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Deutschland, Europa und die Welt | APuZ 29/1968 | bpb.de

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APuZ 29/1968 Deutschland, Europa und die Welt

Deutschland, Europa und die Welt

Ferdinand A. Hermens

Der folgende Artikel wurde um die Jahreswende 1944/45 in den Vereinigten Staaten geschrieben und zuerst in der „Review of Politics" vom Juli 1945, also noch vor der japanischen Kapitulation, veröffentlicht. Er soll als Beispiel dafür stehen, was ein deutscher Emigrant in einer Zeit zu publizieren wagte und auch publizieren konnte, als in seinem Gastland der Sieg über die Nation, der er entstammte, gefeiert wurde.

Die Übersetzung, die der Verfasser besorgte, wurde von Dr. Werr durchgesehen. Zusätze zum Originaltext sind durch eckige Klammern gekennzeichnet.

Dieser Aufsatz ist Teil eines Sammelbandes, der bei Duncker & Humblot unter dem Titel „Zwischen Politik und Vernunft. Aufsätze aus Drei Welten" erscheint, in denen der Verfasser zunächst aus der Sicht der Weimarer Republik, dann aus der der Vereinigten Staaten und schließlich aus der der Bundesrepublik zu den Problemen der vergangenen dreieinhalb Jahrzehnte Stellung nimmt.

Geschichte und Geschichtsbetrachtung

Die Geschichte besteht aus dem Allgemeinen und dem Besonderen. Die Existenz des Allgemeinen ist der Grund, warum sich die Geschichte wiederholt. Es ist überraschend, wieder und wieder in den Annalen der Vergangenheit etwas zu finden, was als modern und einzigartig betrachtet werden muß. Eine nähere Untersuchung zeigt, daß Menschen, wenn sie sich einem ähnlichen Zusammentreffen von Umständen gegenüber sehen, in der uns überlieferten Geschichte immer wieder mit Verhaltensweisen reagiert haben, die ein überraschendes Maß von Ähnlichkeit aufweisen. Wenn wir überhaupt ein Maß rationaler Kontrolle über eine häufig antirationale — und daher antihumane — Welt gewinnen wollen, ist es wesentlich, diese Verhaltensmuster zu kennen. Sie zeigen uns, daß Menschen oft tun, was sie gar nicht tun wollen; sie werden von einer Verkettung von Umständen erfaßt, die sie nur dann hätten durchbrechen können, wenn sie schon das letzte Glied der Kette gekannt hätten, als sie das erste Glied selbst schmiedeten oder den Ereignissen erlaubten, es für sie zu schmieden.

Die Frage muß natürlich gestellt werden, ob die Menschheit wirklich die Wiederholung der Fehler vermeiden will, die sie in der Vergangenheit gemacht hat. Hegel sagte, das einzige, was wir aus der Geschichte lernen könnten, sei, daß die Völker nichts aus der Geschichte lernen. Einer der Gründe, warum diese pessimistische Auffassung so weithin zutreffend ist, liegt im menschlichen Stolz.

Wenn man jemandem sagt, daß der politische Kurs, den er im Begriff ist einzuschlagen, nur eine Wiederholung alter Irrtümer darstellt und alte Katastrophen von neuem herbeizuführen droht, so wird er es häufig unterlassen, die Grundlagen dieser Warnung zu untersuchen. Seine instinktive Reaktion ist: „Das kann bei uns nicht geschehen" (it can’t happen here). Der Nationalismus vermehrt die Schwierigkeiten. Er macht uns geneigt, das Problem des Bösen dadurch zu lösen, daß wir ihm eine geographische Lokation anweisen, besonders in den Ländern, die zu der betreffenden Zeit unsere Feinde sind; wir sind weniger wachsam gegenüber ähnlichen Tendenzen bei uns und bei unseren Alliierten. Schließlich bietet sich der Historismus als eine Waffe des Nationalismus an; er postuliert das, was charakteristisch für uns selbst ist, sowohl als einzigartig und auch als gut, und das, was charakteristisch für den Gegner ist, sowohl als einzigartig und auch als schlecht.

Diese Gelahren sind offenbar, wann immer wir in unserer laufenden Diskussion unter der Überschrift „Das deutsche Problem" Deutschlands Vergangenheit und Zukunft untersuchen. Diese Überschrift ist ein Betrug. Sie impliziert, daß die Ereignisse, in deren Zentrum Deutschland in den jüngsten Jahren stand, ihrer Natur nach deutsch sind, statt eine Manifestation weiterer und allgemeinerer Probleme darzustellen, an deren Verursachung wir selbst unseren Anteil hatten. Aus der falschen Prämisse folgt der falsche Schluß: Wir brauchen nur Deutschland zu besiegen und „unten zu halten", und unsere Probleme sind gelöst. Eine solche Gedankenführung veranlaßt uns, unsere Augen gegenüber Gefahren zu schließen, die in anderen geographischen Regionen entstehen, und zu übersehen, daß — gleichgültig wie gut unsere Absichten sein mögen — wir das Risiko eingehen, durch Handlungsoder Unterlassungsfehler bestehende Gefahren zu verstärken statt zu reduzieren.

Nun hat Churchill in einer der Lektionen über Politische Wissenschaft, die in seinen Kriegs-reden enthalten sind, einsichtigerweise gesagt, daß das, womit wir es im Falle Deutschlands zu tun haben, eine Kombination von Militarismus und Tyrannis sei. Das sind Probleme allgemeiner Natur; Konzentration auf sie wird es möglich machen, an unsere Versuche, die Zukunft in den Griff zu bekommen, eine historische Perspektive heranzutragen.

Militarismus und Geographie

Die Amerikaner können stolz darauf sein, daß die beste Analyse des Militarismus, die je gemacht wurde, einigen der Begründer der amerikanischen Republik zu danken ist. John Jay und Alexander Hamilton legen uns in den Nummern V—VIII von „The Federalist" eine klare Analyse dieses Gegenstandes vor. Als diese Aufsätze geschrieben wurden, bestand die Gefahr, daß die 1787 von dem Verfassungskonvent in Philadeiphia vorgeschlagene Verfassung nicht ratifiziert würde und daß die 13 Staaten, statt eine Union zu bilden, entweder alle unabhängig werden oder sich in drei oder vier regionale Konföderationen gruppieren würden.

Jay und Hamilton warnten, daß eine solche Entwicklung zu nimmer endenden Reibungen und schließlich zum Krieg und zum Verlust der Freiheit führen müßte. Konflikte würden mit größter Wahrscheinlichkeit zwischen benachbarten Staaten entstehen; jeder von ihnen würde etwas wollen, was dem anderen gehört, und geneigt sein, die Erinnerung an alte Mißstände zu jenen Ausbrüchen der Leidenschaft hochzuspielen, die einem Kriege so oft vorausgehen und ihn weithin veranlassen. Hamilton zitiert den Abbe de Mably, der sagte: „Benachbarte Nationen sind sich gegenseitig natürliche Feinde, wenn ihre gemeinsame Schwäche sie nicht zwingt, sich in einer konföderativen Republik zusammenzuschließen und ihre Verfassung dann jene Konflikte verhindert, welche die Nachbarschaft veranlaßt, und weiterhin jene geheimen Eifersüchteleien auslöscht, die alle Staaten veranlassen, sich auf Kosten ihrer Nachbarn zu vergrößern." Die Geschichte zeigt in der Tat, daß benachbarte Nationen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht das verfolgen, was wir heute die „Politik des guten Nachbarn" nennen, wenn es nicht kompensierende Tendenzen von genügender Stärke gibt. Es ist wahrscheinlicher, daß sie sich zu „Erbfeinden" entwickeln und ihre Verbündeten unter den Ländern suchen, die ebenfalls an ihre Nachbarn grenzen.

Wir nehmen uns selten die Zeit, daran zu denken, was der Zufall der geographischen Lage in diesem Zusammenhänge bedeutet. Angenommen, diejenigen, die heute in Ruß-land wohnen, lebten in Deutschland, und umgekehrt die Deutschen in Rußland — würden dann nicht, aus den von dem Abbe de Mably angeführten Gründen, die Franzosen und die Russen „Erbfeinde" und die Deutschen und die Franzosen „natürliche Verbündete" gegen das zwischen ihnen liegende Land sein?

Aus der Gefahr des Krieges ergibt sich die Notwendigkeit, Vorbeugungsmaßnahmen gegen diese Gefahr zu treffen. In der modernen Geschichte sind die Mittel dazu stehende Heere gewesen. Hamilton zeigt uns in Nr. VIII von „The Federalist" in unvergleichlicher Kürze, wie diese Institution zum Militarismus fuhren kann:

„Die ständig drohende Gefahr zwingt die Regierung, stets zur Abwehr bereit zu sein; ihre Armee muß stark genug sein, um jeden Augenblick zur Verteidigung eingesetzt werden zu können. Die Tatsache, daß die Dienste des Soldaten dauernd benötigt werden, erhöht seine Bedeutung und vermindert dementsprechend die des Bürgers. Der Militärstand wird über den Zivilstand erhoben. Die Bevölkerung von Gebieten, die oft zum Kriegsschauplatz geworden sind, wird unweigerlich häufigen Eingriffen in ihre Rechte ausgesetzt sein, wodurch das Gefühl für diese Rechte sich mit der Zeit abstumpft. Und nach und nach beginnt das Volk, die Soldaten nicht nur als seine Beschützer, sondern als seine Vorgesetzten zu betrachten. Von da fehlt nur noch ein Schritt, daß sie als Herren angesehen werden. Es ist sehr schwierig, ein Volk, das so eingestellt ist, dazu zu bewegen, gegen Übergriffe, die von der Militärmacht unterstützt werden, wirksamen Widerstand zu leisten."

Das ist eine Erklärung, die wirklich erklärt. Ganz anders als die sonstige Literatur über diesen Gegenstand, die seicht (inane) ist und sich bis zum Plagiatismus wiederholt, beschreibt Hamilton nicht nur Symptome, sondern zeigt auch die Ursache auf. Zugleich mit der Ursache weist er auf das Heilmittel hin: Man entferne die Faktoren, welche die Unsicherheit veranlassen, und mache so mächtige Armeen unnötig; damit eliminiert man die Kette der Konsequenzen, die sich aus ihrem Vorhandensein ergeben. In der Literatur unserer Zeit ist der Militarismus einfach deutsch, und Hollywood (ein so mächtiger Faktor in der Prägung des Bewußtseins unserer Zeit) hat eine Reihe von Einwanderern zur Verfügung, welche die Rolle des deutschen Militaristen perfekt spielen — mit Monokel, Akzent, Arroganz und allem, was dazugehört. Wenn wir dagegen Hamiltons Theorie auf unseren Gegenstand anwenden, so ist der Militarismus eine Funktion europäischer Fragmentation und europäischer Unsicherheit. Die Symptome akkumulierten sich im Deutschland der jüngsten Vergangenheit, aber sie erschienen nicht zuerst dort, und wenn die erforderlichen Heilmittel nicht angewandt werden, werden sie da auch nicht zuletzt erschienen sein.

Die historische Verifikation der Theorie von Hamilton wird sich an dieser Stelle auf einige wenige Bemerkungen beschränken müssen

Stehendes Heer und Absolutismus: der Fall Frankreich

Frankreich war das erste Land mit einer stehenden Armee. 1439, kurz vor dem Ende des hundertjährigen Krieges mit England, berief König Karl VII. die Generalstände nach Orleans und überredete sie, ihm eine dauernde Steuer zu bewilligen, „mit solcher er", wie er sagte, einen Teil seiner Söldner „in Kompagnien, die ein reguläres Gehalt empfangen und starker Disziplin unterworfen" sein würden, zusammenziehen könnte. Thomas Basin, der Bischof von Lisieux, sagte die Konsequenzen in den folgenden Worten voraus: „Unsere militärische Organisation wird bald die anderen Nationen zwingen, stehende Heere zu schaffen: bei der ersten Schwierigkeit wird es zu Schlägen kommen, und Europa wird immer in Unordung (trouble) sein. Schließlich ist die Freiheit verloren: jeder ist der , discretion'seiner bewaffneten Macht unterworfen. Es ist die größte Flut, die eine Nation überschwemmen kann."

Frankreichs politische Freiheit ging endgültig verloren, als nach 1614 die Generalstände daran gehindert wurden, sich wieder zu versammeln. Was die „Überflutung" mit unnötigen Kriegen betrifft, so zitieren wir nur aus dem anonymen öffentlichen Brief, der 1695 an Ludwig XIV. gerichtet wurde und von seinem früheren Lehrer, Bischof Fenelon, geschrieben war: „Die Minister haben es dahin gebracht, daß der königliche Name gehaßt wird, und sie haben die gesamte französische Nation allen unseren Nachbarn unerträglich gemacht. Unsere Alliierten, die es ablehnen, uns gegenüber bloße Sklaven zu sein, haben alle Frankreich verlassen, und seit mehr als 20 Jahren führen sie blutige Kriege gegen uns.

Ew. Majestät wurden veranlaßt, 1672 einen Krieg gegen Holland zu führen, um Ihre Ehre zu verteidigen und die Hofländer zu bestrafen, die, irritiert durch die Störung ihrer von Kardinal Richelieu bestätigten Handelsbeziehungen, sich den Luxus erlaubt hatten, uns ein wenig lächerlich zu machen. Ich erwähne diesen Krieg besonders, da er die Quelle aller anderen wurde. Sein einziger Zweck waren Ruhm und Rache, die nie einen Krieg gerecht machen können. Daher war die von diesem Konflikt ausgehende Ausdehnung unserer Grenzen ungerechterweise herbeigeführt worden.

. . . Die Alliierten führen lieber einen für sie verlustreichen Krieg gegen uns als daß sie mit uns Frieden schließen, denn sie sind überzeugt, daß Sie diesen Frieden nicht länger halten würden als die anderen, sondern Ihre Nachbarn wieder überwältigen würden, sobald das Bündnis aufgelöst wäre."

Seit der Errichtung der III. Republik i. J. 1870 ist der französische Militarismus durch die Kräfte der Demokratie gehemmt worden Immerhin gab es die Fälle von General Boulanger und des französischen Generalstabes während der Dreyfus-Krise. Später gab es Marschall Petain, und einige französische Beobachter haben auch gewisse Handlungen von General de Gaulle mit seiner militärischen Vergangenheit erklärt.

Unsere Aufmerksamkeit sollte natürlich nicht auf irgendein Land begrenzt sein. Es ist nützlich in Betracht zu ziehen, was Professor Delisle Burns in seinem Artikel über „Militarism" in der „Encyclopedia of the Social Sciences" schrieb: „Er (der Militarismus) besteht in allen bewaffneten Kräften, denn er ist ein wesentlicher Aspekt der Kriegsvorbereitung." Natürlich wäre es besser gewesen zu sagen, daß eine Tendenz zum Militarismus in allen bewaffneten Kräften besteht, und insbesondere in großen. Dieser Tendenz kann man erfolgreich entgegenwirken, wie es Beispiele in den britischen und amerikanischen Heeren gezeigt haben. Jedoch muß es einige Sorge bereiten, wenn man in dem Artikel „A Plan for Japan“ liest, den Admiral Halsey für Collier's Magazine v. 28. April (1945) schrieb, daß — wenn es nach ihm ginge — für eine gewisse Periode nach dem Ende der Feindseligkeiten „das ganze japanische Reich unter dem Kommando eines obersten Befehlshabers unter der militärischen Kontrolle der Vereinigten Nationen stehen müsse." Der Admiral fährt fort: „Es ist mir gleichgültig, ob er zum Heere oder zur Marine gehört, solange er freie Hand bekommt, ohne Hereinregieren von draußen — womit ich natürlich ein Hereinregieren von gut motivierten, aber fehlgeleiteten zivilen Regierungen meine." Emanzipation des Militärs von ziviler Kontrolle ist der erste Schritt auf dem Wege zum Militarismus. In den Vereinigten Staaten sind die „Sekretäre" [de facto Minister] für Krieg und Marine [heute im Verteidigungsministerium zusammengefaßt] traditionell Zivilisten. Möge das immer so sein und möge man die Implikationen dieser Politik immer beherzigen!

Der Fall Brandenburg-Preußen

In Deutschland wurde ein stehendes Heer 1648 von Friedrich Wilhelm, dem „Großen Kurfürsten", am Ende des Dreißigjährigen Krieges geschaffen. Während dieses Krieges war Deutschland der Amboß und nicht der Hammer der europäischen Machtpolitik. Von einer Bevölkerung von mehr als 18 Millionen war am Ende des Krieges weniger als die Hälf-te übriggeblieben (nach einigen Berechnungen war die Reduktion sogar von 19 auf 5 Millionen), so daß durch Einwanderung der rassische Kern Deutschlands in späteren Jahrhunderten um mehr als zur Hälfte verändert wurde. Das kleine Brandenburg-Preußen litt schwerer als irgendein Teil Deutschlands unter dieser Entwicklung. Friedrich Wilhelm schloß daraus, daß ein stehendes Heer ein wesentliches Erfordernis für den Schutz des Landes sei. Er behielt einige der Regimenter, die sein Vater während des Krieges angeworben hatte, und er regierte lange genug, um die Warnung von Bischof Basin zu bestätigen: Er machte sein Heer so groß, daß es für aggressive Kriegführung eingesetzt werden konnte, gleichzeitig unterdrückte er die Stände und führte den Absolutismus ein.

Unter König Friedrich Wilhelm I. (1713 bis 1740) erhielt die Armee von Preußen zum erstenmal eine Stärke, die in keinem Verhältnis mehr zur Größe des Landes stand; diese wurde dann von Friedrich II. und seinen Nachfolgern beibehalten. Mirabeau sagte in einem seiner berühmten Aphorismen: „Die meisten Staaten haben eine Armee; die preußische Armee ist die einzige, die einen Staat hat." In jüngsten Erörterungen ist dieser Satz oft zitiert worden. Wichtig ist jedoch auch zu zitieren, was Hamilton über die Ursachen zu sagen hatte, die zur Schaffung eines großen (und daher mächtigen) Heeres in einem verhältnismäßig kleinen Staate führen: „Die schwächeren Staaten und Konföderationen würden zunächst zu ihnen [d. h.den stehenden Heeren] greifen, um sich auf dieselbe Ebene wie ihre mächtigeren Nachbarn zu heben. Sie würden versuchen, für die Inferiorität der Bevölkerung und der ihres materiellen Machtpotentials durch ein reguläres und effektiveres System der Verteidigung, durch disziplinierte Truppen und durch Befestigungen zu kompensieren. Sie würden zugleich gezwungen sein, den exekutiven Arm der Regierung zu stärken ..."

Die deutsche Tyrannis

Eine in weitere Einzelheiten gehende Diskussion des Militarismus in der deutschen Geschichte und auch der politischen Kräfte, die gegen ihn stritten, ist nicht erforderlich, denn im Deutschland des Zweiten Weltkrieges spielt das, was von der militärischen Tradition noch vorhanden war, eine geringe Rolle gegenüber den Kräften der Tyrannis. In dieser Hinsicht waren die Verhältnisse grundverschieden von denen des Ersten Weltkrieges. Im Jahre 1917 erklärten Ludendorff und Hindenburg dem Kaiser, daß sie ihren Abschied nehmen würden, wenn er nicht seinen Kanzler von Bethmann Hollweg entließe (den sie nicht leiden konnten, weil er Ausschau nach Möglichkeiten für einen Kompromiß-Frieden hielt). Als der Kaiser dann seinen Kanzler verabschiedete, sagte er mit Recht: „Dann kann ich ja auch gleich abdanken." Ludendorff besaß in der Tat während manchen schicksalsschweren Monaten die Kontrolle über die Regierung.

Hitler klärte seine Beziehungen zu den Generälen schon bald nach der Machtergreifung, als er sich dazu in der Lage fühlte. Bei der blutigen „Säuberung" am 30. Juni 1934 wurden auch zwei Generäle erschossen. Im Ge-folge des 20. Juli 1944 unterhielt der „Führer" die Welt mit dem Schauspiel der Erhängung einiger seiner Feldmarschälle; wenn gewisse Berichte korrekt sind, so fügte er der Hinrichtung einige Formen der Schande und der Folter nach den besten Manieren der Tyrannen der Vergangenheit hinzu. Hitler machte es sich zur Gewohnheit, seine Generäle erst zu benutzen und dann zu ruinieren, wie er alles andere in Deutschland erst benutzte und dann ruinierte, das Gute mit dem Schlechten. Die Generäle waren wirksame Werkzeuge in seiner Hand, aber auch wirksame Werkzeuge sind eben nur Werkzeuge.

Hitlers Tyrannis hatte viele Merkmale, die für ihn persönlich und diejenigen, die er an die Spitze brachte, charakteristisch sind. In den bürokratischen Methoden ihrer Operationen (die so wenig mit dem Wesen der Sache zu tun haben!) war sie charakteristisch für Deutschland. Im Grunde aber folgte sie dem Verhaltensmuster der Tyrannei, das Plato vor mehr als 2000 Jahren beschrieben hat. Das, woran die Welt am meisten interessiert ist, sind die aggressiven Kriege der Tyrannis, unternommen nicht wegen irgendwelcher kriegerischen Tendenzen des Volkes, sondern weil die blinden Kräfte der Tyrannis die Impulse liefern, gleichgültig in welchem Land sie wirken, sei es in Mussolinis Italien oder in Hitlers Deutschland oder in Stalins Rußland. Was nun die Aggression angeht — und das gilt auch für das Verlangen von außenstehenden Beobachtern, daß die einer Tyrannis unterworfenen Völker dafür bestraft werden sollten, weil sie sich ihr gefügt haben —, so ist der bezeichnendste Fall der von Napoleon I. Die Legende hat das Andenken an ihn verschönert, aber seine Zeitgenossen hatten keine Illusionen über ihn. So schrieb Thomas Jefferson in einem Brief an John Adams: „Nun ist der Attila unserer Zeit entthront, der rücksichtslose Zerstörer von 10 Millionen Angehörigen der menschlichen Rasse, dessen Blutdurst unersättlich schien, der große Unterdrücker der Rechte und Freiheiten der Welt — er ist eingeschlossen auf einer kleinen Insel im Mittelmeer und erniedrigt auf die Verhältnisse eines demütigen und degradierten Pensionärs, abhängig von der Wohltätigkeit derer, die er am meisten schädigte. Wie elend, wie niedrig hat er seine aufgeblähte Karriere beendet! Was für einen Fall , of the bathos’ wird seine Geschichte darstellen! Er hätte durch die Schwerter seiner Feinde zugrunde gehen sollen, unter den Mauern von Paris."

In bezug auf gewisse laufende Diskussionen gibt es einen noch interessanteren Absatz in einem Briefe von Jefferson an Albert Gallatin:

„Es schmerzt mich für Frankreich; aber es kann nicht geleugnet werden, daß es wegen der Leiden, mit denen es willkürlich und böswillig andere Nationen überzogen hat, schwere Repressalien verdient hat. Denn es ist keine Entschuldigung, die Enormitäten dem Schurken in die Schuhe zu schieben, der sie (die Franzosen) führte, welcher der Urheber von mehr Elend und Leiden für die Welt gewesen ist als irgend jemand, der je vor ihm lebte. Nachdem er die Freiheiten seines Landes zerstörte, hat er alle dessen Kräfte, die physischen und moralischen, erschöpft, um seinen eigenen manischen Leidenschaften, seinem eigenen tyrannischen Geiste zu dienen. Seine Leiden können nicht zu groß sein."

Auf dem Kongreß von Wien gab es genug Teilnehmer, die wie Jefferson fühlten und es für notwendig hielten, „schwere Strafen", einschließlich einer Teilung des Landes, gegen das französische Volk zu verhängen. Es gab aber auch andere, die darauf bestanden, daß der Kampf der Alliierten einem pervertierten Regierungssystem und nicht dem Volk gegolten habe. Sie setzten sich durch. Das Resultat ihrer Bemühungen mit allen seinen Unvollkommenheiten nimmt sich gut aus im Vergleich zu irgendeiner anderen Regelung, die ähnliche Erschütterungen beendete.

Der Krieg der Tyrannen

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges formulierte Guglielmo Ferrero erneut die Prinzipien, die 1815 entwickelt worden waren. Er tat das in Kategorien, die eine Anwendung auf den neuen Kataklysmus ermöglichen. Sein Begriff der „Legitimität", den er in einem strikt demokratischen Sinne interpretiert sehen wollte, wurde mißverstanden. Seine Konzentration auf den spezifischen Fall Napoleon veranlaßte ihn, einige der allgemeineren Aspekte der Tyrannis zu ignorieren. Trotz allem aber waren Ferreros Ansichten fundamental gesund und fanden zunächst viele Freunde. So schrieb Walter Lippmann in der New York Herald Tribune: „Ich betrachte es (Ferrero's . Reconstruction of Europe’) als das bei weitem nützlichste Buch, das seit Kriegsbeginn veröffentlicht worden ist: in keinem anderen habe ich soviel Aufklärung darüber gefunden, wie dieser Krieg schließlich zu einem Ende gebracht werden kann."

Hätte sich diese Auffassung gehalten, so hätte ein leitendes Prinzip hinter diesem Krieg gestanden. Dann hätten auch wenig Zweifel über die wesentlichen Aspekte des Friedens bestehen können. Als dieses Prinzip aufgegeben wurde, gab es kein anderes, um es zu ersetzen. Improvisation wurde das Substitut. Diese Improvisitation erinnerte nur allzu sehr an jene Politik des Treibenlassens, die nicht zuletzt für das Entstehen einer Tyrannis in Deutschland verantwortlich war und die für ihre Kriegsvorbereitung in den verschiedenen Etappen der Beschwichtigungspolitik die aktive Hilfe jener erzielen konnte, auf deren Zerstörung sie aus war. Das mag der Grund dafür gewesen sein, warum Churchill Präsident Roosevelt auf dessen Frage nach einem besseren Namen für diesen Krieg, statt „Der Zweite Weltkrieg" (was natürlich hieß, daß man sofort an einen dritten dachte) die Bezeichnung „der unnötige Krieg" vorschlug.

Präsident Roosevelt zeigte einmal wieder, daß er einen besseren politischen Instinkt besaß als einige seiner aus der Innenpolitik kommenden Berater, wenn er in seiner Pressekonferenz vom 30. Mai 1944 sagte, er bevorzuge den Namen „The Tyrant’s War" — „der Krieg des Tyrannen" Man kann sich nur fragen, wieviel blindes Herumtasten in der Vergangenheit hätte vermieden werden können und wieviele Fehler in Zukunft vermieden werden könnten, wenn der tiefere Sinn dieses Vorschlages festgehalten worden wäre. Wenig Bedenken hätte es z. B. über den negativen Aspekt unserer Kriegsziele gegeben. Es wäre kaum mehr zu tun gewesen, als John von Salisbury zuzustimmen, wenn er sagte: „Der Ursprung der Tyrannis ist die Schlechtigkeit. Sie ist ein aus einer vergifteten Wurzel in ein vergiftendes Wachstum hineintreibender Baum, an den unter allen Umständen die Axt gelegt werden muß."

Andererseits nehme man die Enthüllungen über die in den deutschen Konzentrationslagern verübten Greueltaten. Diese werden jetzt dem amerikanischen Volke in dem Sinne geschildert, als ob sie eine Methode nationaler Kriegführung waren, angewandt von einem Volke gegen ein anderes. Tatsächlich wurden die deutschen Konzentrationslager mehr als sechs Jahre vor Kriegsausbruch von den Handlangern der Tyrannis zur Terrorisierung ihrer inneren Gegner eingerichtet. Detaillierte Berichte erschienen bereits 1933 in den Zeitungen und 1934 in Buchform. Damals, als die alliierten Regierungen noch präventive Maßnahmen hätten treffen können, wurden diese Berichte von denen, die an der Macht waren, ignoriert. Sowohl offizielle als auch inoffizielle Informationen standen ihnen zur Verfügung. Jüngst hat der „Manchester Guardian" die englische Regierung daran erinnert, daß vor dem Kriege von diesen Informationen kein Gebrauch gemacht worden war, während sie 1939, unmittelbar nach Kriegsbeginn (als der Zweck natürlich Propaganda war), in dem Weißbuch Nr. 2 behandelt wurden, das den charakteristischen Untertitel „Papers concerning the Treatment of German Nationais in Germany" — „Unterlagen über die Behandlung deutscher Staatsangehöriger in Deutschland" hatte.

Die richtige Schlußfolgerung wurde — in diesem Fall wie in anderen — von Feldmarschall Smuts gezogen. Als er während der Konferenz von San Francisco die Würde eines Ehrendoktors, die ihm von der University of California verliehen wurde, annahm, lenkte er die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß ein großer Prozentsatz der Opfer der Konzentrationslager deutsche Anti-Nazis waren (in laufenden Presseberichten werden sie fast nie als solche erwähnt; sie werden als „Politische Gefangene" bezeichnet, ohne Hinweis auf ihre Nationalität). Smuts fügte hinzu, daß in Wirklichkeit diese Deutschen an dem späteren Kampf der Vereinten Nationen teilgenommen haben.

Auf der einen Seite waren die Opfer der Greueltaten in weitem Umfange Deutsche (vor Kriegsausbruch tatsächlich nur Deutsche), auf der anderen Seiten waren Tausende der Büttel keine Deutschen. Man sollte einmal Zahlen veröffentlichen über die Nichtdeutschen in der deutschen Armee, in der Gestapo und in der SS Das Resultat wäre für manchen Zeitungsleser eine Überraschung. Dazu kommen noch die Kollaborateure in anderen Ländern. Albert J. Guerard hat jüngst analysiert, welche Spuren sie in Frankreich hinterlassen haben. Er äußert insgesamt gesehen eine unbedingt optimistische Meinung über die Jugend Frankreichs, aber er fährt fort: „Das heißt jedoch nicht, daß nicht ganze Teile der französischen Jugend korrumpiert waren. Darnands junge Miliz-Männer wurden erschossen, oder sie sind geflohen, nur ihre finsteren blauen Uniformen zurücklassend — jene Verbrecher, welche die Gestapo in der Findigkeit und der Vielfältigkeit ihrer Folterkammern übertrafen und die ihre Aktivitäten in Frankreich logisch mit der Ermordung von Georges Mandel beschlossen. Aber sie sind nicht spezifisch französisch; jedes Land würde bei gegebener Gelegenheit seine Darnand-Miliz aufstellen." Dieser letzte Satz führt uns zum Kern der Materie. Gehört es nicht zum Wesen der Tyrannis, in jedem Land jene nach oben zu bringen, die Sadisten sind, und ebenso unter der Wirkung des Terrors Menschen zu brutalisieren, die unter anderen Bedingungen mehr als froh gewesen wären, ein normales Leben führen zu können? Jules Romains formulierte diese Tatsache vor einigen Jahren sehr klar als er sagte, „gewisse Systeme sind zutiefst verabscheuungswürdig, denn ihr unbestreitbarer Effekt ist es, aus einfachen Megalomanen tobende Bestien (raving madmen) zu machen, die unter jedem anderen System harmlos geblieben wären, und aus Menschen, die ihrer

Natur nach vielleicht zum Guten neigten, Handlanger des Bösen."

Solche Erwägungen sollten uns unter keinen Umständen davon abhalten, diejenigen zu bestrafen, die sich persönlicher Verbrechen schuldig gemacht haben. Viele von ihnen sind Sadisten, die ihre wahre Natur vorher einfach deswegen nicht zeigten, weil sie dazu keine Gelegenheit hatten; die anderen hätten einsehen sollen, daß der Tod solchen Handlungen vorzuziehen ist, die Gott und Natur so offensichtlich verbieten. (Es gibt natürlich Grenzfälle, in welchen unsere Rechtsbegriffe zur Anerkennung mildernder Umstände zwingen.) Eine gewisse Gefahr besteht jedoch darin, daß wir bei allen unseren Erwägungen dem größten aller Verbrecher ein Entkommen erlauben: dem System der Tyrannis — so oft gefördert von Menschen mit guten Absichten —, dessen Wiedergeburt wir durch Maßnahmen herbeiführen können, die darauf ausgerichtet sind, das Gegenteil zu erreichen. Diese Frage muß jedoch im Hinblick auf Rußland diskutiert werden, wo eine bedeutende Tyrannis, jetzt mächtiger denn je, als unser Bundesgenosse weiterbesteht.

Rußland als Bundesgenosse

Es ist natürlich, daß im Verlaufe des Krieges ein Gefühl der Dankbarkeit und der Bewunderung für das russische Volks entstand, das soviel gelitten und geleistet hat. Dieses Gefühl ist durch Bücher gefördert worden, in denen man uns sagte, das russische und das amerikanische Volk hätten vieles gemeinsam. Das ist wahr genug. Wir haben aber keine Möglichkeit, mit dem russischen Volk zusammenzukommen; wir haben es mit Stalins Regierung zu tun. Diese Regierung bleibt eine Ein-Partei-Diktatur, aus welcher die Freiheiten der Presse, der Rede und der Versammlung verbannt und in der die Konzentrationslager zahlreich und groß sind. Während des Krieges war ein gewisser Wandel geschaffen worden, dessen Bedeutung in den demokratischen Ländem aber weit überschätzt worden ist. Was bedeutet es schon, wenn die Parteilinie sich ändert, solange die Partei bleibt und solange sie ihre Linie nach Belieben wieder ändern kann. Die konkrete Bedeutung gewisser Änderungen ist auch nicht immer korrekt analysiert worden. Als es z. B.der orthodoxen Kirche erlaubt wurde, sich erneut zu organisieren, bedeutete das etwa „Freiheit der Religion" selbst für die orthodoxe Kirche? Wenige werden es für möglich halten, daß die orthodoxen Würdenträger in der Lage sein könnten, offen die moralischen Implikationen der Politik Stalins zu diskutieren Tatsächlich fühlten sie sich in einigen ihrer Äußerungen genötigt, sich mit der Politik Stalins in einer Weise zu identifizieren, die sie selbst tief beklagt haben müssen.

Rußlands Regierung weist also nach wie vor all die Charakteristiken einer Tyrannis in ihren Beziehungen zu ihrem eigenen Volk auf. Können wir erwarten, daß sie sich auf dem Gebiet der Außenpolitik anders benehmen und anders handeln wird? Man sagt uns so oft, Rußland werde von einem Gefühl der Unsicherheit bewegt, und das Beste, was wir tun könnten, bestehe darin, dieses Gefühl zu mildern, indem wir ihm Rechnung tragen und ihm Konzessionen machen, wo immer wir können.

Gibt es aber ein Gefühl der Sicherheit in Rußland selbst? Ein interessanter Absatz mit der Überschrift „Mißtrauen unter den Führern" ist in dem Schlußbericht an Präsident Roosevelt enthalten, den der frühere amerikanische Botschafter in Moskau, Joseph E. Davies, in seinem Buch „Mission to Moscow" wiedergibt Davies schreibt, es gebe in der kommunistischen Partei „keine Erwägungen von Ehre und Loyalität". Er fährt fort: „... das Resultat ist, daß es unter diesen Männern kein Vertrauen und keinen Glauben geben kann. Keiner kann dem andern trauen." Warum sollten wir von diesen Männern in bezug auf die westlichen Länder mehr erwarten, als sie untereinander an den Tag legen?

Positive Kriegs-und Friedensideen

Wenn ein Krieg gegen mehrere Tyranneien und im Bündnis mit einer Tyrannis geführt werden muß, die bei Kriegsbeginn den Feind begünstigte, so sollte das Äußerste getan werden, um soviel Kontrolle wie irgend möglich über den Gang der Dinge zu behalten. Da eine Tyrannis auf Nihilismus basiert und auf der Grundlage des Chaos gedeiht, bedeutet eine solche Kontrolle die Bejahung positiver Ideale sowie eine Politik, die das Äußerste versucht, um diese Ideale zu verwirklichen. Der Krieg müßte über das negative Ziel der Zerstörung des Gegners hinausgehoben werden: er müßte auf die Ebene des Wiederaufbaus gestellt und dort gehalten werden. Für seine Zeit enthielten Wilsons 14 Punkte und seine späteren Reden eine Antwort auf dieses Problem. Die Atlantik-Charta war ein Anfang für unsere Zeit. Das päpstliche Friedensprogramm, insbesondere in der umfassenden Formulierung von Weihnachten 1941, und ebenso die verschiedenen Äußerungen der protestantischen und jüdischen Körperschaften zeigten eine größere Tiefe im Prinzipiellen und einen größeren Reichtum an Einzelheiten. Auf diesem Wege hätte es keine Umkehr geben sollen; es hätte nur ein Vorwärts geben dürfen, das natürlich eine enge Koordination der militärischen und politischen Aspekte des Krieges erforderte, dessen Fehlen wir so oft Grund hatten zu beklagen.

Solches Handeln war von besonders vitaler Bedeutung, nachdem das Schlagwort „unconditional surrender" proklamiert worden war.

Die dahinterstehende Absicht war die Aus-schließung jeglicher Verhandlungen mit den Nazis und solcher Abkommen, wie sie mit Admiral Darlan getroffen worden waren. Die Notwendigkeit einer Zerstörung der Nazi-Tyrannis zu proklamieren, war lebensnotwendig; nicht weiterzugehen war beinahe fatal. Einige der Aspekte dieser Frage wurden in einem Leitartikel über alliierte Kriegsziele in der New York Times vom 17. Januar 1945 aufgegriffen. Die Zeitung lehnte Forderungen zur Aufgabe des Anspruchs auf bedingungslose Kapitulation ab und fuhr fort: „Aber der wirkliche von den Kritikern aufgeworfene Punkt ist, ob die Formel von der bedingungslosen Kapitulation ausreichend ist. Und zu diesem Punkt muß die Antwort ein emphatisches , Nein‘ sein. Mr. Churchill war etwas unaufrichtig, wenn er vorgab, die einzige Alternative zu bedingungsloser Kapitulation wäre ein Friede aufgrund von Verhandlungen. Er hat durchaus recht, daß nicht nur das Unterhaus, sondern alle Alliierten in überwältigender Form dagegen Stellung nehmen würden. Was aber die Welt wissen will, ist, was kommt, nachdem die bedingungslose Kapitulation erreicht worden ist. Mit anderen Worten: das, worauf die meiste Kritik abzielt, ist die Forderung, daß die Alliierten, ausdrücklicher als es bisher geschehen ist, nicht nur die Prinzipien, sondern die präzisen Einzelheiten der von ihnen vorgeschlagenen Friedensrege-lungen darlegen, nicht um zu verhandeln, sondern um sie dem Feind aufzuerlegen. Das ist um so notwendiger, als die Prinzipien der Atlantik-Charta mehr und mehr mit der Gültigkeit ewiger Wahrheiten anstatt mit praktischen Regeln für politische Anwendung ausgestattet werden. Wegen des Fehlens präziser Friedensbedingungen, die Präsident Wilsons 14 Punkten vergleichbar wären, hat unsere psychologische Kriegführung während des ganzen Krieges unter einem großen Handicap gestanden; und wenn auch die Gestapo der Hauptfaktor ist, der Deutschland weit über den Punkt hinaus im Kriege hält, an welchem es sich 1918 ergab, so zeigt doch die Juli-Revolte hoher militärischer und ziviler Autoritäten gegen das gegenwärtige Regime, ein wie fruchtbares Feld Deutschland für einen psychologischen Einbruch noch darstellt."

Die detaillierte Studie der Ereignisse innerhalb Deutschlands unmittelbar vor dem Waffenstillstand von 1918, die jüngst von H. R. Rudin angefertigt wurde hat klargemacht, daß Wilsons Programm eine Abkürzung des Krieges um mehrere Monate bedeutete. Wäre in diesem Kriege ein ähnliches Programm angenommen worden mit einer ähnlichen Wirkung, so wäre jene letzte Orgie des nationalsozialistischen Nihilismus vermieden worden, so auch die Verbrennung von Insassen der Konzentrationslager bei lebendigem Leib und die Gewaltmärsche alliierter Kriegsgefangener ins Hinterland.

Was unsere Beziehungen zu Rußland angeht, so wäre einer der angeblichen Nachteile einer Politik erklärter Kriegsziele tatsächlich ein großer Vorteil gewesen. Es wären dann definitive und zeitige Vereinbarungen mit unserem östlichen Verbündeten erforderlich gewesen. Solche Vereinbarungen sind nie leicht zu erzielen; aber die Aufgabe wird unendlich viel schwerer, wenn nach der Niederlage des Feindes — welcher die „raison d’etre" des Bündnisses war — dieses Bündnis Zeichen der Auflösung zeigt. Werden Probleme dieser Art nicht rechtzeitig geregelt, so wird ihre Lösung eher schwieriger als leichter. Man braucht nur eine Zeitung aufzuschlagen, um zu sehen, wie diese Probleme die Grundlagen für alarmierende Schlagzeilen bilden.

Stalins Erfolge wurden weithin dadurch erreicht, daß er in ein Vakuum stieß, welches die Demokratien geschaffen hatten, indem sie es unterließen, sich auf eine klare Politik zu einigen und sie mit strategischen und anderen Mitteln zu unterstützen. Eine weitere russische Expansion wird möglich, wenn wir zugeben, daß sich ein anderes Vakuum bildet. Das könnte in Deutschland der Fall sein. In dem von Rußland besetzten Teil dieses Landes scheint es, daß eine definitive, dem Charakter der Besatzungsmacht entsprechende Politik sofort ausgenommen wurde. Gewisse Charakteristiken totalitärer Regierung (einschließlich der Drohung, Geiseln zu erschießen) traten in Erscheinung; man fragt sich, ob nicht die Absicht besteht, diesen Prozeß zu seinem logischen Abschluß zu bringen. Auf der einen Seite wurde jede Absicht, ein ganzes Volk zu bestrafen, verneint, und die Politik der Nadel-stiche, die untrennbar mit einer solchen Absicht verbunden ist, wurde sorgfältig vermieden. Während z. B. ein Dirigent, der in München ein Orchester organisieren wollte, eine Ablehnung erfuhr, konnten russische Zeitungen berichten, daß ein Konzert des Berliner Symphonieorchesters bereits stattgefunden hat. Nach allem, was bisher bekannt ist, beabsichtigt Stalin zwar, von Ostdeutschland alles, was er will, zu nehmen, aber auch, es funktionieren und nach seinen eigenen Vorstellungen regieren zu lassen.

In dem westlich der Elbe gelegenen Teil Deutschlands ist bisher wenig entschieden worden. Fabriken können nicht wieder eröffnet werden, wenn sie nicht unmittelbaren alliierten Zwecken dienen. Die Zustände sind daher beinahe so, wie sie sein würden, wenn der Morgenthau-Plan — mit unbedeutenden Abänderungen in dem Bericht von Baruch übernommen — offiziell angenommen worden wäre. Sollte sich das zu einer permanenten Politik entwickeln oder auch nur lange genug dauern, daß sich Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung unter den Millionen deutscher Industriearbeiter und ihren Familien entwickeln kann, so könnte man schon Grund haben, sich den Pessimismus in Erinnerung zu rufen, den David Lawrence in seinem Kommentar über die Jalta-Entscheidungen ausdrückte. Nach einem Bericht der NCWC [National Catholic Welfare Conference] vom 16. Februar 1945 sagte Lawrence, daß „die Krim-Konferenz Deutschland zu einem Untergrundleben von Verbrechertum und Gesetzlosigkeit verurteilt hat". Churchill erinnerte das italienische Volk nach einem Besuch im befreiten Teil Italiens daran, daß wirtschaftliches Elend zu einer Wiedergeburt des Tyrannis führen könne. Dasselbe gilt für Deutschland, wo kommunistische Ruhelosigkeit, verstärkt durch die moralische Unterstützung von Seiten Rußlands, die Aufgaben unserer Militärregierung nicht ge-rade erleichtern würde. Irgendwann werden möglicherweise die erforderlichen Schritte unternommen werden; aber warum sollten wir es zulassen, daß sich die Lage in Deutschland verschlechtert, ehe wir etwas tun, um sie zu verbessern?

Der Wiederaufbau

Ein politisches Vakuum in Deutschland ist einer Stabilisierung ebenso wenig förderlich wie wirtschaftliche Not. Das Vakuum, das der Zusammenbruch des Nationalsozialismus geschaffen hat, muß gefüllt werden. Mir schien es immer, daß der einzige Weg, um das zu erreichen, der Wiederaufbau der — jetzt von den Militärregierungen verbotenen — demokratischen Parteien ist, um dann in Zusammenarbeit mit ihnen Deutschland zu regieren Für demokratische Länder sollte es genau so natürlich sein, die Entwicklung demokratischer Institutionen zu erlauben, wie Diktaturen es als natürlich empfinden, überall dort, wo sie Einfluß haben, Diktaturen zu errichten. Von einem mehr praktischen Standpunkte aus ist es interessant, ein Argument zu erwähnen, auf das John Mac Cormac in der New York Times („Common Policy on Germany May Yet he Fixed by Allies", Ausgabe vom 20. 5. 1945) hinweist:

„Die Allierten könnten einfach nicht die Kräfte erübrigen, die notwendig wären, um Deutschland als einen Polizeistaat zu verwalten. Es müssen Deutsche gefunden werden, die die Arbeit leisten können, und wenn die Theorie , es gibt keine guten Deutschen', von der man sagt, auf ihr basiere die Politik der bedingungslosen Kapitulation, zutreffend ist, dann müssen, so sagt man, gute Deutsche erfunden werden."

Das bringt uns ein wenig näher an die Wirklichkeit heran. Gewisse Schritte in der richtigen Richtung sind bereits mit der Ernennung früherer demokratischer Führer als administrative Leiter gewisser Verwaltungsstellen getan worden. Da ein demokratisches Deutschland irgendwann entsprechend unseren eigenen Interessen entstehen muß, scheint es desto besser zu sein, je eher wir das zum Ziel unserer Politik machen. Eine Politik des Zögerns und der Verneinung wird nur die Verwirrung fördern und den Radikalismus ermutigen. In einem Europa mit einem Deutschland — wenigstens einem Deutschland westlich der Elbe — auf dem Wege zur Konsolidierung könnte man sicherer leben als in einem Europa mit einem Deutschland, in welchem sich alles ereignen könnte, einschließlich einer Ausdehnung der kommunistischen Herrschaft bis zum Rhein und über ihn hinweg.

Ein freies und einiges Europa

Eine Konsolidierung in Deutschland würde gefördert durch definitive Schritte in Richtung eines „Europe Free and United", wie es Albert Guerard unter diesem Titel in einem der vernünftigsten und brillantesten Bücher vorschlug, welche die politische Diskussion der letzten Jahre hervorgebracht hat. Europa ist für den Streit so vieler unabhängiger Souveränitäten zu klein geworden. Die Interessen des Durchschnittsmenschen sind dieselben, gleichgültig ob er in Frankreich, Spanien, Italien oder Deutschland lebt. Die meisten wollen Frieden und Ruhe und würden ohne großes Bedauern von nationalistischen Rivalitäten Abschied nehmen. Aber die einzelnen nationalen Regierungen betrachten es als ihre Pflicht, das zu verteidigen, was ihnen als die Interessen ihrer Länder erscheint. So gibt es einen Sprecher für jede Sorge und jede Phobie, aber niemand hat die Autorität, für die gemeinsamen Interessen aller zu sprechen. In den Untergrundbewegungen der verschiedenen Länder bestand jedoch ein allgemeiner Wunsch für irgendeine Form einer europäischen Einheit. Was Frankreich angeht, das der Führer eines freien und demokratischen Kontinental-europas zu sein hätte, so erklärte eine französische Wochenzeitschrift jüngst: „Solange sich die französische Widerstandsbewegung im Untergrund befand — insbesondere die Sozialisten, Combat und unsere Freunde von Temoignage Chretien und von der Revue Libre — verstand sie sehr wohl, daß die Basis der französischen Politik im Kampf für vollständige europäische Freiheit zu bestehen habe."

Die Aussichten auf ein geeintes Europa sind nicht gut. Stalin sagt „nein" und ebenso Lord Vansittart. Opposition kommt auch von jenen Mitgliedern des Foreign Office, die sich nicht an die Idee gewöhnen können, daß die Politik des Gleichgewichts der Mächte, die schon seit einiger Zeit mit Schwierigkeiten verbunden gewesen ist, nun völlig impraktikabel ist, da es keine Macht mehr gibt, mit deren Hilfe man eine Änderung im Gleichgewicht herbeiführen könnte. Es dauert einige Zeit, bis Änderungen von solch säkularer Bedeutung sich einprägen. Die Stärke der kombinierten Opposition gegen ein vereintes Europa ist eindrucksvoll, aber das sollte uns nicht daran hindern, ein Aktionsprogramm zu formulieren und möglichst viele Teile davon in die Wirklichkeit umzusetzen. Vor allem aber sollten wir dafür sorgen, daß der Frieden nicht neue Gegensätze schafft. Es gibt viele Vorschläge, die — unter dem Vorwand auf „Sicherheit", „Kompensation" und „strategische Grenzen" abzuzielen — solche Gegensätze schaffen würden. Diese Vorschläge sind, wie Don Sturze es einmal ausdrückte, auf einer Politik der Furcht begründet, „welche den Sinn für die Wirklichkeit des-integriert". Sorgen um den Angreifer von gestern sind ein wenig altmodisch; es wird gut sein, im Gedächtnis zu behalten, daß der nächste Krieg von einem Sieger dieses Krieges begonnen werden wird.

Um den Frieden der Welt

über die Probleme Europas hinaus gibt es die der Welt. Wir mögen noch nicht in „einer Welt" leben, aber diese Welt könnte als Resultat der Erfindung von Raketenwaffen bald eine einzige Zielscheibe sein. Eine weltweite Organisation ist daher erforderlich, um die Probleme eines weltweiten Militarismus zu kontrollieren. Die neue Weltorganisation, jene empfindliche Pflanze, die in dem von der Konferenz von San Franzisko vorbereiteten Boden wächst, sollte nicht nur als ein Symbol und als eine Hoffnung betrachtet werden, so notwendig es auch sein mag, das zu schätzen und zu hüten, solange nichts Besseres zur Verfügung steht. Der Völkerbund wurde dafür getadelt, daß er den Mandschurei-Konflikt und den Äthiopien-Konflikt nicht gelöst hat; die neue Weltsicherheitsorganisation könnte (wegen des Vetorechts) nicht mehr tun, als solche Konflikte zu diskutieren. Japan und Italien gehörten zu den „Großen Fünf von 1919". Ein jeder der Großen Fünf von 1945 wird in der Lage sein, jede Maßnahme gegen sich selbst mit einem Veto zu belegen.

Auf der anderen Seite wäre es Defätismus, zu der alten Politik der Bündnisse zurückzukehren, die durch die einem demokratischen Bewußtsein kaum akzeptable Maxime bestimmt waren: „Mein Bundesgenosse, Recht oder Unrecht". Einflußsphären, auch wenn sie von „Supermächten" unterhalten werden, enthalten Konfliktsphären. Ein neuer Krieg ist unwahrscheinlich, solange die Periode der durch den derzeitigen Konflikt hervorgerufenen Erschöpfung dauert. Was sollten wir während der Gnadenfrist tun, die wir wahrscheinlich haben werden?

Politik und Prinzipien

Erstens sollten wir zu einer Politik der Prinzipien zurückkehren. In dieser Hinsicht war die Situation nach dem Ersten Weltkrieg viel besser. Unter den Idealen, welche die hervorragendsten Führer jener Zeit formulierten — Papst Benedikt der XV. und Präsident Wilson —, gab es eine Menge Gemeinsamkeiten. Im Verlauf des jetzigen Krieges hat es kaum etwas anderes gegeben als Kritik an Wilson und Lob der Machtpolitik. Als die Konferenz von San Franzisko eröffnet wurde, hat anfangs niemand Wilsons Namen erwähnt. Seine Kritiker sind nicht fair, wenn sie ihn für den Fehlschlag einer Politik tadeln, nachdem er sein eigenes Land nicht veranlassen konnte, sie anzunehmen, mit dem Ergebnis, daß es die Entstehung eines neuen Krieges innerhalb einer Generation voraussagte Davon abgesehen, war sich Wilson bewußt, daß „der Friede der Welt auf den erprobten Grundlagen der politischen Freiheit gepflanzt werden müsse". Die Ereignisse zwischen den beiden Weltkriegen haben sich aber von dieser Grundlage der politischen Freiheit entfernt — eine Entwicklung, gegen die Maßnahmen möglich gewesen wären. Im gegenwärtigen Kriege ist es weithin Papst Pius XII. überlassen geblieben, die echten Prinzipien einer kooperativen Sicherheit zu proklamieren: eine Weltorganisation, in welcher die Großmächte führen, aber nicht dominieren, und in welcher niemand über dem Gesetz steht. In seiner Weihnachtsansprache von 1944 lenkte er unsere Aufmerksamkeit auf den Vorteil, den der Friede von einer wirklich demokratischen Regierungsweise gewinnen könnte, mit dem Ergebnis, daß seine Stellung der von Wilson noch ähnlicher wurde als zuvor, zu einer Zeit, als die politischen Führer der Welt in die entgegengesetzte Richtung trieben

Zweitens müssen wir einsehen, daß das Herbeiführen eines gerechten Friedens Sache des Siegers ist und daß bedingungslose Kapitulation kaum von bedingungsloser Verantwortlichkeit geteilt werden kann. Christopher Dawson schrieb in der Oktober-Ausgabe 1944 des „The Sword of the Spirit-Bulletin": „Wie viele Friedensregelungen sind durch zuviel Christentum auf selten der Sieger untauglich gemacht worden? Ich glaube nicht viele, wohingegen aber eine große Anzahl wegen Habgier, Haß, Unglaubwürdigkeit und Selbstsucht zugrunde gerichtet wurden". Wir könnten uns auch daran erinnern, daß Pius XII. bereits im September 1939 sagte, „die Stunde des Sieges" sei „die Stunde der Versuchung", wenn „das Herz des Siegers oft verhärtet" ist und wenn Gefahr bestehe, daß „Ungerechtigkeit unter dem Mantel der Gerechtigkeit" einhergehe.

Drittens ist Isolationismus keine Politik, sondern die Negation einer Politik. Nach dem Ersten Weltkrieg befürworteten einige internationale Zusammenarbeit, um einen Krieg zu verhindern, andere wollten Isolation, um aus dem Kriege herauszubleiben. Dadurch verhinderten wir weder den Krieg noch hielten wir uns — aus welchen Gründen auch immer — aus ihm heraus. Dieses Mal sollte es besser sein, sich daran zu erinnern, daß „eine Unze Vorbeugung soviel wert ist wie ein Pfund Heilmittel". Ferner gibt es die ethische Seite der Sache, welche die katholischen Bischöfe [der Vereinigten Staaten] in ihrer Erklärung „Uber Internationale Ordnung" wie folgt formulierten: „Es gibt eine internationale Gemeinschaft der Nationen. Gott selbst hat die Nationen für ihr volles Leben und ihr Wachstum voneinander abhängig gemacht. Das gemeine Wohl einer jeden Nation ist untrennbar verbunden mit dem gemeinen Wohl der internationalen Gemeinschaft."

Ein Handeln nach diesen Grundsätzen wird nicht ohne Enttäuschungen sein, aber handeln sollten wir. Dieses Land hat die Prinzipien, die uns leiten sollten, vor mehr als eineinhalb . Jahrhunderten entwickelt. Da wir sie in unserem eigenen Lande so lange und mit soviel Erfolg angewandt haben, sind wir in der beneidenswerten Lage, auf der Grundlage eines Beispieles lehren zu können; wir sollten die Gelegenheit dazu nicht vorübergehen lassen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Solche Tendenzen können sich aus der Schwäche eines Staates ergeben. So ist es nicht wahrscheinlich, daß Luxemburg in Konflikten mit seinen Nachbarn eine aktive Rolle spielen wird. Auf der anderen Seite besitzen in der westlichen Hemisphäre einige Nationen so viel Land, daß sie auf das, was sie zusätzlich durch Eroberungen erhalten könnten, keinen Wert legen. Die beste Illustration ergibt sich aus den friedlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada, auch wenn die Agitation einiger der „war hawks" (Kriegsfalken) vor dem Kriege von 1812 nicht vergessen werden sollte, und ebensowenig die südliche Expansion der Vereinigten Staaten auf Kosten Mexikos.

  2. Alexander Hamilton, James Madison und John Jay: Der Föderalist, Hrsg. Dr. Felix Ermacora, Wien 1958, S. 66.

  3. Eine vergleichende Studie des Militarismus, welche die analytische mit der empirischen Betrachtungsweise vereinigt und sich mit allen relevanten Variablen in ihrem historischen Kontext befaßt, ist längst überfällig. Das ist eine der Aufgaben in Richtung einer „systematischen Geschichtsschreibung", die nach dem Kriege in Angriff genommen werden sollte.

  4. E.de Laveleye, Le Gouvernement dans la dmocratie, Bd. II, Paris 1891, S. 435.

  5. Englische Übersetzung bei B. F. Lutz, Forceful Peace in History, in: Social Justice Review, Pleas Januar 1943, S. 300. Der französische Text des Briefes ist enthalten in: M. Aime-Martin, Oeuvres de Fenelon, Bd. III, Paris 1838, S. 425— 429.

  6. In dieser Hinsicht sind die Argumente von Hamilton unvollständig. Er lebte zu früh, um erkennen zu können, wie die moderne Demokratie, die in dieser Weise ganz verschieden ist von ihren Vorgängerinnen, für Frieden wirken und, in gewissen Grenzen, Faktoren kompensieren kann, die zum

  7. [Wenn hier von den aus der Innenpolitik kommenden Ratgebern des Präsidenten gesprochen wird, so sind damit diejenigen gemeint, die sich auf die Innenpolitik hätten beschränken sollen, es aber nicht taten, insbesondere Henry Morgenthau und Harry Hopkins.

  8. Dieses begann früh. General Smuts machte während der Pariser Friedenskonferenz einige Bemerkungen gegenüber Harold Nicholson, die letzterer wie folgt formulierte: „Er ist sehr pessimistisch. Seine Ansicht ist, daß die Weltkrise eine zwischen Regierung und Anarchie ist. Die erstere hat sich seiner Meinung nach als unfähig für konstruktive und ordnende Gedanken gezeigt. Sie ist dem Strom der Meinungen gefolgt, statt diesen Strom in vernünftige Kanäle zu lenken. Er fühlt, daß alles, was wir hier getan haben, viel schlimmer ist als der Kongreß von Wien. Die Staatsmänner von 1815 wußten wenigstens, was sie wollten. Diese hier wissen es nicht." Peace making 1919, New York 1939, S. 336.

  9. Hier zit. von S. W. Coker, Readings in Political Philosophy, New York 1938, S. 200.

  10. Für einige Einzelheiten s. J. Barns, Russians, Poles, Czecks, Turks, Indians fight for Hitler, in: The Chicago Sun, 25. 6. 1944.

  11. Albert J. Guerard, The tough young men of France, in: Harper's Magazine, April 1945, S. 468.

  12. Wenn unsere Zeitungen es wollten, könnten sie Spalte für Spalte mit gespenstischen Berichten über russische Greueltaten füllen und aus ihnen dieselben Schlüsse ziehen, die sie damals in bezug auf Deutschland zogen.

  13. Artikel: Who saved fascism, in: The Saturday Evening Post, 23. November 1940.

  14. In dieser Hinsicht haben die deutschen Bischöfe, die oft kritisiert wurden, Besseres tun können. Siehe z. B. ihren Hirtenbrief vom Passionssonntag 1942 (abgedruckt in der New York Times v. 7. 6. 1942 unter dem Titel „Nazi acts decried by Reich Bishops"). Die Times bemerkte in einem Leitartikel, dieser Brief zeige „einen Mut nicht weniger groß als den der christlichen Märtyrer im heidnischen Rom", und fügte hinzu: „das bedeutet also, daß die Nazi-Diktatur Krieg gegen ihr eigenes Volk führt" (Call to German Conscience, in: The New York Times, 8. 6. 1942).

  15. S. 352 der „Pocket Book" -Ausgabe.

  16. Armistice 1918, New Haven 1944.

  17. Für den Text s. The New York Times v. 1. 6. 1945.

  18. [In der ursprünglichen Fußnote folgt ein Hinweis darauf, daß sich in Deutschland Anfänge neuer parteipolitischer Aktivität abzeichneten, daß aber die Genehmigung dazu verweigert wurde. Die Ausführungen in dieser Fußnote protestieren dagegen. Einzelheiten brauchen hier nicht, wiederholt zu werden, weil diese Politik der westlichen Alliierten bereits 1946 revidiert wurde. Vgl. auch mein Buch „The Tyrants'War and the Peoples’ Peace", Chicago 1944, S. 160— 167. ]

  19. Stanford University Press 1945.

  20. Paul Vignaux, Unrest in France, in: The Commonwealth, Mai 1944. Siehe auch Hannah Arendt, Approaches to „the German Problem", in: The Partisan Review, Winter 1945.

  21. [Der amerikanische Senat, der nach der Verfassung den Friedensvertrag von Versailles, der den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Völkerbund einschloß, mit einer Mehrheit von zwei Dritteln hätte ratifizieren müssen, tat das nicht. ] Wie jedoch Nicholas Murray Butler und Stephen Bonsai vor einigen Jahren berichtet haben, hätte Wilson die Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen können, wenn er die gemäßigten Vorbehalte zum Vertrag angenommen hätte, denen sowohl England als auch Frankreich zuzustimmen bereit waren. Darüber hinaus übersehen diejenigen, die den Konflikt zwischen Wilson und dem Senat in den vertrauten Kategorien eines Antagonismus Held—Teufel diskutieren, daß, wie Ray Stannard Baker uns in seiner Einführung zur jüngsten Ausgabe von Wilsons „Congressional Government" erinnert hat, die Gewaltenteilung amerikanischer Art einiges mit dem Entstehen eines solchen Konfliktes zu tun hat. [Diese Bemerkung mag dem deutschen Leser überraschend erscheinen. Für weitere Einzelheiten siehe meine Verfassungslehre, Köln-Opladen 1968 2, Kapitel XIX. ]

  22. [Auch was oben über Wilson, Demokratie, Freiheit und Frieden geschrieben wurde, mag überraschen. Sobald meine Vorlesungen über Außenpolitik in Buchform vorliegen, werden in ihnen die erforderlichen Einzelheiten enthalten sein; inzwischen siehe meinen Artikel „Wege zum Frieden", Hochland, August 1967. ]

Weitere Inhalte

Ferdinand A. Hermens, Dr. rer. pol., Professor der Politischen Wisssenschaft und Direktor von Seminar und Institut für Politische Wissenschaft an der Universität zu Köln; 1934 Emigration; 1935— 1938 Assistant Professor of Economics, Catholic University, Washington D. C.; 1938— 1945 Associate Professor of Political Science, University of Notre Dame; 1945— 1959 Professor of Political Science, University of Notre Dame. Veröffentlichungen u. a.: Unternehmer und Konjunktur, Berlin 1935; Der Staat und die Weltwirtschaftskrise, Wien 1936; The Tyrants ‘War and the Peoples’ Peace (mit einer Einführung von Robert M. Maclver), Chicago 1944; Potsdam or Peace: The Choice Before US, Chicago 1946; Verfassungslehre, Köln und Opladen 1968 2; Demokratie oder Anarchie. Eine Untersuchung über die Verhälniswahl, Köln und Opladen 1968 ; Ethik, Politik und Macht. Christlicher Realismus und manichäischer Dua-lismus, Frankfurt a. M. 1961; Der Ost-West-Konflikt. Gründe und Scheingründe, Köln und Opladen 1961; Wirtschaftliche und staatliche Stabilität, Köln und Opladen 1964.