Amerikanern ist es gut zu wissen und wertvoll, sich daran zu erinnern, daß es Europäer waren, die Amerika entwickeln halfen, und daß es dann 100 Jahre später die Amerikaner waren, die Europa halfen, sich wieder auf die Beine zu stellen. Dieser befruchtende Austausch zwischen Ländern und Kulturen beschränkt sich indessen nicht nur auf die neuere Zeitgeschichte. Griechenland und Rom gewannen in der Frühzeit ihren Glanz aus dem Kontakt mit Persien und Ägypten. Es ist auch wohl angebracht, sich daran zu erinnern, daß die großen Religionsstifter (Moses, Christus, Mohammed und Buddha) nicht in Europa zu Hause waren. Im frühen Mittelalter verhalf die Berührung Europas mit den arabischen Ländern, wobei die markantesten Zeitabschnitte die Kreuzzüge, die weitläufigen Handelsverbindungen Venedigs und die Renaissance waren, unserem Kontinent zur Entwicklung und Modernisierung seiner Lebensart. Die Architektur und die Medizin, die Mathematik und die Astronomie, das Alphabet und die Literatur, der Anbau von Obst und Getreide sowie die Verwendung von Gewürzen, die Herstellung von mannigfachen Textilien und von Glas entwickelten sich in Europa erst aus Kontakten mit der anderen Welt, wurden erneut übernommen oder angeregt.

Der Renaissance in Europa folgten die Entdeckung Amerikas, des Seeweges nach Indien und die Reformation. Der Absolutismus und die Lehnsherrschaft wurden aufgelöst, und bald begann das Zeitalter der Aufklärung. Es führte zur Auflösung der Einheit von Kirche und Staat, zur Entwicklung der modernen Wissenschaften und der Forschung, die es — im ganzen gesehen — den Menschen ermöglichen, die Naturkräfte mehr und mehr zu beherrschen. Der frei gewordene Mensch strebte nach Erziehung und Berufsausbildung. Sie waren die Voraussetzung für die Industrialisierung, die im letzten Jahrhundert mächtig begann und sich ständig steigerte.

Bevölkerungsexplosion — natürliche Schwierigkeiten — Kolonialismus Bessere Gesundheits-und Sozialdienste hatten in Europa eine Bevölkerungsexplosion zur Folge, ähnlich wie wir sie heute, ein Jahrhundert später, in weiten Teilen der Welt beobachten können. Europas Bevölkerung nahm im 19. Jahrhundert um das Zweieinhalbfache zu. Ein großer Teil dieses Zuwachses fand in dem sich rapide entwickelnden Industrie-und Gewerbeleben Beschäftigung und Erwerb, während der Rest auswandern mußte. Er stieß damals auf noch fast leere Kontinente und konnte sie erschließen. Der Weg Europas zur modernen Produktions-und Verbraucher-gesellschaft, wie wir sie heute kennen, wurde nur langsam und unter großen Spannungen beschritten. Sie waren häufig die tieferen Ursachen der Kriege der letzten 150 Jähie. Die Suche nach Rohstoffen für die wachsende Industrieproduktion, die noch nicht über die unzähligen Produkte der modernen Chemie verfügte, und das menschliche Streben nach Reichtum und Besitz trieben die europäischen Expansionskräfte an und führten in Südamerika, Asien und Afrika zum Kolonialismus, dessen Ende wir soeben erleben. Die seither frei gewordenen Länder dieser Kontinente sind die Entwicklungsländer unserer Tage, über die heute so viel gesprochen wird. Ihnen Beistand und Rat zur Selbsthilfe zu geben, sind wir aufgerufen.

Die Länder Europas konnten sich verhältnismäßig leicht entwickeln, da ihr Kontinent eine vielfältige natürliche Gliederung ohne unübersteigbare Gebirge, ohne große Wüsten und weite Meere aufweist und dazu noch über ein gemäßigtes Klima verfügt. Solche natürlichen Schwierigkeiten — tropisches Klima, weite Wüsten, hohe Gebirge und breite Meere — hinderten aber jahrhundertelang die Menschen in den riesigen Gebieten Südamerikas, Asiens oder Afrikas daran, mit der Umwelt häufig in Verbindung zu treten. Daher entwickelten sich dort die kulturellen und die wirtschaftlichen, die sozialen und die staatlichen Formen des Lebens während langer Jahrhunderte nur sehr langsam.

Der Zusammenprall mit dem europäischen Kolonialismus erschütterte und zerbrach oft die staatlichen Formen dieser Länder. Die neuen Herren zeigten zudem meistens nur wenig Neigung, für die eingesessene Bevölkerung eine Änderung der gewohnten Lebensart oder eine Nutzung der Erkenntnisse moderner Forschungen einzuführen oder zu fördern. Sehr häufig wurden erste Regungen eines Freiheitswillens blutig unterdrückt. So konnten selbst vorhandene Möglichkeiten zur Selbsthilfe bis vor kurzem nicht ausgenutzt werden.

Die Maßnahmen, die die Kolonialherren zum Schutze der eigenen Gesundheit und zur wirtschaftlichen Nutzung der vorgefundenen Rohstoffe oder zum Transport der Güter des Landes ergriffen, kamen aber natürlich auch in gewissem Ausmaße der einheimischen Bevölkerung zugute. Sie führten dazu, deren Kräfte zu wecken, ihnen gewisse technische Fertigkeiten zu vermitteln und, insgesamt betrachtet, die Geister zu formen. In gleicher Richtung wirkte sich auch in vielen Ländern die Tätigkeit christlicher Missionare aus. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die um nahezu hundert Jahre verschobene Bevölke-rungsexplosion in den Entwicklungsländern begann, bevor noch die Unabhängigkeit gewonnen war, die Industrialisierung anlief und die Umformung der traditionellen Lebensweise einsetzte. Alle drei sind indessen unabdingbare Voraussetzungen für eine rasche Entwicklung.

Unabhängig — und was nun?

Bereits vor dem Ersten Weltkriege zeigten um die Jahrhundertwende die italienische Niederlage von Adua und der Ausgang des russisch-japanischen Krieges nahende Umwälzungen an. Die volle Emanzipierung Amerikas und Rußlands vom europäischen Einfluß, die Auflösung des Osmanischen Reiches und der Doppelmonarchie Osterreich-Ungarn am Ende des Ersten Weltkrieges bekräftigten diese Entwicklung der Machtverhältnisse. Der mehr als hundert Jahre währende Druck Europas auf die anderen Länder und Kontinente hatte Gegendruck erzeugt; Europas Vorherrschaft war zu Ende, und Versuche, sie mit Gewalt wieder herzustellen, mußten fehlschlagen. Der Wille der Entwicklungsländer zur eigenen, unabhängigen Lebensform hatte am Ende des Zweiten Weltkrieges endgültig gesiegt.

Die Unabhängigkeit war gewonnen, aber über die eigenen Kräfte, das jeweilige Land zu entwickeln und zu sichern, herrschten und herrschen fast überall noch unrealistische Vorstellungen. Die Zahl der hinreichend ausgebildeten einheimischen Kräfte für die Weiterführung der vorhandenen und den Auf-und Ausbau neuer Wirtschaftsbetriebe ist äußerst gering. Die Erfahrungen der Verwaltung feh-len, und eine ausreichende Anzahl sachverständiger Kräfte für den Auf-und Ausbau des Schul-und Berufsschul-Unterrichts, des Gesundheitswesens und der Rechtsprechung ist nicht vorhanden. Die sehr wenigen ausgebildeten einheimischen Kräfte sind nicht daran gewöhnt, unparteiisch zu handeln, Verantwortung zu tragen und Entscheidungen zu fällen. Die frei gewordene Masse der ständig zunehmenden Bevölkerung dieser Länder stellt aber gleichzeitig wachsende Forderungen nach einem besseren Leben. Sie ist sich nicht bewußt, daß diese Forderungen nur erfüllt werden können, wenn sich die Lebens-und Arbeitsweise der Menschen völlig ändert. Die Bevölkerung ist bisher kaum bereit, die überkommenen Traditionen zu überprüfen und neu zu bewerten. Sie hat bisher kaum erkannt, daß der Mensch nur durch harte, regelmäßige und gute Arbeit Werte schafft, die er dann anschließend nutzen und späterhin auch genießen kann. Das Wissen um diese Voraussetzungen zu vermitteln, ist eine langwierige und nicht leichte Aufgabe. Sie soll dem Vernehmen nach selbst unter der Bevölkerung entwickelter Länder oft noch nicht ausreichend gelöst sein.

Die Wahl des richtigen Weges ist entscheidend Die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten, das Klima und die Begabung der Bevölkerung sind in den einzelnen Entwicklungsländern in vielem verschieden. Alle werden jedoch, wenn auch unterschiedlich in der Zeit gerafft, eine Entwicklung durchlaufen müssen, wie sie ähnlich die heute technisch modern entwickelten Ländern zurücklegten. So wie der europäische Kontinent von England lernte und dessen Erfahrungen nutzte, so wie Rußland und Amerika von Europa lernten und manche seiner Fehler nicht wiederholten, so wie Japan die Entwicklung der westlichen Welt kopierte und zum eigenen Besten nutzte, so sollten auch die Entwicklungsländer von heute von den Erfahrungen der jetzt technisch entwickelB ten Länder Nutzen ziehen können. Hierbei muß jedoch jedes Land selbst den Weg wählen, den es zu gehen beabsichtigt. Es bieten sich verschiedene Wege an.

Das Beispiel Japans, das für seine Entwicklung zum modernen Industriestaat nahezu hundert Jahre benötigte und sich in vielen Fällen auch nicht übermäßig durch Skrupel hindern ließ, mag für manch anderes heutiges Entwicklungsland wertvoll sein. Aus eigener Kraft verwandelte sich Japan in einen modernen Staat, ohne daß es dabei alle überkommenen Traditionen verleugnete. Europa, das eine Vielfalt der Gesellschaftsformen aufweist und ebenfalls nicht gewillt ist, auf manche Traditionen zu verzichten, benötigte für seine Entwicklung zum modernen Kontinent etwa 200 Jahre. Sein Beispiel zeigt einen anderen Weg, auf dem die Vielfalt der Lebensformen zum Wettbewerb reizte und die Entwicklung oft anspornte, andererseits aber auch zu großen internen Spannungen führte, zu Fehlentwicklungen und mörderischen Kriegen. Die Sowjetunion erreichte in noch nicht 50 Jahren einen beachtlichen Erfolg. Ihr Weg ist gekennzeichnet durch die äußerste Anspannung und den einmaligen Zwang, die zwei Generationen der Bevölkerung zu härtester Arbeit und zum Verzicht auf Lebensgenuß antrieben. Der Weg ist aber ebenso gekennzeichnet durch die Ausrottung der die Traditionen tragenden Schichten der Bevölkerung. Einen anderen Weg weist Amerika. Es hat seinen Menschen unbegrenzte Freiheit geboten und zog aus den Kenntnissen, dem Fleiß und dem Fortschritts-willen seiner überwiegend europäischen Einwanderer sowie aus dem reichlich fließenden europäischen Kapitalstrom reichen Nutzen. In etwa 150 Jahren angestrengter Arbeit gelang es den Vereinigten Staaten von Amerika, ihre heutige überragende Stellung zu erringen.

Für alle heutigen Entwicklungsländer drängt aber die Zeit. Für jedes von ihnen ist die Wahl des richtigen Weges schwer und schicksalbedeutend. Sollen und können wir ihnen dabei raten?

Noch vor neunzig Jahren konnte ein deutscher Kanzler erklären, daß ihm Unruhen in der Türkei, dem damals fernen Winkel Europas, nicht die Knochen eines pommerschen Grenadiers wert seien. Heute trägt uns das Flugzeug, das Kind unserer eigenen technischen Entwicklung, in zwei Stunden von München nach Istanbul. Nach Libyen, dem uns zunächst gelegenen Entwicklungsland, ist die Flugzeit noch kürzer. Das ständig dichter werdende Netz der Flugverbindungen läßt heute kein Land mehr aus. Die moderne Lebensart, die Produkte der technischen und industriellen Entwicklung werden dem Bewohner auch des entferntesten Entwicklungslandes täglich vor Augen geführt. Jeder Arbeiter in einer europäischen Fabrik ist heute an der Entwicklung Bedeutung. und am Wohlbefinden fremder Völker unmittelbar interessiert. Ohne Import und Export stehen hierzulande die Räder still, und die ständig steigendenAnsprüche der Menschen in den entwickelten Ländern sind nur zu befriedigen, wenn Produktion und Handel in aller Welt ständig zunehmen. Dazu bedarf es auch der Entwicklung der Länder, die bis heute noch auf niedrigerem Niveau verharren. Wir alle sind in unseren Entscheidungen nicht mehr völlig frei. Das ist der Preis, den wir alle für die moderne, arbeitsteilige Art des Lebens in einer entwickelten Gesellschaft zahlen müssen.

Die Motive, die einzelne Länder dazu bewegen, Beistand und Rat zur Selbsthilfe der Entwicklungsländer zu gewähren, mögen verschieden Sein. Tatsache ist es, daß sich keines dieser Verpflichtung entziehen kann. In einem Land mögen rein wirtschaftliche Überlegungen als Motiv überwiegen, während in einem zweiten Land politische Bestrebungen mit der Hilfe verbunden sein mögen. In einem dritten Lande kann sogar die christliche Nächstenliebe Hauptmotiv dafür sein, Beistand und Rat zu gewähren, während in einem vierten Lande die Besorgnis eine Rolle spielen mag, daß ohne die heutige Hilfe an Entwicklungsländer die Zukunft der eigenen Kinder in einer Welt gefährdet ist, in der sie später als Angehörige einer kleinen Minderheit mit hohen Ansprüchen zu leben wünschen.

Angesichts der ständig zunehmenden Bevölkerung der Welt und des riesigen Abstandes, der in bezug auf Lebensstandard und technische Entwicklung zwischen den entwickelten und sich erst jetzt entwickelnden Ländern besteht, kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Aufgabe, den heutigen Entwicklungsländern beizustehen und ihnen zu raten, eine Herausforderung ist, die sicherlich für die nächste Generation, wenn nicht für mehrere Generationen der Menschen der entwickelten Länder fortdauern wird. Diese Herausforderung wird zwar von manchen bereits gesehen, aber allzu wenige erkennen heute schon ihre

Bilaterale Hilfen aus West und Ost Der den Entwicklungsländern zuteil werdende und Rat kann nach dem Ursprung in bilaterale und multilaterale Hilfe unterteilt werden. Eine große Anzahl von Ländern ge- finanziellen Beistand oder den Rat tech-nischer Sachverständiger an Entwicklungs-Beistand mit denen sich das Geberland auf Grund historischer, kolonialer, kultureller oder politischer Beziehungen besonders eng verwahrt fühlt. Vielleicht spielt auch die Ab-6 sicht eine Rolle, aus rein wirtschaftlichen Erwägungen Beistand und Rat zu gewähren.

Großbritannien und Frankreich haben seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges alljährlich außerordentlich umfangreiche und vielseitige Entwicklungshilfe den Ländern gewährt, die bis dahin ihre Kolonien waren. Die Hilfe diente aber bei weitem nicht nur der wirtschaftlichen Entwicklung. Sie stellte vielmehr in den meisten Fällen eine Fortführung früherer Maßnahmen dar, die Länder dem modernen Verkehr zu erschließen, mit Einrichtungen der Gesundheits-und Sozialpflege auszustatten und die schwierigen Aufgaben der Erziehung und Berufsausbildung einer ständig zunehmenden Bevölkerung zu lösen. Ähnliches geschah seitens der Niederlande und Belgiens in ihren früheren Kolonien.

Die Vereinigten Staaten von Amerika begannen im Jahre 1948 durch den Marshall-Plan Europa bei seinen Selbsthilfebemühungen zum Wiederaufbau finanziell und beratend großzügig zu unterstützen. Sie haben dann seit etwa 10 Jahren in größtem Ausmaße auch den frei gewordenen Nationen Asiens und Afrikas mit Geld, Warenlieferungen und sachverständiger Beratung zur schnelleren Entwicklung verholten. Die schon früher recht großzügig den Ländern Südamerikas gewährte Hilfe der Vereinigten Staaten wurde im Jahre 1961 zur „Allianz für den Fortschritt" ausgebaut und verstärkt. Auch die amerikanische Hilfe ist zum sehr großen Teile zweckbestimmt für die Seuchenbekämpfung, den Aufbau des Schulunterrichts und für eine Vielzahl von Projekten zur Stärkung der Infrastruktur der Länder.

Die Sowjetunion und die ihr politisch verbundenen Staaten begannen ebenfalls zu Beginn der sechsten Dekade dieses Jahrhunderts insbesondere China, aber auch den damals frei gewordenen früheren Kolonien und dann neutralen Staaten Asiens und Afrikas finanzielle Hilfe und beratende Dienste zu leisten. Insgesamt betrachtet gewährten die Länder der westlichen Welt weitaus größere finanzielle Hilfe als die des Ostens. Dessen Hilfe zielte jedoch weit mehr auf die Ausweitung und Intensivierung einer neuen Sozialstruktur hin, während der Westen stärker auf die wirtschaftliche Entwicklung der Länder einzuwirken suchte.

Die Bundesrepublik Deutschland erhielt bis zum Jahre 1952 noch selbst umfangreiche Hilfe unter dem Marshall-Plan. Für manche weiteren Jahre hatte sie noch schwere finanzielle Lasten der Wiedergutmachung zu tragen. Außerdem brachten die Aufnahme und Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge für Jahrzehnte schwere finanzielle Opfer mit sich. So begann sie erst vor etwa 7 Jahren, die erste Auslandshilfe zu gewähren. Diese Hilfe war natürlich im Anfang fast ausschließlich auf die Förderung des Absatzes der Produktion der eigenen Wirtschaft in den Entwicklungsländern ausgerichtet. Sie bezog aber bald auch mehr und mehr den Beistand und Rat zur Selbsthilfe der Entwicklungsländer ein. Inzwischen hat sie ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Seit dem Jahre 1959 liefen dann neben den staatlichen Maßnahmen zur Hilfe an Entwicklungsländer auch die großen Aktionen beider Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland an. Zu ihnen trat noch die Solidaritätsaktion der deutschen Gewerkschaften zugunsten der Gewerkschaften in den Entwicklungsländern. Diese privaten bilateralen Hilfen dienten vor allem dazu, soziale Entwicklungen zu fördern und zur Selbsthilfe anzuregen.

Multilaterale Hilfen Neben diesen vielfältigen staatlichen und privaten bilateralen Hilfsaktionen gibt es seit Ende des Zweiten Weltkrieges eine Vielzahl multilateraler Maßnahmen, den Entwicklungsländern zu helfen. Sie sind von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent völlig verschieden geartet. Ihr Ausmaß und ihre Art richten sich nach den Gegebenheiten des jeweiligen Landes. Diese Hilfen wurden während der ersten zehn Jahre nach dem Kriege ausschließlich über die Organisation der Vereinten Nationen gegeben. Dann richteten auch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in Brüssel und die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) in Paris, die Colombo-Plan-Organisation in London und die COMECON (Wirtschaftsorganisation der Ostblockstaaten) in Moskau finanzielle Beistandsund Beratungsdienste ein.

Bei den unterschiedlichen Verhältnissen in den Entwicklungsländern sind nicht nur die Unterschiede des Klimas, der Bodenbeschaffenheit, der Verkehrslage und des Ausbildungsgrades der Bevölkerung zu berücksichtigen, sondern ebenso unterschiedlich wirken sich die Einflüsse der Religionen, der kulturellen Über-lieferungen, der eigenartigen Sozialstruktur und des geschichtlichen Erbes aus. Da es in keinem Falle möglich ist, von den Menschen dieser Länder zu erwarten, daß sie ohne weiteres das, was in einem entwickelten Lande heute als normaler Zustand angesehen wird, einfach kopieren, ist es eine der wichtigsten Voraussetzungen für jede Beratung, die im Lande vorgefundenen Traditionen und Gebräuche zu kennen und zu respektieren. Man darf die Bevölkerung des zu beratenden Landes geistig nicht überfordern und muß, bei allem Drängen auf zweckmäßige Änderungen, erst das Verständnis für die Notwendigkeit der Neuerungen wecken und wachsen lassen. Auch wenn dem Anschein nach die Zeit zu neuen Maßnahmen drängt, so braucht doch eben jede Änderung der gewohnten Lebensform eine gewisse Zeitspanne, um verstanden zu werden und wirklich tiefgreifende Folgen zu haben. Es ist also Geduld am Platze; aber das hindert den Berater nicht, ständig zu drängen und gleichzeitig liebevoll und selbst-kritisch die weiteren Entwicklungen zu beobachten. Ohne die praktische Mitarbeit der Berater gibt es auch keine Veränderungen des gewohnten Lebens. Sie ist am besten gewährleistet, wenn der Berater selbst demonstriert, wie und in welcher Richtung Wandlungen nötig sind. Das erfordert natürlich viel Takt und ebenso ein genaues Studium der Grundlagen, auf denen die Menschen der Entwicklungsländer seither lebten und handelten und aus denen sie die Kraft beziehen, ihre Zukunft zu meistern.

Für die von ihnen gewährte multilaterale Hilfe haben die Vereinten Nationen eine Reihe von Unterorganisationen ins Leben gerufen. Anleihen der Internationalen Bank und Kieditgarantien des Welt-Währungsfonds bringen finanzielle Hilfen. Beide Organisationen stellen den Regierungen für bestimmte große Projekte oder zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichtes Mittel zur Verfügung. Der „Sonderfonds der Vereinten Nationen" hilft Ländern bei der Finanzierung von Maß-nahmen zur Erschließung natürlicher Reichtümer, zu geologischen und Markt-Untersuchungen, zur verkehrsmäßigen Erschließung der Länder und zur Lösung einer Reihe spezieller Verwaltungsausgaben.

Von den zahlreichen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, wie der Weltgesundheitsorganisation, der Welt-Landwirtschaftsorganisation, dem Internationalen Arbeitsamt, der Welt-Post-Union, dem Welt-Wetterdienst, der Organisation für die Sicherung des Flugverkehrs, der UNESCO (Organisation für Erziehung, Wissenschaften und Kultur) und anderen, können die Entwicklungsländer technische Sachverständige für alle möglichen Aufgaben erhalten. Diese Fachkräfte werden von den Organisationen aus allen entwickelten Ländern der Welt eingestellt und stehen auf Anforderung zur Verfügung. Außerdem verfügen die Vereinten Nationen noch über vier Aktions-Organisationen: UNHCR. UNRWA, TAB und UNICEF. Alle diese Organisationen entwickeln und betreuen gemeinsam mit den Regierungen der Entwicklungsländer und den von diesen angeforderten Sachverständigen der UN-Sonder-organisationen konkrete Projekte unmittelbar. So widmet sich das „Amt des Hohen Kommissars für Flüchtlinge" (UNHCR) der Fürsorge und wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge im allgemeinen, während das „Amt für Hilfe und Arbeit" (UNRWA) den arabischen Ländern hilft, die Aufgaben zu bewältigen, die das Sonderproblem der Flüchtlinge aus Palästina stellt. Das „Amt für technische Hilfe" (TAB) koordiniert die Arbeit aller Sachverständigen, die die eine oder andere Sonder-organisation der Vereinten Nationen jeweils einem Lande bereitstellen. Schließlich hilft das „Welt-Kinderhilfswerk" (UNICEF) den Regierungen der Entwicklungsländer, ausgesuchte Projekte durchzuführen, die konstruktiv bessere Lebensverhältnisse für die ständig wachsende Zahl der Kinder und Jugendlichen der Entwicklungsländer schaffen sollen.

Das Ausmaß der Aufgaben Diese Länder stehen heute vor einer Vielfalt von Aufgaben, die ich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, etwa in die folgenden Gruppen aufteilen möchte:

1. Erschließung der natürlichen Rohstoffe und der menschlichen Reserven;

2. Aufbau einer geordneten und möglichst modernen Verwaltung; 3. Ausbau der Verkehrswege und Transportmittel; 4. Aufbau und Ausbau der Gesundheitsund Sozialdienste;

5. Ausbau und Verbesserung des Schulunterrichts; 6. Berufsausbildung der Jugend;

7. Schaffung von Arbeitsplätzen; 8. Verbesserung der Arbeitsproduktivität;

9. Landreform und Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion;

10. Aufbau und Ausbau der Gesetzgebung und der Rechtsprechung.

Alle diese Maßnahmen müssen natürlich sorgfältig den Bedingungen des jeweiligen Landes angepaßt werden. Sie müssen den Vorstellungen Rechnung tragen, die die einzelnen Länder von der eigenen Zukunft und ihren Möglichkeiten haben. Realismus tut hier not. Es ist wichtig, die vorhandenen, unzureichend ausgebildeten Menschen und geringen Mittel richtig und aufeinander abgestimmt einzusetzen und zu verwenden.

So wie die Geberländer nicht eine allgemeine Entwicklungshilfe gewähren, sondern eine Entwicklungspolitik befolgen sollten, so erscheint es mir wichtig, daß die Entwicklungsländer nicht an den Folgen von Unterlassungen oder Mißständen herumkurieren, sondern die Unterlassungen nachholen und die Mißstände selbst beseitigen. Dabei ist es natürlich wichtig, ehrgeizige Pläne mit den Realitäten des Landes und seiner Menschen in Übereinstimmung zu bringen. Fehler kosten Zeit, Geld und Energie der Menschen. Es heißt also hier, eine wohl-überlegte Vorausschau und Planung vorzunehmen.

Ich bin kein Anhänger der starren Planung. Sie wertet den Menschen und seine Reaktionen gering und trachtet allzusehr, das Erreichen materieller Ergebnisse durch harten Zwang auf die Bevölkerung fristgemäß zu ertrotzen. Aber ohne gewisse Vorstellungen von den Zielen, die durch gemeinsames tägliches Bemühen der größtmöglichen Zahl von Menschen angestrebt werden, wird es kaum möglich sein, die häufig unerfahrene, ungeleitete und unvorbereitete Bevölkerung aus einer gewissen Lethargie zu reißen. Sie ist die Frucht jahrhundertelangen Hinnehmens des vermeintlichen „Schicksals“ oder des Willens einer starken, festgefügten, der weiteren Entwicklung verschlossenen Herrschaftsordnung.

Ohne Änderung der Mentalität und der Sozialstruktur bleibt der Erfolg aus

Ohne Änderung der Sozialstruktur ist eine Entwicklung unmöglich. Geschieht sie durch Revolutionen, so stürzt wohl die überkommene Struktur plötzlich zusammen; es besteht jedoch keine Gewähr dafür, daß eine gesunde, konstruktive Neulösung gefunden und ein kontinuierlicher Aufbau vollzogen wird. Erfolgt hingegen die Änderung der Sozialstruktur durch täglich geförderte, stetige Evolution und mit realistischer Zielsetzung, so zerbricht die seitherige Ordnung nicht, paßt sich aber den ständig wechselnden Umständen immer wieder erneut an. In der bisher fast erstarrten Gesellschaftsordnung der meisten Entwicklungsländer war es nur natürlich, daß innerhalb der einzelnen Bevölkerungsgruppen jedermann danach trachtete, eine Monopolstellung — und sei es auch nur auf bescheidenster Basis — für sich zu gewinnen und zu halten. Die Mentalität der Menschen neigte zur Ausnutzung eines Vorrechtes oder Monopols, nicht zur konkurrierenden Produktion. Für eine fruchtbare Entwicklung ist es aber unerläßlich, sie dahin zu leiten, daß die Mentalität eines Produzenten und der Konkurrenz an die Stelle der seitherigen Einstellung des Beziehers einer Rente oder des Inhabers eines Monopols tritt.

Die europäische Geschichte zeigt uns, daß im Zeitalter der Lehnsherrschaft und der geschlossenen Handwerkerzünfte — beides waren Monopole, die Renten eintrugen — eine Entwicklung zum modernen, arbeitsteiligen Leben nicht möglich war. Die Verhältnisse in den meisten Entwicklungsländern sind noch heute oder doch noch bis vor kurzem ähnlich erstarrt gewesen. Der Übergang zur modernen produzierenden und konsumierenden Gesellschaft, deren Glieder alle untereinander abhängig und im Denken und Arbeiten höchst spezialisiert sind, steht dort erst in seinen allerersten Anfängen. Hier ist Beratung nützlich.

Die menschlichen Reserven der Länder sind groß. Sie blieben bisher fast ungenutzt. In der Regel verfügen die Entwicklungsländer, ähnlich wie die heute entwickelten Länder in der Vergangenheit, über eine stark wachsende Zahl von Menschen. Ihre Gesundheit ist heute gefährdet. Sie produzieren wenig oder nichts und haben meistens keinerlei Schul-oder Berufsausbildung genossen. Die Menschen leben überwiegend in Landgemeinden, meistens in großem Elend, unter-oder schlecht ernährt und sterben früh dahin. Den Regierungen der Entwicklungsländer fehlt es oft an Erfahrung, wie mit relativ geringen Mit-B teln und im Selbsthilfeverfahren die Lebensverhältnisse in den Dörfern geändert werden können.

Oft steht Aberglaube dem zweckmäßigen Verbrauch einheimischer Lebensmittel entgegen, und er verhindert häufig auch eine Verbesserung der Gesundheitsverhältnisse. Hier kann durch Rat und Nutzung der Erfahrungen entwickelter Länder geholfen werden. Mit relativ geringen Mitteln läßt sich eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion erzielen, und die hygienischen Verhältnisse lassen sich häufig schon durch Selbsthilfemaßnahmen wesentlich verbessern. Die Ausbildung einheimischer Krankenschwestern, Hebammen und Hauswirtschaftlerinnen durch erfahrene Berater kostet verhältnismäßig wenig, stößt aber oft auf die tief verwurzelte Tradition, die Frauenarbeit außerhalb der Familie bisher nicht zuließ. Unter schlechter Gesundheit und Ernährung leiden aber vor allem das Kleinkind und dessen Mutter.

Wenn ein gesundes und besser ernährtes Kind für sich selbst ein hoffnungsvolleres Leben erarbeiten und für die Entwicklung und das Wohlbefinden der Gemeinschaft einen besseren und größeren Beitrag im Laufe seines Lebens leisten soll, dann muß es eine Schulbildung und später eine Berufsausbildung erhalten. Beide Ausbildungsarten müssen aber den Verhältnissen und Bedürfnissen seines Landes angepaßt sein; sie sollten daher, von wenigen besonders qualifizierten Ausnahmen abgesehen, auch im eigenen Lande durchlaufen werden. Für eine allgemeine Ausbildung der Jugend fehlt es aber den Entwicklungsländern heute an einheimischen Lehrern. Außerdem sind die wenigen Lehrkräfte, über die die Länder verfügen, häufig nur unzureichend ausgebildet. Bei der Berufsausbildung gilt das Gleiche. Hier gilt es besonders, in der heranwachsenden Jugend zuerst einmal das einfachste Verständnis für Technik zu wecken. Die Ausbildung hochqualifizierter Spezial-arbeiter, wie sie die entwickelten Länder kennen, kann dann folgen. An natürlicher Intelligenz stehen die jungen Menschen der Entwicklungsländer ihren Altersgenossen in den entwickelten Ländern im allgemeinen keineswegs nach.

Wie hilft UNICEF?

Wie finanzieller Beistand und Rat zur Selbsthilfe in der Praxis sich vollziehen, soll anhand der Arbeit der UNICEF dargelegt werden. Das Welt-Kinderhilfswerk (UNICEF) half in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkriege der Jugend der Länder, die unter ihm besonders zu leiden hatten. Es half damals auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dort stellte das Welt-Kinderhilfswerk nicht nur eine Zeit lang Lebensmittel zur Verfügung, sondern es brachte auch Rohmaterialien (Leder, Papier, Wolle, etc.) in die Bundesrepublik. Aus diesem Material wurden Schuhe, Schulbücher und Bekleidung hergestellt. Seit dem Jahre 1950 begann dann das Welt-Kinderhilfswerk auch, ähnliche Hilfen den heutigen Entwicklungsländern für ihre Jugendlichen zu gewähren. Naturgemäß reichten seine Mittel bei weitem nicht, aus, alle Nöte zu beheben. Bald konzentrierte sich UNICEF daher darauf, Regierungen zu helfen, praktische Maßnahmen zu ergreifen, um grundlegende Änderungen der Lebens-und Arbeitsweise der Bevölkerung herbeizuführen. In allen Fällen war und ist noch heute der Wille zur Selbsthilfe der Regierungen der Entwicklungsländer Voraussetzung für die Hilfe, die UNICEF gewährt.

In der Mehrzahl der Entwicklungsländer erregten die schlechten Gesundheitsverhältnisse der Bevölkerung zuerst die Aufmerksamkeit und den Willen der Regierung, sie zu bessern. Er fand bald finanzielle Unterstützung durch das Welt-Kinderhilfswerk (UNICEF) und Lenkung durch Berater der Weltgesundheitsorganisation. Angesichts der zahllosen Opfer von Seuchen bestand bei den Regierungen zuerst die starke Neigung, die Zahl der Krankenbetten und -häuser rapide zu erhöhen. Das wäre indessen weit über die finanzielle Leistungsfähigkeit der Länder gegangen, zumal das Pflegepersonal und die Ärzte in den Ländern nicht vorhanden waren. So ließen sich die Regierungen überzeugen, daß die Ausbildung einheimischen Gesundheitspersonals vordringlich ist, damit ein staatlicher Gesundheitsdienst aufgebaut werden kann, der es dann gestattet, die Seuchen an der weiteren Verbreitung unter der Bevölkerung zu hindern und schließlich auszurotten. So wurden in vielen Ländern in einer gemeinsamen Aktion der Regierungen, der UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation Ausbildungszentren für einheimisches Gesundheitspersonal eingerichtet. Die Weltgesundheitsorganisation stellte Fachkräfte für die Ausbildung, UNICEF stat10 tete die Zentren mit den nötigen Geräten und Transportmitteln aus, gewährte Stipendien für Ärzte und Krankenschwestern, Hebammen und Heilgehilfen, während die Regierungen die Gebäude und ihre allgemeine Ausstattung stellten und die laufenden Personalkosten trugen. Seuchen aller Art, die durch die klimatischen und Ernährungsverhältnisse begünstigt, die Kinder dieser Länder dezimierten oder für ihr ganzes Leben schädigten, wurden und werden noch heute in vielen Ländern bekämpft. Das gilt zum Beispiel für Malaria, Tuberkulose, Lepra, Bilharzia, Trachoma und die Geschlechtskrankheiten. Für Massenimpfungen stellte UNICEF in großem Ausmaße die Impfstoffe, Laboratoriumsgeräte und Transportmittel zur Verfügung, während auch hier die Weltgesundheitsorganisation die überwachenden Fachkräfte und die Regierung die Kosten für das ausführende Personal, die Gebäude und die Transporte bezahlten. In einem genau fixierten Vertrag werden die Verpflichtungen der drei Vertragspartner festgelegt, die Überwachung der Arbeiten geregelt und die Überprüfung der Ergebnisse gesichert.

Als Beispiel sollen hier nur einige Zahlen über die Bekämpfung der Malaria im Iran gemacht werden. Die Regierung bezahlte rund 15 000 persische Arbeitskräfte, die in einem alljährlich monatelangen Feldzug die Wände aller Häuser und Zelte im Lande mit DDT-Lösungen abspritzen mußten. Auf diesen Wänden ruht sich die Anopheles-Mücke auf ihren Flügen aus und vergiftet sich am DDT. Tausende von Spritzgeräten und mehr als eintausend Automobile sind neben großen Mengen von DDT nötig, um den Feldzug erfolgreich durchzuführen, der rechtzeitig vor der bekannten, regelmäßigen Flugperiode der Mücke abgeschlossen sein muß. Im ganzen Lande mußten eine Anzahl Kontrollstationen eingerichtet werden, die Blutproben der Bevölkerung untersuchen, um Verbreitung und Intensität der Malaria festzustellen. Die Kampagne zur Ausrottung der Malaria im Iran begann im Jahre 1956 und kostete das Land bisher etwa 200 Millionen DM. UNICEF stellte seit dieser Zeit dem Lande etwas mehr als 700 Automobile, viele Hundert Tonnen Insektenvernichtungsmittel, Spritzgeräte, Mikroskope und sonstiges Laboratoriumsgerät im Gesamtwert von mehr als 30 Millionen DM zur Verfügung, während die restlichen mehr als 300 Automobile und ein Teil des DDT vom Lande beschafft wurden. Die Weltgesundheitsorganisation stellte und trug die Kosten für 15 Malariaspezialisten.

Während noch im Jahre 1956 etwa 60 Prozent der Bevölkerung der nördlichen Provinzen des Iran — dort lebt die Mehrzahl der Gesamtbevölkerung des Landes — von Malaria befallen waren, sind es heute in den gleichen Provinzen nur noch 0, 5 Prozent. Dabei hat sich dort die Bevölkerung überwiegend durch Zuzug, aber auch durch Zuwachs vervielfacht. Die wirtschaftliche Folge dieser Malariabekämpfung ist beachtlich. In diesen Provinzen wird nunmehr der Gesamtbedarf des Landes an Reis und Tee angebaut, der früher eingeführt werden mußte und eine schwere finanzielle Belastung darstellte. Seuchen zu bekämpfen und die allgemeinen Gesundheitsverhältnisse zu verbessern, hilft den Kindern und Jugendlichen der Entwicklungsländer. Aber erst eine bessere Ernährung verhilft ihnen dazu, die schwierigen und für das weitere Leben besonders bedeutungsvollen Jahre der Kindheit zu überleben. So wandte sich UNICEF schon bald auch der Verbesserung der Ernährung zu. Unter sachverständiger Beratung durch die Welt-Landwirtschaftsorganisation hat UNICEF einigen Regierungen in der Region Östliches Mittelmeer geholfen, 14 Groß-Molkereien einzurichten. Dafür wandte die Organisation im Laufeder Jahre bisher etwa 12 Millionen DM auf. Für diesen Betrag wurden moderne Molkereimaschinen beschafft und einheimisches Personal (Vorarbeiter, Ingenieure und Chemiker) in typischen Milchproduktionsländern Europas und in Amerika ausgebildet.

Die Regierungen bauten die Molkereien, bezahlten die einheimischen Arbeitskräfte und kauften den größten Teil der benötigten Maschinen und sonstigen Einrichtungen. Die Welt-Landwirtschaftsorganisation stellte für eine Reihe von Jahren die Spezialisten als Berater. Durch Verträge mit den Regierungen ist außerdem sichergestellt, daß UNICEF's Finanzhilfe über einen Zeitraum von 7 bis 10 Jahren durch kostenlose Lieferung von Qualitätsmilch an bedürftige Kinder des Landes zurückbezahlt wird. Das Land gewann aber durch diese Hilfe bereits zu einem früheren Zeitpunkt als unter normalen Umständen gute Milch und verfügt nunmehr für dauernd über moderne Molkereien, die auch auf die allgemeine Entwicklung der Landwirtschaft des Landes einwirken.

Neben der Errichtung von Molkereien hat UNICEF manchen Ländern auch dabei geholfen, den Unterricht in Ernährungswissenschaft an Hochschulen und landwirtschaftlichen Be-B ratungsstellen zu intensivieren und zu verbessern. Außerdem wurden zahlreicheVersuche finanziell unterstützt, aus einheimischen Nahrungsmitteln bessere Lebensmittel herzustellen. Zahlreiche Schulgärten wurden mit Geräten und Saatgut ausgestattet, um schon die Jugend mit besseren Anbaumethoden und ertragsreicheren Pflanzen vertraut zu machen.

Das gesund gebliebene und besser ernährte Kind hat den Drang, sich angemessen zu beschäftigen und zu lernen. Die Bevölkerung in den Entwicklungsländern erkannte, daß der technische Vorsprung der entwickelten Länder in erster Hinsicht auf der allgemein verbreiteten Schul-und Berufsausbildung beruht. Daher drängt sie heute überall und immer noch zunehmend darauf, ihren Kindern den Besuch einer Schule zu ermöglichen. Die Regierungen der Entwicklungsländer stehen heute überall vor der schweren technischen und finanziellen Aufgabe, die Zahl der Schulen rapide zu erhöhen und die Qualität des Unterrichtes zu verbessern. Beides scheitert heute daran, daß die Zahl der ausgebildeten Lehrer unzureichend ist. Die seitherigen Einrichtungen zur Ausbildung von Volksschullehrern reichen kaum aus, den natürlichen Abgang aller Lehrkräfte zu ersetzen. Alljährlich werden aber überall Tausende neuer Lehrer benötigt. Die UNESCO, die Organisation für Erziehung, Wissenschaften und Kultur, kann nur in sehr beschränktem Umfange Ausbilder für Lehrkräfte und Lehrmittel stellen. Zudem wünschen die Entwicklungsländer in ihrem neuerwachten Nationalbewußtsein, nur einheimische Kräfte als Lehrer zu haben und zu formen. Deswegen hilft UNICEF bei der Einrichtung weiterer Lehrerausbildungsanstalten in vielen Ländern. Auch hier wieder bewährt sich das gemeinsame Vorgehen. Die Regierungen errichten die Gebäude, statten sie aus und tragen die Kosten für den Lebensunterhalt der Lehramtskandidaten.

UNICEF steuert einen Teil der Lehrmittel bei, stellt für die praktische Ausbildung der Neu-lehrer in Dorfschulen und für die nötige Schulinspektion Transportmittel zur Verfügung und trägt die Sonderkosten für Sommerkurse der bereits im Dienst befindlichen Lehrer, aus denen sich die Inspektoren und Lehrkräfte der Lehrerausbildungsanstalten gewinnen lassen.

Die UNESCO arbeitet durch Stellung qualifizierter Sachverständiger bei dem Ausbau der Anstalten mit. So wurde in wenigen Jahren in vielen Ländern die Zahl der Lehrkräfte an Volksschulen verdoppelt und verdreifacht. Trotzdem reicht die Zahl der Volksschullehrer in vielen Entwicklungsländern noch lange nicht aus, und die Programme müssen noch während vieler Jahre weiter verstärkt und ausgebaut werden.

Das Gebiet der Berufsausbildung hat das besondere Interesse vieler Regierungen von Entwicklungsländern gefunden. Sie machen große Anstrengungen, die Möglichkeiten zu verbessern. Sie sind bereit, die Schulen zu erbauen und die Personalkosten zu tragen, sehen sich aber häufig außerstande, die nötigen maschinellen Einrichtungen alleine zu beschaffen. Hier hilft UNICEF, liefert Maschinen einfacherer Art und gewährt auch Stipendien, damit Jugendliche, die in Landgemeinden aufwachsen, ihre Berufsausbildung in den Städten erhalten können, in denen die Berufsschulen errichtet sind. Das Internationale Arbeitsamt oder UNESCO stellt, je nachdem um welche Berufe es sich handelt, dann wiederum Spezialisten zur Ausbildung der einheimischen Lehrkräfte und Schüler zur Verfügung. So werden handwerkliche und industrielle Berufsausbildung gefördert, ähnlich wie auf anderem Gebiete die Ausbildung von Krankenschwestern, Hebammen, Heilgehilfen, landwirtschaftlichen Beratungskräften und anderen unterstützt wird.

Fehlentwicklungen vermeiden Die Beratung der Regierungen erstreckt sich indessen auch darauf, manche Fehlentwicklungen zu verhindern. Häufig sind die Länder geneigt, ihre spärlichen Mittel für Vorhaben zu verwenden, deren Gesamtkosten sie nur schwer überblicken können. Die Haushalte der Entwicklungsländer sind im allgemeinen geringen Umfanges; sie können Fehlinvestitionen nicht vertragen. Allzuviele Lernbegierige aus Entwicklungsländern kehren tief beeindruckt von ihren Besuchen in entwickelten Ländern der Welt in ihre Heimat zurück. Sie glauben, manches, was sie bewundernd gesehen haben, zu Hause sofort kopieren zu sollen, und manche Auskunft, die ihnen bei ihren Besuchen zuteil wurde, verstärkt noch diesen Willen. Dabei sind die Verhältnisse im Heimatland ganz anders geartet; es kann sich den Luxus modernster Universitäten, Schulen, Kommunalbauten, Laboratorien und anderer schöner Dinge aus finanziellen Gründen noch nicht leisten.

Es ist für die Entwicklungsländer im allgemeinen sicher wichtiger und vordringlicher, eine hinreichende Zahl gut ausgebildeter Lehrer zu haben als modernste Schulen vorweisen zu können. Die reinen Unterhaltskosten würden zudem noch einen großen Teil der spärlichen Mittel des Entwicklungslandes binden. Hochmoderne, teure und komplizierte Maschinen für Lehrwerkstätten bedürfen sorgfältiger Pflege. Hierfür ist weder Geld vorhanden, noch sind die personellen Voraussetzungen gegeben, Reparaturen leicht und kurzfristig an Ort und Stelle . vorzunehmen. Spezial-Krankenhäuser mit empfindlichsten Geräten sind dort am Platze, wo Patienten aus einem weiten Umkreise sie benutzen können. Die spärlichen Verkehrseinrichtungen in fast allen Entwicklungsländern machen dies unmöglich. Es wäre völlig falsch, solche Spezialinstitute heute schon überall einzurichten. Die bilateralen Hilfen sündigen hier häufig.

Die Regierungen der Entwicklungsländer zeigen eine starke Neigung, die modernste, höchst differenzierte Verwaltungsform der entwickelten Länder zu kopieren. Dabei ist eine umfassende und stark spezialisierte Gesetzgebung noch gar nicht vorhanden. Eine solche Verwaltung, aufgeteilt in viele Spezialgebiete, bedingt jedoch einen Personalaufwand, den sich die Entwicklungsländer weder personell noch finanziell leisten können. Allzu oft wird übersehen, daß der Beginn der Entwicklung der heute technisch entwickelten Länder unter einer weitaus einheitlicheren Verwaltung erfolgte, als sie heute dort anzutreffen ist. Der natürliche Ehrgeiz vieler Entwicklungsländer ist aber allzuleicht versucht, Stufen der Entwicklung zu überspringen. Die Möglichkeiten materieller, personeller und sachlicher Natur werden falsch eingeschätzt. Hier macht sich guter Rat bezahlt. Eine ernsthafte Diskussion an Ort und Stelle führt dann doch manchmal zu einer Korrektur von lieben Träumen und hilft dem Lande mehr als ein allzu bereitwilliges Eingehen auf Wunschvorstellungen.

Die Zusammenarbeit der vielen Quellen bilateraler und multilateraler Auslandshilfe ist noch weit davon entfernt, zufriedenstellend zu sein. Allzu oft suchen leider manche Länder, die Hilfe gewähren, nur ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Sie kümmern sich wenig darum und erhalten vielleicht auch von ihren diplomatischen Vertretungen nicht umfassende Informationen darüber, wer sonst noch und auf welchem Gebiate Beistand und Rat leistet. Das führt natürlich dazu, daß zuweilen Regierungen mancher Entwicklungsländer versucht sind, den einen Hilfeleistenden gegen den anderen auszuspielen. Manchmal werden dann auch Projekte doch durchgeführt, die bei genauer Prüfung unrealistisch erscheinen müssen. Die Dienststellen der Vereinten Nationen bemühen sich durch eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern, die Hilfe gewähren, gemeinsame Vorhaben durchzuführen und Mißbrauch zu verhindern.

Einige Zahlen Welches Ausmaß die Hilfe der einzelnen Organisationen der Vereinten Nationen hat, ergibt sich aus einigen Zahlen, die ich nennen möchte. Das „Amt für technische Hilfe der Vereinten Nationen" trug im Jahre 1964 die Gehaltskosten für 2280 Sachverständige im Betrag von etwa 28 Millionen US-Dollar, gewährte Stipendien für 3400 Angehörige der Entwicklungsländer im Betrag von etwa 3, 5 Millionen US-Dollar und stellte diesen Ländern in der ganzen Welt technisches Gerät für etwa 0, 75 Million US-Dollar zur Verfügung. Die UNESCO hat in Paris etwa 460 Mitarbeiter und in den Entwicklungsländern rund 800 Sachverständige und eigene Verwaltungsbeamte. Die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 36 Millionen US-Dollar im Jahr, von denen die Hälfte vom „Sonderfonds der Vereinten Nationen" und vom „Amt für technische Hilfe" erstattet wird. In meiner Region, die in Afrika die Länder Libyen, Ägypten, Sudan, Äthiopien und Somaliland, in Asien die Länder Aden, Yemen, Saudi-Arabien, Jordanien, Israel, Zypern, Libanon, Syrien, Irak, Iran und Kuwait umfaßt, gibt die UNESCO nach dem gleichen Kostenträgerschlüssel pro Jahr insgesamt 2, 2 Millionen US-Dollar für ihre beratende und Verwaltungstätigkeit aus. Die „Weltgesundheitsorganisation" arbeitet in meiner Region mit weit mehr als 100 Sachverständigen und Verwaltungsbeamten. Ihr Haushalt beträgt etwa 5 Millionen US-Dollar, von denen nahezu ein Drittel vom „Amt für technische Hilfe der Vereinten Nationen" getragen wird.

Das Welt-Kinderhilfswerk (UNICEF) verfügt über insgesamt 540 Mitarbeiter, von denen ein Drittel in New York in der Zentralverwaltung (Einkaufsabteilung, Finanzabteilung, Transport-abteilung und Sekretariat) und der Rest in über 30 Zweigbüros, die in 6 Regionen zusammengefaßt sind, arbeitet. Die Verwaltungskosten von UNICEF betragen etwa 7 Prozent des Gesamthaushaltes von jährlich etwa 36 Millionen US-Dollar. Achtzig Prozent des Haushaltes werden aus Regierungsbeiträgen und 20 Prozent aus freiwilligen Einzelspenden und dem Erlös der Grußkarten-Aktion aufgebracht. Meine Region umfaßt ein Gebiet von 12, 5 Millionen Quadratkilometern, in dem heute etwa 120 Millionen Menschen leben, unter denen es 48 Millionen Kinder gibt. Das Gebiet ist also so groß wie die Vereinigten Staaten von Amerika, ohne Alaska, und Europa, ohne die Sowjetunion, zusammen. In meinem Regionalbüro in Beirut und in 4 Zweigbüros in Addis Abeba, Beirut, Kairo und Teheran, von denen jedes für mehrere Länder zuständig ist, werden alljährlich etwa 25 Einzelprojekte im Gesamtwert von 3, 5 Millionen US-Dollar von meinen 48 Mitarbeitern entwickelt, von denen 11 internationale Beamte sind. Die 16 Länder meiner Region weisen alle Stufen der Entwicklung auf, die etwa Völker seit dem Beginn der christlichen Zeitrechnung bis heute durchlaufen haben. Der Schulbesuch in dem Lande, das am wenigsten entwickelt ist, umfaßt etwa 5 Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter; in dem Lande meiner Region, das die höchste Entwicklung hat, gehen fast alle Kinder dieser Gruppe zur Schule. Im am wenigsten entwikkelten Lande entfallen 100 000 Menschen auf einen Arzt, während im höchstentwickelten Lande nur fast 500 Menschen auf einen Arzt entfallen. Ähnlich verschieden liegen die Verhältnisse auf allen Gebieten. Daher sind für jedes Land unterschiedlicher Beistand und individueller Rat zur Selbsthilfe erforderlich.

Die in den Entwicklungsländern vorhandenen personellen und finanziellen Mittel zur Selbsthilfe sind gering. Die Lebensverhältnisse weichen von Land zu Land stark voneinander ab; ihr Abstand von dem Leben in den entwickelten Ländern ist insgesamt betrachtet ungeheuer groß. Ohne Selbsthilfe der Entwicklungsländer wird es sicherlich nicht gelingen, ihn zu verringern und die gegenwärtigen und während der nächsten zwei Generationen zu erwartenden Spannungen zu mindern. Ohne finanziellen Beistand und Rat seitens der entwickelten Länder wird es aber auch der stärksten und bestorganisierten Selbsthilfe nicht gelingen, diese Kluft zu überbrücken und eine friedliche Zukunft für alle zu ermöglichen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Werner G. Middelmann, geb. 1909 in Offenbach, 1949— 1961 Abteilungsleiter im Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, seit April 1961 Direktor der UNICEF (Welt-Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) für die Region Ostliches Mittelmeer in Beirut/Libanon. Veröffentlichungen: Zahlreiche Artikel und Berichte über Flüchtlingsfragen in Zeitungen und Zeitschriften.