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Zwanzig Jahre politische Bildung in der Bundesrepublik Konzeptionen und Thematik des politischen Unterrichts 1945— 1965 | APuZ 51-52/1965 | bpb.de

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APuZ 51-52/1965 Zwanzig Jahre politische Bildung in der Bundesrepublik Konzeptionen und Thematik des politischen Unterrichts 1945— 1965

Zwanzig Jahre politische Bildung in der Bundesrepublik Konzeptionen und Thematik des politischen Unterrichts 1945— 1965

Wolfgang W. Mickel

A. Einführung

INHALT A. Einführung B. Grundlagen der politischen Bildung C. Soziologisch-psychologische Determinanten der politischen Bildung D. Wissenschaftliche Grundlagen der politischen Pädagogik seit 1945 E. Zur Diskussion um die Saarbrückener Rahmenvereinbarung F. Zur Auseinandersetzung zwischen Geschichte und politischem Unterricht G. Die Bedeutung der Erdkunde für die politische Bildung H. Die Situation und Einstellung der Lehrer 1. Sonstige Probleme K. Zusammenfassung

Einleitung und Fragestellung Die vorliegende Arbeit untersucht, was von schulisch-institutioneller Seite für die politische Bildung der Gymnasiasten getan wird. Dies ist die Aufgabe der politischen Pädagogik, und es ist nach 20 Jahren zu fragen, ob sie in den Höheren Schulen unseres Landes in einem wünschenswerten Maße repräsentiert ist und welche geistigen Konzeptionen ihr zugrunde liegen.

Das Bestehen der republikanisch-demokratischen Staats-und Regierungsform ist in hohem Grade von der politischen Bildung der sie tragenden Bürger abhängig. Politische Bildung ist dort unerläßlich, wo es Demokratie gibt, d. h. jene Freiheitssphäre, in der der Mensch zu sich selber kommen kann und gleichzeitig Verantwortung für den Mitmenschen übernimmt, in der er selbst zugleich befehlend und gehorchend mitzuwirken und mitzubestimmen hat.

Für den zu künftigen Führungsaufgaben in Staat und Gesellschaft berufenen Gymnasiasten darf politische Bildung nicht aus einer gelegentlichen Gefühlsbildung bestehen, die etwa anläßlich von Feiern und Spielen in ihm geweckt wird, sie muß vielmehr durch planvollen politischen Unterricht in ihm entwickelt werden. Nur auf dem Wege einer kategorialen Erschließung der politischen Wirklichkeit und des politischen Denkens kommt der kritisch reflektierende Mensch zu jenen Einsichten, die ihn zum Einsatz und zum Beispiel für andere befähigen. Deshalb liegt die vordringliche Aufgabe der politischen Pädagogik am Gymnasium in der Bildung des politischen Bewußtseins, der sozialethischen Einstellung und der tatbereiten Haltung. Man darf freilich keine übertriebenen Hoffnungen in die schulische politische Bildung allein setzen. Sie ist nicht der einzige wesentliche Faktor auf diesem Gebiet und leidet noch immer unter den Nachwirkungen einer beinahe traditionellen deutschen Dichotomie von Geist und Politik, worauf u. a. Carlo Schmid 1) und schon Friedrich Naumann aufmerksam gemacht haben.

Bei der kritischen Würdigung der politischen Bildung in den Gymnasien der Bundesrepublik muß man sich vor pauschalen Verdammungsurteilen hüten. Eine relevante Aussage ist immer nur von den einzelnen Bundesländern her zu machen. Aber auch da darf man über-zeugt sein, daß man das stille, stetige und fruchtbare Wirken einzelner als politische Erzieher nicht erfassen kann, weil es der Öffentlichkeit nicht bekannt wird. Darin liegt die Schwäche jeder zusammenfassenden Darstellung. Der vorliegende Überblick vermittelt die Ergebnisse einer umfassenden Arbeit. Aus Raumgründen kann er nur auf die wichtigsten, alle Bundesländer betreffenden Maßnahmen eingehen. Für eine detaillierte Würdigung des Gesamtkomplexes der politischen Bildung so-wie ihrer Entwicklung in jedem einzelnen Bundesland wird auf das Buch des Verfassers über die „Politische Bildung an Gymnasien 1945— 1965. Kritik und Dokumentation", 1966, verwiesen. Hier geht es um die Erforschung der sogenannten Angebotsseite der politischen Bildung. Im einzelnen geht die Untersuchung folgenden Fragen nach:

1. Was ist auf dem Gebiet der politische Bildung im Bereich des Gymnasiums seit 1945 geschehen?

Welche Konzeptionen liegen den Maßnahmen und Einrichtungen der politischen Bildung an den Gymnasien zugrunde?

Wie wird der Begriff der politischen Bildung interpretiert?

Auf welche Themenbereiche konzentriert sich die politische Bildung?

5. Welches Unterrichtsmaterial wird verwendet und welches sind seine Vorzüge und Schwächen?

6. Wie ist die Einstellung der Unterrichtenden zur politischen Bildung? Mit welchen Vorkenntnissen gehen sie an ihre Aufgabe heran?

Die Bestandsaufnahme der Angebotsseite der politischen Bildung ist ein Beitrag zur politischen Pädagogik und zur Didaktik des politischen Unterrichts und soll aktuelle schulpolitische Fragen bewältigen helfen. Der Aufgabenstellung muß die Methode entsprechen. Darum werden die Arbeitsweisen der geisteswissenschaftlichen und der empirischen Pädagogik angewendet. Die dabei zutage tretenden verschiedenen Konzeptionen müssen in einer Demokratie als legitim gelten. Sie sind charakteristisch für den in ihr herrschenden Meinungspluralismus. Ob man mit ihnen vom Standpunkt der politischen Bildung einverstanden sein kann, ist eine Frage, die im Einzelfall kritisch zu beantworten sein wird. 2. Abriß der Entwicklung des politischen Unterrichts seit 1945 überblickt man die Entwicklung der politischen Bildung an den Gymnasien nach dem Zweiten Weltkrieg (für die vorausgehende Zeit vgl. A. Flitner 2) und Hornung 3), so wird sie durch vier Phasen gekennzeichnet, an deren Anfang jeweils ein wichtiges Dokument zur Neuorientierung des politischen Unterrichts in der Bundesrepublik steht. 1. Phase: 1945— 1950: Kontrollratsanweisung Nr. 54 über „Grundsätze zur Demokratisierung der Erziehung in Deutschland" 1945; politischer Unterricht in Hessen (Erlaß vom 12. 1.

1946, Richtlinien von 1946, 1948 und 1949), Schleswig-Holstein und Bremen; Gustav Radbruch fordert Staatsbürgerkunde als Lehrfach 1948 4); Konferenz von Waldleiningen über die politische Erziehung und Bildung in Deutschland von 1949.

2. Phase: 1950— 1955: „Vorläufige Grundsätze zur politischen Bildung an den Schulen" (Ständige Konferenz der Kultusminister 1950), „Vorschläge für die Gestaltung des sozialkundlichen Unterrichts in der deutschen Schule" (Internationale Arbeitsgemeinschaft für Sozialkunde in Heidelberg 1950), Einführung des politischen Unterrichts in einigen Bundesländern (s. u.).

3. Phase: 1955— 1960: „Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung''

(Deutscher Ausschuß für das Erzie-hungsund Bildungswesen 1955);

Gutachten „Osteuropa in der deutschen Bildung" des Deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen 1956; „Empfehlungen zur Ostkunde" (Kultusminister-konferenz 1956).

4. Phase: seit 1960: „Rahmenvereinbarung zur Ordnung des Unterrichts auf der Oberstufe der Gymnasien" (Kultusministerkonferenz 1960); „Erklärung aus Anlaß der antisemitischen Ausschreitungen" (Deutscher Ausschuß für das Erziehungsund Bildungswesen 1960); „Empfehlungen an die Unterrichtsverwaltungen der Länder zur didaktischen und methodischen Gestaltung der Oberstufe der Gymnasien im Sinne der Saarbrücker Rahmenvereinbarung"

(Kultusministerkonferenz 1961);

„Rahmenrichtlinien für die Gemeinschaftskunde in den Klassen 12 und 13 der Gymnasien" (Kultusministerkonferenz 1962); „Empfehlungen für die Neuordnung der Höhe-ren Schule" (Deutscher Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen 1965).

Die Folge dieser vier Entwicklungsphasen der politischen Bildung zeigt: Man hat sich in den meisten Bundesländern für die Realisierung der politischen Bildungsaufgaben Zeit gelassen. Die Struktur der deutschen Höheren Schule und ihre Bildungsideologie haben sich als retardierende Momente erwiesen. Zu den ideologisch-historischen und organisatorisch-administrativen Behinderungen treten solche politisch-struktureller und jugendpsychologischer Art. Die beiden letzteren haben es mit der fundamentalen Frage zu tun, ob die Eigenart des Politischen dem Jugendlichen überhaupt schon zugänglich ist. Wird das Spezifische politischen Wirkens nicht stärker von irrationalen als von rationalen Kräften gespeist? Kann die Schule einen Beitrag leisten, der über das bloße Erlernen von Techniken, Verhaltensweisen, Spielregeln und Tatsachen hinausragt?

Etwa bis zum Ende der 50er Jahre hatte die Schule zuzüglich mit dem personellen Problem zu kämpfen. Auf einen Großteil der zu dieser Zeit im Amt befindlichen oder in das Amt eintretenden Lehrer hatten eigene Erfahrungen der Zwischenkriegs-, Kriegs-und Nachkriegszeit im Zusammenhang mit der re-edu-cation politisch frustrierend gewirkt. Dies zeigte sich zunächst in einer abwartenden, auch ablehnenden Haltung gegenüber dem neuen Staat und gegen die von ihm geforderte politische Bildung. Man mußte die Frustration erst langsam durch positive Projektionen auflösen bzw. die ältere Generation durch jüngere, unvorbelastete Nachwuchskräfte ersetzen. (Dieses Problem wird in dem Roman „Engelbert Reineke", 1959, von Paul Schallück besonders deutlich herausgestellt.)

Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes hatten zunächst die alliierten Besatzungsmächte die ganze Verantwortung übernommen. Für das Gebiet der Erziehung bestimmten sie im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945, daß „die erfolgreiche Entwicklung demokratischer Ideen möglich gemacht wird", verbunden mit der „Demokratisierung" des öffentlichen Lebens. Die Anweisung Nr. 54 des Alliierten Kontrollrats forderte: „Es sollen alle Schulen größtes Gewicht auf die Erziehung zu staatsbürgerlicher Verantwortung und demokratischer Lebensweise legen und Lehrpläne, Schulbücher, Lehr-und Lernmittel und die Organisation der Schule selbst auf diesen Zweck ausrichten."

Eine amerikanische Erziehungskommission erwartete 1946 den Hauptbeitrag zur Entwicklung des demokratischen Bürgersinnes von den Fächern Geschichte, Erdkunde, Staats-und Heimatkunde

Der politische Unterricht wurde von den Bundesländern als Fach eingeführt: 1.

Bayern Herbst 1951 2. Berlin Ostern 1959 nur in Abschlußklassen (ein Drittel der sonstigen Geschichtsstunden — Gemeinschaftskunde) 3.

Bremen Ostern 1949 4. Hamburg Ostern 1959 5. Hessen Januar 1946 6. Niedersachsen Ostern 1952 7. Nordrhein-Ostern 1956 pol. Bildung Westfalen allgemein 8. Rheinland-Pfalz Ostern 1952 9. Saarland Ostern 1961 Schleswig-Holstein 1953, 1950 zwei 10.

Std. in Klasse 13

11. Württemberg-

Baden Ostern 1950 12. Württemberg-

Flohenzollern 1948 (Vorher vielerorts Unterrichtsprinzip in Geschichte und Erdkunde.) 5

B. Grundlagen der politischen Bildung

1. Zur begrifflichen Bestimmung der politischen Bildung Die inhaltliche Bestimmung des Begriffs der politischen Bildung ist das Kardinalproblem der politischen Pädagogik. Auf einer breiten Skala seiner verschiedenartigen Interpretationen, die von der bloßen Sozialerziehung bis zur Betonung des genuin Politischen reicht, bewegt sich die unterschiedliche Praxis der einzelnen Bundesländer. Jede Beschreibung und Würdigung der politischen Bildung muß sich dieser Tatsache bewußt sein. Sie hängt eng mit dem Stand der Politischen Wissenschaft in der Bundesrepublik zusammen. Zwar ist diese in Deutschland, wie Hans Maier nachgewiesen hat, kein Novum; aber sie wurde in früherer Zeit vorwiegend als Staatslehre betrieben. Eine umfassende Lehre von der Politik fehlt. So erhalten die Gymnasiasten in verschiedenen Ländern der Bundesrepublik ein verschiedenes Bild von der Begründung und Rechtfertigung unserer politisch-sozialen Ordnung. Zwar können Demokratien keine monolithischen Ordnungssysteme entwerfen und verwirklichen, man hat jedoch außerhalb der Bundesrepublik eine bestimmte gemeinsame Auffassung von der Ordnung des eigenen Staates und der Gesellschaft. Es muß allerdings angemerkt werden, daß anderswo die politisch-sozialen Ordnungen nicht solch jähen grundlegenden Wechseln unterworfen waren wie bei uns. Dennoch ist eine gewisse Festlegung des Begriffes des Politischen das dringlichste Problem politischer Bildung, nachdem das Bestehen einer politisch-sozialen Erzie-hungs-und Bildungsaufgabe selbst inzwischen allgemeine, wenn auch oft widerstrebende Anerkennung und Aufnahme in den gymnasialen Bildungskanon gefunden hat. a) Der Begriff des Politischen Im folgenden sollen einige Versionen des Begriffs der politischen Bildung aufgezeigt werden. Für eine mehr politologische Begriffsbestimmung sei auf die Schrift von Konrad Schön, Der Begriff der politischen Bildung und für eine klare inhaltliche Umschreibung der Politischen Wissenschaft auf die „Denkschrift zur Lage der Soziologie und der Politi6) sehen Wissenschaft" von Rainer Lepsius verwiesen. Ferner seien die neueren zusammenfassenden Arbeiten zur Politischen Wissenschaft von Dieter Oberndorfer Eric Voegelin Arnold Brecht Carl Joachim Friedrich Ossip K. Flechtheim und Hans Maier genannt. Nach einer Unterscheidung von Arnold Bergstraesser ist die Politische Wissenschaft auf die res gerendas im Gegensatz zu den rebus gestis der Geschichte bezogen. Für die Politische Wissenschaft ergeben sich nach Oberndorfer drei Konzeptionen: 1. eine bloße deskriptiv-analytische Politikwissenschaft (auf die res gestas bezogen), 2. eine systematische Wissenschaft von den Gesetzen des Politisch-Sozialen (Anlehnung an die Naturwissenschaft) und 3. eine praktische, das ist eine das politische Handeln kritisch bedenkende und vordenkende Wissenschaft von der Politik (auf die res gerendas bezogen). , Die Grundansicht der Politischen Wissenschaft besteht nach Oberndorfer darin, „daß in der modernen Welt ein passives Hinnehmen des Geschehens der Verantwortung des Menschen für die Freiheit zuwiderläuft, daß für die politische Entscheidung der gute Wille allein nicht ausreicht, sondern daß die Reflexion über die Normen und die Kenntnisse der konstellativen Sachverhalte für das produktive Bestehen der Zukunft unentbehrlich sind."

Im übrigen spricht Oberndorfer immer vom „Politisch-Sozialen“ und trifft damit eine Unterscheidung aufeinander bezogener Begriffe, die für den Begriff des Politischen in der Pädagogik noch von Bedeutung sein wird. Stärker auf das Inhaltliche zielt die Bestimmung der Politischen Wissenschaft durch Ernst Fraenkel. Er sieht, ebenso wie von der Gablentz ihr Kernproblem im „Gemeinwohl" (salus rei publicae): „Unter dem . Gemeinwohl'wird . .. eine in ihrem Kern auf einem als allgemein gültig postulierten Wertkodex basierende, in ihren Einzelheiten den sich ständig wandelnden ökonomisch-sozialen Zweckmäßigkeitserwägungen Rechnung tragende regulative Idee verstanden, die berufen und geeignet ist, bei der Gestaltung politisch nicht kontroverser Angelegenheiten als Modell und bei der ausgleichenden Regelung politisch kontroverser Angelegenheiten als bindende Richtschnur zu dienen. Der Politikwissenschaft liegt es ob zu fragen, ob in einem politischen Gemeinwesen die institutioneilen, intellektuellen, wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Bedingungen erfüllt sind, die es ermöglichen, eine Lösung der jeweils anfallenden innen-und außenpolitischen Tagesprobleme zu erreichen, die den praktischen Bedürfnissen einer wirksamen Regierung und Verwaltung und den Mindestanforderungen eines geläuterten Gemeinwohls Genüge tun."

Die Politische Wissenschaft untersucht demnach die für das Gedeihen einer auf der Freiheit ihrer Glieder beruhenden Gesellschaftsordnung notwendigen Grundlagen und Handlungsmaßstäbe (politische Strukturlehre, politische Handlungslehre). Als oberstes inhaltliches Prinzip des Politischen erscheint der Gesichtspunkt der Ordnung. Dolf Sternberger sagt in seiner Heidelberger Antrittsvorlesung von 1960 über den „Begriff des Politischen" in Anlehnung an Thomas von Aquin:

„Der Gegenstand und das Ziel der Politik ist der Friede." und:

„Der Friede ist die politische Kategorie schlechthin."

Da Streit jedoch unter den Völkern nicht zu eliminieren sei, habe der Frieden nicht „den Streit abzuweisen und auszuschließen, gar abzuschaffen, sondern vielmehr ihn zu regeln" Im Anschluß an Sternberger umschreibt Erwin Stein den Begriff der Politik „als die Gestaltung einer gerechten Friedensordnung des öffentlichen Lebens in den Formen und mit den Mitteln der Herrschaft"

Eine weitgefaßte Bestimmung gibt Felix Mes-serschmid:

„Politik ist jene Tätigkeit, welche Menschen sinnvoll ordnet" (ebenso Hans Mommsen ).

Und Arnold Bergstraesser meint, „daß der Sinn des Politischen in der Daseins-fürsorge für die von der politischen Führung Vertretenen liegt.“

Friedrich Oetinger tritt für ein philosophisch-anthropologisches Politikverständnis ein. Bei ihm kommt es auf den „Lebenszusammenhang der im Staat vereinten Menschen" an. Indem „die Politik aus der Umklammerung durch die Idee des Bloßstaatlichen und die menschliche Sittlichkeit aus der Umklammerung durch die Gesetzlichkeit" befreit werde, sei „die Bahn frei, daß das Politische und das Menschliche sich „finden und sich wechselseitig durchdringen."

In den erwähnten Begriffsbestimmungen dominiert der Ordnungsgesichtspunkt zugunsten des Zurücktretens der Macht und des Staates. Inwieweit dies als ein Rückzug vor der Gefahr der Perversion der politischen Macht in der jüngsten Geschichte zu erklären ist, bliebe zu untersuchen. Neben diesen Typus der Definition des Politischen tritt ein mehr traditioneller, in dem Macht und Staat zu den integrierenden Bestandteilen zählen.

In der politischen Soziologie Max Webers ist Politik das „Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen den Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen den Menschen, die er umschließt." Dem Staat hat Weber das „Monopol legitimer Gewaltanwendung" zugeschrieben, dem die freiwillige Loyalität und der einsichtige Respekt der Bürger entgegengesetzt werden müsse.

Auch Theodor Litt betont den Machtcharakter des Politischen: „Politik ist der Name derjenigen Sphäre, in der die rivalisierenden Machttendenzen, von denen die Gemeinschaft erfüllt ist, sich zur Aktion sammeln und die Entscheidung suchen."

Kurt Sontheimer hat den „Begriff der Macht als Grundkategorie der politischen Wissenschaft" kritisch untersucht Nach ihm ist die Macht nicht die Grundkategorie der Politischen Wissenschaft. Sie stamme aus der macht-staatlichen Denktradition der deutschen Historie des Wilheiminismus. Für Treitschke war das Wesen des Staates „erstens Macht, zweitens Macht und drittens nochmals Macht." Für Ranke sei der Staat als Inbegriff der politischen Macht ein Selbstzweck im Reiche der Geschichte; für Jacob Burckhardt sei sie „an sich böse". Die Betonung der Macht setze den Primat der Außenpolitik voraus, wovon wir heute nicht mehr sprechen könnten Nach Sontheimer hat das Politische seinen Ort in der dialektischen Spannung von Macht und Recht womit sich eine zwischen den beiden dargestellten Konzeptionen des Politischen vermittelnde Position abzeichnet. b) Der Begriii der politischen Bildung Die politische Bildung bedeutet nicht die Verlängerung der Politischen Wissenschaft in die Schule. Sie hat sich zwar des wissenschaftlichen Instrumentariums zu bedienen, treibt aber nicht selbst Wissenschaft, sondern ihre Aufgabe besteht in der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Bildung. Aus Fakten sollen Akte werden, die mit Hilfe der politischen Pädagogik den jungen Menschen zur aktiven Wahrnehmung und Übernahme politischer Verantwortung fähig und bereit machen. Dazu muß sie die nötigen Kenntnisse und Einsichten zur Verfügung stellen, aber auch politisches Bewußtsein und Urteilskraft wecken. Verbindliche Grundüberzeugungen müssen geschaffen, der Sinn für die Rangordnung der Werte entfaltet und der politische Wille gestärkt werden. Zu allem bedarf es primär der Klärung des Begriffs der politischen Bildung. Die Unsicherheit in der begrifflichen Umschreibung der politischen Bildung wird in den entsprechenden Ministerialerlassen deutlich. Sie sprechen oft im gleichen Text von „staatsbürgerlicher Erziehung", „politischer Erziehung", „politischer Bildung", „politischer Bildung und Erziehung" und „politischer Erziehung und Bildung".

In der Politischen Wissenschaft wird das Politische in erster Linie auf den Staat bezogen, wie oben angedeutet wurde. Für die Zwecke der politischen Pädagogik muß eine Erweiterung auf das Gesellschaftliche hin erfolgen. Staat und Gesellschaft überschneiden einander und sind einander zugeordnet. Das Staatliche umfaßt vor allem die Macht-und Rechtsverhältnisse unter den Menschen; alle übrigen Beziehungen sind gesellschaftlicher Art. Das Kind und der Jugendliche erfahren zunächst die Gesellschaft und dann erst den Staat Staat und Gesellschaft sind demnach die legitimen Gegenstände der politischen Bildung. Die Beschränkung auf einen der beiden Bereiche — in Amerika auf den gesellschaftlichen, in einer einseitig staatsbürgerlichen Bildung auf den staatlichen — verfehlt den vollen Inhalt politischer Bildung.

Die terminologische Trennung bzw. Korrelation von „politisch" und „sozial" ist deswegen außerordentlich bedeutsam, weil man auch dort behauptet, politisch zu erziehen, wo lediglich eine Sozialerziehung stattfindet. Der Sozialerziehung ist die gesellschaftliche Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit eigen. Sie stützt sich vor allem auf den Begriff der Partnerschaft, auf das mitbürgerliche und mitmenschliche Verhalten, wie es Oetinger in den Mittelpunkt der politischen Bildung stellt. Dies ist bei ihm eine Reaktion auf die vorher übertriebene Staatslehre, Staatsphilosophie und staatsbürgerliche Erziehung. Die partnerschaftlichen Verhaltensformen können nur als Grund-und Vorformen der politischen Bildung betrachtet werden. Es handelt sich um sozial-ethische Normen nicht um politische. Der Umweg über das Vorpolitische war jedoch, wie angedeutet, in unserer politischen Situation notwendig. 2. Das Ziel der politischen Bildung Als philosophisch-anthropologisches Leitbild der politischen Bildung liegt den meisten Lehr-plänen die Auffassung vom „mündigen Menschen" zugrunde Sie postulieren den selbst-verantwortlichen und aus Gründen handelnden Menschen als Erziehungsziel schlechthin. Geistesgeschichtlich hat das Streben nach Mündigkeit in unserem Kulturraum seine Wurzel in der Philosophie von Platon und Aristoteles sowie in der paulinischen Theologie (vgl. Gal. 4, 1— 7; Hebr. 5, 12— 14). Nach Paulus schenkte Christus dem an das jüdische Gesetz Gebundenen die Freiheit der Kinder Gottes. Dem ging die fundamentale Einsicht in die personale Struktur des Menschen voraus. Diese Tatsache wurde später von der christlichen Theologie des Augustinus und Thomas von Aquin in Anlehnung an die antiken Philosophen wissenschaftlich untermauert. Was zunächst für den Bereich des Religiösen galt, wurde dann von den säkularen Bewegungen des philosophischen Nominalismus, der Renaissance, der Aufklärung und des Liberalismus weiter ausgebildet und wirkt in der aufgeklärten Form über Leibniz, Kant und Flegel bis in unsere Zeit (Max Scheler, Nikolai Hart-mann) fort.

Besonders fruchtbar hat sich die Äußerung Kants erwiesen, wonach die Mündigkeit des Menschen als die Überwindung des Zustandes einer selbstverschuldeten Unmündigkeit, als die Fähigkeit, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, bezeichnet werden darf. Und nach Fichte bedeutete diese Art der Erziehung, „sich zum vollkommenen Meister und Beherrscher seiner geistigen Kraft zu machen." In rationalistischer Zurückführung des menschlichen Geistes auf sich selbst wollte die Philosophie der Aufklärung den Geist von jeder Bevormundung und doktrinären Einengung befreien. So wurde bei Kant die Mündigkeit, zum Apriori jeder Erkenntnis. Vom philosophischen Bereich ist der Gedanke der Mündigkeit in der Neuzeit auf den Bereich der persönlichen Freiheitsrechte des Menschen bis hin zum (politischen) „Selbstbestimmungsrecht der Völker" übertragen worden. Von der Zeit der Aufklärung an wurde die Erziehung als ein hervorragendes Mittel zur Beförderung der Mündigkeit im Menschen angesehen, und der ältere Liberalismus, von jenem pädagogischen Optimismus getragen, glaubte, der Mensch als vernünftiges Wesen (animal rationale), das das Gute will, werde in Freiheit auch immer den richtigen Weg'in der Politik finden.

Seinen expliziten Niederschlag hat die Auffassung vom mündigen Menschen besonders in den hessischen Verlautbarungen zur Erziehung im allgemeinen und zur politischen Bildung im besonderen gefunden. Theo Fruh-mann hat darüber in seinem Aufsatz über die „Mündigkeit als Erziehungsmittel der Neuen Schule" gehandelt überträgt man den Gedanken vom mündigen Menschen auf das Feld der politischen Pädagogik, so ergibt sich seine Bedeutung aus der Charakterisierung der demokratischen Lebensordnung. Sie scheint nur so lange gewährleistet, als der Staatsbürger verantwortungsbewußt innerhalb dieser Ordnung lebt. Wo dagegen intellektuelle Indifferenz sich breit macht, da entsteht die Gefahr der Diktatur. Daher muß es die wichtigste Aufgabe der Bildungseinrichtungen sein, den Menschen zum mündigen Staatsbürger zu bilden, und der Begriff der Mündigkeit muß zur inhaltlichen Bestimmung der Gymnasialbildung gemacht werden. Konkrete Bildungsgehalte wären erst noch zu erarbeiten. Ansätze finden sich bei Walter Dirks. Unter „gesellschaftlicher Mündigkeit" versteht er folgendes: „Wenn wir von dem besonderen Akzent des Aktiven und der Entscheidungsbereitschaft absehen, welche den Begriff der Mündigkeit charakterisiert, können wir ihn mit dem Begriff der Bildung gleichsetzen. Mündigkeit ist aktualisierte Bildung, Bildung ist die Verfassung des Geistes und des Herzens, die den Menschen mündig macht."

Für die Schule ist Dirks'Ausweitung des Begriffes der Mündigkeit ins Bildungsmäßige von größter Bedeutung, weil er so für sie eher akzeptabel wird. Er vermeidet den ideologischen Verdacht, als solle über die Mündigkeit einem auf das Nützliche gerichteten Rationalismus Eingang in den Bildungskanon verschafft werden. Für die politische Pädagogik ist die Forderung nach „gesellschaftlicher Mündigkeit" um so einleuchtender, als Dirks erklärt, wir müßten in ihm „zwei Begriffe zusammengefaßt sehen: den der mitbürgerlichen und den der politischen Bildung"

Wie sehr sich der Begriff der Mündigkeit zur Formulierung des Zieles der politischen Bil-düng eignet, kann man einer Bemerkung Bergstraessers entnehmen: „Das Erziehungsziel der politischen Bildung ist die Selbstgestaltung einer inneren Form der Persönlichkeit, welche befähigt, auf politische Entscheidungsfragen adäquat und zugleich produktiv einzugehen. Das Erziehungsziel der politischen Bildung ist also das eines mündigen Menschen, der die Zuständlichkeit, in der er sich als politischer Mensch befindet, erkennen und im Wissen darum, was er tut, auf sie antwortend sich verhalten kann." Daraus resultiere, daß das „Engagement als unabdingbar zum politischen Verhalten gehörig" bezeichnet werden müsse

Charakteristisch für die Mündigkeit des Menschen ist die „Weltoffenheit" des Geistes (Max Scheler), die kognitive Distanz und rationale Einsicht. Sie ist vorsichtig gegenüber jedem politischen Wertapriori und nimmt nicht einfach Werte und Normen kritiklos hin. Sie laßt sich auch nicht manipulieren, sondern setzt sich kritisch mit der politisch-gesellschaftlichen Umwelt auseinander. 3. Der Begriff des politischen Unterrichts Die terminologischen Schwierigkeiten, die den Begriff des Politischen und der politischen Bildung charakterisieren, setzen sich in der Bezeichnung des Unterrichtsfaches fort. Man kennt dafür folgende Benennungen: Gemeinschaftskunde, Sozialkunde, Gegenwartskunde, Politische Gemeinschaftskunde, Bürgerkunde, Politische Weltkunde, Staatsbürgerkunde, Politischer Unterricht und Politik. Unter ihnen scheint der Name „Politischer Unterricht" oder „Politik" am geeignetesten zu sein, das zu umschreiben, was nach den obigen Ausführungen gemeint ist; denn damit wird eine klare Zielsetzung angegeben. Selbst wenn im Unterricht der Mittelstufe das Politische eine geringere Rolle spielt, so werden doch Tendenz und Programm deutlich. Auch die Gemeinschaftskunde in den Primen beginnt mit einer unzulänglichen Namensgebung. Der romantisierende Begriff der Gemeinschaftskunde ist für die Bezeichnung eines solchen Unterrichts-faches unbrauchbar. In letzter Zeit wird der Terminus „Politische Weltkunde" besonders von Messerschmid und vom Deutschen Ausschuß gebraucht, und das jüngste Buch von Heinrich Newe nennt sich bereits „Politische Weltkunde als fachliche und pädagogische Aufgabe" (1963). Bergstraesser setzte sich für die Bezeichnung „Politikunterricht" ein.

Wie immer er bezeichnet wird, der politische Unterricht ist die einzige Veranstaltung an den Gymnasien der Bundesrepublik, die planvolle politische Bildung zum Gegenstand hat. Dabei geht es um einen dreifachen Aspekt des Politischen: um den der Sache, des Verhaltens und der Entscheidung. Die Strukturen der modernen demokratischen Gesellschaft und des politischen Gemeinwesens sind so kompliziert geworden, daß wir ohne ihre stoffliche Durchdringung nicht mehr auskommen. Zudem setzt jede Entscheidung aus Gründen die Kenntnis der Materie voraus. Dabei ist nicht an ein bloßes Durchschauen der Mechanismen demokratischer Herrschaftsausübung gedacht, an einen Funktionalismus also, sondern an das Verstehen von Phänomenen der politischen Soziologie, Anthropologie und Ethik. Dazu gehört ebenso eine wohlverstandene politische Institutionenlehre wie die Übung von Diskussions-und Abstimmungstechnik als Verfahren demokratischer Willensbildung. Im Vordergrund des Unterrichts steht also das kognitive Moment. Politische Bildung als Unterrichtsprinzip in den dafür geeigneten Fächern hat sich dagegen nicht durchsetzen können. Man hat heute eingesehen, daß politische Bildung nur im Zusammenhang einer planvollen Unterrichtsveranstaltung zu erreichen ist.

C. Soziologisch-psychologische Determinanten der politischen Bildung

1. Staat und Gesellschaft in der politischen Bildung Politische Bildung verfehlt ihre Aufgabe, wenn sie sich als eine Darstellung der Historie von Staat und Gesellschaft begreift, auch wenn Geschichtsverständnis eines der notwendigen Elemente politischer Bildung ist. Dies gilt gleicherweise für eine Darstellung der realen Geschichte von der antiken Polis bis zur modernen Massendemokratie wie für die Geschichte der Staats-und Gesellschaftstheorien. Eine solche Geschichte vermittelt wohl Verständnis für Bedingungen und Gesetzlichkeiten des politischen Lebens, wohl auch gewisse Grund-kategorien der Politik, aber nicht das, was ihr aufgetragen ist: Orientierung der politisch-sozialen Gegenwart und Aufruf zum Engagement. So ist z. B. die dichotomische Sicht von Staat und Gesellschaft, wie sie das 19. Jahrhundert auf Grund seiner realen Situation ausgebildet hat, ebenso antiquiert wie das Verständnis der modernen Demokratie von ihrer klassischen Theorie her. Politische Bildung wird ihrem Gegenwartsbezug nur gerecht, wenn sie die Realitäten des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens von heute nicht an jenen theoretischen Einsichten und faktischen Gegebenheiten von gestern und vorgestern mißt. Politologie und Soziologie haben die Wandlung zur modernen rational-technisierten Welt dargestellt und deren eigene Strukturen und Maßstäbe herausgearbeitet. Ein einseitig historisches Verständnis beschwört die Gefahr herauf, daß die Gegenwart in ihrer Abweichung von jenen theoretischen Modellen der Vergangenheit als Dekadenz und Niedergang begriffen wird.

Im Hinblick auf die Ausübung der Herrschaft z. B. steht das Modell der Dreiteilung der Gewalten in exekutive, legislative und richterliche Gewalt allzu sehr im Vordergrund. Daher legen viele Lehrpläne so großen Wert auf Formalien des demokratischen Prozesses, z. B. auf Feinheiten des Regierungs-und Gesetzesmechanismus, die den Schüler langweilen und das Verständnis der Wirklichkeit verbauen.

Die den Gruppenpluralismus widerspiegelnde „Herrschaft der Verbände", die Erscheinungen der Bürokratisierung in Staat und Gesellschaft, die zunehmende Bedeutung der Experten für die Entscheidung sind Themen, die demgegenüber ein angemesseneres Verständnis der Realität erlauben. Die Verbände, die auf die Politik durch ihre Lobbyisten Einfluß zu nehmen suchen, durchbrechen die theoretische Trennung von Staat und Gesellschaft und siedeln sich in einem intermediären Bereich zwischen beiden an. Ihre mangelnde Beachtung in der politischen Bildung verführt leicht zu der Meinung, daß ihre Einflußnahme auf die Organe der Gesetzgebung, der Regierung und der Verwaltung im Grunde illegitim sei.

Auch das negative Urteil über die Bürokratie ist zu einem großen Teil der Unkenntnis der Verwaltungsarbeit in einem modernen Staat zuzurechnen. Die Bürokratisierung ist die Konsequenz einer auf Rationalität des öffentlichen Handelns bedachten Gesellschaft. Sie hat ihre Probleme, aber sie kann nicht als Verfalls-erscheinungbegriffen werden, ohne daß man dadurch zu weltfremder Romantik und zu politischer Abstinenz erzieht.

Die politische Erziehung in der Bundesrepublik hat mit ihrer partnerschaftlichen-sozial-erzieherischen Konzeption von der Harmonisierung der Konflikte ein friedfertiges und utopisches Bild von der demokratischen Gesellschaft entwickelt. Die Folge solcher Verharmlosung ist die Diskreditierung der staatlich-gesellschaftlichen Wirklichkeit, die bei einer Konfrontation dem harmonisierenden Modell meist wenig entspricht und den enttäuschten Zögling der Politik entfremdet. Deshalb kann politische Bildung in der Schule nicht im Historischen verharren. Sie darf nicht darauf verzichten, die Erkenntnisse der Soziologie und der Politischen Wissenschaft aufzunehmen. 2. Das Modell von Familie und Gemeinschaft in der politischen Bildung Die meisten Anleitungen für den politischen Unterricht und die politische Bildung gingen anfangs nach dem Vorbild Hessens (1948/1949) von den Primärgruppen (Familie, Nachbarschaft, Gemeinde) aus, um in konzentrischen Kreisen zu den übergeordneten politischen Gebilden vorzustoßen. Der baden-württembergische Lehrplan von 1957 wandte sich zuerst von diesem Modell ab. Der hessischen Lösung liegt die Vorstellung einer organischen Erweiterung der familienhaften Erfahrungen und Sachverhalte zu den staatlichen zugrunde. Diese Konzeption kann man mit Tietgens als ein „organologisches Mißverständnis" bezeichnen

Das Verständnis politischer Sachverhalte vom Modell der Familie aus zu entwickeln, enthält die Gefahr, daß das in unserem Gesellschaftsdenken noch weitgehend gültige Leitbild der Familie als einer patriarchalischen Sozialform auf den Staat übertragen wird und die Vorstellung von der obrigkeitlichen Staats-und Regierungsform als der allein richtigen verankert. Inzwischen haben Politische Wissenschaft und Pädagogik herausgearbeitet, daß das Vorgehen in konzentrischen Kreisen nicht der beste methodische Weg für die politische Bildung ist. Die Ordnung der Primärgruppen ist strukturell anders gelagert als die der Sekundärsysteme. Das gute Familienmitglied und der gute Nachbar sind nicht eo ipso gute Staatsbürger. Die Probleme der verschiedenen Lebensbereiche bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen. Hier setzt auch die Kritik gegen den Primat der Gemeinschaftserziehung ein, weil sie weder der politischen Erziehung gleichzusetzen ist noch ohne weiteres auf sie hinführt.

Die vorstehende Auffassung wird durch die Befunde der modernen Familiensoziologie von Schelsky, Wurzbacher und König gestützt. Danach dürfen die Primärgruppen in ihrer sozialisierenden Rolle für das Individuum nicht überschätzt werden. Der Beitrag der Familie zum Aufbau der sozialkulturellen Persönlichkeit des Kindes vermag immer weniger die „öffentlichen Tugenden" zu vermitteln. Die Rollen-erwartung der Sekundärsysteme, Arbeits-und Berufswelt, Politik, Verwaltung und Freizeit-raum sind durch eine familiäre Erziehung nicht mehr adäquat zu erfüllen. Die Familie kann so heute nicht mehr als „Keimzelle des Staates", als Staat in nuce gesehen werden, öffentliches Recht und politische Willensbildung sind auf den rivalisierenden Gruppeninteressen aufgebaut. Die Macht der „sekundären Systeme" (H. Freyer) ist größer als die der Individuen. Der familiale Tugendkatalog, z. B. Vertrauen, Großzügigkeit, Zurückhaltung, Vornehmheit, Hilfsbereitschaft, hat wohl seine Bedeutung für das öffentliche Leben, muß sich aber unter völlig anderen Bedingungen bewähren und also von neuem gelernt werden. Auf der gleichen Problemebene liegt die Erziehung zur Gemeinschaft. Der Begriff „Gemeinschaft" ist in Deutschland stark wert-besetzt, ähnlich wie im Kommunismus das „Kollektiv". Er taucht immer wieder in Perioden auf, in denen ein lebhaftes Bedürfnis nach Integration oder Reintegration empfunden wird; so in der politischen Krise um 1800 und demzufolge in der romantischen und idealistischen Philosophie. Es ist aber auch die idealtypische Gegenüberstellung von Gemeinschaft und Gesellschaft durch Tönnies zu einem Glaubensbekenntnis der Jugendbewegung geworden. Unter dem Nationalsozialismus sollte die Redeweise von der „Volksgemeinschaft" den Bürger von der Politik ablenken und seine Aktivität einem emotional unterbauten Ersatzgegenstand zuwenden. Heute gebraucht man das Wort Gemeinschaft häufig auch dort, wo man nach der Tönnies-sehen Terminologie von „Gesellschaft" sprechen müßte. So ist z. B. eine Schulgemeinschaft — eine häufig strapazierte Vokabel — vom soziologischen Standpunkt her gesehen ein Wunschbild.

Sofern der Begriff der Gemeinschaft über die Primärgruppen hinaus auf das gesellschaftliche Ganze projiziert wird, gerät er in Ideologie-verdacht. Eine politische Erziehung zum Gemeinschaftsbewußtsein dieser Art ist demnach einseitig und gefährlich. Die moderne Soziologie begreift „Gemeinschaft" und „Gesellschaft" wertfrei als strukturelle Momente, die in ein und demselben sozialen Gebilde auftreten können, nicht mehr als besondere soziale Gebilde selbst. Im übrigen vertuscht die einseitige Betonung der Gemeinschaft leicht die notwendige Einsicht in die gesellschaftlichen Spannungen und Konflikte, die im Rahmen menschlichen Zusammenlebens auftauchen. Das Erreichenwollen eines Solidaritätsbewußtseins ist für die Mitglieder größerer sozialer Gruppen realistischer als das eines Gemeinschaftsbewußtseins. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, daß die Akzente der Sozialerziehung, wie sie vielfach gesetzt sind, eine neue Orientierung erhalten müssen, sollen sie zur politischen Bildung hinführen. Die strukturellen Unterschiede zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen Primärgruppen und Sekundärsystemen müssen beachtet werden, damit man nicht in einer romantischen Verklärung überholte soziale und politische Situationen tradiert. 3. Jugend in Gesellschaft und Staat Politische Bildung als Veranstaltung der Schule muß sich mit der Frage auseinander-setzen, wie weit das Politisch-Gesellschaftliche dem Jugendlichen überhaupt zugänglich gemacht werden kann. Damit werden jugend-psychologische und soziologische Gesichtspunkte wichtig. Es muß geprüft werden, ob politische Bildung im allgemeinen, aber auch im besonderen, d. h. in ihrer derzeitigen didaktischen und methodischen Form, an den Jugendlichen herankommt; das heißt, man muß die Beziehungen des Jugendlichen zur Gesellschaft und umgekehrt untersuchen. Das Problem kann hier freilich nur skizziert werden.

Die psychologische und soziologische Situation der Jugend im Verhältnis zu Gesellschaft und Staat wird von Schelsky folgendermaßen beschrieben: „Der Jugend bleibt im demokratischen System politische vor nur In als allem die -Aktivität formation und die Möglichkeit der Meinungsprojektion und Identifikation mit demokratischen Führungsorganisationen und-Persönlichkeiten, während das Bekenntnis zu demokra12 tischen Handlungsformen, Maßnahmen und Einrichtungen durch deren geringen Symbol-wert und damit schwere Faßlichkeit schon auf grundsätzliche Verständnisschwierigkeiten stößt. Im günstigsten Falle bietet die Mitarbeit in politischen Organisationen, insbesondere ihren Jugendverbänden, dem Jugendlichen kleingruppenhafte Verhältnisse menschlicher Vertrautheit und Orientierung, die aber wiederum nicht ohne weiteres ausweitbar sind in das Verhältnis zu den bürokratischen Führungsorganisationen oder der gleichen Struktur der Öffentlichkeit . . .

Die moderne Demokratie und die ihr zugeordnete politische Öffentlichkeit stellen ein politisches System dar, das , von oben', d. h. als abstraktes Ganzes, rational begriffen sein und auf Grund prinzipieller Einsichten und Entschlüsse freiwillige und konkrete politische Aktivität erregen will. Das ist eine dem Jugendlichen bisher in keiner Form vertraute Handlungsform. Der beherrschende Grundzug im Verhalten des Jugendlichen gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit ist daher ein sehr tiefes Fremdheitserlebnis ohne starken Zwang zu seiner Bewältigung."

Diese Festellungen befreien die Schule nicht von ihrer Verantwortung gegenüber der politischen Erziehung der Jugend. Wie für viele andere Dinge, muß sie — bei allem Sinn für Eigenwert und Eigengesetzlichkeit der Jugend — diese Jugend als ein Ubergangsstadium betrachten, das der Vorbereitung auf eine Rolle in der Erwachsenenwelt dient. Diese Vorbereitung läuft in der „offenen Gesellschaft", die durch ihre Mobilität, das Miteinander und Gegeneinander formeller und informeller Gruppen gekennzeichnet ist, nicht so leicht ab wie in einer geschlossenen Gesellschaft. Mit der darin gegebenen Ambivalenz muß die politische Erziehung rechnen. Die Chance für die politische Pädagogik besteht darin, daß sie, im Gegensatz zu früher, viel mehr Möglichkeiten zu eigener Stellungnahme und Betätigung, die Gesellschaft und Staat dem Jugendlichen bieten, in Unterricht und Erziehung einbeziehen kann. Auf der anderen Seite kann die Schule nicht mehr ohne weiteres mit einem konstanten, altersspezifischen gesellschaftlichen Ordnungsbild rechnen. Der gesellschaftliche Horizont des Jugendlichen ist weiter geworden. Massenkommunikationsmittel, Vergnügungsindustrie, Reisen usw. überspringen jugendpsychologisch und sittlich wünschbare Schranken.

Das eigentliche Problem der soziologischen Voraussetzungen, die die politische Erziehung vorfindet, besteht aber darin, daß dem pluralistischen Staat und der ihn tragenden Gesellschaft eine verbindliche Staatsphilosophie und Gesellschaftslehre fehlt, da es kaum eine Gruppe gibt, die sich mit dem Staat und der Gesellschaft identifiziert, wie z. B. vormals der Adel mit dem preußischen Staat. Infolgedessen haben wir auch keine personale Ordnung mehr, sondern eine institutionalisierte, in der man von den Gruppen nur gemeinsame Minimalüberzeugungen (z. B. Anerkennung der Grund-und Menschenrechte) erwarten kann. Dieser Zustand erschwert die politische Erziehung, die ja selbst immer „engagiert"

(Arnold Bergstraesser) sein soll.

Zusammenfassend darf man sagen: Die politische Bildung muß das gewandelte Verhältnis des Jugendlichen zu Staat und Gesellschaft berücksichtigen. Sie mag das Leitbild einer geschlossenen politisch-sozialen Ordnung, wie es der ursprünglichen Konzeption der Demokratie zugrundeliegt, verständlich machen, aber sie kann es der Orientierung in der gegenwärtigen Gesellschaft und der Erziehung zum Leben in ihr nicht als Maßstab voranstellen. Sie muß von der veränderten Ordnung ausgehen, in der der Jugendliche heute steht. 4. Die Struktur der Schule und die politische Bildung Faßt man politische Bildung nicht nur rational als politische Unterweisung auf, aus der schon das rechte Verhalten resultieren werde, dann ist sie Sache des gesamterzieherischen Tuns, das den ganzen Menschen erfassen soll. Die Atmosphäre, das Klima einer Schule ist in seiner Wirkkraft von ausschlaggebender Bedeutung. Es entsteht die Frage, ob die Struktur der Gymnasien im allgemeinen der politischen Bildung günstig ist.

Unser Schulwesen verdankt seine Konstruktion der Biedermeierzeit. Die Schule selbst war ein Spiegel der damaligen Klassenschichtung; Schule und Gesellschaft befanden sich weitgehend im Einklang. Die Schule war von sozialen Ansprüchen weitgehend entlastet und konnte sich weit mehr den Erziehungs-und Bildungsaufgaben widmen als heute. Mit der Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse hat das Gymnasium, der neuhumanistischen Bildungskonzeption verpflichtet, nicht Schritt gehalten. Organisatorisch-strukturell entspricht es noch weithin dem Modell des patriarchalisch-obrigkeitlichen Staates, auch wo sich Leiter und Lehrer aufrichtig um demokratische Formen der Erziehung und des Umganges bemühen. Um das notwendige Klima für eine moderne politische Bildung zu schaffen, müßte sich das Gymnasium viel stärker an dem Modell einer auf Kooperation, Solidarität, Vertrauen und Kritik beruhenden Gesellschaft orientieren. Dies hat z. B.der Deutsche Ausschuß für das Erziehungsund Bildungswesen in seinem Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung vom 22. Januar 1955 hervorgehoben.

Im gleichen Sinne, wenn auch schärfer, kritisiert Hellmut Becker: „Die Schule ist heute weit entfernt davon, ein Modell der Freiheit zu sein. Sie zeigt bürokratische Seiten, die in einem einzigartigen Gegensatz zu ihrer Bildungsaufgabe stehen. Sie hat sich seit dem 19. Jahrhundert immer mehr zur untersten Instanz einer Verwaltungshierarchie entwickelt und steht heute auf einer ähnlichen Stufe des Verwaltungsauf-baus wie das Finanzamt, das Arbeitsamt oder die Ortspolizei, in einem deutlichen Gegensatz zur Gemeindeselbstverwaltung oder zur Universitätsselbstverwaltung. Die Lehrer entwickeln sich zu Funktionären, und die Schule ist in Gefahr, nur noch Funktionäre zu bilden."

Wenn Becker auch zweifellos übertreibt, so sind seine Feststellungen in der Tendenz durchaus zutreffend.

In der Tat ist es erstaunlich, wieweit die Reglementierung in der Schule reichen kann. Kollegien von 40— 70 hauptamtlichen Lehrkräften und Gymnasien mit über 1000 Schülern, wie sie keine Seltenheit mehr sind, verlangen eine weitgehend bürokratisch-regle-montierende Leitung und engen den Freiheitsspielraum ein. Aber nicht nur organisatorische und verwaltungsrechtliche Maßnahmen, auch bildungsideologische Gründe führen zu einer Begrenzung des für eine demokratische Erziehung notwendigen Freiheitsraumes.

Auf kaum einem anderen Gebiet ist die Ratlosigkeit von Behörden, Praktikern und Theoretikern so groß wie auf dem der Schulstruktur. Meist begnügt man sich mit dem allgemeinen Hinweis darauf, daß das Leben der Schule „demokratisch" gestaltet werden müsse. Amtliche Äußerungen zu diesem Thema liegen nur in der „Denkschrift zur inneren Schulreform" des Berliner Senators für Schulwesen von 1962 vor. In Hessen glaubt man durch die neue Allgemeine Dienstordnung (Erlaß vom 7. 8. 1963) maximal erreicht zu haben, was zu erreichen ist.

D. Wissenschaftliche Grundlagen der politischen Pädagogik seit 1945

1. Sozialerziehung und Partnerschaft als Grundlagen der politischen Bildung Den Weg zum Verständnis des sozialen Bereiches öffnete Josef Piepers Buch „Grundformen sozialer Spielregeln" Es wird immer wieder zitiert und ist in hohem Maße für die vorwiegend sozialpädagogische Ausrichtung der politischen Erziehung und Bildung in den ersten Nachkriegsjähren verantwortlich. In der ständigen Auseinandersetzung mit F. Tönnies kommt Pieper in Anlehnung an J. Plenges Arbeiten zu einer neuen Sicht der „sozialen Spielregeln" im Zusammenhang mit den Gesellungsgebilden Gemeinschaft, Gesellschaft und Organisation. Die Erziehung zur Gemeinschaft wurde in der Regel nach dem Vorbild von Tönnies überbetont unter Abwertung der anderen Gesellschaftsformen. Dabei wurde Tönnies Absicht verkannt, der sein bekanntes Buch als Kampfschrift gegen die rationalistisch-individualistische Naturrechtslehre (Vertragstheorien) verstand.

Die sozialen Spielregeln, die Grundregeln zwischenmenschlichen Verhaltens, stehen in enger Wechselbeziehung zu den Grundformen menschlichen Zusammenlebens. Daher ist „die Eigenart der Spielregeln bedingt durch die Eigenart des Sozialverhältnisses, in dem sie gelten" Der Begriff der „Spielregeln" ist gegen den des Gesetzes abzuheben. Bei der Spielregel ist „mitgedacht, daß durch sie gerade und ausdrücklich das Zueinanderverhalten, das Miteinanderhandeln, das Zusammenspiel'der einzelnen geregelt wird" während das Gesetz u. a. eine starke Verpflich-tung ausdrückt. Pieper definiert die „sozialen Spielregeln" wie folgt:

„Unter sozialen Spielregeln'wird verstanden die mit einem bestimmten zwischenmenschlichen Verhältnis unmittelbar gegebene, ihm immanente Norm des wechselseitigen Zueinanderverhaltens der Beziehungspartner." Diese grundlegende Begriffsbestimmung ist auf die einzelnen Gesellschaftsformen zu übertragen. Pieper beginnt mit der Gemeinschaft. Sie ist nach ihm „ein zwischenmenschliches Verhältnis von großer Hafttiefe, dessen , Kristallisationskern’ das den Beziehungspartnern Gemeinsame ist" Durch die starke Betonung des Gemeinsamen und der engen Verbundenheit ihrer Glieder hebt sich die Gemeinschaft gegenüber der auf die Einzel-haftigkeit ihrer Gesellungsglieder gegründeten Gesellschaft und gegen das funktionale Zusammenleben in der Organisation deutlich ab. Die Gemeinschait ist deswegen „die . reinste'Form und der Urtyp menschlichen Zusammenlebens überhaupt" In ihr ist das Prinzip des persönlichen Interesses ausgeschaltet, die Spielregel gemeinschaftlichen Lebens ist die „Liebe".

Der Begriff der Gesellschaft" wird von Pieper verstanden „als ein zwischenmenschliches Verhältnis wechselseitig bejahter Verbundenheit, dessen , Kristallisationskern'die Einzelhaftigkeit der Beziehungspartner ist."

Die Einzelhaftigkeit ist vollkommen legitim für den Menschen. Er möchte er selbst, Person sein. Dazu gehören folgende Zielbegriffe:

„Selbstentfaltung, Selbstvollendung, Selbstbehauptung, Selbsterhaltung, Selbstbewahrung"

Der Partner wird jedoch in der Gesellschaft als gleichberechtigt anerkannt, „bejahte Verbundenheit, hervorgehobene Einzelhaftigkeit" gehören also eng zusammen.

Die dritte wesentliche Gesellungsform, die Organisation, ist „zunächst die Zusammenfassung einer Vielheit von , Werkzeugen'(Organen), die in ihrer je unterschiedenen besonderen Funktion zu einem bestimmten Zweck zusammenwirken"

Daraus resultiert:

„Im Begriff der Organisation steht also der Zweck im Vordergrund, dem sie dient und der ihren Aufbau und die Funktion ihrer Glieder bestimmt."

Sie ist demnach „diejenige Form wechselseitig bejahter, zwischenmenschlicher Verbindung, deren , Kristallisationskern'die Besonderheit der Einzelnen ist"

Die Mitglieder verhalten sich zueinander wie Funktionsträger, ohne persönliche Beziehungen miteinander.

In der Praxis kann man keine der drei Ge-

sellungsformen „rein" vorfinden.

Pieper geht es in seinem Buch nicht um eine bloße Beschreibung der sozialen Spielregeln anhand der Gesellungsformen. über das Soziologische hinaus hat er ein sozialethisches und ein sozialpädagogisches Anliegen. Alle menschlichen Bezüge haben eine ethische Komponente, sie werden in Beziehung zu Normen erlebt, sie sollen so oder anders sein. Der ethische Grundbegriff, auf dem alle zwischenmenschlichen Beziehungen und alles zwischenmenschliche Verhalten beruhen, ist die Gerechtigkeit Diese Dinge müssen ein-geübt werden, sind Gegenstand der Erziehung. So liefert Piepers Buch wesentliche Einsichten in die Gruppenpsychologie und gibt Hinweise zum Verständnis mitmenschlichen Lebens in verschiedenartigen Erscheinungsformen. Vom Standpunkt der politischen Erziehung und Bildung haben sie einen unbestrittenen propädeutischen Wert.

Die Nutzanwendung aus Piepers Einsichten in die „sozialen Spielregeln" als konstitutive Momente der menschlichen Gesellschaft zieht die kleine Schritt von Ferdinand Kopp: „Erziehung zum Mitmenschen" unter bewußter Zugrundelegung der damaligen gesellschaftlichen Erfordernisse. Sie ist aus der Praxis der Arbeit in der bayerischen Volksschule entstanden und nimmt den von Oetinger in umfassender Weise vertretenen Partnerschaftsgedanken um einige Jahre vorweg. Oetinger zitiert die Schrift auf Seite 293 seiner 2. Auflage. Ihrer grundsätzlichen Bedeutung wegen wollen wir auf sie eingehen, weil sie in der Fachliteratur leicht übersehen wird.

Nach Kopp läßt sich die Sozialkunde, so nennt er den entsprechenden Unterricht, „aus der Eigenart des Menschen begründen, der wesentlich Individuum und Gemeinschaft zugleich ist. Der Mensch ist ein Wesen, das auf Zusammenleben und Zusammenwirken angelegt ist und seine eigene Wesenserfüllung erst in diesem Zusammenleben und Zusammenwirken finden kann. Es ist naheliegend, diese Abhängigkeit des Menschen von den Mitmenschen durch Lehre und Erziehung zu verdeutlichen und auf ein Erziehungsziel hin auszuwerten."

Gemäß den geschilderten sozialen Voraussetzungen wurde für Kopp die Soziologie mit Sozialpsychologie und Sozialethik zur grundlegenden Wissenschaft für die Formulierung der Aufgaben der Sozialkunde, die er in vier Leitsätzen zusammenfaßt: „ 1. Sie muß mithelfen, die Sozialanlage des Menschen durch soziale Tatschulung auszubilden. 2. Sie muß den Blick für die jeweilige Eigenart der mitmenschlichen Beziehungen schärfen und befähigen, zur rechten Zeit dem liebenden Vertrauen oder dem verständigen Vertragen oder dem planvollen Zusammenhelfen den Vorzug zu geben.

3. Sie will das Kind in die bestehenden Sozialgebilde mit all ihren Schwierigkeiten und Problemen zu verständnisvoller Aktivität einführen.

4. Sie will das soziale Tun an eine soziale Ethik binden, welche die ewigen sittlichen Normen in die verwickelte Realität des Augenblicks durch immer wieder neue Gewissensentscheidung hineinspricht und verwirklicht."

Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Aufgaben sei es, daß die Schüle zur Lebens-stätte gemacht werde und nicht nur Unterrichtsveranstaltung sei. Was Kopp für den Inhalt der Sozialkunde fordert, entspricht der Sozialpädagogik der von ihm angeführten Georg Kerschensteiner, Friedrich Wilhelm Förster und Paul Natorp. Er hätte sich ebenso auf den von Oetinger häufig herangezogenen John Dewey berufen können Mit eigentlich politischer Erziehung und Bildung hat diese Sozialerziehung noch nichts zu tun.

Das bedeutendste und umstrittenste Werk für die Neubegründung einer politischen Erziehung in Deutschland war das viel beachtete Buch von Friedrich Oetinger. Wir werden uns mit der zweiten Auflage befassen die sich „Partnerschaft" nennt und damit den Kerngedanken programmatisch zum Ausdruck bringt. Die erste Auflage von 1951 hat sogleich nach ihrem Erscheinen eine außerordentlich heftige Diskussion entfacht. Wesentliche Gesichtspunkte dieser ersten Auseinandersetzung wurden in der zweiten, veränderten Auflage berücksichtigt.

Oetinger fragt eingangs, „was wir tun können, um unser Volk an das Politische von der Seite der Lebensform her-anzufuhren"

Mit dieser Fragestellung wird die Grund-konzeption seines Buches offenbar. Er will von der mitmenschlichen, kooperativen Seite her vorstoßen. Politische Erziehung wird sich dann wie selbstverständlich ereignen können. Oetinger bemüht für seine Beweisführung die „wichtigste pädagogische Erfahrung", die da „lautet, daß der Friede unter den Menschen nicht so sehr darauf beruht, daß wir uns als einzelne oder als Gesamtheit ins richtige Verhältnis zum Staat bringen, sondern darauf, welcher Art die öffentliche Atmosphäre der Menschen untereinander ist. Stellen wir im Verhältnis zu unseren Mitmenschen die Gewohnheit schlichter tätiger Partnerschaft her, dann — und nur dann — werden sich auch im Bereich des Staatlichen Lösungen finden, die der veränderten politischen Welt Rechnung tragen."

Der Mensch wird hier nicht zuerst in der Dimension des Staatlichen, sondern des Sozialen gesehen. Diese Auffassung hat in unseren gymnasialen Lehrplänen für den politischen Unterricht insofern Resonanz gefunden, als einige von ihnen entweder ganz oder in der Unter-und Mittelstufe die Pflege der mitmenschlichen Beziehungen in den Mittelpunkt des praktischen sowie des unterrichtlichen Tuns gestellt sehen möchten.

Die negative Abgrenzung der Partnerschaft veranlaßte Oetinger zur Formulierung von acht positiven Merkmalen:

„ 1. Partnererziehung lehrt Demokratie nicht als Staatsform, sondern als Lebensform. 2. Sie geht demgemäß von einem Begriff des Politischen aus, bei dem nicht ein Staats-modell, sondern der Lebenszusammenhang der im Staat vereinten Menschen im Vordergrund steht.

3. Sie verspricht sich politische Bildung weniger von der normativen Wirkung eines Glaubensdogmas als davon, daß wir uns die Fähigkeit erwerben und bewahren, an Erfahrung zu wachsen.

4. Daß das nationalstaatliche Schema der politischen Bildung durch Krieg und Zusammenbruch schwer erschüttert ist, dürfen wir in positivem Sinne als eine besondere Chance unserer Generation deuten, die Politik mit neuer Substanz zu füllen.

5. Diese neue Substanz besteht in der sozialen Bestimmung des Menschen. Indem wir die Politik aus der Umklammerung durch die Idee des Bloßstaatlichen und die menschliche Sittlichkeit aus der Umklammerung durch die Gesetzlichkeit befreien, ist die Bahn frei, daß das Politische und das Menschliche sich finden und sich wechselseitig durchdringen.

6. Die Überlieferung der staatsbürgerlichen Pädagogik bietet in praktischen Einzelheiten Hilfen, die wir dankbar annehmen;

im ganzen aber liefert sie durch ihre Nachbarschaft zu den politischen Ideologien des Bloßstaatlichen den restaurativen Kräften der Gegenwart ebenso gefährliche Unterstützung wie die nationalpolitische Schulung nach 1933.

7. Das Gelingen des großen Werkes der Erziehung unseres Volkes zu demokratischen Lebensformen hängt nicht so sehr von der Pflege der individuellen Sittlichkeit ab, als vielmehr davon, daß wir dem Wohlwollen Gelegenheit geben, sich zu betätigen.

8. Religiöse Kraft kann die Bewältigung der pädagogischen Aufgabe im einzelnen Falle erheblich erleichtern; aber die religiöse Erziehungsaufgabe ist ihrem Wesen nach von der politisch-pädagogischen verschieden."

Oetinger faßt zusammen:

„Mit Partnerschaft wiid die Verwandlung unseres politischen Horizonts weg von den Staatsbildern und hin zur praktischen Lebensführung beschrieben."

Das Wesen der Partnerschaft sieht Oetinger in einer „Haltung der Offenheit zum anderen hin" Damit treten die individualpsychologischen Gesichtspunkte zugunsten der sozialpsychologischen in den Hintergrund. Das Soziale ist mehr als das Individuelle, seine Ethik ist nicht eine ins Kollektive hypostasierte Individualethik, wie etwa noch Paul Natorp, von der Kantschen Ethik herkommend, meinte. Partnerschaft lehnt die Trennung von Ich und Welt ab, wie sie die idealistische Philosophie seit der Antike kennt. Notwendige Komponenten der Partnerschaft — ihre Spielregeln sind Vertrauen, Öffentlichkeit, Namentlichkeit sind Kompromißbereitschaft und Toleranz. Zur Voraussetzung gehört die Gliederung der Gesellschaft in kleine, überschaubare Einheiten. Oetinger gebührt das Verdienst, die theore tischen Grundlagen für eine neue Art politischer Erziehung geschaffen zu haben, unter klarer Distanzierung von einer wirkungslos gebliebenen bzw.den politischen Anforderungen nicht gerecht gewordenen staatsbürgerlichen oder nationalpolitischen Erziehung. Im Gegensatz zu Ferdinand Kopp (s. o.), der bei seiner mitmenschlichen und mitbürgerlichen Erziehung von der Not des Augenblicks, nämlich der Auslösung zwischenmenschlicher Bindungen im Nachkriegsdeutschland ganz empirisch ausging, später aber zum engeren politischen Bereich vorstieß, möchte Oetinger seine Auffassung von partnerschaftlicher Erziehung zum heuristischen Prinzip jeder politischen Erziehung machen. Darin liegt ihre Schwäche.

Die Partnerschaft umfaßt nur die allgemein-menschlichen Verpflichtungen des einzelnen und der Gesamtheit. Sie werden umschrieben mit den Begriffen der „Kooperation", „Haltung", „sozialem Wohlwollen", „nachbarschaftlicher Solidarität", „Genossenschaftlich-

keit" und „Menschlichkeit". Hinzu kommt ein falsches Verständnis des Politischen, das auf das Soziale reduziert und dem die Eigenständigkeit genommen wird. Damit wird es letztlich diskreditiert zugunsten einer falschen Harmonisierung der Gegensätze im menschlichen Leben. Ein konstitutives Element jeder Demokratie, der Kampf rivalisierender Gruppen und Ideen, wird verharmlost und zur Partnerschaftlichkeit aufgelöst. Das aber kann geradezu gefährlich für den Bestand der Freiheit werden. Ferner muß politische Erziehung immer dynamisch sein wie die Politik selbst.

Mitmenschlichkeit und Partnerschaft können daher nur propädeutischen Charakter für die Politik haben. Politische Entscheidungen haben es primär mit der Macht zu tun. Diese ist eine Qualität sui generis, die nur im eigentlich politischen Bereich erfahrbar ist. Sie muß im Dienst einer Rechtsordnung stehen, muß sittlich verantwortet werden. Dabei sind weniger die formalen Ausprägungen in der Gestalt von Verfassungen, Gesetzen und Verordnungen entscheidend, sondern ihre Art der Repräsentanz im politischen Alltag. Oetinger hat den politischen Bereich zu einem pragmatischen Bereich erklärt, der sich erst im aktiven Tun entfalte, und ihm einerseits den Nimbus des Weltfernen und andererseits das Odium des Banalen und Banausischen, bei dem man sich die Hände beschmutzt, genommen. Er sieht also den Staat als eine zweckrationale, nicht als eine metaphysische (Hegel) Einrichtung. Politik ist nichts anderes als der Versuch, das Zusammenleben der Menschen friedvoll zu ordnen. Einzelheiten, das Wie, hängen von der vorherrschenden Ideologie ab. Noch eines hat Oetinger klar gesehen: Politik und Ethik lassen sich nicht identifizieren, so wenig wie es eine Politik ohne Ethik geben darf. Er verlangt jedoch für den pragmatischen Bereich der Politik auch eine adäquate Ethik: die Verantwortungsethik. Die schärftste Kritik gegen Oetinger wurde von Theodor Litt vorgetragen Er moniert vor allem die Reduzierung des Politischen auf das Soziale und die geringe Wertung des Staates Ähnliches kritisiert Erich Weniger Muth erklärt, politische Erziehung sei nur sinnvoll, wenn sie den Jugendlichen mit allen politischen Gegebenheiten konfrontiere. Durch Partnerschaft würden nur die privaten, nicht aber die öffentlichen Tugenden angesprochen. Hornung sieht die Gefahr der Partnerschaftspädagogik im „social engineering", im Sich-erschöpfen" in einer Lehre von den Binnenverhältnissen der Gemeinschaft"

Groothoff und Hilligen erkennen die Gedanken Oetingers weitgehend an. Oetinger hat zu seinen Hauptkritikern im Schlußkapitel der 3. Auflage seines Buches von 1956 sowie zwei Jahre vorher schon in einem Aufsatz Stellung genommen. Vor allem verwahrt er sich gegen den Vorwurf, er schalte den Staat aus seiner politischen Erziehung aus. Heinrich Weber wiederum wendet sich gegen Oetingers Kritik an den Auffassungen Litts und Wenigers. 2. Staat, Macht und Kampf als Hauptthemen der politischen Bildung Erich Wenigers ältere Arbeit „Zur Frage der staatsbürgerlichen Erziehung" hat in ihren Grundthesen kaum an Aktualität eingebüßt. Sie hebt sich in ihrer Sicht der staatsbürgerlichen Erziehung wohltuend von den sonstigen Schriften über das gleiche Thema aus der Weimarer Zeit ab. Deswegen konnte sie auch nach 1945 — mutatis mutandis natürlich — noch wegweisend für einen neuen Anfang gelten. Der Autor hat 1961 selbst einiges angefügt. Die unpolitische Haltung der deutschen Bildungsschichten bis hinein in die Unterrichtsverwaltungen — wenigstens für eine Anzahl von Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg — hat ihre parallele Erscheinung in der Weimarer Zeit. Weniger berichtet, wie damals auf Seiten der Höheren Schule die Neigung bestand, die Notwendigkeit eines besonderen Faches „Staatsbürgerkunde", klar gefordert von Art. 148 Abs. 3 der Weimarer Reichsver-fassung, abzulehnen und die ihm zugedachten Aufgaben den etablierten Fächern, insbesondere der Geschichte und Erdkunde, dann der Deutschkunde und dem Religionsunterricht, zuzuweisen, schließlich aber allen Unterrichtsfächern zu überlassen. Selbst die Reichsschul-konferenz empfahl einen besonderen Unterricht nur für die Abschlußklasse Ein der Verfassung von Weimar entsprechendes Staatsbewußtsein sollte systematisch in den jungen Menchen herangebildet werden. Aus diesem Mangel verstehe sich die ausgeprägte Tendenz der staatsbürgerlichen Erziehung auf den Staat hin, während wir heute für Gesellschaft und Staat erziehen wollen. Weniger schreibt „. . . daß staatsbürgerliche Erziehung nicht gleichzusetzen ist mit sittlicher Erziehung oder mit Gemeinschaftserziehung. Es ist durchaus denkbar, daß jemand sittlich vollkommen gut und zu echter Gemeinschaftsgesinnung erzogen ist, ohne eine echte innere Beziehung zum Staat zu haben ..." Ähnlich argumentiert Weniger gegen Oetinger. Darüber hinaus macht er einen feinen Unterschied zwischen staatsbürgerlicher Erziehung und politischer Bildung: „Politische Bildung geht auf Vergegenwärtigung der politischen Lebensform, des sachgemäßen politischen Verhaltens und Handelns und ihrer Bedingungen und Möglichkeiten. Die staatsbürgerliche Erziehung übermittelt dem politischen Handeln die Inhalte und vor allem die Bedingungen, aber sie wird auch für den gefordert, der über den Kreis seiner staatsbürgerlichen Pflichten hinaus politisch nicht tätig ist. Die politische Erziehung ist also mehr als staatsbürgerliche Erziehung, sie tritt zu ihr hinzu."

Heute würden wir diese Trennung nicht mehr vornehmen, sondern beide zusammen sehen und im übrigen den Begriff des Politischen weiter fassen und ihn nicht auf den Staat beschränken. Nach Weniger braucht die Schule nicht das Abbild des . Staates im kleinen zu sein. Er sieht sogar darin eine Gefahr für die Erziehungsarbeit:

„Nicht der Staat, wie er in den anderen Seiten seiner Existenz ist, sondern wie er sich seine Schule schafft, man kann sagen, wie er als Schule ist, ist erster Gegenstand der Bildung.. . Ganz allgemein gesagt: die Jugend muß den Staat in seiner Schule achten und lieben können, muß ihn in der Form der Schule, und wo sonst der Staat mit erzieherischem Anspruch ihr entgegentritt, erleben, die Haltung der Lehrer, die Behandlung der Schüler, der Ton des Umgangs, alles ist ihm ein Bild des Staates, und etwas sehr Wesent-liches dabei ist die Form der Gerechtigkeit und der Achtung vor der Freiheit und vor dem Eigenleben von Lehrer und Schüler, schließlich die Art des Verhaltens der Schule und des Unterrichts gegenüber geistigen Wirklichkeiten wie Dichtung, Geschichte, Religion."

Die beschriebene allgemeine Haltung der Schule als Repräsentantin des Staates läßt dann eine „Lehre" als sinnvoll und möglich erscheinen. Damit berührt Weniger die Klagen auch unserer Zeit, die immer wieder davon ausgehen, daß politische Erziehung und Bildung allein eine Sache des Lebensstils und der Verhaltensweise einer Schule sei. In seinem Nachwort von 1951 verlangt Weniger politische Bildung für jeden Staatsbürger, da er eine aktive politische Verantwortung trage

In einem Aufsatz von 1952 setzte sich Erich • Weniger mit deutlichem Bezug auf Oetingers Partnerschaftsgedanken mit der „politischen und mitbürgerlichen Erziehung" auseinander. Der Rekurs auf die Partnerschaftserziehung werde durch die Enttäuschung am Staat gefördert. Sie habe insofern recht, als sie meint, es dürfe nicht nur auf den Staat hin erzogen werden, sondern die Erziehung müsse auch seine genossenschaftlich organisierten Untergliederungen beachten. Die mitbürgerliche Erziehung habe das Verdienst, uns auf die nächstliegende Verantwortung, als Vorstufe der höheren, hingewiesen zu haben. Die Bedeutung der mitbürgerlichen Erziehung und der Erziehung zur Partnerschaft und Kooperation liege nicht in sich selbst, sondern „in einer erneuten Besinnung auf das spezifisch Menschliche im politischen Raum und innerhalb der politischen Erziehung

Aus den von Weniger aufgestellten Thesen für die politische Erziehung und Bildung teilen wir die folgenden mit:

2. These: „ . . . daß eine echte politische Erziehung ohne unmittelbaren Bezug zum staatlichen Leben ins Leere greift." 3. These: „. . . daß auch die beste politische Ordnung der Macht nicht entbehren kann, daß eine Rechts-und Friedensordnung ohne Macht und nur auf die gleichsam täglich zu erneuernde Billigung und Zu-Stimmung der Menschen angewiesen, nicht lebensfähig und nicht wirkungsfähig ist . . 5. These: . daß politische Erziehung nicht zuletzt Aufklärung und Appell an Vernunft und Einsicht enthält"

Weniger lehnt Gefühl und Wille als einzige Bestandteile der politischen Erziehung ab und glaubt „an die grundlegende Bedeutung der Einsicht für die politische Erziehung". „Demokratie fordert die Verantwortung jedes einzelnen für das politische Geschehen, und das wiederum fordert, daß jeder die in seinem Gesichtskreise zugängliche Einsicht auch erwerbe, die ihm die Möglichkeit echten politischen Handelns erschließt. Die Demokratie gewährt jedem einzelnen im Volke, auch dem einfachsten Menschen, die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und läßt jeden teilhaben an der politischen Verantwortung. Daraus erwächst die erzieherische Aufgabe, jeden* einzelnen in den Grenzen seiner Begabung und seines Intellekts für die Übernahme dieser Verantwortung und für die Anteilnahme am politischen Leben zu erziehen und zu bilden. Jeder einzelne muß daher einen Grund-bestand von Einsichten erhalten, die zur Ausübung seiner politischen Rechte und zur Erfüllung seiner politischen Pflichten notwendig sind."

Den Kampfcharakter der Politik arbeitete im gleichen Jahr Michael Freund in seiner Göttinger Antrittsvorlesung heraus. Nach seiner Auffassung ist die Politik „in ihrem Wesensgrund Kampf, Wille, Entscheidung, ein aktives Ringen darum, die Welt zu verändern". „Die Politik bewegt sich in einem eigentümlichen Medium. Sie hat es zu tun mit der Gestaltung der Politeia, der Gemeinschaft, und deren Formung im Kampf und Widerstreit. Sie lebt auf der Schwelle zwischen heute und morgen. Sie ist gewoben aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ihr spezifisches Mittel ist die Macht, und die Macht oft in der elementaren Form ihres Werdens, nämlich der Gewalt. Die Dämmerwelt zwischen dem Licht des Heute und dem Dunkel des Morgen ist ihr eigentlicher Lebensraum."

Theodor Litt beklagt im Jahr 1952 in seinen „Leitsätzen zur Begründung eines realisti-sehen höheren Schulwesens" den fehlenden Wirklichkeitssinn der höheren Schule und wirft ihr die „Flucht in die Innerlichkeit" vor, „in ein Außerhalb und Jenseits der mechanisierten Arbeitswelt", um die „Humanität" in gleicher Weise verwirklichen zu können wie in der bürgerlichen Welt unseres klassischen Zeitalters. Litt ist deshalb der Meinung: „Wenn es in Zukunft überhaupt gelingen soll, den Menschen als solchen zu retten, so wird dies nur innerhalb dieses Arbeitssystems . . . möglich sein." 82a)

Diese Gedanken hat Theodor Litt in seinen Büchern über „Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt" und „Technisches Denken und menschliche Bildung" weiter ausgeführt.

In seiner Aufsatzsammlung „Die politische Selbsterziehung des deutschen Volkes" hat Theodor Litt eine Arbeit über „Wesen und Aufgabe der politischen Erziehung" von 1953 veröffentlicht, deren Thesen wir uns im folgenden zuwenden. Er beginnt mit der Erklärung des Begriffes Demokratie. In Deutschland sei das zumächst eine Angelegenheit der Verfassung, in Amerika bedeute es dagegen in Anlehnung an die Ideen John Deweys „das geistige Klima, innerhalb dessen sich alles gemeinsame Leben und Wirken, sowohl diesseits als auch jenseits der Grenzen des im spezifischen Sinne Politischen, vollzieht und gestaltet. Die Verfassung ist nur die zusammenfassende Kodifikation und der repräsentative Ausdruck dessen, was in allen Bezirken des Lebens gilt und befolgt wird" Der deutsche Demokratie-Begriff entspringe demnach einem verfassungsrechtlichen Vorgang, sozusagen von oben her, der amerikanische sei von unten, vom Leben her gewachsen. In Deutschland sei die Demokratie zweimal nicht durch das spontane Aufbegehren eines um seine Freiheit ringenden Volkes eingeführt worden, sondern mit starker Nachhilfe der Siegermächte. Zudem fiel dieser jungen Demokratie jeweils als erste Aufgabe die Verwaltung einer ungeheueren, geistigen, weltanschaulichen und materiellen Konkursmasse zu, und das innen-und außenpolitische Klima war denkbar ungünstig. In dieser historischen Situation stehe die Erziehung vor dem schier undurchführbaren Unternehmen, „die werdenden Seelen für eine politische Haltung zu gewinnen, die einstweilen mehr Forderung als Wirklichkeit ist, und für eine Form des Staates zu werben, der selbst im günstigsten Falle erst die Zukunft zu dem ihr gemäßen Inhalt verhelfen wird."

In gewissen Kreisen des Nachkriegsdeutschland habe man der Demokratie noch nicht einmal eine faire Chance aus selbstverständlicher Toleranz gegenüber dem verfassungsrechtlichen Neuen gegeben, sondern man arbeitete ihr sogar entgegen, sprach ihr das Lebensrecht ab. — Aus der skizzierten mißlichen Situation des Inhalts des Begriffes Demokratie und seiner Repräsentanz in der Öffentlichkeit kommt Litt zu der staatspolitischen Alternative: „Entweder wir werden zu einem Volk, das imstande ist, in Form der Demokratie einen gemeinsamen Willen zu bilden und in Taten umzusetzen — oder wir werden abermals das Opfer einer mit mehr oder weniger Geschick getarnten Diktatur."

Litt gibt Hinweise zur Bewältigung des Problems. Auf dem Gebiet der politischen Erziehung versagen die überkommenen Gewohnheiten, wonach das tradierte Bildungsgut von den Älteren an die Jüngeren im selbstverständlichen Generationenwechsel weitergegeben wird. Hier sind beide Lernende. So kommen wir zu dem einmaligen Ereignis, daß sich alt und jung gleichermaßen um den Erwerb eines neuen Bildungsprogrammes bemühen müssen. Litt nennt diesen notwendigen Prozeß den Prozeß der „Selbsterziehung", der gelegentlich nur für den einzelnen, jetzt aber für ein ganzes Volk in Betracht komme. Für die Praxis der Selbsterziehung empfiehlt Litt sowohl das intellektualistische („Besinnung")

als auch das voluntaristische Moment („Bewährung"). Er erklärt eindeutig gegenüber denen, denen das Wissen verpönt ist:

„Der Deutsche muß recht eigentlich . wissen'um den Staat, um ihm durch sein Tun gerecht werden zu können."

Mit diesem Satz wird nicht nur das unerläßliche Tatsachenwissen verteidigt, sondern auch der politischen Erziehung ein Inhalt gegeben. Litt meint: „In spätester Stunde genötigt, uns mit einer uns fremden Staatsform zu befreunden, können wir nicht des Beistandes entraten, den nur ein zur Höhe des Wissens entwickeltes Staatsbewußtsein uns in dem Ringen mit dieser Aufgabe leisten kann."

Den Inhalt sieht Litt im Staat vorgegeben, d. h. im engeren Bezirk des Politischen. Insbesondere bezieht er das Problem der Macht mit in seine Betrachtungen ein. Das für den politischen Bereich konstitutive Merkmal des Kampfes wird von ihm nicht geleugnet; denn dort, wo um die Macht gerungen werde, gehe es nicht ohne den Kampf, wie die Politik ihre Ordnungsfunktion ebenfalls nur durch den Kampf gegen widerstrebende Gruppen erfüllen kann. Die Demokratie lebt vom Kampf rivalisierender Gruppen. Nur auf diese Weise ist Freiheit möglich. Deswegen ist es wichtig, „daß die politische Erziehung in dem Kampf der politischen Überzeugungen die Form erkennen lehrt, in der das politische Ganze sich je und je seine Gestalt gibt, und sich hütet, diese Form dadurch zu verwischen, daß sie ihr durch Annäherung an die soziale Friedensordnung gerade ihre charakteristischen Züge nimmt."

Litt hat mit seinen Ausführungen keineswegs einer neuen Staatspädagogik das Wort geredet. Er hat vielmehr den Bereich des Staates für die politische Erziehung reklamiert, weil alle übrigen Gemeinschaften, in die der Mensch eingebettet ist, ohne ihn nicht existieren können. Daher rührt auch Litts Mahnung zur Förderung des Staatsbewußtseins. Gerade die Demokratie, in der der einzelne Bürger Träger des Staates ist, benötige es in ausgeprägter Form; es sei eine ihrer tragenden Säulen (vgl.den Aufsatz „Die Freiheit des Menschen und der Staat" in der gleichen Schrift). Litt hat zuletzt in einem Vortrag 1962 nochmals für die Anerkennung des Staates als eines integrierenden Bestandteils jeglicher Bildung plädiert. Die Teilung des Menschen in einen Teil, der sich mit dem geistigen Bereich, und einen Teil, der sich mit der schmutzigen Wirklichkeit befaßt (vgl. Hermann Hesse, Glasperlenspiel), lehnt er kategorisch ab

1954 ließ Erich Weniger sein Büchlein „Politische Bildung und staatsbürgerliche Erzie-hung" erscheinen, in dem er noch einmal seinen Standpunkt gegenüber der partnerschaftlichen Erziehung klar herausarbeitet. Er geht von folgenden Tatsachen aus:

Als um 1949 herum die Deutschen die politische Verantwortung in ihrem Lande wieder selbst übernahmen, da stand die politische Bildung vor drei schweren Aufgaben: Vor der Bewältigung der Staatsfeindlichkeit, des Föderalismus und der Politisierung der gesellschaftlichen Mächte die noch heute ihre Blüten treibt. Er versteht darunter den fortwährenden Versuch, sich unter Umgehung des Parlaments an der Verantwortung zu beteiligen (Interessenverbände). Dazu kommt die Verselbständigungstendenz der Bürokratie und die eigentümliche Sonderstellung der politischen Parteien Vom Standpunkt der Erziehung ist ein Ausgleich, eine Integration der widerstreitenden Kräfte nötig.

Die politische Erziehung und Bildung hat nach Weniger drei Aufgabenkreise:

1. Erziehung zur unmittelbaren und aktiven Teilnahme am politischen Geschehen und an der politischen Verantwortung; 2. Funktionärsschulung;

3. allgemeine Menschenbildung als Grundlage jeder politischen Erziehung und Bildung."

Für Weniger ist nach wie vor der Staat Materialobjekt der staatsbürgerlichen Erziehung und politischen Bildung. Deswegen kann er von drei „Fluchtwegen" sprechen, die vom Staate wegführen:

„die Beschränkung auf die mitbürgerliche Erziehung, der Rückzug auf die bloße Kunde und die Flucht in die Kulturgeschichte und vor der Geschichte überhaupt."

Diese Wege hält er für ein Ausweichen vor der Verantwortung und lehnt daher die „fast modische Methode" der mitbürgerlichen Erziehung, die Erziehung zur Partnerschaft sowie die Gruppenpädagogik ab.

Darüber wird von Weniger das Beispiel des schulischen Alltags nicht vergessen als „erste Bedingung einer politischen Erziehung", daß die Schule nämlich „durch ihren Geist, die in ihr waltende Gesinnung, durch die Atmosphäre, die sie erfüllt, durch die Form des Umgangs zwischen Lehrern und Schülern und die der Lehrer untereinander, durch die Haltung der Lehrer und durch ihr Tun, übrigens auch durch die Form ihrer Lehre, die ethischen und politischen Grundauffassungen sichtbar werden läßt und repräsentiert, von denen unser politisches Leben in den Formen der Demokratie getragen werden soll. Darin wird der Geist der Humanität und der Demokratie sichtbar, vor allem in der Art, wie Kameradschaft, Ritterlichkeit und Toleranz gepflegt und echte Autorität mit wirklichem Gemeinschaftsbewußtsein verbunden werden. Hier können die Grundlagen der politischen Gesinnung deutlich werden, das Ineinander von Freiheit und Verantwortung, von Güte und Gerechtigkeit, das die Grundlage jeder lebendigen Demokratie bilden soll."

Hierbei werden vom Schüler Erfahrungen gemacht, die im Unterricht zu deuten und vom Lehrer zu ergänzen sind. Dazu müssen Kenntnisse treten, die die Anwendung der gemachten Erfahrungen auf die Teilnahme am politischen Leben ermöglichen. Das geschehe einmal in einer politischen Strukturlehre, die mit einem Mindestmaß an Tatsächlichkeiten auskomme, und zum andern in der Vermittlung von Methoden des Kenntniserwerbs

Zwei Schriften aus dem Jahr 1957 haben die Diskussion um die politische Erziehung und Bildung nachhaltig befruchtet, die Schriften von Eduard Spranger und von Heinrich Weinstock Spranger hat seine „Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung" schon lange vor ihrem Erscheinungsjahr entwickelt. Für die Didaktik des politischen Unterrichts empfiehlt er das Anknüpfen an bereits Vorhandenes, indem „man das Bewußtsein dafür weckt, daß schon von dem Leben, das der Jugendliche lebt, Brücken zu der staatlichen Sphäre hinführen", so daß „die darauf bezügliche Einsicht den Charakter des Wiederfindens" erhält.

Es geht ihm darum, an sogenannte „Urphänomene" anzuknüpfen, die natürlich erst ausgesucht werden müssen. Dieser Suche gilt Sprangers Bemühen in dieser Schrift. Es handelt sich dabei um „Lebenseinstellungen, Bewußtseinshaltungen, Begegnungsformen, die schon betätigt worden sind." — „Der Weg wäre also der, daß zunächst an Gesellschaftsverhältnissen, die dem jungen Menschen schon bewußt geworden sind, weil er in ihnen lebt, Sinnelemente (keineswegs stückhaft zerrissen!) hervorgehoben werden, so daß später nicht nur diese selbst wiedererkannt werden, sondern auch die Problematik, die von ihnen untrennbar ist, von den einfacheren Grundgebilden her aufgerollt werden kann."

Spranger stellt als eine der „wichtigsten gesellschaftlichen Urphänomene" die Familie heraus. Als „Grunddimensionen des Zusammenlebens" werden angeführt: „ 1. Die Problematik um Freiheit und Gleichheit 2. Die Formen der Regelung 3. Das dialektische Verhältnis von Macht und Recht."

Zu 1: Am Beispiel der Unterscheidung des herrschaftlichen und des genossenschaftlichen Prinzips im Aufbau von Gesellschaftsgebilden wird das Nebeneinander und übereinander, das Gegeneinander, Miteinander und Füreinander als Dialektik des Zusammenlebens verdeutlicht, von denen keines ausschließlich gilt. „Es gibt keine absokute Freiheit und keine absolute Gleichheit."

Im methodischen Rückgriff auf die Familie können die „Dimensionen" klargemacht werden. Dabei stellt sich heraus, daß das anscheinend einfache Gebilde doch komplizierter ist. Der Kampf ist ein durchgängiges Phänomen in der Gesellschaft.

Zu 2: Alle Ordnung beruht auf Verhaltensregeln (vgl. fair play). Es ergeben sich folgende Hauptarten:

1. Naturgesetze, 2, normative Gesetze, 3.frei bejahte Regeln.

Die normativen Gesetze haben Zwangs-charakter, auf ihnen beruht die Rechtsordnung; den Ausgangspunkt für bloße Konventionalregeln bildet die Sitte.

Aus der Definition der Gerechtigkeit als der Wille, jedem das Seine zuteil werden zu lassen (Justitia voluntas suum cuique tribu-endi), ergeben ich zwei wichtige Positionen für den Aufbau der Rechtsordnung: daß entweder ein Rechtsgenosse wie der andere zu behandeln ist, ohne Rücksicht auf soziale Stellung, Besitz, Leistung u. a., oder daß der Schlüssel der Zuteilung von den verschiedenen Merkmalen mitbestimmt wird. Der Jugendliche lernt hier erneut, wie die Probleme miteinander verflochten sind.

Zu 3: Die Arten der Macht sind unendlich vielfältig. Ihre Legitimierung können sie nur im Recht finden.

„Das Recht kommt aus einer Machtansammlung her; es gewährleistet dem Individuum eine Machtsphäre, d. h. Rechtsansprüche und Bereiche der Verfügungsfreiheit."

Daher sind beide in der Weise unlösbar miteinander verbunden:

„Kein Recht ohne eine dahinterstehende Macht; aber auch: Keine Macht ohne Recht."

Es muß eine oberste Instanz geben, die die Rechtsordnung aufstellt und bewahrt: der Staat. Auf diesem Wege möchte Spranger auf den Staat hinlenken.

In einem zweiten Teil untersucht Spranger die moralische Seite der politischen Erziehung, die er anfangs schon u. a. als „Gewissensund Gesinnungsbildung" umschrieben hat. So wie für die Aufrechterhaltung der Ordnung und des Staates das Recht maßgebend sei, gleichsam von außen, sei es von innen die Moral. Sie ist nach Spranger „eine kollektive Regelung der sinngemäßen Einstellungen und Werthaltungen gemäß einer gemeinsam anerkannten Lebensordnung von höherem Wertniveau. Sie bildet den Hintergrund für alle Entscheidungen der persönlichen Sittlichkeit"

Letztere findet ihre Verankerung im Gewissen des einzelnen.

Noch grundsätzlicher und umfassender hat sich Weinstock mit dem Thema „Die politische Verantwortung der Erziehung in der demokratischen Massengesellschaft des technischen Zeitalters" eingelassen.

Der erste Teil befaßt sich mit der „Pädagogischen Besinnung". Er untersucht den Anspruch der Politik und der Zeit an die Pädagogik und sucht so den legitimen Auftrag der letzteren in dieser geschichtlichen Stunde aufzuzeigen. Dabei geht er von der allgemeinen Aufgabe der Pädagogik aus, die den Menschen humanisieren soll, indem sie „die Welt zu sich bringt", sie „kultiviert" und gelangt damit zugleich zu seinem eigentlichen Thema: „Wenn dabei insbesondere dieser homo sapiens faber, als geborenes zoon politikon auf das Miteinander mit Seinesgleichen angewiesen, auch diese Geselligkeit erst und immer wieder neu herzustellen hat, dann dürfte es nicht nur auch eine, sondern geradezu die Grundaufgabe aller Erziehung sein, den Zögling zu politisieren, also ihn erstens zum Verständnis seiner politischen Verantwortung zu bringen und zweitens zu deren Vollzug zu befähigen und zu ermahnen."

„Die Erziehung . . . würde ihrer Aufgabe nur gerecht, wenn sie sich als humanistische, also als Hilfe zur Menschenbildung im ganzen, verpflichtete, dabei vor allem sich politisch verantwortlich machte, zumal in einer Zeit, da die Politik wie noch nie zuvor unser Schicksal geworden ist."

In diesen Sätzen haben wir den Grundgehalt der Schrift. Im folgenden ist der Autor bemüht, seine Thesen an der Geschichte der Pädagogik nachzuweisen.

Die weitere Forderung an die Pädagogik sieht der Autor in ihrer Bezogenheit auf die gegenwärtige Gesellschaft und den gegenwärtigen Staat. Diese sind heute nur als industrielle Gesellschaft und als Massendemokratie vorhanden. In seinem Buche „Arbeit und Bildung" hat Weinstock versucht, die dialektische Einheit der beiden Begriffe nachzuweisen und damit den seit Humboldt verhängnisvollen bildungstheoretischen Dualismus von Menschen-und Berufsbildung aufzuheben. Das gleiche Anliegen verfolgt Theodor Litt in seinen Schriften über „Berufsbildung, Fachbildung, Menschenbildung" und „Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt"

Nach der Herausarbeitung der Grundlagen wendet sich Weinstock in einem zweiten Teil ihrer „Erzieherischen Verwirklichung" in unserer Zeit zu, und zwar als Verantwortung der Erziehung für unsere Arbeitswelt, für unsere

Gesellschaftsordnung und für unsere StaatsVerfassung. Ein abschließendes Kapitel behandelt „Die Verschwörung von Politik und Pädagogik wider die Einkreisung der Freiheit durch die Zeitmächte". Weinstock möchte in der Entpersönlichung die Zeitkrankheit erkennen, die die Arbeitswelt, Gesellschaftsordnung und Staatsverfassung bedroht. Der Erziehung sei es aufgegegeben, verantwortlich für die drei Bereiche einzutreten.

Die staatspolitische Erziehung hat nach Weinstock ihre Kernaufgabe und ihre Hauptschwierigkeit im Problem der Macht. Vor diesem Problem habe unser Volk immer versagt und sich dadurch um die politische Selbständigkeit gebracht. Deswegen sollte sie im Vordergrund jeder politischen Erziehung stehen. Gleichzeitig wird damit die soziale Erziehung als nicht politisch relevant abgelehnt. Im übrigen habe es an ihr in unseren Volke nie gefehlt, im Gegenteil, wir sind sogar richtunggebend für andere Völker gewesen. Weinstock faßt zusammen:

„Jede noch so vernünftig gedachte und noch so gut gemeinte . . . lebensnotwendige und heilsame Sozialkunde, in der aber die Macht keine Rolle, ja schließlich nicht die Hauptrolle spielt und die also von der Politik, diesem alles, auch das Soziale schließlich durch Machtanspruch entscheidenden Tatbestände, nicht redet — diese Sozialkunde wird unser deutsches Erbübel des absoluten und daher unpolitischen Idealismus nicht heilen, sondern nur vergrößern. Da aber solche Sozialkunde das Prachtstück neuester Schulreformen darstellt, entlarven die sich als Restauration".

Zum Schluß setzt sich Weinstock mit der Bedrohung der Grundlage jeder Politik, der Freiheit, durch die Zeitmächte auseinander. Er erkennt drei Faktoren, die die Zeit verderben: Sie sind in dem „tiefen Einverständnis zwischen der Verfassung der industriellen Arbeitsgesellschaft und dem System der modernen Diktatur" begründet, nämlich „der Drang der Technik, möglichst vieles auf einen Nenner (Typisierung, DIN-Format, Taylorismus), die Absicht der gesellschaftlichen Organisation, alles auf einen Draht (Dirigismus) und der Wille der Politik, alles auf eine Linie (die berüchtigte Generallinie) zu bringen"

Gegen die aufgezeigten Gefahren müßten Politik und Pädagogik Front machen. Dies solle durch einen „realen Humanismus" geschehen, der „Politik und Pädagogik in einen Blick nähme und beiden die gemeinsame Aufgabe zuwiese, alle ihre Bemühungen unter den gemeinsamen Leitgedanken von Wiederherstellung der freien, also selbständigen Person zu stellen, deren Selbstverantwortung in einer freien Gesellschaft selbstverständlich nur in der Mitverantwortung für den Nächsten, die ganze Gesellschaft und den Staat sich wirklich wahr machen kann" Weinstock unterscheidet dann zwischen „sittlicher und bürgerlicher Freiheit". Alles komme letztlich auf die „politische Willensbildung" an, die auf „mitverantwortliche Tat" ausgerichtet sein müsse. Der Autor sieht das Ideal der politischen Freiheit durch eine personalverantwortliche Erziehung am besten gewahrt.

Mit den Entwürfen von Oetinger, Litt, Weniger, Spranger und Weinstock sind die wesentlichsten Konzeptionen politischer Erziehung und Bildung der Nachkriegszeit beschrieben. Was darauf folgte, hat es mit dem schwierigen Geschäft der Umsetzung in die Bildungskonzeption zu tun. 3. Ethischer Personalismus als konstituierender Faktor der politischen Bildung In vielen Zeitschriftenbeiträgen der ersten Nachkriegsjahre wurde das Sittliche als der Zentralgegenstand der politischen Bildung herausgestellt. Die Autoren bemühten sich, den nationalen Niedergang auf der Grundlage des Sittlichen, des Reiches unvergänglicher Werte zu überwinden. Darunter wurde vor allem ein ethischer Personalismus verstanden, der Ansatz si-ttlicher Erneuerung im Individuum. Ferner gehörte dazu der rechte Gebrauch der Freiheit, die sich, über das zu sich selbst gekommene Individuum hinausschreitend, im sozialen Leben zu bewähren habe. Der Mensch sollte so von der egoistischen Zielsetzung des überlebens abgelenkt und wieder sozial integriert werden. Dies setzte nach jener Auffassung die Aktivierung der personalen Kräfte und der auf den Nächsten gerichteten Tugenden voraus.

Als Hauptvertreter der skizzierten Richtung des ethischen Personalismus im Bereich der politischen Bildung hat Alfred Petzelt zu gelten, der in seinem Aufsatz über „Grundsätzliches zum Problem der staatsbürgerlichen Erziehung" die Frage der Politik ganz vom

Zustand der ethischen Personalität des Menschen abhängig machte. Petzelt führt aus, der Begriff der staatsbürgerlichen Erziehung sei dynamisch und nicht genau fixierbar, was aber nicht zu Ordnungslosigkeit führen dürfe. Der Begriff des Politischen müsse von den Tages-ereignissen unbeeinflußt bleiben. Es gehe um die Ordnungsmomente, die dahinter lägen und die als Maß des Tatsächlichen zu gelten hätten. Dieser Begriff des Politischen müsse von der Pädagogik (als Wissenschaft, die den ganzen Menschen umfasse) in Pflicht genommen werden. Petzelt warnt vor der „Gefahr, frühzeitig im Urteil staatsbürgerliche Haltung mit politischer Betätigung, womöglich auch Parteien zu verwechseln. So entsteht eine deutliche Verschiebung der Akte des Ich. Sie drängen mehr nach außen als nach der Eindeutigkeit des Ich selbst, das will sagen, daß das Problem der Eindeutigkeit des Ich hintangesetzt wird, weil der Standort des Ich angesichts seiner überwiegenden Beschäftigung im Tätigsein gegenüber Tagesfragen gleichgültig wird."

Diese Auffassung trägt der Praxis nicht genügend Rechnung. Die Philosophie des Ich wird überbetont, das Politische zu einer ethischen Kategorie reduziert. Vor allem fehlt die Erwähnung des sozialen Moments, das nach aristotelischer oder thomistischer Meinung wenigstens immer mitgedacht werden muß. Das Pragmatisch-Politische, für das durchaus Pet-zelts Satz gilt, „daß staatsbürgerliche Haltung und Haltung überhaupt nicht auseinanderfallen dürfen" wird zu sehr hintangestellt und nicht als ein eigenwertiges Feld begriffen. Petzelt besteht auf der „Herrschaft jener Prinzipien, die Stetigkeit der Haltung des Ich verbürgen". Damit ist eine Abwertung des Faktisch-Pragmatischen verbunden; denn: „bloße Tatsachen, reine Zweckmäßigkeiten, irgendwelche zeithaften Rücksichten reichen hier nicht aus". Das Politische wird auf die Personalität des Ich verwiesen, die wiederum als Teil der Allgemeinen Pädagogik angesehen wird. Damit wird auch das Staatsbürgerliche zum Gegenstand der Allgemeinen, nicht der Politischen Pädagogik.

In seiner Hervorkehrung des Ich stellt Petzelt weiter fest:

„Das charaktervolle Ich, höchstwertig als Persönlichkeit in der Motivation seiner Entscheidungen ausgerichtet, ist Grundsatzsubjekt. Motive binden das Verhalten, charakterliche Haltung wird von Grundsätzen beherrscht.

Charakterbildung kann nun als Grundsatzbildung, damit als Grundsatzbindung betrieben werden.

In solcher Einheit der Entscheidung nach Grundsätzen erfolgt alle Hinwendung zum Gegenständlichen als Akt der Wertung. Wer lernt, sich zu entscheiden, nach Grundsätzen zu handeln, muß werten lernen,"

Petzelt verkürzt das Staatsbürgerliche auf das dialogische Verhältnis der Menschen untereinander im Sinne gegenseitiger Unterstützung: „In der Du-Beziehung liegt die Norm für jedes staatsbürgerliche Verhalten. Der Staat definiert sich durch die Norm der Du-Bezie-hung seinem Begriffe nach. Er ist so gut und so schlecht, wie wir unsere gegenseitigen Verhältnisse gestalten."

Diese Ansicht, die die Normen der für den zwischenmenschlichen Bereich geltenden katholischen Sozialphilosophie auf den Staat zu übertragen versucht, verkennt die Tatsachen. Sie ignoriert die nun einmal vorhandenen Interessen-und Machtgesichtspunkte, harmonisiert das Verhältnis von Regierenden und Regierten und idealisiert das Verhältnis von Individuum und Staat zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Nur so kommt Petzelt zu folgendem Ergebnis: „Die staatsbürgerliche Erziehung ist kein Anhängsel der Erziehung. Sie hat keine Methode, denn der Staat ist als dialogisches Verhältnis von Menschen aufzufassen, er ist kein Gegenstand. Staatsbürgerliche Erziehung ist kein Fach mit besonderen Lehrgütern, sondern eine Forderung nach Haltung dem Du, jedem Du, dem zugehörigen Du gegenüber, aus Anlaß aller Fächer und Aufgaben."

Eine notwendige Folgerung aus der Reduktion des Politischen auf Charaktererziehung ist die Äußerung:

„Sittlich-religiös hochwertige Persönlichkeiten . . . können keine schlechten Staatsbürger sein. Und umgekehrt: Wer noch so eifrig staatsbürgerliche Kenntnisse besitzt und staatspolitisch fähig ist und mit Bezug auf die Wertigkeit seiner Persönlichkeit nicht hoch steht, der kann den Anspruch auf einen guten Staatsbürger nicht mit Recht erheben, er ist staatsbürgerlich mangelhaft erzogen.

Was will also staatsbürgerliche Erziehung? Grundhaltung des Ich in Ansehung der zu fordernden gültigen Gemeinschaft; Grundsatz-haltung im Ringen um die Aufgabenreinheit des Staates. Diese ist gültig, sofern sie der Aufgabenreinheit des Ich dient."

Daß in Wirklichkeit die Dinge ganz anders sind, hat Theodor Litt in seiner Schrift über „Staatsgewalt und Sittlichkeit" (1948) nachgewiesen. Nach einer Bemerkung Erich Wenigers verhalten sich diese Probleme in der Praxis wie folgt: „Geschichtliche wie individuelle Erfahrungen zeigen, daß es mit einer Art sittlicher Allgemeinbildung nicht getan ist, daß man vielmehr auf konkrete Verantwortung konkret, d. h. im Hinblick auf die kommende Aufgabe durch Appell an die Kräfte des Gefühls, des Willens und der Einsicht vorbereiten muß." 4. Zusammenfassende Übersichten und Wertungen Den Versuch einer Zusammenfassung des auf dem Gebiete der politischen Erziehung und Bildung Geleisteten, verbunden mit einer vorläufigen Ortsbestimmung des politischen Erziehungs-und Bildungsbereiches, unter Verwertung aller bis dahin bekanntgewordenen Veröffentlichungen sowie der unmittelbaren Förderung des politischen Unterrichts durch methodische Hinweise und Unterrichtsbeispiele, macht das bekannte Buch „Politische Bildung und Erziehung" von G. Binder — G. Frede — K. Kollnig — F. Messerschmid

Im Vorwort wird umschrieben, was die Verfasser unter politischer Bildung verstehen:

„Es kommt heute darauf an, daß in dem jungen Menschen jene Fähigkeiten und Kräfte entwickelt werden, welche sich auf die Gestaltung der Ganzheit richten, die das Leben des einzelnen und der Gruppe umschließt und bestimmt; daß ihm der Blick dafür geöffnet wird, wie diese Ganzheit beschaffen ist; worin ihre Akte, ihre Bezüge, ihre Gefährdungen, ihre Ziele, ihr Wesen bestehen; daß die Verantwortung für sie und die Freude daran geweckt werden, sich der erworbenen Fähigkeiten und Kräfte sachgerecht und zur Durchsetzung dessen, was nötig, richtig und gut ist, zu bedienen. Das alles aber heißt politische* Bildung, und zwar als unentbehrlicher Teil der Bildung zum ganzen, zum erwachsenen Menschen."

Der von den Verfassern gebrauchte Begriff der politischen Bildung ist sehr umfassend und psychologisch orientiert. Gestalt-und Ganzheitspsychologie, Individual-und Sozialpsychologie spielen eine hervorragende Rolle, während das Politische im eigentlichen Sinne etwas kurz kommt. Das dritte Kapitel geht auf die „Politische Bildung und Erziehung in der höheren Schule" näher ein. In einer Vorbemerkung wird in kluger Weise auf die Grenzen der politischen Erziehung und Bildung in der Schule verwiesen. Die Schule ist nur ein Ort oder Lebensbereich unter vielen. Deswegen dürfe das Heil nicht allein von ihr erwartet werden. — Ein ausführlicher Abschnitt befaßt sich mit der „Gemeinschaftskunde als Prinzip".

(Gemeinschaftskunde ist der Terminus, für den sich die Verfasser, allerdings mit Bedenken, entschlossen haben Die optimistische Darstellung der Gemeinschaftskunde als Prinzip hat sich inzwischen als ein Fehlschlag herausgestellt. Der politische Aspekt ist keineswegs zu einem integrierenden Moment aller Unterrichtsfächer geworden.

In der Abgrenzung der Gemeinschaftskunde zur Geschichte erkennen die Autoren die Berührungspunkte, arbeiten aber die notwendigen Akzentverlagerungen heraus. Vor allem sei der Bezug zur Gegenwart in der Gemeinschaftskunde stärker. Der soziale Gesichtspunkt des gemeinschaftskundlichen Prinzips wird für die neueren Sprachen besonders betont, wenn von Schüleraustausch und -briefwechsel die Rede ist Das politische Anliegen wird aufgegeben, indem die Autoren hervorheben, der englische Sprachunterricht habe sich zu einer England-und Amerikakunde „ausgeweitet", „der französische leider noch nicht in gleichem Maße zu einer Frankreich-kunde" Die Religion habe die „Grundlage einer sittlichen Weltordnung" darzubieten.

Auf knapp zweieinhalb Seiten wird „Gemeinschaftskunde als Fach" im Anschluß an „Gemeinschaftskunde als Prinzip" behandelt. Die Unterrepräsentanz dieses wichtigen Themas erklärt sich vor allem daraus, daß die fachliche Situation der Gemeinschaftskunde bis 1953 noch nicht in allen Bundesländern geklärt war.

Die „erste Aufgabe des gemeinschaftskundlichen Unterrichts (besteht) darin, die Grundkenntnisse über unsere soziale, wirtschaftliche und politische Wirklichkeit zu vermitteln" In der Gemeinschaftskunde geht es „um die ganze Fülle der mitmenschlichen Beziehungen" Letzteres ist ein deutlicher Hinweis auf die Sozialerziehung. Für die Notwendigkeit eines Faches wird recht schwach argumentiert: „Erst politisches Wissen ermöglicht rechtes politisches Denken und Handeln" Die Gemeinschaftskunde will „erziehen zu Achtung und Ehrfurcht vor Freiheit und Recht, vor Wahrheit und Gerechtigkeit" Es fehlt hier die Erziehung zum Einsatz und zur Verteidigung dieser hohen menschlichen Güter. Achtung und Ehrfurcht sind keine politischen Kategorien. Im Sinne des Politischen sind sie etwas Akzessorisches. Die Gemeinschaftskunde dürfe nicht nur den Intellekt des Jugendlichen ansprechen, sondern müsse auch Gefühl und Willen aktivieren und „von sachlicher Wissensvermittlung zu wahrer Menschenbildung vorstoßen" Mit diesen Feststellungen wird die Auffassung vertreten, daß politische Bildung durchaus gleichrangig mit anderen Bildungsgütern zur Menschenbildung führen kann und damit im Grunde eine humanistische Disziplin ist.

In einem weiteren Abschnitt wird die Schule als Gemeinschaft beschrieben, unter besonderer Herausstellung der Aufgaben der Schülermitverwaltung. Der Abschnitt „Methodische Grundsätze" faßt alles zusammen, was damals als gesichert galt: keine trockene Belehrung; anregender, erlebnismäßig eindrücklicher Unterrichtsverlauf; aktive Teilnahme der Schüler an Vorbereitung und Gestaltung des Unterrichts; von der Erfahrungswelt des Jugendlichen ausgehen; den fruchtbaren Augenblick erfassen; sachliche Aussprache; Debatte, Diskussion; Schülerreferat; Besichtigungen; Aussprachen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Ferner wird empfohlen, man solle aktuelle politische Probleme nicht isoliert betrachten, sondern in Beziehung zu großen Gesichtspunkten setzen; auf den Lehrervortrag könne nicht verzichtet werden; Besichtigungen dürfe man nicht überschätzen. Das Ganze solle sich in einer Atmosphäre der „Partnerschaft" zwischen Lehrer und Schüler abwickeln. Sie solle nicht nur gelehrt, sondern im Unterricht verwirklicht werden. Das nächste Kapitel bietet 16 Themengruppen und Unterrichtsentwürfe. Die politischen Bezüge der einzelnen Themen sind zu wenig herausgearbeitet, wie überhaupt das Staatliche den geringsten Raum einnimmt. liegt eine eindeutig gemeinschaft -

liche Ausrichtung vor, die Konzeption des Buches ist nicht im eigentlichen Sinne politisch, sondern sozialpartnerschaftlich.

Die einzige Arbeit, die sich zusammenfassend mit der konkreten Situation der politischen Erziehung und Bildung an den Gymnasien der Bundesrepublik beschäftigt, ist das im Jahre 1955 veröffentlichte Buch von Thomas Ellwein:

„Pflegt die deutsche Schule Bürgerbewußtsein?" Insgesamt hat Ellwein den Eindruck gewonnen, daß in den meisten Bundesländern noch alles im Fluß ist, was nach seiner Ansicht schon viel bedeute, wenn man die Schwierigkeiten bedenke, mit denen die politische Bildung bei ihrer Einführung in die deutschen höheren Schulen zu kämpfen hatte; es sei jedoch wenig für eine Zeit von zehn Jahren nach 1945.

Im folgenden werden einige Ergebnisse der Ellweinschen Arbeit wiedergegeben. Die verschiedenen Reaktionsweisen der Bundesländer auf dem Gebiet der politischen Bildung erklärt er aus den „Unterschieden in der Staatsgesinnung, in den Maßnahmen der Ministerien und der von diesen ausstrahlenden Intensität, in der Schultradition der Länder, ihrer schulischen Selbstverwaltung und mehr oder minder zentralistischen Verwaltungshaltung und den mancherlei Ausprägungen Und Auswirkungen örtlicher Gegebenheiten" In diesem Hinweis verbirgt sich die ganze Vielgestaltigkeit unseres Schulwesens nach seiner historischen, organisatorischen und landschaftlichen Struktur. Eine wichtige zusammenfassende Stelle lautet:

„Wir haben in der Bundesrepublik verschiedene Konzeptionen vor uns. Auf der einen Seite bestehen Bestrebungen, die Sozialkunde zu einem wissenschaftlich fundierten Fach auszubauen, unbeschadet .der Notwendigkeit eines zuordnenden Unterrichtsprinzips und eines Schulklimas’ als praktischer Voraussetzung für den Erfolg auch des wissenschaftlichen Unterrichts. Daß Wissen allein zur

Haltung führt, wird heute kaum noch angenommen. Auf der anderen Seite steht ebenfalls ein mehr wissenschaftliches Bemühen, das sich nicht so sehr auf einen eigenen Bereich politischer Bildung erstreckt, sondern Gegenwartskunde in einem anderen Sinne meint: In engem Zusammenhang mit der Geschichte oder Philosophie soll eine mehr geistige Orientierung versucht werden. Es stehen also fachlich-politische und eine allgemeine Orientierung nebeneinander, wobei letztere von der Überzeugung ausgeht, wenn man in der Schule über die Wissenshäufung zu einer orientierenden . Bildung'vorstoße, dann sei auch dem Anliegen der politischen Bildung Rechnung getragen."

Die Diskussion um die Art der politischen Bildung liegt heute nicht wesentlich anders, über eines herrscht jedoch Einmütigkeit: daß politische Erziehung und Bildung stattfinden müsse, da eine politische Einstellung der Staatsbürger, angesichts ihrer veränderten Haltung der Macht und dem Staat gegenüber, nicht selbstverständlich ist und ein demokratisches Gemeinwesen ohne die Mithilfe seiner Bürger nicht in Freiheit existieren kann.

Die Schwierigkeiten für die Schule ergeben sich aus den zitierten Gründen, ferner aus der Tatsache, daß sie als Objekt mitten in dem Streit der Parteien um die Bildungs-und Kulturpolitik steht, mithin selbst eine Politikum ist.

Im Jahre 1959 veröffentlichte Eugen Lemberg seine „Kritischen Bemerkungen zur politischen Bildung" Er hatte den Eindruck, politische Bildung lebe immer noch in der Konzeption von 1945:

„Damals mußte es darum gehen, die durch 12 Jahre mit allen Mitteln im Sinne eines wahnsinnig übersteigerten Nationalismus und Totalitarismus erzogenen Deutschen zur Achtung der Menschenrechte, zur Zusammenarbeit mit den andern Völkern und zum demokratischen Leben umzuerziehen. Auf der Achse dieser Umerziehung vom Totalitarismus zur Demokratie bewegt sich denn auch alles, was an politischer Bildung in Schule, Erwachsenenbildung und Verbänden entwickelt worden ist. Aber es gibt Situationen im Leben der Völker, in denen das gute Benehmen, die Kenntnis und Einhaltung der Spielregeln des Menschen-und Völkerrechtes allein nicht ausreichen. Der unvorbereitete Eintritt in solche Situationen droht dann, wenn nicht auch an-dere Notwendigkeiten der politischen Bildung berücksichtigt worden sind, in Enttäuschung und Kurzschlußreaktionen umzuschlagen."

Die politische Bildung von 1945 hatte den Charakter einer Therapie. Das genüge nicht. Was gehöre zu einer zukunftsbezogenen Thematik der politischen Bildung, fragt Lemberg:

..... Kenntnis der in den Völkern und unter den Völkern wirkenden Kräfte, also etwas wie eine Völkerpsychologie und Machtphysik . . . Es gehört ferner dazu das in unserer politischen Bildung sehr vernachlässigte Element der Außenpolitik. Zum dritten aber bedarf es auch eines ausgewogenen Verhältnisses zur eigenen Sache, zum eigenen Volk und seiner Stellung unter den übrigen Völkern, mit anderen Worten, einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Nationalismus."

Dazu gehöre einmal: Verständnis für die Gruppendynamik (es müßte besonders von den Vertriebenen mitgebracht werden); ferner: Politik war bisher vorwiegend Innenpolitik; es fehle ein ausgewogenes Verhältnis zu anderen Völkern; zum dritten: Einordnung der Nation in einen größeren Zusammenhang, Erkenntnis der Ambivalenz des Nationalismus (positive und negative).

Für die politische Bildung sei der Einbau des politischen Bereichs in das Bildungsideal notwendig nämlich: Erziehung von einer verbesserungswürdigen Gegenwart auf eine bessere Zukunft hin. Dazu müssen Zukunftsbilder, Ideologien, Utopien, Eschatologien entworfen werden. Die harmonische Beanspruchung der Ratio und des Gemütes sei wichtig. 1960 legte Karl Friedrich Kindler seinen fundierten Aufsatz über „Not und Aufgabe der politischen Erziehung", vor der durch seine zusammenfassende kritische Analyse hervorragt und deswegen auch heute noch weitgehend Gültigkeit beanspruchen darf.

Ursachen für die politische Abstinenz der Erzieher, die das Verhältnis zur politischen Erziehung und Bildung in der Schule belasten, sind:

1.der Entnazifizierungsschock, 2.der Russenschreck (Angst vor kommunistischer Weltrevolution), * 3. die in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts erfolgte Perversion der politischen Erziehung (Mißbrauch zu parteipolitischer Propaganda, zur ideologischen Schulung und Indoktrination, zur funktionalen Ab-richtung des jungen Menschen), 4.der wiederholt unterbundene und immer wieder verschleppte Prozeß einer organischen und progressiven Demokratisierung und Parlamentarisierung Deutschlands (führte zu politischer Apathie und zu einem antiparlamentarischen und parteifeindlichen Affekt), 5.der jähe Wechsel der Staatsformen, 6. die Belastung der Demokratie durch ihren zweimaligen Start auf den Trümmern verlorener Weltkriege (Enthusiasmus des Aufbruchs und Pathos freier Selbstbestimmung blieben aus), 7. die Vorläufigkeit der Bundesrepublik (vgl. Grundgesetz), 8. Fehlansätze in der Geschichte der politischen Erziehung in Deutschland, 9. Erfolg der politischen Erziehung hängt stark von den öffentlichen Erziehungsträgern ab (Politik, Parteien, Parlament; bis jetzt nicht überzeugend genug; vgl.den eindringlichen Appell des Deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen in seinem „Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung" vom 22. Januar 1955), 10. die oft negative Einstellung des Elternhauses, 11. die der politischen Erziehung abgeneigte Verbraucherhaltung der Konsumgesellschaft, 12. schul-und fachinterne Probleme fundamentaler Art:

a) institutionelle Misere unseres allgemeinbildenden Schulwesens (Lehrer-mangel, große Klassen, wenig Räume, zu wenig Geld usw.; Immobilität der Schulen: unzureichende Ansätze der SMV, des Schülergerichts, des Arbeitsunterrichts, der Arbeitsgemeinschaft usw.), b) mangelnde Vorbildung für den politischen Unterricht, c) mangelndes Stoff-und Problemwissen, d) menschliche und fachliche Hemmungen vor dem Dilettantismus, e) mangelnde pädagogische Sichtung und Aufarbeitung des Unterrichtsstoffes, f) didaktische und methodische Unge-

klärtheit wesentlicher Fragen des politischen Unterrichts, g) Mangel an geeigneten Lehrbüchern, h) unzureichende Ausstattung der Lehrerbibliotheken und der Studiensemi-

nare, i) ungelöste Fragen des Erziehungsziels, der Methodik, des exemplarischen Lernens und der Unterrichtsformen, k) Erziehungsziel, Stoffauswahl und Unterrichtsverfahren müssen vom Begriff des Politischen bestimmt werden. Dazu gehört eine ausgeprägte, materiale, streng am Gemeinwohl ausgerichtete Theorie des Staates und der Politik sowie eine ausgewogene Strukturlehre des Politischen, 1) fehlende Theorie der pädagogischen, didaktischen und methodischen Ausbildung der künftigen Gemeinschaftskundelehrer

Die Punkte 1— 8 beschreiben die Situation bis etwa 1955. Inzwischen ist eine neue Philologengeneration herangewachsen, die von den in den einzelnen Punkten genannten Gründen und Motiven fast unbelastet ist und sich der politischen Bildung zur Verfügung gestellt hat. Das heißt freilich noch nicht, daß damit das Problem gelöst wäre. — Von den psychologischen und soziologischen Gründen die sind Punkte 9— 11 auch heute noch ernst zu nehmen und stellen dauernde Belastungen und Behinderungen einer erfolgreichen politischen Bildung dar. Nicht erwähnt wird das oft verspätete und mangelhafte Ernstnehmen der politischen Bildung von Seiten der Unterrichts-verwaltungen. —-Für den eigentlichen Schulbetrieb faßt Punkt 12 die Mängel gut zusammen. Das Fehlen einer durchgearbeiteten Methodik und Didaktik des politischen Unterrichts sowie die Unsicherheit im Bildungsziel (in jedem Bundesland anders) wirkt sich nachteilig auf die Praxis des Unterrichts und auf das Schulleben aus. Diese Unsicherheit wird vergrößert durch das Ringen der Politischen Wissenschaft um ihr Selbstverständnis und um ihre Inhalte, was sich infolge der traditionellen Herleitung der Schulfälcher von den Universitätsdisziplinen auf jene negativ auswirkt. Nach der Darstellung der in den vorstehenden 12 Punkten erwähnten „Not" der politischen Erziehung gibt Kindler die folgenden Hinweise auf ihre Ziele und Aufgaben:

1. Studium der politischen Denker des Abendlandes. 2. Entwicklung des kritischen Bewußtseins. 3. Die Spannung von hingebender Identifizierung und kritischer Distanzierung ist für die Demokratie wichtig.

4. Neben der Entwicklung der ethosbildenden Kräfte ist die phasengerechte Vermittlung eines angemessenen großen und soliden Sachwissens eine Aufgabe von gleicher elementarer Bedeutung.

5. Bei der Auswahl, der Festlegung und der Behandlung des in der Gemeinschaftskunde zu vermittelnden Fundamentalwissens muß der Politik in ihrer ganzen Wirklichkeit Rechnung getragen werden (agonaler und dezisionistischer Charakter der Politik, Konfrontation mit der dissonanten Seite des öffentlichen Lebens).

6. Eine richtig geübte politische Institutionen-kunde.

7. Infolge der Eigengesetzlichkeit und des Umfangs des politischen Lehrgutes muß die Gemeinschaftskunde den Rang und die Würde eines eigenen Unterrichtsfaches haben.

8. Die Gemeinschaftskunde muß die komplementäre Hilfe aller Unterrichtsfächer haben (verpflichtendes Unterrichtsprinzip).

9. Beantwortung der Frage, worin der Lohn für die Übernahme eines verantwortungsvollen politischen Amtes besteht

Heinrich Newe hat 1961 den politischen und demokratischen Bildungsauftrag der Schule fixiert. Danach „läßt sich die politische Bildungsaufgabe allgemein dahingehend bestimmen, daß der junge Mensch lerne, seiner Altersstufe und Lebens-reife gemäß in den demokratischen Lebensstil hineinzuwachsen und sich ihn bis zu einem gewissen Grad anzueignen, nicht nur wissend, verstehend und urteilsfähig, sondern auch lebendig interessiert und verbindlich handelnd."

Fünf Antinomien scheinen Newe besonders wichtig für die politische Erziehung und Bildung: 1. Antinomie: Die gleichzeitige Gültigkeit vieler unterschiedlicher Auffassungen im Gegensatz zur Notwendigkeit einer eindeutigen Handlungsentscheidung.

2. Antinomie: Gleichheit und Anpassung im Gegensatz zum eigenständigen Selbstsein.

3. Antinomie: Partnerschaft im Gegensatz zu Macht-und Kampfwillen. 4. Antinomie: Freiheit und Selbstbestimmung im Gegensatz zu Einordnung und Bindung.

5. Antinomie: Praktischer Wirklichkeitssinn im Gegensatz zu Idee und Geist.

Diese Dialektik bilde den Hintergrund, auf dem sich politische Bildung abspielt.

Newe sieht folgende schulpraktischen Möglichkeiten für die politische Bildung: „Interesse für die Angelegenheiten der gesamten Klasse und des Schullebens entwickeln. Sich bereit finden, freiwillig und selbstverantwortlich an Gemeinschaftsaufgaben mitzuarbeiten und damit auch Opfer für das Gemeinwohl zu übernehmen. Eigener Antrieb und Selbsttätigkeit sind dabei wichtig.

Sich gemeinschaftsdienlich verhalten, d. h. rücksichtsvoll und hilfsbereit, partnerschaftlich und fair mit andern zusammenarbeiten.

Sich als Mit-Arbeiter fühlen, andern vertrauen und selbst vertrauenswürdig werden.

Sich aus innerem Antrieb gesittet und ordnungsfreudig verhalten.

Die Pennälerhaftigkeit und den Gedanken einer nur von außen gesetzten Autorität und Verpflichtung überwinden. Abscheu vor Untertanengeist und Duckmäusertum empfinden lernen.

Abneigung wecken, vor allem, was mit Zwang und Gewalt einhergeht, was unfrei und ungerecht erscheint, Würde und Rechte der Menschen verletzt.

Wert darauf legen, daß man bei allem, was einen betrifft, auch gehört wird.

Mut zum Bekenntnis, zur freien Meinungsäußerung und eigenen Stellungnahme entwikkeln. Bereit sein, sich der Kritik der Mitschüler und der Lehrer zu stellen.

Fähig sein, sich zu behaupten und durchzusetzell, zu überzeügen oder sich überzeugen zu lassen."

Aus diesem Überblick schälen sich im wesentlichen folgende Konzeptionen heraus: Oetinger gründet seine Auffassung von politischer Erziehung und Bildung auf den Gedanken der Partnerschaft und Kooperation. Er wirkte so revolutionär und provokatorisch, daß bald die Gegner auf den Plan traten. Litt, Weniger und Spranger setzten sich ebenso leidenschaftlich für den Staat als Mittelpunkt jeder politischen Bildung ein. Weinstock und Litt vertraten besonders das Moment der Macht. Spranger, Litt und Weinstock forderten zudem eine intensive politische Wissensvermittlung, ferner Weinstock eine politische Willens-und Spranger eine politische Gesinnungsbildung. Schließlich trat Lemberg für die politische Ideologie und Utopie ein, ohne die eine zukunftsgerichtete politische Bildung nicht möglich sei. Was uns zu fehlen scheint, ist ein entscheidendes Eintreten für den Begriff der Gesellschaft in seiner Beziehung zum Staat. Selbstverständlich ist die Gesellschaft immer mitgedacht; aber sie spielt bis heute nicht die ihr zukommende Rolle. Staat und Gesellschaft müssen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander treten.

E. Zur Diskussion um die Saarbrückener Rahmenvereinbarung

Ausgangspunkt der Diskussion über die Lage des politischen Unterrichts an Höheren Schulen bildet seit 1960 die von der Kultusminister-konferenz beschlossene Saarbrückener „Rahmenvereinbarung zur Ordnung des Unterrichts auf der Oberstufe der Gymnasien". Nach einer ihrer Bestimmungen werden die Fächer Erdkunde, Geschichte und Sozialkunde zum Bildungsraum Gemeinschaftskunde zusammengefaßt. Ziel dieser Reform ist eine verstärkte Förderung der politischen Bildung durch eine synoptische Behandlung der politischen und gesellschaftlichen Strukturen der Gegenwart. Die Frage nach den Lehrern — ob einer, zwei oder drei unterrichten sollen — ist technischer Art und berührt den Kern der Dinge nicht. Entscheidend ist, welche Vorteile das neue Verfahren für eine intensivere Beschäftigung mit dem Politischen zu bringen verspricht. Es wird ein ganzheitliches Denken fördern. Politisch-gesellschaftliche Phänomene werden wirklichkeitsgetreuer behandelt werden können. Bisher unterlagen sie einer säuberlichen Trennung, die zwar aus wissenschaftstheoretischen Gründen nötig erscheinen mochte, aber dem erzieherischen Anspruch nicht gerecht wurde. Aus der Sorge um die Bildungseinheit der Höheren Schule — es ist das häßliche Wort von ihrem „Fächersalat" gefallen — haben die Kultusminister versucht, auf einem Felde, wo diese geistige Einheit am ehesten paradigma-tisch hergestellt werden kann, sie für den jungen Menschen spürbar zu machen, bevor er an der Universität die Spezialisierung des Wissens erfährt.

Die Rahmenvereinbarung versucht zu realisieren, was an pädagogischen Reformgedanken — Auflockerung des Unterrichts in Pflicht-und Wahlstunden sowie Konzentration, Koordination und Integration der Fächer — nicht erst seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges diskutiert wird. So findet sich der Begriff der Konzentration bereits implizite in den Richert-sehen Richtlinien von 1925: „Die von der Höheren Schule zu leistende Erziehungs-und Bildungsarbeit macht ein organisches Zusammenwirken aller Fächer notwendig, da Bildung zur Einheit im Volksbewußtsein, in der Staatsgesinnung, im Rechtssinn, im Gemeinschaftsleben, da Gemeinschaftserziehung auf allen Lebensgebieten und harmonischen Persönlichkeitsbildung nur bei einer über die Einzelfächer hinausgreifenden gemeinsamen Erziehungsarbeit möglich sind."

In den zwanziger Jahren wurden die Fächer Deutsch, Geschichte, Musik und Kunst zur Deutschkunde in der Deutschen Oberschule zusammengefaßt. Sie sollte das nationale Bildungsgut zum Integrationskern höherer Bildung werden lassen. Die Eigenständigkeit der Fächer blieb unangetastet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen ähnliche Gedanken in den sogenannten Tübinger Beschlüssen vom 30. September und 1. Oktober 1951 zum Ausdruck, in denen Hochschul-und Gymnasiallehrer zu einigen drängenden Fragen der Gymnasialbildung grundsätzlich Stellung nahmen. Ihr entscheidender Abschnitt lautet:

„Leistung ist nicht möglich ohne Gründlichkeit und Gründlichkeit nicht ohne Selbstbeschränkung. Arbeitenkönnen ist mehr als Vielwisserei. Ursprüngliche Phänomene der geistigen Welt können am Beispiel eines einzelnen, vom Schüler wirklich erfaßten Gegenstandes sichtbar werden, aber sie werden verdeckt durch eine Anhäufung von bloßem Stoff, der nicht eigentlich verstanden ist und darum bald wieder vergessen wird. Es scheint uns, daß eine innere Umgestaltung des Unterrichts an der Höheren Schule und der Bildung ihrer Lehrer unerläßlich ist."

Diese Tübinger Gedanken gingen in die Arbeit des 1953 gegründeten Deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen ein, der am 22. 1. 1955 sein „Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung" erstattete und im Februar 1959 den „Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinbildenden öffentlichen Schulwesens"

vorlegte. Für die Oberstufe der Gymnasien sind folgende Punkte erwähnenswert: Verminderung der Anzahl der obligatorischen Fächer, ihre Differenzierung in Kernfächer und Wahlleistungsfach, die Entfaltung der Selbständigkeit des Schülers und ein „freier Stil des Unterrichts". Wie Klatt berichtet waren Wilhelm Flitners Pläne um die Hochschulreife und Studierfähigkeit neben dem Rahmenplan Grundlage der Erörterungen bei Tagungen des Schulausschusses der Westdeutschen Rektorenkonferenz zusammen mit dem Schulausschuß der Kultusministerkonferenz in mehreren Tutzinger Gesprächen.

Schwierigkeiten bei der Interpretation des Begriffs Gemeinschaftskunde nach der Rahmenvereinbarung macht die folgende Textstelle: „Verbindliche Unterrichtsfächer in den Klassen 12 und 13 aller Schultypen sind weiterhin:

Gemeinschaftskunde (insbesondere Geschichte, Geographie, Sozialkunde; es geht hier nicht um den Anteil der Fächer an den Stundenzahlen, sondern um übergreifende geistige Gehalte) außerdem Leibesübungen und ein musisches Fach" (Abschnitt II, 2).

Das sog. „Klammerfach" hat die Streiter auf den Plan gerufen. Rudolf Klatt ist der Meinung, daß an dem Singular des Wortes „Gemeinschaftskunde" gar kein Zweifel möglich sei, d. h., daß dieser neue Bildungsbereich organisatorisch als ein Fach betrachtet werden müsse, was noch durch die gleichlautende Hinzufügung von Leibesübungen und einem musischen Fach gestützt werde. Andere haben das Wörtchen „insbesondere" dahin ausgelegt, als hätten sich umgekehrt die genannten drei Fächer besonders der gemeinschaftskundlichen Fragestellung anzunehmen. Nach der Auffassung des Verfassers will die Klammer verdeutlichen, welche Fächer an dem Bildungsbereich Gemeinschaftskunde zu beteiligen sind, indem sie angibt, daß in erster Linie jene drei Fächer ihre facheigenen Beiträge zu leistenhaben. Darüber hinaus soll das „insbesondere" bedeuten, daß neben den drei angeführten auch andere Fächer in Frage kommen können. Letzteres würde durchaus der Grund-intention der Rahmenvereinbarung entsprechen, wonach mit der Zusammenlegung der drei Fächer Geschichte, Geographie und Sozialkunde zu einem Bildungsraum erst ein Anfang in der Wiederherstellung einheitlicher Bildungsgebiete und vereinheitlichender methodischer Arbeitsweisen gemacht worden ist.

Nachdem die Kultusministerien ihre Entscheidung getroffen hatten, richtete sich das Augenmerk der Schulbehörden und Schulleiter, der praktischen Pädagogen und der Verbände auf die innere Gestaltung dieses Unterrichts. Dabei war es nicht zu vermeiden, daß es zu Versuchen kam, den darin enthaltenen Fächern ein bestimmtes Stundendeputat vorzubehalten. Eine Art von Unterwanderungsversuch lag vor, wenn man Gemeinschaftskunde als Fortsetzung der Geschichte betrachtete und d Fachbezeichnung wörtlich nahm, so daß man zu der verblüffenden Feststellung kam, der Mensch habe „von eh und je Geschichte nur in Gemeinschaft" gehabt.

Inzwischen haben mehrere Tagungen unter Beteiligung Höherer Schulen Und Hochschulen über eine inhaltliche Bestimmung der Gemeinschaftskunde stattgefunden. Insbesondere ist die gesellschaftlich-politische Dominante, die dieser Unterrichts-und Bildungsbereich haben soll, deutlich auf den Tagungen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der Vereinigung für Politische Wissenschaft in Berlin 1963 und in Tutzing 1964 zum Ausdruck gekommen So darf man die Auseinandersetzungen um den zweifellos unbefriedigenden, schon längst besetzten Namen „Gemeinschaftskunde" für müßig halten. Messerschmid spricht von einem „historisch-politischen Bereich" oder von „Politischer Weltkunde". Der letzteren Bezeichnung hat sich der Deutsche Ausschuß in seinen „Empfehlungen für die Neuordnung der Höheren Schule" von 1965 angeschlossen. Der Verfasser tritt für die Bezeichnung „Politischer Unterricht" oder „Politik" ein, womit der gesellschaftlich-politische Bereich gemeint ist. Diese Thematik wäre insbesondere durch Geschichte zu vertiefen und hätte im übrigen alle Gesellschafts-(Sozial-) Wissenschaften zur Grundlage.

Der dritte umstrittene Punkt — neben der Frage nach Einheit oder Aufteilung des Faches und dem Streit um den Anteil der drei Fä-eher — betrifft die Formel von den „übergreifenden Gehalten". Manche haben diese Formulierung als Unsinn bezeichnet, denn so etwas gebe es nicht. Andere sehen darin die zur Einheit der Betrachtung führende Arbeitsweise, mithin ein methodisches Problem, das jahrzehntelang vor dem Anspruch des einzelnen Faches in den Hintergrund getreten ist. Wie Klatt vermerkt ist jene Formulierung keine eigene Prägung der Kultusminister, sondern wörtlich aus „Kritik und Antwort" des Deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen zur Diskussion des Rahmenplanes übernommen worden. Dort heißt es:

„Es geht hier nicht um den Anteil der Fächer an der Stundenzahl, sondern um übergreifende geistige Gehalte, die in vielen Fällen das Zusammenwirken mehrerer Fachlehrer erfordern werden."

Es kommt nicht darauf an, daß bei allen Fragestellungen alle drei Fächer gleicherweise vertreten sind. Ihr Anteil am Einzelthema hängt vom Gebot der Sache ab. Manchmal wird sogar ein nicht genanntes Fach in den Vordergrund treten, z. B. Philosophie und Religion bei Behandlung der ethischen Seite des Widerstandes vom 20. Juli 1944.

In einer ersten Erklärung der „übergreifenden geistigen Gehalte" schreibt Felix Messerschmid: „Gemeint sind jedoch übergreifende Fragestellungen, an denen diese Sachbereiche (Geschichte, Geographie, Sozialkunde) ihren je eigenen Anteil haben. Sucht man diese Fragestellungen auf und arbeitet die Beiträge der verschiedenen Sachbereiche dazu heraus, dann verschwinden die Sachbereiche nicht etwa, sie werden aber unter umfassendere Gesichtspunkte gestellt und auf ihre spezifische Antwort befragt. Das ist ein Verfahren, das der Aufgabe der Oberstufe, junge Menschen zu bilden, entspricht."

Damit wird sowohl ein amorpher Gesamt-unterricht als auch ein alternierender Unterricht in den bisherigen drei Fächern abgelehnt. Es gilt allein die Fragestellung, die mit den jeweils adäquaten Methoden anzugehen ist. Die Furcht vor einer „totalen" Integration ist also unbegründet, wie die deutliche Unterscheidung Messerschmids, die inzwischen weithin anerkannt worden ist, gezeigt hat.

Im übrigen wird weder in der Rahmenvereinbarung noch in den „Rahmenrichtlinien" noch in den „Empfehlungen an die UnterrichtsVerwaltungen der Länder zur didaktischen und methodischen Gestaltung der Oberstufe der Gymnasien im Sinne der Saarbrückener Rahmenvereinbarung" (sog. Stuttgarter Empfehlungen) der Begriff „Integration" verwandt. Die „Rahmenvereinbarung" kennt lediglich die „Konzentration der Bildungsstoffe" und die „Empfehlungen" sprechen von einer „Konzentration der Unterrichtsgegenstände". Der Begriff der Konzentration wird hier als Charakteristikum für die Arbeitsweise auf der Oberstufe angesehen. Er kann danach in doppelter Weise verstanden werden:

1) „Als Konzentration der Unterrichtsfächer...

Sie zielt auf die innere Verbindung und die übergreifenden Zusammenhänge der einzelnen Fächer."

2) „Die Konzentration innerhalb des Faches.

Sie meint die Vertiefung in die Gegenstände Methoden und des Faches".

Von den „Empfehlungen" her und von der inzwischen stattgefundenen Differenzierung der Fächer untereinander im Rahmen der Gemeinschaftskunde sollte man Arnold Bergstraessers begriffliche und inhaltliche Unterscheidung bedenken, die er in einem Diskussionsbeitrag auf der Göttinger Tagung von 1962 getroffen hat:

„Man sollte nicht die Integration, sondern die Koordination dieser drei Disziplinen unternehmen. Zu integrieren im Sinne eines einheitlichen corpus sind sie nicht! Dann tut man jedem einzelnen von ihnen Unrecht, und ich würde mich gegen die Integration wehren: als Historiker wegen der nicht der politischen Entscheidung zugewandten Humana der Historie und als Politikwissenschaftler wegen der Notwendigkeit, das Begriffsnetz für die Gegenwart, das politische Erfahrung und politisches Urteil möglich macht, schon in der Schule vorzubilden."

Karl Seidelmann verdanken wir eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Problem der „übergreifenden Gehalte". Das „übergreifende" Moment stehe im Gegensatz zum fachlichen. Es finde sich in den Konzentrationsbemühungen und vor allem im Kolloquium. Beide Momente müßten zusammenwirken.

Es „ist offenkundig geworden, daß sich ein pädagogisch verantwortbares System von Lehren und Lernen auf keiner Stufe des Bildungserwerbs von der Polarität zwischen Fachlichkeit und Ganzheitlichkeit ablösen läßt." Ferner besagt nach Seidelmann der Begriff des „übergreifenden Bildungsbereichs", daß es Gebiete gibt, die über die vorhandenen Wissens-bereiche und Schulfachkategorien hinweggehen und keiner Aufspaltung in fachliche Aspekte bedürfen, um Menschenbildung vollziehen zu helfen: Bildung im Sinne des Selbst-und Weltverständnisses

Die Verwirklichung der Gemeinschaftskunde in den Primen wird Konsequenzen für die Arbeit in der Mittelstufe und der Klasse 11 haben müssen. Es wäre unrealistisch zu glauben, man könne bis Klasse 11 einschließlich Material bereitstellen, mit dem man in den Primen arbeiten kann. Dazu reicht das Gedächtnis der Schüler nicht aus. Nimmt man die Klagen mancher Fachlehrer ernst, dann haben viele Schüler der Oberstufe das auf der Mittelstufe Gelernte nicht mehr präsent. Aber das gilt nicht uneingeschränkt. Jedenfalls lassen sich früher gewonnene Erkenntnisse aktualisieren. Dazu ist ein neues Durchdenken der Lehrund Lernmethoden neben einer didaktischen Neuorientiereung notwendig. Ein gesichertes Faktenwissen wird auf der Mittelstufe ohne übertriebene Furcht vor den vermeintlichen Auswirkungen eines mechanisierten Trainings anzustreben sein. Im übrigen läßt sich manches tun, um die Stoffe sowohl nach ihrer praktischen Verwertbarkeit im Hinblick auf die Oberstufe als auch nach ihrer Bildungsträchtigkeit im Sinne moderner Jugendpsychologie zu überprüfen. Es gibt Stoffe und Bildungsgehalte, die den Älteren unerläßlich erscheinen, von den Jüngeren aber erfahrungsgemäß nicht mehr fruchtbar assimiliert werden. Dazu gehören z. B. Teile aus der alten Geschichte. Andererseits gibt es solche aus der Welt der Technik, die zwar infolge bildungsideologischer Vorurteile kaum Einlaß in die Schule gefunden, sich jedoch außerschulisch längst als bildungsrelevant erwiesen haben.

Der Deutsche Ausschuß für das Erziehungsund Bildungswesen hat zuletzt in seinen „Emp-fehlungen für die Neuordnung der Höheren Schule" (1965) den gegenwärtigen Stand der Diskussion formuliert. Danach muß der Lehrgang für Politische Weltkunde (= Gemeinschaftskunde in den Primen) so angelegt sein, daß sich u. a. folgende Erfahrungen aus ihm ergeben: „ 1. Die Erfahrung, was alles zum Verstehen eines geschichtlich-politischen Sachverhalts nötig ist, und die daraus hervorgehende Erfahrung vom Zusammenhang der Wissensbereiche: Was müßte alles an natürlichen, räumlichen und ökonomischen Bedingungen, an historischen Ursachen, an gesellschaftlichen Überlieferungen, Gewohnheiten und Institutionen, an wirksamen Ideen und Zielvorstellungen, an unberechenbaren Ereignissen, an denen die Geschichte so reich ist und auf denen ihre Irrationalität beruht, und an psychologischen Voraussetzungen in den Frage-und Wissenshorizont hereingeholt werden, um einem Phänomen voll gerecht zu werden, obwohl es aus vielerlei Gründen, von denen die erkenntnistheoretischen die gewichtigsten sind, nur zum Teil faßbar gemacht werden kann? Eine solche Einsicht, mag sie so bruchstückhaft sein wie immer, ist konstitutiv für den Bildungssinn der fächerübergreifenden Politischen Weltkunde. 4. Die Erfahrung, was alles zu einem rational begründeten und sittlich verantwortbaren politischen Urteil gehört und wie man zu einer politischen Einsicht kommt. Dabei ist es wichtig zu erkennen, daß jedes politische Urteil auf den Entwurf einer wünschenswerten und möglichen Gesamtordnung zielt und sich vom ihm herleitet, daß Politik immer Zukunft meint, auch wenn sie sich auf die Erhaltung der bestehenden Ordnung richtet. Damit muß sich die Einsicht verbinden, daß Friede, Freiheit, Gerechtigkeit Ideen sind, auf die hin eine menschliche Gesamtordnung angelegt sein muß, daß sie aber intolerant mißbraucht, verkehrt und immer nur annähernd verwirklicht werden können und daß die partikularen Interessen stets neu auf das von diesen Ideen bestimmte Gemeinwohl bezogen werden müssen. Ferner, daß es auch bei gleichen ideellen Ausgangsvorstellungen verschiedene Auffassungen über ihre Verwirklichung in der jeweiligen Situation gibt, daß also ein politisches Urteil nur in seltenen Fällen den Charakter einer absoluten Aussage haben kann und Politik notwendig Auseinandersetzung bis zum Kampf um die Macht ist. 11. Die Einsicht, daß Ausgangs-und Bezugspunkt der Politik der Mensch als Person ist — oder sein müßte; daß er, um sich entfalten und wirken zu können, vielfältiger Ordnungen bedarf und, indem er ihnen dient, auch sich selbst verwirklicht. Geschichte wie Gegenwart zeigen, daß diese Ordnungen übermächtig werden und den Menschen als bloßes Werkzeug mißbrauchen können. Um solchem Mißbrauch der Person und der aus ihm sich ergebenden Korrumpierung der Ordnungen selbst vorzubeugen, genügt die bloße Orientierung über diese Welt nicht; dazu ist die Orientierung an der großen europäischen Überlieferung des Denkens über den Menschen in seinen Ordnungen nötig und ein Wissen davon, welches heute die Bedingungen seiner Verwirklichung in den verschiedenen Bereichen unserer Daseinsordnung sind."

Die spezifischen Beiträge der Fächer sehen dieselben „Empfehlungen" des Deutschen Ausschusses u. a. in folgendem:

„Der Geschichte fällt die Aufgabe zu, die Überlieferungen, die für unsere heutige politisch-rechtliche und gesellschaftliche Ordnung konstitutiv sind, sichtbar und das kulturelle Erbe, aus dem wir leben, bewußt zu machen. ..

Die Geschichte stellt mit der Fülle ihrer Anschauungsmodelle der politischen Erziehung das sekundäre Erfahrungsfeld zur Verfügung; das primäre, das Feld des gegenwärtigen politischen Handelns, ist dem Schüler noch nicht voll erschließbar, da er noch nicht in der Verantwortung steht..."

„Die Erdkunde zeigt am natur-und kulturgeprägten Gefüge der Landschaften, welch vielfältiges Wechselspiel von Lage, Naturausstattung, geschichtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen und Kräften das menschliche Leben auf der Erde bestimmt. Sie gewährt Einblick in die Vielfalt und Verschiedenheit der Daseinsformen, die in der Auseinandersetzung des Menschen mit den jeweiligen Gegebenheiten der Natur entstanden sind ..." „Die aus der historischen und der geographischen Perspektive gewonnenen Einsichten in die gesellschaftlich-politische Wirklichkeit bleiben bruchstückhaft ohne die spezifischen Gesichtspunkte und Betrachtungsweisen aus dem Wissenschaftsbereich Politik. In der Schule vermittelt sie im wesentlichen das Fach Sozialkunde. Sein Beitrag zur Politischen Weltkunde ist:

1. Die strukturanalytische Betrachtung gesellschaftlicher und politischer Zusammenhänge. Sie bringt das Wirkungsfeld der Politik in den Blick, indem sie die sozialen und wirtschaftlichen, die kulturellen und die staatlich-rechtlichen Bezüge der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Gegenwart an Beispielen aufzeigt und eine Orientierung über die verschiedenen Gesellschaftssysteme der heutigen Welt vermittelt. ..."

F. Zur Auseinandersetzung zwischen Geschichts-und politischem Unterricht

Die stärksten Einwände gegen einen selbständigen politischen Unterricht mit dem fach-eignen Auftrag der politischen Bildung wurden von den Historikern vorgebracht. Die dadurch entfachte Auseinandersetzung um das Verhältnis zwischen geschichtlicher und politischer Bildung hat wertvolle Beiträge zur Einsicht in den Bildungsgehalt der Geschichte erbracht. Im folgenden geht es nicht um die Bereicherung der Polemik durch eine weitere Nuance. Es soll hier nur die immer wieder aufgestellte Behauptung geprüft werden, der Geschichtsunterricht habe seit eh und je die Aufgabe der politischen Bildung zufriedenstellend wahrgenommen. 1. Geschichtsunterricht und politische Bildung seit 1945 Etwa bis 1950 haben sich viele Historiker aus Mangel an Lehrplänen oder eigener Unsicherheit geweigert, Geschichte zu unterrichten. In manchen Bundesländern, z. B. in Berlin, war der Geschichtsunterricht für einige Jahre überhaupt verboten. Dabei spielte die Rücksicht auf die Glaubwürdigkeit der Geschichtslehrer eine Rolle, die vor 1945 selbst beim beste Willen zur Objektivität manches anders darstellen mußten als jetzt. Dazu kann auf das Fehlen eines modernen Geschichtsbildes verwiesen werden. Auch heute ist ein solches nur in Ansätzen vorhanden.

Das Geschichtsbild, das z. T. noch in den Schulen tradiert wird und die öffentliche Meinung beherrscht, stammt in seinem Entwurf aus der Epoche der Entwicklung Deutschlands zum Nationalstaat, die zugleich eine große Epoche der deutschen Geschichtsschreibung war (Ranke, Mommsen, Droysen, Treitschke u. a.). Diese Geschichtsschreibung wurde als politische Bildung wirksam, weil sie die deutsche Staatsgründung von 1871 als Ziel und Gipfel der Entwicklung zeigte und die Erhaltung dieses Staates als Pflicht erkennen ließ. Ranke hatte den Primat der Außenpolitik, Droysen und Treitschke die Sittlichkeit des nationalen Machtstaates postuliert. Jacob Burckhardts Totalbild der Menschheit geht erst heute in die Geschichtsbetrachtung ein.

Waldemar Besson fügt in seinem Aufsatz „Zur gegenwärtigen Krise der Geschichtswissenschaften" einen jugendpsychologischen Grund hinzu. Die Jugend, so meint er, wende sich heute mehr zur Gegenwart hin, zum Fremdartigen und Neuen, nicht zur Tradition (ebenso Hermann Heimpel Daher entstehe die Frage, „ob es nicht gerade die Loyalität zu dem neuen deutschen Staatswesen gebietet, mit älteren Loyalitäten zu brechen, die uns doch in der Bundesrepublik immer die Vorstellung eines Provisoriums suggerieren wollen"

Nach Bessons Auffassung ist historische Bildung fragwürdig geworden. „Die Vorstellung der Nation als einer ursprünglichen historischen Individualität war politisches und historisches Denken zugleich. Die Historie des 19. Jahrhunderts wurde zur Wissenschaft vom Nationalstaat" und: „Der Deutsche Nationalstaat war für die Zeitgenossen mehr als ein politischer Anspruch. Er trug in sich die Synthese aller individuellen, sittlichen und geistigen Kräfte"

Angesichts des nach 1871 hin orientierten Geschichtsbildes konnte es noch vor wenigen Jahren geschehen, daß Abiturienten über die Geschichte Bismarcks oder des Ersten Weltkrieges nicht hinausgelangten, bis neuere Erlasse die Behandlung der Zeitgeschichte vor-schrieben. Man vergleiche dazu die Erlasse der einzelnen Bundesländer und folgende Be-, Schlüsse der Kultusministerkonferenz: „Behandlung der jüngsten Vergangenheit im Geschichts- und gemeinschaftskundlichen Unterricht in den Schulen" vom 11. /12. Februar 1960, „Richtlinien für die Behandlung der jüngsten Vergangenheit im Unterricht" vom 9. /10. Februar 1961, „Empfehlungen zur Gestaltung der Lehrbücher für den Unterricht in neuester Geschichte und Zeitgeschichte" vom 5. Juli 1962 und die „Richtlinien für die Behandlung des Totalitarismus im Unterricht" vom 5. Juli 1962.

Bei den Klagen um die fehlende Zeitgeschichte ist zu berücksichtigen, daß sie erst in den letzten Jahren entwickelt und methodisch gesichert worden ist. Bis dahin hatte auch für die Schule der Grundsatz gegolten, objektive Geschichtsforschung und -darstellung sei nur bis zu einem Zeitpunkt möglich, der fünfzig Jahre von der Gegenwart liege. Vor wenigen Jahren erst hat sich — etwa durch eine Diskussion in der Zeitschrift „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht" — der Standpunkt durchgesetzt, der Geschichtsunterricht verfehle seine Aufgabe, wenn er nicht bis an die Gegenwart heranführe, um die Jugend darin zu orientieren.

Der Schüler muß und will heute wissen, welche Momente z. B. für die nationalsozialistische Herrschaft ausschlaggebend waren, weil sie seine Gegenwart mitbestimmen. Ein Ausweichen vor solchen Fragen bedeutet ein Ausweichen vor der politisch-erzieherischen Verantwortung.

Welche Hemmungen der Geschichtsunterricht zu überwinden hatte, läßt sich an den ersten Nachkriegslehrplänen für Geschichte mit ihrer Flucht ins Kulturgeschichtliche unschwer ablesen. Erich Weniger wirft jenen Geschichtslehrplänen vor: „Das Ausweichen in die Kulturgeschichte bedeutet die Flucht vor der politischen Verantwortung" In den Beiträgen zur Neubesinnung auf einen zeitgemäßen Geschichtsunterricht des Sammelbandes „Neue Wege im Geschichtsunterricht" von 1949 werden politische Geschichte und Kulturgeschichte von Weniger, Heimpel und Körner nicht als Gegensätze, sondern als zusammengehörig betrachtet.

Indes ist nach allem, was über die Aufgabe politischer Bildung gesagt worden ist, der Geschichtsunterricht, so politisch er eingestellt sein mag, allein nicht imstande, diese Aufgabe zu lösen. Wir müssen den Anspruch bestreiten, als habe man nach dem Zweiten Weltkrieg von Seiten des Geschichtsunterrichts genug zur politischen Bildung der Jugend getan. Hans Mommsen stellt diesbezüglich fest: „Die Geschichtswissenschaft hat . . . politisch versagt, gerade weil sie sich des Zusammenhangs von Politik und Geschichte zu sicher war. Die historische Erfahrung lehrt, daß die Historie auf das Korrektiv einer politischen Forschung nicht verzichten kann, die die Politik auf den Grund und das Maß der gegebenen Zustände zurückführt, d. h. durch empirische Analyse des politischen Verhaltens und der politisch-sozialen Funktionalismen ein Abgleiten in utopische Zielsetzungen verhindert und die normativen Grundlagen politischer Urteile systematisch zu erfassen sucht."

Eine empirische Untersuchung über den Stand des zeitgeschichtlichen Unterrichts in Hessen gelangte anhand der Klassenbücher sämtlicher Oberprimen des Schuljahres 1958/59 zu einem erschütternden Ergebnis

Grundsätzlich soll nicht bestritten werden, daß der Geschichtsunterricht auch der politischen Bildung dient, aber er erschöpft sie nicht. Daher ist die Forderung nach einer Übertragung der politischen Bildung an das Fach Geschichte auf Kosten eines eigenständigen politischen Unterrichts von der Sache her nicht begründet. 2. Geschichte und Gemeinschaftskunde nach der Saarbrückener Rahmenvereinbarung Mit der Verwirklichung der Saarbrückener Rahmenvereinbarung seit Ostern 1963 entstand eine neue Situation für den Geschichtsunterricht. Wie die Erdkunde und die Sozial-kunde mußte er in manchen Bundesländern seine Selbständigkeit in den beiden Primen zugunsten einer stärker politisch orientierten Gemeinschaftskunde aufgeben, d. h.sein bisheriger didaktischer Anspruch muß eine Neugestaltung erfahren und seine Bildungsaufgabe neu bedacht werden, was durch die „Rahmenrichtlinien" von 1962 und die neuen Richtlinien der Bundesländer teilweise geschehen ist. In allen dort angeführten Themen wird die historische Dimension berücksichtigt, allerdings inhaltlich nicht mehr im Sinne eines eigenständigen Geschichtsunterrichts. Der Beitrag der Geschichte wird als bedeutsam anerkannt, sie stellt „das Erfahrungsfeld politischer Bildung dar und macht das Wesen des Politischen und den in seinem Handeln freien und gebundenen Menschen am besten sichtbar" („Rahmenrichtlinien" A 3). Daraus geht hervor, daß es nicht Absicht der „Rahmenrichtlinien" ist, den Geschichtsunterricht in seiner Substanz zu verfälschen. Trotz der Anerkennung des Geschichtsunterrichts war zu erwarten, daß die Rahmenvereinbarungen eine Kontroverse zwischen Verteidigern des Faches Geschichte Verfechtern und der Gemeinschaftskunde hervorrufen würde. Friedrich Minssen sah 1962 in der Gemeinschaftskunde eine Kritik an der bisherigen pädagogischen Leistung der Historie: „Wäre es der Geschichtswissenschaft tatsächlich gelungen, ... politologische, soziologische, wirtschaftswissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Aspekte in ausreichendem Maße in sich zu verarbeiten, hätten ferner der Geschichtsunterricht in vielen Schulen nicht bis vor kurzem die Geschichte der jüngsten Vergangenheit sorgsam ausgespart, so hätten die Kultusminister möglicherweise sich nicht zu dem revolutionären Schritt einer Gemeinschaftskunde, der manchen von ihnen gewiß nicht leicht gefallen sein dürfte, aufzuraffen brauchen."

Die Auffassung Minssens blieb nicht unwidersprochen. Einen hervorragenden Platz in der nun anhebenden Auseinandersetzung nimmt der Aufsatz von Gerhard Ritter über „Geschichtsunterricht oder . Gemeinschaftskunde'?" vom Mai 1962 ein Er wurde u. a. von Arnold Bergstraesser zurückgewiesen.

Seit den Duisburger Entschließungen des Verbandes der Geschichtslehrer von 1962 ist die Polemik um die Gemeinschaftskunde entschärft. In Nordrhein-Westfalen wurde der Geschichtsunterricht als hauptverantwortlicher Träger der politischen Bildung beibehalten. In den Ländern, die einen Bildungsbereich Gemeinschaftskunde in den Primen eingeführt haben, hat sich gezeigt — schon aus personellen Gründen und wegen des akuten Mangels an neuem Unterrichtsmaterial —, daß die Geschichte vorerst die stärkste Position einnimmt. Lediglich in Berlin, Hessen, Hamburg und Niedersachsen sind die Voraussetzungen für einen inhaltlich eigenständigen gemeinschaftskundlichen Unterricht im Sinne einer gesellschaftlich-politischen Orientierung etwas günstiger.

Als letzte Stellungnahme des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands wurden die umfangreichen Empfehlungen zur „Geschichte und Politischen Weltkunde" auf der Berliner Tagung im Oktober 1964 veröffentlicht. Darin drückt der Verband seine Besorgnis über die von den Bundesländern beschrittenen verschiedenen Wege in der Gemeinschaftskunde aus. Für die Geschichte wird eine Schlüsselstellung beansprucht. Im übrigen zeigt sich in den folgenden Auszügen eine Annäherung der verschiedenen Standpunkte und eine Anerkennung genuin politischer Fragestellungen als selbständige Wissenschaftsbereiche: „ 5. Zu den in der Politischen Bildung nicht ausgehenden eigenständigen Bildungswerten der Geschichte gehören: die Erfahrung der Einmaligkeit und Individualität geschichtlicher Gestalten und Ereignisse, die Erfahrung der Fremdheit und Andersartigkeit vergangener Zeiten, die Erfahrung der Relativität und Per-spektivität des historischen Erkennens und Urteilens, die Erfahrung der Komplexität der Geschichte, die alle abstrahierenden, monokausalen Erklärungen verbietet. 6. Zu den fundamentalen politischen Erfahrungen und Einsichten, die durch die Geschichte ermöglicht werden, gehören: Politische Entscheidungen sind zugleich bedingt durch das Geschehene und offen für die Zukunft.

Geschichte ist das Gedächtnis des Volkes, die Konstante im tagespolitischen Wechsel; die geschehene Geschichte ist der Rahmen, innerhalb dessen sich die gegenwärtige Politik abspielt.

Geschichte vermittelt den vollen Ernst des Politischen; ihr Gegenstand sind reale Situationen und Zusammenhänge, nicht gedankliche Modelle.

Die Geschichte zeigt die Spannung zwischen dem gedanklichen Entwurf und der konkreten Verwirklichung auf; sie lehrt, daß die politisch-soziale Ordnung zwar rational begründbar ist, daß in ihrem Vollzug aber stets neue, unvorhersehbare Kräfte auftreten. 7. Zu den Gehalten der Politischen Bildung, die in der Geschichte nicht voll repräsentiert werden, gehören: Politik ist wirkliches, gegenwärtiges, mitvollziehbares Geschehen; die Gegenstände der Geschichte dagegen sind vergangene Realität, die nur mittelbar zu erfassen ist. Politik ist Handeln in die Zukunft, die Besorgung der res gerendae; der Historiker bemüht sich um vergangenes Handeln, die res gestae.

Das Politische ist nicht allein deskriptiv zu erfassen; es verlangt auch die normativ-systematische Betrachtungsweise, die der Historiker mit seiner Methode nicht leisten kann.

Entscheidende Sachbereiche der Politik — wie Wirtschaft, Gesellschaft, Recht, Verfassung — obliegen der Zuständigkeit eigenständiger Fachwissenschaften; für diese ist das Geschichtliche nur ein Aspekt neben anderen." (Aus „I. Vorbemerkung"). Die vorstehenden Bemerkungen verraten die Übernahme gewisser Gedanken von Bergstraesser und Messerschmid.

Insgesamt sollte es der Geschichte nicht schwerfallen, „übergreifende" Fragestellungen im Sinne der Gemeinschaftskunde zu bewältigen, hat doch die Geschichtswissenschaft z. B. sozial-und wirtschaftsgeographische Fragen in ihre Betrachtungen mit einbezogen.

Dazu kommt die landeskundliche Betrachtungsweise, zu der geographische und kulturmorphologische Momente gehören. So ist wissenschaftlich schon viel von dem erreicht, was im Schulunterricht angestrebt wird.

G. Die Bedeutung der Erdkunde für die politische Bildung

Die Erdkunde als Wissenschaft vom Raum (Chorologie) hat seit langem ihre ursprüngliche Ausrichtung auf das Physisch-Morphologische aufgegeben und ihre Aufmerksamkeit den Beziehungen von Raum und Mensch zugewandt. Die Landschaft wird vornehmlich als eine vom Menschen gestaltete Kulturlandschaft verstanden. Damit tritt der anthropo-logisch-chorologische Aspekt in den Vordergrund geographischer Betrachtungsweise. Martin Schwind hat in seinen beiden Aufsätzen auf die Kulturgeographie aufmerksam gemacht. Die Kulturlandschaft wird von ihm als „objektivierter Geist" (nach Hegel) verstanden. Zu ihrer Erforschung dienen als Teilgebiete der Kulturgeographie die Wirtschafts-und Sozialgeographie, die Religionsund Bildungsgeographie und schließlich die Politische Geographie. Diese ist für die politische Bildung unmittelbar bedeutsam, ebenso die Sozialgeographie mit ihrer Untergliederung in Bevölkerungsund Siedlungsgeographie. Die Wirtschaftsgeographie bildet in den Gymnasien fast den einzigen Zugang zu dem in den Bildungskanon noch nicht integrierten Bereich der Wirtschaft.

Die Hinweise machen einsichtig, warum sich die Geographie als eine „totalisierende Wissenschaft" (M. Schwind) versteht. Sie hat ihre Fachgrenzen längst überschritten und bezieht politisch-soziale wie wirtschaftliche und historische Fiagestellungen ein. So fiel es der Erdkunde von Anfang an nicht schwer, sich den Bemühungen um politische Bildung zu öffnen. Das kommt in den verschiedenen Erdkunde-lehrplänen zum Ausdruck, indem sie für die letzte oder die beiden letzten Klassen auch die politische Auseinandersetzung fordern.

Dabei hat die Erdkunde freilich in den letzten Jahren durch Kürzung der Stundenzahl und vorzeitigen Abschluß an Raum verloren.

Aus dem Jahre 1950 stammt die erste Stellungnahme des Verbandes Deutscher Schulgeographen zur Lage des geographischen Unterrichts in den Bundesländern. In ihr wird relativ frühzeitig und klar die Funktion der Geographie in der politischen Bildung hervorgehoben. In erster Linie werden Politische und Wirtschaftsgeographie als Bindeglieder zur politischen Bildung herausgestellt. Zwei Jahre später (1952) fügte Julius Wagner die Sozialgeographie hinzu Nach seiner Ansicht ist eine Geographie der Kulturlandschaft ohne Beachtung der sozialgeographischen Momente nicht möglich. Die Erdkunde gehe wie die Sozialkunde (in Hessen) über die Wohn-, Haus-und Siedlungsgemeinschaft, von der engeren zur weiteren Heimat vor.

Im Jahre 1959 hat der Verband Deutscher Schulgeographen eine Denkschrift veröffentlicht, der er die „Empfehlungen für den Erdkundeunterricht" der Kulturministerkonferenz von 1956 zugrunde legte. Darin begründet er die knappen Hinweise aus seiner Stellungnahme von 1950 „VI. Politische Bildung im Erdkundeunterricht. Das Ziel der politischen Bildung in der Schule ist es, den Jugendlichen mit der politischen Wirklichkeit vertraut zu machen. Er soll ein zutreffendes politisches Weltbild gewinnen und Verständnis für die politischen Vorgänge der Gegenwart bekommen. Er soll darauf vorbereitet werden, später als Staatsbürger die Mitverantwortung für politische Entscheidungen zu übernehmen . . .

Neben der Geschichte ist die Geographie das entscheidende Fach für die politische Bildung. . . . Ziel des Unterrichts ist, daß reifere Schüler sich leidenschaftslos, kritisch und sachlich wohlfundiert eine eigene Meinung zum politischen Gegenwartsgeschehen bilden. Sie müssen später in der Lage sein, politische Schlagworte zu durchschauen, ideologische Hintergründe zu erkennen, Argumente abzuwägen und nicht vorschnell, sondern aus der genaueren Kenntnis der Tatsachen zu urteilen."

Diese Denkschrift nimmt keine Kenntnis von dem (damaligen) Bestehen eines selbständigen politischen Unterrichts in fast allen Bundesländern außer in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. Sie erklärt kurzerhand die Erdkunde neben der Geschichte zum „entscheidenden Fach für die politische Bildung". Ebenso problematisch ist die Behauptung, im üblichen Erdkundeunterricht der Klassen 1— 5 (= 5— 10) würden Regierungsformen und politische Probleme der betreffenden Staaten besprochen Die vorhandenen Lehrbücher geben dafür Anhaltspunkte. gleiche nur wenige Das gilt für die politischen Grundbegriffe auf der Oberstufe. Man kann ihre gelegentliche Erwähnung im Unterricht nicht mit einer Behandlung im Sinne politischer Bildung gleichsetzen.

Die gegen ein besonderes Fach für die politische Bildung gerichtete Tendenz der Denkschrift zeigt sich in den beiden letzten Sätzen des Abschnitts VII:

„Die Sozialgeographie wird im Erdkundeunterricht der Schule eine Lücke erfolgreich ausfüllen, die manche nach amerikanischem Vorbild durch ein neues selbständiges Unterrichtsfach Sozialkunde (Social Studies) glauben schließen zu können. Der Geographieunterricht kann jedoch die Raumgebundenheit der sozialen Verhältnisse viel gründlicher behandeln als eine isoliert dastehende Sozialkunde."

Diese Sätze sind aus der Defensive verständlich, in die sich der Erdkundeunterricht mancherorts gedrängt sah. Die Argumentation verkennt, daß die Raumgebundenheit des Menschen zwar eine wesentliche Voraussetzung, nicht aber das zentrale Anliegen der Sozial-kunde ist.

Wesentlich nüchterner beurteilt Robert Geipel das Verhältnis zwischen „Erdkunde, Sozial-geographie und Sozialkunde" in seinem gleichnamigen Aufsatz zur Denkschrift Er legt dar, wie die Erdkunde zum Schrittmacher der wirtschaftskundlichen, soziologi-sehen und politischen Probleme im Gymnasial-unterricht geworden ist; aber er erkennt auch an, daß der Gegenwartsbezug, den die Erdkunde für sich in Anspruch nimmt, von der Sozialkunde ergänzt werden muß, was keine Gefahr für die Erdkunde bedeute. Ähnlich maßvoll urteilt er über die Sozialgeographie, die viel zur Sozialkunde beitragen, jedoch sie nicht ersetzen könne. Am Beispiel der Stadt-, Agrarund Allgemeinen Geographie wird die Fähigkeit der Sozialgeographie zur notwendigen Überwindung der Flächengrenzen dargestellt.

Der 33. Deutsche Geographentag in Köln 1961 hat eine vermittelnde Haltung zur Saarbrük-kener Rahmenvereinbarung eingenommen und seine Mitarbeit an dem neuen Bildungsraum Gemeinschaftskunde zugesagt, warnt jedoch vor seiner „baldigen allgemeinen Einführung". Konkrete Möglichkeiten für die Praxis zeigt Heinrich Newe auf Er fordert zugleich eine verstärkte Betonung der Politischen Wirtschafts-und Sozialgeographie an den Universitäten.

Auf dem 34. Deutschen Geographentag in Heidelberg im Juli 1963 beschäftigte sich die Gruppe der Schulgeographen mit der Gemeinschaftskunde in den Primen. Man befürchtete allgemein, daß die Erdkunde noch weiter zurückgedrängt werde. In der Diskussion ging man so weit, den Geschichtsunterricht abzuwerten und der Gemeinschaftskunde die überholten Vorwürfe zu machen, sie verleite zum Geschwätz, werde zum politischen Schulungskurs, fördere die weltanschauliche Eingleisig-keit und den ideologischen Streit. Demgegenüber bestehe der Vorzug der Erdkunde in der Anschaulichkeit und in der Feldarbeit. Heinrich Newe hat die Polemik auf den Boden der Sachlichkeit zurückgeführt, über den Beitrag zur Gemeinschaftskunde in den Primen schreibt er:

„Die erdkundliche Weise des Verstehens befaßt sich mit der erdräumlichen Verbreitung und Vielgestalt sowie den Erdraumbedingungen des gesellschaftlichen, politischen und wirtschatflichen Lebens in der Welt. Insbesondere geht es darum zu zeigen, wie sich die menschlichen Gemeinschaften mit den Raum-kräften auseinandersetzen und welche erdräumlichen Gestalten dieser Gemeinschaften sich dabei ausprägen. Damit wird eine Weise des Seins angesprochen, die wie die geschichtliche allgegenwärtig ist." Der Verband der Hochschullehrer der Geographie hat auf seiner Bad Hersfelder Konferenz am 2. /3. November 1962 zur Saarbrückener Rahmenvereinbarung verlautbart, die Eigenständigkeit des Faches Erdkunde dürfe nicht angetastet werden, nur dann sei er an einer Mitarbeit an den erforderlichen Grundlagen für die Gemeinschaftskunde bereit. Dazu ist zu sagen, daß die „Rahmenvereinbarung" zwar den Bildungsraum Gemeinschaftskunde konstituieren will, aber die methodische und wissenschaftliche Eigenständigkeit der Fächer Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde nicht in Frage stellt. Damit dürften die grundsätzlichen Bedenken der Hochschullehrer gegenüber dem „Kombinationsfach" ausgeräumt sein. Der 35. Deutsche Geographentag in Bochum vom 8. bis 11. Juni 1965 hat anerkannt, daß die Geographie in der Gemeinschaftskunde ihre Stellung ausweiten und festigen konnte. Die Frage nach der Didaktik, d. h. nach der Aufbereitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen für den Unterricht, war schon immer eine Frage der Zweckmäßigkeit. Natürlich muß man sich fragen, ob die für notwendig betrachteten Stoffe hinreichend vertreten sind. Die „Rahmenrichtlinien" von 1962 berücksichtigen die Erdkunde mit folgenden Oberthemen: 4. Europa und die Welt von heute a) Räume und Völker des heutigen Europa b) Das Problem der Grenzen 5. Europäisierung — Enteuropäisierung der Erde — Entwicklungsländer 6. Der Mensch in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat b) Dorf — Stadt — Verstädterung —Raumplanung Im übrigen ist es der Schwerpunktbildung des Fachlehrers überlassen, wie weit er die angegebenen Themen geographisch ausrichten will. An erster Stelle der „Rahmenrichtlinien" stehen die sozialgeographischen Probleme. Daneben tritt die Wirtschaftsgeographie als unerläßlicher Bestandteil wirtschaftlicher und die Anthropogeographie als Bestandteil völkerkundlicher Fragestellungen und Erscheinungen. Von dem hochgesteckten Anspruch der „Empfehlungen" der Kultusministerkonferenz von 1956 an den Erdkundeunterricht ist in den „Rahmenrichtlinien" nur eine ziemlich farblose Charakterisierung übrig geblieben: „Die Geographie trägt zum politischen Verständnis der Welt bei und läßt den jungen Menschen die Bindungen des menschlichen Gemeinschaftslebens an die Erdräume und die Wechselbeziehungen von Mensch und Natur erkennen."

Faßt man den Beitrag der Erdkunde zur politischen Bildung zusammen, so läßt sich eine doppelte Wirksamkeit bestimmen: 1. im Sinne des Unterrichtsprinzips und 2. in der Schaffung sachlicher Voraussetzungen (Raumbezogenheit des Menschen).

Die Diskussion um den Anteil der Erdkunde an der politischen Bildung insgesamt zeigt, daß viele Gemeinsamkeiten bestehen, die das Bestreben nach Aufrechterhaltung der Fächer-trennung immer problematischer erscheinen lassen. Auch in der Wissenschaft ist es üblich, daß sich mehrere Disziplinen um den gleichen Gegenstand bemühen. Voraussetzung ist, daß es im Verlaufe der Forschung gelingt, sich über einige den gemeinsamen Gegenstand betreffende Grundbegriffe, Kategorien und Wertungen zu einigen.

H. Die Situation und Einstellung der Lehrer

Erfahrung und Einstellung der Unterrichtenden wurden vom Verfasser durch eine Befragung untersucht. Zwar kann diese Befragung keine Repräsentanz beanspruchen, dennoch müßte sie für weitere Forschungen Hinweise liefern.

Es ging um wenige ausgewählte Problemkreise, die sich in zwei Fragen zusammenfassen lassen: 1. Wie spielt sich die bisherige politische Bildungsarbeit im Gymnasium tatsächlich ab?

Welche Vorbildung und Fachrichtung haben die den politischen Unterricht erteilenden Lehrer? Welche Lehrmittel werden benutzt? 2. Wie. ist die Einstellung der Lehrer zur behördlichen Regelung der politischen Bildung, zum Grad ihrer Institutionalisierung und schließlich zur Saarbrückener Rahmen-vereinbarung? Im Sommer 1963 wurden je sechs Fragebogen an jeweils drei Gymnasien jedes Regierungsbezirkes der Länder, nach Klein-, Mittel-und Großstadt getrennt, sowie an eine entsprechende Anzahl von Schulen in den Stadtstaaten geschickt. Soweit im folgenden nach Län-dem spezifiziert wird, betrifft es Ergebnisse, die im Zusammenhang mit der Untersuchung der Lehrpläne, Erlasse usw.des jeweiligen Bundeslandes plausibel erscheinen. Ansonsten beziehen sich die Ergebnisse auf die Gesamtheit der Probanden (N — 399).

Zwischen der Größenordnung der Städte und der Einstellung der Lehrer zur politischen Bildung ergaben sich keine nennenswerten Relationen. Kleinstadtschulen klagen lediglich häufiger über die geringen praktischen Möglichkeiten politischer Bildung. Ebenso sind die Abweichungen zwischen den Gymnasialtypen so gering, daß sie unberücksichtigt bleiben können.

Immerhin gewährte diese Befragung die Möglichkeit, einzelne Sachverhalte der politischen Bildung an den Gymnasien genauer zu beurteilen, als das nach den amtlichen Quellen und nach der Literatur möglich gewesen wäre. Das ist an einzelnen Stellen der vorstehenden Analyse zur Geltung gekommen, ohne jedes-mal vermerkt zu werden. Anderes wird im folgenden verzeichnet.

Eine der Voraussetzungen der adäquaten Vermittlung politischer Bildung ist in den Lehrbefähigungen der das Fach Gemeinschaftskunde unterrichtenden Lehrer zu sehen. Im Bundesdurchschnitt ergibt sich ein eindeutiges Übergewicht der Geschichte (354 von 399 — Lehrbefähigungen), meist mit Deutsch (274) gekoppelt. Erst in weitem Abstand folgen Lehrbefähigungen für Erdkunde (133) undEng-lisch/Französisch (122). Die Naturwissenschaften sind am seltensten vertreten (17). Der Zugang zum politischen Bereich ist auch sicher von ihnen aus am schwersten. Nur wenige Probanden haben eine Fakultas für Sozial-kunde/Gemeinschaftskunde (47).

Die Reihenfolge entspricht den normalen Zugangsmöglichkeiten, die die einzelnen Fächer zum Bereich der politischen Bildung gewähren. Schon dieser Überblick zeigt aber auch, daß die politische Bildung, die nachträglich einem bestehenden Bildungskanon eingefügt worden ist, zumindest vorläufig noch überwiegend durch Lehrkräfte vermittelt werden muß, deren Ausbildung sie nur hilfs-und ersatzweise für den politischen Unterricht geeignet erscheinen läßt. Aufschlußreich ist, daß Bayern das einzige Land ist, in dem die Historiker nicht dominieren. Den höchsten Anteil stellen hier vielmehr die Germanisten (52 von 57Probanden), sicherlich eine Folge der langen Zeit soziologisch-kulturkundlicher Orientierung der politischen Bildungsarbeit in Bayern.

Die Frage, auf welche Weise das Ziel der politischen Bildung erreicht werde, ergab ein eindeutiges Votum für eine Institutionalisierung. Rund drei Viertel aller Antwortenden plädierten für das Fach Gemeinschaftskunde oder Sozialkunde, während ein Viertel der Meinung ist, politische Bildung genüge als Unterrichtsprinzip. Auffallend ist hier die vergleichsweise hohe Bewertung des Unterrichtsprinzips in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Es sprachen sich in Berlin 11 von 23, in Bremen 13 von 31 und in Nordrhein-Westfalen 18 von 40 Pro-banden für das Unterrichtsprinzip und damit gegen eine Institutionalisierung der politischen Bildung als Unterrichtsfach aus, während es beispielsweise nur 5 von 42 in Baden-Württemberg und 6 von 44 in Hessen waren. Ohne aus diesen geringen Zahlen zu weitgehende Folgerungen ziehen zu wollen, darf doch darauf hingewiesen werden, daß diese Unterschiede auf dem Hintergrund des in den Bundesländern verschiedenen inhaltlichen und zeitlichen Einbaus der politischen Bildung im Fächerkanon des Gymnasiums einleuchtend erscheinen. über die inhaltliche Bestimmung der politischen Bildung in den einzelnen Bundesländern geben die Angaben über die bevorzugten Gehalte Auskunft. Von sechs vorgegebenen Sachbereichen — zwei waren als vordringlich anzukreuzen — wird das Gebiet „Politik, Staat, Verfassung" überwiegend betont (350 Nennungen), mit Abstand folgen Gesellschaft (143), Wirtschaft (131), Partnerschaft (95), Recht (46) und andere Gebiete (13). Auch hier wiederum zeigen sich plausible Differenzen zwischen den Bundesländern, wenn man die Darstellung der Angebotsseite der politischen Bildung bedenkt. In Bayern wird das Politische vergleichsweise weniger betont, eine Nachwirkung des soziologisch-kulturkundlichen Prinzips der früheren bayerischen Lehrpläne. In Bremen, das lange eine partnerschaftliche Konzeption vertrat, wird dieser Sachbereich höher als Gesellschaft, Wirtschaft und Recht eingestuft.

Durchweg ein Drittel der Befragten enthielt sich der Antwort auf die Frage nach den Schwierigkeiten bei der Vermittlung dieser Stoffgebiete. Mangelnde Kenntnisse werden erwartungsgemäß für den wirtschaftlichen und rechtlichen Bereich am häufigsten beklagt. Zu ihnen haben die Lehrer kraft ihrer Vorbildung den geringsten Zugang. Lehrpläne und Lehrbücher beschränken sich z. B. auf die Dar-Stellung der Organisation des Gerichtswesens, ohne in das spezifische Rechtswesen selbst einzuführen.

Generell ist eine tiefgreifende Unsicherheit gegenüber dem Fach Gemeinschaftskunde nicht zu übersehen. Trotz der beklagten Unsicherheit ist die Forderung nach einem Nachstudium — sicherlich in realistischer Einschätzung der Möglichkeiten — gering (14 Nennungen). Eine größere Rolle spielt dagegen der berechtigte Wunsch nach geeigneteren Handbüchern für den Lehrer (35 Nennungen) und Lehrbücher (34 Nennungen). Die Gesamtbetrachtung der sachlichen Schwierigkeiten konzentriert sich also auf die fehlenden Voraussetzungen der Lehrer. Dem steht eine eindeutige Bejahung der politischen Bildung als institutionalisiertes Fach durch die überwiegende Mehrheit gegenüber.

Der zweite Fragenkomplex galt der Einstellung zur Saarbrückener Rahmenvereinbarung. Bei der Interpretation darf angenommen werden, daß sich Zustimmung oder Ablehnung in erster Linie auf die eigenen Erfahrungen im Unterricht und weniger auf den Text der Rahmenvereinbarungen beziehen.

Die Zustimmung ist mit 87 positiven Stellungnahmen relativ gering. Dem stehen 287 Ablehnungen gegenüber. Die meisten Ablehnungen treten in Bayern, Bremen und Rheinland-Pfalz auf. In Bayern besteht ein Koordinierungsplan, der äußerlich alles beim alten läßt, aber die Inhalte der drei Fächer thematisch und zeitlich koordiniert. In Rheinland-Pfalz blieb es ebenfalls beim alten Zustand. Dagegen dürfte in Bremen, das den neuen Bildungsbereich eingeführt hat, die frühere Konzeption der Sozialerziehung noch gegenläufig nachwirken. Nur in Hamburg (16 von 27) ist die Zahl der Zustimmenden höher als die der Ablehnenden.

Schlüsselt man die Begründungen für die Ablehnung kategorial auf, dann ist erstaunlich, daß nur wenige Probanden (7 Nennungen) das Fehlen einer Konzeption oder die Fragwürdigkeit des Bildungswertes der Rahmen-vereinbarung vorwerfen. Die geringen Bedenken der Probanden hinsichtlich einer Über-betonung der Gegenwart durch das neue Fachgebiet weichen ebenfalls von den in der theoretischen Diskussion gegen den Bildungsbereich Gemeinschaftskunde erhobenen Vorwürfe erheblich ab (22 Nennungen). Ernst zu nehmen ist der Einwand, es bestehe die Gefahr der Oberflächlichkeit (70 Nennungen). Hier und in der Antwort, das Bildungsziel lasse sich getrennt besser erreichen (141 Nennungen), wird ein wunder Punkt der gymnasialen Bildungsideologie und des Selbstverständnisses der Philologen berührt, die Meinung nämlich, die Humboldtsche Konzeption, Bildung und Wissenschaft, lasse sich auch in der Schule nur durch den wissenschaftlich geschulten Fachmann adäquat realisieren. Deswegen wird ein Bildungsfeld abgelehnt, für das voll ausgebildete Fachlehrer fehlen.

So wird deutlich, daß der Akzent der Argumente gegen einen Bildungsbereich Gemeinschaftskunde nicht primär auf der Tatsache der Zusammenlegung von Fächern liegt, sondern auf der fehlenden Spezialausbildung von Fachleuten für diesen Bildungsbereich, wie es lür die anderen Fächer an den Gymnasien üblich ist.

J. Sonstige Probleme

1. Zur Frage der Lehrerbildung Nimmt man den politischen Unterricht als Fach ernst, dann muß für die akademische Ausbildung der Lehrer gesorgt werden. Im gymnasialen Fächerkanon gibt es kein einziges Fach, für das nicht akademisch gebildete Fachlehrer vorhanden wären. Dies gilt inzwischen auch für die Fächer Turnen, Kunst und Familienhauswesen. Nach der herrschenden Meinung sind die Wissenschaftlichkeit des Unterrichts und das Niveau der Anforderungen auf anderem Wege nicht gewährleistet. Die wissenschaftlichen Anforderungen an einen Fachlehrer des politischen Unterrichts sind so hoch und seine Aufgaben sind so vielfältig, daß sie, wie die Praxis lehrt, nicht nebenbei von einem dafür nicht Vorgebildeten wahrgenommen werden können. Daß die Lehrer selbst so empfinden, hat die von uns durchgeführte Befragung bestätigt. Man könnte allenfalls für eine Übergangszeit Historikern und Geographen Ergänzungsvorlesungen über Politik, Soziologie, Recht und Wirtschaft anbieten. Lediglich für diese Übergangszeit kann man sich mit dem interessierten Dilettanten zufriedengeben, denn er bringt in der Regel etwas Unerläßliches für die politische Bildung mit: Interesse und Engagement. Wenn nach einem Wort Arnold Bergstraessers politische Bildung „engagierte Bildung" ist, dann kann politischer Unterricht nur von einem engagierten Lehrer gegeben werden. Neben dem Religionsunterricht gibt es kaum einen anderen Unterricht, der die persönliche Überzeugung des Lehrers so transparent werden läßt und geradezu provoziert wie der politische Unterricht. Das bedeutet keine Verwässerung der wissenschaftlichen Unterrichts-grundlage, sondern lediglich erhöhte Anforderungen an den Unterrichtenden. Darum ist eine Fachausbildung für den politischen Fachlehrer an sich keine Gewähr für den Unterrichtserfolg. Das gilt vor allem, wenn ihm das Engagement, die Leidenschaft fehlt, die der Dilettant besitzt.

Trotzdem wird auf die Dauer ein Stab fachlich ausgebildeter Lehrer für den politischen Unterricht unentbehrlich sein. Das erfordert schon das Ansehen des Unterrichtsfaches wie der politischen Bildung überhaupt, da nun einmal, wie die Dinge am Gymnasium liegen, ein Unterrichtsfach ohne die Verankerung in einer ihm entsprechenden Universitätsund Forschungsdisziplin neben den anderen, traditionellen Fächern als zweitrangig angesehen wird.

Im Zusammenhang mit der akademischen Ausbildung politischer Fachlehrer muß auf ein behutsam gehegtes Tabu der Ausbildung künftiger Lehrer der Höheren Schulen eingegangen werden. Für die politische Bildung drängt sich die Frage auf, warum man nicht ernsthaft erwägt, Politologen, Nationalökonomen, Soziologen und Juristen in den Höheren Schuldienst zu übernehmen? Bis jetzt hat man hier und da zögernd Diplomingenieure und Diplomhandelslehrer eingestellt.der modernen Für eine Gesellschaft angepaßte Erneuerung der Höheren Schule reicht die traditionelle Rekrutierung des Lehrstabes aus Philologen und Naturwissenschaftlern nicht aus. Die Frage der pädagogischen Ausbildung, die auch im gegenwärtigen Zustand nicht befriedigend gelöst ist, wäre bei dem neuen Personenkreis nicht unlösbar. Ein modernes Gymnasium sollte auch personell die Breite der geistigen Welt repräsentieren.

Die Art, wie die Studienreferendare auf ihre Aufgaben im Rahmen der politischen Bildung vorbereitet werden, ist für den Erfolg dieser Bildung von ausschlaggebender Bedeutung. Sie geht in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich vor sich. Aber auch von Studienseminar zu Studienseminar gibt es beträchtliche Unterschiede, angefangen von gelegentlichen Hinweisen in den allgemeinen pädagogischen Sitzungen und in den Fachsitzungen (Unterrichtsprinzip) bis hin zu politologischen Spezialsitzungen für Referendare mit entsprechenden Lehrbefähigungen oder gar für alle Referendare. Eine Übersicht für das Bundesgebiet ergibt ein vielschichtiges Bild.

Ein Anstoß zur Verbesserung der Referendarausbildung im Bereich der politischen Bildung gab der Hamburger Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 11. /12. Februar 1960. Der sie betreffende Abschnitt lautet wie folgt: „ 3. In der Ausbildungszeit zwischen der 1. und 2. Prüfung muß jeder Lehrer in die Methodik der Gemeinschaftskunde als Prinzip und als Fach eingeführt werden. Jeder Lehrer muß in dieser Ausbildungszeit die Beziehungen seines besonderen Fachgebietes zur Zeitgeschichte und zur Gemeinschaftskunde erkennen und herstellen lernen." 2. Fragen aus dem politischen Bereich in der Reifeprüfung In der „Rahmenvereinbarung zur Ordnung des Unterrichts auf der Oberstufe der Gymnasien" vom 29. 9. 1960 wird Gemeinschaftskunde zum verbindlichen Prüfungsfach in der Reifeprüfung erklärt (III, 2 a). Die Länderkultusministerien haben inzwischen entsprechende Prüfungsordnungen erlassen.

Als Beispiel wird der Passus über die mündliche Prüfung in Gemeinschaftskunde nach der „Ordnung der Reifeprüfung an Gymnasien im Lande Niedersachsen" vom 5. 9. 1964 zitiert:

„Gemeinschaftskunde Der Prüfling soll zeigen, daß er in einem angemessenen Umfang gelernt hat, unsere gegenwärtige Welt in ihrer historischen Verwurzelung, mit ihren sozialen, wirtschaftlichen und geographischen Bedingungen, ihrer politischen Ordnung und ihren Tendenzen seiner Altersstufe entsprechend zu verstehen und kritisch zu beurteilen. Hierzu sind sichere Kenntnisse ebenso notwendig wie Einsichten in Zusammenhänge und Strukturen menschlicher Lebensformen und in das Wesen politischen Entscheidens und Handelns. Die Prüfung wird sich auf geeignete Beispiele beschränken, sie soll auch den Zusammenhang der Gemeinschaft mit den übergreifenden Aufgaben der politischen Bildung anderer Fächer erkennen lassen. Der Prüfling soll auch zeigen, daß er mit einigen Arbeitsmitteln und Methoden der sachlichen Orientierung und Urteilsfindung vertraut ist. Die Prüfung soll von einer festumrissenen Aufgabe ausgehen, auf die sich der Prüfling vorbereitet hat. Die im Unterricht gebräuchlichen Arbeitsmittel (Quellen, Karten, Statistiken) können für die Aufgabenstellung und während der Prüfung verwendet werden." 3. Die Arbeitsmittel für den politischen Unterricht Die Unklarheit über den Begriff der politischen Bildung in der Bundesrepublik findet ihre Spiegelung in den Lehrbüchern. Sie folgen in der Regel einem oder mehreren inhaltlich verwandten Lehrplänen. Die Kritik muß diese Ausgangslage im Auge behalten. Dabei darf die Schwierigkeit nicht verkannt werden, vor der die Lehrbuchverfasser standen, da sie für das darzustellende Fach keine festen Konturen vorfanden. Die meisten Lehrbücher wurden von Unterrichtspraktikern ad hoc zusammengestellt, ohne daß in dem Fach genügend Erfahrungen vorlagen. Dadurch sind sie oft recht individuell gestaltet, was freilich in einem sich erst entwickelnden Fachbereich auch ein Vorteil bedeutet.

An wesentlichen gemeinsamen Merkmalen haben sich bei der Durchsicht der Arbeitsmittel ergeben: Zum Unterschied von Arbeitsmitteln anderer Art ist das Angebot an Lehrbüchern gering. Ein-Gymnasiallehrbuch für die Mittel-stufe ist erst vor kurzem erschienen. Man mußte sich mit Lehrbüchern behelfen, die eigentlich für die Real-oder Volksschule geschrieben waren. Sie tragen — bei allerdings oft vorzüglicher methodischer Anlage — der stärker abstrahierenden Arbeitsweise des Gymnasiums nicht immer Rechnung.

In den Lehrund Arbeitsbüchern herrscht die institutioneile Betrachtungsweise vor, entweder in vertikaler (Person — Familie — Gemeinde — Staat — Nation — Welt) oder in horizontaler Gliederung (Staat und Verfassung — Rechtsordnung — Wirtschaft — soziale Ordnung — Staat als Kulturträger — Außenpolitik). Die Dinge werden kaum in ihrer Interdependenz und meist problemfrei dargestellt. Ferner bleiben die meisten Bücher im Gesellschaftlichen und Wirtschaftlichen stecken. Institutionen-, Verfassungs-und Verhaltenskunde weiden überbetont, während man vom eigentlich Politischen oft wenig erfährt. Große Unsicherheit besteht auf dem Gebiet der Zeitgeschichte und in der Darstellung der Ideologien. Viele Lehrbücher ziehen sich auf unpolitische Gegenstände zurück im Sinne einer wörtlich verstandenen Sozialkunde. Im übrigen kann man vielen Büchern den Vorwurf des Mangels einer durchgängigen Konzeption nicht ersparen.

K. Zusammenfassung

Eine Gesamtbetrachtung der politischen Bildung an den Gymnasien der Bundesrepublik seit 1945 muß, was die Angebotsseite betrifft, zunächst die unermüdlichen theoretischen und praktischen Anstrengungen der Behörden und der Lehrerschaft hervorheben. Sie geschahen anfangs gegen erheblichen inneren und äußeren Widerstand, dann aber, im Zusammenhang mit der Konsolidierung unseres Landes und mit der wachsenden Einsicht in die Abhängigkeit unserer Gesellschaftsordnung vom sachkundigen politischen Einsatz ihrer Bürger, mit zunehmendem Interesse. Der Kulturföderalismus der deutschen Bundesländer, verstärkt durch die jeweils verschiedenen geistigen und schulischen Traditionen, hat bewirkt, daß diese Bemühungen um politische Bildung recht unterschiedlich erfolgten und zum Teil zu weit auseinanderliegenden Zeitpunkten einsetzten. Eine Reihe von Verwaltungsmaßnahmen, zuletzt die Saarbrückener Rahmenvereinbarung, aber auch die fortschreitende Einsicht in die Natur des Politischen sowie Untersuchungen über den alarmierenden Mangel an politischer Bildung und nicht zuletzt gewisse unerfreuliche Erscheinungen im politischen Stil der Bundesrepublik, haben bei den Verantwortlichen die Verpflichtung bewußt gemacht, die Erziehung zu politischem Bewußtsein und politischer Haltung nicht länger dem Zufall zu überlassen. Schließlich hat sich fast allgemein die Einsicht durchgesetzt, daß man auf einen systematischen politischen Unterricht nicht verzichten kann.

All diese Bemühungen rechtfertigen indessen noch nicht den Schluß, als sei von der Schule aus die politische Bildung in unserem Lande zufriedenstellend geregelt. Das bisherige Fehlen einer synoptischen Darstellung führte dazu, daß die Fehler und Erfolge in einem Bundesland nicht ohne weiteres in einem anderen verwertet wurden. Es fehlt an einer politischen Pädagogik als der zuständigen Wissenschaft. Eine Didaktik des politischen Unterrichts besteht nur in Ansätzen Ihre Mate179) rialien liegen in vielen Aufsätzen weit verstreut und harren einer Systematisierung. Einzelne Gebiete sind kaum in Angriff genommen worden, z. B. die politische Psychologie. Am besten ist der historische Aspekt der politischen Bildung erforscht. Was man gänzlich vermißt, ist eine Darstellung der pädagogischen Relevanz der verschiedenen politischen Sachbereiche.

Eine gründliche Arbeit müßte beim Begriff der politischen Erziehung und Bildung einsetzen. In seiner Unklarheit liegt die Wurzel der zahlreichen Widersprüche in der Praxis. Es stellt sich die Frage, ob man nicht von einem Begriff ausgegargen ist, dessen Umfang zu groß ist. Die Skala vom mitbürgerlich-sozialen bis zum politisch-gesellschaftlichen und staatsbürgerlichen Bereich läßt viele Variationen zu, die sich alle als „politisch" ausgeben. Ein äußeres Zeichen dafür ist die unterschiedliche Bezeichnung des Faches, dessen Geschichte allein schon genug Material für die Mannigfaltigkeit seiner Konzeption hergäbe.

Die Dignität der politischen Bildung innerhalb des gymnasialen Bildungsprogramms darf inzwischen als unbestritten gelten. Gleiches kann man jedoch infolge der oben angedeuteten Mängel und Schwierigkeiten vom politischen Fachunterricht nicht sagen. Dazu kommt der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften, die — nach dem Selbstverständnis des Gymnasiums — nur als Fachleute Anerkennung finden können.

Ferner ist es, bei aller Würdigung der erzielten Fortschritte, nicht gelungen, dem deutschen Gymnasium der Nachkriegszeit einen der demokratischen Gesellschaft angemessenen organisatorischen Aufbau und praktischen Lebensstil zu geben. So besteht eine Kluft zwischen Lehre und Tun. Die Schule gerät in den Verdacht einer passiven Verstehenshaltung, die nicht im Handeln fortsetzt, was sie in der Theorie vorträgt. Der Schüler müßte beispielhaft in der Schule erfahren, was demokratisches Verhalten ist. Bislang wird er aber mit Wissen gefüttert, dessen praktische Wirkungslosigkeit ihm in der Pause durch autoritäre Anordnungen ad oculos demonstriert wird. An der dem Erzieherischen, das auf Freiheit und Selbsttätigkeit gerichtet ist, nicht gerecht werdenden Verwaltung und Verfassung der deutschen Gymnasien scheitern zum Teil auch so vielversprechende Einrichtungen wie die Schülermitverantwortung und die Schülerzeitschrift. Aufgabe und Thematik der politischen Bildung haben sich seit 1945 in dialektischen Schritten entwickelt und ausgeweitet. Zunächst galt es, den Einfluß des totalitären Denkens zu überwinden und zu demokratischem Denken und Verhalten zu erziehen. Der Totalitarismus stand dabei vor allem in der nationalsozialistischen oder faschistischen Variante vor Augen. So galten die Bemühungen der Überwindung des Nationalsozialismus und des Antisemitismus. Später trat der Kampf gegen die andere Form des Totalitarismus, den Kommunismus, hinzu. Von diesem ursprünglichen antitolalitären Ansatz aus ist das Streben zu verstehen, die Deutschen zum Anhören, Anerkennen, Diskutieren verschiedener Standpunkte, zur Selbstverwaltung und Partnerschaft zu erziehen. Bei aller Richtigkeit und allen Erfolgen hatte dieses pädagogische Verfahren doch einen therapeutischen Charakter. Es diente der Heilung von zeitbedingten Krankheitserscheinungen. Darauf aber kann man kein Bildungs-oder Lebensprogramm für eine Nation aufbauen. Dazu gehörte eine Orientierung in der Gegenwart, ein auf die Zukunft gerichtetes Weltbild. Nicht die Rechtfertigung eines eben erreichten Zustandes, sondern die Spannung zwischen einer unbefriedigenden Gegenwart und einer besseren Zukunft ist geeignet, politische Kräfte, zumal in der Jugend, zu aktivieren. Erst mit Hilfe einer solchen Spannung können Forderungen an den jungen Menschen, an seine Hingabe, an Opfer und Leistungen gestellt werden. Ohne solche Forderungen kann aber ein politischer Unterricht höchstens geschickte Nutznießer politischer Rechte, aber keine Träger einer demokratischen Gesellschaft erziehen.

Unsere politische Bildung war demnach zuvörderst an der Überwindung einer nationalen Verirrung orientiert, die im Bewußtsein der Schüler heute nur noch von geringer Aktualität ist und oft nicht mehr als eine historische Reminiszenz bedeutet. Man kann sagen, daß diese politische Bildung im Grunde für Erwachsene, die etwas „bewältigen" müssen, konzipiert war. Untersucht man daraufhin die Verfassungen der einzelnen Bundesländer, auf die sich die Entwürfe zur politischen Bildung meist beziehen, dann begegnet man dort den gleichen Stereotypen, die in ihrer Häutung etwas Deklamatorisches haben. Praktische Staatsgesinnung und geläutertes Nationalbewußtsein, Grundlagen des politischen Funktionierens einer demokratischen Gesellschaft, werden kaum angesprochen, obwohl sie politische Tugenden kat-exochen sind. Dagegen herrscht ein in der Wissenschaft schon überwundener Glaube an die Realisierbarkeit einer konfliktlosen Gesellschaft, in der der Einsatz von Macht als etwas Böses und das Bestehen von Konflikten schuldhaft erscheint. Deshalb sind Macht und Kampf, obwohl eminent politische Kategorien, deshalb ist aber auch das Kräftespiel der Mächte und der großen Ideologien, ist die Außenpolitik in den Programmen unserer politischen Bildung nur unzureichend vertreten. Eine ähnliche Unterrepräsentanz erfährt das Recht, wie der Verfasser nachgewiesen hat

Die mit der Spaltung Deutschlands und der Wiedervereinigung zusammenhängenden Fragen sind in der Schulpraxis erst spät auf-getaucht und waren jahrelang in den Lehrbüchern nicht enthalten. Eine gewisse Gefahr für die neue Gemeinschaftskunde deutet sich bereits darin an, daß sie das politische Handlungsmoment zurückdrängt und sich auf bloße Strukturanalysen mit Hilfe gesellschaftsdiagnostischer Methoden verläßt.

Solche Mängel werden besonders in den Lehrplänen sichtbar. Diese haben oft die Tendenz, Politik in eine höhere Sphäre der großen Ordnungen und des Normativen (politische Ethik, politische Anthropologie) und in eine niedere, in der es um die materiellen Interessen geht, aufzuteilen. Ihr Leitbild ist einfach der tugendhafte Mensch. Die Begriffsfelder „politisch" und „sozial" werden meist vermischt, so daß politische Tugendhaftigkeit als gegeben angenommen wird, wenn sich ein Mensch rücksichtsvoll, hilfsbereit, höflich und partnerschaftlich verhält. Das Allgemeine und Grundsätzliche steht im Vordergrund, das Besondere wird abgewertet und damit in Gegensatz zur gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit gebracht. Dahinter steht die bildungshumanistische Tradition, nach der das Allgemeine vor dem Besonderen, das Denken vor dem Tun rangiert. Gerade die politische Bildung ist jedoch eines jener Sachgebiete, auf dem sich diese Rangordnung am wenigsten aufrechterhalten läßt.

Unterrichtsmethodisch gesehen war die politische Bildung vorwiegend an den geisteswissenschaftlichen Methoden der verstehend-wertenden Interpretation orientiert. Sie muß aber um die Praxis, z. B. um eine politische Verhaltenslehre, ergänzt werden.

Der Versuch einer zusammenfassenden Typologie der politischen Bildung durch eine Analyse der den Lehrplänen zugrunde liegenden Konzeptionen ergibt zwei Grundtypen: 1. Die Erziehung zur Partnerschaft (zu mit-bürgerlichem und mitmenschlichem Verhalten) in einer als gegeben gedachten demokratischen Gesellschaft. Als Standardwerk dieser Auffassung gilt Oetingers Buch „Partnerschaft". 2. Eine im engeren Sinne politische Bildung, die den Apparat des demokratischen Staates und sein Funktionieren verständlich zu machen und die Jugend zur Mitarbeit darin zu gewinnen sucht.

Eine aus der Situation nach 1945 begreifliche zeitliche Entwicklung vom Typ 1 zum Typ 2 läßt sich überall beobachten. Neben diesen Grundtypen erscheinen, nach den einzelnen Bundesländern und den in ihnen geltenden Lehrplänen verschieden, gewisse Schwerpunktbildungen, je nachdem, ob der Geschichte und dem Geschichtsunterricht oder der Soziologie oder auch der Ethik oder schließlich einer kulturkundlichen Betrachtungsweise eine entscheidende Rolle zugewiesen wird. Eine einheitliche Gesamtkonzeption von Umfang und Aufgabe der politischen Bildung fehlt.

Die seit 1952 bemerkbare stärkere Behandlung des Kommunismus als einer Art Gegen-ideologie bewirkt dabei — weil wenig unterbaut durch Sachkenntnisse über Völker, Kulturen und Probleme des Ostens — ein unausgeglichenes Verhältnis zum Osten, das sich teils in unverhältnismäßig negativer Beurteilung östlicher Völker durch die Jugend, teils in einem Schwanken zwischen ängstlicher Ablehnung und vermeintlicher avantgardistischer Kritiklosigkeit äußert.

Die Einseitigkeit dieser Konzeption von politischer Bildung ist an dem Versuch besonders deutlich geworden, sie mit den Bildungsanliegen der Fächer Geschichte und Geographie zu einer Synthese zu führen (Saarbrückener Rahmenvereinbarung). Hier zeigt sich nämlich der grundverschiedene Zugang einerseits der Historie, andererseits der Sozialkunde zur gemeinsamen Aufgabe der politischen Bildung. Die Vorbehalte entsprangen vor allem dem Fachdenken der Historiker. Historie und Geschichtsunterricht betonen nach ihrer Über-lieferung die Außenpolitik, die Sozialkunde ging von der soziologischen Struktur der Gegenwart aus. Die beabsichtigte Synthese erfordert eine Neukonzeption in beiden Disziplinen: Kulturmorphologische, wirtschafts-und sozialgeschichtliche Fragestellungen müssen im Geschichtsunterricht stärker in den Vordergrund treten; die demokratische Denkweise und Gesellschaft muß andererseits als Ergebnis gesellschaftsund ideengeschichtsicher Prozesse bewußt werden. Erst eine solche Neukonzeption kann die Vorbehalte der beteiligten Fächer überwinden.

In letzter Zeit lassen sich die Konturen eines dritten Typs politischer Bildung erkennen, der die beiden bisher im Vordergrund stehenden Bildungsanliegen ergänzen könnte. In diese Richtung weisen Äußerungen von Politikern wie Eugen Gerstenmaier Carlo Schmid und Thomas Dehler alle um die Jahreswende 1964'65, sowie namhafter Publizisten. Dazu kommt der empirische, allerdings nicht unangefochtene Befund von Unter-suchungen, nach denen 80— 90 vH der Gymnasiasten das Nationalbewußtsein, zum Teil vor dem europäischen, abendländischen und christlichen Bewußtsein, als wesentliche Komponente des Politischen betrachten.

Damit kann freilich, nach allem, was ein exzessiver Nationalismus in den letzten Jahrzehnten über Deutschland und Europa verhängt hat, keine Restauration eines solchen Nationalismus gemeint sein, der einen Gegensatz zu den übernationalen Ordnungen heraufbeschwört, um die insbesondere die europäischen Nationen nach 1945 ringen. Es geht vielmehr um die — auch im Amerika Kennedys — versuchte Wiederbelebung des Bewußtseins, daß Freiheit und Demokratie nicht nur durch Kenntnis und Verteidigung der individuellen Rechte dem Staat gegenüber zu erhalten sind, sondern des selbstlosen Einsatzes des einzelnen im Dienst überindividueller Ordnungen — eben der im Staat organisierten demokratischen Gesellschaft — bedürfen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Carlo Schmid, Geist und Politik, Stuttgart 1961.

  2. Andreas Flitner, Die politische Erziehung in Deutschland. Geschichie und Probleme 1750— 1880, Tübingen 1957

  3. Klaus Hornung, Etappen politischer Pädagogik in Deutschland, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 60, Bonn 1962, 2. Auflage 1965.

  4. Gustav Radbruch, Staatsbürgerkunde als Lehrfach, in: Süddeutsche Juristenzeitung, Jg. 3 (1948), S. 425- 430.

  5. Erziehung in Deutschland. Bericht und Vorschläge der Amerikanischen Erziehungskommission, München 1946, S. 30.

  6. Hans Maier, Zur Lage der Politischen Wissenschaft in Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 10. Jg. (1962), S. 225— 249.

  7. Konrad Schön, Der Begriff der politischen Bildung, Ratingen 1964.

  8. Rainer Lepsius, Denkschrift zur Lage der Soziologie und der Politischen Wissenschaft, Wiesbaden 1961.

  9. Dieter Oberndorfer (Hrsg.), Wissenschaftliche Politik. Eine Einführung in Grundfragen ihrer Tradition und Theorie, Freiburg 1962.

  10. Eric Voegelin, Die neue Wissenschaft von der Politik, München 1959.

  11. Arnold Brecht, Politische Theorie. Die Grundlagen politischen Denkens im 20. Jahrhundert, Tübingen 1961.

  12. Carl Joachim Friedrich, Die politische Wissenschaft, Freiburg/München 1961.

  13. Ossip K. Flechtheim, Grundlegung der politischen Wissenschaft, Meisenheim am Glan 1958.

  14. Maier, a. a. O. (Anm. 6), S. 14.

  15. Oberndorfer, a. a. O. (Anm. 9), S. 12 ff.

  16. Oberndorfer, a. a. O. (Anm. 9), S. 58.

  17. Otto Heinrich v. d. Gablentz, Politische Gesittung, Köln und Opladen 1959, S. 15.

  18. Ernst Fraenkel, Die Wissenschaft von der Politik und die Gesellschaft, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 8. Jg. (1963), S. 285.

  19. Dolf Stemberger, Begriff des Politischen, Frankfurt 1961, S. 18, 374.

  20. Sternberger, a. a. O. (Anm. 19), S. 23.

  21. Erwin Stein, Philosophische Grundlagen der politischen Bildung und Erziehung, in: Die pädagogische Provinz, 16. Jg. (1962), S. 51.

  22. Felix Messerschmid, Musik, Musikerziehung und Politische Bildung, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 5. Jg. (1960), S. 155.

  23. Hans Mommsen, Politische Wissenschaft und Geschichtswissenschaft, in: Aus Politik und Zeit-

  24. Arnold Bergstraesser, Grundbegriffe der Politik, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 5. Jg. (1960), S. 111.

  25. Friedrich Oetinger, Partnerschaft. Die Aufgabe der politischen Erziehung, Stuttgart 1953 2, S. 85.

  26. Max Weber, Politik als Beruf, München/Leipzig 1926 2, S. 397.

  27. Theodor Litt, Berufsbildung, Fachbildung, Menschenbildung, Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Lieft 35, Bonn 1960 2, S. 38.

  28. Kurt Sontheimer, Zum Begriff der Macht als Grundkategorie der politischen Wissenschaft, in: Wissenschaftliche Politik, hrsg. v. Dieter Oberndorfer, Freiburg 1962, S. 197— 209.

  29. Sontheimer, a. a. O. (Anm. 28), S. 208.

  30. Oetinger, a. a. O. (Anm. 25).

  31. Otto Monsheimer, Das Denkmodell des „Politisch Gebildeten" und der mündige Staatsbürger, in: Die Deutsche Berufs-und Fachschule, 60. Jg. (1964), S. 481— 492. '‘

  32. Theo Fruhmann, Mündigkeit als Erziehungsziel der Neuen Schule, in: Die Pädagogische Provinz, 2. Jg. (1948), S. 257- 268.

  33. Walter Dirks, Die Erziehung des Kindes zur gesellschaftlichen Mündigkeit, in: Hochland, 49. Jg. (1957), S. 231.

  34. Dirks, a. a. O. (Anni. 33), S. 233.

  35. Arnold Bergstraesser, Die Lehrgehalte der politischen Bildung an den höheren Schulen, in: Möglichkeiten und Grenzen der politischen Bildung in der Höheren Schule, Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Heft 52, Bonn 1960, S. 76.

  36. Hans Tietgens, Falsche Ansätze in der Politischen Bildung, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 5. Jg. (1960), S. 298.

  37. Helmut Schelsky, Die skeptische Generation, Düsseldorf/Köln 1957, S. 450 f.

  38. Hellmut Becker, Bildung und Politik, in: Quantität und Qualität. Grundfragen der Bildungspolitik, Freiburg 1962, S. 108.

  39. Joset Pieper, Grundformen sozialer Spielregeln, Frankfurt/M. 1948 2 (1. Ausl. 1933).

  40. Gemeinschaft und Gesellschaft, 6. /7. Ausl., Berlin 1926.

  41. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 15.

  42. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 20.

  43. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 22.

  44. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 27.

  45. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 30.

  46. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 43.

  47. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 45.

  48. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 47.

  49. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 66.

  50. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 66.

  51. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 67.

  52. Pieper, a. a. O. (Anm. 39), S. 13.

  53. Ferdinand Kopp, Erziehung zum Mitmenschen, Pädagogisches Wissen und Wirken. Eine Schriftenreihe des Cassianeums. Das Werkbuch Nr. 18/19, Donauwörth 1948.

  54. Kopp, a. a. O. (Anm. 53), S. 9.

  55. Kopp, a. a. O. (Anm. 53), S. 23.

  56. s. Anm. 25.

  57. Oetinger, a. a. O. (Anm. 25), S. VII.

  58. Oetinger, a. a. O. (Anm. 25), S. VI f.

  59. Oetinger, a a. O. (Anm. 25), S. 85 f.

  60. Oetinger, a. a. O. (Anm. 25), S. 85.

  61. Oetinger, a. a. O. (Anm. 25), S. 90.

  62. Theodor Litt, Wesen und Aufgabe der politischen Erziehung, in: Politische Selbsterziehung des deutschen Volkes, Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Heft 1. Bonn 1959 5.

  63. Litt, a. a. O. (Anm. 62), S. 70.

  64. Erich Weniger, Politische und mitbürgerliche Erziehung, in: Die Sammlung, 7. Jg. (1952), S. 304— 317.

  65. Heinrich Muth, Wendepunkt der politischen Erziehung? Betrachtungen zu einem Buch von Friedrich Oetinger, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 3. Jg. (1952), S. 267— 283.

  66. Klaus Hornung, Menschlichkeit und Sachlichkeit als Problem der politischen Pädagogik, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 6. Jg. (1961), S. 31.

  67. Hans-Hermann Groothoff, Vom rechten Selbstverständnis des Lehrers als eines politischen Erziehers. Grundsätzliche Überlegungen zum Moment des . Mitbürgerlichen'und . Partnerschaftlichen’ im Prozeß der Erneuerung unserer politischen Erziehung in der Schule, in: Berufspädagogische Beiträge der Berufspädagogischen Zeitschrift, Heft 5, Braunschweig 1957.

  68. Wolfgang Hilligen, Partnerschaft — Leitbild oder Utopie? Zur dritten Auflage von Oetingers „Partnerschaft", in: Freiheit und Verantwortung, 1. Jg. (1956/57), S. 286— 296.

  69. Theodor Wilhelm, Eine Lanze für die Partnerschaft. Bemerkungen zum Streit um die Aufgaben der politischen Volksbildung, in: Die Sammlung, 9. Jg. (1954), S. 225— 236.

  70. Heinrich Weber, über die Aufgabe der politischen Erziehung, in: Die Sammlung, 10. Jg. (1955), S. 312— 317.

  71. Erich Weniger, Zur Frage der staatsbürgerlichen Erziehung, Oldenburg 1951, S. 4.

  72. Weniger, a. a. O. (Anm. 71), S. 15.

  73. Weniger, a. a. O. (Anm. 71), S. 15.

  74. Weniger, a. a. O. (Anm. 71), S. 241.

  75. Weniger, a. a. O. (Anm. 71), S. 26.

  76. Erich Weniger, Politische und mitbürgerliche Erziehung, in: Die Sammlung, 7. Jg. (1952), S. 304— 317.

  77. Weniger, a. a. O. (Anm. 76), S. 308.

  78. Weniger, a. a. O. (Anm. 76), S. 316.

  79. Weniger, a. a. O. (Anm. 76), S. 316.

  80. Michael Freund, Ist eine Wissenschaft von der Politik möglich? in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 3. Jg. (1952), S. 129—-137.

  81. Freund, a. a. O. (Anm. 80), S. 131.

  82. Theodor Litt, Leitsätze zur Begründung eines realistischen höheren Schulwesens, in: Bildung und Erziehung, 5. Jg. (1952), S. 241— 244.

  83. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimat-dienst, Heft 15, Bonn 1959 6.

  84. s. Anm. 62.

  85. Litt, a. a. O. (Anm. 62), S. 50.

  86. Litt, a. a. O. (Anm. 62), S. 51.

  87. Litt, a. a. O. (Anm. 62), S. 52.

  88. Litt, a. a. O. (Anm. 62), S. 57.

  89. Litt, a. a. O. (Anm. 62), S. 83.

  90. Litt, a. a. O. (Anm. 62), S. 81.

  91. Theodor Litt, Die neue Situation der politischen Bildung (Vortrag), in: Die Schulwarte, 15. Jg. (1962), S. 257- 272.

  92. Erich Weniger, Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung, Würzburg 1954.

  93. Weniger, a. a. O. (Anm. 92), S. 11.

  94. Weniger, a a. O. (Anm. 92), S. 15.

  95. Weniger, a. a. O. (Anm. 92), S. 20 f.

  96. Weniger, a. a. O. (Anm. 92), S. 23.

  97. Weniger, a. a. O. (Anm. 92), S. 27 f.

  98. Weniger, a. a. O. (Anm. 92), S. 29.

  99. Eduard Spranger, Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Heft 26, Bonn 1957.

  100. Heinrich Weinstock, Die politische Verantwortung der Erziehung in der demokratischen Massengesellschaft des technischen Zeitalters. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Heft 33, Bonn 1959 2.

  101. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 11.

  102. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 13.

  103. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 14.

  104. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 20.

  105. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 22.

  106. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 32.

  107. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 31.

  108. Spranger, a. a. O. (Anm. 99), S. 40.

  109. s. Anm. 100.

  110. Weinstock, a. a. O. (Anm. 100), S. 9.

  111. Weinstock, a. a. O. (Anm. 100), S. 9.

  112. Weinstock, a. a. O. (Anm. 100), S. 10.

  113. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimat-dienst, Heft 35, Bonn 1960 2.

  114. s. Anm. 83.

  115. Weinstock, a. a O. (Anm. 100), S. 91.

  116. Weinstock, a. a. O. (Anm. 100), S. 94.

  117. Weinstock, a. a. O. (Anm. 100), S. 105.

  118. Alfred Petzelt, Grundsätzliches zum Problem der staatsbürgerlichen Erziehung, in: Vierteljahres-schrift für wissenschaftliche Pädagogik, 31. Jg. (1955).

  119. Petzelt, a. a. O. (Anm. 118), S. 78.

  120. Petzelt, a. a. O. (Anm. 118), S. 78.

  121. Petzelt, a. a. O. (Anm. 118), S. 78.

  122. Petzelt, a. a. O. (Anm. 118), S. 86 f.

  123. Petzelt, a. a. O. (Anm. 118), S. 89 f.

  124. Petzelt, a. a. O. (Anm. 118), S. 94.

  125. Petzelt, a. a. O. (Anm. 118), S. 95.

  126. Erich Weniger, Die Notwendigkeit der politischen Erziehung, in: Erziehung wozu?, Stuttgart 1956, S. 126 f.

  127. G. Binder /G. Frede /K. Kollnig /F. Messerschmid, Politische Bildung und Erziehung, Stuttgart 1953.

  128. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 7.

  129. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 29.

  130. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 40.

  131. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 41.

  132. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 43.

  133. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 44.

  134. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 45.

  135. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 45.

  136. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 45.

  137. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 46.

  138. Binder u. a., a. a. O. (Anm. 127), S. 54.

  139. Thomas Ellwein, Pflegt die deutsche Schule Bürgerbewußtsein? Ein Bericht über die Staatsbürgerliche Erziehung in den höheren Schulen der Bundesrepublik, München 1955.

  140. Ellwein, a. a. O. (Anm. 139), S. 276.

  141. Ellwein, a a. O. (Anm. 139), S. 290.

  142. Eugen Lemberg, Kritische Bemerkungen zur politischen Bildung, in: Die Pädagogische Provinz, 13. Jg. (1959), S. 237— 243.

  143. Lemberg, a. a. O. (Anm. 142), S. 237.

  144. Lemberg, a. a. O. (Anm. 142), S. 238.

  145. Lemberg, a. a. O. (Anm. 142), S. 239 ff.

  146. Karl Friedrich Kindler, Not und Aufgabe der politischen Erziehung, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 5. Jg. (1960), S. 62— 86.

  147. Kindler, a. a. O. (Anm. 146), S. 64— 75.

  148. Kindler, a. a. O. (Anm. 146), S. 77- 86.

  149. Heinrich Newe, Der politische und demokratische Bildungsauftrag der Schule, Kiel 1961.

  150. Newe, a. a. O. (Änm. 149), S. 16.

  151. Newe, a. a. O. (Anm. 149), S. 21— 26.

  152. Newe, a. a. O. (Anm. 149), S. 87 f.

  153. Rudolf Klatt, Gemeinschaftskunde und Geschichte am Gymnasium Ein Beitrag zur Diskussion der Rahmenvereinbarung von Saarbrücken, Sonderheft der Zeitschrift „Gesellschaft — Staat — Erziehung", o. J., S. 2

  154. Klatt, a. a. O. (Anm. 153), S. 3.

  155. Hans-Hermann Hartwich (Hrsg.), Sozialkunde und Sozialwissenschaften. Zur Diskussion um das neue Fach Gemeinschaftskunde, in: Zur Politik und Zeitgeschichte, Heft 14/15, Berlin 1963.

  156. Die Geographie in der Politischen Weltkunde. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 65, Bonn 1965

  157. Klatt, a. a. O. (Anm. 153), S. 14.

  158. Deutscher Ausschuß für das Erziehungsund Bildungswesen, Zur Diskussion des Rahmenplans. Kritik und Antwort, Folge 5, Stuttgart 1960.

  159. Felix Messerschmid, übergreifende geistige Gehalte, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 6. Jg. (1961), S. 50.

  160. Arnold Bergstraesser, Diskussionsbeitrag, in: Gemeinschaftskunde und Politische Bildung, hrsg. v. Heinrich Roth, Göttingen 1963 (2. Sonderheft der Neuen Sammlung), S. 102.

  161. Karl Seidelmann, Das Prinzip des Ubergreifens'in der gymnasialen Bildung, in: Zeitschrift für Pädagogik, 9. Jg. (1963), S. 134.

  162. Seidelmann, a. a. O. (Anm. 161), S. 144.

  163. Waldemar Besson, Zur gegenwärtigen Krise der Geschichtswissenschaft, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 8. Jg. (1963), S. 156— 172.

  164. Hermann Heimpel, Gegenwartsaufgaben der Geschichtswissenschaft, in: Kapitulation vor der Geschichte?, Göttingen 1960 3, S. 46 u. 51.

  165. Besson, a. a. O. (Anm. 163), S. 166.

  166. Besson, a. a. O. (Anm. 163), S. 159.

  167. Besson, a. a. O. (Anm. 163), S. 161.

  168. Erich Weniger, Die Angst vor der politischen Geschichte, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1. Jg. (1950), S. 171.

  169. Erich Weniger u. a., Neue Wege im Geschichtsunterricht, Frankfurt/M. 1949.

  170. Mommsen, a. a. O. (Anm. 23), S. 579.

  171. Helmuth Leichtfuss, Eine Untersuchung über den Stand des zeitgeschichtlichen Unterrichts an hessischen Gymnasien, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 4. Jg. (1959), S. 324— 326.

  172. Friedrich Minssen, Fug und Unfug der Gemeinschaftskunde, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 7. Jg. (1962), S. 131.

  173. Gerhard Ritter, Geschichtsunterricht oder . Gemeinschaftskunde?, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 13. Jg. (1962), S. 281— 294.

  174. Martin Schwind, Kulturlandschaft als objektivierter Geist, in: Deutsche geographische Blätter, 46/1, (1951). Ders., Das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt als geographisches Problem. Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte, in: Veröffentlichungen der Gesellschaft für Internationale Wissenschaftsgeschichte, 1952/2.

  175. Julius Wagner, Sozialkunde und Erdkundeunterricht, in: Geographische Rundschau, 4. Jg. (1952), S. 253— 255.

  176. Robert Geipel, Erdkunde, Sozialgeographie und Sozialkunde. Bildungssoziologie Überlegungen zur Denkschrift des Verbandes der Schulgeographen, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 5. Jg. (1960), S. 176— 180.

  177. Heinrich Newe, Politische Weltkunde als fachlicher und pädagogischer Auftrag, Kiel 1963.

  178. Newe, a, a. O. (Anm. 177), S. 18.

  179. Hermann Giesecke, Didaktik der politischen Bildung, Münschen 1965.

  180. Wolfgang W Mickel, Das Recht im gymnasialen Bildungskanon der Gegenwart, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, 10. Jg. (1965), S. 318— 330.

  181. Eugen Gerstenmaier, Die Deutschen und ihr Nationalgefühl, in: Welt am Sonntag, 27. 12. 1964.

  182. Carlo Schmid, Haben die Deutschen noch ein Nationalgefühl?, in: Welt am Sonntag, 10. 1. 1965.

  183. Thomas Dehler, Das Nationale nach wie vor die bestimmende Kraft, in: Das Parlament, 23. 12. 1964.

  184. Rudolf Raasch, Zeitgeschichte und Nationalbewußtsein. Forschungsergebnisse zu Fragen der politischen und der allgemeinen Erziehung, Neuwied 1964, S. 206.

Weitere Inhalte

Wolfgang W. Mickel, Dr. phil., geb. am 6. April 1929, Studienrat, von 1963— 1965 Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt/M. Veröffentlichungen: Viele Zeitschriftenbeiträge zu methodischen und didaktischen Fragen der politischen Bildung und der politischen Pädagogik (vor allem in „Gesellschaft — Staat — Erziehung", „Die Pädagogische Provinz"); Herausgeber der „Festschrift der Ziehenschule — Gymnasium", Frankfurt 1963; Verfasser eines Lehrbuchs für den politischen Unterricht. Demnächst werden erscheinen: „Politische Bildung an Gymnasien 1945— 1965. Kritik und Dokumentation" und „Methodik des politischen Unterrichts".