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Politik und Moral bei Karl Jaspers. Antwort auf Thilo Castners Kritik an meinem Aufsatz „Existenzphilosophie und Politik" | APuZ 29/1967 | bpb.de

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APuZ 29/1967 Von der europäischen zur globalen Weltgeschichte Politik und Moral bei Karl Jaspers. Entgegnung zu Bernhard Sutors Aufsatz „Existenzphilosophie und Politik" Politik und Moral bei Karl Jaspers. Antwort auf Thilo Castners Kritik an meinem Aufsatz „Existenzphilosophie und Politik"

Politik und Moral bei Karl Jaspers. Antwort auf Thilo Castners Kritik an meinem Aufsatz „Existenzphilosophie und Politik"

Bernhard Sutor

Bevor ich auf die einzelnen Einwände meines Kritikers eingehe, muß ich feststellen, daß Castners Kritik am Kern meiner Darlegungen vorbeigeht. Es war nicht meine Absicht, mich mit Jaspers über konkrete politische Fragen zu streiten, sondern sein politisches Denken von seiner Philosophie her zu erhellen und dann an einzelnen Beispielen strukturelle Schwächen dieses Denkens zu zeigen. Insofern ist es zu wenig, wenn nur der letzte Teil meines Aufsatzes kritisiert wird. Ich will aber meinem Kritiker mit diesem Hinweis nicht ausweichen, sondern an den von ihm aufgeworfenen Fragen verdeutlichen, was ich Jaspers vorwerfe. Ich halte mich an Castners Reihenfolge.

I. Zur Frage der Verjährung

Ich habe gesagt, an der Verjährungsdebatte werde von Jaspers „manches treffend analysiert und entlarvt". Ich füge hinzu, daß mir seine Stellungnahme zur Grundfrage in ihrer Klarheit und Entschiedenheit imponiert und von mir geteilt wird. Was ich ihm vorwerfe, ist, daß er dem Andersdenkenden den Willen zu dem abspricht, was er Umkehr nennt. Gegen Castner bin ich der Meinung, hier Jaspers richtig zu interpretieren. An der gleichen Stelle des Augstein-Interviews, die mein Kritiker gegen mich ins Feld führt, heißt es: „Die Einsicht kann nur die sein: überhaupt keine Verjährung. Alles andere verwischt das Problem" Wer so denkt, ist leicht geneigt, den diskutierenden, nach einem Kompromiß suchenden und also auch taktierenden Politikern den Gewissensernst abzusprechen. Tatsächlich wirft Jaspers dann ja auch zwei Seiten weiter dem damaligen Justizminister Bucher vor, er mache eine Frage des wissenschaftlichen Meinungsstreites zur Gesinnungsfrage. Das heißt, Jaspers ist unfähig zu sehen, daß im Verständnis des Rechtsstaates zumal bei den Liberalen die Frage einer Verlängerung oder Nichtverlängerung der Verjährungsfrist eben keine rein formale Frage ist; das war ja die Crux in jenem Streit, daß die Gegner der Verlängerung sagten, hier werde nachträglich die Grenze der Strafmacht des Staates ausgeweitet.

Der Streit durfte also doch redlicherweise nur so geführt werden, daß keiner ein Moral-Monopol beanspruchte. Tue ich das nicht, dann sehe ich auch in der Bundestagsdebatte sehr viel mehr Positives als Jaspers. Auch die Gegner einer Verlängerung kämpften um ein Rechtsgut. Thielicke sprach damals von der rechtsphilosophischen Weisheit, daß einmal der Rechtsfriede hergestellt sein müsse, und meinte: „Trotz der analogielosen Schauerlichkeit jener NS-Verbrechen glaube ich nicht, daß sie von dem ausgeschlossen sein sollten, was jene Weisheit meint." So scheint es doch recht zweifelhaft, ob Jaspers gut daran tat, eine bestimmte Art der Lösung dieser Frage, in der sich Ethik, Recht und Politik unlösbar verquickten, zum Maßstab zu nehmen für das Umdenken bei uns. Die „Bewältigung der Vergangenheit" hängt nicht mehr an den Prozessen, und obwohl ich für eine weitere strenge Verfolgung eintrete, stelle ich mir auch die Frage, ob nicht sogar die Prozesse gegen die Wenigen auch zum Alibi für die Vielen werden.

Es bleibt noch darauf hinzuweisen, daß Jaspers’ Stellungnahme zur Verjährung in einem geschichtsphilosophisch-weltpolitischen Rahmen steht. Er meint, für Verbrechen gegen die Menschheit sei eigentlich die Menschheit auch Instanz; die Rechtsstaaten müßten stellvertretend für diese Menschheit handeln, und er verlangt für solche Verbrechen die Todesstrafe. Dieser Gedankengang, der ausdrücklich unter „Voraussetzungen unserer Analyse und Beurteilung" entwickelt wird 3), ist wiederum imponierend und konsequent, hat ange2 aber sichts der Weltlage auch seine unentwirrbare Problematik. Die Rechtsstaaten als Instanzen der Menschheit gegenüber vergangenen und künftigen Verbrecherstaaten: welche Implika-tionen enthält dieser Gedanke für die Ost-West-Problematik? Merkwürdigerweise argumentiert Jaspers hierin aber ganz anders. Doch darüber weiter unten.

II. Ist Jaspers „maßlos"? 1. Notstandsgesetzgebung Ergibt ein „sorgfältiges Studium des Buches"

(Castner) wirklich, Jaspers meine nicht, durch diese Gesetzgebung werde die Diktatur vollendet? Interpretiere ich falsch? Ich zitiere:

. daß Politiker ... sich ahnungslos den Gewaltmenschen anschließen, um das Werkzeug zu schaffen für den Freiheitsmord" (Jaspers S. 158). Wer sind die Gewaltmenschen, denen die Ahnungslosen sich angeschlossen haben? „Die Notstandsgesetzgebung . .. bedeutet vielmehr die Legalisierung der Aufhebung der im Grundgesetz fixierten Grundrechte" (S. 170). Freiheitliche Politik „wehrt das Autoritäre und die Diktatur ab, verzichtet daher (sic!) auf Gesetze für einen , inneren Notstand'" (S. 257). Schließlich bezeichnet Jaspers in seiner „Antwort", doch offenbar sich selbst interpretierend, die Mitarbeit an dieser Gesetzgebung als „Kollaboration mit dem Teufel" (dort S. 111).

Nun muß ich mich zunächst wehren gegen die mir unterschobene törichte Folgerung, Jaspers sei „maßlos, weil Sutor hier anders urteilt"

(Castner). Vielleicht sieht Jaspers in der Sache klarer als ich. Ich kenne auch niemanden, der eine „solche Stimme unterdrücken" will. Was soll das? Was ich angreife, ist Jaspers Argumentationsweise. So kann man eine politische Diskussion nicht führen. Wo ist die „Bewegung von Gründen und Gegengründen" (Jaspers S. 206), wenn nur die Literatur der Gegner dieser Gesetzgebung genannt wird? Verwendet Jaspers auch nur einen Gedanken auf die Argumente von Autoritäten wie Bundesverfassungsrichter Katz (FAZ, Dezember 1959), Adolf Arndt und Michael Freund, der Abgeordneten Schäfer (SPD) und Benda (CDU)? Wo ist ein Blick auf die Lösung dieser Frage in anderen Demokratien? Statt dessen lesen wir absurde Prophezeiungen wie die, einen inneren Notstand könne es nicht geben (S. 164); wir finden eine falsche Interpretation der altrömischen Bürgerkriege (S. 167; jedes Geschichtsbuch gibt darüber Auskunft, daß nicht die Diktatur der Weg zu den Bürgerkriegen wurde, sondern umgekehrt Bürgerkriege zur Diktatur führten); wir hören, angesichts jahrelanger Diskussionen mit Verwunderung, die Sache geschehe außerhalb der Öffentlichkeit (Antwort S. 109).

Schließlich ist gegenüber Castner noch anzumerken, daß der CDU-Bundestagsabgeordnete Bernhard Vogel (inzwischen Kultusminister in Rheinland-Pfalz) etwas völlig anderes sagt, als mein Kritiker dort lesen will. Oder klingen folgende Worte nach Anerkennung oder auch nur nach Hinnahme der Jaspersschen Argumentation: „Gut, diese Ansicht läßt sich vertreten. Wie aber soll man Jaspers noch begreifen, wenn er..."? 4). 2. Zur kommunistischen Gefahr Ich werfe Jaspers nirgends Unsachlichkeit deshalb vor, weil ich die politische Lage anders deute. Ich maße mir überhaupt nicht an, das derzeitige und künftige Ausmaß der Gefahr richtig einschätzen zu können. Aber ich vermisse bei Jaspers die rationale Analyse. Ich sehe einen eklatanten Widerspruch zwischen Jaspers'früheren Aussagen zum Kommunismus, die Golo Mann ein „Dämonisieren" nannte und seiner apodiktischen Aussage heute, die kommunistische Gefahr sei ein Phantom (S. 158); zumal im gleichen Buch im Hinblick auf China auch gesagt wird, die Bedrohung der freien Welt habe sich nicht geändert (S. 249). Der Satz von der Vernichtung der Herstellungsstätten für Atombomben in China gehört in diesen Zusammenhang. Ich habe ihn nur zitiert als Beispiel für Jaspers'unpolitisch-utopisches Konstruieren. Er selbst braucht in seiner „Antwort" 14 Seiten, um zu erklären, was er eigentlich hatte sagen wollen. Der Mangel an nüchterner Analyse östlicher Politik, Ideologie und Machtkapazität ist auch, das sei hier gleich angefügt, ein Haupteinwand gegen Jaspers'Vorschläge für eine neue deutsche Ostpolitik. Man kann für eine solche eintreten, nur sollte man sie besser begründen und auch ihr Risiko zeigen. Aber das würde es ja erforderlich machen, auch dem politisch Andersdenkenden das Recht auf den politischen Kalkül zuzugestehen, statt ihn moralisch abzuqualifizieren. Gegen Castner muß ich noch einwenden, daß Adenauers Äußerung vor Jahresfrist über Rußlands — aus wohlverstandenem Interesse entspringende — Friedens-politik doch etwas erheblich anderes meinte als die Reduzierung der kommunistischen Gefahr auf ein Phantom. 3. Zur Idee der CDU/CSU Ich weiß nicht, wo ich gesagt haben soll, alle Kritiker der CDU seien „politisch unreif", „nicht kompetent"; oder wo ich den Eindruck erweckt habe, den politischen Gegner nicht „tolerieren und respektieren" zu wollen. Halten wir uns doch nicht mit Selbstverständlichkeiten auf! Gefährlich für den Diskussionsstil scheint mir auch der Satz meines Kritikers: „Stimmt Jaspers'Feststellung nicht, so muß sie durch Fakten widerlegt werden." Zunächst einmal wird umgekehrt ein Stiefel daraus: die Beweislast liegt bei dem, der behauptet. Bekanntlich kann ein Narr mehr behaupten, als zehn Weise widerlegen können. (Hoffentlich bringt mir das nicht den Vorwurf ein, ich hätte Jaspers einen Narren geheißen!)

Zur Sache meine ich festhalten zu müssen, daß Jaspers'Behauptung, die CDU habe keinerlei wirksame Idee, generell klingt, nicht situationsbezogen. Es folgt nämlich, was ich nicht zitierte: „Keine gemeinschaftliche Gesinnung verbindet sie" (S. 273). Eine Bestätigung meiner Interpretation finde ich in Jaspers'Antwort (S. 12 f.), wo das Selbstverständnis der CDU völlig verfehlt wird und Vorbehalte gegen eine „christliche" Partei sichtbar werden, die Jaspers auch früher schon angedeutet hat und die seiner völlig subjektiven Deutung von Christentum und Glauben entspringen.

Hier wird wiederum sichtbar, worum es mir in meiner Jaspers-Kritik geht. Ich habe hier nicht die CDU zu verteidigen, aber ich wehre mich gegen eine Art der Diskussion, die aus eigenen absolutgesetzten Prämissen den Gegner moralisch disqualifiziert, statt sich politisch mit ihm auseinanderzusetzen. Gegen die SPD wendet Jaspers in beiden Büchern das gleiche Verfahren an. Dazu hat der Bundestagsabgeordnete Eppler das Nötige gesagt

III. Zur deutschen Frage

Hier muß ich meinen Kritiker zunächst bitten, genau zu lesen. Er reduziert die „deutsche Frage" auf das Problem der Oder-Neiße-Grenze, wovon ich gar nicht direkt rede. Da ich offensichtlich mißverstanden wurde, betone ich mit Nachdruck, daß ich die moralischen und zeitgeschichtlichen Gründe, die eine Anerkennung dieser Grenze nahelegen, für sehr gewichtig halte. Dennoch muß auch hier die Entscheidung politisch kalkuliert werden. Insofern finde ich beispielsweise in der EKD-Denkschrift zu dieser Frage ein sachgerechteres Verhältnis von moralischer Besinnung und konkreter Politik als bei Jaspers, weil dort ausdrücklich darauf verzichtet wird, aus der moralischen Position „den zum politischen Handeln berufenen Instanzen die Handlungswege vorzuzeichnen"

Entsprechendes gilt für die Deutschlandpolitik insgesamt. Ich spreche darin Jaspers keineswegs den politischen Sachverstand ab — Castners Zitat fälscht meinen Gedanken —, vielmehr fordere ich von ihm Argumente dieses Sachverstandes. Nun fehlen diese bei Jaspers nicht einfachhin, aber das Für und Wider einer neuen Politik kommt doch gar nicht zum Austrag, weil er es immer wieder beiseite wischt mit dem moralisch-historischen Argument des verlorenen Krieges. Um es klar zu sagen: Jaspers'moralische Position und seine These vom Vorrang der Freiheit vor der Wiedervereinigung sind mir sehr sympathisch. Aber das gibt noch keine Politik.

Jaspers argumentiert, unsere eigene Gewalt-tat habe uns große Verluste gebracht, die wir folgerichtig hinzunehmen hätten. Das halte ich für völlig richtig. Die Frage ist nur, wie weit dieses Hinnehmen gehen soll. Nach Jaspers gilt es auch für die deutsche Spaltung, die nicht mehr unmittelbare Kriegsfolge, sondern Folge sowjetischer Gewalttat im Widerspruch zu der 1945 getroffenen provisorischen Regelung ist. Ich fürchte, wenn man so argumentiert, setzt man die deutsche Politik kommunistischen Erpressungen aus, ja man macht deutsche Politik unmöglich, weil der Osten dann stets sagen kann, als Urheber und Verlierer des Krieges hätten wir uns zu fügen. Für den Osten ist nämlich nicht nur unser Verlangen nach Wiedervereinigung ein „feindlicher Akt" (Jaspers S. 245), sondern eine ganze Menge anderer Dinge, die wir für demokratische, nationale oder europäische Selbstverständlichkeiten halten. Es lohnt sich, unter diesem Aspekt einmal die bisher vom Osten vorgelegten Entwürfe zur Deutschland-frage zu lesen.

Nun interpretiert Jaspers die bisherige deutsche Politik als Verlangen nach Wiederherstellung von Vergangenem und damit als Gefahr für den Frieden. Ich halte diese Interpretation trotz mancher etwas lautstarken Sonntagsreden vor Vertriebenen für oberflächlich. Um fortgesetzter Erpressung unter Verweigerung einer vertraglichen Regelung zu entgehen, blieb uns gar keine Wahl als das Festhalten am noch geltenden Recht. Aber ich kenne keinen führenden deutschen Politiker, der nicht bereit wäre, „über Vieles mit sich reden zu lassen" (Adenauer), wenn der Osten Bereitschaft zum Aushandeln einer erträglichen Friedensordnung zeigte. Und was die Bedrohung des Friedens angeht, so sprechen die Fakten der Nachkriegszeit eine eindeutige Sprache. Wir sollten auch in der Hoffnung auf Entspannung nicht die kaltblütige Vernichtung der Demokratien in Ostmitteleuropa (Beispiel Prager Staatsstreich 1948), die Abschnürung, Sowjetisierung und Militarisierung der Zone, die Spaltung und Blockierung Berlins und das Berlin-Ultimatum vergessen.

Wenn also die bisherige deutsche Politik dem Selbstbehauptungswillen eines freiheitlichen Rechtsstaates entsprang, dann darf sie nur modifiziert werden, wenn die Bedrohung geringer geworden ist und Chancen für den Erwerb von Vertrauen auch im Osten sichtbar werden. Darauf reduziert sich der ganze Streit. Den auszutragen bedarf es nicht der schweren Waffen moralischer Argumentation und Verurteilung, sondern politischer Klugheit. Wieviel Jaspers davon besitzt, weiß ich nicht, aber ich werde skeptisch bei einem Satz wie diesem: „Nur eines bleibt vorläufig unlösbar. Westberlin und die Bundesrepublik können nie die Berliner Mauer anerkennen" (S. 243). Warum eigentlich nicht, fragt man sich angesichts der übrigen Vorschläge von Jaspers. Die Mauer ist weder die einzige noch die wesentlichste Monstrosität im gespalteten Deutschland. Sie ist nur ein Symptom.

IV. Jaspers als Gefahr für die Demokratie?

Das habe ich nirgends behauptet; aber ich halte Jaspers'Argumentationsweise für gefährlich, weil sie — hierin kann ich Bernhard Vogel nur zustimmen — angesichts der Autorität des Philosophen ein Freibrief für Unpolitische ist, im unfruchtbaren Moralisieren zu verharren. Als Praktiker der politischen Bildung, der einigermaßen zu wissen glaubt, wie schwer seine Aufgabe ist, muß ich meiner tiefen Enttäuschung über den Philosophen Jaspers Ausdruck geben; ich hatte Hilfreiches von ihm erwartet und finde, was ich bei meinen Schülern als unzulänglich zu überwinden trachte.

Castner bedauert den Mangel an -weiterfüh render Auseinandersetzung mit Liegt Jaspers.

die Schuld nicht doch mehr bei Jaspers als bei seinen Kritikern? Kann man ein Gespräch beginnen, indem man dem Partner den rechten Glauben abspricht? Die Diskussion über die von Jaspers angesprochenen politischen Probleme war vorhanden und geht weiter — auch ohne seinen Beitrag.

Hans Buchheim schrieb vor einigen Jahren: „Die Moralisten stellen es gern so dar, als benutzten die Politiker das politische Kalkül dazu, dem Appell an ihre Gewissen die Eindeutigkeit zu nehmen und sich auf diese Weise um unbequeme Entscheidungen zu drücken; vernünftige Erwägung des Für und Wider tun sie als Spitzfindigkeit und Klügelei ab. Dagegen habe ich eher den Eindruck, daß man gerade bei uns in Deutschland aus einer politischen Problematik gern die tatsächlichen oder eingebildeten moralischen Aspekte herausfischt, um sich um die Mühsal der politischen Analyse, um die Erwägung eines komplizierten Für und Wider zu drücken" Genau dies ist es, was ich Jaspers vorwerfe. Die moralische Basis für politische Handlungen, die ohnehin immer nur indirekt faßbar wird, wird auf diese Weise dem Kritisierten abgesprochen. Ist es verwunderlich, daß die solcherart Angegriffenen zur Tagesordnung übergehen? In meinem früheren Aufsatz ging es mir aber darum, Gründe für die These an-zuführen, daß hier ein Strukturfehler im politischen Denken von Karl Jaspers sichtbar wird, den ich für die Folge eines (verdeckten) Absolutheitsanspruchs seiner Philosophie halte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Jaspers, Bundesrepublik S. 30.

  2. Stuttgarter Nachrichten vom 21. 11. 1964. •) Jaspers, a. a. O., S. 58 ff.

  3. Civitas 5/1966, S. 244.

  4. Merkur 12/1958, S. 1188.

  5. Wahrheit, Freiheit und Friede, München 1958 S. 20.

  6. Vgl. Die Zeit vom 22. 7. 1966 und vom 21. 4. 1967.

  7. EKD-Denkschrift „Die Lage der Vertriebenen 1965, S. 44.

  8. FAZ vom 14. 8. 1963 S. 9.

Weitere Inhalte

Bernhard Sutor, Dr. phil., Oberstudienrat am Ketteler-Kolleg in Mainz und Fach-leiter für Politische Gemeinschaftskunde am Staatlichen Studienseminar in Mainz, geb. 1930. Veröffentlichungen: Uber das Verhältnis von Kirche und katholischer Staatslehre zur Demokratie, in: Die neue Ordnung, 1965; Politik und Philosophie, Mainz 1966; mehrere Aufsätze über didaktische und methodische Fragen des Geschichts-und Sozialkundeunterrichts in wissenschaftlichen Zeitschriften.