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Schicksalsstunden in der politischen Geistesgeschichte des chinesischen Kommunismus 1919-1966 | APuZ 50/1966 | bpb.de

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APuZ 50/1966 Schicksalsstunden in der politischen Geistesgeschichte des chinesischen Kommunismus 1919-1966

Schicksalsstunden in der politischen Geistesgeschichte des chinesischen Kommunismus 1919-1966

Gottfried-Karl Kindermann

III. Vom Experiment mit der freien Kritik zur „proletarischen Kulturrevolution" 1956— 1966

Einleitung I. Die „Neue Kulturbewegung“ von 1919 als Wegbereiterin des Marxismus und Liberalismus in China II. Zum Ursprung des ideologischen Konflikts zwischen Sunyatsenismus und chinesischem Kommunismus 1923— 1927 1. Sun Yat-sen und der Beginn der chinesisch-sowjetischen Zusammenarbeit 2. Die Kontroverse um den Klassenkampf in China 3. Der Kampf um die Führung der nationalen Revolution 4. Das Bündnis mit Moskau: Mittel oder Dogma?

Inhalt dieser Ausgabe Vom Experiment mit der freien Kritik zur „proleta廙A

1. Das Experiment mit den „Hundert Blumen“

1956/57

Nicht wenige derjenigen Kommentatoren, die gegenwärtig den maximalistischen ideologischen Rigorismus der Kommunistischen Partei Chinas kritisieren, haben vergessen, daß die gleiche Partei vor etwa einem Jahrzehnt im Anschluß an den Beginn der Entstalinisierung in Rußland einen Versuch zur Liberalisierung des geistigen Lebens in China unternahm, wie er in dieser Art und diesem Umfang in keinem der kommunistischen Staaten Osteuropas je unternommen worden ist. Vom Fehlschlagen dieses Experiments bis zur Linie der rigorosen ideologischen Härte führt ein unmittelbarer Kausalzusammenhang.

Fragen wir zunächst nach den unmittelbaren Voraussetzungen dieses Experiments der chinesischen Kommunisten mit der explosiven Materie der geistigen Freiheit, insbesondere der Freiheit der Kritik im Jahre 1957:

Wie im ersten Teil dieser Abhandlung bereits dargestellt, waren die chinesischen Kommunisten drei Jahrzehnte zuvor (1927) ganz nahe an die Möglichkeit der Machtergreifung im Lager der chinesischen Revolutionsbewegung herangekommen. Chiang Kai-sheks Staatsstreich vom April 1927 und seine nachfolgenden Feldzüge gegen die zeitweilig wieder-erstarkten Kommunisten hatten 1935 zu Folgen geführt, die Mao Tse-tung in seiner berühmten Schrift „Strategische Fragen des revolutionären Krieges" mit diesen Worten beschrieb: „Das Ergebnis war, daß alle revolutionären Basen außer dem Grenzgebiet Shensi-Kansu verlorengingen, der Bestand der (chinesischen) Roten Armee sich von 300 000 bis auf einige Zehntausend verringerte, die Zahl der Mitglieder der Kommunistischen Partei von 300 000 auf einige Zehntausend zurückging, während die Parteiorganisationen in den

Kuomintang-Gebieten fast restlos zerschlagen wurden. Mit einem Wort ... eine schwere historische Strafe."

Vor der damals gegebenen Möglichkeit der völligen Vernichtung wurden die chinesischen Kommunisten durch den Beginn des Krieges mit Japan gerettet, den die chinesischen Kommunisten in richtiger Einschätzung der daraus entstehenden Folgen gefordert hatten und den Chiang Kai-shek in Voraussicht der gleichen Folgen hatte vermeiden wollen. Dieser China von Japan aufgezwungene Aggressionskrieg wurde acht Jahre lang vielfach mit der „Taktik der verbrannten Erde" auf chinesischem Boden ausgetragen. Er zerstörte in diesem stets am Rande des Hungers existierenden Land die zwischen 1928 und 1937 erzielten Aufbau-resultate der nationalchinesischen Kuomintang-Regierung und schlug in die Strukturen der chinesischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung Breschen des Elends, der Verzweiflung und der Korruption, durch die nach Kriegsende die Legionen Mao Tse-tungs ihren Marsch zur Eroberung Kontinentalchinas antreten konnten. Der Versuch der amerikanischen Nachkriegsdiplomatie, den von Mao Tse-tung empfohlenen Plan einer „demokratischen Koalitionsregierung" zwischen der Kuomintang und den chinesischen Kommunisten zum Zweck der Wiedervereinigung der hier von den Kommunisten und dort von der Kuomintang kontrollierten Gebiete, Streitkräfte und Regierungsorgane zu forcieren, trug unbeabsichtigt manches zum Sieg der chinesischen Kommunisten bei. Weitaus wichtiger aber war noch die Tatsache der ganz eindeutigen Überlegenheit der Kommunisten auf den Gebieten der Propaganda sowie der politischen und militärischen Menschenführung über die in ihrer Regenerationskraft zeitweilig er-schlaffende Kuomintang.

So konnte die chinesische Rote Armee zwi-1948 und 1949 fast ganz China — allerdings mit der bedeutsamen Ausnahme der flächenmäßig etwa Belgien entsprechenden Insel Taiwan (Formosa) — erobern und Mao Tse-tung am Oktober 1949 in Peking die Gründung der Volksrepublik China proklamieren.

Knapp ein Jahr später griffen rotchinesische Armeen in den Krieg in Korea ein, während andere Einheiten der Roten Armee mit der Besetzung Tibets begannen. Der Beschluß der amerikanischen Regierung, von der ursprünglich nach Beginn der Feindseligkeiten in Korea erwogenen Wiedervereinigung beider Teile Koreas abzusehen, verlieh der jungen Volksrepublik China den Nimbus einer neuen Welt-macht und half Mao Tse-tung bei der Verbreitung seiner Ansicht, die Vereinigten Staaten seien nur ein „Papiertiger".

Während des Koreakrieges hatten drastische innerchinesische „Kampagnen" zur Vernichtung eines Teiles der subjektiven und „objektiven" Opposition zum Regime Mao Tse-tungs und zur Einschüchterung aller weiteren wirklichen oder möglichen Opposition in China geführt. Das Auftreten des kommunistischen China bei der Genfer Indochina-Konferenz von 1954 und der afro-asiatischen Konferenz von Bandung 1955 sowie das Anlaufen des ersten Fünfjahrplans und die anfänglich relativ leicht vor sich gehende Kollektivierung der Landwirtschaft hatten das Prestige und das Selbstvertrauen der Regierung Mao Tse-tungs in den Bereichen der Außen-, Innen-und Wirtschaftspolitik wesentlich gehoben. Weite Teile der chinesischen Bevölkerung begannen die Vorteile einer Situation zu schätzen, in der die seit 1916 einander pausenlos ablösenden Bürgerkriege oder auswärtige Konflikte aufgehört hatten, in der das Laster der materiellen Korruption, wenn auch mit Methoden brutalster Gewalt, überwunden zu sein schien und in der China — nicht nur formal — als eigenständige Macht in der Weltpolitik auftreten konnte und aufgehört hatte, Spielball fremder Machtinteressen zu sein. Fünf Monate nach dem XX. Parteitag der KPdSU, der den Beginn der Entstalinisierung in Rußland bedeutete, trat in China der VIII. Parteikongreß der Kommunistischen Partei Chinas zusammen, der die Erfolge der Partei schilderte, zugleich aber auch beachtlich freimütige innerparteiliche Kritik zuließ.

Zurückschauend gewinnt die auf dem VIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas geübte Selbstkritik ebenso wie die Bekanntgabe der sozialen Zusammensetzung der Parteimitgliedschaft (u. a. 69, 1 v. H. Bauern, 14 v. H. Arbeiter, 11, 7 v. H. Intelligenz; 60 v. H.der gesamten Mitgliedschaft war der Partei erst nach deren Machtergreifung beigetreten) besondere Bedeutung im Zusammenhang mit jenen innenpolitischen und ideologischen Entwicklungstendenzen in der Volksrepublik China, die unter dem Schlagwort von der „Hundert-Blumen-Kampagne" zu einem publizistischen Begriff auch der nichtkommunistischen Weltpresse geworden sind. Als unmittelbarer Ausgangspunkt dieser dramatischen Ereignisse, die zum Gegenstand verschiedenartigster Interpretationen wurden, kann die vom Zentral-Komitee der Kommunistischen Partei Chinas vom 14. bis 20. Januar 1956 einberufene Konferenz — über das Problem der Intellektuellen — bezeichnet werden.

In seinem Hauptreferat zum Thema dieser Konferenz 1) wies Premierminister Chou Enlai auf den derzeitig niedrigen Stand der chinesischen Wissenschaft und Technik hin, der es China nicht gestatte, sich die neuesten wis-senschaftlichen Errungenschaften der führenden Industrienationen anzueignen oder sie zum Nutzen Chinas zu verwenden. Ebenso sei die kommunistisch-chinesische Staats-und Wirtschaftsführung unfähig, viele im Rahmen ihrer Aufbaubemühungen entstehenden technischen Fragenkomplexe unabhängig von Sowjetfachleuten zu lösen. Chinas Rückständigkeit beruhe auf der Schwäche seiner theoretischen Wissenschaft und seiner wissenschaftlichen Forschung im allgemeinen.

Auf die machtpolitischen Folgen verweisend, die sich für China angesichts des anbrechenden Atomzeitalters aus seiner wissenschaftlichen Rückständigkeit ergeben müßten, erklärte Chou En-lai: „Gegenwärtig ist Chinas wissenschaftliches und kulturelles Kräftereservoir wesentlich kleiner als das der Sowjetunion und anderer Weltmächte, das Niveau der Intellektuellen ist wesentlich niedriger. Das entspricht nicht den Erfordernissen unseres großen sozialistischen Landes mit seiner Bevölkerung von 600 Millionen Menschen. Nur wenn wir die fortschrittlichste Wissenschaft beherrschen, können wir unsere nationale Verteidigung unüberwindlich und unsere Wirtschaft mächtig machen und modernisieren. Nur so können wir die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, um gemeinsam mit der Sowjetunion und den Volksdemokratien die Macht der Imperialisten zu brechen, sei es im friedlichen Wettbewerb oder auch bei der Abwehr jedes Angriffskrieges" Obwohl China gegenwärtig auf die technische Unterstützung der Sowjetunion angewiesen sei, müsse es seine „unterwürfige Haltung" überwinden, die einen „Mangel an nationalem Selbstvertrauen" bekunde. China dürfe nicht ewig in einem Stadium der Abhängigkeit und Nachahmung verbleiben. Als Ausweg aus dieser Situation empfahl Chou En-lai, auf die in der Intelligenz vorhandenen Kräfte einen „Anreiz" auszuüben und sie wirkungsvoll und auf breiter Basis im Dienste des sozialistischen Aufbaues einzusetzen. Die in der Partei verbreitete Ansicht, daß „Produktion Sache der Arbeiter, die Technik Sache der sowjetischen Fachleute“ sei, müsse ebenso überwunden werden wie die Tendenz, die Intellektuellen zwar auszunützen, ihnen aber nur wenig oder überhaupt nicht zu helfen. Intellektuelle hätten zu Recht geklagt, die Partei kümmere sich um sie nur bei „Versetzungen, bei Nachforschungen über ihre Ver-gangenheit und bei Feststellung begangener Fehler". „Diese Kritik", so heißt es bei Chou, „trifft den Nagel auf den Kopf; sie sollte ein Alarmsignal für uns sein." Den statistischen Angaben des kommunistisch-chinesischen Premierministers zufolge sollen etwa 45 Prozent unter den Intellektuellen mit höherer Schulbildung „fortschrittlich", das heißt aktiv pro-kommunistisch, und weitere 40 Prozent zwar pro-kommunistisch, aber politisch nur „ungenügend fortschrittlich" sein. Zehn Prozent wurden auf Grund ihrer ideologischen Opposition gegen den Sozialismus als „rückständig" und die restlichen fünf Prozent als „Konterrevolutionäre oder sonstige dunkle Kräfte" bezeichnet. Den letztgenannten Gruppen wurde vornehmlich vorgeworfen, in Opposition zur Sowjetunion zu stehen, keine Unterschiede zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei Chinas oder dem chinesischen Volk und den Imperialisten zu sehen, sich keiner Führung unterzuordnen und jegliche Kritik abzulehnen.

Chou En-lai schätzte die Gesamtzahl aller „Intellektuellen mit höherer Bildung" auf nur 100 000. In den sechs Jahren seit 1949 hätten 217 900 Studenten höhere Lehranstalten absolviert. Der Lehrkörper der höheren Lehranstalten umfaßte zur Zeit 42 000 Personen, davon nur 17, 8 Prozent ordentliche oder außerordentliche Professoren. Weiterhin sollte es im Gebiet der Volksrepublik China nur 31 000 Ingenieure aller Rangstufen und insgesamt 63 000 Techniker geben, die höhere Lehranstalten absolviert haben. Wie Chou En-lai erklärte, sei geplant, bis zum Jahre 1962 ein Drittel aller „höheren Intellektuellen" in die Kommunistische Partei aufzunehmen und Chinas wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiete der Verteidigung, Produktion und Erziehung innerhalb von zwölf Jahren auf das Niveau der Sowjetunion und anderer Großmächte zu bringen. Vier Monate nach Chou En-lais Rede und nur zwei Monate nach dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gab Lu Ting-yi (Direktor der Propaganda-Abteilung im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas) in einer Rede vom 26. Mai 1956 die neue Linie in der Kulturpolitik der Kommunistischen Partei Chinas bekannt. Die dafür von Mao Tse-tung auf einer Sitzung der Obersten Staatskonferenz verkündeten berühmten Parolen lauteten: „Laßt viele Blumen blühen" und „laßt viele Gedankenschulen miteinander wetteifern“! Diese Parolen enthalten eine An-B spielung auf das goldene Zeitalter der chinesischen Geistesgeschichte (vornehmlich in der Ära der Chou-und frühen Ch’in-Dynastie), in dem die verschiedensten philosophischen Schulen und Systeme — wie Konfuzianismus, Taoismus und Legalismus — in fruchtbarem Wettstreit miteinander die richtunggebenden Grundlagen der späteren chinesischen Kultur-entwicklung geschaffen hatten Von der Voraussetzung ausgehend, ein militärisch und wirtschaftlich machtvolles und kulturpolitisch einflußreiches China könne nur auf der Basis einer aufblühenden Entwicklung der chinesischen Wissenschaft, Kunst und Literatur geschaffen werden, erklärte Lu Ting-yi in seiner Rede der erhoffte Aufschwung auf diesen Gebieten könne nicht erzielt werden, wenn man nur einer Blume — sei sie auch die schönste — das Blühen gestatte. Folglich suche die Kommunistische Partei Chinas die Freiheit unabhängigen Denkens, der wissenschaftlichen Diskussion, der Kritik und der Beibehaltung eigener Meinung auf den Gebieten von Kunst, Literatur und Wissenschaft zu fördern. Das bedeute jedoch nicht geistige Freiheit im Sinne der „bürgerlichen Demokratie" oder etwa Freiheit für „Konterrevolutionäre", die unterdrückt werden müßten. Obwohl Lu Ting-yi in Vorwegnahme späterer Theorien Mao Tse-tungs auf den Unterschied zwischen dem „Kampf der Ideen im Volk" und dem „Kampf gegen die Konterrevolutionäre" hinwies, unterließ er es, Kriterien für die Feststellung dieser Unterschiede zu nennen. Der Bereich des Geistigen könne durch Regierungsgesetze nicht geregelt werden. Nur auf dem Wege der freien Debatte könne ein echter Sieg der materialistischen Philosophie über den Idealismus errungen werden. Die Partei erstrebe eine ideologische Einheit des Volkes nicht auf der Basis „mechanischen Gehorsams", sondern auf der Grundlage freier Überzeugung. Der Weg zu diesem Ziel führe über eine Auseinandersetzung, in der es von -„Konter — revolutionären" abgesehen — allen denkenden Menschen gestattet sein solle, sich frei entweder zu den Ideen Materialismus oder des des Idealismus zu bekennen

Gleichzeitig mit dem Schlagwort (Losung) vom Wettstreit der „Hundert Blumen" verkündete Mao Tse-tung vor der Obersten Staatskonferenz am 2. Mai 1956 eine zweite Parole, deren Inhalt sich auf das Verhältnis zwischen der Kommunistischen Partei Chinas und den in der Volksrepublik China existierenden nichtkommunistischen Parteien bezog. Sie lautet: „Koexistenz auf lange Sicht und gegenseitige Überwachung!" In der Präambel der kommunistisch-chinesischen Verfassung von 1954 heißt es u. a., das Volk habe „eine breite volksdemokratische Einheitsfront gebildet, die sich aus allen demokratischen Klassen, demokratischen Parteien, Gruppen und Volks-organisationen zusammensetzt und von der Kommunistischen Partei Chinas geführt wird."

Seitdem Mao Tse-tung im Jahre 1935 offiziell die Führung der Kommunistischen Partei Chinas übernommen hatte, gehörte die Forderung nach Errichtung einer solchen Einheitsfront nicht nur zu den wirksamsten politischen Kampfmitteln der Kommunistischen Partei Chinas, sondern bildete gleichzeitig auch einen besonderen „maoistischen" chinesischen Beitrag zum Lehrgebäude des leninistisch-stalinistischen Marxismus

In seinem am 24. April 1945 gehaltenen Bericht „Uber die Koalitionsregierung" erklärte Mao-Tse-tung: „Was also schlagen wir vor? Nachdem die japanischen Angreifer vernichtet sind, wollen wir ein Regierungssystem einführen, das sich auf die überwältigende Mehrheit des chinesischen Volkes, auf die Einheitsfront und auf die Koalition eines demokratischen Bündnisses (der Parteien und Gruppen) stützen kann. Das nennen wir das Neue Demokratische Regierungssystem.. Wir Kommunisten ..

machen niemals ein Hehl aus unserem politischen Programm. Das Ziel unseres Zukunftsund Endprogrammes für China ist, zum Sozialismus und Kommunismus vorzustoßen;... manche Menschen wollen wissen, ob die Kommunisten, wenn sie erst an der Macht sind, die Diktatur des Proletariats und das Einparteiensystem einführen werden wie in Rußland... Die chinesische Geschichte wird das chinesische System schaffen. Es wird ein besonderer Typ, der Typus eines Neuen Demokratischen Staates, aus der Vereinigung verschiedener demokratischer Klassen entstehen, der für uns durchaus notwendig und vernunftgemäß sein wird, sich aber von dem russischen System unterscheidet."

Selbst Chiang Kai-shek hat in einem 1958 erschienenen Buch die Wirksamkeit dieser kommunistischen Taktik der Einheitsfrontbestätigt. Habe sie es doch im Verlaufe des Bürgerkrieges vermocht, entscheidende Kreise der chinesischen Intelligenz und des Bürgertums entweder politisch zu neutralisieren oder aber dem Lager der Kommunisten anzuschließen Die Mehrheit der kleinen, nicht-kommunistischen Parteien kam im Herbst 1949 der Aufforderung der Kommunistischen Partei Chinas nach, sich an der im September des gleichen Jahres in Peking abgehaltenen Politischen Konsultativ-Konferenz des chinesischen Volkes (PKCV) zu beteiligen, wo sie, zusammen mit der Kommunistischen Partei, das „Allgemeine Programm" verkündeten, das bis 1954 gleichsam als provisorische Verfassung der Volksrepublik China fungierte. Zwischen 1949 und der Schaffung einer Verfassung der Volksrepublik China im Jahre 1954 übte die Politische Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes die Funktion eines Parlamentes aus, die im September 1954 von dem neugeschaffenen Nationalen Volkskongreß übernommen wurde. Die Politische Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes blieb jedoch daneben als halboffizielles Organ der „volksdemokratischen Einheitsfront" bestehen. Ein zweites Nationales Komitee der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes, das 559 Mitglieder als Vertreter von 28 Organisationen umfaßte, konstituierte sich im Dezember 1954. Mao Tse-tung wurde zum Ehrenvorsitzenden und Chou En-lai zum Vorsitzenden ernannt. Zu den Vize-Vorsitzenden gehören u. a. Madame Sun Yat-sen, Li Chi-shen, Chang Po-chun, Li Wei-han, Kuo Mo-jo, der (tibetische) Panchen Erdeni und Tung Pi-wu Den Äußerungen der kommunistischen Parteiführer —• insbesondere auf dem VIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas — sowie den Tätigkeitsberichten und Resolutionen der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes zufolge ist der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes und den nicht-kommunistischen Parteien in der Volksrepublik China ein doppelter Funktionsbereich zugewiesen: Innenpolitisch dienen sie der Sammlung, Kontrolle und weltanschaulichen „Umerziehung" jener Teile der nicht-kommunistischen Intelligenz und des Bürgertums in China, dessen Fachkräfte und Spezialkenntnisse der kommunistischen Regierung bei ihrer Aufbauarbeit und Wirtschaftsplanung unentbehrlich sind. Angesichts des von Chou En-lai und Kuo Mojo als akut beschriebenen Mangels an hochqualifizierten wissenschaftlichen und administrativen Fachkräften in einer hochprozentig analphabetischen Bevölkerung ist die kommunistische Staatsführung auf die Mitarbeit dieser Intellektuellen angewiesen, von denen viele ihre wissenschaftliche Ausbildung in den Vereinigten Staaten, Westeuropa oder Japan erhalten haben. Weitere innenpolitische Aufgaben der nicht-kommunistischen Parteien und Gruppen bestehen darin, den entscheidenden Programmpunkten der kommunistischen Regierung ihre moralische Unterstützung angedeihen zu lassen. Auch umschließen die nicht-kommunistischen Gruppen der volksdemokratischen Einheitsfront führende Persönlichkeiten jener nationalen Minderheiten (zum Beispiel der Tibetaner), deren Eingliederung in das politische System der Volksrepublik China gewisse Schwierigkeiten bereitet. Zum außenpolitischen Funktionsbe-reich der nicht-kommunistischen Gruppen gehören die Kontakte mit Religionsgemeinschaf-ten (zum Beispiel Buddhisten und Mohammedanern) und nicht-kommunistischen Parteien anderer Länder sowie die Förderung der Kontakte mit den Millionen im Ausland lebender Chinesen. Besonders bedeutsam ist auch die Aufgabe, Appelle an die nationalchinesische Widerstandsbewegung in Formosa zu richten, um ihre Mitglieder zum Abfall von der Sache Nationalchinas und zum Anschluß an das kommunistische China zu bewegen.

Als Leiter der Abteilung für Einheitsfrontarbeit beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas erläuterte Li Wei-han die grundsätzliche Einstellung der Kommunistischen Partei zur Frage der Einheitsfront mit dem Hinweis, die Einheitsfront sei eine Waffe und eine besondere Form des Klassenkampfes. „Dieses Bündnis vereint unter verschiede-nen historischen Bedingungen alle Klassen, Schichten und Gruppen, mit denen wir für lange Zeit oder nur zeitweilig zusammenarbeiten können." Es sei jedoch bei diesen Gruppen notwendig gewesen, die reaktionäre Politik eines „Mittelweges" oder „dritten Weges" (zwischen Kommunistischer Partei und Kuomintang) ebenso streng zu bekämpfen wie ihre Opposition zur Bodenreform und ihre Illusionen über den von den Vereinigten Staaten propagierten „Demokratischen Individualismus". Die Kommunistische Partei müsse unter den nicht-kommunistischen Gruppen und Parteien der Einheitsfront die „fortschrittlichen Kräfte" entwickeln, um gleichzeitig die „hartnäckigen Elemente" unter ihnen zu spalten und zu isolieren. Durch die „Methode der langfristigen Selbsterziehung und Selbstumerziehung" müsse auch bei diesen Gruppen und Parteien eine „sozialistische Einheitlichkeit bezüglich der Politik und Ideologie" entwikkelt werden. Eine inhaltlich dieser Auffassung völlig entsprechende Resolution der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes war bereits am 7. Februar 1956 bekanntgegeben worden

Am 27. Februar 1957 — etwa fünf Monate nach Ausbruch der Ungarn-Krise — hielt Mao Tse-tung in Gegenwart von 1800 Personen, zu denen auch zahlreiche Führer nicht-kommunistischer Gruppen und Parteien gehörten, seine berühmt gewordene Rede „über die richtige Lösung von Widersprüchen im Volk". In der kommunistisch-chinesischen Presse wurde zunächst lediglich der Titel, nicht aber der Inhalt dieser Rede bekanntgegeben Doch wurden Tonbandaufnahmen der Rede zum Zweck ihrer Diskussion an verschiedene Parteistellen verteilt. In einem wenige Tage später vor der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes gehaltenen Bericht über seine Reise nach Rußland, Ungarn und Polen erklärte Premierminister Chou Enlai, China müsse von den Fehlern der ungarischen Kommunisten lernen

Einen Tag darauf kündigte Lu Ting-yi, der Propapandaleiter der Kommunistischen Partei Chinas, eine „Berichtigungskampagne" innerhalb der Kommunistischen Partei an Unge-achtet einer ermutigenden Resolution der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes vom 20. März 1957 zeigten aber die nicht-kommunistischen Parteien und Gruppen auch weiterhin kaum Neigung, von den neuen Freiheiten des Wetteiferns der „Hundert Blumen" Gebrauch zu machen. Ein Leitartikel des führenden kommunistisch-chinesischen Organs Jen-min Jih-pa März 1957 16) zeigten aber die nicht-kommunistischen Parteien und Gruppen auch weiterhin kaum Neigung, von den neuen Freiheiten des Wetteiferns der „Hundert Blumen" Gebrauch zu machen. Ein Leitartikel des führenden kommunistisch-chinesischen Organs Jen-min Jih-pao vom 10. April erklärte, im Gegensatz zu Meinungen mancher Parteimitglieder sei die Politik der „Hundert Blumen" nicht etwa zu weit getrieben, sondern im Gegenteil zu wenig verwirklicht worden. Ein weiterer Leitartikel der gleichen Zeitung gab drei Tage später einen wesentlichen Teil der Rede Mao Tse-tungs vom 27. Februar 1957 in Form einer Zusammenfassung bekannt 17). Es hieß darin, der Sieg über die Klassenfeinde des Volkes habe zwar frühere Gegensätze im wesentlichen beendet, gleichzeitig aber seien neue Gegensätze „zwischen dem Volk und seinen Führern" sichtbar geworden. Die Partei müsse folglich die Bürokratie und andere Fehler ihres Arbeitsstils radikal bekämpfen. Vier Tage darauf rief ein neuer Leitartikel der Jen-min Jih-pao zur Entfaltung intensiver Kritik auch seitens der nicht-kommunistischen Parteien und Gruppen auf. „Kein Partei-oder Regierungsorgan, kein Mensch — was immer sein Rang, Alter, Verdienst, seine Vergangenheit oder seine Verdienste sein mögen — hat irgendein Recht zur Ablehnung von Kritik." 18) P'eng Chen, ein Mitglied des Politbüros, verlangte in einer Ansprache nicht nur „mehr Kühnheit" der Kritik, sondern ging in einer zweiten Rede vor Abgeordneten nicht-kommunisti-scher Gruppen und Parteien sogar so weit, zu versichern, „es ist falsch, zu glauben — wie allgemein angenommen wird —, daß es sich (bei der , Hundert-Blumen-Politik’) um eine Lockfalle handelt" 19).

Am 27. April erließ die Kommunistische Partei Chinas eine Direktive zur Durchführung einer Berichtigungs-Kampagne in ihren eigenen Reihen und lud nicht-kommunistische Kreise zur Teilnahme daran ein 20). Eine Woche darauf erklärte Li Wei-han: „Die Mei-nung der Mehrheit und nicht einfach die Ansichten von kommunistischen Parteimitgliedern müsse das Universitätsleben bestimmen." Sollten die nicht-kommunistischen Parteien ihre Rolle voll und ganz spielen können, so müßten ihnen „Unabhängigkeit, Freiheit und Gleichheit" zugebilligt werden Am gleichen Tage äußerte der stellvertretende Propagandaleiter der Kommunistischen Partei Chinas ausländischen Korrespondenten gegenüber, die von der Politik der „Hundert Blumen" ausgelösten Demonstrationen, Streiks und ähnliche spontanen Protestaktionen seien völlig legitim und daher positiv zu bewerten, selbst wenn sich gelegentlich einige wenige „Konterrevolutionäre" daran beteiligten Mit solchen Äußerungen erreichte die Liberalisierungskampagne der Kommunistischen Partei Chinas einen Höhepunkt, der das Einsetzen der antikommunistischen Kritik auf breiter Ebene auslöste. Somit hatte es eines ganzen Jahres ermutigender Gesten seitens der Kommunistischen Partei Chinas bedurft, verbunden mit der Zerschlagung des Stalin-Mythos in der Sowjetunion und den Volks-erhebungen in Polen und Ungarn, um im kommunistischen China jene Flutwelle der Kritik auszulösen, die der Politik der „Hundert Blumen" ein rasches und tragisches Ende bereitete.

Eine Analyse der geäußerten Kritik wie auch der Thematik in der Gegenkritik der Kommunistischen Partei Chinas ergibt das Bild einer vornehmlichen Konzentration auf folgende Streitpunkte: Der wesentlichste, auch alle anderen Streitfragen umfassende Ausgangspunkt der Kritik entspringt der Opposition gegen das Machtmonopol der Kommunistischen Partei Chinas auf allen Gebieten des öffentlichen, insbesondere des staatlichen Lebens. In der gemeinsamen Erklärung eines kommunistischen Jugendführers und eines Redakteurs heißt es u. a.: „Die Kommunistische Partei hat 12 Millionen Mitglieder, weniger als 2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sollen die 600 Millionen Chinesen gehorsame Untertanen dieser 2 Prozent der Bevölkerung werden? ... Die absolute Führerschaft der Partei und die Privilegien der Parteimitglieder müssen beseitigt werden!... Die Partei ist der Kaiser, ein erhabener und heiliger Körper. Wer wagt es, ihr Widerstand zu leisten, ihr, die doch in der einen Hand die Bibel des Marxismus-Leninismus und in der anderen Hand das Schwert der Staatsmacht trägt?... Die Partei ersetzt nicht nur die Regierung, sondern auch die Verfassung und den Nationalen Volkskongreß. Alle wichtigen Fragen werden von sechs Personen entschieden: Präsident Mao Tse-tung, Ministerpräsident Chou En-lai und den anderen . .. , deren Rang höher ist als der des Generalsekretärs der Partei. Das Schicksal von 600 Millionen Menschen wird von der Feder dieser sechs Personen diktiert."

In zwei vielbeachteten Reden erklärte Professor Ko P’ei-ch’i vor Dozenten der chinesischen Volksuniversität in Peking, zwischen der Kommunistischen Partei Chinas, die 1949 überall als Wohltäterin begrüßt worden sei, und der Masse des chinesischen Volkes klaffe gegenwärtig eine Kluft, die niemals noch größer gewesen sei. Ko P'ei-ch'i kritisierte den „Ich-bin-der-Staat-Standpunkt" der Partei, deren Mitglieder sich im Volke wie Geheim-polizisten gebärdeten. „Wenn die Partei keine Reformen einleitet und nicht alle Anstrengungen unternimmt, um der Degeneration Einhalt zu gebieten, wird unweigerlich der Tag ihres selbstverschuldeten Endes kommen.... Dann wird niemand sagen können, das Volk habe unpatriotisch gehandelt, denn die Kommunisten dienen nicht mehr dem Volk. Der Untergang der Kommunistischen Partei bedeutet noch lange nicht den Untergang Chinas."

Ch’u An-p’ing, der Chefredakteur der Kuang Ming Jih Pao (Organ der „Einheitsfront demokratischer Parteien und Gruppen"), richtete an Chou En-lai und Mao Tse-tung die Frage, warum die zu Anfang der kommunistischen Regierung bestehende Hinzuziehung nichtkommunistischer Persönlichkeiten zu höchsten Regierungsstellen durch eine Neuregelung abgelöst worden sei, derzufolge nicht ein einziger der zwölf stellvertretenden Ministerpräsidenten ein Parteiloser sei. Ch'u An-p'ing fragte ferner, ob es nicht zu weit gehe, „wenn im ganzen Lande weit und breit jedes Amt, jede Instanz und Unterinstanz von einem Parteimitglied geleitet werden muß, daß nichts, sei es wichtig oder unwichtig, ohne die Zustimmung eines Parteimitgliedes getan werden darf" Professor Lo Lung-chi (damals Minister für Holzindustrie) kritisierte den Mangel an echter Autorität und Initiativmöglichkeiten auf Seiten der Ministerien. Die Pläne auf den Gebieten der verschiedenen Ressorts würden von den acht Ämtern des Staatsrats, der Staatlichen Planungskommission und der Kommission für Nationalen Aufbau ausgearbeitet und den Ministerien ohne vorherige Konsultation zur Durchführung von oben herabgereicht. Verkehrsminister Chang Po-chun (Vorsitzender der Demokratischen Arbeiter-und Bauernpartei) empfahl, die Politische Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes solle zu einem Senat, einer zweiten gesetzgebenden Körperschaft neben dem bestehenden Nationalen Volkskongreß, umgestaltet werden. Ebenso forderte er die Bildung eines „Politischen Planungsrates", in dem auch die nichtkommunistischen Parteien vertreten sein sollten. Die vielfach erhobene Forderung nach scharfer Trennung der Funktionen von Staat und kommunistischer Partei ging Hand in Hand mit Vorschlägen, die darauf abzielten, die Mitgliedschaft und den Einfluß der nicht-kommunistischen Parteien zu erweitern und sie in ihren politischen Rechten mit der Kommunistischen Partei Chinas auf gleichen Fuß zu stellen. Ausgangspunkt aller Staatsmacht sollte nicht die Partei, sondern ein aus freien Wahlen hervorgegangener Nationaler Volkskongreß werden. Von der Opposition wurde dazu weiterhin erklärt, wenn der Wille der Kommunistischen Partei Chinas — so wie die Partei es behaupte — tatsächlich mit dem Willen des Volkes identisch sei, so habe die Partei von freien Wahlen nichts zu fürchten

Immer wieder klang aus den Stimmen der Kritik die Forderung nach Wiedergutmachung an Menschen, die während der Terroraktionen gegen „Konterrevolutionäre" und „volksschädliche Elemente" zu Unrecht verfolgt und bestraft wurden. In einem an Mao Tse-tung gerichteten Brief erklärt Professor Yang Shihchan vom Südchinesischen Zentralinstitut für Wirtschaft und Finanzen: „Nachdem sich die Intellektuellen in ihrer Verbitterung gegenüber der Kuomintang törichterweise der Kommunistischen Partei zugewandt hatten, mußten sie nun, als . Konterrevolutionäre'gebrandmarkt, vom Schauplatz ihres Wirkens abtreten. Nicht nur sie werden mit einem schwarzen Fleck in den Personalpapieren sterben, sondern auch ihre Frauen und Kinder sind geächtet.... Während der Gesellschaftsreform-Kampagne gab es unzählige Intellektuelle, die die geistigen Torturen und Demütigungen im Rahmen der Verfolgungen nicht zu ertragen vermochten und es vorzogen, sich von hohen Gebäuden in die Tiefe zu stürzen, sich zu ertränken, zu vergiften, sich die Kehle durchzuschneiden oder auf sonstige Art in den Tod zu gehen.... Während der Kampagne zur Unterdrückung der Konterrevolutionäre nahmen sich im südchinesischen Lehrerinstitut von sechs Personen fünf das Leben. Die Straßen waren voll jammernder Menschen. .. . Wenn wir erklären, daß Genosse Stalin wegen der grausamen Ermordung der Genossen der geschichtlichen Verdammung nicht entging, dann wird meines Erachtens auch unsere Partei wegen unseres Blutbades unter jenen Intellektuellen verurteilt werden, die sich uns bereits selbst . ausgeliefert'hatten. Das Blutbad unserer Partei unter den Intellektuellen und die von dem Tyrannen Ch'ih Shi-huang vollzogene Massenbestattung von Schriftstellern bei lebendigem Leibe (angeblich 213 v. Chr.) werden in die Geschichte Chinas als zwei untilgbare Schandflecke eingehen. So etwas muß bis ins Innerste erschüttern. Wir aber sind froh und selbstzufrieden und sagen: . Wichtig sind vor allem die Errungenschaften'. Ich frage: Wo sind diese Errungenschaften?"

Zur Wiedergutmachung von Unrecht, das während solcher Säuberungskampagnen begangen wurde, empfahlen Minister Lo Lung-chi und andere prominente Persönlichkeiten aus den Reihen der nicht-kommunistischen Parteien die Bildung eines Untersuchungsausschusses, der sich aus Mitgliedern der Ständigen Ausschüsse im Nationalen Volkskongreß und der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes zusammensetzen sollte. Lo Lung-chi forderte, eine weitere Funktion dieser neuen Körperschaft müsse sein, Menschen vor politischer Vergeltung wegen geübter politischer Kritik zu schützen Hand in Hand mit der Forderung nach politischer Wiedergutmachung und Rehabilitierung ging der Ruf nach der Lockerung jener Einteilung der chinesischen Bevölkerung in Klassen, durch die, nach Ansicht eines Kritikers, „Menschen wie Waren klassifiziert" würden Ernährungsminister Chang Nai-ch’i klagte, daß sich die Klassenpolitik in den Händen mancherkommunistischen Kader in „un-marxistische Metaphysik" verwandele. Der durch Ausbeutung gekennzeichnete Klassencharakter des Bürgertums ende mit dem Aufhören der Ausbeutung. Nach acht Jahren kommunistischer Wirtschaftslenkung und politischer Erziehung sei es unrecht, den Klassencharakter der Menschen zu betonen, ohne dabei an die grundlegendere Gemeinsamkeit des allgemein Menschlichen zu denken

Im Rahmen der Gegenkritik, die später der Selbstbeschuldigung folgte, wurde bekannt, daß Mao Tse-tung und Chou En-lai gegenüber Lo Lung-chi bei einer Unterredung im Herbst 1949 erklärt hatten, die Kommunistische Partei Chinas vertrete das chinesische Proletariat, nicht-kommunistische Parteien dagegen nur das Bürgertum. Lo Lung-chi fragte daraufhin, warum Mao Tse-tung, der von der Universität Peking käme, und Chou En-lai von der Nankai-Universität das Proletariat vertreten könnten, während er — Lo — von der Tsinghua-Universität nur das Bürgertum vertreten dürfe. Lo’s Haltung wurde von seinen kommunistischen Kritikern als „schamlos" bezeichnet

Unter dem Druck der Gegenkritik erklärten zwei führende Journalisten im Juli 1957, ihre Ansicht, „ein guter Mensch müsse nicht notwendigerweise gut und ein schlechter Mensch nicht notwendigerweise immer schlecht bleiben", sei negativ „idealistisch", da er den Unterschied zwischen „fortschrittlichen und rückständigen Massen" bestreite Für die „Abschaffung der von Menschen geschaffenen Klassenfeindschaft''trat auch eine im gleichen Jahre in Südchina entdeckte Untergrundbewegung ein, deren Programm unter anderem die Wiedereinführung der freien Wirtschaft und die Erweiterung ihres „Kwangsi Freiheitskorps" auf eine Stärke von 30 000 Mann vorsah

Ein weiterer Streitpunkt hatte die in Artikel 87 der Verfassung der Volksrepublik China garantierte Pressefreiheit zum Gegenstand. Chang Li-chun, der Herausgeber der Zeitung Chung Kuo Ching Nien Pao, erklärte dazu, die Zeitungen seien so von der Furcht besessen, ihre Artikel könnten bei der Wiedergabe der amtlichen Direktiven in Wort, Überschrift und Ton von der jeweiligen Direktive abweichen, daß die resultierenden Artikel nur mit Grammophonplatten oder Sonderabdrucken der Direktiven verglichen werden könnten

Ch’u An-p’ing, dem Chefredakteuer der Kuang Ming Jih Pao (Organ der nicht-kommunistischen Parteien), wurde im Verlaufe der kommunistischen Gegenkritik zum Vorwurf gemacht, daß er geplant habe, erstens mehr über die nicht-kommunistischen Parteien und ihre Führer, zweitens Nachrichten über den wissenschaftlichen Fortschritt in nicht-kommunistischen Ländern und drittens mehr Berichte über die „sozialistischen Parteien in nationalistischen Ländern" (Asiens) zu veröffentlichen Ebenso verurteilt wurde der Versuch der Herausgeber der Zeitung Shi Shi Shou tse (Geschehen der Gegenwart), sich mit einem gegen die Kontrollmacht des Kulturministeriums wie auch des Verlags für Volksliteratur gerichteten Appell an die öffentliche Meinung zu wenden

Einer der wesentlichsten Konfliktstoffe der „Hundert-Blumen-Affäre" ergab sich aus der weitverbreiteten Auflehnung chinesischer Akademiker sowie anderer Intellektueller und Künstler gegen die ideologische und machtpolitische Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas auf allen Gebieten des geistigen und kulturellen Schaffens. Charakteristisch für die ins Feld geführten Argumente der akademischen Opposition war die Bemerkung von Chen Chun-han, einem Wirtschaftswissenschaftler der Universität Peking. Chen sagte, das gegenwärtig in China praktizierte System wissenschaftlicher Forschung — vornehmlich auf dem Gebiet der Sozial-und Wirtschaftswissenschaften — gleiche einem Wortspiel mit Zitaten. Jeder wissenschaftliche Artikel setze sich zu 50 Prozent aus direkten Zitaten und zu 40 Prozent aus indirekt wiedergegebenen Zitaten zusammen Der Versuch, die Kultur-und Sozialwissenschaften von der dogmatischen Kontrolle der Kommunistischen Partei zu befreien, wurde nach dem Ende der „Hundert-Blumen" -Ära zum wesentlichsten Anklagepunkt der Partei gegen die Urheber solcher Ideen, die beschuldigt wurden, anti-sozialis Prozent aus indirekt wiedergegebenen Zitaten zusammen 37). Der Versuch, die Kultur-und Sozialwissenschaften von der dogmatischen Kontrolle der Kommunistischen Partei zu befreien, wurde nach dem Ende der „Hundert-Blumen" -Ära zum wesentlichsten Anklagepunkt der Partei gegen die Urheber solcher Ideen, die beschuldigt wurden, anti-sozialistische Systeme der Volkswirtschaftslehre nach dem Vorbild britischer und amerikanischer Forschungsstätten an den Universitäten der Volksrepublik China einzuführen. Fei Hsiao-t’ung, einem international bekannten chinesischen Gelehrten und Dekan der sozial-und rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Peking, wurde seine Behauptung vorgeworfen, die Sozialwissenschaften in der sozialistischen Gesellschaft bedürften der Neuschaffung, denn sie hätten vom Marxismus nichts zu erben. Ebenso verurteilt wurde Professor Feis Bewunderung für den unblutigen Weg britischer Sozialreformen 38).

Wie Kuo Mo-jo, der Präsident der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, in einer Rede vom 5. Juli 1957 bekanntgab, hatten Wissenschaftler, die der Demokratischen Liga angehörten, ein Memorandum über das wissenschaftliche System in der Volksrepublik China veröffentlicht. Dieses Memorandum vermittle den Eindruck, die chinesischen Wissenschaftler würden seitens der Regierung und Partei eingeschüchtert und verfolgt. Das Memorandum fordere die Beachtung nicht-kommunistischer Forschungsmethoden auf den Gebieten der Sozialwissenschaften und protestiere gegen die Bevorzugung von Mitgliedern der Kommunistischen Partei und des Sozialistischen Jugendkorps bei der Vergebung von In-und Auslandsstipendien sowie bei der Zulassung zu Universitäten und Hochschulen 39).

In den gegen die nicht-kommunistischen Akademiker gerichteten Vorwürfen des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Chinas, Teng Hsiao-p'ing, spiegeln sich, wenn auch vielleicht in übertriebener Form, die Forderungen der Kritiker: „Die Hauptargumente auf dem Gebiet von Wissenschaft und Kultur sind: Laien können nicht Experten führen; Marxismus ist Dogmatismus. Sozialistische (kommunistische) Länder haben weder Wissenschaft noch Kultur und sind kapitalistischen (nicht-kommunistischen) Ländern unterlegen. Sie verlangen die Wiedereinführung bürgerlicher Soziologie, Nationalökonomie, Geschichte und idealistischer Philosophie. Sie verlangen von der Partei und der Volksregierung sogenannte . Unabhängigkeit’ und . Freiheit’: sogenannte . Pressefreiheit’, , Freiheit der Veröffentlichung’ und . Freiheit für Literatur und Künste’ etc." Teng Hsiao-p’ing bemängelte fernerhin die von nicht-kommunistischen Akademikern den kulturellen und politischen Systemen nicht-kommunistischer Staaten gezollte Bewunderung, die Opposition der chinesischen Kritiker gegen die kommunistisch-chinesische Wirtschafts-und Außenpolitik, die Säuberungsaktionen des kommunistischen Regimes und die Führerschaft der Partei „auf allen Gebieten (insbesondere der Kultur, Erziehung, Wissenschaft und Technik) ..." Auch verlangten diese Kritiker die Beseitigung der kommunistischen Kontrollmacht in den wissenschaftlichen Institutionen, der Presse und des Verlagswesens. Teng zählte die Neigung zu „Individualismus, Liberalismus, Anarchie, Egalitarismus und Nationalismus" zu den ernstesten ideologischen Abweichungen der nicht-kommunistischen Akademiker 40). Li Ping-huan, der Stellvertretende Rektor des Schanghaier Finanz-und Wirtsachftsinstituts, sprach dagegen von der „vierfachen Furcht", die die Schaffensfreiheit der chinesischen Wissenschaftler beenge. Es sei dies „die Furcht, aufs Korn genommen, angezeigt und untersucht zu werden, sowie die Furcht zu sprechen". Die gemeinsame Ursache dieser Furcht sei der Dogmatismus und Bürokratismus der Kommunistischen Partei. Ein Wort der Kritik seitens der Partei genüge, um die Fertigstellung eines bereits im Druck befindlichen Buches zu verhindern Ihren dramatischsten Ausdruck fand die Unzufriedenheit vieler chinesischer Intellektueller mit der kommunistischen Herrschaft in den weitverbreiteten Studentenunruhen des Jahres 1957. Unter der Überschrift „Ungarischer Zwischenfall in Miniatur" berichtete das führende kommunistische Organ Jen-min Jih-pao vom 8. August 1957 von dem Aufstand von etwa tausend College-Studenten in Hanyang, die mit Spruchbändern und Plakaten mit der Aufschrift „Komm zurück, Chiang Kai-shek", „Komm zurück, Kuomintang", „Fort mit Mao Tse-tung" und „Auf nach Formosa" durch die Stadt marschierten. Die Führer des Aufstandes, zu denen Wang Chien-kuo, der Stellvertretende Direktor des College, gehörte, sollen von den politischen Reformprogrammen der Demokratischen Liga beeinflußt gewesen sein. Die streikenden Studenten verlangten das Ende der kommunistischen Parteikontrolle in der Schule und protestierten gegen einen vom Staat erlassenen Numerus Clausus, der es nur einem verschwindend kleinen Bruchteil von Studenten gestattet hätte, ihr Studium an höheren Lehranstalten fortzusetzen. Wie der kommunistische Korrespondent der Jen-min Jih-pao zu berichten wußte, spielten auch solche persönlichen politischen Gründe eine Rolle, wie Rache für den aus politischen Gründen verübten Selbstmord des Vaters eines Studenten oder der Versuch eines Studenten, seine aus politischen Gründen zu Zwangsarbeit verurteilte Mutter aus dem Gefängnis zu befreien. Die Studenten versuchten, ein Arsenal zu erstürmen, drangen in Geschäftsstellen der Kommunistischen Partei ein, die sie zerstörten, versuchten die Radiostation zu besetzen und begaben sich in die umliegenden Dörfer, um für ihre Bewegung zu werben

Sogar auf’der Universität Peking, die in den Studententagen Mao Tse-tungs zur geistigen Geburtsstätte des chinesischen Kommunismus geworden war, hatte der Geist der Opposition Fuß gefaßt. Organisationen wie „Die Hundert-Blumen-Gesellschaft", das „Hundert-Blumen-Tribunal" und das „Freie Tribunal" entwickelte! sich als „demokratische Kämpfer", die sich das Recht auf Redefreiheit selbst gegen den Widerstand der Partei erkämpfen wollten. Diese Studentengruppen, die sich, kommunistischen Angaben zufolge, zu 40 Prozent aus Studenten zusammensetzten, deren Angehörige von Volksgerichtshöfen zum Tode oder zu Freiheitsstrafen verurteilt worden waren, planten ihre Ideen auch außerhalb der Universität zu verbreiten, um die Unterstützung der öffentlichen Meinung für die Freiheit der Presse, der Rede und der Versammlung zu gewinnen. Ihre Publikation „Öffentliche Tribüne" sollte auch an anderen Schulen und Universitäten verbreitet werden Eine Gruppe von Professoren der Tsinghua Universität in Peking schlug vor, die akademischen Posten an der Universität sollten nicht durch parteipolitisch bedingte Ernennung, sondern durch Fakultätswahl besetzt werden

Dem Bericht einer Shanghaier Zeitung zufolge sollen die Wände der Universität Peking während der „Hundert-Blumen-Ära" mit Hunderten von Flugschriften bedeckt gewesen sein, welche die Forderungen und die Kritik der Studenten bekundeten. Der Platz vor der Mensa, so heißt es in dem gleichen Bericht, habe sich in einen „Hyde-Park" verwandelt, in dem Tausende von Studenten den erregten Reden und Debatten folgten In einem College in Chengtu kam es ebenfalls zu Studentenunruhen, die sich gegen die kommunistische Kontrolle der Erziehungsinstitutionen richteten. Auf das Gerücht hin, daß einige Studenten verhaftet worden seien, stürmten Hunderte von Studenten die Polizeistation Auch von der Universität Nanking wurden Unruhen gemeldet, in deren Verlauf Studenten und Professoren gegen die Kommunistische Partei gerichtete Flugschriften verbreiteten. Der Historiker Liu Ching-kun veröffentlichte einen Artikel, in dem es hieß, der elende Zustand der gegenwärtigen Nanking Universität könne nicht mit jenen ruhmreichen Tagen verglichen werden, in denen Chiang Kai-shek noch als Schutzherr der Universität fungiert habe

Die Mehrzahl der opponierenden Akademiker und Studenten berief sich in den Äußerungen ihrer Kritik auf die Ereignisse in Ungarn und Polen. Wiederholt wurde erklärt, Chinas Intellektuelle stünden am Vorabend einer erneuten „Bewegung vom 4. Mai", die im Jahre 1919 zum Ausgangspunkt einer nationalen und geistigen Revolutionsbewegung geworden war und dabei zum Sturz einer korrupten Regierung in Peking geführt hatte. Die „Bewegung vom 4. Mai" symbolisierte seinerzeit den freiheitssuchenden Protest der chinesischen Intellektuellen gegen das Dogmengebäude der damals noch bestehenden traditionellen Kultur-formen. Der Geist dieser Bewegung, in der die Gründer der Kommunistischen Partei Chinas eine bedeutende Rolle gespielt hatten, war nunmehr von Mitgliedern der Opposition als Fanal des Kampfes gegen den Dogmatismus der Kommunistischen Partei Chinas erklärt worden Mao Tse-tung selbst kommentierte in seiner Rede über die Widersprüche im Volk: „In der letzten Zeit hat es ein Nachlassen in der ideologischen und politischen Arbeit der Studenten und Intellektuellen gegeben. ... Es scheint, daß der Marxismus, der einst die große Mode war, jetzt nicht so sehr modern ist."

Das definitive Ende der Liberalisierungspolitik der „Hundert Blumen" und das gleichzeitige Einsetzen einer drastischen Säuberungsaktion, die sich gegen die Kritiker des Regimes richtete, wurde in einem Leitartikel des führenden kommunistisch-chinesischen Organs Jen-min Jih-pao vom 1. Juli 1957 angezeigt. In diesem Leitartikel, der in der öffentlichen Meinung Chinas und auch in anderen Staaten einen gewissen Schock auslöste, hieß es, die Kommunistische Partei Chinas habe aus taktischen Gründen bewußt zwischen Anfang Mai und Anfang Juni 1957 zu den Angriffen und der Kritik der Opposition geschwiegen. In dieser Zeit habe die Partei ihre Kräfte zum Gegen-schlag gesammelt. „Manche Leute", so erklärte die Jen-min Jih-pao, „nennen das Ränke schmieden, wir aber sagen, es war ganz offen. Wir sagten dem Feind im voraus, daß Ungeheuer und Schlangen, um ausgerottet zu werden, erst einmal aus ihrem Versteck herausgebracht werden müssen und daß giftige Pflanzen erst dann ausgejätet werden können, wenn sie sich an der Oberfläche zeigen.... Wie sehr auch die Kommunistische Partei ihre Feinde zuvor gewarnt und ihre grundlegende Strategie offen dargelegt hat, so greifen sie (die Klassenfeinde') dennoch an. ... Warum sind die reaktionären Klassenfeinde in die Falle gegangen, die für sie gelegt war?" Der Inhalt dieses Artikels hat in vielen Analysen der chinesischen Politik dazu Anlaß gegeben, die gesamte „Politik der Hundert Blumen" für eine bewußte, von allem Anfang an geplante taktische Falle der kommunistischen Parteipolitik zu betrachten. Manche Umstände weisen jedoch darauf hin, daß die ursprüngliche Zielsetzung der „Hundert-Blumen-Kampagne" nicht unbedingt den Motiven entsprach, die der genannte Artikel der Jen-min Jih-pao als ex post facto-Erklärung genannt hat.

Der entscheidende Anstoß zu der „Hundert-Blumen-Politik" war durch Mao Tse-tungs Rede vom 27. Februar 1957 „über die richtige Lösung von Widersprüchen im Volke" gegeben worden, deren Inhalt in China zunächst nur durch Tonbandaufnahmen sowie durch eine kurze Zusammenfassung bekannt wurde, die am 13. April 1957 in der Jen-min Jih-pao erschien Die amtliche kommunistisch-chinesische Veröffentlichung der Rede folgte nach Berichtigungen und Zusätzen des Autors am 18. Juni 1957 Mancherlei Anzeichen weisen auf wesentliche Unterschiede zwischen der ursprünglichen Version vom Februar (die die „Hundert-Blumen-Politik" eröffnete) und der Version vom Juni (die diese Politik beendete) hin. Die ursprüngliche Rede soll vier Stunden gewährt haben. Jedoch der im Juni veröffentlichte Text kann in der halben Zeit gesprochen werden Viele kommunistische Kom-mentatoren zur „Hundert-Blumen-Politik" beriefen sich vor dem Erscheinen der Juni-Version auf wesentliche Äußerungen aus der Rede Mao Tse-tungs, doch niemand berief sich auf jene sechs überaus entscheidenden Kriterien, die Mao Tse-tung (in der Juni-Version) als Maßstab dafür nannte, ob eine Kritik als politisch tragbar oder als volksschädlich zu betrachten sei. Auch die aus Warschau durchgesickerten Meldungen über den Inhalt der ersten Version von Mao Tse-tungs Rede weisen darauf hin, daß diese erste Version, die vor der unerwartet heftigen Erhebung der chinesischen Opposition gehalten wurde, wesentlich freimütiger und liberaler formuliert gewesen sei als die Version im Juni, deren unmißverständlich scharfer Wortlaut jeder weiteren Kritik den Boden der Legalität entzog

Der „Hundert-Blumen-Politik" vorausgegangen waren die Zerschlagung des Stalin-Mythos in der Sowjetunion und die Volkserhebungen in Ungarn und Polen. Aus diesen Ereignissen zog Mao Tse-tung in seiner Rede den logischen — wenn auch von den Sowjetführern nicht geteilten — Schluß, daß auch in einem kommunistischen Staat Widersprüche zwischen demVolk und der kommunistischen Staatsführung gegeben sein könnten. Im Gegensatz zu den „antagonistischen Widersprüchen" zwischen Volk und Partei einerseits und ihren Feinden andererseits seien die „Widersprüche im Volke" (zum Beispiel zwischen Volk und Regierung) zumeist „nicht-antagonistisch", doch könnten sie sich bei falscher Behandlung, wie in Ungarn, zu antagonistischen Widersprüchen entwickeln. Zu den Widersprüchen im Volke zählte Mao Tse-tung unter anderem Widersprüche innerhalb und zwischen der (wirtschaftlich relativ bevorzugten) Arbeiterklasse, der (wirtschaftlich relativ benachteiligten) Bauernklasse und der Intelligenz, zwischen den Interessen des Staates einerseits, den kollektiven und den individuellen Interessen andererseits, zwischen Führung und Geführten sowie zwischen staatlicher Produktionsplanung und den Bedürfnissen der Gesellschaft.

Kaum eine Woche nach Mao Tse-tungs Rede erklärte Premierminister Chou En-lai in einem Bericht über seinen soeben beendeten Besuch in Rußland, Polen und Ungarn, die Kommunistische Partei Chinas sei überzeugt, das gesamte sozialistische Lager werde aus den ungarischen Ereignissen wesentliche Lehren ziehen, um die von ungarischen Führern begangenen Fehler zu vermeiden Dieser Versuch, in China auf dem Wege der Liberalisierungspolitik der „Hundert Blumen" einer der Ungarnkrise analog verlaufenden Entwicklung vorzubeugen, erklärt sich unter anderem auch aus der bereits erwähnten, auf dem VIII. Parteitag der chinesischen Kommunisten geäußerten Sorge über eine Entfremdung zwischen Volk und Staatsführung. Somit sollte der Arbeitsstil der Partei unter aktiver Beteiligung nicht-kommunistischer Kritiker von überflüssigem Dogmatismus und inhumanen Machtallüren der Funktionäre gereinigt werden. In der am 27. April 1957 erlassenen diesbezüglichen Parteidirektive heißt es u. a.: „Da die Partei in der Nation eine beherrschende Stellung einnimmt ..., neigen viele Genossen dazu ... sich als privilegiert zu betrachten und greifen sogar im Umgang mit dem Volk zu Mitteln der Gewalt und Unterdrückung" Die Parteidirektive weist die kommunistischen Funktionäre aller Rangstufen an, sich zur Verbesserung ihrer Kontakte mit dem Volk zeitweise an körperlicher Arbeit in industriellen oder landwirtschaftlichen Betrieben zu beteiligen.

Scharfe Äußerungen in der kommunistischen Parteipresse lassen auf eine nicht unbeträchtliche, gegen die Auflockerungspolitik der „Hundert Blumen" gerichtete Opposition innerhalb der Kommunistischen Partei schließen Nach Berichten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung herrschte in diplomatischen Kreisen in Peking die Meinung vor, Mao Tse-tung habe allein gegen den Rat seiner Mitarbeiter die Verwirklichung der Auflockerungspolitik durchgesetzt Eine sorgfältige nationalchinesische Analyse betrachtet nicht nur Mao Tse-tung, sondern auch Chou En-lai (als Vorsitzenden der Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes) sowie die Marschälle Peng Teh-huai, Lin Piao und Chen Yi (den späteren Außenminister) als Führer der „liberalen Gruppe", während der nach Mao zweitmächtigste Parteiführer Liu Shao-ch'i und der Bürgermeister von Peking, Peng Chen, als Anführer des orthodoxen Lagers fungieren Eine Mehrheit der unte-ren und mittleren Parteifunktionäre, die sich dem Trommelfeuer der Kritik ausgesetzt und vom „Verlust des Gesichtes" bedroht sahen, schlossen sich dem orthodoxen Parteiflügel an. Der Versuch, nach Jahren des Terrors den Weg zu einem auflockernden politischen System — wenn auch unter der Führerschaft der Kommunistischen Partei Chinas — zu finden, war an dem unerwartet heftigen Ausbruch der Opposition gescheitert, die die Führungsstellung der Kommunistischen Partei selbst in Frage stellte. Aus der Zerstörung des Stalin-Mythos und Mao-Tse-tungs konsequent folgender Theorie von den Widersprüchen zwischen Volk und Regierung in kommunistischen Staaten zog dann die Opposition den folgerichtigen Schluß, es müßten politische und verfassungsmäßige Garantien gegen die mögliche oder erwiesene Willkürherrschaft einer Partei, eines Führers und einer Ideologie geschaffen werden. War Stalin fehlbar, warum dann nicht auch Mao Tse-tung? Hatte die vierzig Jahre lang in Rußland herrschende Kommunistische Partei schwere Fehler zu verzeichnen, um wieviel eher konnte die erst acht Jahre regierende Kommunistische Partei Chinas fehlgehen!

Aber gerade dieser Ruf der Opposition nach der Legalisierung von Kritik und Opposition, der an den Grundfesten der kommunistischen Machtstruktur rüttelte, wurde der Opposition zum Verhängnis. Erst zu spät, das heißt erst nach dem Ausbruch der heftigsten Kritik, entschloß sich Mao Tse-tung zu jenem Schritt, der — rechtzeitig unternommen — das Ziel einer gemäßigten und — im kommunistischen Sinne — konstruktiven Opposition vielleicht hätte erreichen können. Erst n der Juni-Version seiner Rede über die „Widersprüche im Volke" nannte Mao sechs Kriterien, die als Maßstab für die Unterscheidung zwischen förderlicher und volksschädlicher Kritik anzuwenden seien: Danach gelten Worte und Taten nur dann als förderlich, wenn sie „ 1. helfen, die Menschen unserer verschiedenen Nationalitäten zu einigen und sie nicht spalten;

2. die sozialistische Umgestaltung und den sozialistischen Aufbau fördern und sie nicht schädigen;

3. helfen, die volksdemokratische Diktatur zu konsolidieren und sie nicht unterminieren oder schwächen; 4. helfen, den demokratischen Zentralismus zu konsolidieren und ihn nicht unterminieren oder schwächen;

5. darauf gerichtet sind, die Führung der Kommunistischen Partei zu stärken, nicht sie zu schwächen;

6. die internationale sozialistische Solidarität und die Solidarität der friedliebenden Völker der Welt fördern und nicht schwächen."

Nach Mao sind die wichtigsten dieser Kriterien „der sozialistische Weg und die Führung der Partei". Alle sechs Kriterien seien auch auf Kunst und Wissenschaft anwendbar. „Kann es" — so fragte Mao — „in einem sozialistischen Land wie dem unseren irgend eine nützliche wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit geben, die diesen politischen Kriterien zuwiderläuft?" Dazu kommentierte die Zeitschrift Hsin Kuan Cha in einem dem Problem des unabhängigen Denkens gewidmeten Artikel wörtlich: „Wir müssen lernen, unabhängig zu denken, aber nur unter der Führerschaft der Partei, denn nur so können wir den von Präsident Mao Tse-tung vorgeschriebenen Sechs-Punkte-Maßstab befolgen." Mao forderte, die gleichen Maßstäbe auch auf die Parole von der „Koexistenz auf lange Sicht und gegenseitige Überwachung" zwischen der Kommunistischen Partei Chinas und den nicht-kommunistischen Parteien anzuwenden. Oder, wie Lu Ting-yi schärfer formulierte: „Opposition gegen die Kommunistische Partei Chinas ist Verrat." Zwischen den Gegenpolen des volks-demokratischen Sozialismus und des Kolonialismus bestehe als dritter Weg nur der Kapitalismus eines Chiang Kai-shek, der dem Kolonialimperialismus die Tore öffne Ein Leitartikel der Jen-min Jih-pao erklärte, die Mehrheit des chinesischen Bürgertums und der bürgerlichen Intellektuellen nähme eine schwankende Mittelstellung zwischen Sozialismus und Kapitalismus ein Somit reduzierte sich in der Perspektive der Kommunistischen Partei Chinas der legitime Wirkungskreis der nicht-kommunistischen Parteien auf zwei wesentliche Aufgaben: Erstens auf jede Art von Kritik und Hilfe, deren Ziel und Wirkung eindeutig mit den Interessen und der Förderung der Kommunistischen Partei Chinas vereinbar ist; zweitens aber auf die prokommunistische ideologische Umerziehung der Mitglieder der nicht-kommunistischen Parteien. Wohl in Verbindung mit dem schärferen politischen Kurs der Kommunistischen Partei Chinas verabschiedete der Staatsrat Ende Juli und Anfang August zwei Gesetze über die Einführung einer neuen Art von Zwangsarbeit für „Konterrevolutionäre, antisozialistische Elemente" und „Vagabunden" sowie über die Einführung „politischer Prüfungen" für die Absolventen höherer Schulen und Universitäten vor ihrer Zulassung zu beruflicher Tätigkeit

Am Ende der „Hundert-Blumen-Affäre" stand die Anklage und Verurteilung der Sprecher der Opposition. Die direkte Form der Anklage wurde nicht unmittelbar von der Kommunistischen Partei Chinas, sondern taktisch von pro-kommunistischen Gremien der nicht-kommunistischen Parteien durchgeführt. Nichts von den angeführten Vorschlägen und Forderungen der Opposition wurde anders als im Sinne von Unterlagen für die Anklage verwendet. Der Zorn der Partei richtete sich nicht nur gegen die nicht-kommunistischen Intellektuellen und Parteiführer, sondern auch gegen eine „parteifeindliche Literaturclique", als deren Haupt die international bekannte kommunistische Schriftstellerin Ting Ling genannt wurde, die der individualistischen Auflehnung gegen die Führerschaft der Partei beschuldigt wurde Die meisten der angeklagten Politiker und Intellektuellen sahen sich zu demütigenden öffentlichen Selbstbezichtigungen und Geständnissen veranlaßt, in deren Verlauf sie sich selbst als „schamlose Verräter" bezeichneten, ihren Abscheu vor ihrem bisherigen Leben und ihren Idealen äußerten und Volk und Partei um Strafe und „unverdiente Vergebung" baten

Für die Kommunistische Partei Chinas zeitigte die „Hundert-Blumen-Episode" ein zwiespältiges Ergebnis: Wohl waren einerseits gerade die kühnsten und fähigsten Sprecher der Opposition veranlaßt worden, aus ihrer Reserve herauszutreten, um dann ausgeschaltet zu werden — obwohl eine solche Wendung der Dinge nicht den ursprünglichen Absichten Mao Tse-tungs entsprochen haben mag. Die Opposition hatte die machtpolitische Vorherrschaft der Kommunistischen Partei zwar weltanschaulich in Frage stellen, faktisch aber nicht entscheidend erschüttern können. In diesem Sinne war die Kommunistische Partei aus der „Hundert-Blume-Affäre" als unbestrittene Siegerin hervorgegangen. Die für die Kommunistische Partei Chinas negativen Aspekte der Affäre ergaben sich aus ihrer demonstrativen Liquidierung des nicht-kommunistischen Mitläufer-und Uberläufertums, das in den entscheidenden Phasen des Bürgerkrieges aktiv zum Sieg der Kommunisten beigetragen hatte. Viele der Angeklagten hatten dem nationalchinesischen Regime in dieser Zeit offenen oder versteckten Widerstand geleistet, manche von ihnen waren von der Regierung verhaftet oder bestraft worden. Gerade der kommunistische Schlag gegen Elemente der „dritten Kraft" hatte unter den politisch nicht festgelegten Kreisen der Millionen von Auslandschinesen die stärkste Schockwirkung ausgelöst. Die Angriffe der Opposition hatten das Maß der Entfremdung zwischen Partei und Intelligenz angedeutet und den Hoffnungen und Plänen des nationalchinesischen Regimes auf Formosa einen unfreiwilligen, aber um so nachhaltige-ren Aufschwung vermittelt.

In China selbst hatten die „Hundert Blumen" die Saat schwerwiegender Kritik an der kommunistischen Herrschaft verbreitet. Ungeachtet der auflockernden Einzelaspekte in den neuen dialektischen Thesen Mao Tse-tungs hatte die Kommunistische Partei Chinas jedoch faktisch ihre Entschlossenheit zum Festhalten an zwei Grundprämissen ihrer Politik bewiesen: an der Ablehnung jedes „dritten Weges" im Bereiche der chinesischen Innenpolitik und an der Erhaltung der Vormachtstellung der Kommunistischen Partei, deren Interessen auch weiterhin grundsätzlich als Ausdruck der Interessen des Volkes zu betrachten seien. 2. Die „proletarische Kulturrevolution"

1965/66

War auch die „Hundert-Blumen-Kampagne" als Episode Ende 1957 abgeschlossen, so sind ihre Nachwirkungen doch bis in die unmittelbarste Gegenwart hinein in der chinesischen Politik spürbar geblieben. Das katastrophale Scheitern dieses bisher größten Liberalisierungs-Experiments in der Geschichte des modernen Weltkommunismus bewirkte, daß der Pendelschlag der kommunistischen Parteipolitik in China von dem einen, dem liberalen Extrem der „Hundert-Blumen-Ära", zum entgegengesetzten Extrem einer Politik äußerster Härte überwechselte. Die Erscheinungsform und das primäre Vollzugsorgan dieses Umschwunges bildete die Organisation der Volks-kommune, die ihrerseits in der Geschichte des Weltkommunismus zu den extremsten Formen der militanten Sozialisierung gehörte und die Millionenmassen der bäuerlichen Bevölkerung Chinas in sogenannten sozialistischen Arbeitsarmeen für die Landwirtschaft zusammenfaßte. Angesichts der Einstellung sowjetrussischer Wirtschaftshilfe bei ungeminderten entwicklungs-und machtpolitischen Ambitionen der Regierung Mao Tse-tungs war die Einführung der Volkskommune der verzweifelte Versuch der zum äußersten entschlossenen kommunistischen Parteiführung, das Unmögliche zu verwirklichen und Chinas Industrialisierung als Basis der von ihm geforderten Weltmachtstellung mit allen Mitteln durchzupeitschen. Dieses vielleicht größte Sozialexperiment der modernen Geschichte und sein Scheitern an Naturkatastrophen ebenso wie an Problemen der Sozialpsychologie ist von Jürgen Domes in seiner brillanten Studie „Von der Volkskommune zur Krise in China" dargestellt worden. Diese Analyse soll hier nicht wiederholt werden.

Hingegen scheint die Volkskommunen-Episode ein Problem erneut in den Vordergrund der Aufmerksamkeit der kommunistischen Parteiführung der Generation Mao Tse-tungs gedrängt zu haben, das sie seit der „HundertBlumen-Kampagne" bis zur Gegenwart, einem Alpdruck gleich, immer wieder verfolgt hat. Es ist die Frage nach der Einstellung der chinesischen Jugend zum chinesischen Kommunismus in seiner gegenwärtigen Form. Nachdem, wie oben geschildert, die Studenten im Verlaufe der „Hundert-Blumen-Kampagne" erklärt hatten, diese Bewegung sei eine „neue Vierte-Mai-Bewegung", die sich diesmal nicht gegen den Konfuzianismus, sondern gegen den Kommunismus maoistischer Prägung richte, war der Druck der Kommunistischen Partei, insbesondere auf die akademische Jugend, radikal verschärft worden. Typisch für die von der Parteiführung gefürchtete Mentalität der Jugend im kommunistischen China ist der folgende Brief eines jungen Chinesen, der von der chinesischen Jugendzeitschrift Chung-kuo Ching-nien am 16. September 1960 veröffentlicht und anschließend heftig kritisiert wurde.

Der junge Autor fragt, weshalb denn in der Gegenwart wirtschaftliche Einschränkungen und harte Arbeit noch immer notwendig seien, wo doch erstens die Träger der kommunistischen Revolution jahrzehntelang darum gekämpft hätten, der Jugend eine glücklichere Zukunft zu ermöglichen und wo doch zweitens seit Beginn der kommunistischen Herrschaft eine wirtschaftliche Erfolgsmeldung der anderen gefolgt sei. Er schreibt unter anderem: „Wenn wir jedoch dieses Ringen heute wiederum betonen, werden die Menschen womöglich ihren Glauben an die Zukunft verlieren, und die Sehnsucht des Volkes nach einem wunderschönen Morgen wird geschwächt. Die Menschen könnten sich fragen: Wofür kämpfen wir eigentlich so beharrlich? . . . Das Ziel besteht darin, für gute Ernährung, ordentliche Kleidung, ein bequemes Leben und leichte Arbeit zu sorgen und unseren Lebensstandard zu verbessern. Werden die Menschen nicht vielleicht an der Überlegenheit des Sozialismus zweifeln, wenn wir von ihnen immer wieder mühsamen Kampf fordern? Wenn auch wir für unsere Kinder Schweres durchmachen müssen und wenn jede Generation notwendigerweise für die nächste Generation arbeiten muß, wird die Mühsal nie ein Ende finden. Welche Generation soll sich schließlich des Lebens erfreuen? ... Nehmen wir an, es gebe zwei verschiedene Methoden zum Aufbau des Sozialismus. Bei der einen hätten wir mehr Schwierigkeiten zu überwinden, würden dafür aber den Sozialismus früher erreichen. Die andere Methode dagegen würde weniger Härten, weniger Geld und geringere Anforderungen erfordern, und der Sozialismus wäre ein paar Tage später aufgebaut. Warum sollten wir nicht die zweite Methode wählen? ... Wir erklären oft, der Mensch sei das wertvollste Gut. Wollen wir etwa den Menschen zum Sklaven der Materie machen, wenn wir ständig hart kämpfen sollen? Was ist aber dann das Ziel der Revolution? Worin besteht der Sinn des Lebens?" Eine in anderem Zusammenhang erteilte, aber charakteristische kommunistische Antwort lautet: „Gemessen an dem großen Ziel der Menschheit sind alle individuellen Wünsche nichtig und gar nicht erwähnenswert." Jugoslawische Kommunisten hatten in offensichtlicher Kritik der Härte-maßnahmen der rotchinesischen Entwicklungspolitik die Formel aufgestellt: „Der Sozialismus kann das persönliche Glück des Menschen nicht irgendwelchen . höheren Zielen'unterordnen, weil das höchste Ziel des Sozialismus das persönliche Glück des Menschen ist."

Diese ganz dem Geiste des sunyatsenistischen Sozialismus entsprechende Formulierung wurde von den chinesischen Kommunisten als „bürgerlicher Humanismus" verworfen, da er das nur durch Vernichtung der Klassenfeinde des Proletariats zu erreichende Glück der gesamten Menschheit individuellen Interessen unterordne

Diese Kontroverse berührt eine normative Schlüsselfrage jeder Entwicklungspolitik: nämlich bis zu welchem Grade, auf Grund von wessen Entscheidung und mit welchen Mitteln einer hier und jetzt lebenden Generation größte Opfer im Interesse eines Aufbaus zu-gemutet werden können, dessen Früchte von der arbeitenden Mehrheit des Volkes erst in einer kommenden Generation genossen werden können. In ihren jeweiligen Stellungnahmen zu dieser Frage scheinen die kommunistischen Parteiführer der Generation Mao Tse-tungs und weite Kreise der akademischen Jugend in China bedeutsam voneinander abweichende Haltungen einzunehmen.

Diese Differenzen spiegeln sich in aufsehen-erregenden Äußerungen wider, die Mao Tsetung im Verlaufe seines letzten Interviews mit seinem amerikanischen Biographen Edgar Snow ausgesprochen hat und die in deutscher Sprache in der Illustrierten „Stern" erschienen sind. Es heißt hier unter anderem (Frage Edgar Snows): „Sie haben die Umwelt in China von Grund auf verändert. Viele fragen sich, was die jüngere Generation tun wird, die unter leichteren Bedingungen ausgewachsen ist." „Das kann ich auch nicht wissen", entgegenete Mao. Er bezweifelte, daß irgend jemand das mit Gewißheit voraussagen könne. Es gebe zwei Möglichkeiten. Es könnte sein, daß die Revolution sich weiter zum Kommunismus hin entwickelt. Aber es könnte auch geschehen, daß die Jugend die Revolution verleugnet, Frieden mit dem Imperialismus macht, die überlebenden Anhänger Chiang Kai-sheks auf das Festland zurückgeholt und gemeinsame Sache macht mit den verhältnismäßig wenigen im Lande noch vorhandenen Konterrevolutionären. „Selbstverständlich hoffe ich", sagte Mao, „daß es keine Konterrevolution geben wird; aber die Ereignisse der Zukunft werden von künftigen Generationen entschieden, unter dem Einfluß von Bedingungen, die niemand vorhersehen kann. . .. Die Jugend von heute und die nachfolgenden Generationen werden die Leistungen der Revolution nach irem eigenen Wertmaßstab beurteilen." 71a)

Angesichts solcher, in diesem Fall sehr souverän geäußerter Befürchtungen hatte das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Chinas im August 1964 zu einer neuen Kampagne zur „Erziehung von Millionen Nachfolgern der proletarischen Revolution" aufgerufen Die politische Erziehung der Jugend im Sinne der von der gegenwärtigen Parteiführung festgelegten Linie wurde hier als dringendste Aufgabe der Gegenwart bezeichnet. Im Frühjahr und Frühsommer des Jahres 1966 erreichte diese Kampagne unter der Bezeichnung einer neuen „Proletarischen Kulturrevolution" ihren bisherigen Höhepunkt. Ein ebenfalls aufsehen-erregender Leitartikel der Jen-min Jih-pao vom 5. Juni 1966 behauptete, daß reaktionäre Kreise wiederum in jener berühmten Pekinger Universität Fuß gefaßt hätten, die das Bollwerk der „Vierten-Mai-Bewegung von 1919" und ein Sturmzentrum studentischer Kritik am kommunistischen Regime während der „Hundert-Blumen-Kampagne" gewesen war. Es heißt hier: „Der Kampf an der Pekinger Universität ist ein Kampf zwischen . . . Revolution und Konterrevolution. ... Der Kampf der Bourgeoisie mit dem Proletariat um die junge Generation ist ein wichtiger Bestandteil des Klassenkampfes in der sozialistischen Gesellschaft. Der Kampf ... läuft letzten Endes darauf hinaus, wozu man die Jugend erziehen soll. ... Das ist eine große, entscheidende Frage, von deren Lösung die Perspektiven und die Zukunft unserer Partei und unseres Staates abhängen. ... Die Imperialisten, die von einer .friedlichen Evolution'des neuen, sozialistischen China träumen, setzen große Hoffnungen auf die Jugend. ... Die jetzt in Entfaltung begriffene große proletarische Kultur-revolution hat die im Erziehungswesen Tätigen, die studierende Jugend, die Kulturschaffenden sowie alle anderen Menschen vor die brennende Frage gestellt: Auf welche Seite stehst Du in diesem Kampf auf Leben und Tod zwischen den beiden Klassen? . . . Jeder muß selbst seine Wahl treffen"

Auf die konkrete Frage, was die Urheber solcher und ähnlicher Äußerungen befürchten, geben kürzlich erschienene Leitartikel rotchinesischer Parteiorgane direkte oder indirekte Auskunft. So heißt es in der Tageszeitung der Volksbefreiungsarmee vom 7. Juni 1966 warnend: „Sobald die proletarische Ideologie einmal nachgibt, werden auch der überbau und die wirtschaftliche Basis nachgeben, und das bedeutet Restauration des Kapitalismus." Diese vom Standpunkt der klassischen Marxismus-Theorie nicht unbedenkliche Äußerung wird weiter erläutert durch einen Leitartikel der Jen-min Jih-pao vom 4. Juni 1966. Hier wird die Möglichkeit beschworen, daß der chinesische Kommunismus bei ungenügender Wachsamkeit auch zu einem Chruschtschow-sehen Revisionismus entarten könne. Dabei wird an die Rolle erinnert, die der Petöfi-Club in Ungarn vor der Volkserhebung von 1956 und die Intellektuellen in China im Jahre der „Hundert-Blumen-Kampagne" gespielt ha-ben Die führende theoretische Parteizeitschrift Hung Ch’i (Rote Fahne) Nr. 8, 1966 warnte, daß jeder Umsturz der bestehenden Ordnung zunächst ideologisch auf der Ebene der öffentlichen Meinung vorbereitet werde. Die nur mangelhaft durchgeführte proletarische Kulturrevolution in der Sowjetunion habe es ermöglicht, daß dort, ungeachtet der Errichtung sozialistischer Produktionsverhältnisse, eine quasi-bürgerliche revisionistische Ideologie die öffentliche Meinung beeinflussen und den Sturz der linientreuen kommunistischen Elemente durch die Revisionisten vorbereiten konnte. Die Zeitschrift warnt wörtlich: „Nachdem das Proletariat die politische Macht errungen hat, besteht noch immer die Gefahr, sie wieder zu verlieren." Um solchen Entwicklungen in China vorzubeugen, müsse jetzt eine proletarische Kulturrevolution zur erneuten Festigung der ideologischen Thesen Mao Tse-tungs durchgeführt werden.

Die sehr aufschlußreichen Ausführungen des genannten Aufsatzes führen den Ausgangspunkt der gegenwärtigen Gefahr eines Revisionismus in China auf die Tätigkeit der Träger der „Hundert-Blumen" -Kritik zurück. Die durch Naturkatastrophen und „Sabotage durch die sowjetischen Revisionisten" zwischen 1959 und 1962 in China gegebenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten (der Faktor der Fehlplanung wird hier verschwiegen) hätten die chinesischen Revisionisten wiederum ermutigt. Die chinesischen Revisionisten seien für eine Verminderung der außenpolitischen Spannungen, eine Reduzierung der rotchinesischen Wirtschaftshilfe angesichts der eigenen Notlage sowie für die Vergrößerung des privaten Hoflandes und des freien agrarischen Marktes für die Bauern zum Zweck einer Steigerung des Produktionsanreizes eingetreten. Die chinesischen Revisionisten marschierten unter dem Schlagwort „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". Für sie kennzeichnend sei weiterhin ihre Anerkennung der Ideen des Konfuzius. „Sie benutzten den toten Konfuzius, um eine ganze Reihe ihrer bürgerlichen Ansichten zu publizieren." Sie hätten sich nicht geschämt, gewisse Kaiser, Könige, Generäle und Kanzler, also Gestalten der chinesischen Geschichte, positiv zu bewerten, obwohl dieselben doch Angehörige antiproletarischer Klassen gewesen seien. Sie hätten die Einführung des Erziewungswesens der „sowjetischen Revisionisten" vorgeschlagen und — mehr als das — „freie Meinungsäußerung” und die Möglichkeit zu „rein akademischer Diskussion" gefordert. Sie hätten das mit der These begründet, „angesichts der Wahrheit ist jeder gleich". Die linientreue Antwort des rotchinesischen Parteiorgans lautete:

„Die durch und durch bürgerliche Losung , Vor der Wahrheit sind alle gleich'ist äußerst hypokritisch. Zwischen entgegengesetzten Klassen kann es keine Gleichheit geben. Wahrheit hat Klassencharakter. In der gegenwärtigen Epoche kann nur das Proletariat die objektive Wahrheit erfassen, weil seine Klasseninteressen völlig mit den objektiven Gesetzen übereinstimmen." über die Methoden der Nachfolger der „Hundert-Blumen-Kampagne“ erfährt man Näheres in Ausführungen, die von Yao Wen-yüan erstmals am 10. Mai 1966 in der Schanghaier Zeitung Wen Wei Pao veröffentlicht wurden. Darin wird mit großer Ausführlichkeit dargestellt, wie chinesische Schriftsteller das gegenwärtige Regime Mao Tse-tungs indirekt, aber wirksam dadurch kritisieren, daß sie bestimmte Ereignisse der Vergangenheit literarisch so darstellten, daß sich dem Leser Vergleiche zur Gegenwart aufdrängen müßten, die für das maoistische Regime äußerst negativ wären. Vor allem würde der Mut und die Unerschütterlichkeit oppositioneller Gruppen und Persönlichkeiten gegen tyrannische Vergangenheit Herrschaft verherrlicht. Die aufrechter Männer durch despotische Kaiser würde beklagt und ihre „Rehabilitierung" gelobt. Immer wieder fänden sich bei den chinesischen Revisionisten positive Hinweise auf Persönlichkeiten und Ideen des klassischen Konfuzianismus sowie Anspielungen auf Formen der Entfremdung in der gegenwärtigen chinesischen Gesellschaft durch die Betonung der Ansicht, daß der Mensch nur in seiner Freizeit wirklich frei sei.

Eine besondere Sorge der maoistischen Führungsspitzen der chinesischen Streitkräfte bezieht sich auf die Art der zeitgenössischen chinesischen Kriegsliteratur. So ermahnt die „Zeitung der Befreiungsarmee" vom 18. April 1966 die Militärschriftsteller, sie sollten „revolutionäre Kriege ... schildern, (des) Vorsitzenden Maos Lehre über den Volkskrieg ... propagieren und heroische Charaktere in revolutionären Kriegen ... schaffen. ... Wenn wir die Grausamkeit des Krieges zeigen, dürfen wir die Schrecken des Krieges nicht übertrieben stark ausmalen. Wenn wir die Schwierigkeiten des revolutionären Kampfes zeigen, dürfen wir die Leiden nicht übertreiben, ... wenn wir die Betonung auf den falschen Teil legen, könnte es zur Entstehung einer bürgerlich-pazifistischen Strömung kommen" Dieser Auffassung zufolge liegt der „Realismus" des sozialistischen Realismus nicht in der getreuen Abbildung der Kriegswirklichkeit, sondern vielmehr in seiner realistischen Förderung jener Bewegung, der die Zukunft gehören soll.

In einem vorläufigen Überblick stellt sich die kulturpolitische Kampagne des Jahres 1966 als ein ideologischer und machtpolitischer Präventivkampf dar, der sich vor dem Hintergrund eines möglicherweise baldigen Abtretens Mao Tse-tungs von der politischen Bühne abspielt. Ein bedeutender deutscher China-experte, Harry Hamm, hat dieses gegenwärtige innerparteiliche Ringen als die „in der Geschichte des chinesischen Kommunismus umfassendste und schärfste Säuberungswelle" bezeichnet, die unter dem Namen einer proletarischen Kulturrevolution „lawinenartig" über das Land rolle Dieser Säuberungslawine sind Parteifunktionäre von höchstem Rang in aufsehenerregender Weise zum Opfer gefallen. Darunter: P’eng Chen, der Stellvertretende Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und zugleich Oberbürgermeister von Peking, ferner Lu Ting-yi, der Leiter des Propaganda-und Kulturressorts im Zentralkomitee, ferner die beiden Vize-Kulturminister Chou Yang und Lin Mo-han Selbst Liu Shao-ch’i, der Vorsitzende (bzw. Staatspräsident) der Volksrepublik China und Erste Stellvertretende Vorsitzende im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas, der bisher als wahrscheinlichster Nachfolger Mao Tse-tungs galt, und der Generalsekretär der Partei, Teng Hsiao-p'ing, wurden auf kritischen Plakaten der „Roten Garden" angegriffen. Als treibende Kraft des neuen Kurses gilt der nun stets an erster Stelle nach Mao Tse-tung genannte Verteidigungsminister Marschall Lin Piao, unterstützt von Ministerpräsident Chou En-lai, der bisher mit großem diplomatischen Geschick alle inneren Krisen der Partei erfolgreich zu überstehen wußte.

Der Appell an die „Roten Garden hat der angestauten Dynamik der chinesischen Jugend ein Ventil geöffnet und eine Sturmflut fanatisierter Aktivität entfesselt, wie sie China seit den Tagen des BoxeraufStandes zu Beginn dieses Jahrhunderts nicht mehr erlebt hat. Marschall Lin Piao, der zur Zeit als Mao Tse-tungs vermutlicher Nachfolger gilt, sagte hierzu in einer öffentlichen Rede vom 3. November 1966: „In unserem Land haben die revolutionären Massen der richtigen Linie des Vorsitzenden Maos entsprechend bei der Entwicklung der breiten Demokratie unter der Diktatur des Proletariats neue Erfahrungen gemacht. In dieser breiten Demokratie erlaubt die Partei bedenkenlos den Massen, führende Organe und führende Funktionäre der Partei und des Staates auf jeder Ebene durch freie Meinungsäußerung, Wandzeitungen mit großen Schriftzeichen, große Diskussionen und umfangreichen Austausch revolutionärer Erfahrungen zu kritisieren und zu kontrollieren. Zugleich gewährt sie dem Volk nach den Grundsätzen der Pariser Kommune alle demokratischen Rechte. Ohne eine solche breite Demokratie wäre es unmöglich, eine echte, große proletarische Kulturrevolution einzuleiten, ... die Wurzeln des Revisionismus auszurotten . .. und den Fortschritt unseres Landes auf dem Weg zum Sozialismus und Kommunismus zu sichern." 78a) Der Anprall dieser Massenbewegung hat die Struktur des kommunistischen Parteiapparats in China erzittern lassen. Mit der Forderung nach massivster, direktester und reinster Verwirklichung des Maoismus gewann die Jugend eine Waffe nicht nur gegen die Tradition, sondern gleichzeitig auch gegen den Machtapparat der eigenen Partei. Das Panier der Bewegung ist die Lehre Mao Tse-tungs. Von ihr sagte die Marschall Lin Piao nahestehende Tageszeitung der Befreiungsarmee: „Die Lehre Mao Tse-tungs ist der Höhepunkt des Marxismus-Leninismus der gegenwärtigen Epoche. ... Jeder Satz des Vorsitzenden Mao ist eine Wahrheit und hat mehr Gewicht als 10 000 gewöhnliche Sätze. Wenn das chinesische Volk seine Lehre gemeistert hat, wird China für immer wohlhabend und siegreich sein. ... Vorsitzender Mao ist eine strahlende Sonne in unserem Herzen. Seine Lehre ist unsere Lebens-ader." Eine Lehre solcher Qualität rechtfertigt alles, was man aus ihr herausliest. Wie es jedoch scheint, haben die Roten Garden und die hinter ihnen stehenden politischen Einflüsse verschiedene miteinander konkurrierende Interpretationen bezüglich der richtigen Anwendung des Maoismus im Verlauf der Kulturrevolution gehabt. Aber die Geister, die man zur „direkten Aktion" rief, sind führenden Parteigruppen inzwischen unbequem geworden. Ein Leitartikel des Zentralorgans der Kommunistischen Partei Chinas vom 7. September 1966, der den bezeichnenden Titel „Die Revolution fest in der Hand halten, um die Produktion anzuregen" trägt, beschwört die „revolutionären Schüler und Studenten", sich nicht in Säuberungsaktionen einzuschalten, die ländliche und industrielle Produktionsprozesse betreffen, sie sollten lieber „organisiert aufs Land fahren, um dort an der körperlichen Arbeit teilzunehmen" Doch sind die Roten Garden inzwischen so eigenmächtig geworden, daß sie in Peking, einem Bericht der amtlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI zufolge, unter die Befehlsgewalt der chinesischen Roten Armee gestellt werden mußten

Im Zusammenhang mit der politischen Geistesgeschichte des chinesischen Kommunismus scheint der Kulturrevolution der Roten Garden eine dreifache Bedeutung zuzukommen:

Sie ist ein Glied in der Kette jener politischen Bewegungen, mit denen die jeweils führenden Kräfte des chinesischen Volkes seit hundert Jahren in verschiedenster Weise versucht haben, China den Erfordernissen der modernen Welt anzupassen und dem chinesischen Volk und Staat den ihm gebührenden Platz in dieser Welt zu erkämpfen.

Die Kulturrevolution ist zweitens die Fortsetzung des Kampfes gegen jene beiden Kräfte, die Mao Tse-tung als die weltanschau-liehen Hauptgegner des Kommunismus in China bezeichnet hat. Das ist auf der einen Seite der konfuzianische Traditionalismus, der sowohl von Sun Yat-sen und mehr noch von Chiang Kai-shek gefördert wurde und der auch in der Volksrepublik China heute noch viele Anhänger hat. Vom nationalchinesischen Widerstandsregime in Formosa (Taiwan) sagte einer seiner führenden Diplomaten: „ ... es ist das China des Konfuzius und des Sun Yat-sen. Es ist das China der 5000 Jahre Geschichte und Kultur. Es ist das wirkliche China." Dieses Selbstverständnis der Traditionalisten widerspricht dem Willen des maoistischen Kommunismus zur Schaffung eines neuen Menschen-und Kulturtyps unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas. Auf der anderen Seite soll die Kulturrevolution die von Mao als ebenso schädlich betrachtete Saat westlich-liberaler Einflüsse in China aus-jäten, die während der Kulturellen Erneuerungsbewegung vom 4. Mai 1919 tiefe Wurzeln geschlagen hatte und im tragischen Verlauf der Hundert-Blumen-Affäre von 1956/57 zu einer zweiten Ernte gereift war.

Drittens aber ist die gegenwärtige Kultur-revolution und der Aufruhr der Roten Garden das Symptom des gegenwärtig in ganz China vorherrschenden Gefühls, daß die politische Entwicklung in China unaufhaltsam einer Entscheidungskrise entgegentreibt, in deren Ablauf es am Ende der Ära Mao Tse-tungs gilt, die Weichen für die weitere Entwicklung eines Volkes zu stellen, das ein Viertel der gesamten Erdbevölkerung umfaßt. Diese innerchinesischen Entscheidungen von morgen werden Folgen zeitigen, die nicht nur für China, sondern auch für den weiteren Verlauf der Weltpolitik von richtungweisender Bedeutung sind; Zeittafel 1644— 1912 Herrschaft der sich von den übrigen Bevölkerungsteilen ethnisch segregierenden mandschurischen Ch’ing Dynastie.

1689 Russisch-chinesischer Grenzvertrag von Nerdschinsk. (Erster chinesischer Staatsvertrag mit einer europäischen Macht.)

1839— 1842 Britisch-chinesischer Krieg („Opiumkrieg"), der mit dem Vertrag von Nanking (1842), dem ersten einer folgenden Serie China von fremden Mächten diktierter „ungleicher Verträge", endet. China wird zur Abtretung von Hongkong, zur Zahlung von 21 Millionen Dollar Reparationen, zur Öffnung von fünf Häfen für den britischen Handel und zur Anerkennung der Gleichberechtigung britischer und chinesischer Beamter gezwungen. 1843 In einem Ergänzungsvertrag erhält Großbritannien die später von fast allen anderen am Handel mit China interessierten Mächten diesem abgezwungene „Meistbegünstigungsklausel", deren Auswirkungen Chinas Politik und Wirtschaft schwer belasteten.

1844 Im amerikanisch-chinesischen Vertrag von Wanghia erhalten die USA das später auch von allen anderen Kolonialmächten erworbene Recht der Extraterritorialität (Konsularjurisdiktion für Staatsbürger des eigenen Landes in China). 1844 Frankreich veranlaßt China im Vertrag von Whampoa zur Duldung christlicher Missionen in den Vertragshäfen.

1851— 1864 Blutiger Aufstand der pseudochristlichen Taiping-Sekte, deren Führer Hsiu-ch'üan sich zum „jüngeren Bruder Christi" erklärte. Trotz der Einführung sozialer Reformen unterlag diese anti-konfuzianische Bewegung auf Grund des moralischen Verfalls ihrer Führerschaft. Der Aufstand kostete 15— 20 Millionen Chinesen das Leben.

1856— 1858 Britisch-französischer Krieg gegen China. 1858 Vertrag von Tientsin. Britische Untertanen erhalten das Recht zur freien Bewegung innerhalb Chinas, ebenso britische Handels-und Kriegsschiffe in chinesischen Küsten-und Binnengewässern. China wird zum Austausch diplomatischer Vertretungen veranlaßt und unter britischem Druck zur Genehmigung des Imports von Opium genötigt.

Frankreich erhält ähnliche Rechte in einem gleichzeitig geschlossenen französisch-chinesischen Vertrag. 1858 Unter dem Vorwand russischen Schutzes für China gegenüber den Westmächten gelingt es Rußland, von China die Abtretung des Trans-Amur-Gebiets und andere Rechte zu erhalten (Vertrag von Aigun). 1860 Ausbruch erneuter Feindseligkeiten zwischen den anglo-französischen und chinesischen Streitkräften. Einmarsch der westlichen Streitkräfte in Peking. Flucht des chinesischen Kaisers nach Jehol. Als Akt der Vergeltung zerstören die Engländer den wegen seiner Architektur berühmten Sommerpalast des Kaisers.

Die Verträge von Peking bestätigen Chinas Anerkennung der Verträge von Tientsin (1858) und bestimmen zusätzlich die Abtretung Kowloons an Großbritannien sowie das Recht zum Grundstückerwerb für französische Missionare in China.

1860 Rußland fordert und erhält von China auch die Abtretung des Trans-Ussuri-Gebiets im russisch-chinesischen Vertrag von Peking. 1862— 1874 In der sogenannten T'ung-Chi-Ära versuchen chinesische Staatsmänner, eine Erstarkung Chinas durch die Modernisierung seiner Streitkräfte und seines Rüstungswesens sowie durch administrative, sozial-und kulturpolitische Reformen zu bewirken. Gründung von Industrieanlagen, Arsenalen, Werften, Dolmetscherinstituten und einer Dampfschiffahrtsgesellschaft. 1884 Chinas Widerstand gegen die Kolonialexpansion Frankreichs in Annam (Indochina) führt zu neuerlichem französisch-chinesischem Krieg, in dessen Verlauf französische Seestreitkräfte Formosa und chinesische Küstenstädte bombardieren und blockieren.

1885 Im Friedensvertrag von Tientsin verzichtet China zugunsten Frankreichs auf seine Oberhoheit über Annam und wird zu Reparationen in Höhe von 80 Millionen Francs und zu Korrekturen an der chinesisch-vietnamesischen Grenze genötigt.

1894 -1895 Chinesisch-japanischer Krieg um Korea. Nach seiner Niederlage muß China im Friedensvertrag von Shimonoseki die völlige Unabhängigkeit Koreas anerkennen und Formosa sowie die Pescadoren-Inseln an Japan abtreten.

1897 Die deutsche Regierung nimmt die Ermordung von zwei deutschen Missionaren zum Anlaß, um das Kiautschau-Gebiet in der chinesischen Provinz Schantung militärisch zu besetzen.

1898 Deutschland veranlaßt China zur Verpachtung des Kiautschau-Gebiets mit dem Hafen Tsingtau. Kurz darauf erhält Rußland von China die Festung Port Arthur und den Hafen Dairen auf der Liaotung Halbinsel ebenfalls als Pachtgebiet.

1898 Gestützt auf den Rat des chinesischen Gelehrten und Staatsmannes K'ang Yu-wei beginnt der chinesische Kaiser Kuang-hsü seine Reformpolitik („Reform der Hundert Tage"), die China analog dem erfolgreichen Vorbild Japans durch Reformen von oben auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens modernisieren will. Konservative Kreise — an ihrer Spitze die mächtige Kaiserinwitwe Tz'u-hsi — unterdrücken die Bewegung und entmachten den Kaiser.

1899 Anwachsen der fremdenfeindlichen Stimmung in China. Gründung der fremden-feindlichen Boxer-Gesellschaft (I-ho-ch’üan).

1899 Die Regierung der Vereinigten Staaten wirbt für die Politik der „Offenen Tür", die eine Aufteilung Chinas in Einflußsphären fremder Mächte verhindern und die Gleichheit der Handelsmöglichkeiten für alle Staaten in allen Teilen Chinas aufrechterhalten will.

1900 Der Boxer-Aufstand versucht das Problem der fremden Einflüsse in China mit Mitteln der Gewalt zu lösen. Gewaltsame Ausschreitungen gegen Ausländer und chinesische Christen. Ermordung des deutschen Gesandten von Ketteier; Belagerung des Gesandtschaftsviertels in Peking; Eingreifen der kaiserlichen Regierung zugunsten der Boxer; gemeinsame militärische Strafexpedition der Kolonialmächte gegen China.

1901 Unterzeichnung der sogenannten Boxer-Protokolle, in denen China zu Reparationszahlungen in Höhe von 450 Millionen Taels sowie zur Duldung weiterer fremder Kontrollen gezwungen wird.

1904 1905 Russisch-japanischer Krieg. Nach seiner Niederlage tritt Rußland seine Positionen in der südlichen Mandschurei an Japan ab.

1905 Gründung des „Chinesischen Revolutionsbundes" in Tokio unter Vorsitz von Dr. Sun Yat-sen. Der Revolutionsbund plant die mandschurische Ch’ing-Dynastie zu stürzen, das monarchische Herrschaftssystem durch ein demokratisch-republikanisches zu ersetzen, die Gleichheit aller ethnischen Gruppen des chinesischen Reiches zu erwirken (Ende der Mandschu-Hegemonie) und umfassende Sozial-und Wirtschaftsreformen (insbesondere Landreformen) durchzuführen. 1911 1912 Ausbruch und Sieg der chinesischen Revolution. Proklamation der Republik China durch Sun Yat-sen. Abdankung der Mandschu-Dynastie. Um weitere innere Konflikte zu vermeiden, tritt Sun Yat-sen das Amt des Staatspräsidenten dem einflußreichen Staatsmann und Marschall Yüan Shi-k'ai ab. 1913 Yüan Shi-k'ai unterdrückt die parlamentarische Opposition und macht sich zum faktischen Diktator Chinas. Sun Yat-sen und andere revolutionäre Führer fliehen ins Ausland.

1915 Japan benützt die Ablenkung der europäischen Großmächte durch den ersten Weltkrieg, um China 21 Forderungen vorzulegen, deren Annahme China zu einem Satelliten Japans reduziert hätte.

1919 China verweigert die Unterzeichnung des FriedensVertrages von Versailles, da die Übernahme vormals deutscher Rechte in China durch Japan vorgesehen ist.

Die „Bewegung vom 4. Mai 1919" drückt den nationalen Protest Chinas gegen die Verweigerung der nationalen Selbstbestimmung aus. Der linke Flügel der Bewegung erstrebt die Ausschaltung der konfuzianischen Kulturtradition und totale Verwestlichung. Der rechte Flügel sucht eine kritische Neubewertung des chinesischen Kulturerbes. Beide Flügel befürworten eine volksnahe Schriftsprache und eine Hochwertung der chinesischen Volkskultur.

1916— 1928 Nach dem Tode Yüan Shih-k'ais erfolgt ein Zerfall der zentralen Staatsgewalt.

Nahezu pausenlose Bürgerkriege von Militärgouverneuren einzelner Provinzen oder Provinzgruppen gegeneinander.

1921 Erster Kongreß der Kommunistischen Partei Chinas in Schanghai.

1922 Erste intensivere Kontakte zwischen Sun Yat-sen und Vertretern der Kommunistischen Internationale.

1923 Flottendemonstration mehrerer Kolonialmächte gegen Sun Yat-sens Regime in Südchina wegen eines Zollkonflikts. Das sogenannte Sun-Joffe-Abkommen sag, Sowjetrußlands Hilfe für Sun Yat-sens revolutionäre Bewegung zu und erklärt gleichzeitig, der Kommunismus sei für China ungeeignet.

1923— 1924 Chiang Kai-shek hält sich als Sondergesandter Sun Yat-sens zu einem längeren Besuch in Rußland auf, um die politischen und militärischen Institutionen Sowjetrußlands zu studieren.

1924 Der erste Nationalkongreß der Kuomintang (Nationalchinesische Volkspartei)

formalisiert das Bündnis mit Moskau. Die Kommunistische Partei Chinas wird zwar nicht als Koalitionspartner, jedoch als Mitläufer-Organisation der national-revolutionären Bewegung Sun Yat-sens zugelassen. Prominente Kommunisten erhalten einige Führungsstellen in der nationalrevolutionären Regierung, deren Machtbereich zunächst nur auf die südchinesische Provinz Kwangtung begrenzt ist. Sowietrussische Berater — an ihrer Spitze der vormalige Chefberater Kemal Atatürks, Borodin, — helfen bei der politischen und militärischen Reorganisierung der nationalrevolutionären Bewegung. Sowjetrußland schließt mit der Sun Yatsen-feinlichen Regierung in Peking einen Vertrag, in dem Moskau auf vormalige Rechte des zaristischen Rußland verzichtet und China als gleichberechtigten Vertragspartner anerkennt, sich jedoch die führende Kontrolle über die trans-

mandschurische chinesische Ostbahn ebenso wie die vorläufige militärische Besetzung der Äußeren Mongolei vorbehält.

1925 Tod Sun Yat-sens.

1925— 1926 Nach dem Tod Sun Yat-sens Nachfolgekrise in der Führung der Kuomintang.

Sprunghaftes Ansteigen des kommunistischen Einflusses sowie des Einflusses der sowjetischen Berater in der nationalrevolutionären Bewegung.

1926 Erster Staatsstreich Chiang Kai-sheks stellt die Führung der Kuomintang im Lager der nationalrevolutionären Bewegung wieder her. Begrenzung des Einflusses der chinesischen Kommunisten und sowjetischen Berater. Beginn des „Nordfeldzuges"

der Revolutionsarmeen unter dem Oberbefehl Chiang Kai-sheks. Eroberung Süd-

chinas. Verlegung des Regierungssitzes der Nationalrevolutionären Bewegung nach Hankau.

1927 Alamiert durch das neuerliche Anwachsen des kommunistischen Einflusses bieten die USA und Großbritannien China die Aufgabe quasi-kolonialer Vorrechte an. Bildung einer bewaffneten Kommune in Schanghai und einer Koalition zwischen Links-Kuomintang und chinesischen Kommunisten in Hankau, die Chiang Kai-

shek aller politischen Ämter entkleidet. Entgegen der Annahme der Moskauer Prawda von einer baldigen Machtergreifung der chinesischen Kommunisten im Lager der Nationalrevolutionäre erfolgt Chiang Kai-sheks Staatsstreich vom April 1927, der die Schanghaier Kommune überwältigt und in Nanking eine nationale Regierung ohne Beteiligung der Kommunisten gründet. Im Juni/Juli werden die Kommunisten auch vom linken Flügel der Kuomintang unterdrückt.

Der von Mao Tse-tung geleitete Herbsternte-Aufstand in Hunan und die Erhebung einer Kommune in Kanton schlagen fehl. Am Jahresende Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Sowjetrußland.

1928 Eroberung Pekings durch die nationalchinesischen Streitkräfte. Anerkennung der neuen Nationalregierung der Kuomintang durch die meisten Großmächte. Wiederherstellung der chinesischen Zollhoheit.

1929 Bewaffneter sowjetisch-chinesischer Zusammenstoß an der Chinesischen Ost-bahn, deren Nationalisierung von der chinesischen Provinzregierung in der Mandschurei vergeblich versucht wird.

1931 Nach vorherigen Experimenten mit der Bildung lokaler Sowjetregionen proklamiert der Erste Gesamtchinesische Sowjetkongreß in der Provinz Kiangsi eine Räterepublik, zu deren Vorsitzenden Mao Tse-tung gewählt wird.

1931/32 Bewaffnete japanische Invasion der Mandschurei; japanisch-chinesische Kämpfe bei Schanghai; Gründung des japanischen Satellitenstaates Mandschukuo in den mandschurischen Nordostprovinzen Chinas.

1934/35 Im Verlauf des fünften Feldzuges der chinesischen Nationalregierung gegen die chinesischen Kommunisten wird deren Räterepublik in Kiangsi erobert. Die Kommunisten fliehen und werden auf dem Tausende von Kilometer sich hinziehenden „Langen Marsch" verfolgt und weiter aufgerieben. Mao Tse-tung wird zum Vorsitzenden des Zentralkomitees der K. P. Chinas gewählt. Mit kaum 30 000 Mann erreichen die chinesischen Kommunisten die nordwestchinesische Provinz Shensi, wo sie ein Rätegebiet mit der Hauptstadt Yenan errichten.

1937 Mit dem Angriffskrieg Japans gegen China endet die Vorkriegs-Ära der Kuomintang-Herrschaft in China. Trotz einer Reihe von Reformen und Erfolgen auf dem Gebiet des Finanz-und Verkehrswesens, der auswärtigen Politik und des Erziehungswesens gelingt es der Jahr für Jahr von aufständischen Militär-gouverneuren der Provinzen, von den Kommunisten und den Japanern politisch und militärisch bedrängten Nationalregierung nicht, wirksam zu regieren oder die wichtigsten ihrer Sozialreformen zu verwirklichen.

1937— 1945 Acht Jahre lang verteidigte sich China, weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten und vielfach mit der Taktik der verbrannten Erde gegen Japan. Trotz der bei Kriegsbeginn geschlossenen Burgfriedens zwischen der Nationalregierung und den Kommunisten kommt es zu starken Spannungen und selbst zu gelegentlichen Kampfhandlungen zwischen beiden Seiten während des Krieges, in dessen Verlauf die Kommunisten immer stärker werden.

1945 Auf der Konferenz von Jalta einigen sich Roosevelt, Stalin und Churchill ohne Wissen ihres chinesischen Verbündeten, daß Rußland für seinen Kriegseintritt gegen Japan mit der Rückgabe vormals zaristischer Stützpunkte und Rechte in China sowie mit der Zusage der permanenten Abtrennung der Äußeren Mongolei von China entschädigt werden soll.

Die nationalchinesische Regierung schließt in diesem Sinne Chinas letzten ungleichen Vertrag mit dem stalinistischen Rußland. Sowjetische Armeen marschieren in Chinas mandschurischen Provinzen ein; sechs Tage darauf kapituliert Japan. 1946— 1947 Die USA sagen China umfassende Aufbauhilfe zu, jedoch nur, wenn es gelingt, den erneut drohenden Bürgerkrieg zwischen der Nationalchinesischen Volkspartei (Kuomintang) und der Kommunistischen Partei Chinas durch die Bildung einer „demokratischen Koalitionsregierung" beider Parteien unter dem Vorsitz Chiang Kai-sheks zu verhindern. Monatelange Verhandlungen über die Modalitäten der Wiedervereinigung zwischen den von den Nationalisten und den Kommunisten kontrollierten Gebieten sowie über die Bildung einer „gesamtchinesischen Regierung", „gesamtchinesischer Streitkräfte" etc.

1947 Nach dem Scheitern der Wiedervereinigungsverhandlungen stellen die USA ihre Vermittlungsversuche ein, entwerfen jedoch keine neue Chinapolitik. 1947— 1949 Erneuter Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten. Wachsende Inflation, Korruption und Demoralisierung auf der Seite der nationalchinesischen Zentralregierung. Schrittweise militärische Eroberung Chinas durch die auf den Gebieten der politischen und militärischen Menschenführung taktisch überlegenen Kommunisten. Proklamation der Volksrepublik China durch Mao Tse-tung; Rückzug Chiang Kai-sheks sowie der Reste der nationalchinesischen Armee und Regierung nach Formosa (chinesisch: Taiwan). Militärische Preis-gabe Formosas durch die USA.

1950 Abschluß eines Freundschaftsund Bündnisvertrages zwischen China und der Sowjetunion. Die Volksrepublik China greift in den Koreakrieg ein, als amerikanische Streitkräfte ungeachtet der Pekinger Warnung den 38. Breitengrad überschreiten. Besetzung Tibets durch kommunistische Streitkräfte, nachdem Indien den Versuch Tibets, als unabhängiger Staat anerkannt zu werden, im Interesse der künftigen indisch-chinesischen Freundschaft verhindert hat. 1950— 1954 Die Kommunistische Partei Chinas führt drastische und erfolgreiche Säuberungsaktionen zur Vernichtung und Einschüchterung ihrer offenen und „objektiven“

Gegner sowie zur Ausrottung der Korruption und zur Verbesserung der Hygiene durch. Waffenstillstand in Korea nach zweijährigen amerikanisch-chinesischen Verhandlungen (1953) sowie zu Beginn des gleichen Jahres Verkündung des ersten Fünfjahrplanes.

1954 Mehrere sowjetisch-chinesische Abkommen erhöhen die sowjetische Wirtschaftshilfe für China, lösen gemischte sowjetisch-chinesische Aktiengesellschaften zugunsten Chinas auf und verfügen die sowjetische Räumung von Port Arthur.

Weiterhin wird der Bau einer trans-mongolischen und einer trans-turkestanischen Eisenbahnverbindung zwischen Rußland und China beschlossen und begonnen.

1954 Abschluß eines amerikanisch-nationalchinesischen Bündnisvertrages, durch den das nationalchinesische Widerstandsregime auf Formosa direkter Bündnispartner der USA wird, sich jedoch verpflichten muß, keine Offensivoperationen gegen das kommunistische China ohne amerikanische Zustimmung zu unternehmen. 1955 Die Nationalchinesen räumen mit amerikanischer Transporthilfe unhaltbare Inselstützpunkte in der Straße von Formosa, behalten jedoch die militärisch verstärkten, dem chinesischen Festland unmittelbar vorgelagerten Inselgruppen Quemoy und Matsu. Beginn der bis zum Ende des Berichtszeitraumes (1966) fortgesetzten geheimen Botschaftergespräche zwischen den USA und der Volksrepublik China zunächst in Bern, später in Warschau.

1956 Beschleunigung der 1953 etappenweise beginnenden Sozialisierung der chinesischen Landwirtschaft.

1956— 1957 Während der osteuropäischen Krise nach dem XX. Parteitag der KPdSU wird Moskau von Peking unterstützt, das allerdings seinen Anspruch auf ein erweitertes Mitspracherecht in Fragen des Weltkommunismus erkennen läßt. Das chinesische „Hundert-Blumen" -Experiment mit der Gewährung völlig freier Kritik an Staat und Partei für chinesische Intellektuelle führt zwischen März und Juni 1957 zu zahlreichen Forderungen nach geistiger und politischer Freiheit, nach Beendigung des kommunistischen Machtmonopols und zu schweren Anschuldigungen gegen die Kommunistische Partei Chinas. Diese beendet die „Hundert-Blumen-Affäre", indem sie behauptet, es habe sich um eine geplante taktische Falle für Gegner des Regimes gehandelt. Beginn drastischer Säuberungsaktionen gegen „Rechtsabweichler". 1958 Militarisierung des Arbeitseinsatzes der ländlichen Bevölkerung in China durch Einführung der Volkskommunen, die durch intensive Kollektivierung der tagtäglichen Lebensführung ihrer Mitglieder einer gesteigerten sozialistischen Umerziehung dienen sollen und als organisatorische Vorstufe des Überganges zum Kommunismus bezeichnet werden. Auf Grund sowjetischer Kritik wird der letztgenannte Anspruch bei Jahresende zurückgenommen. Wochenlange schwere Beschießung der nationalchinesischen Quemoy-Inseln durch rotchinesische Küstenbatterien wird ohne Erfolg wieder eingestellt.

1959 Moskau kündigt einen 1957 geschlossenen Vertrag zur chinesisch-sowjetischen Zusammenarbeit und weigert sich, Peking das Baumuster einer Atombombe auszuhändigen, da Peking die diesbezüglichen sowjetischen Kontrollmaßnahmen ablehnt. Chruschtschow besucht Eisenhower in den USA und auf dem Rückweg Peking, wo er den chinesischen Führern rät, von einer militärischen Eroberung Formosas abzusehen.

Bewaffnete Volkserhebung in Tibet. Flucht des Dalai Lama nach Indien.

1960 Scharfe Intensivierung des sowjetisch-chinesischen Konflikts. Sowjetische Kritik an der chinesischen Haltung gegenüber Indien und an den chinesischen Bedenken gegen die Politik der friedlichen Koexistenz. Abzug der sowjetischen Techniker aus China. Bewaffnete sowjetisch-chinesische Zusammenstöße im Grenzgebiet von Sinkiang. Moskauer Konferenz von 81 kommunistischen Parteien veröffentlicht eine gemeinsame Kompromißerklärung.

1960 1962 Zusammenbruch des geplanten wirtschaftlichen „Sprunges nach vorn“ in China, der mit Naturkatastrophen, Mißernten, der Einstellung sowjetischer Hilfe und statistischer Fehlplanung erklärt wird. Umorientierung der Produktionspläne.

Umfassende chinesische Getreidekäufe im „westlichen" Ausland. Zehntausende hungernder Chinesen fliehen nach Hongkong.

1961 Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Albanien. Letzteres wird von China wirtschaftlich und politisch unterstützt.

1962 Offensiven der chinesischen Roten Armee gegen Nordwest-und Nordostindien.

Zusammenbruch der indischen Verteidigung. Ende des afro-asiatischen Solidaritätsmythos. Freiwilliger Rückzug der chinesischen Streitkräfte, die jedoch von China beanspruchte Gebiete — insbesondere wichtige von Tibet nach Indien führende Gebirgspässe — besetzt halten.

1963 Weitere Steigerung der öffentlichen sowjetisch-chinesischen Auseinandersetzungen. China lehnt — ebenso wie Frankreich — die Unterzeichnung des internationalen Atom-Teststop-Abkommens ab.

1964 Diplomatische Anerkennung der Volksrepublik China durch Frankreich. — Erster chinesischer Atomversuch. — Mao Tse-tung fordert zur Heranbildung von „Millionen revolutionärer Nachfolger" auf.

1965 Zweiter chinesischer Atomversuch. Mao Tse-tung äußert sich in einem Interview mit seinem Biographen Edgar Snow besorgt über die künftige politische Haltung der chinesischen Jugend. — China unterstützt Pakistan in dessen Konflikt mit Indien durch Truppenkonzentrationen an den indischen Grenzen. China befürwortet Sukarnos Pläne zur Schaffung einer „revolutionären UNO" und unterstützt die Kommunistische Partei Indonesiens, die im Verlauf ihres Zusammenstoßes mit dem indonesischen Militär bei Jahresende blutig unterdrückt wird.

1966 Die „proletarische Kulturrevolution“ in China führt zur Massenaktion der Jugendbewegung der Roten Garde. Angriffe auch gegen höchste Parteifunktionäre. Marschall Lin Piao rückt zur Stellung des mutmaßlichen Nachfolgers von Mao Tse-tung auf. Propaganda für radikalen und puritanischen Egalitarismus sowie gegen alle traditional-chinesischen und westlichen Kultureinflüsse in China. Ausschreitungen der Roten Garde führen in Peking zu deren Unterstellung unter die Befehlsgewalt der chinesischen Roten Armee. Abschuß einer ersten chinesischen Mittelstreckenrakete mit atomarem Sprengkopf.

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Diese Hinweise erfolgen in erster Linie unter Berücksichtigung des an China allgemein interessierten deutschen Lesers.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Chou En-lai, Zum Problem der Intellektuellen, Jen-min Jih-pao (Peking), 30. 1. 1956, übers, in: Ostprobleme, 8. Jg., Nr. 18, 4. 5. 1956, S. 637— 642. Amtl. englische Version in Hsinhua News Agency Release (HNAR) 1. 2. 1956.

  2. Chou En-lai, a. a. O., S. 641.

  3. Liang Ch'i-ch'ao, History of Chinese Political Thought during the Early Tsin Period, London 1930, und Fung Yu-lan, A Short History of Chinese Philosophy, New York 1950, S. 30— 37.

  4. Lu Ting-yi, Let Flowers of Many Kinds Blossom and Diverse Schools of Thought Contend, People's China Nr. 16, August 1956, Suppl.

  5. Lu Ting-yi, a. a. O., S. 6.

  6. Verfassung der Volksrepublik China (Präambel). Offizieller chinesischer u. englischer Text der Verfassung in: Contemporary China, Hong Kong, Bd. 1.

  7. Vgl. Mao Tse-tung, On the Tactics of Fighting Imperialism, Selected Works of Mao Tse-tung, Bd. 1, London 1955, S. 163— 167, u. Mao Tse-tung, Uber die Neue Demokratie; C. Brandt, B. Schwartz u. J. K. Fairbank, Der Kommunismus in China, München 1955, S. 310— 311.

  8. Mao Tse-tung, über die Koalitionsregierung, in: Brandt, a. a. O., S. 230— 234.

  9. Chiang Kai-shek, Soviet Russia in China, New York 1958 2, S. 249— 252.

  10. Chinese People's Political Consultative Conference, in: Handbook on People's China, Peking 1957, S. 95— 100.

  11. Wortlaut des Referates von Li Wei-han in: Der VIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, Peking 1956, Bd. 2, S. 387.

  12. HNAR 8. 2. 56.

  13. HNAR 3. 3. 57 u. 4. 3. 57.

  14. HNAR 6. 3. 57.

  15. HNAR 21. 3. 57.

  16. HNAR 21. 3. 57.

  17. HNAR 1. 5. 57.

  18. HNAR 8 5. 57.

  19. HNAR 8. 5. 57.

  20. Shenyang Jih-pao (Shenyang), 11. 6. 57, übers, in: Survey of the China Mainland Press (SCMP) Nr 1597, S. 16 u. 19.

  21. Jen-min Jih-pao (Peking), 31. 5. u. 8. 6. 57, deutsch in: Ostprobleme, 9. Jg., Nr. 20, 19. Juli 1957, S. 703— 704.

  22. Ebda., S. 705.

  23. Shenyang Jih-pao (Shenyang), 11. 6. 57, in: SCMP Nr. 1597, 23. 8. 57, S. 16— 20.

  24. Chang Ching Jih-pao (Hankau), 13. 7. 57, deutsch in: Ostprobleme, 10. Jg., Nr. 2, 17. 1. 58, S. 53— 54.

  25. New China News Agency (Peking), 22. 5. 57, in: SCMP Nr. 1550, 14. 6. 57, S. 9— 10.

  26. Chung Kuo Ching Nien Pao, Editorial Department Examines Itself, NCNA (Peking), 10. 7. 57, in: SCMP Nr. 1576, 24. 7. 1957.

  27. Chang Nai-ch’i, Several Questions Concerning the Work of Assisting and Guiding the Transformation of Industry and Commerce, Ta-Kung Pao (Peking), 9. 6. 57, in: SCMP Nr. 1570, 16. 7. 1957, S. 2— 3 u. 9— 11.

  28. Democratic League Further Exposes Anti-Communist Words and Deeds of Lo Lung-chi, NCNA (Peking), 10. 8. 57, in: Current Background (Hong Kong) Nr. 475, 28. 8. 57.

  29. Chung Kuo Ching Nien Pao, Editorial Department Examines Itself, a. a. O., S. 24— 25.

  30. „China Chih Ho Party" Counter-revolutionary Organ Broken in Nanning, NCNA (Nanning) 1. 8. 57, in: SCMP Nr. 1588, 12. 8. 57, S. 31.

  31. Chung Kuo Ching Nien Pao Publishes an Article by Its Chief Editor Criticizing His Bourgeois Jour-nalistic View, in: SCMP Nr. 1576, 24. 7. 1957, S. 22.

  32. Jen-min Jih-pao (Peking), 16. 7. 57, in: Current Background (Hong Kong) Nr. 470, 26. 7. 57, S. 31.

  33. Jen-min Jih-pao (Peking), 14. 7. 57, in: SCMP Nr. 1576, 24. 7. 57, S. 18.

  34. Chang Yu-yen, Revival of Bourgeois Economies Cannot Be Tolerated, Chin She (Neuer Aufbau), Nr. 9, 3. 9. 57, in: Extracts from China Mainland Magazines (Hong Kong), Nr. 108, 25. 11. 57, S. 6.

  35. Teng Hsiao-p'ing, Report on the Rectification Campaign, NCNA (Peking) 19. 10. 57, in: Current Background (Hong Kong), Nr. 477, 25. 10. 57, S. 6— 7.

  36. When the Buds Blossom Out, Hsin Kuan Cha (Neuer Beobachter), Nr. 10, 16. 5. 57, in: Extracts From China Mainland Magazines (Hong Kong) Nr. 97, 3. 9. 57, S. 3— 4.

  37. Tsao Pao-ming, Hungarian Incident in Miniature, Jen-min Jih-pao (Peking), 8. 8. 57, in: SCMP Nr. 1597, 23. 8. 57, S. 21— 28; vgl. fernerhin: Counter-Revolutionary Clique Instigating Student Strike Exposed at Hanyang Mass Rally, NCNA (Wuhan), 5. 8. 57, in: SCMP Nr. 1589, 12. 8. 57, S. 32— 34; What Does the Hanyang Incident Explain?, Jen-min Jih-pao (Peking), 8. 8. 57, in: SCMP Nr. 1597, 23. 8. 57, S. 29— 30; Exercise Vigilance to Prevent the Enemy’s Infiltration — Comment on the Hanyang First Middle School Riot, Chung Kuo Ching Nien Pao, 10. 8. 57, In: SCMP Nr. 1597, 23. 8. 57, S. 30— 33.

  38. Liu Chun, Chou Ting-fang u. Chiang Huai, Rightist Stronghold in Peking University Destroyed, Jen-min Jih-pao (Peking), 24. 7. 57, in: SCMP Nr. 1575, 23. 7. 57, S. 8— 12.

  39. NCNA (Peking), 6. 7. 57, in: SCMP Nr. 1575, 23. 7. 57, S. 15— 16.

  40. Liu Kuang-hua, „Democratic Wall“ of Peking University, Shanghai Wen Hui Pao (Shanghai), 27. 5. 57, in: SCMP Nr. 1575, 23. 7. 57, S. 36— 38.

  41. Jen-min Jih-pao (Peking), 11. 7. 57, in: SCMP Nr. 1575, 23. 7. 57, S. 20.

  42. Chen Wei-min, Rightists in Nanking University Run Into Obstacles, Jen-min Jih-pao (Peking), 12. 7. 57, in: SCMP Nr. 1575, 23. 7. 57, S. 31— 35.

  43. Students’ Association of Peking University Sends Open Letter to Students ot Higher Institutions Throughout the Country, NCNA (Peking), 27. 6. 57, in: SCMP Nr. 1575, 23. 7. 57, S. 4— 5. Vgl. auch Tsao Pao-ming, a. a. O., S. 22, u. Min Kanghou, An Emergency Conference Convened by Chang Po-chun, Jen-min Jih-pao (Peking), 4. 7. 57, in: SCMP Ni. 1571, S. 28.

  44. Mao Tse-tung, Uber die richtige Lösung von Widersprüchen im Volke, deutsch in: Sowjetunion heute, Nr. 20, 10. 7. 57, S. 18— 19. Offizielle englische Übersetzung in People’s China (PC) Nr. 13, 1. 7. 57, Suppl.

  45. HNAR (Peking), 1. 7. 57.

  46. HNAR (Peking), 14. 4. 57.

  47. HNAR (Peking), 19. 6. 57.

  48. G. F. Hudson, Let A Hundred Flowers Bloom, New York 1957.

  49. Vgl. entsprechende Berichte der NYT v. 14. 5. 57, 1. 5. 57, 19. 5. 57 u. 29. 5. 57.

  50. HNAR (Peking), 6. 3. 57. Der Text dieser Rede Chou En-lais findet sich auch in People's China Nr. 7, 1. 4. 57, Suppl.

  51. Text der Parteidirektive in HNAR (Peking), 1. 5. 57.

  52. HNAR (Peking), 27. 4. u. 3. 5. 57.

  53. FAZ, 22. 7. 57.

  54. Cheng Hsueh-chia, a. a. O., S. 33— 38.

  55. Mao Tse-tung, über die richtige Lösung von Widersprüchen im Volke, a. a. O., S. 21.

  56. Hsieh Chueh-tsai, On Independent Thinking, Hsin Chuan Cha (Neuer Beobachter), Nr. 18, 16. 9. 57 in Extracts from China Mainland Magazines (Hong Kong), Nr. 108, 25. 11. 57, S. 19.

  57. HNAR (Peking), 18. 8. 57.

  58. HNAR (Peking), 30. 8. 57.

  59. Jen-min Jih-pao 31. 7. 57, in: SCMP Nr. 1588, 12. 8. 57, S. 1, u. Jen-min Jih-pao (Peking), 4. 8. 57, in: SCMP Nr. 1589, 13. 8. 57, S. 1— 5.

  60. HNAR (Peking), 8. 8. 57.

  61. Vgl. Lung Yun, Meine ideologische Selbst-betrachtung, Jen-min Jih-pao (Peking), 14. 7. 1957; Fei Hsiao-t'ung, Ich gestehe dem Volk meine Schuld, ebda.; Lo Lung-chi, Meine vorläufige Selbstbetrachtung, Jen-min Jih-pao, 16. 7. 1957; Chang Po-chun, Idi beuge mein Haupt und gestehe meine Schuld vor dem Volk, ebda.; Chang Nai-ch'i, Meine Selbstüberprüfung, ebda.; Huang Shao-hung, Eine Darstellung meiner Fehler und Verbrechen, ebda.; Chen Ming-shu, Meine Selbstüberprüfung, ebda.; Chu An-p'ing, Ich übergebe mich dem Volk, Jen-min Jih-pao, 15. 7. 1957; Tan Ti-wu, Warum habe ich so schwere Fehler begangen?, Jen-min Jih-pao, 17. 7. 1957. (Englische Übersetzung der vorgenannten Bekenntnisse finden sich in: Current Background, Hong Kong, Nr. 470, 26. 7. 1957.)

  62. Jürgen Domes, Von der Volkskommune zur Krise in China, Duisdorf bei Bonn 1964. Vgl. auch Gottfried-Karl Kindermann, Agrarrevolution und Agrarreform als Alternativen der Selbstentwicklung: Die Entwicklungstheorien des Sunyatsenismus und des chinesischen Kommunismus, in: Kulturen im Umbruch — Studien zur Problematik und Analyse des Kulturwandels in Entwicklungsländern, hrsg. v. G. -K. Kindermann, Freiburg/Br. 1962, S. 65— 181.

  63. Englisch in: Selections from China Mainland Magazines, Nr. 238, 5. Dezember 1960, S. 31— 34; deutsch in: Ostprobleme, Nr. 2, 20. Januar 1961, S. 51— 52.

  64. Chou Yang, The Path of Socialist Literature and Art in China, Teil II in Peking Review, Nr. 39, 27. September 1960, S. 16. I

  65. Ebda., S. 19. Vgl. auch E. Kardelj, Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit des Krieges — Die jugoslawische und die chinesische These, Reinbek 1961.

  66. Dschou Yang (Chou Yang), Der Weg der sozialistischen Literatur und Kunst in China, Peking 1961, S. 57— 69.

  67. „Erziehung von Millionen Nachfolgern der Proletarischen Revolution“, Jen-min Jih-pao (Peking), 3 August 1964, deutsch in: Peking Rundschau, Nr. 1, 22. September 1964.

  68. Peking Rundschau Nr. 24, 14. Juni 1966.

  69. Deutsch ebda. unter dem Titel „Reißt ihnen die bürgerliche Maske der . Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit'vom Gesicht“.

  70. Peking Rundschau Nr. 25, 21. Juni 1966.

  71. Deutsch in: Peking Rundschau, Nr. 19, 10. Mai 1966.

  72. Bezüglich der zur Zeit in China im Gange befindlichen innerparteilichen Auseinandersetzungen sei auf die Artikel von Harry Hamm, „Die Kulturrevolution in China", FAZ v. 16. Juli 1966, „Der Machtkampf in Peking", FAZ v. 25. Juli, und auf sein Buch: Das Reich der 700 Millionen — Begegnung mit dem China von heute, Düsseldorf-Wien 1965, S. 197— 268, verwiesen.

  73. Vgl. Anm. 77 und Free China Weekly, Taipei, 10. Juli 1966 („More Prominent Intellectuals Exposed as Traitors by Peiping").

  74. Deutsch in: Peking Rundschau v. 14. Juni 1966.

  75. Deutsch in: Peking Rundschau v. 20. September 1966.

  76. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. November 1966.

  77. Free China Weekly (Taipei), 13. November 1966.

Weitere Inhalte

Gottfried-Karl Kindermann, geb. 13. April 1926; z. Z. Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Freiburg i. Br. und Leiter der Fernost-Abteilung im Arnold-Bergstraesser-Institut für Kulturwissenschaftliche Forschung (in Freiburg). Veröffentlichungen: Kapitel über die Außenpolitik und die innere Entwicklung der Staaten Ostasiens in den Jahrbuchbänden „Internationale Politik" (hrsg. vom Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik) für die Jahre 1955, 1956/57 und 1962; Herausgeber von: Kulturen im Umbruch. Studien zur Problematik und Analyse des Kulturwandels in Entwicklungsländern, Freiburg/Br. 1962, darin Autor des Beitrages: Agrarrevolution und Agrarreform als Alternativen der Selbstentwicklung. Die Entwicklungstheorien des Sun-yatsenismus und des chinesischen Kommunismus; Herausgeber und Mitautor von: Konfuzianismus, Sunyatsenismus und chinesischer Kommunismus. Dokumente zur Begründung und Selbstdarstellung des chinesischen Nationalismus, Freiburg/Br. 1963; Bürgerkrieg und Weltpolitik in China 1923— 1966. Chinas Revolution zwischen Rußland und Amerika, erscheint 1967 in Köln; mehrere Schriften zur inneren und auswärtigen Politik der Vereinigten Staaten sowie zur Theorie und Struktur der Politikwissenschaft.