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Politische Bildung und Fernsehen | APuZ 27/1967 | bpb.de

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APuZ 27/1967 Politische Bildung und Fernsehen

Politische Bildung und Fernsehen

Hans Tietgens

Eine Gesellschaft, die sich als eine demokratische versteht, muß bestrebt sein, ein Informationsangebot zu liefern, das ihre Bürger in die Lage bringt, sich die wissensmäßigen Voraussetzungen anzueignen, die sie brauchen, um ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten im weitesten Sinne des Wortes zu nutzen. Zu einer sich demokratisierenden Gesellschaft gehört es demnach, gute Bildungsmöglichkeiten für alle zu schaffen und die Informationsfreiheit zu sichern. Darüber hinaus aber muß eine politische Bildung wirksam werden, die es sich zur Aufgabe macht, Hilfen für die Verarbeitung von Informationen zu leisten, und für die deshalb die Auseinandersetzung mit den Informationsmedien ein vorrangiges Arbeitsgebiet ist. Damit ist die Bedeutung unseres Themas beschrieben. Wenn es hier auf das Beispiel eines Mediums, auf das Fernsehen eingegrenzt wird, so ist dies nicht nur im Praktikablen einer Beschränkung begründet. Wir müssen vielmehr bedenken, daß die Verbreitung des Fernsehens eine qualitative Veränderung des Informationsangebots nach sich gezogen hat, die eine besondere Aufmerksamkeit herausfordert.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie Informations-und Meinungsfreiheit als Grundforderungen der modernen Demokratie immer wieder geltend gemacht worden sind. Seit 200 Jahren können wir verfolgen, wie sich einerseits das Informationsangebot fortschreitend ausgeweitet hat und wie andererseits von Zeit zu Zeit versucht worden ist, die Auswahlmöglichkeiten einzuschränken, um Kritik und Kontrolle zu behindern. Während sich einerseits die Informationsmedien stetig vermehrten, wurden andererseits mit der wirtschaftlichen Kon-zentration Tendenzen spürbar, die Chancen einer solchen Vemehrung illusorisch zu machen. Die expansive Entwicklung der Informationsmedien wird einerseits als Aushängeschild der Freiheit benutzt, andererseits wird erkennbar, wie sie einen Überdruß entstehen läßt, sich dieser Information zu bedienen.

I. Zur Wirkung des Fernsehens

Im letzten Jahrzehnt aber ist eine neue Situation entstanden. Mit dem Aufkommen des Fernsehens hat sich die Struktur des Informationsangebots nicht nur nochmals erweitert, sondern sie hat sich in dreifacher Hinsicht wesentlich verändert. Das Fernsehen spricht mehrere Sinne zugleich an; es hat eine scheinbare Präsenz, die mit keinem anderen Medium zu vergleichen ist; und es beschränkt die Auswahlmöglichkeit auf zwei bis drei Angebote.

Besonders zu vermerken ist, daß die Präsenz sowohl gegenüber dem Informationsobjekt besteht als auch gegenüber denen, die diese Informationen aufnehmen. Das Medium Fernsehen kann den Informationsquellen näher auf den Leib rücken, und es rückt zugleich mit dem, was es vermittelt, in unmittelbarer Weise den Ausnehmenden auf den Leib. Es stellt sich damit die Frage, inwieweit durch diese scheinbare Unmittelbarkeit ein Informationsgehalt eigener Art und eine entspre3 chende, bisher nicht gekannte Wirkung entsteht. Führt, so ist die Frage, die größere Eindringlichkeit auch zu einer größeren Klarheit, oder bestätigt sich die Alltagserfahrung, wonach man das, was man besonders nahe vor sich hat, in seinem Stellenwert besonders schwer abschätzen kann?

Derartige Fragen erhalten ein besonderes Gewicht, wenn man den dritten entscheidenden Faktor für die Strukturveränderung des Informationsangebots bedenkt, die Tatsache nämlich, daß alle, die das Fernsehen — in welcher Weise auch immer — aufnehmen, das gleiche aufnehmen bzw. nur die Wahl zwischen zwei oder drei Angeboten haben. Die Gefahren einer solchen Situation für die Demokratisierungsbestrebungen sind offensichtlich. In der Bundesrepublik hat man sich denn auch, soweit dies institutionell möglich ist, gegen diese Gefahren abzusichern versucht. Als ein geeigneter Weg dafür erschien es, dem Fernsehen einen Rechtsstatus zu geB ben, der einen möglichst hohen Grad der öffentlichen Kontrolle und damit der Vielseitigkeit der Information garantiert. Der Rundfunk als Träger des Fernsehens durfte also „nicht in die Organisation der staatlichen Exekutive eingefügt oder von ihr abhängig gemacht werden" Genauso war eine „Nivellierung des Programms aufgrund der werbenden Industrie" zu vermeiden. So erscheint es plausibel, wenn die Form der selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts gewählt wurde. Damit sind die formalen Voraussetzungen gegeben, daß das Fernsehen seine Aufgabe einer der Wahrheit verpflichtenden Information erfüllt. Wenn wir uns über das mögliche Verhältnis von Fernsehen und politischer Bildung klar-werden wollen, so ist mit dem Einwand zu rechnen, die politische Information stelle nur eine von mehreren Funktionen dar, die das Fernsehen zu übernehmen hat. Dieser Umstand kann uns aber nur veranlassen, bei der Frage nach der Wirkung des Fernsehens auch die Sendungen mit zu beachten, die vornehmlich der Unterhaltung dienen, von denen aber auch politische Vorstellungen, vor allem die Gesellschaftsbilder, beeinflußt werden. Es empfiehlt sich also, die Bezugspunkte unseres Themas, Fernsehen und politische Bildung, möglichst weit zu fassen. Dabei erscheint als ihr Gemeinsames, daß sie an verschiedenen Stellen des Umschlagplatzes von der Information zur Meinung und Entscheidung stehen. Deshalb sollte sich ein Vergleich lohnen, der Wechselwirkungen erkennen lassen oder nahelegen kann.

Wer über die Wirkung des Fernsehens etwas sagen will, steht vor beträchtlichen Schwierigkeiten. Die Wirkungsforschung ist noch wenig entwickelt. Die wenigen Untersuchungen in Deutschland, aber auch die des Auslands, beschränken sich weitgehend auf den Einfluß, den das Fernsehen auf das Freizeit-verhalten hat, denn allein dieses Verhalten ist beobachtbar und meßbar Uns interessieren hier aber auch die Einstellungen, die sich aus dem Fernseh-Konsum ergeben, die Mentalitäten, die er fördert oder hemmt. Wir werden also zwangsläufig über das empirische Material hinaus einige Aussagen machen müssen, die zwar aus Beobachtungen abgeleitet, aber nicht im einzelnen zu verifizieren sind. Insofern wird manches hypothetisch bleiben: doch erscheint dies aus zwei Gründen vertretbar. Zum einen stehen wir am Anfang der Auseinandersetzung mit unserem Thema. In dieser Lage können kritisch-provozierende — allerdings nicht zivilisationspessimistische — Denkanstöße nützlich sein. Und zum anderen treffen statistische Durchschnittsergebnisse der empirischen Feldforschung auch insofern nicht die hier zu behandelnde Problematik, als es zum mindesten die politische Bildung auf freiwilliger Basis kaum mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zu tun hat.

Massenbegriff und Kommunikationsstruktur

Wenn wir uns nicht auf die Wiedergabe empirischer Forschungsergebnisse beschränken, müssen wir uns allerdings davor hüten, die Vorstellungen zu übernehmen, die über die Wirkung der Massenmedien und insbesondere des Fernsehens in breiten Kreisen der Öffentlichkeit bestehen. Diese Vorstellungen sind recht phantasievoll und dramatisch. Sie treten uns in abgegriffenen Klischees der Kultur-kritik entgegen. In diesen Reaktionen drückt sich das Unbehagen darüber aus, daß man sich so schnell auf etwas Neues eingelasssen hat, dessen Folgen man zwar nicht absehen kann, dem man sich aber ausgeliefert fühlt. Man neigt dazu, die Wirkungen des Fernsehens zu überschätzen und ihm etwas Sensationelles zu-zusprechen, weil sich bei seiner Einführung so wenig Widerstandskräfte geltend gemacht haben. In der Tat ist es bemerkenswert, wennsich in der Bundesrepublik die Zahl der eingetragenen Geräte innerhalb von sieben bis acht Jahren um zehn Millionen erhöht hat, wenn heute etwa 13 Millionen Geräte in Betrieb sind, wenn dementsprechend in mehr als zwei Drittel aller Haushalte ein Fernsehgerät steht. Man muß davon ausgehen, daß es allmählich zur gesellschaftlichen Norm gehört, ein Fernsehgerät zu besitzen. Wenn wir aber die Wirkung dieses Phänomens richtig einschätzen wollen, dürfen wir uns nicht von dieser Eroberung der Wohnung imponieren lassen, sondern müssen an die Zukunft denken. Die Problematik des Fernsehens liegt dann nicht in der Faszination, die ihm gerne unterstellt wird, sondern in der Selbstverständlichkeit, mit der es als Quelle der Information und der Unterhaltung hingenommen wird, selbst dann, wenn man sich kritisch äußert, so daß zumindest potentiell die Gefahr besteht, manipuliert zu werden.

Wenn die Wirkung des Fernsehens vielfach über Gebühr dramatisiert wird, so dürfte auch das Wort „Masse" im Begriff Massenmedium dazu verleitet haben. So sehr die Bezeichnung „Massenkommunikation" üblich geworden und nicht mehr zu ändern ist, so wenig sollte man übersehen, daß dieser Begriff den Sachverhalt, den er benennen soll, nicht trifft. Denn weder im streng wissenschaftlichen Sinn noch im üblichen Gebrauchssinn des Begriffs richtet sich die Massenkommunikation auf Massen. Was dabei produziert wird, ist vielfach „für alle" gedacht, es ist auf jeden Fall an sehr viele gerichtet und diese vielen nehmen auch gleichzeitig dasselbe auf, aber dies geschieht in einer Situation, die nicht als massenhaft bezeichnet werden kann. Die Partner der Massenkommunikation sind viele einzelne oder Kleingruppen, die aber immer vorstrukturiert sind und die keinen Massencharakter haben. Zwar können bestimmte Anwendungsformen dieser Medien Massenwirkungen erzeugen, aber diese sind nicht mit der Struktur der Medien vorgegeben, sondern setzen eine Prädisposition bei den Kommunikationspartnern voraus. Die Befürchtung einer Massenwirkung reduziert sich also auf die Frage, wodurch und inwieweit die Massenmedien derartige Prädispositionen fördern oder pflegen können. Auf keinen Fall ist aber die Wirkung der Massenmedien eine zwangsläufige. Sie ist differenzierter zu sehen als Schlagworte, wie das von der „Vermassung" vermuten lassen.

Es handelt sich beim Fernsehen um eine Kommunikation, die sich auf technischem Wege bei örtlicher oder zeitlicher Distanz der Kommunikationspartner vollzieht, und zwar öffentlich insofern, als es sich bei den Empfängern des Kommunikationsangebots um keine begrenzte oder personell definierbare Gruppe von Menschen handelt, und außerdem einseitig, weil kein Rollenwechsel zwischen den Aussagenden und den Ausnehmenden möglich ist Trotz dieser Einseitigkeit aber wäre es kurzschlüssig anzunehmen, der Empfänger bleibe ausschließlich passiv. Man unterschätzt dann die Möglichkeiten der kritischen Verarbeitung, die sich nicht in sichtbaren Aktionen äußern muß. Man unterschätzt die Nachdenklichkeit, die das Fernsehen bei manch einem Seher erzeugt, wenn man den Zivilisationskritikern und Kulturpessimisten glaubt, die immer wieder die passive Haltung als Folge der Massenmedien anprangern oder beklagen.

Alle diese Vorüberlegungen sollten deutlich gemacht haben, daß es wenig ergiebig ist, die Frage nach der Wirkung des Fernsehens generell beantworten zu wollen. Wir werden vielmehr verschiedene menschliche Verhaltensebenen gesondert anzusprechen haben, und wir werden uns ebenso gesondert fragen müssen, wie es mit den Wirkungsmöglichkeiten einzelner Sendeformen bestellt ist. Schließlich wird man bei beiden Fragerichtungen auch die unterschiedlichen Voraussetzungen der Seher berücksichtigen müssen. Es eröffnet sich somit ein sehr weites Untersuchungsfeld, das aber durch die Aufgabe begrenzt ist, etwas zu sagen, was für die politische Bildung Relevanz hat.

Als erstes empfiehlt sich allerdings, auf die Wirkungsmomente einzugehen, die allgemeiner Natur sind und von denen die politische Bildung zwar nur neben anderen, dadurch aber auch um so unabweislicher betroffen wird. Wir werden nacheinander die Freizeitentscheidungen, die Aufnahmeintensität, die damit verbundenen Lernformen und Wissensstrukturen und schließlich die Probleme der Orientierung und Urteilsbildung erörtern, wobei Einsichten der Wahrnehmungspsychologie genauso wie solche der Lerntheorie zu berücksichtigen sind. Wir werden dann die unter politischem Aspekt relevanten Reaktionen besser abschätzen und auf die Maßstäbe beziehen können, die das Fernsehen sich selbst gesetzt hat und die mit denen der politischen Bildung korrespondieren.

Das Fernsehen im Freizeitverhalten

Fragen wir nach der Wirkung des Fernsehens auf das Freizeitverhalten, so müssen wir uns davor hüten, generelle Urteile von auffallenden Erscheinungen abzuleiten. Besonders attraktive Sendungen, die Menschen davon abhalten, ihrer üblichen Freizeitbeschäftigung nachzugehen, bleiben zwar lange im Gedächtnis, sind aber relativ selten. Sehen wir von solchen Ausnahmen ab und halten wir uns an die allerdings noch nicht sehr zahlreichen und methodisch auch nicht immer abgesicherten empirischen Untersuchungen, dann ergibt sich ein Bild, das es nur dann gerechtfertigt erscheinen läßt von einem negativen Einfluß des Fernsehens zu sprechen, wenn man sich eine zu ideale Vorstellung vom Freizeitverhalten in früherer Zeit macht. Zweifellos hat sich dieses Freizeitverhalten durch das Fernsehen wesentlich geändert. Aber ein Vergleich zwischen Sehern und Nichtsehern läßt erkennen, daß die Unterschiede nicht so beträchtlich sind, wie vielfach angenommen wird, denn in erster Linie ist nur das unartikulierte Freizeit-verhalten vom Fernsehen betroffen. Sportliche Betätigung und Lesen beispielsweise sind kaum beeinträchtigt, während „draußen sein" oder „Spazierengehen“ weniger als Freizeitbeschäftigung genannt werden Es ist deshalb auch zweifelhaft, ob das Vereinsleben in dem Maße unter dem Fernsehen leidet, wie gelegentlich behauptet worden ist Bemerkenswert ist nämlich, daß die Fernseher auf fast allen Gebieten den aktiveren Teil der Bevölkerung darstellen. Sie lassen sich keineswegs ganz vom Fernsehen mit Beschlag belegen, sondern pflegen darüber hinaus noch relativ viel Kontakte und nehmen in stärkerem Maße Anteil am kulturellen und politischen Leben als die Nichtseher.

Diese Tatsache braucht nicht auszuschließen, daß es Seher gibt, denen das Fernsehen ein Surrogat für fehlende Kontakte bedeutet. Aber auch dies ist nur ein Beispiel für eine produktive Ersatzfunktion des Fernsehens und kein Zeichen der „Barbarisierung". Sehen wir von dem Fall ab, in dem Fernsehen Ausgleichsfunktion gegenüber der Vereinsamung bedeutet, so muß man für die Beurteilung der Wirkung davon ausgehen, daß es nicht auf isolierte einzelne trifft, sondern auf Empfänger, die vorstruktiert sind, insofern sie in Meinungsgruppen leben, die als Bezugsgruppen die Art der Aufnahme des Gesehenen mitbestimmen. Wie also das Fernsehen wirkt, hängt in starkem Maße davon ab, welche Stellung der einzelne in der Umgangsgruppe hat und wie in dieser das Fernsehen angesehen ist.

Dieses Phänomen ist besonders dann zu beachten, wenn qualitative Wirkungen des Fernsehens zur Sprache kommen. Im Augenblick geht es aber noch um den quantitativen Einfluß des Fernsehens. Das Bild des Freizeit-verhaltens, das sich bis jetzt ergab, war differenzierter, als man auf den ersten Blick vermuten mochte. Jedoch muß man nach allem, was wir wissen, annehmen, daß das „Fernsehen mehr zu den gewohnheitsmäßig vollzogenen Beschäftigungen gehört und nicht zu den aktiven, bewußt und planmäßig ausgeübten Tätigkeiten" Damit ist es in seiner offensichtlichen Wirkung gleichsam auf Leerstellen des Verhaltens verwiesen und kann insofern eine belebende Rolle spielen. Zugleich kann es aber auch unmerkliche Wirkungen haben, weil es je nach der Pointierung der Sendung die gesellschaftlichen Vorstellungen idyllisiert oder dramatisiert.

Als bemerkenswert können wir es ansehen, daß das politische Interesse bei den Sehern im Durchschnitt beträchtlich größer ist als bei Nichtsehern. Auch läßt sich aus manchen Daten schließen, daß das Fernsehen eher als andere Medien politische Informationen näher zu bringen vermag. Während man sich bei der Zeitungslektüre auf andere Bereiche (Lokales, Verschiedenes, Sport usw.) verlegt, ist die Seherfrequenz bei den politischen Nachrichten erstaunlich hoch (nach einer Materialsammlung der ARD 86 % Man muß zwar damit rechnen, daß sie vielfach nur gewohnheitsmäßig hingenommen werden; aber man sollte darüber nicht vergessen, daß beispielsweise durch die Tagesschau zumindest eine Chance gegeben ist, daß auch diejenigen etwas von den Informationen aufnehmen, die sie nicht von vornherein aufnehmen wollen. Der Gewöhnungseffekt hat zudem den Vorzug, daß die Aufnahmebereitschaft in dem Augenblick aktualisiert wird, wenn etwas Außergewöhnliches geschehen ist. Auch eine wachsende Sensibilität gegenüber politischen Schwierigkeiten und gegenüber dem Wahlangebot zeichnet sich wenigstens bei einem Teil der Fernseher ab, wenn auch im einzelnen noch nicht bewiesen ist, ob die stärker werdende Neigung, seine politische Meinung zu wechseln, mit der verstärkten Aufnahme von Informationen durch das Fernsehen zusammenhängt.

Ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung zeigt auch das Bestreben, sich über mehr als eine Quelle zu informieren. Nach Befragungen der Institute DIVO und Infratest Ende 1964/Anfang 1965 ergibt sich: „Zum Zeitpunkt der Befragung erreichten die drei Medien Fernsehen, Tageszeitung und Hörfunk an einem Durchschnittswerktag (Montag bis Sonnabend) 93 Prozent der Bevölkerung. Für die Nutzung dieser drei Medien verwendete jeder Bundesbürger im Durchschnitt pro Tag drei Stunden und zehn Minuten. Pro Tag erreichten die Tageszeitungen 69, das Fernsehen 47 und der Hörfunk 68 Prozent der erwachsenen Bevölkerung:

23 Prozent wurden von allen drei Medien, also von Tageszeitung, Fernsehen und Hörfunk erreicht. 46 Prozent wurden von zwei Medien (entweder Tageszeitung und Fernsehen oder Tageszeitung und Hörfunk oder Fernsehen und Hörfunk) erreicht. 24 Prozent nutzten nur ein Medium."

Diese Zahlen lassen zwar nicht erkennen, was im einzelnen gesehen, gehört und gelesen wird, aber sie machen immerhin deutlich, daß sich ein großer Teil der Bevölkerung nicht mit den Informationen durch ein Medium zufrieden gibt, sondern sie im ergänzenden Sinne versteht.

Wenig Genaues wissen wir allerdings noch vom Auswahlverhalten gegenüber dem Fernsehangebot. Soweit Beobachtungen durch Kontrastprogramme möglich waren, bestätigt sich jedoch die Vermutung, daß sich die Mehrheit am Weg des geringsten Widerstandes orientiert. Es gibt jedoch auch Beispiele dafür, daß sehr anspruchsvolle Sendungen einen überraschend großen Anteil der Seher erreichen (etwa „Ein Tag"), so daß es sich daher lohnen sollte, diesem Phänomen weiter nachzugehen. Auch bei den politischen Magazinen ist die Sehbeteiligung bemerkenswert hoch. Wenn man damit rechnen kann, das 25 bis 50 Prozent bei entsprechenden Sendungen eingeschaltet haben, die in starkem Maße auf das nuancierte Wort, auf Argumentation und Diskussion abgestellt sind, dann stellt sich die Frage, wie sie wirken und welche potentielle Aufgabe sich daraus für die politische Bildung ergibt.

Das Lernen durch Fernsehen

Das Eindringen in Worte, das Verarbeiten von Sätzen bestimmt die Aufnahmeintensität gegenüber Informationen. Wie stark sie beim Ferhsehen ist, darüber liegen keine dataillierten Untersuchungen vor. Die Art der Aufnahme entscheidet aber darüber, inwieweit aus dem Fernsehen etwas gelernt wird. Um dazu etwas sagen zu können, müssen wir uns den Vorgang des Lernens vergegenwärtigen. Wir können uns das Lernen als einen Prozeß vorstellen, der sich in Phasen vollzieht. Er setzt eine Motivation voraus, die ein Interesse erregt und dafür aufgeschlossen macht, etwas Neues aufzunehmen. Dazu kann das Fernsehen in starkem Maße anregen, wenn es neugierig macht. Manche Einzelinformation, manche Redewendungen bleiben auch sehr schnell haften. Man findet sie in Ge-sprächen wieder und staunt über den scheinbar hohen Grad der Informiertheit. Bald ist man aber auch darüber verblüfft, wie wenig über etwas bekannt ist, was genauso nahe-oder fernliegend erscheint. Man stellt ein Mosaik-wissen fest, das durch die Massenmedien „hängengeblieben" ist, ohne daß diese Einzel-kenntnisse in einen Zusammenhang gebracht werden. Diese Erscheinung ist nicht allein durch den Mosaikcharakter des Informationsangebotes bedingt. Vielmehr wirkt sich der Umstand aus, daß der Lernprozeß auf halber Strecke steckengeblieben ist. Der Lernanstoß hat nicht ausgereicht, den komplexen Prozeß in Gang zu setzen, der das zu Lernende zu einem begründeten Wissen und Verhalten führt. Dazu sind weitere Anreize erforderlich, die durch Widerstände geschaffen werden und deren Überwindung man als Einverleibung eines neuen Sachverhalts, als Erfolgserlebnis, als Exempel eines Gelingens erfahren muß. Dazu bietet das Fernsehen wenig Gelegenheit, weil das Lernangebot nicht in Sequenzen aufgegliedert ist und weil es den Lernprozeß des einzelnen nicht mitverfolgen kann und keine Rückkoppelung erlaubt. Es fehlt die Verarbeitungshilfe

Ein weiteres kommt hinzu, durch das es erschwert ist, sich mit Hilfe des Fernsehens Wissen anzueignen. In den allgemeinen Programmen tendieren Sendungen vielfach dahin, entweder zu viel oder zu wenig Rücksicht auf ihren Adressaten zu nehmen. Sie unterfordern oder überfordern sie, so daß aus dem Angebot entweder zu wenig zu lernen ist oder daß man vor ihm resigniert. An dieser Situation wird deutlich, wie wichtig es ist, wenn politische Bildung den Direktkontakt mit dem Fernsehen sucht und prüft, wie sie ihre Arbeit mit dem Sendeangebot verbinden kann. Damit sind die hier aufgeworfenen Probleme aber nicht ohne weiteres zu lösen. Denn wenn viele das Fernsehen vorziehen und nicht in einen Abendkurs gehen, so ist dies nicht allein Bequemlichkeit, und es ist auch nicht allein in der geringen Vorleistungsschwelle des Fernsehens begründet, sondern in dem Umstand, daß das Fernsehen einen visuellen Lerntypus anspricht, der sehr zahlreich ist und der kaum mehr lernt, wenn er mit anderen zusammen etwas besprechen kann. Denn dazu sind eine intellektuelle Durchdringung und ein sprachliches Training notwendig, die zwar für eine politische Fernsehsendung auch erforderlich sind, wenn man sie verstehen will, die aber vom Fernsehangebot nicht so zwingend für das Mitkommen gefordert werden. Dennoch sollte man aber den durch das Fernsehen erreichbaren Lerneffekt nicht unterschätzen. Bei allen Einschränkungen, die wir mit den späteren Erörterungen über die Wirkung einzelner Sendetypen noch machen müssen, ist dennoch festzustellen, daß das Fernsehen eine bemerkenswerte Strukturveränderung des gesellschaftlichen Wissenstandes hervorruft, indem es einen Prozeß der allmählichen gegenseitigen Annäherung von Alters-, Sozial-und Bildungsschichten in Gang bringt. Es kann nicht ausbleiben, daß durch die Gleichartigkeit des durch das Fernsehen Vermittelten auch eine gewisse Angleichung des Wissensstandes eintritt. Zum Beispiel haben Untersuchungen bei Schulkindern erkennen lassen, daß das Fernsehen eine Tendenz zur Intelligenzanpassung hervorrufen kann. Auf eine Formel gebracht kann man sagen: je geringer und je schwerfälliger die Intelligenz, um so größer ist der Fernsehkonsum. Gerade bei minderer Intelligenz kann aber das Fernsehen auch stimulierend wirken, beweglicher und aufgeschlosserner machen. Bei überdurchschnittlichem Intelligenzniveau ist das Interesse am Fernsehen geringer, weil man mit Hilfe eigener Einfälle produktiv werden kann. Jedoch versteht man durchaus, das Fernsehangebot auswählend für sich zu nutzen. Am wenigsten glücklich ist die Reaktion bei mittlerer Intelligenzlage, bei der sich Ablenkungseffekte durch das Ferhsehen bemerkbar gemacht haben

Orientierung und Urteilsbildung unter dem Einfluß des Fernsehens

über die differenzierte Wirkung auf den Wissensstand in politischer Hinsicht wird später noch zu sprechen sein. An dieser Stelle müssen wir uns daran erinnern, daß die Kenntnisse nur eine Ebene der Verhaltensgrundlagen für politische Einstellungen sind, nur ein Faktor neben anderen, die für die Orientierung relevant sind. Und so ist hier zu fragen, in welcher Weise etwas Generelles über die Wirkung des Fernsehens auf die Orientierung und Urteilsbildung gesagt werden kann. Gerade in dieser Hinsicht werden gerne alarmierende Mahnworte gesprochen, und es wird ebenso auf beruhigende Fakten verwiesen. Man wird die hinter dieser Meinungsverschiedenheit stehende Problematik aber nur erfassen können, wenn man unabhängig vom politischen Engagement, das die Lagebeurteilung beeinflussen kann, erklärt, mit welchem allgemeinen Verhaltensreaktionen zu rechnen ist. Wir müssen davon ausgehen, daß die allgemeine Regel, nach der jeder von uns dazu neigt, zu sehen und zu hören, was er sehen und hören will, auch für die Reaktion auf das Fernsehen gilt. Das Informationsangebot wird entsprechend der Wahrnehmungsstruktur und der sie bedingenden Motivation ausgewählt und zurechtgerückt. Diese selektive Wahrnehmung wird noch dadurch gestützt, daß man am besten behält, woran man glaubt. Man sucht die Bestätigung und findet sie auch. Darauf beruhen die Grenzen der Wirksamkeit der Massenmedien und damit ist allerdings auch ihre Bildungswirkung eingeschränkt, die eine Bewußtseinsveränderung voraussetzt. Das Fernsehen vermag deshalb nur schwer neue Ansichten zu erzeugen, die im Gegensatz zu bisher vorhandenen Auffassungen stehen. Es fördert vielmehr die Tendenz, vorhandene zu bestärken und zu verfestigen. Damit impliziert die Wirkung des Fernsehens eine Tendenz zur Verfrontung. Wenn sie derzeit nicht in aller Deutlichkeit erkennbar wird, so ist dies in einer Reihe von Gegenwirkungen begründet. Zum einen ist das Fernsehen durch seinen rechtlichen Status auf Ausgleich bedacht und versucht zumindest inhaltlich neben der Profilierung einzelner Standpunkte das Gemeinsame hervorzuheben. Vor allem wiederum üben die Nachrichtensendungen hier einen neutralisierenden Effekt aus. Ihm kommt dabei auch eine derzeit spürbare Neigung breiter Kreise der Bevölkerung entgegen, Gegensätzliches zu übersehen und Gemeinsames für wichtiger zu halten. Ein spürbarer Hang zum Pragmatischen also steht einer Tendenz der Verfrontung entgegen. Es ist aber auch mit einem für die Orientierung und Urteilsbildung wichtigen Phänomen zu rechnen, das vom Fernsehen selbst ausgeht: seine optische Unmittelbarkeit strahlt eine außergewöhnliche Authentizität aus.

Diese scheinbare Authentizität hat eine vielschichtige Wirkung, Sie wird durch eine unkritische Einstellung gegenüber dem Augenschein gestützt, zum Teil spontan und zum die Teil Produkt der pädagogischen Ideologie der allem Anschaulichkeit ist, die vor die Volksschule, aber auch das öffentliche Bewußtsein bis vor kurzem weitgehend beherrscht hat. Die schwer kontrollierbare Wirkung der Schein-authentizität geht ferner darauf zurück, daß bei einem regelmäßigen Konsum des Fernsehangebots die Erweiterung des Gesichtskreises nur vorgetäuscht sein und praktisch eine Einengung stattfinden kann. Sie ist nicht nur da-9 durch bedingt, daß die Information einen engen Kanal zu ihrer Verbreitung durchlaufen muß und so die Ansichten präformieren kann. Es spielt vielmehr auch eine Rolle, daß eine Wirklichkeit widergespiegelt wird, die man sich auf die Dauer als Wirklichkeit nicht mehr anders vorstellen kann, weil die Oberflächen-realität, die man scheinbar ganz genau und aus erster Hand erfährt, die Energie nimmt, sich eigene Vorstellungen zu machen und das kritisch zu prüfen, was als Wirklichkeit angeboten wird. Damit kann für die Orientierung und Urteilsbildung etwas eintreten, was wir schon am Beispiel der Angleichung des Wissensstandes feststellten. Es entwickelt sich durch die Einebnung des Meinungsklimas eine integrative Tendenz.

Für ein Gemeinwesen hat diese Tendenz den Vorzug, daß sie die Funktionsfähigkeit verstärkt. Sie hat aber auch den Nachteil, daß sie Illusionen kultiviert. Wäre das Fernsehen in einer reinen Marktsituation, wäre es dem Bedürfnis der Bevölkerung nach Illusionen ausgeliefert. Bei dem gegebenen Rechtsstatus des Fernsehens in der Bundesrepublik hingegen bleibt es eine offene Frage, inwieweit das Angebot die Nachfrage bestimmt oder inwieweit entgegengesetzte Wirkungen sich durchsetzen. Zugespitzt formuliert, hängt es vom Anteil des auf Sachprobleme reflektierenden Wortes am Sendeangebot ab, ob es dem Sog verfällt, Illusionen als Folge eines Absolutsetzens von Wirklichkeit zu reproduzieren, oder ob es seinem Auftrag gerecht wird, der Objektivität und der Wahrheit zu dienen, die komplexer sind als das Bild uns suggerieren möchte, wenn es als Widerschein auftritt. Ob man nun Staatsmänner am Grabe eines der ihren erlebt oder Gastarbeiter, die gegen einen Militärputsch in ihrem Heimatland protestieren — um zwei weit auseinanderliegende Beispiele zu nennen —, der Zuschauer bildet sich ein, er erlebe Politik. Aber indem er eingeladen ist, dabei zu sein, sieht er doch nur einen Zipfel von ihr. Die Politik könnte hier mit der Kamera gemacht werden, mit ihrem Blickwinkel, mit dem Schnitt und der Montage. Sie darf es nicht, weil für sie die Vorgänge die Wirklichkeit sein müssen, weil man an ihr die Objektivität zu messen versucht und weil man zu leugnen versucht, daß auch dies Politik ist.

Die Nivellierung des Meinungsklimas führt also nicht in jedem Fall zu einer erhöhten Funktionsfähigkeit. Wenn sie sachlich vertretbare Gegensätze verdeckt, können diejenigen, die nicht in jedem Fall bereit sind, sich mit ihrer Ansicht anzupassen, in extreme Positionen gedrängt werden. Ist die Konformität so weit fortgeschritten, daß der Kritiker von vornherein zum Außenseiter gestempelt wird, sieht man keine Möglichkeit mehr, Opposition wirksam zu kanalisieren, besteht die Gefahr einer Radikalisierung von Extremgruppen, während es an einer kompromißfähigen Polarisation, die befördernd und erneuernd wirkt, fehlt. Dies gilt insbesondere für eine Bevölkerung wie die der Bundesrepublik, die ihre politischen Institutionen hoch schätzt. Radikalisierende Tendenzen machen sich dann nur so lange nicht geltend, wie man annimmt, daß der Lebensstandard laufend steigen wird. Diese sehr komplexen Motivationszusammenhänge von Politik, politischer Kultur und Fernsehen sollte man nicht unterschätzen, wenn wir nach der Bedeutung einzelner Sendungen und Sendegattungen für die politische Bildung fragen

Die hier ängedeuteten Wirkungen vollziehen sich allerdings häufig nicht auf direktem Weg, denn selbst oder gerade bei einem so dichten Informationsangebot, wie es das Fernsehen liefern kann, erfolgt die Meinungsbildung vielfach über Zwischeninstanzen, über Opinion-Leader, das heißt, die Wirkung der Massenmedien vollzieht sich in einem Rahmen, der durch die täglichen Direktinformationen des einzelnen vorgegeben ist. Der Filter des Gesprächs mit Nachbarn, Kollegen, Freunden und Bekannten bestimmt mit, in welcher Weise das Angebot der Medien ausgenommen und in eigene Anschauungen umgesetzt wird. Die Wirkung des Fernsehens nimmt daher nicht die totalen Ausmaße an, die Kulturpessinusten in ihren Zukunftsvisionen ausmalen. Die unmittelbaren Umgangsgruppen, von denen die Einstellungen des einzelnen abhängig bleiben, differenzieren die Einprägung von Denk-und Verhaltensmuster, die das Fernsehen anbietet. Die Wirkung der Massenmedien ist also gleichsam zweistufig Damit erhält die politische Bildung ein besonderes Gewicht, denn sie hat es zu einem hohen Prozentsatz mit Meinungsführern zu tun.

Eine verbindende und differenzierende Rolle kann das Fernsehen aber insofern spielen, als es in einer Zeit hochgradiger Arbeitsteiligkeit dazu beiträgt, die Menschen kommunikabel zu halten. Denn wenn die Arbeitsteiligkeit dazu führt, daß wir immer weniger voneinander wissen, was wir die Hauptzeit unseres Lebens tun, so schafft das Fernsehen eine relativ gemeinsame Erlebnisbasis und damit neuen Gesprächsstoff.

Das Wissen von der Politik aus dem Filter der Nachrichten

Nach dieser Gesamtbetrachtung der möglichen Wirkungen des Fernsehens auf Freizeitverhalten, Wissensstand, Lernbereitschaft und Lebenseinstellung, wobei sich zum Teil widersprechende Tendenzen gezeigt haben, ist es nun angebracht, nach der Bedeutung zu fragen, die einzelne Sendearten haben können. Wir beginnen mit der elementarsten Form der Informationsvermittlung, den Nachrichtensendungen, die zugleich auch von allen Sendungen mit politischem Einschlag am meisten gesehen werden. Aus einer Materialsammlung der ARD ist zu entnehmen, daß 84 Prozent der Fernsehempfänger die Nachrichten regelmäßig bis häufig sieht Es ist deshalb nicht zuviel behauptet, wenn gesagt wird, daß das Fernsehen nicht nur ganz allgemein die Teilnahme der Menschen an der Außenwelt vermittelt, sondern daß es für die meisten Menschen die Brücke zum politischen Leben darstellt.

Eine andere Frage ist allerdings, in welcher Weise die Informationen aus den Nachrichten ausgenommen werden. Wenn man die Situation bedenkt, in der sie empfangen werden, muß man annehmen, daß ihnen nicht immer volle Aufmerksamkeit gewidmet wird. Man muß vielmehr mit einer Skala der Aufnahmeformen rechnen, deren Pole einmal eine respektierende Neugier und zum anderen eine unreflektierte Gewohnheit sind. Denn einmal finden diese Nachrichten wohlwollende Anerkennung, weil sie den Eindruck erwecken, in Kürze das Wichtigste zu bringen, von dem es gut ist, andeutungsweise etwas zu wissen. Sie halten diejenigen, die es wünschen, auf dem lautenden. Zum anderen aber ist das Einschalten des Fernsehens zur Zeit der Nach-B richten ritualisiert. Ihre Regelmäßigkeit sorgt für den Einschnitt zwischen Tag und Abend. Sie neutralisieren Stimmungen und schirmen den Rückzug ins Private ab. Sie sind ein Mittel, sich auf den Abend einzurichten. Dabei haben die Nachrichtensendungen den Vorzug, daß man ihnen nicht kontinuierlich folgen muß, um einzelnes zu verstehen. Der Charakter des Momentanen ist also ihr Vorzug angesichts der gestreuten Aufmerksamkeit, ist aber auch ihre Problematik im Hinblick auf den Informationseffekt.

Diese Ausgangssituation sollte aber nicht dazu verleiten, die Wirkung der Nachrichten zu unterschätzen und anzunehmen, daß etwa die Tagesschau an der Mehrzahl derer, die das Gerät eingeschaltet haben, „vorbeirauscht". Zweifellos eignet sie sich kaum dazu, ein aktiv produzierbares Wissen zu vermitteln. Aber wir sollten nicht allein und nicht erst die verarbeitete Information ernst nehmen bzw. für bildungsrelevant halten. Es breitet sich vielmehr ein „Wissen vom Tage" aus, das durchaus wiedererkannt wird, wenn etwas damit Zusammenhängendes gemeldet wird, ohne daß allerdings der Seher in der Lage wäre, selbst über das Gehörte zu sprechen. Wenn dies nicht möglich ist, neigen wir zu der Auffassung, daß überhaupt kein „Wissen“ vorhanden ist. Es muß aber als fraglich gelten, ob Stand und Umfang des politischen Wissens allein daran gemessen werden können, wieweit es definitorisch verfügbar ist. Dazu gehören syntaktische und verbale Fähigkeiten, die der Volksschüler selten Gelegenheit hat sich anzueignen. Daraus folgt aber noch nicht das Recht, ihn für einen politischen Ignoranten zu halten. Der Grad des Verständnisses ist nicht ohne weiteres an der Fähigkeit abzulesen, Bezeichnungen und Begriffe möglichst exakt erläutern zu können. Vielmehr ist es schon als ein beträchtlicher Vorteil anzusehen, wenn der Fernseher der „Kontinuität der Aktualität" ausgesetzt ist, die auf die Dauer doch seinen passiven Wortschatz vermehrt und ihm damit auch den Zugang zu politischen Phänomenen erleichtert

Damit soll nicht bestritten werden, daß es auf diese Weise zu erheblichen Mißverständnissen kommen kann. Es gilt deshalb, herauszuhören, was haften bleibt, wenn Politik per Haus geliefert wird, denn davon kann unsere Zukunft nicht unwesentlich abhängen. Insbesondere aber die politische Bildung muß sich fragen, welche Anknüpfungspunkte sich für sie daraus ergeben, daß die Nachrichten des Fernsehens gleichsam die Ahnung von möglichen Kenntnissen hinterlassen.

Eine solche Ahnung von Kenntnissen bewirkt das Fernsehen vor allem dadurch, daß seine Informationen nicht allein verbaler Natur sind, daß sie in spezifischer Weise veranschaulicht werden. Ein außerordentlich hilfreiches Mittel sind dabei die eingeblendeten Karten, Diagramme, graphische Darstellungen usw. Mit ihnen kann ohne großen Zeitaufwand die aktuelle Information in einen Zusammenhang gestellt und damit das Verständnis gefördert werden. Es ist auch auffallend, daß die Texter der Nachrichten bestrebt sind, soweit es die Zeit erlaubt, die „Vorgeschichte" zu den Ereignissen, über die berichtet wird, mitzuliefern. Der — pädagogisch gesprochen — „Wiederholung" wird ein größerer Zeitraum gewidmet, als professionelle Fernsehkritiker wahrhaben wollen

Politisches Leben im Spiegel der Interviews

Es gibt allerdings im Fernsehen auch eine höchst problematische Form der Veranschaulichung, die Unsitte der Kurzinterviews nach Konferenzen und Reisen. Verantwortlichen Politikern wird das Mikrofon vorgehalten, damit sie in wenigen Sätzen Ergebnisse langwieriger Verhandlungen mitteilen. Sie werden damit unter Umständen in eine prekäre Situation gebracht. Als „beste" Politiker erscheinen vielfach die, die in solchen Situationen am geschicktesten reagieren können. Ob es auch diejenigen sind, die vorher am geschicktesten verhandelt haben, ist hingegen eine andere Frage. Auf jeden Fall haben sie im Fernsehen auf den unmittelbaren Effekt hin zu reagieren. Sie müssen in solchen Sitationen etwas säen, aber sie können nicht sagen, was sie wissen. Ihr neues Wissen, das Verhandlungsergebnis, kann von der Art sein, daß gute Gründe bestehen, es nicht auf dem Flugplatz bekanntzumachen, sondern im Parlament, bei einer Kabinettsitzung, in der Fraktion usw. Das Fernsehen aber verlangt vom Politiker eine scheinbar entgegenkommende Art des Verkehrs mit der Öffentlichkeit. So muß er, wenn es eigentlich besser wäre zu schweigen, Techniken der Antwort entwickeln, an die sich unsere Verantwortlichen Politiker auch längst gewöhnt haben, die aber zu Gemeinplätzen führen, zu Pseudo-Informationen, die ihr Verhältnis zur Bevölkerung bzw. das der Fernsehzuschauer zur Politik belasten.

Die ständig wiederholten, fadenscheinigen Redensarten, die wohlabgewogenen, aber nichts-sagenden rhetorischen Balanceakte wirken gerade auf diejenigen abstoßend, die der Politik gegenüber aufgeschlossen sind. Das gleiche gilt für die Polemiken, die häufig Scheingefechte sind, weil sie sich oftmals gegen etwas wenden, was dem Kontrahenten zwar unterstellt, aber nicht von ihm vertreten wird. Auf diese Weise wird der Politiker gerade gegenüber den „Ehrlichmeinenden" unglaubwürdig. Die schwerwiegenden Folgen, die Entfremdung zwischen den professionellen Politikern und den politisch Interessierten, bekommt die politische Bildung in ihrer Praxis zu spüren. Ebenfalls höchst problematische Folgen ergeben sich aus dem Fragestil, der bei Interviews üblich geworden ist. Offenbar in dem Bestreben, die Politik möglichst breiten Kreisen nahe zu bringen, arrangiert man sie, als handele es sich um sportliche Ereignisse. Politik wird zum Kampfplatz stilisiert, mit entsprechenden Sensationseffekten, aber auch mit der Gefahr, daß sie als etwas erscheint, daß um seiner selbst willen betrieben wird. Das Hervorheben des Agonalen wird schon am Vokalular erkennbar, und es kann letztlich nüchterne Entscheidungen verhindern.

Um das Gemeinte zu verdeutlichen, sei ein besonders offensichtliches Beispiel angeführt. Nach der entscheidenden Sitzung des Partei-rats der CDU, in der es um die Nachfolge Adenauers als Parteivorsitzenden ging, erwarteten die Reporter der Tagesschau den Bundeskanzler und den Fraktionsvorsitzenden, um von ihnen eine Meinung über den Ausgang der Sitzung zu hören. Sie kleideten ihre Frage in eine Formel; als sei es um Sieg'oder Niederlage gegangen. Beide Befragten bemerkten dazu, daß es für sie Sieg oder Niederlage in diesem Fall nicht gäbe. Dies war eine zweifellos politisch richtige Antwort. Dennoch dürfte sie von vielen Fernsehzuschauern als ein Ausweichen empfunden worden sein. Nach seiner Zufriedenheit befragt, machte Rainer Barzel noch sinngemäß die Bemerkung, soweit es in der Politik Zufriedenheit geben könne, sei er zufrieden. Auch dies eine Aussage, die auf etwas für die Politik Allgemeines und Wesentliches verweist, was aber derjenige, der sich nur als gelegentlicher Beobachter mit Politik befaßt, sehr schwer einzusehen bereit ist. So konnte auch diese Formulierung als ein Ausweichen oder als ein Eingeständnis einer Niederlage empfunden werden, die sie selbst dann nicht war, wenn es angemessen wäre, mit solchen Kategorien zu urteilen.

Mit dieser Art, Politik zu offerieren, wird dem spontanen Antrieb vieler Menschen, politische Auseinandersetzungen zu personifizieren, Vorschub geleistet. Bei der Unübersichtlichkeit und Komplexität des politischen Geschehens sollte man es auch nicht von vornherein negativ beurteilen, wenn Wähler ihre Entscheidung nach dem Eindruck treffen, den die Spitzenkandidaten auf sie machen. Sie glauben damit, für sich einen Maßstab zu haben, der ihr Urteilsvermögen nicht übersteigt. So ist die Wahlentscheidung eine Vertrauenserklärung gegenüber einem Führungsangebot, weil für die Sachentscheidung die Kenntnisse fehlen, und zwar nicht aufgrund eines individuellen Versäumnisses, sondern weil sie immer nur zu einem Bruchteil zu erlangen sind. Hinzu kommt, daß man durchaus spürt, wie sehr Sachentscheidungen zu Prioritätsentscheidungen reduziert sind. Problematisch wird es hingegen, wenn diese schwer zu vermeidende Tendenz zur Personifizierung dadurch bestärkt und verfestigt wird, daß im Fernsehen Politik wie ein Turnier mit streitenden Personen erscheint, die sich unmittelbar gegenüberstehen, und zwischen denen die Sachfragen und der gesellschaftliche Hintergrund immer mehr verschwinden. Ein anderer Grund für das Verschwinden der Probleme zeigt sich in den Gesprächen „am runden Tisch", bei denen sich die Tendenz geltend macht, das Gemeinsame besonders zu betonen. Man kommt damit breiten Bevölkerungskreisen entgegen, die sich eine große Gemeinsamkeit wünschen. Auch diese Einstellung hat einen Realitätsbezug, denn vielfach erlauben die Entscheidungsbedingungen nur Maßnahmen, die nicht im wesentlichen, sondern in Nuancen voneinander unterschieden sind. Dennoch wäre es gefährlich, wenn sich eine aus diesen Sachverhalten keineswegs zwingend folgende Gemeinschaftsideologie breitmacht. Der aufmerksame Beobachter wird außerdem Widersprüche zwischen harmonisierenden und polemischen Äußerungen feststellen und sich fragen, inwieweit mit ihm ein unechtes Spiel getrieben wird.

Politik als Wettkampf vor der eine Arena suggerierenden Kamera, Politik als ein gegenseitiges, freundliches Zuspielen von Meinungen über das gemeinsame Wohl aller — das sind die beiden Mißverständnisse, die sich breitmachen, weil sie einerseits in den Vorstellungen der Bevölkerung angelegt sind und weil sie andererseits durch die Art und Weise des Mediums Fernsehen, Politik anzubieten, gefördert werden. Es täuscht Informationen aus erster Hand vor, weil die auf dem Bildschirm erscheinenden Personen gewöhnlich führende Repräsentanten politischer Gruppierungen sind. Sie verweigern aber die Rolle der ersten Hand, ohne daß es dem Seher bewußt wird, wenn die Situation es angeraten erscheinen läßt. Sie dosieren ihre Informationen, sie bauen eine Fassade von Scheininformationen auf und vergeuden ihre Kräfte und ihre Konzentration, die sie hinter der Kulisse besser gebrauchen könnten.

Vor diesen Fassaden laut zu denken, ist riskant. Weil es deshalb selten geworden ist, wird es als sensationell empfunden und gerne vor die Kamera gebracht. Dort aber wird der Gedankengang ins Konventionelle abgeschwächt, oder die ehemaligen Gesinnungsgenossen distanzieren sich. Denken wird damit zum Reservat eines Oligopols, das sich in Selbstverständlichkeiten erschöpft. Statt Neues auszuprobieren, wird ausgewichen, statt Kompromisse zu schließen und die Zukunft vorzubereiten, wird die Vergangenheit variiert, um den Eindruck zu erwecken, als sei etwas in Bewegung und man stehe doch fest und sicher in der Gegenwart. Bestenfalls bedient man sich der gezielten Indiskretion, um sie gleich dementieren zu können. Versuchsballons sind gut, aber was nutzen sie, wenn man sie gleich herunterschießt, weil der imaginäre Zuschauer vor dem Fernsehgerät es zu erwarten scheint. Das heißt, die Fernsehöffentlichkeit wäre nicht so problematisch, wenn man ihr nicht Tabus als ihre Meinung unterstellen würde, die nur deshalb Tabus sind, weil sie von den Meinungsführern als solche suggeriert werden.

Das Bedenkliche all der hier angedeuteten Wirkungen ist, daß sie nicht ein gesundes Mißtrauen gegenüber einzelnen Ansichten und Entscheidungen hervorrufen, sondern einen generellen Zweifel gegenüber dem Ernst und der Wahrheit der Politik überhaupt, und zwar insbesondere gegenüber einer demokratischen Politik, insofern diese eine spezifisch öffentliche ist. -Politische Bildung muß hier versuchen, entsprechende Tendenzen aufzufangen. Aber ihre Möglichkeiten sind angesichts des massiven Eindrucks der Medien und des Gebarens der Politiker begrenzt. Das Aufzeigen der Notwendigkeit eines solchen öffentlichen Verhaltens überzeugt nicht immer. Eine allseitige Reflexion auf das Phänomen der Öffentlichkeit als Kriterium der Demokratie scheint deshalb dringend erforderlich, soll nicht ein ursprünglich legitimer Anspruch auf umfassende Information auf die Dauer pervertiert werden.

Die hier geäußerte Kritik richtet sich nicht gegen die Mitarbeiter des Fernsehens oder gegen einzelne Politiker, sondern dagegen, daß nicht hinreichend darüber nachgedacht würd, in welcher Weise sich Politik durch die Existenz des Fernsehens qualitativ verändert. Denn ihre Substanz ist nicht unabhängig davon, wie sie der Öffentlichkeit offeriert wird und offeriert werden muß. Die Problematik besteht darin, daß die Politiker ständig genötigt werden, einen guten Eindruck zu machen, so daß man nicht mehr danach fragt, ob sie „gut" sind. Auf die Dauer dürfte sich allerdings nur ein Politiker bis zur obersten Spitze durchsetzen, der es sich — aus welchen Gründen bedürfte der Forschung — leisten kann, keine Rücksicht auf Fernsehoptik zu nehmen und der dennoch Vertrauen ausstrahlt.

Dieser Exkurs über den politischen Stil sollte darauf aufmerksam machen, worin einige Reaktionen begründet sind, die das Verhältnis zwischen Politikern und denen, die sich für Politik interessieren, belasten. Es wird noch näher auf sie einzugehen sein, wenn die Konsequenzen aus der vorerst beschreibenden Darstellung gezogen werden.

Gesellschaftsbilder aus soziologischen Reportagen

Wenn wir nun einen Blick auf einen anderen Typus von Sendungen, auf die soziologischen Reportagen richten, so stoßen wir auf ähn-liche Probleme. Auch hier ist das häufigste und prägendste Gestaltungsmittel das Interview. Ihre vom Zuschauer nicht kontrollierbare Aus-13 wähl erfolgt offensichtlich in der Absicht, nahezubringen, wie man „im Volk wirklich denkt". Trotz dieser Beliebigkeit stimmt das so entstandene Meinungsbild vielfach mit den Hypothesen überein, die uns aus der empirischen Forschung und durch demoskopische Institute über das Meinungsbild bekannt sind. Bemerken wird dies aber nur, wer über einen hohen Grad von Abstraktionsfähigkeit verfügt. Denn wenn nur die einzelnen spontanen Aussagen isoliert und montiert dargeboten werden, wird der Eindruck, den wir gewinnen, von der Technik beherrscht, mit dem dieses Meinungsbild zustande gekommen ist. Bei einer solchen Reportagetechnik kann sehr leicht das Auffallende mehr betont werden, als es für das Verständnis gerechtfertigt ist. Es werden auf diese Weise zwar Schlaglichter auf die Gesellschaft geworfen, aber nicht ihr sichtbar gemacht. Probleme Ihre erscheinen insoweit, wie nach sie außen gewendet oder zu wenden sind. Das Tempo der Sendungen suggeriert Behauptungen als Tatsachen und Pointen als Begründung. Ob man sich mit der „High Society" in der Bundesrepublik beschäftigt oder -mit ihren Studen ten, mit alten Menschen oder mit der „Frau ohne Ehering" — einige statistische Angaben können nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um Reportagen handelt und nicht um Analysen.

Dagegen ist insofern nichts zu sagen, als Reportagen ihren guten Sinn haben, wenn man auch bezweifeln kann, ob sie so fernsehgerecht sind, wie offenbar angenommen wird. Problematisch werden sie erst dann, wenn ihnen von Zuschauern der Stellenwert von Analysen beigemessen wird. Das kann durch die optische Unmittelbarkeit sehr leicht geschehen, und eine solche Reaktion wird häufig dadurch gestützt, daß in den Sendungen behauptet wird, man wolle es „genau wissen" und man wolle klischeehafte Gesellschaftsbilder ad absurdum führen.

Es dürfte für das Medium Fernsehen nicht zufällig sein, daß gegen solche soziologische Reportagen am wenigsten zu sagen ist, die einen aktuellen politischen Bezug haben. So dürften beispielsweise die Sendungen über die Lage im Ruhrrevier dazu beigetragen haben, daß dieses Thema in der Öffentlichkeit nicht demagogisch ausgenutzt werden konnte. Etwas anderes ist es aber, wenn allgemeine Themen behandelt werden, wie beispielsweise das der alleinstehenden Frau. An solchen Versuchen zeigt sich, welche ausschlaggebende Rolle die „Machart" der Sendung spielt, wie weit sie ein Problem verdeutlichen kann, daß es so „ankommt", wie es gemeint ist. Hier scheint besonders die Verbindung bzw. das Fehlen einer Verbindung von Bild und Wort wichtig zu sein. Es besteht häufig die Neigung, höchst stupende Bildfolgen mit einem ironisierenden Text zu versehen. Die intellektuellen Glanzlichter, die damit der mehr oder weniger trüben Wirklichkeit aufgesetzt werden, verwirren aber mehr als daß sie erhellen. Man bekommt als Zuschauer zwar den Eindruck, daß alles ein bißchen anders ist, als man selbst gedacht hat, aber worauf sich dieser Eindruck gründet, kann man aus der Sendung nur mit beträchtlichem intellektuellem Aufwand entnehmen. Man muß sich so von Fall zu Fall fragen, ob die Montageeffekte nur der Freude an der gekonnten Montage entspringen oder ob bestimmte Zwecke mit ihr verfolgt werden. Es wäre aber auch zu fragen, welche Wirkung durch sie tatsächlich entsteht. Die Schwierigkeit ist, daß die diese Wirkung verursachenden Phänomene im einzelnen nur schwer zu fassen sind. So belebend die Montage für den Kenner der Techniken ist, so besorgt muß man fragen, wieweit sich nicht eine Willkür in ihrer Nutzung breitmacht. So ist beispielsweise schwer zu entscheiden, ob es ein Problem trifft, ob es eine Tendenz verfolgt oder ob es Artistik ist, wenn man sehen kann, wie eine Mutter ihr Kind streichelt, während man zugleich Aussagen von ihr hört, die offensichtlich bei anderer Gelegenheit ausgenommen worden sind, wenn also die Wort-Bild-Kombination willkürlich gewählt ist.

Es ist gewöhnlich die erklärte Absicht der Reportagen, nüchtern-kritisch sein und Illusionen zerstören zu wollen. Dementsprechend wird der Seher oft auf etwas gestoßen, wovor er lieber die Augen verschließen möchte. Man sollte diese Haltung dem Fernsehen hoch anrechnen, denn immerhin konnte jeder — ebenfalls durch das Fernsehen — erfahren, daß fast 50 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik Kritik noch immer mit negativen Vorstellungen, mit etwas Zersetzendem verbinden. Es gibt für das Fernsehen aber noch andere Hindernisse, die seiner Tendenz zur Wirklichkeitsnähe entgegenstehen: die Angst, Langeweile hervorzurufen, die Bildfolgen erzeugen könnten, die tatsächlich wirklichkeitsnah sind. Deshalb wird allzu gern das Auffällige mit dem Problematischen verwechselt. Die soziologische Reportage sollte aber gerade im Kontext des Gesamtprogramms, das indirekt ein Gesellschaftsbild vermittelt, dieses Gesellschaftsbild durch ihre Wirklichkeitsnahe verdichten, und nicht die Tendenz des Bildes zu einer idyllisierenden Interpretation der Wirklichkeit noch verstärken.

Eine Nebenwirkung ist noch zu erwähnen, die durch die Interview-Methode bei den soziologischen Reportagen entstanden ist und die in ihrer Bedeutung noch nicht abgeschätzt werden kann. Es ist oft erstaunlich, mit welcher Unbefangenheit Interviewte zur Selbstaufdeckung bereit sind. Etwas merkwürdig berührt es, wenn man Menschen findet, die vor dem Mikrofon etwas preisgeben, was sie sich im direkten Gespräch zu sagen scheuen würden. Das Bedenkliche ist vor allem, daß sie sich dessen oft nicht bewußt sind, daß man mit Fragen etwas aus ihnen herausholt, was sie nicht sagen wollten. Der positive Aspekt dieser Selbsteröffnung hingegen ist, daß zumindest in breiten Kreisen der sozial nicht sonderlich bevorzugten Schichten das Gefühl eines Wahrheitsklimas besteht, das sie unbedenklich sagen läßt, was ihnen auf die Zunge kommt, gerade in Fällen, in denen ihnen nicht leicht etwas über die Zunge kommt. Es entsteht so der Eindruck, als ob sich die Grenzen der Intimsphäre bei uns zu verschieben beginnen. Für die seelische Hygiene wäre dies nur zu wünschen. Wenn sich nicht die Anfänge einer Rücksichtslosigkeit in der Fragemethode verstärken, werden die Interviews manchen Menschen einen Anstoß geben, gesprächiger zu werden, mehr aus sich herauszugehen, denn die im Fernsehen Befragten vermögen ebenso Verhaltensnormen zu entwickeln wie das Fernsehen selbst.

Für die Politik im engeren Sinne allerdings gilt diese Tendenz des offener Werdens nicht, denn die Politiker müssen bei ihren Antworten angesichts des Offentlichkeitscharakters des Fernsehens darauf achten, nichts zu sagen, was ihrem Ansehen schadet, und das heißt, was dem Seher vermutlich nicht gefällt. Diese Sorge macht ihre Reaktionen verkrampft, wenn auch in letzter Zeit, vor allem nach Bildung der großen Koalition, die Tendenz spürbar ist, bei Diskussionen und Interviews möglichst lässig und scheinbar unbefangen aufzutreten und damit das Demonstrative der Situation zu unterlaufen. Da man aber — ob zu Recht oder nicht, könnte nur fallweise überprüft werden — bei den Sehern eine ausgedehnte Tabu-Zone unterstellt, trägt doch das Fernsehen durch Sendungen mit repräsentativen Politikern dazu bei, Probleme zu verschleiern, denn gerade die Chance zur Durchsichtigkeit, die das Medium bietet, veranlaßt die Betroffenen — und das sind hier die Politiker — zu betonter Vorsicht zud Zurückhaltung

Kritik im Brennpunkt der Magazine

Nun gibt es Sendegattungen des Fernsehens, die gegen Tabus angehen und zum Teil auch gegen solche, die durch andere Sendegattungen gefördert werden — die politischen Magazine und das politische Kabarett Ob entsprechende Gegenwirkungen zustande kommen, ist allerdings sehr fraglich, weil die Seher-gruppen, die sich die Tabus nicht nehmen lassen wollen, Sendungen, die sich gegen diese Tabus wenden, entweder gar nicht erst sehen oder eine Bestätigung darin finden, daß Kritik etwas Schlechtes, Widerwärtiges ist. Deshalb kommt ihre korrigierende Funktion kaum zur Geltung. Vielmehr kann sie eher dazu führen, die an sich schon Kritischen in einem Übermaß zu bestärken, womit aber auch die Empfindlichkeit derer bestärkt wird, die kritisiert werden und die sich dann auf ihre Machtmittel besinnen.

Es gibt mehrere Gründe, die es der Kritik im Fernsehen schwer machen. Da es zum Teil die gleichen sind, die der politischen Bildung Schwierigkeiten bereiten, verdienen sie besonders genannt zu werden. Gewöhnlich wird vor allem das Proporzdenken als Hindernis für eine eindringliche Kritik angeführt. Dieses Argument ist aber nicht zwingend. Der Proporz könnte auch ein Verhalten nach dem Motto nach sich ziehen: „Stichst Du in mein Wespennest, steche ich in Dein Wespennetz". Verpönt ist aber das Stechen überhaupt, und zwar nicht nur bei den Betroffenen. Auch für weite Kreise der Bevölkerung ist Kritik suspekt. Allzu häufig wird die Rationalität noch für etwas Unanständiges gehalten, das man aus der Politik möglichst heraushalten möchte. Eine solche Einstellung ist deshalb besonders verhängnisvoll, weil sie wiederum Formen der Kritik provoziert, deren Angemessenheit man tatsächlich bezweifeln kann. Dabei muß man berücksichtigen, daß es der Kritik in Deutschland an Übung fehlt. Da Kritiker gewöhnlich Moralisten sind, ist es begreiflich, wenn sie der Zorn über die scheinbare Wirkungslosigkeit dazu treibt, zugespitzter zu formulieren, als es der Sache dienlich ist, die sie vertreten.

Der Kern des Übels liegt also nicht beim Proporzdenken, sondern bei der Einstellung gegenüber der Kritik. Beispielsweise ist es in der Politik der Bundesrepublik unüblich, ein nicht korrektes Verhalten nachträglich einzugestehen. Wenn solche Fehler geschehen, so ist es noch nichts Bedenkliches. Dazu werden sie erst durch die Hartnäckigkeit, mit der sie geleugnet werden. In jedem Staat und in jeder Gesellschaft gibt es Skandale und Affären. Sie schaden in keiner Weise, wenn sie ausgeräumt werden. Dazu können die Massenmedien beitragen; das gehört zu ihrer Kontrollfunktion. Mißlich wird es erst, wenn es gar keine Skandale gibt, sondern nur Skandälchen, die man aber nicht zugibt und nicht in Ordnung bringt, so daß sie unnötig lange schwären und daran hindern, Politik zu machen. Das Übel ist nicht, daß am Maßstab des Grundgesetzes hier und da danebengegriffen wird, was selbstverständlich vorkommen kann, sondern daß man sich darauf versteift, es nicht wahrhaben zu wollen. Der Kritik fehlt der Humusboden des Humors. Es sind nicht so sehr Verbote und Ausbootungen, die die Kritik in der Bundesrepublik beeinträchtigen, sondern vielmehr ängstliche Rechthaberei. Durch sie bekommt die Kritik mit der Zeit etwas Verhärtetes und zugleich Aggressiv-Verspieltes, etwas Verklemmtes und etwas Hoffnungsloses. Damit aber entzieht sie sich selbst den Boden ihrer Wirkung.

Die Besorgnis der Verantwortlichen für das Fernsehprogramm gegenüber kritischen Sendungen ist allerdings insofern verständlich, als, wie unsere Überlegungen zur psychologischen Wirkung des Fernsehens gezeigt haben, von den Sendungen vergröbernde Effekte ausgehen können. Es kann zu einer Kritiksucht um jeden Preis kommen, die nicht nur unproduktiv ist, sondern auch noch die Möglichkeit einer produktiven Kritik beschneidet, weil sie gegenüber jeglicher Kritik kritisch macht, sie also auch dann in Mißkredit bringt, wenn sie Positives leisten kann und soll.

In dieser Situation hat sich in letzter Zeit eine etwas zweischneidige Form von Kritik herausgebildet. Sie ist so angelegt, daß intellektuelle Kritiker ihre Wünsche erfüllt sehen, die Kritisierten selbst sich aber nicht betroffen fühlen. Diese Variante der Kritik ist darin begründet, daß der Intellektuelle ganz andere Anlässe zur Kritik sieht als normalerweise der Seher oder auch der Politiker selbst. So kommt es einerseits zur Selbstzufriedenheit des Kritikers, andererseits aber bleibt der Seher und damit der Wähler von dieser Kritik weitgehend unberührt bzw. er fühlt sich gerade in seinem Verhalten bestätigt.

Ähnliche Erscheinungen gegenüber dem Phänomen der Kritik, wie bei den Magazinen, treten im Falle des Fernseh-Kabaretts auf. Sie erhalten hier allerdings noch insofern ein besonderes Gewicht, als das Kabarett nach seinen Intentionen in der Kritik noch zugespitzter sein will. Während das Magazin verpflichtet ist, sich an Fakten zu orientieren und darauf seine Kritik zu richten, liegt es im Charakter des Kabaretts, nicht immer griffige Tendenzen aufzugreifen und anzuprangern und sich dabei symbolischer Stilmittel zu bedienen. So sind die Bedenken bei den Verantwortlichen des Fernsehens besonders groß, das Kabarett auf den Bildschirm zu bringen, und . wir haben es dementsprechend in letzter Zeit auch seltener zu sehen bekommen.

So bedauerlich dies für jeden ist, der die kritische Funktion des Fernsehens betont wissen möchte, es spielen jedoch dabei auch Gründe eine Rolle, die nicht ohne weiteres unter die erwähnte Aversion gegenüber Kritik zu subsumieren sind. Es ist nicht allein die erschrekkende Vorliebe für das Beleidigtsein, die die Gegenkritik gegen das Kabarett im Fernsehen hervorruft. Ebenso macht sich geltend, daß das Kabarett seiner Struktur nach nicht auf Breitenwirkung eingestellt ist. Dieser Umstand wird schon bei Gastspielen in großen Sälen spürbar, die anders wirken, als der Auftritt im eigenen, meist beengtem Raum. Die Intimität, die den pointierten Effekt und die hintergründige Nuance fördert, ist im Fernsehen nicht reproduzierbar. Der Stil muß sich in einem Maße ändern, daß die Frage berechtigt erscheint, ob es überhaupt angebracht ist, von Fernseh-Kabarett zu sprechen, gleichgültig ob ein laufendes Programm eines bestimmten Teams übernommen oder ein fernseheigenes Kabarett produziert wird. In jedem Fall steht man vor der Frage, welche Akzente man setzen soll. Paßt man sich dem Medium an, wird die Stoßrichtung der Kritik verwässert oder vergröbert; verzichtet man auf diese Anpassung, läuft man Gefahr, mißverstanden oder gar nicht verstanden zu werden. Trotz dieser gattungsimmanenten Problematik wirkt aller-dings die Taktik wenig überzeugend, Fernseh-Kabarett mit der Begründung in die späten Abendstunden zu verlegen, es sei nur für . reife Demokraten" geeignet. Darin zeigt sich nur einmal mehr, wie wenig in der Bundes-republik begriffen wird, daß man nur durch und mit der Kritik zum Demokraten reifen kann und daß diese Kritik allein die Freiheit glaubwürdig macht, von der behauptet wird, daß sie bei uns vorhanden sei 16a).

Politik im Zwielicht von Dokumentation und Unterhaltung

Wenn sich bisher die Wirkung des Fernsehens vielfach als ambivalent erwies, wenn man feststellen mußte, daß sowohl generell als auch im einzelnen Fall die Wirkung der politischen Sendungen schwer abzuschätzen ist, so gilt dies erst recht, wenn es sich um Sendungen handelt, die nicht als politische gedacht sind, aber doch politisch wirken. Eine Zwischenstellung nimmt hier das Fernsehspiel ein. So weit es inhaltlich auf Politik bezogen ist, hat die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit im Vordergrund gestanden, die Anlaß für die gestalteten Problemstellungen gab und die zu Auseinandersetzungen mit der eigenen Auffassung aufforderten. In diesen Spielen hat sich das öffentliche Verantwortungsbewußtsein des Fernsehens in besonderem Maße gezeigt. Hier hat es Vorbildliches geleistet; mit dieser Tendenz hat es sich aber auch seinen schlechten Ruf bei der großen Zahl der Unverbesserlichen eingehandelt, die zwar bereit sind, ihren Frieden mit der Gegenwart zu schließen, die aber ihre Vergangenheit als eine große und womöglich bessere Zeit in Erinnerung behalten und als solche weitergeben wollen. So ist auch für diesen Bereich festzustellen: so eindeutig die beabsichtigte Wirkung ist, so unterschiedlich kann sie in der Wirklichkeit sein. Nicht nur in der Wirkung, sondern auch in der Sendung selbst liegt die Ambivalenz bei den sogenannten Dokumentarspielen. Es handelt sich um eine Mischform, die auf dem Theater eine Parallele hat. Für das Fernsehen erscheint eine dramatisierte Dokumentation, die geschichtliche Vorgänge in dialogische Handlung übersetzt und diese wiederum mit Dokumenten kommentiert, eine wirksame Möglichkeit, auch denen Geschichte nahezu-bringen, die noch kein Verhältnis zu ihr haben. Die Reduktion geschichtlicher Ereignisse auf die menschliche Ausgangs-und Entscheidungssituation kann auch in vielen Fällen der Geschichte mehr gerecht werden als wissenschaftlich vorgebildete Historiker annehmen. Aber diese Art der menschlichen Verlebendigung der Vergangenheit kommt doch auch in bedenklicher Weise der Neigung entgegen, sich das Geschichtsbild durch Personifikationen zu verkürzen. Selbst wenn Verniedlichung oder gar Manipulation nicht beabsichtigt sind, wird entweder der Verdacht hervorgerufen, es handele sich um eine Manipulation, oder man nimmt Verkürzungen kritiklos hin und wird in der Vorstellung bestätigt, Geschichte lasse sich aus individuellen Interaktionen, aus Psychologischem erklären, wobei dann die Komplexität gesellschaftlicher Prozesse, die erst Geschichte ausmachen, übersehen wird. Für das Geschichtsbild also hat das Dokumentarspiel eine zweischneidige Relevanz. Das Wirklichkeitsbild, das man sich von der Gegenwart macht, wird nun allerdings keineswegs allein von den Sendungen bestimmt, die auf Probleme dieser Gegenwart verweisen wollen. Wir müssen vielmehr mit den indirekten Wirkungen der Sendungen rechnen, die durch Musik, Rätsel, Landschaften oder Tiere bestimmt sind. Insbesondere die letzteren bieten eine gern ergriffene Möglichkeit, vor den menschlichen Problemen auszuweichen. Das „Schöne“ alter Filme wird dann genauso zur Labsal — zum Gesprächsthema an der Haltestelle — wie der Quiz in Spannung versetzt, die noch von „Bildung" durchsetzt erscheint. Andererseits wird es nicht völlig spurlos an den Menschen vorübergehen, wenn das Fernsehen die Gelegenheit bietet, beispielsweise die Dramatik der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts — von Ibsen, Strindberg und Wedekind bis Georg Kaiser und Sternheim — in einer ganzen Reihe von Beispielen zur Kenntnis zu nehmen. Sicherlich wird manch einer so darüber hinweg sehen und hören, wie es in einer Art Selbstpersiflage in einem Fernsehspiel „Ein Wochenende" mit den Bildern dargestellt wurde, die die unterschiedliche Reaktion auf eine Minna von Barnhelm-Sendung zeigten. Aber zugleich erweist sich das Fernsehen noch als die beste Möglichkeit, die Verbindung zur Kulturtradition aufrechtzuerhalten. Ein gutes Mittel, um ein angemessenes Wirklichkeitsbild zu vermitteln, ist zweifellos die Selbstironie. Sie kann dazu verhelfen, sich und anderen nichts vorzumachen. Ein solcher Anflug von Selbstironie ist vielfach bei Kriminalserien festzustellen. Sie bieten dann Spannung und Ablenkung, ohne von vornherein ein trügerisches Bild von der Wirklichkeit zu suggerieren. Es können von solchen Sendungen aber auch bedenkliche Wirkungen ausgehen, wie sich etwa bei der Postraub-Serie „Gentlemen bitten zur Kasse" gezeigt hat. Hier hat das geschickte Arrangement der Sendung Sentimentalitäten wachgerufen und bei nicht wenigen Menschen zu einer Verwirrung der moralischen Maßstäbe geführt, weil man sich gut amüsiert hat und weil das gestohlene Gut kein Privateigentum war. Betrüge den Staat — und das heißt hier dich selbst — so gut du kannst, das war die Maxime, die von allzu vielen aus der spannenden Unterhaltung unbedacht her-ausgelesen wurde.

Der Gegenpol zu den Kriminalserien scheint die Idylle der Familiensendungen zu sein. Sie sind das Echo auf die Reaktion der Seher, die bei Befragungen alles mögliche „nett" finden und denen etwas wirklich „Nettes" geboten werden soll. Auf diese Weise wird eine Suggestion der „heilen Welt" vermittelt, gleichsam die Fortsetzung der Bilderbuchgeschichten, die schon in der Schule den Sinn für das Phänomen des Politischen verderben, womit die politische Bildung in eine zweifach motivierte schwierige Lage gerät. Sie muß mit Normvorstellungen über das öffentliche Leben rechnen, die sie dazu nötigen, zuerst einmal ein Grundverständnis darüber herzustellen, womit sie sich beschäftigen will. Sie übernimmt eine propädeutische Aufgabe, die normalerweise schon von der Schule erfüllt sein müßte. Sie bleibt bei uns aber weitgehend dem begrenzten Bereich der außerschulischen politischen Bildung überlassen, die zwar im Fernsehen einen Bundesgenossen hat, soweit es politische Sendungen betrifft, dessen Unterhaltungssendungen aber vielfach einen gegenläufigen Effekt ausüben, was keineswegs im •Genre Unterhaltung begründet ist, sondern sich aus ihrer harmonisierenden Tendenz ergibt.

II. Zur Situation der politischen Bildung

Wenn wir uns nun der Frage zuwenden, welche Probleme sich für die politische Bildung aus Existenz und Wirkung des Fernsehens ergeben, so müssen wir uns zuerst vergewissern, wie in dem hier zu erörternden Zusammenhang der Begriff der politischen Bildung zu verstehen ist. Es wird zwar allerorten davon gesprochen, wie unentbehrlich politische Bildung für die Selbstbehauptung des Menschen in der industriellen Gesellschaft und für eine fortschreitende Demokratisierung ist, aber trotz einer umfangreichen, kaum noch übersehbaren Literatur zur politischen Bildung kann man nicht behaupten, daß sich ein Konsensus über ihr Aufgabenverhältnis herausgebildet hat.

Die Gründe für den mangelnden Konsensus sind mannigfacher Art. Zum einen ist sehr unterschiedlich, was unter dem Namen politische Bildung praktiziert wird, zum anderen ist der Auslegungsspielraum des Bildungsbegriffs recht weit und der Begriff des Politischen ist ebensowenig verbindlich fixiert. Es gibt mehrere wissenschaftliche Disziplinen, die für politische Bildung grundlegend sein können, aber es gibt keine, die darin einen Vorrang beanspruchen könnte oder wollte. Außerdem ist der Sinn für den Zusammenhang von Theorie und Praxis bei uns noch wenig ausgebildet. Schließlich möchten die Politiker politische Bildung in ihren Dienst nehmen. Sie erwarten von ihr bessere und schnellere Resonanz. So ist es nicht verwunderlich, wenn politische Bildung vor allem dann öffentliches Gesprächsthema geworden ist, wenn einzelne alarmierende Ereignisse den Eindruck erweckten, daß demokratisches Bewußtsein und demokratisches Verhalten in der Bundesrepublik noch nicht in der wünschenswerten Weise verbreitet ist. Bedenklich aber ist, daß diese Sorge nicht etwa von empirischen Untersuchungen oder alltäglichen Verhaltensindizien ihren Ausgang nahm, die erkennen lassen, daß in der Tat das demokratische Potential in der Bundesrepublik noch recht dürftig ist. Man ließ sich vielmehr von Erscheinungen beeindrucken, die zwar recht auffällig waren, die aber von der politischen Bildung entweder überhaupt nicht oder nur auf indirektem Wege beeinflußbar sind, so etwa die Synagogen-und Friedhofsschändungen oder die Stimmengewinne der NPD.

Politische Bildung im Schatten der unbewältigten Vergangenheit

Politische Bildung leidet unter ihrer histoschen Ausgangssituation. Sie soll eine demokratische Mentalität vortäuschen, die gar nicht existent sein kann. Sie soll die Heuchelei bestätigen, der Nationalsozialismus sei nichts als ein vorübergehender Spuk gewesen, der in der Mentalität der Bevölkerung keine Spuren hinterlassen habe. So lange aber nicht darüber gesprochen wird, inwieweit der Nationalsozialismus ein Produkt dieser Mentalität war und nicht nur die Folge einer Kette von Ereignissen — vom sogenannten „Schandvertrag" bis zur Wirtschaftskrise und einigen Fehleinschätzungen Hugenbergs und von Papens —, solange mögen zwar Legal-und Sozialstruktur der Bundesrepublik demokratisch verfaßt sein, so lange bleibt aber die Mental-struktur in einer Verfassung, die die demokratische Legalstruktur davon abhängig macht, daß die Sozialstruktur aus der Sicht der Bevölkerung ständig besser wird. Das heißt praktisch, Demokratie ist aus der Sicht der Menschen, die in ihr leben, so lange gut, wie sie den Eindruck haben, daß es ihnen mit der Zeit immer besser geht.

Gegenüber dieser weitverbreiteten, aber vordergründigen Einstellung müßte politische Bildung zumindest deutlich machen, was der einzelne dazu beitragen kann, daß es uns immer besser geht. Dazu reichen pathetische Aufrufe zur Gemeinschafts-und Staatsgesinnung nicht aus, wenn man nicht klarzumachen versteht, wie das vitale Eigeninteresse und das Gemeinwohl in Einklang miteinander zu bringen sind.

Politische Bildung steht in der Bundesrepublik unter der Anforderung, etwas für demokratisches Bewußtsein und demokratisches Verhalten tun zu sollen, ohne hinreichend Gelegenheit zu haben, darüber zu reflektieren, wie dies zu verstehen und am besten zu erreichen ist. Sie steht unter dem Drude, Erfolge nachweisen zu müssen, die bei genauerer Betrachtung erst nach zwei Generationen eintreten können, denn Verhaltensänderungen substantieller Art sind das Produkt einer indirekten Erziehung, die nicht von heute auf morgen effektiv wird, sondern für die nur Ansätze geschaffen werden können, die sich in der Erziehung der nächsten Generation auswirken. Der unbezweifelbare Nachholbedarf an Demokratie nötigte politische Bildung zu einer Art des Eiferns, die sehr leicht das Gegenteil von dem bewirken kann, was man sich von ihr verspricht, insbesondere bei der Altersgruppe, mit der es politische Bildung in erster Linie zu tun hat und für die es phasenspezifisch ist, kritisch zu sein und eine Oppositionshaltung gegenüber allem einzunehmen, was ihnen von den Älteren und von „oben" angeboten wird. Erfolgt das Angebot gar mit dem Pathos, in dem sich bei uns pädagogischer und politischer Wille gewöhnlich kundtun, werden Zurückhaltung und Skepsis noch größer. Indem man versucht, Demokratie zu verordnen, wirkt man unglaubwürdig und verstärkt die Zweifel an ihr.

Der starke Nachholbedarf an Demokratie und die glückliche Situation des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs haben dazu geführt, es sich mit der politischen Bildung so leicht zu machen, daß man es sich zugleich unnötig schwer machte. Man hat Demokratie als etwas allzu Selbstverständliches und zugleich Vorhandenes hingestellt und damit das Interesse erstickt, etwas für sie zu tun. Indem man sie gleichsam als vollendeten Naturzustand menschlicher Ordnungsgestaltung offerierte, übersah man, daß es bildungswirksamer ist, auf Schwierigkeiten zu verweisen und damit den Ansporn zu wecken, an einer Aufgabe mitzuwirken. Eine auf das Institutioneile gerichtete politische Bildung ließ verkennen, daß Demokratie nicht das Paradies der Bequemlichkeit ist, sondern das Ergebnis eines Kultivations-und Zivilisationsvorganges, der höchster Anstrengungen bedarf und einen hohen Leistungsanspruch an jeden stellt! denn Demokratisierung setzt Regulation der Antriebs-kräfte für das Einschätzen des öffentlichen Lebens und das Wirken in ihm voraus. Sie verlangt ein hohes Maß an Selbstdisziplin, die allein das sinnvolle Nutzen der Freiheit und des Mitspracherechts gewährleistet.

Der anthropologische Ansatz und der Bildungsbegriff

Gehen wir von solchen Prämissen aus, dann erscheint es angebracht, die Aufgaben der politischen Bildung an einem anthropologi-schen Ansatz zu orientieren, über den eine weitgehende Übereinstimmung besteht, nämlich an der Annahme, daß der Mensch das Wesen ist, das sich zu sich selbst verhalten, das sich von sich selbst distanzieren kann. Die Schwierigkeit, die sich mit einem solchen Ausgangspunkt stellt, ergibt sich allerdings aus dem Umstand, daß ein solcher anthropologischer Ansatz zwar theoretisch kaum bestritten, praktisch aber nur selten realisiert wird. Verbal kultivierte Moral und alltägliche Praxis stimmen nicht überein. Schon die gesellschaftlichen Normen widerstreiten ihren eigenen anthropologischen Prämissen, und auch der Stil unserer Erziehung und unseres Schulehaltens bietet wenig Ansporn für ein Distanz-verhalten. Es uns als Annäherungswert vor Augen zu halten, ist aber der einzige anthropologische Ansatzpunkt, von dem aus Demokratie nicht nur als eine formale Regelung von Herrschaftsaufgaben verstanden werden kann, sondern als die von der Mentalität und dem Verhalten der Bevölkerung getragene Gesellschaftsordnung.

Der hier gewählte Ansatzpunkt hat zwei Konsequenzen, die zeigen, daß er besonders für die Beschäftigung mit der Frage des Verhältnisses von politischer Bildung und Fernsehen geeignet ist. Er verweist nämlich einmal darauf, daß politische Bildung in einem sehr weiten, umfassenden Sinne verstanden werden soll, und zum anderen darauf, daß sie um Objektivität und Wahrheit bemüht sein muß. Beide Gesichtspunkte wurden insofern schon beachtet, als die Wirkung des Fernsehens nicht isoliert betrachtet wurde und davon ausgegangen werden konnte, daß das Fernsehen aufgrund seines öffentlichen Auftrags dem Grundgesetz verpflichtet ist und — wie es in den Richtlinien des ZDF heißt — „von dem vorbehaltlosen Willen zur Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit bestimmt sein soll".

Für unsere weiteren Überlegungen empfiehlt sich allerdings eine Eingrenzung unseres Problemfeldes, die es ermöglicht, politische Bildung und Fernsehen miteinander zu konfrontieren und ihre Kooperationsmöglichkeiten zu untersuchen. Dafür erscheint es sinnvoll, politische Bildung im intentionalen Sinne zu verstehen, wobei das Intentionale hier nur die Politik und die Bildung selbst meint, nicht aber bestimmte politische Ziele und Bildungsabsichten. Nicht berücksichtigt werden kann hingegen eine funktionale politische Bildung, deren Wirkung sich aus den Normvorstellungen der Umgangsgruppen, aus dem Unterhaltungsangebot der Massenmedien, aus dem Verhalten der Politiker, aus dem Umgangs-ton von Behörden, aus Gepflogenheiten am Arbeitsplatz, Resonanzen am Stammtisch usw. ergeben kann. Was im folgenden gesagt wird, gilt also vorerst nur für den Bezugsrahmen „Politische Bildung und Fernsehen". Es kann damit nur eine von mehreren Perspektiven eröffnet werden, die weiter zu verfolgen notwendig ist, wenn politische Bildung eine Grundlegung erfahren soll, die ein bedenkenloses Improvisieren oder Indoktrinieren verhindert und versucht, theoretische Reflexion und praktisches Tun miteinander zu verbinden. Bildung wird hier also im Sinne einer Hilfe für die Selbstbildung verstanden. Damit hebt sie sich von Erziehung und Schulung ab, deren Ziele eindeutiger inhaltlich definiert sind. Politische Bildung im hier verstandenen Sinn hingegen konzentriert sich auf die Information, auf Hilfen dafür, diese Information zu verarbeiten, und auf das Angebot einer Problemdiskussion, die zur Urteilsbildung beitragen kann. Dabei zielt sie nicht auf eine politische Beteiligung um jeden Preis, sondern auf eine politische Sensibilität, die erkennen läßt, in welcher Situation man wach sein und gegebenenfalls nein sagen muß. Sie bewahrt damit Zurückhaltung gegenüber einer vorschnellen Aufforderung zum Engagement, das bei fehlendem kritischen Bewußtsein allzu leicht manipuliert werden kann.

Insofern Bildung immer auch ein Sich-selbst-in-Frage-Stellen impliziert, insofern zu ihr die Bereitschaft gehört, sich zu revidieren, insQfern sie auf Offenheit abzielt, kann politische Bildung zwar Kategorien anbieten, mit deren Hilfe Informationen in die Persönlichkeitsentwicklung integriert werden können, aber sie kann dem einzelnen die Entscheidung darüber nicht abnehmen, wie er sich zu diesen Informationen verhält. Diese Selbstbeschränkung erlaubt es ihr, ein Feld des Suchens für noch nicht Vorentschiedene zu schaffen, das not-wenig ist, wenn eine pluralistische Demokratie nicht in vorgegebenen Strukturen und konkurrierenden Gruppen erstarren soll. Eine solche Einstellung, wie sie sich für die Schule und das Fernsehen von selbst versteht, empfiehlt sich für die außerschulische politische Bildung, auch mit Rücksicht auf diejenigen, die für das Verständnis des Politischen gewonnen werden sollen und die zu einem beträchtlichen Teil Vorbehalte haben, weil sie vermuten, daß sie von vornherein für bestimmte Auffassungen und Richtungen „vereinnahmt" werden sollen.

Engagement — Interesse — Sachgerechtigkeit

Politische Bildung muß also, wenn sie ihren Namen nicht mißbrauchen will, im Rahmen des Menschenmöglichen der Objektivität und der Wahrheit verpflichtet sein. Daß es sich dabei angesichts des Eingebettetseins des Menschen in ein soziales Umfeld nur um An-näherungswerte handelt, wird niemand bezweifeln. Ist sie aber bestrebt, sich an diesen Maßstab zu halten, so ist sie nicht nur ihrer Gesinnung, sondern auch ihrer Struktur nach demokratisch, insofern darunter die Chance des einzelnen zu verstehen ist, sich aus verschiedenen Tatsachen-und Argumentationsreihen eine Meinung zu bilden. Es kann allerdings nicht übersehen werden, daß ein solches Verständnis von politischer Bildung einen fortgeschrittenen gesellschaftlichen Reife-grad im Sinne der Differenzierung von Kompetenz voraussetzt. Wenn das Bewußtsein von den Kompetenzgrenzen wenig ausgebildet ist, steht politische Bildung in der Gefahr, zum Gesinnungstraining degradiert zu werden.

Eine in dem hier erläuterten Sinn verstandene politische Bildung schließt das politische Engagement ihrer Mitarbeiter nicht aus. Sie sind auch nicht daran gehindert, in dezidierter Weise ihre Meinung zu sagen. Entscheidend ist nur, daß sie darauf achten, so weit wie möglich Darstellung und Stellungnahme erkennbar auseinanderzuhalten. Was man von den Massenmedien erwartet, ist auch von der politischen Bildung zu verlangen. Selbstverständlich unterliegt schon die Sachdarstellung einer Auswahl und birgt deshalb auch ein Urteilsmoment in sich. Schon in der Art und Weise, wie sich jemand informiert, kommt seine vorgegebene Auffassung unvermeidlich zur Geltung. Insofern ist die Objektivität begrenzt. Entscheidend ist, sich so um sie zu bemühen, daß es andere für lohnend erachten, sich auch um sie zu bemühen.

Man muß vom Mitarbeiter der politischen Bildung erwarten, daß die von ihm geäußerten Ansichten das Ergebnis einer Argumentationsreihe sind, das heißt, wer politische Bildung betreibt, sollte zuerst den jeweiligen Sachverhalt zur Kenntnis nehmen, sich sein Urteil bilden und dann fragen, welche Auffassung die Partei zu dem Sachverhalt vertritt, der er angehört. Nicht jedoch entspricht es den Maßstäben politischer Bildung, sich zuerst zu vergewissern, wie die eigene Partei über einen Sachverhalt denkt und ihn dann vor den Schülern oder dem Teilnehmerkreis zu rechtfertigen.

Zwei Momente erleichtern die hier geforderte Einstellung: Je geringer die Zahl der Parteien ist, um so weniger wird sich der einzelne mit den Auffassungen seiner Partei voll identifizieren können, und je mehr sich diese Auffassungen einander nähern, um so eher sind im Einzelfall auch abweichende Auffassungen des einzelnen denkbar. Je häufiger die Parteien mit Erfolg die Aufgabe übernehmen, die verschiedenen Gruppeninteressen schon in ihren eigenen Reihen aufeinander abzustimmen, um so besser werden sie ihrer Funktion gerecht; um so schwieriger ist es für sie aber auch, dem einzelnen, der von einer bestimmten Position aus politisch denkt, von ihrem Wert zu überzeugen, so daß gerade hier politische Bildung eine vermittelnde Funktion übernehmen kann und muß.

In ihrer Praxis braucht also, auch wenn sie um Wahrheit und Objektivität bemüht sein muß, die gesellschaftliche Rolle des Interesses keineswegs ungebührlich in den Hintergrund zu treten, wie diejenigen gerne behaupten, denen der hier entwickelte Ansatz politischer Bildung mißfällt. Die Zurückhaltung, sich von vornherein mit bestimmten Interessen zu identifizieren, kann die Bedeutung der verschiedenen Interessen um so deutlicher erkennbar machen. Es kann daher aber auch zur Sprache kommen, wie Interessen objektiv am besten zu vertreten sind, die man subjektiv hat. Das wohlverstandene Eigeninteresse ist weder bei dem einzelnen noch bei organisierten Gruppen immer dasjenige, das man kurzschlüssigerweise in der Öffentlichkeit vertritt. Zugleich aber kann deutlich werden, inwiefern schon die Parteien bei ihrem Versuch, verschiedene Interessen aufeinander abzustimmen, diese Interessen um so besser vertreten, je mehr sie die der anderen Gruppen einkalkulieren. Politische Bildung in dem hier verstandenen und mit dem Fernsehen vergleichbaren Sinn hat also eine Funktion zu erfüllen, die sich aus dem Charakter unserer pluralistischen Demokratie ergibt. Diese birgt aber auch die Voraussetzung für sehr unterschiedliche Vorstellungen von dem in sich, was politische Bildung sein kann und soll. Es ist deshalb angebracht, die hier zugrunde gelegte Auffassung von politischer Bildung und das daraus folgende Aufgabenverständnis aus der historischen Erfahrung zu begründen, weil sich immer wieder Tendenzen geltend machen, die Aufgabe politischer Bildung situationsbezogen zu definieren.

Orientierungsmodelle politischer Bildung

Es wird heute wieder das schlechte Gewissen wach, das schon nach 1945 die Bemühungen um die politische Bildung bestimmt hat. So wie heute Zweifel an ihrem Wert und ihrer Wirksamkeit aufkommen, so daß man nach neuen, in die Breite wirkenden Methoden sucht, so ging man auch nach 1945 von der Annahme aus, vor 1933 nicht genug für die Ausbreitung und Vertiefung eines demokratischen Bewußtsein getan zu haben. So weit die Gründe dafür in der politischen Erziehung selbst gesucht wurden, glaubte man, damals seien nicht die geeigneten Methoden gefunden worden. Die Selbstkritik richtete sich gegen die Vorstellung, daß ein schematisch erworbenes Wissen vom Staatsaufbau genüge, um Menschen für diesen Staat zu gewinnen, und daß es dabei gleichgültig sei, auf welchem Weg dieses Wissen vermittelt bzw. angeeignet werde.

Nun ist prinzipiell richtig, daß Formalkenntnis und Auswendiglernen noch kein innerlich bejahendes Verhältnis zum Gelernten bewirken. Auch der Schematismus und die Einfallslosigkeit der staatsbürgerlichen Lehrbücher aus der Zeit der Weimarer Republik ist auffallend. Nachdenklich sollte jedoch stimmen, daß dies in einer Zeit der Hochblüte reformpädagogischer Bestrebungen der Fall war. Nur gerade da, wo neue Unterrichtsmethoden besonders am Platze gewesen wären, standen die Erzieher noch ganz im Schatten alter Lehrsysteme, das heißt methodisch im Widerspruch zu dem, was sie inhaltlich lernen helfen wollten: die freiheitliche Entscheidung zu sozialer Verantwortung. Ein Grund für den Tatbestand dürfte darin zu sehen sein, daß Beweglichkeit in der Methode eine Sicherheit in der Sache voraussetzt. Man hält sich dagegen an vorgeschriebene und ausgetretene Wege, wenn keine Klarheit und keine innere Überzeugung darüber vorhanden sind, was man erreichen will. Das Versagen der politischen Bildung in der Weimarer Republik ist deshalb nicht allein auf methodische Unzulänglichkeiten zurückzuführen, die sich vor allem daraus ergaben, daß der Verfassungstext und die Institutionenkunde im Vordergrund standen, und daß man zwar für das Ideale dieser Verfassung einzuhehmen versuchte, damit aber der Neigung Vorschub leistete, die Wirklichkeit am Ideal zu messen und abzulehnen. Noch verhängnisvoller war die Unklarheit über die Kriterien der Demokratie, das Fehlen einer theoretischen Konzeption für das, was man politisch für erstrebenswert hielt. So sollte die Einsicht in die Probleme der Weimarer Republik davor bewahren, in der Diskussion um die politische Bildung allzu schnell die Fragen nach dem Wie zu behandeln, bevor das Was geklärt ist.

Es stellt sich damit also die Frage, „worauf es ankommt" Sie erfordert es, sich mit den beiden traditionellen Orientierungsmodellen auseinanderzusetzen, die in der Vergangenheit politische Bildung in Deutschland geprägt haben. Sie lassen sich kurz gefaßt als staatsbürgerliche Erziehung oder als Gemeinschaftserziehung bezeichnen. Sie können hier nur modellhaft ohne Bezug auf einzelne Autoren dargestellt werden, allein zu dem Zweck, die Pole der Verhaltensmöglichkeiten von politischer Bildung zu umreißen, zwischen denen in Zukunft ein fundierter und praktikabler Weg zugleich gefunden werden muß.

Staatsbürgerliche Erziehung im idealtypischen Sinn meint hier eine „politische Bildung", deren Informationsauswahl unter dem Gesichtspunkt erfolgt, von Wert und Notwendigkeit des Staates als Ordnungsfaktor zu überzeugen, ohne daß rationale Erklärungen und Begründungen für notwendig erachtet werden, weil es in diesem Falle nicht darum geht, Verständnis für seine Funktion zu schaffen, sondern auf den bestehenden Staat einzuschwören. Staatsbürgerliche Erziehung in der hier gemeinten Form muß bestrebt sein, den Staat absolut zu setzen, um damit das bestehende Regierungssystem zu rechtfertigen. Eine politische Bildung dieser Art bekommt somit unversehens autoritäre Züge.

Das zweite aus der Vergangenheit noch virulente Modell „politischer Bildung" ist am Ideal der Gemeinschaft orientiert. Man glaubte damit auch methodisch geschickter zu sein, weil mit dieser Konzeption bei etwas Fundamentalem und unmittelbar Erlebbarem angesetzt werden kann. Die Ausbildung von Verhaltensformen erscheint das Wichtigste. Die Übung im Miteinander soll für das Leben in der Gesellschaft befähigen. Wenn aber das Warum und Wofür dieser Verhaltensübung nicht hinreichend bewußt gemacht und es allein mit der Idee der Gemeinschaft begründet wird, bleibt ein solches Verhalten manipulierbar, Es können so zwar Gewohnheiten, die auch bei einer demokratischen Gesellschaftsordnung unentbehrlich sind, eingeübt werden, aber sie bieten doch keine Garantie für Krisenfälle; denn es sind keine hinreichenden Sachkenntnisse mitgeliefert, die für verantwortungsbewußte Entscheidungen notwendig sind.

Hinzu kommt, daß es bedenkliche Folgen haben kann, wenn man glaubt, Verhaltensmaßstäbe und Verhaltensweisen, die im Bereich übersichtlicher und mehr oder weniger selbst gewählter Gruppen durchaus angebracht sind, auf die gesellschaftliche Ebene übertragen zu können, auf der sie der Staat nur durch Ideologisierung oder mit Zwangsmitteln durchsetzen kann. So führt die Gemeinschaftserziehung entweder in die Idylle, zu einem Rückzug aus dem Politischen, indem Interessengegensätze und Meinungsverschiedenheiten mit dem Mantel des Wohlwollens verdeckt, aber nicht ausdiskutiert werden. Da man nicht lernt, mit den Widersprüchen zu leben, wird man für das Totalitäre anfällig. Indem man den Charakter unserer arbeitsteiligen pluralistischen Gesellschaft aufzuheben versucht, engt man unversehens den Entscheidungsspielraum ein, mißachtet den Anspruch des „anderen" und nötigt zur Anpassung.

Der Grund des Dilemmas, in das beide Ansätze geraten, ist der gleiche: Indem die Orientierung jeweils an einer Komponente des öffentlichen Lebens erfolgt, kommen nicht alle daseinsbestimmenden Faktoren hinreichend in das Aufmerksamkeitsfeld. Um das Politische in der politischen Bildung verständlich zu machen, muß der Blick auf die Wechselwirkung von Mensch und Gesellschaft gerichtet sein. Die Gemeinschaft ist dann kein überdehnter absoluter Wert und der Staat ist kein unantastbarer Objektpol mehr. Er erhält vielmehr in seiner bestimmenden Rolle als integrierender Ordnungsfaktor seinen angemessenen Platz, ohne daß der Mensch ihm völlig ausgeliefert wird. Es kann sich die Einsicht durchsetzen, daß der Staat auch nur Ausdruck und Ausführungsorgan der gesellschaftlichen Kräfte sein kann, die mit ihm wirksam werden

Daß die hier resümierend wiedergegebenen Modelle in der politischen Bildung in Deutsch-land ernsthaft eine Rolle spielen konnten, obwohl ein unbefangener Blick sie als unzureichend erkennen kann, hängt mit der Bedeutung zusammen, die im deutschen Denken die Gegenüberstellung von Gemeinschaft und Gesellschaft eingenommen hat. Dieses Denkmodell hat immer wieder das Unbehagen an der Gegenwart genährt und die Realität verschleiert, mit der politische Bildung vertraut machen sollte. Indem man dem Idol der Gemeinschaft einen unreflektierten Wert bei-maß, behinderte man die unbefangene Auseinandersetzung mit dem komplexen Geflecht von machtbestimmenden und machtbestimmten Beziehungsfäden, Auftragskanälen, Instanzenzügen, Wirtschafts-und Verwaltungssystemen und Meinungsbildungsfaktoren, die einer hochindustrialisierten Gesellschaft mit ihren überlagernden Verfügungsordnungen, ihren einspannenden Netzapparaturen und ihren Methoden der gegenseitigen Ausnutzung das Gepräge geben. Mit diesen Bedingungen zu leben, muß der Mensch lernen. Man wird die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung, die diese Bedingungen noch bieten, nicht nutzen, wenn man, statt den Umgang mit ihnen zu üben, den Zustand selbst abwertet und das Gegenbild einer Integrationsidylle erstellt, das inzwischen als irreal erkannt sein sollte. Es darf unter diesen Umständen auch nicht verwundern, wenn sich angesichts dieses Unbehagens eine traditionelle Einstellung geltend macht, die allein im Staat die Institution und den Wert sieht, der eine jedem einleuchtende übersichtliche Ordnung wiederherstellen kann und soll, ohne daß eine rational nachvollziehbare Legitimität für diesen Staat als notwendig erachtet würde.

Eine solche Einstellung, wie sie lange Zeit vorgeherrscht hat und wie sie sich auch heute noch geltend macht, verkürzt den Motivationshintergrund der Solidarität mit dem Gemeinwesen auf emotionale Impulse. Entweder muß man sich mit dem Staat identifizieren oder Politik erscheint als ein Selbstablauf politischer Ereignisse und Apparaturen, denen wir unterworfen sind oder die man zu unterlaufen trachtet. Gegenüber einer scheinbaren Zwangsläufigkeit der Geschichte gilt es, die menschliche Komponente des Sozialzusammenhangs bewußt zu machen. Dafür muß man mehr von sich selbst, von seinen Verhaltensweisen und binnenseelischen Reaktionsmustern wissen, als dies gegenwärtig bei uns gemeinhin der Fall ist. Die Reflexion auf sich selbst muß also zum Thema der politischen Bildung gehören, gerade weil sie bisher weitgehend tabuiert worden ist, denn die Selbstkontrolle ist eine entscheidende individuelle Verhaltensvoraussetzung für eine demokratische Ordnung.

Erst wenn beide Komponenten — Mensch und Gesellschaft — hinreichend beachtet werden, wird eine Vorstellung vom Politischen ent-stehen, die es ermöglicht, einzelne politische Erscheinungen und Ereignisse angemessen einzuschätzen. Wenn die Aufmerksamkeit aber auf ein so weites Feld gerichtet sein muß, bedarf es besonderer Akzentuierungen, die auf ein wirklichkeitsnahes und doch normierendes Demokratieverständnis bezogen sind.

Reflexionen zum Demokratieverständnis

Politische Bildung ist noch weitgehend durch ein traditionelles Demokratiemodell aus ihrer Oppositionszeit belastet, das zwar der klassischen Theorie entsprechen mag, für unsere Situation aber wenig brauchbar ist. Die dadurch dem kritischen Blick sichtbar werdende Diskrepanz zwischen Theorie und Wirklichkeit läßt Zweifel an dem Sinn politischer Bildung, aber vor allem auch am Wert unseres Ordnungssystems oder an den Idealen der Demokratie aufkommen. Die Reaktion darauf ist eine Wendung zum Pragmatischen, die zu einer Verselbständigung demokratischer Mittel und Institutionen zum Selbstzweck führt. Damit gerät politische Bildung in die Gefahr, zum Instrument der Anpassung zu werden. Aus diesem doppelten Dilemma führt nur ein Verständnis der Demokratie als Prozeß heraus. Es erscheint deshalb angebracht, politische Bildung als Beitrag zur Demokratisierung zu verstehen.

Dabei erscheint Demokratie als der Inbegriff der Mittel, eine Gesellschaftsordnung zu verwirklichen, die an der Menschenwürde und an den Menschenrechten orientiert ist. Ihnen dient auch der Staat, wie im Artikel 1 des Grundgesetzes festgehalten ist. Darum ist er mit seinen Institutionen und Repräsentanten Mittel und nicht Selbstzweck. Darauf beruht seine Verpflichtung, die Rechte und die Würde der Bürger nicht nur formal zu schützen, sondern auch die Möglichkeiten zu schaffen, die es den Bürgern erlauben zu lernen, wie sie ihre Rechte vertreten können. Damit kann der Mitarbeiter in der politischen Bildung seiner Aufgabe nachgehen, ohne sich genötigt zu fühlen, im Dienste eines Herrschaftssystems zu indoktrinieren.

Geht man von derartigen Prämissen aus, finden sich auch einerseits treffende und andererseits griffige Formeln, um in der politischen Bildung zu verdeutlichen, was Demokratie sein kann. So bietet sich etwa der Satz von Popper an: „Für uns gibt es nur zwei Regierungsformen: solche, in der die Regierten ihre Machthaber ohne Blutvergießen loswerden können, und solche, in der die Regierten ihre Machthaber entweder gar nicht loswerden können oder nur durch Blutvergießen." Damit sind Chance und Aufforderung zugleich formuliert. Als Voraussetzung für Demokratie erweist sich damit die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit und die Möglichkeit zur Mitbestimmung im weitesten Sinne des Wortes, um zu verhindern, daß einzelne oder soziale Gruppen insgesamt zum Objekt der Politik degradiert werden können. Rechtsstaatlichkeit bedeutet dabei Objektivation von Streitfällen, mit der Absicht, die Folgen eines Handelns voraussehbar zu machen, sowie Ausschaltung von Vorrechten und Beschränkung der Macht-ausdehnung. Zur Sicherung dieser Rechtsstaatlichkeit bedarf es der ständigen Pflege des Rechtsbewußtseins, mit dem Ziel, die Formelhaftigkeit des Rechtsdenkens einsichtig und die Widersprüchlichkeit von positivem Recht und Gerechtigkeit verständlich zu machen. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit einer antibürokratischen Grundstimmung, die den Wert des Grundsatzes „ohne Ansehen der Person" nicht mehr erkennen läßt.

Mitbestimmung heißt in diesem Zusammenhang: eine möglichst breite Streuung der Entscheidungskompetenzen, wie sie die hochgradige Arbeitsteiligkeit nahelegt, die gleichzeitig allerdings auch Koordinierung der Entscheidungsinstanzen zu einer unentbehrlichen Aufgabe macht. Deshalb muß sich die Mitbestimmung im staatlichen Bereich auf gelegentliche demonstrative Akte, etwa der Wahl, konzentrieren. Sie gewinnt aber dann eine mehr als deklaratorische Bedeutung, wenn in den verschiedensten Lebensbereichen Chancen zur Mitbestimmung bestehen und genutzt werden. Diese Mitbestimmung muß jeweils bebereichsspezifische Formen annehmen, die den entsprechenden Bereichszielen gerecht werden. Dabei sind insbesondere im Bereich von Erziehung und Bildung Stilformen möglich und notwendig, um Verhaltensvoraussetzungen der Demokratisierung in anderen Lebensbereichen zu entwickeln.

Für die politische Bildung bedeutet dies Anforderungen sowohl an den Stil als auch an den Inhalt. Sie muß eine sozial-integrative, kooperative Arbeitsweise bevorzugen, wenn sie sich nicht selbst widersprechen will, und sie muß über Ereignisinformation und Institutionenkunde hinaus ein Gesellschaftsverhältnis vermitteln, das Verlaufzusammenhänge durchschaubar macht. Ein solches Aufgaben-verständnis wird auch dadurch herausgefordert, daß unsere politischen Vorstellungen allzu häufig Projektionen unserer privaten Stimmungs-und Existenzlage sind. Insofern ist es tatsächlich gerechtfertigt, in der politischen Bildung von der Familie zu sprechen. Aber sie ist nicht, wie gemeinhin empfohlen wird, als ein Strukturmuster für die Gesellschaft zu verstehen, sondern als ein Beispiel für den Prozeß der Vergesellschaftung. Denn die Einstellungen, die in der Familie vorbereitet werden, prägen auch das Bild von der Gesellschaft und schließlich die Gesellschaft selbst, insbesondere hinsichtlich eines ihrer wichtigsten Strukturfaktoren, hinsichtlich eines Schlüsselbegriffs für die politische Bildung: die Autorität.

Wenn wir hier der Autorität eine solche zentrale Rolle beimessen, so mag dies zuerst verwundern, denn vielfach neigt man zu der Auffassung, Demokratie sei eine Ordnungsform, die ohne Autorität auskommen wolle. Diese Vorstellung geht aber auf ein Mißverständnis des Autoritätsbegriffs zurück bzw. auf den Mangel an Einfühlungsvermögen, sich Autorität anders als in der Form von Befehlsgewalt vorzustellen. Ohne Autorität kann keine Ordnungsform auskommen; jedoch ist es für die Ordnungsstruktur eines Gemeinwesens entscheidend, welche Form der Autorität vorherrschend ist. Personen und Instanzen, die etwas veranlassen können, sind für die Funktionsfähigkeit eines Sozialkörpers unentbehrlich. Und der politische Kampf etwa bei den Wahlen geht auch letztlich darum, wer die Autorität beanspruchen darf, etwas zu veranlassen, was auch durchgeführt wird. Es kommt also vielmehr darauf an, von welcher Art diese Autorität ist, wodurch sie legitimiert wird In dieser Hinsicht ist die Autorität in der Demokratie von besonderer Art, insofern sie als eine funktionale, das heißt als eine rational begründete, auf bestimmte Zwecke bezogene und in absehbarer Zeit auswechselbare verstanden werden muß. Eine solche Auffassung unterstellt, daß Demokratie sich nicht allein in einem formalen Ordnungsgerüst manifestiert, sondern auf Verhaltensformen beruht, die psychologisch erfaßbar sind. Wir sollten davon ausgehen, daß es entscheidend ist, ob sich Herrschaft auf Übertragung oder auf Beauftragung gründet, ob sie durch Identifikation zustande kommt oder ob sie sich auf ein bedachtes und begrenztes Mandat stützt. Dies ist gleichsam die psychologische Variante der politischen Grundthese von Demokratie, wie sie hier von Popper zitiert wurde

Mit dieser Klärung der Voraussetzung können wir einigen Mißverständnissen entgegenwirken, die über Demokratie im Umlauf sind und denen man auch in der Praxis der politischen Bildung begegnet. So findet man häufig die Vorstellung, Demokratie sei eine herrschaftslose Gesellschaft, wogegen zu bemerken ist, daß es ihr nur darum gehen kann, das notwendige Maß an Herrschaft zu kontrollieren. Ebenso findet man häufig, daß über der alleinigen Orientierung am Mehrheitsprinzip sehr leicht Rechtsgrundsätze und über dem eigenen Freiheitsanspruch das gleiche Recht des anderen vergessen wird. Schließlich muß man allzuoft der Neigung entgegentreten, das Gemeinwohl in Form einer idealen Harmonie zu erwarten, womit man verkennt, daß es der Demokratie nicht darum geht, den Interessenstreit aufzuheben, sondern nach Gesichtspunkten zu regeln, über die vorher, das heißt unabhängig vom einzelnen Fall, eine Übereinkunft hergestellt worden ist.

Didaktische Regulative

Unsere Überlegungen über das Phänomen der Autorität sollten noch einmal verdeutlicht haben, daß eine Demokratisierung sich nicht allein auf staatlicher Ebene vollziehen kann, sondern daß das gesamtgesellschaftliche Leben von ihr durchdrungen sein muß, wenn sie sich dauerhaft durchsetzen soll. Mit unseren Vor-klärungen und dem Ausräumen von Mißverständnissen ist zugleich aber auch der Bedingungsrahmen umrissen, innerhalb dessen die didaktischem Schwerpunkte zu orten sind, durch die politische Bildung für eine Demokratisierung in dem hier verstandenen Sinn effektiv werden kann. Insoweit wir sie als Prozeß verstehen, können wir zugleich das Politische als etwas Offenes, Strittiges erfassen, wie es Hermann Giesecke in seiner „Didaktik der politischen Bildung" gefordert hat Er hatte guten Grund, auf dieses Phänomen so nachhaltig zu insistieren, denn in der Schule beschäftigt man sich nach alter Tradition nur mit Abgeschlossenem und Gesichertem, weshalb in der Sozialkunde das Politische kaum in den Blick kommt. In der außerschulischen politischen Bildung — die sich dadurch von der in staatlichen Einrichtungen unterscheidet, daß sie sich nicht, an Werten und Institutionen orientiert, in objektiver Folge und Gliederung vollziehen kann, sondern nur an den Voraussetzungen und der Problemstellung der Bildungspartner und in der Folge der auftretenden Verstehensschwierigkeiten — hat das Kontroverse schon immer eine große Rolle gespielt, weil es eine größere Anziehungskraft auf diejenigen ausübt, die zu den Veranstaltungen der politischen Bildung kommen sollen, und weil Kritik ein wichtiger Ausgangspunkt dieser außerschulischen politischen Bildung ist. Insofern der Gegenstand politischer Bildung in Bewegung und Kontroverse zu sehen ist und zu Entscheidungen herausfordert, lassen sich einige Fragen nennen, die zwar sehr formal klingen, die aber doch den Rahmen abstecken, innerhalb dessen Stoffauswahl und Behandlungsart einer politischen Bildung, wie sie hier beschrieben wird, erfolgen muß. Insofern der Prozeß des Politischen in seiner Offenheit unterschiedlich eingeschätzt werden kann und einem Spannungsverhältnis von menschlichem Wollen und gesellschaftlichen Bedingungen unterliegt, muß sich politische Bildung an der Frage orientieren, was an den Verhältnissen unabänderlich und was verän-derbar ist, welche Handlungen wünschbar und welche möglich sind, sowie was von dem, was geschieht, als notwendig und was als willkürlich angesehen werden muß. Insofern sich aber immer mehrere Möglichkeiten anbieten, ist weiter zu fragen, was vorrangig und was nachgeordnet sein soll oder sein muß, was vereinbar oder unvereinbar miteinander ist. Antworten zu all diesen Fragen setzen voraus, daß man weiter fragt nach den Motiven und den Konsequenzen politischer Umstände und Maßnahmen. Ein derartiger Fragenkatalog, der den Wirklichkeitssinn ebenso zu schärfen vermag wie er Begründungszusammenhänge aufdecken kann, impliziert eine politische Bildung, die sowohl eine Ortsbestimmung als auch eine Handlungslehre vermittelt.

Die Ortsbestimmung macht es erforderlich, dem Gesellschaftswissen eine größere Bedeutung zuzumessen, als es in der Diskussion über Inhalt und Form politischer Bildung gewöhnlich geschieht. Ohne diese reflektierte Selbstbestimmung wird eine realistische Einschätzung politischer Phänomene nur schwer möglich sein. Die Handlungslehre aber setzt voraus, sich über einen weiteren Katalog von Fragen klarzuwerden. Politische Bildung im hier beschriebenen Sinn und Demokratie überhaupt sind nur möglich, wenn es in einem Gemeinwesen etwas politisch Relevantes gibt, über das man sich einig ist, und ebenso etwas, worüber man sich streiten kann. Ohne ein Minimum an Konsens kann es keine Kommunikation geben, ohne ein Mindestmaß an Widerstreit muß sich eine konforme Gesellschaft entwickeln, die schließlich keine Abweichungen mehr erlaubt. Nach dem Gemeinsamen und Trennenden ist also immer zu suchen. Und dafür genügt es nicht, wenn das Gemeinsame allein in den Spielregeln gesehen wird, nach denen die Streitfragen behandelt werden. Der Konsensus muß sich vielmehr auf die Anerkennung der Grundrechte und ihre naturrechtliche Grundlage beziehen. Gleichzeitig muß aber auch die Freiheit zu einer unterschiedlichen Auslegung dieser naturrechtlichen Grundlagen gewährleistet sein. über diesen Grundstreit und über aktuelle Streitfragen hinaus ist aber generell einmal nach den Spannungen zwischen Mensch und Gesellschaft zu fragen, die eine bewußtseinsmäßige Orientierung durch politische Bildung erfordern. Und zum anderen ist nach Zugriffs-möglichkeiten zu suchen, durch die politische Bildung aus der Sphäre der Möglichkeiten und Reflexionen in politisch-soziale Wirklichkeit Übergehen kann. Es muß deshalb weiter gefragt werden: Welche kollektiven Mißverständnisse und Bewußtseinsstörungen sind festzustellen, weil bestimmte Menschengruppen kein unbefangenes Verhältnis zur gesellschaftlichen Lage und Entwicklung haben? Das heißt, wo ist das Verhältnis zur Wirklichkeit gestört und wie läßt sich das Bewußtsein mit dieser Wirklichkeit in Einklang bringen (Beispiele: NS-Vergangenheit, Einschätzung der „deutschen Frage", Steuermoral, die Wechselwirkung zwischen Konjunktur-und Haushalts-politik)? Wo sind gestörte bzw. störende Bereiche unseres Ordnungssystems, die besonderer Pflege bedürfen (Beispiele: innerverbandliche Demokratie, Kulturföderalismus etc.)? Wo berühren sich menschliche und gesellschaftliche Probleme in einer Weise, die einen beispielhaften und überzeugenden Über-gang vom Erleben zum Bewußtsein ermöglichen (Beispiele: Arbeitsplatz, Meinungsbildung durch Massenmedien, Auslandsreisen etc.)? Welche Erkenntnis-und Zugriffsmöglichkeiten können in unserem Ordnungssystem genutzt werden (Beispiele: Selektion und Delegation der Führungskräfte, Institutionen der sozialen Sicherung, Rechtsmittelbelehrung etc.)?

So weit bei diesen Fragen Spannungsmomente zum Ausdruck kommen, lassen sie sich letztlich unter zwei Gesichtspunkten subsumieren, die ihrerseits wiederum als Leitlinien für die politische Bildung gelten können. Einmal sind es die widerstreitenden Bedürfnisse des einzelnen und der übergreifenden Einheiten und Gruppierungen, zum anderen die Diskrepanzen, die zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit bestehen oder empfunden werden. Beiden Problemkomplexen wird man um so wirklichkeitsnäher begegnen können, je deutlicher der eigene Entwicklungsprozeß bewußt geworden ist, je mehr auf die Prozesse der Sozialisation und Internalisierung eingegangen wird.

Der hier beschriebene Ansatz muß allerdings mit besonderen Widerständen rechnen. Ihm steht das Bedürfnis nach Überschaubarkeit entgegen. Es behindert die Toleranz gegenüber der Mehrdeutigkeit und es erschwert, Nutzen und Wert des Kompromisses einsichtig zu machen. Alle diese Aufgaben bzw. Einstellungsweisen müssen aber gerade dann realisiert werden, wenn man im Bewußtsein der Interdependenz zu unterscheiden lernen soll, also kritisch zu sein und Proportionen abzuschätzen. Es ist nicht so einfach wie es scheint, sich für Informationen offen zu halten und damit in seiner Meinungs-und Urteilsbildung flexibel zu sein. Wenn es politischer Bildung auf diese kritische Flexibilität ankommt, so muß sie prüfen, wodurch sie in diesem Bestreben Unterstützung finden kann. Deshalb muß sie sich fragen, inwieweit auch das Fernsehen eine Hilfe leisten kann oder was einer solchen Hilfe entgegensteht.

III. Aufgaben politischer Bildung unter der Herausforderung des Fernsehens

Wir kommen damit zu unserem dritten Teil, in dem auf die Wechselwirkungen von Fernsehen und politischer Bildung einzugehen ist. Sie sind unter drei Teilaspekten zu betrachten. Einmal gilt es zu prüfen, welche spezifisch didaktischen Akzente sich aus der Wirkung des Fernsehens auf die Seher ergeben. Dann ist zu überlegen, inwieweit sich Folgerungen daraus ergeben, daß das Fernsehen die Politik, die Funktion einzelner politischer Einrichtungen und den politischen Stil verändert und damit auf ihre Weise politische Bildung betrieben hat. Und schließlich bleibt die Frage, welche methodischen Möglichkeiten sich durch das Fernsehen für die politische Bildung anbieten.

Das Prinzip der Gegensteuerung zwischen Konformismus und Nonkonformismus

Derartige Fragen bieten sich auf Grund der schon angedeuteten vergleichbaren Ausgangsposition und Funktion von Fernsehen und politischer Bildung an, soweit sie durch ihren gesellschaftlichen Auftrag dem Grundgesetz verpflichtet sind, insofern sie als Bestandteil bzw. Mittel für den Prozeß der Demokratisierung einerseits ungeschminkte Informatio27 nen anbieten und andererseits Hilfen für ihre Verarbeitung geben. Unterschieden sind sie in erster Linie dadurch, daß sie an verschiedenen Stellen des Vermittlungsprozesses am wirksamsten werden können. Das Fernsehen ist in der Vorhand bei der Informationsauswahl und in der Ausstrahlungsbreite. Politische Bildung hat hingegen ihre Stärke in der Rückkoppelungsmöglichkeit, das heißt, sie kann unmittelbar darauf eingehen, wie eine Information verstanden worden ist. Sie kann deshalb Korrekturen anbringen, wo das Fernsehen Mißverständnisse produziert bzw. provoziert. Wenn wir bedenken, was bisher über die Wirkung des Fernsehens gesagt und wie die Aufgabe politischer Bildung umschrieben wurde, dann stellen wir fest, daß es einen Brennpunkt gibt, in dem die Schwierigkeiten und Möglichkeiten Zusammentreffen, die beide als Faktoren im Prozeß der Meinungs-und Willensbildung haben. Das beiden gemeinsame Problem hat Gerhard Baumert einmal folgendermaßen umschrieben: „Das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaftsordnung erfordert ein bestimmtes Maß von Konformismus und ebenso ein bestimmtes Maß von Nonkonformismus." Sowohl Fernsehen als auch politische Bildung sind bestrebt, dieses Maß zu vermitteln bzw. zu helfen, dieses Maß einzuhalten. Das Fernsehen versucht dies durch die ausgewogene Art seines Angebots, die politische Bildung durch die Korrekturversuche gegenüber einseitigen und extremen und damit den Boden der Realität verlassenden Auffassungen bzw. Auslegungen. Dennoch ergeben sich gerade am Maßstab dieser Mittlerfunktion Spannungen und Schwierigkeiten.

Halten wir uns im Falle des Fernsehens allein an das Angebot, so kann man sagen, daß es seiner vermittelnden Aufgabe in bemerkenswerter Weise gerecht wird. So weit Teilgruppen der Bevölkerung Kritik üben, erweist sie sich gewöhnlich als interessenbedingt, und vielfach heben sich die jeweils einseitigen Vorwürfe gegenseitig auf. Daran zeigt sich die Ernsthaftigkeit des Bemühens um Sachgerechtigkeit. Es kann aber einseitige Auslegungen des Angebots nicht verhindern, denn dem Nebeneinander der Auffassungen, die durch das Fernsehen geboten werden, begegnet der Seher nicht mit der gleichen Intensität, sondern er optiert von vornherein für das, was seiner Voreinstellung entspricht. Wer zur Konformität neigt, wird schwerlich etwas entdecken, was ihn kritisch aufmerken läßt; und wer besonders kritisch sein will, wird auch immer etwas für seine Bedürfnisse finden und sich nicht so leicht zufrieden geben. Allein schon durch leichte Akzente einer Sendung können sich blinde Anpassung oder Kritiksucht scheinbar bestätigt fühlen. So macht sich der Verstärker-Effekt geltend, von dem schon im ersten Teil die Rede war. Er beruht auf der spontanen Selbstregulation der menschlichen Aufnahmefähigkeit. Danach wählt der Mensch die Informationen am Maßstab seines Ordnungswillens aus; denn er bestätigt sich lieber, als daß er sich ärgert. Diese Reaktionsweise erhält bei solchen Informationen noch ein besonderes Gewicht, deren Herkunft im einzelnen nicht zu überprüfen sind. Ihnen begegnet man deshalb mit einer Grundeinstellung, die entweder mehr zum Vertrauen oder zum Mißtrauen tendiert. Diese Vorstellung, die in starkem Maße von der Kindheitserfahrung bestimmt ist, akzentuiert das Informationsangebot Man hört und sieht es so, daß auf jeden Fall richtig zu sein scheint, was man selbst dabei gedacht hat. Damit kommt es zu Wirkungen, die unabhängig von den Intentionen sind, mit denen die Informationen geboten wurden. Das Fernsehen versucht zwar solchen Reaktionsmechanismen durch Verfremdungseffekte entgegenzuwirken. Gewöhnlich ist die Vertrauens-oder Mißtrauenshaltung aber so tief verankert, daß auf jeden Fall Konformitäts-oder Nonkonformitätstendenzen verstärkt werden, zumindest so lange nicht durch eine direkte Kommunikation eine Auflockerung möglich ist. Politische Bildung muß hier also versuchen, Gesprächsmöglichkeiten zu schaffen, in Frage zu stellen, zu begründen und Alternativen zu durchdenken. Die Aufgabe, die sich der politischen Bildung damit stellt, ist, ausgleichend und gegensteuernd wirksam zu werden. Wenn das Fernsehen als Medium die Tendenz impliziert, vorgefaßte Einstellungen zu bestärken, wenn bestimmte Sendegattungen bestimmte Seher-gruppen in ihrer Mentalität bestätigen und damit unbeabsichtigt die Aufmerksamkeitsrichtungen einseitig festgelegt werden und eine verschärfte Verfrontung eintritt, wenn damit die Gefahr bestärkt wird, daß sich gedankenloser Konformismus und uneinsichtiges Querulantentum verbreiten, dann steht politische Bildung vor der schwierigen Aufgabe, zwischen diese Reaktionsformen zu vermitteln. Mehrere Umstände lassen es als außerordentlich schwierig erscheinen, diese Korrektivfunktion zu erfüllen. Zum einen richtet sie sich gegen eine vitale Erscheinung, gegen die selbst bessere Einsicht sich nur schwer durchsetzt, zum anderen muß man damit rechnen, daß bei einer eindeutig fixierten Haltung zugunsten von Vertrauen oder Mißtrauen auch die Kontaktnahme nur noch sehr partiell erfolgt, so daß die direkte . Kommunikation nur selten zustande kommt. Ferner muß der Mitarbeiter der politischen Bildung beachten, wieweit er nicht seinerseits auch zu einer ähnlich vereinseitigenden Haltung neigt, wieweit er durch seine Tätigkeit eine ähnlich polarisierende Wirkung erzeugt, wie sie hier für das Fernsehen beschrieben wurde.

Die Aspekte des Beobachtens und des Handelns

Betrachtet man die politische Bildung mit kritischen Augen, so wird man feststellen, daß auch das Fernsehen seinerseits eine Korrektivfunktion gegenüber der politischen Bildung übernehmen kann. Diese ist nämlich dadurch belastet, daß sie sich fast ausschließlich in der Sphäre des Beobachtens bzw.des Daraus-Schließens und Urteilens vollzieht. Mit dem politischen Handeln hingegen kommt sie kaum unmittelbar in Berührung. Man hat deshalb gelegentlich versucht, Politiker in stärkerem Maße an den Veranstaltungen der politischen Bildung zu beteiligen. Oder man hat versucht, das Handeln in spielerischer Form in die politische Bildung einzubeziehen. Das zu diesen Mitteln veranlassende Problem kann mit ihnen aber nicht gelöst werden. Sein Kern besteht darin, daß politische Bildung bestrebt sein muß, sich wissenschaftlich zu begründen. Da sie zudem pädagogische Intentionen verfolgt, unterliegt sie leicht der Gefahr, zu einer Beurteilung der Realität zu führen. Sie neigt dazu, von Theorien und Prinzipien her Ansprüche abzuleiten, denen die Wirklichkeit nicht entspricht. Das kann dazu verführen, die Wirklichkeit überkritisch zu betrachten, ohne den unter Umständen sehr plausiblen Gründen ihrer Unzulänglichkeit nachzugehen. Diese Tendenz ist vor allem in Deutschland ausgeprägt, weil man allzu gern vom angeblich Besten und nicht vom Möglichen her argumentiert. Außerdem wirkt sich in diesem Zusammenhang die Gewohnheit belastend aus, die heutigen Verhältnisse mit einem Begriffsapparat zu definieren und zu beurteilen, der aus der Ursprungszeit demokratischen Denkens stammt und deshalb auf gesellschaftliche Bedingungen bezogen ist, die sich längst geändert haben. Bedenkt man alle diese Momente nicht hinreichend, dann kann politische Bildung den Nonkonformismus überakzentuieren.

Ebenso ist aber auch die Gefahr akut, daß politische Bildung den Hang zum Konformismus bestärkt. Dabei kann es eine Rolle spielen, daß sie eines Trägers bedarf. Dieser kann aber in erster Linie nur eine Institution der etablierten Gesellschaft sein. So darf das Interesse nicht verwundern, mit politischer Bildung den etablierten Zustand festigen zu wollen. Wenn diese Tendenz in letzter Zeit nur in Grenzen erkennbar geworden ist, so liegt es daran, daß die durch die politische Bildung vor allem angesprochene Altersgruppe eine phasenbedingte Abneigung gegen Autoritäten hat und sich vor allem dem Staat gegenüber gerne in kritischer Distanz verhält. Dem kommt entgegen, daß heute der Staat im allgemeinen die Aktivitäten zur politischen Bildung weitgehend den gesellschaftlichen Kräftegruppen überläßt, die durch ihre partiellen Auseinandersetzungen möglichen unterschiedlichen Einstellungen Rechnung tragen.

Politische Bildung impliziert eine Betonung der kritischen Funktion, zum Teil durch ihre -Aus gangslage, zum Teil durch die Eigenart der Teilnehmer, die zu ihren Veranstaltungen kommen, zum Teil durch die Wirkung, die sie erzeugt. Einerseits wird ihr eine solche kritische Funktion ausdrücklich zugesprochen, andererseits macht sich eine Besorgnis über diese Quelle der Kritik geltend. Zum Teil ist diese Sorge ein Restbestand obrigkeitlichen Denkens, zum Teil erscheint sie aber auch berechtigt, wenn die Kritik nämlich das politische Geschehen an wirklichkeitsfremden Urteilskriterien mißt, die auf unsere normativ orientierte Bildungstradition zurückgehen oder durch die zwansläufige Ferne der politischen Bildung von den politischen Aktionen bedingt sind. Politische Bildung muß deshalb bestrebt sein, in die Situation dessen zu versetzen, der politisch handeln muß, um das Handlungsgeflecht bewußt zu machen, in dem der Politiker steht und das ihn zu Entscheidungen zwingt. Damit sollen politische Fehl-leistungen nicht entlastet werden. Aber es kann eine wichtige Verstehens-und Urteils- hilfe sein zu lernen, den Weltentwurf des politisch Handelnden nachzuvollziehen, auf daß politische Bildung nicht nur eine Gesinnungsethik kultiviert, sondern auch begreiflich macht, was eine Verantwortungsethik bedeutet. Dazu bedarf es allerdings einer weitreichenden Perspektivenphantasie. Der Einfühlung sind jedoch Grenzen gesetzt, weil die Handlungssituationen abstrakt bleiben, so lange sie nicht erlebt werden. So wird es immer schwer sein, politisches Handeln angemessen einzuschätzen. Viele lernen es erst, wenn sie selbst in die Situation des Handelnden gekommen sind. Dann aber scheinen sie keine Zeit mehr zu haben, auf ihr Handeln zu reflektieren. In dieser Spannungslage, der politische Bildung ausgesetzt ist, wenn Beobachtung und Handeln auseinanderklaffen, ist zu prüfen, inwieweit das Fernsehen eine Brücke zwischen den Verhaltensmodalitäten schlagen kann. Zumindest kann es indirekt mit den Handelnden in Verbindung bringen. Man erlebt sie und ihre Argumentationsweise am Bildschirm. Dabei kann ein Zugang zur Handlungssituation geschaffen werden. Vielfach nehmen die anschließenden Diskussionen einen realistischeren Charakter an. Voraussetzung allerdings ist, daß die Politiker in einer möglichst unbefangenen Weise ihre Handlungsmotivation offengelegt haben.

Das Fernsehen kann also eine Korrektivfunktion erfüllen, wenn es die Politiker bei Interviews und Gesprächsrunden dazu bringt „Luft abzulassen", wie der noch junge, aber interessierte Fernseher sagt. Das Fernsehen muß für ein unprätentiöses Auftreten der Politiker sorgen. Es gibt zwar immer noch Menschen, die sich von der Suggestion des großen Auftritts beeindrucken lassen, aber ihre Zahl wird nicht größer, und vor allem sind es nicht die an der Politik Interessierten. Will das Fernsehen mit seinen politischen Sendungen die demokratische Öffentlichkeitsfunktion erfüllen, so müssen die Akteure, die auf dem Bildschirm erscheinen, sich möglichst unbefangen präsentieren, das Pathos des Grundsätzlichen und den Drang zum Rechthaberischen vermeiden. In dieser Hinsicht ist gerade in letzter Zeit einiges erreicht worden. Aber es machen sich immer noch zwei Eigenheiten geltend, die die Interviews und Gesprächsrunden eines wesentlichen Teils ihrer möglichen Wirkung berauben. Bei den Journalisten scheint es zum Berufsethos zu gehören, etwas zu fragen, worauf sie — wie sie mit einem Minimum an Situationsverständnis wissen müßten — keine Antwort bekommen. Und die Politiker scheinen noch allzuoft zu glauben, sie müßten mit jedem Satz die Mindestübereinstimmung ihrer Partei demonstrieren. Die daraus folgenden allgemeinen Floskeln lassen aber gerade den interessierten Zuhörer unbefriedigt, und politische Bildung muß eine beträchtliche Differenzierungsfähigkeit bewirken, wenn dieses Unbefriedigtsein nicht auf die Politiker und die Parteien zurückfallen soll.

Der Antiparteienaffekt als Beispiel

Wir kommen damit zu einem Problem, das nicht nur mögliche Wechselwirkungen zwischen Fernsehen und politischer Bildung erkennen läßt, sondern darüber hinaus auf das ein entscheidendes Moment der Sicherung unserer Demokratie führt. Der in der Weimarer Republik schon in verhängnisvoller Weise spürbar gewordene Antiparteienaffekt ist in der Bevölkerung der Bundesrepublik immer noch vorhanden, und er wird durch eine bestimmte Art von Fernsehsendungen unbeabsichtigt bestärkt. Es macht sich eine neue, auch höchst emotionale, aber noch erfaßbare und damit revidierbare Quelle des Antiparteienaffekts bei Menschen geltend, die es mit der Demokratie durchaus „gut meinen". Es tritt damit eine Variante dieses Affekts in Erscheinung, die gerade auch bei Teilnehmern von Veranstaltungen der politischen Bildung zu beobachten ist.

In den politischen Sendungen des Fernsehens offeriert sich die etablierte Gesellschaft, repräsentiert vor allem durch die Vertreter der großen Parteien. Ihnen wird selbst auf dem Hintergrund pluralistischer Verbandsaktivitäten eine Exklusivität zuerkannt, die ihre Vertreter auch mit. bemerkenswertem, zum Teil wohl gewolltem Selbstbewußtsein zur Schau tragen. Dieser an sich demokratisch durchaus begründete und legitime Tatbestand erweckt den Eindruck eines „Sprachrohr-Monopols“ der Parteien, der auch durch die „freien" Kommentatoren nicht aufgehoben wird. Die immer gleichen Gesichter ärgern und langweilen — eine höchst emotionale Reaktion — teils berechtigt, teils unberechtigt. Aber zu einer solchen rational begründbaren Unterscheidung rafft man sich nicht leicht auf. Während sich in der Weimarer Republik der Affekt der Alten gegen das Neue, Großgewordene, gegen die angeblichen Usurpatoren richtete, richten sich heute die Affekte der Jüngeren gegen die Parteien als das Etablierte. Es ist die Repräsentanz der Parteien, ihr arrangiert wirkendes Auftreten, die Affekte verallgemeinern läßt und den Wunsch hervorruft, zu erfahren, wie es wirklich ist. Wer sich deshalb nicht ganz abwendet, sondern anderes und genaueres wissen möchte, wendet sich der politischen Bildung zu. Und so gerät sie selbst in Verdacht, den Antiparteienaffekt zu kultivieren. Er wird noch durch die Ansichten bestärkt, die über Beispiele intellektuell begründeter Kritik, die das Fernsehen geboten hat, laut werden. Viele interpretieren sie als Feigenblatt der Meinungsfreiheit und verweisen auf ausgebootete Nonkonformisten, die als Märtyrer erscheinen, ohne daß noch geprüft würde, was Anlaß zu ihrem Ausscheiden gab. Man identifiziert sich mit ihnen aus einer Beobachterrolle heraus. Die in dieser Rolle aufgestaute Kritik richtet sich begreiflicherweise gegen die Repräsentanten der etablierten Gesellschaft. Als diese erscheinen die Parteien und ihr Führungsstil. Außerschulische politische Bildung kommt nicht umhin, diese Einstellung aufzugreifen. Man sollte nicht vergessen, daß es diese politische Bildung gar nicht gäbe, wenn nicht Menschen mit einer kritischen Grundstimmung zu ihren Veranstaltungen kämen. Die Frage ist nur, wie sie diese Grundstimmung ändern kann. Dabei wird es ihr unnötig schwer gemacht, wenn ihr entgegengehalten wird, sie selbst bestärke den Antiparteienaffekt

Dieser Vorwurf geht von einem Mißverständnis aus. Politische Bildung wird überschätzt, wenn man annimmt, sie könne etwas tun, was unabhängig vom Verhalten der Parteien selbst für sie oder gegen sie ausgelegt werden kann. Die Rolle der politischen Bildung und genau-genommen auch der Massenmedien ist eine differenziertere, und diese wird zur Zeit in der Bundesrepublik auch relativ gut erfüllt. Es kann nicht Aufgabe der politischen Bildung sein, das Verhalten dieser oder jener Partei in dieser oder jener Situation zu rechtfertigen, weil es sich um eine Partei handelt und diese im Grundgesetz verankert ist. Für die Einschätzung konkreter Fälle muß politische Bildung die Entscheidung den Teilnehmern ihrer Veranstaltungen offenlassen. Sie kann nur die Argumentationsketten des Für und Wider entwickeln. Eine Institution, die ein solches Verhalten als unangemessene Kritik gegen sich empfindet, bringt damit nur zum Ausdruck, daß sie sich gegen eine rationale Auseinandersetzung sträubt. Was politische Bildung auf der Basis unseres Grundgesetzes tun muß, ist, die Funktionen der Parteien verständlich zu machen und von ihrem Wert zu überzeugen. Das schließt aber durchaus ein, sich zu fragen, wie weit sie sich im Rahmen ihrer Funktion bewegen, um gegebenenfalls Kritik an ihnen zur Geltung zu bringen.

Die damit verbundene Problematik wird am historischen Vorgang deutlich. Wir würden nicht so allergisch sein gegenüber dem zweifellos noch vorhandenen Antiparteienaffekt, wenn wir nicht wüßten, daß der erste Versuch einer Demokratisierung Deutschlands, daß die Weimarer Republik an diesem Affekt gescheitert ist. Dies lag aber daran, daß man die Funktion der Parteien nicht begriff und auf Grund von Ressentiments auch nicht begreifen wollte, und weil man ihnen nicht zutraute, die Funktionsfähigkeit eines Gemeinwesens zu garantieren. Dabei konnte man sich auf ein Verhalten der Parteien berufen, daß diese Einstellung scheinbar rechtfertigte. Worauf es in dieser Situation angekommen wäre und worauf es heute noch ankommt, ist, zu verdeutlichen, daß bestimmte Erscheinungen, die die Funktionsfähigkeit der Parteiendemokratie beeinträchtigen, nicht im System der Parteiendemokratie selbst begründet sind, sondern in besonderen personellen Konstellationen. Wenn eine Partei also zeitweilig den Eindruck erweckt, sie sei regierungs-oder oppositionsunfähig im strengen Sinne des Wortes, so ist dies der Parteiendemokratie nicht systemimmanent, sondern einerseits Ausdruck persönlicher Empfindlichkeiten, die in allen politischen Systemen relevant werden können, und zum Teil Folge der Tatsache, daß große Teile der Bevölkerung die Funktion einer Opposition noch nicht einsehen. Da es sich dabei gewöhnlich um eine sehr tief verankerte Einstellung handelt, kann sie auch nicht durch politische Bildung oder durch Massenmedien in kurzer Zeit abgebaut werden, wenn auch gewisse Erfolge unverkennbar sind. Sollen sie weiterentwickelt werden, ist aber eine Voraussetzung dafür, daß man politische Bildung als einen Faktor des öffentlichen Lebens versteht, der seine Funktion nur erfüllen kann, wenn er nicht durch die Parteien präformiert wird, unabhängig davon, ob der politische Pädagoge selbst Mitglied einer Partei ist oder nicht; denn politische Bildung muß bereit sein, sich zu revidieren, und sie muß andere dazu befähigen, sich zu revidieren.

Das hier umrissene Problem wird voraussichtlich in diesen Monaten eine Zuspitzung erfahren, wenn die Wahlrechtsdiskussion noch mehr in die Öffentlichkeit dringt. Hier wird sich auch an einem parteipolitisch unbefangenen Beispeil zeigen, inwieweit das Fernsehen seine aufklärerische Funktion zu erfüllen vermag. In Erinnerung an Wahlnächte ist die Hoffnung darauf nicht groß. Einmal wirkt es beinahe gespenstisch, wie souverän in diesen Nächten vom Souverän, dem Volk, „dem Wähler" gesprochen wird, wie er unter Teilkollektive subsumiert und der Nicht-Wähler ignoriert wird. Und ebenso maskenhaft wirkt es, wenn die Politiker nach den ersten Hochrechnungen wie die Trainer einer BundesligaMannschaft befragt werden, die jedoch den Vorzug haben, im Unterschied zu den Politikern gelegentlich ein kritisches Wort über ihre Spieler sagen zu dürfen.

Noch Merkwürdigeres spielt sich bei den Wahlen in unseren Nachbarländern ab. Wir dürfen dann zwar auch mit dabei sein, mitten im Wahlamt, bei wohlgesetzten Interviews, vor Augen die neuesten Ergebnisse, wer der Sieger ist; nur über die Einstellung der Wähler erfahren wir nichts. Wir hören und sehen, wer gewählt wurde, aber nicht wie gewählt wurde. Der Effekt, den der Wähler hervorgerufen hat, scheint allein zu interessieren, nicht aber seine Meinung, über Mandatsverteilungen erfahren wir etwas, aber nicht über die Stimmverteilung.

Kommunikationsstil als Spannungsmoment zwischen Politik und politischer Bildung

Wir müssen uns noch mit der Frage befassen, in welcher Weise das Fernsehen den Kommunikationsstil der Politik beeinflußt, so weit es sich um Erscheinungen und Folgerungen handelt, die auch die politische Bildung betreffen, weil sie die Kommunikation zwischen Politikern und politisch interessierten Bürgern beeinflussen.

Politische Bildung hat es mit Menschen zu tun, die sich um das kümmern möchten, was in der Politik geschieht, und zwar über das Maß hinaus, das sich aus den ureigensten Interessen und aus dem Interesse der eigenen sozialen Gruppe ergibt. Damit unterscheiden sich die Teilnehmer an Veranstaltungen der politischen Bildung von der Mehrheit der Bevölkerung. An diese müssen sich die Politiker wenden, weil sie dafür sorgen müssen, daß ihre Politik von einer Mehrheit unterstützt wird. Sie werden deshalb zu einem Verhalten veranlaßt, das die Kritik der politisch Interessierten hervorruft. Darauf beruhen Mißverständnisse und Spannungen, wie sie zwischen Politikern und politischer Bildung festzustellen sind.

Wer zu Veranstaltungen der politischen Bildung kommt, geht gewöhnlich von det Annahme aus, bei der Politik handele es sich um Entscheidungen, die zu den verschiedensten Sachfragen des öffentlichen Lebens getroffen werden müssen, wobei man aber über den Inhalt der Entscheidungen unterschiedlicher Auffassung sein kann. Von dem Für und Wider zu diesen Auffassungen möchte man etwas hören bzw. an diesem Für und Wider möchte man sich beteiligen. Man unterstellt dabei, daß diese Auseinandersetzung mit den Mitteln der Argumentation erfolgt, denn man nimmt an, daß die Angelegenheiten des öffentlichen Lebens möglichst „vernünftig" geregelt werden. In dieser Annahme fühlt man sich durch die Interpretation veranlaßt, mit der Demokratie gekennzeichnet wird, und zwar von den Politikern selbst, und nicht nur in Schulbuchvorstellungen von Demokratie. Insbesondere die These, Demokratie sei „government by discussion", scheint die Erwartungen zu bestätigen, politische Auseinandersetzung müsse sich mit den Mitteln der Ratio vollziehen. Richtet man aber den Blick auf die Praxis, so muß man Argumentation und Gegenargumentation vermissen. Diese Erfahrungen kann sehr leicht zu einer Reaktion enttäuschter Liebe führen. Wer zu Veranstaltungen politischer Bildung kommt, hat diese Erfahrung gerade hinter sich, oder sie steht ihm kurz bevor. In diesem Umstand ist es unter anderem begründet, wenn in Diskussionen, die im Rahmen der politischen Bildung stattfinden, gewöhnlich eine sehr kritische Einstellung gegenüber der praktizierten Politik zum Ausdruck kommt. Es stellt sich deshalb die Frage, was durch politische Bildung geschehen kann, um eine wirklichkeitsgerechte Einstellung gegenüber den Gepflogenheiten der Politik zur Geltung zu bringen, die Kritik nicht ausschließt, sie aber auf etwas richtet, was veränderbar ist.

Wir müssen deshalb noch etwas genauer fragen, wodurch die Enttäuschung der politisch Interessierten zustande kommt. Als der klassische Ort der Auseinandersetzung gilt seit alters das Parlament. Schon dem Wort nach scheint es eine Institution zu sein, wo in Rede und Gegenrede die Begründungen für zu treffende Maßnahmen, letztlich für die Gesetzgebung erörtert werden. Praktisch aber übt das Parlament — soweit seine Arbeit der Öffentlichkeit sichbar werden kann — diese Funktion nicht aus. Der kritische Beobachter muß gerade auch durch das Fernsehen feststellen: Was im Plenum gesagt wird, ist schon vorher mehr oder weniger festgelegt; es ist nicht an einen anwesenden Gesprächspartner, sondern an einen imaginären Dritten, an das Wahlvolk gerichtet, und es wird eine gekonnte Technik des Aneinandervorbeiredens entwikkelt, so daß es selten zu Antworten, viel häufiger zu Gegenerklärungen und Unterstellungen kommt.

Theoretisch ist es nicht schwer, diesen Tatbestand mit dem Funktionswandel des Parlaments zu erklären. Man kann darauf verweisen, daß der Charakter des demokratischen Forums, wo sich jeder Partner demonstriert und so gut wie möglich bei Hörern und Sehern abschneiden möchte, für den Offentlichkeitscharakter der Demokratie unentbehrlich ist. Eine solche Bemerkung befriedigt jedoch noch nicht, denn es geht nicht nur um Funktions-, sondern auch um Stilfragen.

Will man sich mit ihnen befassen, können die Kategorien nützlich sein, die zuletzt Franz Schneider mit ungewöhnlicher Prägnanz herausgearbeitet hat Er unterscheidet zwischen dem symbuleutischen, dem agonalen und dem deklaratorischen Diskussionsprinzip. Damit sind der Charakter der Beratung, des Wettkampfes und der Demonstration als mögliche Funktionen der Auseinandersetzung um Sachentscheidungen genannt. Alle drei erscheinen in der Demokratie erforderlich, und es besteht deshalb kein Anlaß, irgendeine Institution abzuwerten, weil sie eine dieser Funktionen in besonders spürbarer Weise zur

Geltung bringt. Entscheidend ist vielmehr, daß alle drei Funktionen erfüllt werden, weil nur dann Demokratie funktionieren kann. Die Frage, die man zu stellen hat, ist demnach: Findet die Beratung so statt, daß auch bei ihr eine öffentliche Kontrolle möglich ist? Spielt sich der Wettkampf so ab, daß man die dabei verwendeten Mittel akzeptieren kann? Erfolgt die Demonstration in einer Weise, die nicht dem widerspricht, was bei der Beratung für richtig erkannt ist? Dementsprechend ist es die Aufgabe politischer Bildung, die vordergründige Kritik, die gegen das übliche parlamentarische und parteipolitische Gebaren vorgebracht wird, durch ein angemessenes Funktionsverständnis abzubauen und die kritische Aufmerksamkeit darauf zu lenken, inwieweit der Differenzierung der Funktionen entsprochen wird.

Insofern nun das Fernsehen ein wichtiges Medium der politischen Information und Demonstration ist, stellt sich die Frage, inwieweit es bei dieser Aufgabe eine Hilfe leisten kann durch die Art und Weise, wie sich in ihm Politik dem an ihr interessierten Seher widerspiegelt. Die Ausgangstage für eine solche Hilfe, das heißt für vorbehaltlose Beschäftigung mit der Politik, ist insofern ungünstig, als das Fernsehen durch die Art seiner Vermittlung und durch die Art seiner Adressaten das demonstrative Moment bestärkt. Man kann zugespitzt formuliert sagen: Wenn Politiker im Fernsehen erscheinen, so geht es um so demonstrativer zu, je früher es am Abend ist. Je später es in der Nacht ist, um so eher darf man ein argumentatives Verhalten erwarten. Diese Erscheinung ist in der Eigenart der Mehrheitsdemokratie begründet; sie ist keine böse Machenschaft der Politiker, sondern eine Spiegelung des Verhaltens der wahlberechtigten Bevölkerung. Jede Kritik daran ist deshalb als Kritik an den Nachbarn, an den Kollegen, an den Mitbürger, das heißt an sich selbst zu richten.

Mit anderen Worten: Politiker können es nicht wagen, eine erzieherische Funktion auszuüben. In den fast 20 Jahren unserer zweiten Republik hat sich ein solches Verhalten bei der Wahl nicht ausgezahlt, weil der Wähler es entweder nicht versteht oder beleidigt ist. Solange sich der Erwachsene nicht mehr oder noch nicht als Lernender fühlt, wird sich der Politiker hüten, als Belehrender zu erscheinen. Es stellt sich damit die Frage, wer die Aufgabe des Argumentierens, und das heißt hier des Belehrens, übernehmen kann, wenn die politische Bildung in ihrer institutionalisierten Form, die diese Aufgabe hat, mit ihren Mitteln sehr bald auf die Grenzen ihrer Wirkung stößt, weil der direkte Weg nach aller Erfahrung nicht der des größten Erfolges ist.

Audi das Fernsehen würde mit — gelegentlich vorgeschlagenen — pädagogisierten Sendungen kaum mehr erreichen. Direkte Belehrung wird nur effektiv, wenn der unmittelbare Nutzen unmittelbar einsichtig ist, wie etwa bei Erläuterungen zu Börsenberichten für den Kreis der speziell Interessierten. Das Fernsehen hat aber die Chance, sich mittelbarer Möglichkeiten bedienen zu können. Dabei ist nicht einmal in erster Linie an die Kommentare zu denken, weil deren Äußerungen und Stellungnahmen im allgemeinen in eine Form gekleidet sind, die nur den anspricht, der schon in besonderem Maße an den besprochenen Ereignissen und Problemen interessiert ist. Eine Möglichkeit ergibt sich aber dann, wenn die Art der Fragen, die Journalisten an die Politiker stellen, zum Mittel benutzt wird, dem Argumentativen Geltung zu verschaffen.

Derzeit sind diese Fragen in erster Linie von der Neugier getragen, die der Journalist stellvertretend für die Bürger zum Ausdruck bringt, um für die Öffentlichkeit der Politik zu sorgen. Die Neugier nach dem bemerkenswert Neuen reicht aber nicht aus, um der hier angesprochenen Funktion gerecht zu werden. Der Fragestil muß viel mehr stärker darauf abzielen, die Begründung zu den Aussagen herauszulocken, um den Grad der Konsistenz sichtbar zu machen, der den Antworten inne-wohnt und von denen es letztlich abhängig ist, welches Vertrauen der politisch Nachdenkliche den Einschätzungen und den Entscheidungsprozeduren entgegenbringt. Mit anderen Worten, es geht um die Frage: Was können ein Interviewer, ein Gesprächsleiter oder ein Moderator dazu beitragen, daß Politiker ihre an sich eigenste Funktion vergessen, den letzten Wähler für sich hinter dem Ofen hervorzulokken, damit sie etwas sagen, was für den politisch Aufgeschlossenen relevant ist.

Wenn das Fernsehen in diesem Sinn etwas bewirkt, bedeutet es eine Hilfe für die politische Bildung, weil sie mit der Schwierigkeit belastet ist, daß der Prozeß der Entscheidungsbildung, in den die politisch Interessierten hineinschauen möchten, sich weitgehend nicht im Lichte der Öffentlichkeit abspielt. Diese Hilfe liegt allerdings nicht selbstverständlich in der Eigenart des Mediums Fernsehen, weil es ein Mittel ist, breiteste Kreise der Bevölkerung zu erreichen. Aber es entspricht seinem öffentlichen Auftrag, nicht nur für Politik zu interessieren, sondern diejenigen, die an Politik interessiert sind, in einer anderen Weise zu informieren, als es die Aufzählung von Daten oder die Kundgabe von Standpunkten darstellt. Trotz der hier angedeuteten Probleme sollte man allerdings nicht übersehen, daß das Parlament nicht nur Scheinfunktionen hat, daß es nicht angebracht ist, von einer Krise des Parlamentarismus zu sprechen. Man muß sich nur über seinen Funktionswandel und damit über den Wandel seines Kommunikationsstiles klar werden. Dafür ist zu konstatieren, daß die symbuleutische Funktion in unserer Regierungsstruktur aus dem Parlament in besonders dafür installierte Beratungsgremien abgewandert ist, das heißt, sie hat sich von der Wählerrepräsentation in Stäbe, in Fachkommissionen oder in Vorentscheidungsinstanzen der Parteien, in die Ausschüsse und seine Hearings verlagert. Diese Entwicklung scheint einerseits die rationalen Komponenten im Entscheidungsprozeß sicherzustellen, andererseits stört sie das Verhältnis zwischen Wählern und Gewählten, und insbesondere ruft sie Mißtrauen bei denen hervor, die in der Konfrontation der verschiedenen Aspekte des Sachverstandes und an dem Entscheidungsprozeß über ihre vitalen Eigeninteressen hinaus interessiert sind. Sie fühlen sich frustriert, was sie zu unrealistischer Kritik an der Politik verleitet. Auf diese Weise entsteht leicht ein System gegenseitiger Verdächtigungen zwischen Politikern und politisch Interessierten. In dieser Situation kommt es allen Teilen zugute, wenn das Fernsehen seine politischen Sendungen als Versuch versteht und anlegt, vermittelnd zu wirken und den Begründungsspielraum für politische Entscheidungen zu erhellen, indem es Intern-und Externdiskussionen im Typus des Diskussionsverfahrens miteinander verbindet. Und in manch einer spätabendlichen Sendung gelingt es praktisch auch schon, die „kontrastierenden Argumente evident“ zu machen.

Die Entscheidungen allerdings fallen im Parlament, und hier sind die Abstimmungen „in gewissem Sinne nichts weiter als ein Ritus zur Erinnerung an die Tatsache, daß die herrschende Partei die letzte Wahl gewonnen hat, und eine Demonstration, daß ihre Mitglieder im Unterhaus das Kabinett nach wie vor — gewöhnlich einstimmig unterstützen" Die- ser Tatbestand führt den an Politik rational Interessierten zu dem Eindruck, daß sich dieses Interesse nicht lohnt, daß es gar nicht erwünscht ist. Damit wird dieser Tatbestand zum Ärgernis und das Fernsehen in seiner von der Öffentlichkeit zu verantwortenden Mittlerfunktion zur letzten Chance, noch etwas vom Argumentationshintergrund der Politiker aus erster Hand zu erfahren. Politische Bildung aber muß einer Einstellung entgegenwirken, die Franz Schneider folgendermaßen beschrieben hat: „Obwohl es höchst einfältig und unrealistisch ist zu glauben, daß bei rund 500 Abgeordneten die Meinungsgrenzen perpetuierlich haarscharf entlang den Fraktionsgrenzen verlaufen, und obwohl man oft das Gegenteil anzunehmen Grund genug hat, wird die Fiktion der Meinungskonformität nicht nur von den Parteien gepflegt, sondern auch vom En-bloc-Denken des Publikums verlangt. Beides steht wahrscheinlich sogar im Verhältnis von Wirkung und Ursache. Der Grund ist, daß gemeinhin als Gesinnungslump gilt, wer im konkreten Einzelfall anders meint als votiert. Dabei wird übersehen, daß man durchaus dem Gewissen folgen kann, ohne der eigenen Meinung zu folgen, weil die Solidarität der Parteien einen Wert von Selbstgewicht darstellt, der das Gewissen zu binden vermag. Es ist ein merkwürdiger und folgenreicher Irrtum, daß man, spricht man von Gewissens-entscheidung, das Gewissen immer auf die jeweils anstehende Einzelfrage verpflichtet, nicht aber auf das oft höherwertige Ziel, die Einheitlichkeit und Stabilität jener Partei zu erhärten, mit der man sich in hundert anderen Fragen einig weiß. Die Meinung als solche verliert jedoch damit keineswegs ihr Evidenzrecht. Seltsam, wie viele gute Demokraten in diesem Punkt die Offenheit nicht ertragen können. Wenn neben dem konformen Ja zum Fraktionswillen auch das Ja zur abweichenden Meinung im Plenum seinen Platz hätte, so kämen nicht nur die zwei oder drei offiziellen Parteiauffassungen zur Evidenz, sondern das gesamte Bild würde reicher, und die parlamentarische Evidenzchance könnte der parlamentarischen Meinungsemigration vorbeugen." Geschlossenheit zu mimen geht also auf Voreinstellungen zurück, mit denen sich der Wahlbürger in seinem Normal-typ vom Teilnehmer an Veranstaltungen der politischen Bildung unterscheidet. Die Formulierungen Schneiders verweisen auf apolitische Empfindlichkeiten, die die öffentliche politische Diskussion lähmen, die es nicht erlauben, laut zu denken und Gedankenfolgen dialogisch auszuprobieren. Sie bestimmen den Stil der politischen Kommunikation in einer Weise, die politische Bildung nachhaltig erschwert. In dieser Lage kann es ihr helfen, wenn das Fernsehen den Mut hat und den Politikern den Mut gibt, den Dialog zu pflegen und das Streit-gespräch, indem man gegeneinander argumentiert und sich nicht gegenseitig etwas unterstellt, woran man selbst nicht glaubt.

Methodische Möglichkeiten für Fernsehkreise

Unsere letzte Frage ist nun, wie politische Bildung mit Fernsehsendungen arbeiten kann. Bisher hat man sich des Fernsehens als eines anziehenden und anregenden Hilfsmittels allerdings noch wenig bedient. Dies dürfte einmal auf technische Schwierigkeiten zurückzuführen sein. Vielfach ist der Zeitpunkt der einschlägigen Sendungen für eine Besprechung nicht günstig. Außerdem ist es für den Lehrer bzw. Kursleiter oft schwierig, sich rechtzeitig über die Sendungen zu informieren, so daß er selbst nicht wohlvorbereitet Gespräche über Fernsehsendungen leiten kann. Diese Situation dürfte aber in Zukunft günstiger werden, wenn der politischen Bildung Sendungen auch als „Konserve" zur Verfügung stehen. Zum anderen ist die noch geringe Ausnutzung des Fernsehens für die politische Bildung aber wohl in dem bei uns noch geringen Verständnis für den Vorteil kombinierter Information begründet. Es gibt Menschen, die auf eine unmittelbare Aussprache Wert legen; es gibt auch diejenigen, denen eine Sendung genug ist oder die lieber die gleiche Information einem Buch entnehmen. Daß es aber sinnvoll sein kann, mehrere Formen des Lernenkönnens miteinander zu verbinden, diese Einsicht ist noch nicht weit verbreitet. Wenn sich politische Bildung trotz dieser Hindernisse um die Einbeziehung des Fernsehens bemühen sollte, so vor allem deshalb, weil sie damit manche der im Laufe unserer Darstellung erwähnten Ansatzschwierigkeiten leichter überwinden kann. Diese Chance bietet sich allerdings nur, wenn man überlegt, inwieweit spezifische Formen der Behandlung solcher Sendungen entwickelt werden können. Es gibt verschiedene Formen, in denen das Fernsehen in die politische Bildung einzubeziehen ist. Es kann sich um Arbeitskreise mit einem Thema handeln, das unter anderem auch Gegenstand bestimmter Sendungen ist, die fallweise in die Arbeit einbezogen werden. Es können aber auch Arbeitskreise eingerichtet werden, bei denen diese Sendungen selbst im Vordergrund stehen und deren Existenz zur Bildung des Kreises geführt hat. Und es kann drittens die Möglichkeit geben, daß man regelmäßig zusammen kommt und die Sendungen sieht und bespricht, die sich gerade anbieten. Es ist dann nicht die Thematik und die Sachaussage, die im Vordergrund steht, sondern das Fernsehen selbst.

Ein Fernseh-Arbeitskreis kann sich also verschiedene Aufgaben stellen und dementsprechend auch in unterschiedlicher Weise über das Gesehene diskutieren. Es kann entweder als auslösendes Moment benutzt werden, um einen Sachverhalt von verschiedenen Seiten zu beleuchten, und zwar sehr bald auch losgelöst von dem Gesehenen, oder aber dieses bleibt selbst in seinem politischen Informationsgehalt Gegenstand der Diskussion. Es können sich dann auch Testgruppen bilden, die ihre Diskussionsergebnisse den Fernsehanstalten mitteilen, wobei ihre Meinung zur Sache genau so zur Geltung kommen kann wie ihre Meinung zur Sendung. Sind die Urteile einigermaßen sachgerecht, werden sie von den Anstalten gern entgegengenommen, und man läßt sich auch auf sie ein, weil das Fernsehen eine anderweitige Resonanz nur schwer erhalten kann; denn die statistischen Durchschnittstests bleiben in ihrer Wertung ohne Begründung und brieflich einlaufende Reaktionen stammen allzu häufig von Gruppenrepräsentanten oder von Außenseitern.

Die Arbeit mit dem Fernsehen kann schließlich aber auch darauf abzielen, nicht den Inhalt der einzelnen Sendungen zum Gesprächsgegenstand zu machen, sondern ihre Machart. Die Funktion eines solchen Kreises besteht dann darin, sich im kritischen Sehen zu üben. Derartige medienkundlich orientierte Veranstaltungen hat es für den Film schon häufig gegeben. Sie können für das Fernsehen ebenfalls nützlich sein. Es kann dann manches von dem zur Sprache kommen, was auch hier über die Wirkung des Fernsehens gesagt wurde. Ebenso sind die technischen und ästhetischen Aspekte zu beachten. Zur Medienkunde und zur distanzierten Betrachtung der Sendungen gehört es aber vor allem auch, sich über den politischen Bedingungsrahmen klarzuwerden, unter dem die Sendungen entstehen. Es muß also die Organisationsstruktur des Fernsehens zur Sprache kommen. Man wird sich mit dem Objektivitätsgebot und der Subjektivität der Auwahl, mit der Personalpolitik und den Kontrollinstanzen, mit Enstehung und Placierung von Nachrichten, mit den Varianten von Information und Kommentar und mit der Stellung des Fernsehens zu anderen Medien beschäftigen und so einerseits ein Stück Kulturpolitik behandeln und andererseits sich mit dem Phänomen Massenmedium als einem Instrument der Meinungsbildung befassen. So gerät zwangslos ein Kernstück der politischen Bildung, die Reflexion auf den Prozeß der Willensbildung eines Gemeinwesens, in den Mittelpunkt der Diskussion.

Wie ausgiebig sie wird und wie konstant Fernsehkreise zusammenkommen und Interesse finden, hängt in starkem Maße von der Art der Gesprächsleitung ab. Versucht man die Gesichtspunkte zu systematisieren, die bei der Führung eines Gesprächs über gemeinsam Gesehenes zu beachten sind, so ist an die Gesprächsmotivation zu denken, an das Gesprächsziel, den Gesprächsgegenstand und an die Art und Weise, wie er angeboten worden ist, sowie an die Gesprächsform und die Methode der Gesprächsführung.

Bei der Gesprächsmotivation ist vor allem mit drei Möglichkeiten zu rechnen. Sie kann auf die Sache bezogen sein; dann herrscht das Klärungsbedürfnis vor. Sie kann aber auch in der eigenen Person begründet sein; es wird dann sehr leicht das Mitteilungs-und Ausdrucksbedürfnis gesprächsbestimmend. Es kann drittens aber auch die Neugier zu erfahren, was andere von etwas halten, eine Rolle spielen; es kann also die Hinwendung zum anderen ein Grund des Mitmachens sein. Normalerweise werden alle drei Komponenten mehr oder weniger stark mitspielen. Welche ein Übergewicht bekommt, hängt von der Vitalität ab, mit der einzelne Teilnehmer das eine oder andere Motiv vertreten und ihm eine verlaufsbestimmende Kraft geben. Je nach dem, wie dies geschieht, kann es zur Gruppenbildung innerhalb des Gesprächskreises kommen, und es ist die Aufgabe der Gesprächsführung, divergierende Tendenzen auf eine gemeinsame Linie des Gesprächsgangs zu bringen.

Wenn es oft schwer fällt, eine solche Linie einzuhalten, so geht dies sehr häufig auf unterschiedliche Auffassungen darüber zurück, was mit dem Gesprächsziel gemeint ist, über das man sich zwar verbal einig sein, das aber dennoch unterschiedlich verstanden werden kann. So vermag etwa die einfache Bemerkung, etwas „klären" zu wollen, für die Gesprächsteilnehmer sehr verschiedenes bedeuten. Den einen geht es um die Sache, und sie wünschen sich Ergänzungen, Präzisierungen, Vertiefungen. Bei anderen ist der Wunsch, etwas zu klären, mehr mit der Vorstellung verbunden, entschiedener eine bestimmte Meinung vertreten zu finden bzw. vertreten zu können. Für den Nutzen einer Stellenwert-Bestimmung von Aussagen ist gewöhnlich jedoch wenig Verständnis vorhanden. Es zu wekken, erweist sich meist als die wichtigste Aufgabe des Gesprächsleiters.

Welche Ziele mit einem Gespräch verbunden werden, hängt gewöhnlich vom Gesprächsgegenstand und damit hier also vom Gegenstand der Sendung ab. Er wirkt selektiv im Hinblick auf die Teilnehmer, die zu einer Veranstaltung kommen. Gesprächsgegenstand ist aber nicht nur der Inhalt der Sendung, sonder auch die Art und Weise, in der er in der Sendung ausgedrückt wird; denn Stoff und Form erscheinen den ungeübten Betrachtern als Einheit, und sie sind nach der Seinsweise einer Sendung auch eine Einheit. Für die Gesprächsführung ist allerdings Vor allem die Funktion der Sendung relevant. Je nach dem, ob eine Sendung nur informativ sein will oder ob sie auf eine kritische Analyse abzielt oder ob sie in symbolisch-spielerischer Gestaltung etwas zum Ausdruck bringen will, ob sie durch sich selbst spricht oder andere durch sich sprechen läßt, in jedem Fall handelt es sich um Sendungen spezifischer Art, die den Gesprächsgegenstand so strukturieren, daß die unterschiedliche Strittigkeit der Aussagen unterschiedliche Gesprächsformen und einen unterschiedlichen Grad von Führungsnotwendigkeit erfordern.

Von welcher Art auch der Gegenstand ist, das Ziel des Gesprächs bleibt der Kommentar auf Gegenseitigkeit. Offen ist nur und sowohl von den Teilnehmern wie vom Gegenstand her zu bestimmen, ob er mehr am Gegenstand oder an den Teilnehmern orientiert sein soll. Im ersten Fall steht Sachgerechtigkeit im Vordergrund, und man wird in der Gesprächsführung strenger zu verfahren haben als im zweiten Fall, wo wiederum zu unterscheiden Ist, ob es mehr um die Befriedigung der Teilnehmer oder um die Weckung ihres Fragewillens gehen soll. Wenn also das Gespräch die Chance der Rückkoppelung bietet, so ist die Frage, ob sie primär der Differenzierung der Aussage mit dem Ziel der Verstehenshilfe dienen soll oder ob diese Verstehenshilfe dann besser ereichbar erscheint, wenn man im Erfahrungshorizont der Gesprächsteilnehmer bleibt. Denn man kann entweder den Erfahrungshorizont durch das mit der Sendung Neugebotene zu erweitern versuchen oder man kann es für angebrachter halten, dieses Neue in den bestehenden Erfahrungshorizont einzubeziehen. Je nach dem, welche Intention man verfolgt, wird man in der Gesprächsführung straffer oder lockerer verfahren. Der Mißerfolg ist nur dann ziemlich sicher, wenn man sich nicht für das eine oder andere entscheidet und so durch die Unentschiedenheit hinsichtlich der Gesprächsfunktion die Unsicherheit gegenüber der Sache bestärkt.

Es ist in letzter Zeit üblich geworden, zwischen teilnehmer-und leiterzentrierter Arbeitsweise zu unterscheiden und dabei die teilnehmer-zentrierte Form in ihrem pädagogischen Wert besonders zu betonen. Zweifellos spricht sehr viel dafür, wenn es einer Gruppe gelingt, sich etwas selbst zu erarbeiten. Es wird dann vom einzelnen besser behalten. Es bedeutet in unserem Fall, so könnte man meinen, daß das Gespräch über eine Sendung besonders dann gelungen und ergiebig ist, wenn es sich gleichsam selbst reguliert hat. Der Vorzug einer solchen Selbststeuerung wird dann noch besonders deutlich, wenn man erlebt, wie Fernseh-Arbeitskreise nicht zur Erfüllung ihrer Funktion kommen und mangels Teilnehmern nicht weitergeführt werden können, weil der Gesprächsleiter nicht bereit und in der Lage war, das gemeinsam Gesehene und die Gesprächsteilnehmer ernst zu nehmen, sondern weil er beides nur als Gegenstand benutzt hat, sein eigenes Wissen und seine eigene Meinung auszubreiten, sei es durch pointierte Gegendarstellungen, durch begeisterte Zustimmungen oder ein von durch Zerreden Nebensächlichkeiten.

Ein Gespräch kommt nach einem solchen „Vorspiel" gewöhnlich nicht zustande. Andererseits ist aber auch unverkennbar, daß die Selbststeuerung der Gruppe, insbesondere wenn sie größer ist, auch nur in glücklichen Fällen zu einer befriedigenden Gesprächsentwicklung führt. Damit stellt sich wiederum die Frage nach der Gesprächsleitung und wie sie den Gesprächsertrag gewährleisten kann.

Für die Analyse der Gesprächsformen ist es nützlich, zwischen stofforientierten und verlaufsgestaltenden Funktionen zu unterschei37 den, die der Gesprächsleiter übernimmt. Engagiert er sich seihst stark stofforientiert, beschränkt er sich nicht auf notwendige Richtig-stellungen und Ergänzungen, dann kann er selbst in die Rolle des Informanten geraten und die Teilnehmer irritieren, die die Information in der Sendung suchen und sehen und die nun bei ihrem Versuch, aus dem Gesehenen etwas zu machen, einen Lenker brauchen, aber nicht jemanden, der sie mit neuen Informationen zudeckt (vorausgesetzt natürlich, daß die Sendung ihrem Selbstanspruch und damit den Erwartungen, die man an sie richten konnte, einigermaßen gerecht geworden ist). Es ist also für den Gesprächsleiter ratsam, sich auf seine verlaufsbestimmenden Funktionen zu konzentrieren und nur dann stofforientierte Beiträge zu bieten, wenn die Situation dazu herausfordert. Der Gesprächsleiter muß also seine Aufgabe nicht so sehr darin sehen, eigene Sachbeiträge zu liefern, als vielmehr die Beiträge der Teilnehmer auszuwerten, indem er ihren Stellenwert bewußt werden läßt. Er gibt so die Sachverhalte nicht vor, sondern er hilft, sie zu durchdringen. Dies wird ihm um so eher möglich sein, je besser er es versteht, auf die Teilnehmerbeiträge einzugehen, das Situationsgerechte aus ihnen herauszuhören, sie in Beziehung zueinander zu setzen und sie gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Er kann dann auch etwas Stofforientiertes bieten, denn der Anstoß ist dann von den Teilnehmern selbst ausgegangen, und sie werden nicht das Empfinden haben, daß ihnen nach der Sendung noch etwas aufgedrängt worden ist, sondern daß der Gesprächspartner sich zu ihren Problemen äußert.

Selbstdisziplin und Perspektivenphantasie, Sachverstand und Einfühlungsvermögen sind die Eigenschaften, die der Gesprächsleiter entwickeln sollte. Gelingt es ihm, sich zurückzuhalten, sind bemerkenswerte Gruppenleistungen des Suchens und Findens möglich. Es hat eine weitreichende Wirkung für die politische Bildung, wenn Gesprächsteilnehmer erfahren, was man alles „herausbekommen" kann, wenn man sich gemeinsam um etwas bemüht. Die Selbststeuerung birgt aber zweifellos das Risiko in sich, daß sich ein Gespräch verläuft. Deshalb muß der Gesprächsleiter verlaufsgestaltende Führungsmittel bereit haben.

Et kann sie mit einer unterschiedlichen Ordnungsintensität einsetzen. In Frankreich hat man für den Zweck der Mediendiskussion das „Entrainement mental" entwickelt, durch das eine Systematik des Gesprächsverlaufs erreicht werden soll. Es geht von der Grundannahme aus, daß um so eher Einsichten zu gewinnen sind, je genauer man sich schrittweise einem komplexen Sachverhalt nähert. Dementsprechend werden verschiedene Diskussionsphasen vorgeschlagen, deren Reihenfolge sicherstellen soll, daß man nicht vorschnell urteilt, sondern stufenweise das Gesehene und Erlebte rekonstruiert, um es dann in einen allgemeineren Zusammenhang stellen zu können. Es liegt damit ein Muster des Verarbeitens vor, das deshalb für uns interessant sein kann, weil es bei aller Systematik durchaus variabel anwendbar ist. Man kann sich mehr oder weniger eng an das Fragenschema anlehnen, das mit dem „Entrainement mental" vorgeschlagen wird. Auf jeden Fall einleuchtend sind die Stufen der Information, der Analyse und der Folgerung, also des Sammelns, Ordnens und Schließens — Funktionen, die sich weiter untergliedern lassen: Aufzählen und Beschreiben, Vergleichen und Unterscheiden, Einordnen und Definieren usw.

Die kurze Erläuterung dieser französischen Arbeitsweise dürfte deutlich gemacht haben, daß sie vorwiegend sachorientiert ist. Demgegenüber wird sich ein Gesprächsleiter fragen müssen, wieviel Bereitschaft und Fähigkeit zur gedanklichen Disziplin er von seinen Teilnehmern erwarten bzw. ihnen zumuten kann. Es wird zwar einerseits für ihn gut sein, wenn er ein Gliederungsschema für den Diskussionsverlauf vor Augen hat. Aber er wird andererseits möglichst elastisch verfahren, und es erweist sich im allgemeinen als gut, wenn er die Geduld hat, darauf warten zu können, daß von den Teilnehmern beigetragen wird, was er beizutragen für notwendig hält.

Es wird gewöhnlich auch vom einzelnen Fäll abhängen, ob es günstiger erscheint, sehr genau bei dem zu bleiben, was durch die Sendung vorgegeben ist, oder ob sie mehr zum Anlaß genommen wird, über die Probleme zu sprechen, die den Teilnehmern in dieser Situation tatsächlich als ihre Probleme erscheinen. Ob man eine Angebotsanalyse anstrebt öder die Sendung nur als Impuls benutzt, wird sich also am besten aus der Situation heraus entscheiden lassen. Hält man sich an das erste Muster, So wird der Gesprächsleiter in den meisten Fällen stärker steuernd wirken als in Fällen, wo man der zweiten hier angedeuteten Intention folgt. In diesem letzteren Fall darf man es unabhängig von der besprochenen Thematik als eine Übung politischer Bildung ansehen. Jedoch sollte man nicht meinen, allein durch eine quantitative Auszählung der Beiträge ablesen zu können, ob ein Gespräch teilnehmer-oder leiterzentriert war. Mindestens genau so wichtig ist dafür, welche Funktionen vom Leiter erfüllt worden sind, wie er sich auf die Teilnehmerbeiträge eingestellt hat. Insbesondere aber spielt dabei eine Rolie, in welchem Maße er dem Phänomen gerecht geworden ist, daß das Politische, das Offene, noch nicht Entschiedene, Strittige ist

Auch wenn das Gespräch in starkem Maße teilnehmerzentriert verläuft, bleiben dem Gesprächsleiter einige Funktionen, die er wahrnehmen muß, soll das Gespräch ergiebig und griffig werden. Es lassen sich einige Gesichtspunkte nennen, die er durch seine Ordnungsfunktion zur Geltung bringen muß, die er aus der Fülle der Beiträge und Unklarheiten herauskristailisieren sollte. Um dem Phänomen des Politischen gerecht zu werden, wird er immer wieder fragen müssen: Worüber besteht im Falle des jeweils Gesehenen und Besprochenen ein Konsensus und worüber befindet man sich im Widerstreit, und worüber kann man sich streiten, ob ein Konsensus oder ein Widerstreit vorhanden ist. Und um dem Annäherungswert der Objektivität gerecht zu werden, wird er ebenso bei den verschiedenen Beiträgen und bei der Sendung selbst immer wieder zu fragen haben: Was ist von den Aussagen Tatsache und was ist Meinung und worüber kann man sich streiten, ob es Tatsache oder Meinung ist. Es dürfte einleuchtend sein, daß diese Fragestellungen gerade auch gegenüber den Problemen gelten, die im didaktischen Teil als besonders relevant für die: politische Bildung herausgearbeitet worden sind, für die Frage nach dem Unabänderlichen und dem Veränderbaren, nach dem Wünschenswerten und dem Möglichen, dem Bedingenden und Unvereinbaren, dem Vorrangigen und dem Peripheren.

Eine drittes methodisches Regulativ für den Gesprächsleiter eines Fernsehkreises läßt sich noch nennen, wenn wir an den Verstärker-effekt der Spontanwirkung des Fernsehens und an die Mittlerfunktion der politischen Bildung denken. Unter diesen Bedingungen sollte der Gesprächsleiter ein Verhaltensprinzip zur Geltung bringen, das an sich schon zum Phänomen der Bildung gehört, in der hier beschriebenen Situation aber besonders wichtig ist — das Prinzip der Gegensteuerung. Es kann sowohl auf Inhalt und Tendenz einer Sendung selbst bezogen sein oder aber auf den jeweils entstehenden Diskussionssog. Das bedeutet: Stofforientierte Beiträge des Gesprächsleiters sind dann am ehesten gerechtfertigt, wenn er sich für die „schwächeren Bataillone stark macht“ und eine entsprechende inhaltliche Bereicherung der Aussagen gibt. Häufig genügt es aber, die verlaufsgestaltenden Möglichkeiten zu nutzen und Minderheiten im Gespräch zum Wort zu verhelfen, indem der Gesprächsleiter immer wieder darauf verweist, daß etwas auch anders sein oder gesehen werden kann. Darauf aufmerksam zu machen, daß hinter dem Berg auch noch Menschen wohnen, gehört zu den wichtigsten politischen Funktionen eines Gesprächsleiters, und dies gilt erst recht bei Fernsehsendungen, die mit ihrer optischen Suggestivität und Scheinauthentizität andere Möglichkeiten außer den angebotenen leicht aus dem Blick kommen lassen. Gegensteuerung bedeutet hier dann beispielsweise, auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Hintergründe aufmerksam zu machen, wo nur institutionelle Argumente gebracht worden sind, oder umgekehrt, das Formalrechtliche zu betonen, wenn die Diskussionsbeiträge allein auf gesellschaftliche Kräfte und Notwendigkeiten abzielen. Gegensteuerung bedeutet also Anregung der Perspektivenphantasie, Stärkung des Einfühlungsvermögens. Sie kann sich auf die Art der Betrachtungsweisen beziehen, auf die Variabilität der Standpunkte; sie kann aber auch inhaltliche Aussagen in Frage stellen und damit wirklichkeitsbezogen machen. Sie kann auf diese Weise zu üben veranlassen, sich von eigenen vitalen Interessen zu distanzieren und zum Verständnis des Andersseins des anderen zu gelangen als Voraussetzung dafür, seinen eigenen Standpunkt besser vertreten zu können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dieses und das folgende Zitat aus: Herbert Meyn, Massenmedien in der Bundesrepublik, Berlin 1966, S. 77.

  2. Hilde C. Himmelweit, A. W. Oppenheimer, Pamela Vince, Television and the Child. An empireal study of the effects of the television, London, New York, Toronto 1958; Joseph T. Klapper, Children and Television, New York 1953; Wilbur Schramm (Hrsg.), Grundlagen der Kommunikationsforschung, München 1964; Gerhard Maletzke, Fernsehen im Leben der Jugend, Hamburg 1959. Eine über die Empirie hinausgehende, sehr nachdenkenswerte Reflexion findet sich bei: Barbara Fülgraff, Fernsehen und Familie, Freiburg 1965.

  3. Gerhard Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, Hamburg 1963.

  4. Vgl. Maletzke, Fernsehen im Leben der Jugend, a. a. O.

  5. Gerhard Schmidtchen, Die gesellschaftsbildende Kraft der Massenmedien, in: Offene Welt, H. 75, 1962, S. 73 f., und dagegen: Friedhelm Neidhardt, Gesellschaftliche Wirkungen der Massenmedien, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, hrsg. von H. D. Ortlieb, 9. Jg. 1964, S. 210 ff.

  6. Siehe Maletzke, Fernsehen im Leben der Jugend, a. a. O., S. 122.

  7. Rundfunkanstalten und Tageszeitungen. Eine Materialsammlung, Bd. 4, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-anstalten der Bundesrepublik, Frankfurt 1965, S. 33— 34.

  8. Vgl. Meyn, Massenmedien in der Bundesrepublik, a. a. O., S. 118.

  9. Hier kann nur vom allgemeinen Angebot des Fernsehens gesprochen werden, nicht vom speziellen Bildungsprogramm. Aus der Fülle der lernpsychologischen Literatur seien für unseren Zusammenhang genannt: Werner Corell, Lernpsychologie, Donauwörth 1964, und Walter Guyer, Wie wir lernen, Stuttgart 1956.

  10. Vgl. Himmelweit, Television and the Child, a. a. O.

  11. Zum Begriff der politischen Kultur: Gabriel A. Almond und Sidney Verba, The Civic Culture. Political attitude and democracy in five nations, Princeton 1963. Zur Rolle des Lebensstandards für die politische Einschätzung: Schmidtchen, Die befragte Nation, Freiburg 1959, S. 160 ff.

  12. Vgl. Schramm, Grundlagen der Kommunikationsforschung, a. a. O.

  13. Vgl. Anm. 7.

  14. Vgl. Herta Sturm, Tagesbildung und Massen-kommunikation, in: Neue Wege der Unterriditsgestaltung, Heft 9, Bochum 1961, S. 391 ff., und Lernen durch Rundfunk, Schriftenreihe der evangelischen Akademie für Rundfunk und Fernsehen, Heft 10, München 1963, S. 65 ff.

  15. Insofern trifft die Kritik nicht, die Friedrich Wilhelm Hymnen sowohl in der Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 3— 4, v. 18. 1. 1967 als auch später in einem Gespräch über das Fernsehen im Fernsehen geäußert hat.

  16. Die Tabus sind heute nicht mehr nur allein Produkte nationaler Ressentiments (zum Beispiel „Münchener Abkommen"), sondern sie können auch aus dogmatischer Interpretation des Demokratie-Verständnisses herrühren (Beispiel Tarif-autonomie).16a) Vgl. Jürgen Henningsen, Theorie des Kabaretts, Ratingen 1967.

  17. Wolfgang Billigen, Worauf es ankommt, in: Gesellschaft — Staat — Erziehung, S. 61. Im übrigen sind die folgenden Gedankengänge insbesondere der Betrachtungsweise Arnold Bergstraessers verpflichtet; vgl. Arnold Bergstraesser, Politik in Wissenschaft und Bildung, Freiburg 1961.

  18. Die komprimierteste Darstellung dieses Verständnisses von Staat und Gesellschaft findet sich neuerdings bei Wiethölter im Kapitel „Recht" des Fischer-Bandes „Wissenschaft und Gesellschaft. Funk-Kolleg zum Verständnis der modernen Gesellschaft", hrsg. von Gert Kadelbach, Frankfurt 1967.

  19. K. R. Popper, Woran glaubt der Westen, in: Erziehung zur Freiheit, Zürich 1959, S. 259.

  20. Zum gesellschaftspolitisch-staatsrechtlichen Aspekt des Problems vgl. Georges Burdeau, Einführung in die politische Wissenschaft, Neuwied 1964; zum soziologisch-pädagogischen Aspekt: Willi Strcelewicz, Zum Problem der Autorität in der Erziehung, in: Psychologie und Soziologie im Studium der Erziehungswissenschaften, 6. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik, Heidelberg 1967.

  21. Im einzelnen dargestellt bei Max Imboden, Die Staatsformen. Versuch einer psychologischen Deutung staatsrechtlicher Dogmen, Basel und Stuttgart 1959.

  22. Hermann Giesecke, Didaktik der politischen Bildung, München 1965.

  23. Gerhard Baumert, Meinungsbildung und öffentliche Meinung in der modernen Gesellschaft, S. 21.

  24. Vgl. Tobias Brocher, Gruppendynamik in der Erwachsenenbildung, Braunschweig 1967.

  25. Die letzte bezeichnende Stellungnahme dieser Art findet sich bei Manfred Ritter, Einige konkrete Ansätze, in: Deutsche Jugend 4/67, S. 176, im Zusammenhang einer Umfrage zum Thema „Neuorientierung der politischen Bildung".

  26. Franz Schneider, Politik und Kommunikation, Mainz 1967.

  27. R. T. McKenzie, Probleme der englischen Demokratie, in: Demokratie im Wandel der Gesellschaft, hrsg. v. R. Löwenthal, Berlin 1963.

  28. Vgl. Schneider, Politik und Kommunikation, S. 42 f.

  29. Methodik der Erwachsenenbildung im Ausland. „Entrainement mental". Arbeitsunterlagen für Volkshochschulen, Heft 10, hrsg. von der Pädagogischen Arbeitsstelle des DVV; vgl. auch Hans Tietgens, Lernen mit Erwachsenen, Braunschweig 1967.,

  30. Vgl. Giesecke, Didaktik der politischen Bildung.

Weitere Inhalte

Hans Tietgens, Dr. phil, geb. 17. Mai 1922 in Langenberg (Rhld), Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbandes in Frankurt (Main) und Bundestutor der Jugendreferenten für Politische Bildung beim Deutschen Volkshochschul-Verband. Mitarbeit bei Zeitschriften wie Gesellschaft-Staat-Erziehung, Neue Gesellschaft, Deutsche Jugend etc. Veröffentlichung im Herbst 1967: „Lernen mit Erwachsenen" (Taschenbuch im Westermann-Verlag).