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Die Deutschlandpolitik des kommunistischen China | APuZ 16/1969 | bpb.de

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APuZ 16/1969 Die Deutschlandpolitik des kommunistischen China Ideologisch-historische Voraussetzungen der Kulturrevolution in China

Die Deutschlandpolitik des kommunistischen China

Hemen Ray

Bald nach ihrer Machtergreifung auf dem Fest-Hand begannen die chinesischen Kommunisten Interesse an deutschen Angelegenheiten zu zeigen, besonders an Mitteldeutschland. Diplomatische Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und der DDR wurden im Oktober 1949 ausgenommen, aber erst im Oktober 1953 erhielten die diplomatischen Vertreter beider Länder Botschafterrang.

Zu Stalins Lebzeiten kamen die chinesischen Kommunisten in ihren Beziehungen zur DDR nicht über Handels-und Kulturabkommen sowie den Austausch von Freundschaftsbesuchen hinaus. Der sowjetische Diktator behielt Mitteldeutschland fest im Griff und erlaubte den Pekinger Führern nicht, dort irgendeine Rolle zu spielen. Die chinesischen Kommunisten erkannten denn auch, daß sie in der DDR nicht Fuß fassen konnten, solange Stalin lebte. Trotzdem bemühten sie sich, in der DDR eine „China-Lobby" zu schaffen, um ihr Image bei den mitteldeutschen Kommunisten zu verbessern.

Schon zu dieser Zeit propagierten führende Vertreter der SED den Gedanken, daß die DDR von den chinesischen Kommunisten und ihren Erfahrungen lernen könne. In einem Artikel forderte Hans Seigewasser: „Wir sollten begreifen, daß wir viel vom chinesischen Volk lernen können. Wir sollten gründlich die Voraussetzungen seines nationalen Befreiungskampfes studieren. . .. Wir sollten den Menschen unserer Republik die großen Lehren der chinesischen Volksrevolution erläutern." Zur gleichen Zeit erklärte die Nationale Front in einem Aufruf zum Monat der deutsch-chinesischen Freundschaft, es gelte, vom Vorbild des siegreichen chinesischen Volkes zu lernen, wie man erfolgreich um die nationale Befreiung kämpfen müsse. „Auch das deutsche Volk, dessen nationaler Bestand durch den

Die ersten Jahre

Adrian Hsia: Ideologisch-historische Voraussetzungen der Kulturrevolution in China............ S. 29

amerikanischen Imperialismus unmittelbar bedroht ist, sieht am Beispiel Volkschinas, daß der Kampf gegen die Intervention erfolgreich geführt werden kann."

Prompt erklärten auch die chinesischen Kommunisten, daß die mitteldeutschen Kommunisten von ihnen lernen könnten, ihr Land aufzubauen. Der führende chinesische Kommunist Ku Mo-jo, der zur Teilnahme an der ersten deutsch-chinesischen Freundschaftswoche in Ost-Berlin weilte, bezeichnete die gleichzeitig erfolgte Gründung der DDR und der Volksrepublik China als einen „Wendepunkt" in der Weltgeschichte und versprach den mitteldeutschen Kommunisten chinesische Hilfe Doch eine Zeitlang unternahm China nichts, seine Beziehungen zur DDR weiter auszubauen. Damals unterstützten die chinesischen Kommunisten auch die sowjetische Politik gegenüber Bonn. Sie riefen die Bevölkerung der Bundesrepublik auf, sich gegen den „amerikanischen Imperialismus" und die Regierung Adenauers zu erheben. Am Vorabend der Bundestagswahl von 1953 behauptete das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Chinas, Renmin Ribao, in einem Kommentar, das westdeutsche Volk wisse, daß die Sowjetunion es gewesen sei, die Deutschland gerettet habe. „Die Lebensbedingungen der Arbeiter an der Ruhr", schrieb das Blatt, „werden sich verbessern, wenn die Wahlen Adenauer und seiner Partei einen tödlichen Schlag versetzen."

Die Politik Chinas gegenüber der DDR nach Stalins Tod

Bald nach dem Tod Josef Stalins im März 1953 gewann die DDR zunehmend an Bedeutung für die Politik des kommunistischen China, das bestrebt war, sein Prestige und seinen Einfluß in Osteuropa zu erhöhen. Zwar gab Moskau in Mitteldeutschland nach wie vor in allen wichtigen Fragen den Ton an, aber zahlreiche SED-Führer fühlten sich unwiderstehlich getrieben, Mao Tse-tung nachzueifern. Diese starke Affinität der mitteldeutschen Kommunisten zur politischen und ideologischen Führung Mao Tse-tungs ergibt sich daraus, daß die chinesische Volksrepublik und die DDR innen-wie außenpolitisch vor ähnlichen Problemen und Situationen stehen.

China wie die DDR grenzen an Länder mit proamerikanischen Regierungen. Was Quemoy, Matsu und Formosa für die Volksrepublik sind, ist West-Berlin für die DDR. Die chinesischen Kommunisten betrachten Tschiang Kai-scheck als amerikanische Marionette; die SED bedenkt die Bundesrepublik mit ähnlichen Schmähungen.

Als Mao Tse-tung entdeckt hatte, daß die SED ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung seiner Interessen in Osteuropa werden könnte, konzentrierte er seine Aufmerkamkeit auf die DDR und begann die dort herrschende Bewunderung seiner Ideologie auszunutzen. Es ist daran zu erinnern, daß Mao Tse-tung nach Stalins Tod in der kommunistischen Welt großes Ansehen erlangte. Während die sowjetischen Führer mit ihrem internen Machtkampf beschäftigt waren, baute Mao in Ruhe sein Prestige in der DDR auf.

Im Zuge der neuen Politik stattete Ministerpräsident Tschou En-lai im Sommer 1954 der DDR einen Besuch ab. Sowohl die chinesischen wie die mitteldeutschen kommunistischen Führer bezeichneten den Besuch als „sehr wichtigen Faktor". Zu Ehren Tschous wurden mehrere Bankette und Empfänge veranstaltet, und bei allen war das beherrschende Thema die wachsende Verbundenheit zwischen China und der DDR. Ministerpräsident Tschou redete die SED-Führer als „Brüder" an und rühmte ihre „große Sympathie" für China. „Zwischen dem chinesischen und dem deutschen Volk", sagte Tschou, „besteht eine tiefe Freundschaft. Die ständige Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und der Deutschen Demokratischen Republik hat außerordentliche Bedeutung für die Festigung und Stärkung der Weltfriedenskräfte. . . . Die gerechte Sache des deutschen Volkes für die Schaffung eines einheitlichen, unabhängigen und friedliebenden Deutschland wird die tiefe Sympathie und volle Unterstützung der Regierung und des Volkes Chinas finden." Tschou drängte die SED-Führer, die Wirtschafts-, Handels-und Kulturbeziehungen mit China zu erweitern, um die Verbindung zwischen den beiden Ländern zu verstärken. „Die Zukunft der Zusammenarbeit Deutschlands und Chinas in bezug auf Wirtschafts-, Handels-und Kulturaustausch ist sehr aussichtsreich. . . . Das deutsche Volk ist eine große Nation. Die Errungenschaften des deutschen Volkes auf wissenschaftlichem, kulturellem und künstlerischem Gebiet sind hervorragend. Die deutsche industrielle Produktion und das hohe technische Niveau sind weltbekannt."

Ministerpräsident Tschou äußerte zwar in seinen Reden kein Wort gegen die Bundesrepublik; aber im gemeinsamen Kommunique attackierten er und der DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl die „Remilitarisierung Westdeutschlands und Japans" und erklärten, daß „der Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands und Japans die gemeinsame Aufgabe aller friedliebenden Völker ist". Außerdem gaben beide Regierungschefs ihrer Freude darüber Ausdruck, daß die Begegnungen chinesischer und deutscher Regierungsvertreter „die herzlichen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Völkern vertieft und gestärkt haben"

Um diesen neuen Geist der Freundschaft zu fördern, besuchten zahlreiche hervorragende chinesische Kommunisten wie Tschu Teh, Tschen Ji, Kuo Mo-jo, Peng Teh-huai und andere die DDR. In einem Kommentar wies die Parteizeitung Renmin Ribao darauf hin, daß die Volksrepublik China und die Deutsche Demokratische Republik im gleichen Monat des Jahres 1949 gegründet worden waren, und fuhr fort: „Beide Länder stehen in der ersten Reihe des großen Kampfes gegen den Imperialismus. . . . Das chinesische Volk ist stolz darauf, einen so starken und zuverlässigen Freund zu haben wie die Deutsche Demokratische Republik." Die mitteldeutschen Kommunisten erklärten ebenfalls, daß beide Länder ähnliche Probleme hätten und einig im Kampf gegen die „gemeinsamen Feinde" seien. „Es sind dies die amerikanischen Kriegstreiber. . .. Gemeinsame Freunde, gemeinsame Feinde und gemeinsame Kampfziele schaffen eine feste Grundlage für die Freundschaft zwischen unseren Völkern."

Die chinesischen Kommunisten betrachteten die Kampagne der SED für engere Beziehungen zu Peking als eine „vom Himmel gesandte" Chance, ihren Einfluß in einem der krisenanfälligsten Gebiete Europas zu verstärken. Sie unternahmen verschiedene Schritte, um ihre Freundschaft und Sympathie für die DDR zu demonstrieren. Im April 1955 erklärte Mao Tse-tung in einer Proklamation den Kriegszustand zwischen China und Deutschland, der seit dem 9. Dezember 1941 bestanden hatte, für beendet. In der Proklamation hieß es: „Die Beendigung des Kriegszustandes zwischen der Volksrepublik China und Deutschland (Ost-und Westdeutschland) ändert nichts an den internationalen Verpflichtungen Deutschlands. Gleichzeitig hat sie keine Auswirkungen auf die Rechte der Volksrepublik China und auf die Verpflichtungen, die sich aus den Deutschland betreffenden internationalen Verträgen ergeben." Zugleich warfen die Chinesen den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich vor, sie betrieben die „Remilitarisierung Westdeutschlands" und verfolgten eine Politik der Spaltung Deutschlands und der Eingliederung Westdeutschlands in den „aggressiven Militär-block"

Im Mai 1955 kam eine chinesische Militär-delegation unter Führung von Verteidigungsminister Peng Teh-huai nach Ost-Berlin, um Beziehungen zwischen den Streitkräften Chinas und der DDR aufzunehmen. Auf einem Empfang beschuldigte Peng wiederum die „aggressiven Kreise" der Vereinigten Staaten, sie trieben eine Politik der „Remilitarisierung Westdeutschlands", und er bot der DDR die Hilfe Chinas gegen jede Bedrohung von Seiten der Bundesrepublik an. „Sie versuchen", sagte er, „Deutschland wieder in einen Herd für einen neuen Krieg in Europa zu verwandeln und die Bevölkerung Westdeutschlands als Kanonenfutter für den zukünftigen Krieg gegen die Sowjetunion und die Länder der Volksdemokratie zu benutzen."

Um diese Zeit traten die Beziehungen zwischen dem kommunistischen China und der DDR in eine neue Phase ein. Die chinesischen Kommunisten zeigten sich empfänglich für das Lob, das die SED ihrer Politik und ihrer ideologischen Haltung zollte, und gaben zu verstehen, daß sie an einer weiteren Festigung der Verbindungen mit der DDR interessiert seien. Sie luden den Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, zu einem Besuch nach China ein.

Anfang Dezember 1955 traf Grotewohl in Peking ein. Er feierte die „neuen Beziehungen" zwischen der DDR und der Volksrepublik China als „wichtigen Faktor" in der Weltpolitik. Während Grotewohl durch China reiste, erläuterte Ministerpräsident Tschou En-lai in einer Rede Chinas Politik gegenüber Deutschland; dabei sagte er:

„Nach dem Ende des antifaschistischen Krieges wurde auf deutschem Boden die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Dieses große Ereignis bedeutet einen Wendepunkt in der Geschichte Europas. Die Deutsche Demokratische Republik, die an der vordersten westlichen Front im Kampfe gegen den Imperialismus steht, ist ein starkes Mitglied des sozialistischen Lagers des Friedens und der Demokratie. Ihre Existenz und Entwicklung ist ein mächtiger Ansporn für das chinesische Volk in seinem Kampf um die Sicherung des Friedens in Asien und der ganzen Welt."

In einem Artikel schrieb Renmin Ribao am 28. Dezember 1955, in der ganzen Welt erkenne man, „daß die Freundschaft und Solidarität zwischen dem chinesischen und dem deutschen Volk unverbrüchlich und ewig ist".

Während seines Besuchs unterzeichnete Grotewohl mit Tschou En-lai einen Freundschaftsvertrag, der gegenseitige Zusammenarbeit vorsah, insbesondere Zusammenarbeit gegen Verletzer des nationalen Territoriums. Artikel 2 des Vertrages sagt: „Die vertragschließenden Seiten werden sich im Geiste brüderlicher Verbundenheit über alle wichtigen internationalen Fragen beraten, die die Interessen beider Staaten berühren. Hierbei werden sie der Notwendigkeit, die Unverletzbarkeit ihres Hoheitsgebietes und die Sicherheit ihrer Staa8) ten zu gewährleisten und den Weltfrieden zu festigen, besondere Aufmerksamkeit widmen." Formell war der Vertrag provisorisch; er sollte nur bis zur Wiedervereinigung Deutschlands als „friedliebender und demokratischer Staat“ gelten. Artikel 7 sagt: „Der Vertrag wird bis zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als friedliebender und demokratischer Staat oder bis die Vertragschließenden Seiten zu einem Übereinkommen über die Änderung oder Außerkraftsetzung dieses Vertrages gelangen, Gültigkeit haben."

Die Beziehungen zwischen China und der DDR nach dem XX. Parteitag der KPdSU

Nachdem auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion die Verbrechen Stalins enthüllt worden waren, suchten die SED-Führer noch engere Anlehnung an Mao Tse-tung. Chruschtschows Bemühungen um die Entstalinisierung und Liberalisierung des kommunistischen Blocks beeindruckten Walter Ulbricht nicht. Zwar verurteilte Ulbricht — mit Widerstreben — die Fehler Stalins, doch orientierte er sich weiterhin an Maos Haltung und Ideen. Als überlebender der Stalin-Ära fand er Trost und Stütze in Maos orthodoxem Kommunismus. In Verfolgung seines Ziels reiste Ulbricht im September 1956 nach Peking und nahm am VIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas teil. Dort erklärte er, er sei überzeugt davon, daß das kommunistische China ein „lebendes Beispiel" für die Völker Asiens und Afrikas werde. Weiter sagte er: „Eure Darlegungen über die verschiedenen Formen der Diktatur des Proletariats, insbesondere über die Probleme des Übergangs von der demokratischen zur sozialistischen Revolution, sind von großem Wert für alle Sozialisten."

In dieser Periode bezeigte die SED Mao und seiner Politik weiterhin Sympathie und Unterstützung. Als Mao 1957 seine „HundertBlumen-Kampagne" begann, äußerten sich die mitteldeutschen Kommunisten sofort zustimmend; allerdings waren sie nicht bereit, im eigenen Land „hundert Blumen" blühen zu lassen. Ulbricht erläuterte, warum er es ablehnte, in dieser Hinsicht Maos Beispiel zu folgen: „Es geht also bei uns in der Hauptsache nicht darum, , alle Blumen erblühen zu lassen', sondern vielmehr um eine richtige Zuchtwahl der Blumen, um die Auswahl des wirklich Neuen und Nützlichen, ohne daß man dabei das Wuchern schädlichen Unkrauts als angebliche , Blume'duldet." Als die chinesischen Kommunisten eine Terrorkampagne gegen die Intellektuellen einleiteten, gab Ulbricht wiederum seine volle Zustimmung. In einem Bericht aus Peking schilderte das Zentralorgan der SED, Neues Deutschland, beifällig die Ausschaltung der „bürgerlichen Reaktionäre" durch Mao. Das Blatt schrieb: „Die Partei hatte sie zuerst gewähren und damit einen nicht mehr zu leugnenden Tatbestand schaffen lassen. Jetzt werden die Wortführer der Rechten in aller Öffentlichkeit Schritt für Schritt überführt. Einem wahren Kreuzfeuer von allen Seiten ausgesetzt, sehen sie sich nun täglich zu neuen Zugeständnissen über ihr politisches Doppelspiel und die Haltlosigkeit ihrer Behauptungen genötigt. ... Es geht jetzt ... darum, daß die Bloßstellung der reaktionären Ideen gewährleistet wird."

1958 nahm der chinesische Einfluß auf die DDR phänomenal zu. Als Mao Mitte dieses Jahres die ersten Volkskommunen gründete, schickte Ulbricht sogleich Horst Sindermann nach Peking, um das Kommunesystem zu studieren und über seine Anwendbarkeit in der DDR zu berichten Nach seiner Rückkehr aus China empfahl Sindermann die Schaffung von Volkskommunen chinesischen Typs in der DDR 18). In seiner Broschüre Chinas Großer Sprung bezeichnete er die Volkskommunen als „revolutionär". Sindermann schrieb: „ . . .selbstverständlich wird das System der Volkskommunen in China von den Kommunisten aller Länder mit Interesse verfolgt. Die Volkskommune bedeutet, sich satt zu essen, und für Millionen von Bauern die Schaffung eines besseren Lebens. Ungeachtet aller Verleumdung gewinnt dieses Vorbild für die Völker Asiens, besonders für die Millionen unserer Bauern, mit der Zeit immer stärkere Anziehungskraft." Sindermann verteidigte auch die Zerstörung der chinesischen Familien: „Was ist denn daran so barbarisch, wenn dieses barbarische patriarchalische System abgeschafft wird?" Uneingeschränkt begrüßte er die militärische Ausbildung der chinesischen Bevölkerung, weil „die militärische Ausbildung den kämpferischen Geist in den Produktionseinheiten stärkt". „Für uns fortschrittliche Menschen ist es eine Freude zu sehen, wie dieses Land vorwärts schreitet und dabei in den Volkskommunen gesellschaftliche Formen entwickelt, . .. die der kommunistischen Zukunft dienen."

Auch Ministerpräsident Grotewohl pries die Volkskommune als „ein Beispiel" für Länder mit ähnlichen Bedingungen: „Sie beweist die Fortschritte der chinesischen Bauern in der landwirtschaftlichen Produktion und beschleunigt die Herbeiführung sozialistischer Produktionsverhältnisse." Politbüromitglied Hermann Matern nannte die Volkskommune ein „Modell" für alle Nationen der Welt und „eine wichtige Voraussetzung für ein beschleunigtes Tempo im sozialistischen Aufbau". Chinas „Großen Sprung nach vorn" bezeichnete er als „historisch bedeutend"

Die SED-Führer verloren ihre Begeisterung für die chinesische Kommune auch dann nicht, als Nikita Chruschtschow sich während seines Besuchs in Polen im Jahre 1959 über sie lustig machte Sie kopierten die chinesischen Methoden bei ihrer Kampagne zur Zusammenlegung landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften zu größeren Einheiten, die letzten Endes doch wohl darauf abzielte, Volkskommunen chinesischen Typs zu schaffen. Die chinesischen Kommunisten erklärten in ihrem Zentralorgan, die Bildung der größeren Produktionsgenossenschaften in der DDR sei „nicht nur ein Sieg von historischer Bedeutung für das Volk der DDR", sondern stärke das gesamte sozialistische Lager. „Das chinesische Volk begrüßt warm diesen glänzenden Erfolg des deutschen Brudervolkes." Die Bildung der größeren Produktionsgenossenschaften mache auch den „Traum der westdeutschen Reaktionäre" zunichte, „den Kapitalismus in der DDR wiederherzustellen". „Der erfolgreiche Abschluß der Bildung landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften in der DDR demonstriert die Festigung des sozialistischen Systems östlich der Elbe." Ermuntert durch die Chinesen, luden die mitteldeutschen Kommunisten im Mai 1960 ein halbes Dutzend chinesischer Agitatoren zu Vorträgen über das Leben in den Kommunen ein. Am 17. Juni 1960 jedoch änderte Ulbricht den Kurs und schloß sich den sowjetischen Ansichten über die Volkskommunen an; er bezeichnete jetzt die Kommunen als „unbrauchbar" für die DDR. Am gleichen Tag schrieb Neues Deutschland in einem Leitartikel: „Wir müssen den Gedanken zurückweisen, daß der chinesische Weg von der Landreform über landwirtschaftliche Kollektive zu Volkskommunen auch für andere Länder richtig ist."

Die chinesischen Kommunisten hatten unterdessen die Politik der SED-Führer weiter unterstützt. Als die Sowjetunion am 27. November 1958 das sogenannte Berlin-Ultimatum stellte, zog Peking alsbald mit einem ätzenden Angriff auf die Westmächte nach. Es erklärte: „Berlin muß dem deutschen Volke zurückgegeben werden. Das ist eine gerechte Maßnahme, die im Einklang mit dem einheitlichen Wunsch des ganzen deutschen Volkes steht; sie entspricht dem Interesse des Weltfriedens. ... Die Regierung der Volksrepublik China unterstützt vollkommen diesen vernünftigen Vorschlag der Regierung der Sowjetunion. Mehr als 13 Jahre sind seit der Beendigung des Krieges gegen den deutschen Faschismus vergangen, aber bis heute ist immer noch ganz Deutschland, einschließlich seiner Hauptstadt Berlin, in einem Zustand der Spaltung und der Besatzung. Das ist eine anomale Lage. . .." Die chinesischen Kommunisten erhoben gegen die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich die Beschuldigung, sie förderten die „Remilitarisierung Westdeutschlands" und bereiteten die Annexion der DDR vor. „Sie haben weiterhin das Besatzungsregime in Berlin mißbraucht, um West-Berlin in eine Frontstadt innerhalb des demokratischen Deutschlands zu verwandeln, in einen Stützpunkt zur Führung des kalten Krieges, zur Schaffung von Spannungen und zur Durchführung einer umstürzlerischen und zersetzenden Tätigkeit gegen das demokratische Deutschland und gegen die anderen sozialistischen Länder."

Sichtlich ermutigt durch die chinesische Unterstützung griff Grotewohl den chinesischen Slogan „Der Ostwind wird über den Westwind siegen" auf, als er im Januar 1959 Peking zum zweiten Male besuchte. Er erklärte, daß „der Ost-Wind über den Westwind gesiegt hat und die Richtung und den Verlauf der geschichtlichen Entwicklung bestimmt. Der imperialistische Papiertiger hat keine Siegeschance mehr." Die chinesischen Kommunisten versicherten den SED-Führern, daß sie „jeden Anschlag der Imperialisten auf die DDR als einen Angriff auf das ganze sozialistische Lager betrachten und die DDR mit allen Mitteln unterstützen würden" Auch unterstützten sie an Sowjetunion, der Ulbrichts Ersuchen die DDR zur Modernisierung ihrer Armee hochwertiges Kriegsmaterial — einschließlich Atomwaffen — zu liefern, als „legitime Forderung"

Als Verteidigungsminister Peng Teh-huai im Mai 1959 Ost-Berlin zum zweiten Male besuchte, unterstrich er die „unverbrüchliche Einheit" zwischen den Völkern und Armeen beider Staaten Auf einem Empfang sagte Ulbricht, der Besuch Peng Teh-huais sei „gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt eine bedeutungsvolle Manifestation der Freundschaft zwischen dem chinesischen und dem deutschen Volk."

Die Zeitung Volksarmee schrieb: „Wie unsere chinesischen Waffenbrüder an der äußersten Front im Osten, stehen wir an der Westgrenze des mächtigen sozialistischen Lagers." Das Blatt erklärte, es sei die Aufgabe jedes Soldaten und Offiziers der DDR-Armee, aus den „großen Erfahrungen der chinesischen Volks-Befreiungsarmee zu lernen und seine Gefechts-bereitschaft zu erhöhen"

Periode In dieser gewährten die mitteldeutschen Kommunisten der chinesischen Volksrepublik weiterhin volle politische Unterstützung. Als Nikita Chruschtschow Anfang September 1959 die Vereinigten Staaten besuchte, bezeichnete Walter Ulbricht diesen Besuch als übereinstimmend mit den „marxistischen Erkenntnissen Mao Tse-tungs" In einer Rede zur Feier des 10. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China am 28. September 1959 beschuldigte Otto Grotewohl Indien der Aggression gegen China Doch als ihn die Sowjetunion deswegen rügte, paßte er sich wieder der sowjetischen Linie an

Der Einfluß des chinesisch-sowjetischen Konflikts auf die Beziehungen zwischen China und der DDR

1961 begannen sich die Beziehungen zwischen dem kommunistischen China und der DDR zu verändern. Walter Ulbricht, der einst Mao Tsetung als den größten Marxisten bewundert hatte, nahm eine zunehmend kritische Haltung gegenüber dem chinesischen Führer ein. Die chinesischen Kommunisten verfolgten jedoch nach wie vor eine freundschaftliche Politik. Als die DDR-Regierung im August 1961 längs der Sektorengrenze zwischen Ost-und West-Berlin die Mauer baute, erklärten die Chinesen ihre volle Zustimmung und bezeichneten die unmenschliche Mauer als „Verteidigungsmaßnahme". In einer Erklärung des chinesischen Außenministers Tschen Ji hieß es: „Alle von der DDR ergriffenen Verteidigungsmaßnahmen liegen nicht nur im Interesse ihrer eigenen Sicherheit, sondern auch der des gesamten sozialistischen Lagers. Wir unterstützen diese Maßnahmen voll und ganz." Ein paar Wochen später warnte der stellvertretende Ministerpräsident General Ho Lung die „westdeutschen Militaristen" und die anderen Westmächte davor, sich an der Mauer zu vergreifen. Drohend erklärte er: „Die Sicherheit der DDR ist untrennbar von der Sicherheit des ganzen sozialistischen Lagers, und eine Verletzung der DDR ist eine Verletzung des ganzen sozialistischen Lagers." 36)

Im Herbst des gleichen Jahres begannen die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ulbricht und den chinesischen Kommunisten zutage zu treten. Auf dem XXII. Parteitag der KPdSU unterstützte Ulbricht in seiner Rede Chruschtschow und kritisierte die Albaner, weil sie sich den Beschlüssen des Warschauer Pakts nicht gefügt hätten: „Wir ... möchten der Albanischen Partei der Arbeit sagen, daß es notwendig ist, die antisowjetische Propaganda einzustellen und die gegen die Be-Schlüsse der Warschauer Vertragsstaaten gerichteten Maßnahmen rückgängig zu machen."

Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Moskau bezog Ulbricht entschieden Stellung zum chinesisch-sowjetischen Konflikt. Auf der 14. Plenartagung des ZK der SED lobte er Chruschtschow, griff die Albaner an und schulmeisterte die Rotchinesen. „Es wäre wünschenswert gewesen und hätte der albanischen Partei geholfen", sagte Ulbricht, „wenn die chinesischen Freunde sich irgendwie zu den antisowjetischen Ausfällen und der Verletzung des Warschauer Vertrages durch die Führung der Albanischen Partei der Arbeit geäußert hätten." Im Dezember 1961 druckte das SED-Organ, Neues Deutschland, alle Artikel nach, die in der Prawda zum ideologischen Streit mit den chinesischen Kommunisten erschienen.

Im Herbst 1962, als sich die Beziehungen zwischen Moskau und Peking verschlechterten, geriet die Politik Ulbrichts unter neuen Druck. Die akuten Fragen waren die Kuba-Krise, der chinesisch-indische Konflikt sowie die Stellung zu Jugoslawien. Ulbricht ergriff die Partei Chruschtschows, als Peking die Sowjets wegen des Abzugs der Raketen aus Kuba scharf kritisierte. In einer Rede am 2. Dezember 1962 in Cottbus wies Ulbricht die chinesische Kritik zurück. Er sagte: ...... wenn es Leute gibt, die sich darüber wundern, daß die Sowjetregierung auf einen Kompromiß eingeht, so möchte ich ihnen ganz offen sagen: Die Politik der friedlichen Koexistenz erfordert manche Kompromisse. . . . Unter den Bedingungen der harten Auseinandersetzung zweier Weltsysteme ist es notwendig, mit Hilfe der friedlichen Koexistenz Krieg zu verhindern. Das erfordert die Bereitschaft, gefährliche Streitfragen auf dem Wege von Verhandlungen zu klären und bestimmte Vereinbarungen zu treffen. .. . Auch in den Beziehungen zwischen uns und der Adenauer-Regierung gibt es eine ganze Menge Kompromisse."

Einige Wochen darauf, bei der Eröffnung des VI. Parteitages der SED, erteilte Ulbricht den chinesischen Kommunisten eine Lektion über die Notwendigkeit einer Politik der friedlichen Koexistenz. Er verteidigte Chruschtschow und machte den Chinesen Vorwürfe wegen ihrer Aggression gegen Indien. „Die friedliche Koexistenz ist ein äußerst wichtiger Bestandteil des Kampfes um den Frieden. Wir stehen vor der Alternative: friedliche Koexistenz der Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung oder verheerender Krieg. Einen anderen Weg gibt es nicht. , . ." Zum chinesisch-indischen Grenzkonflikt sagte er: „Wir hatten und haben den Wunsch, daß dieser Konflikt möglichst schnell beendet werden möge. . . . Leider sind weder wir noch die Regierungen anderer sozialistischer Staaten über das Aufrollen des indisch-chinesischen Grenzkonflikts konsultiert oder auch nur informiert worden. Wir wünschten, daß sich die chinesischen Genossen auch bei der Behandlung der Grenzfragen gegenüber Indien an die vereinbarte Politik der friedlichen Koexistenz gehalten hätten. ..."

Als am nächsten Tag der chinesische Delegierte Wu Hsiu-Chuän sprach, wurden seine Äußerungen über den chinesisch-indischen Grenzkonflikt und über Jugoslawien von der Masse der Delegierten mit lauten Mißfallensbekundungen ausgenommen. Sein heftiger Angriff auf den jugoslawischen „Revisionismus" ging in Pfiffen und Buh-Rufen unter. Seine Bemerkungen über die Sicherung der „Einheit des sozialistischen Lagers" wurden mit Gelächter quittiert. In einer Diskussionsrede fragte Professor Vallentin: „Herr Wu redete von Einheit und griff im gleichen Atemzug unsere Freunde an. Darf ich Sie, Herr Wu, und Ihre Regierung fragen, ob Sie mit Ihrem Angriff gegen Indien die Einheit der kommunistischen und Arbeiterparteien demonstrieren wollten? Bedeutet Ihr Einfall in den Norden Indiens nicht, daß Ihre Regierung einen Dolchstoß in den Rücken der Kommunistischen Partei Indiens geführt hat? Wie kommen Sie darauf, das als Ausdruck der Einheit des sozialistischen Lagers zu bezeichnen? . . . Wir sehen darin lediglich den Ausdruck eines fanatischen Nationalismus, eines recht rückständigen Nationalismus, wie er im 18. und 19. Jahrhundert gang und gäbe war, und den Ausdruck purer Demagogie."

Obwohl die Führer der chinesischen Kommunisten mit Schmähungen überschüttet wurden, sicherte Wu Hsiu-Chuän der SED den Beistand Chinas zu und griff den „westdeutschen Militarismus" an: „Der Kampf der Deutschen Demokratischen Republik gegen den westdeutschen Militarismus, der von den Vereinigten Staaten großgezogen wird, ihr Kampf gegen die Aggressions-und Kriegspolitik des amerikanischen Imperialismus und der westdeutschen reaktionären Kräfte und der Kampf für den Abschluß eines deutschen Friedensvertrags und die Lösung des West-Berlin-Problems sind Kämpfe, die nicht nur den Interessen des deutschen Volkes entsprechen, sondern auch den Interessen des Friedens in Europa und der Welt. Das chinesische Volk wird euch in diesen Kämpfen stets beistehen." In ihrer Grußbotschaft an die SED erklärte die Kommunistische Partei China gleichfalls, das chinesische Volk werde den „gerechten Kampf" des Volkes der DDR gegen „die amerikanische Aggressionspolitik und den westdeutschen Militarismus entschieden unterstützen"

Das alles aber besänftigte die SED-Führung nicht. Sie fuhr fort, die Politik der chinesischen Kommunisten, besonders ihre Angriffe auf die Sowjetunion, öffentlich zu verurteilen. Am Vorabend der chinesisch-sowjetischen Gespräche in Moskau im Juli 1963 protestierte die Regierung der DDR bei der chinesischen Botschaft gegen die Verteilung des Textes eines Briefes, den die Kommunistische Partei Chinas am 14. Juni an die Kommunistische Partei der Sowjetunion gerichtet hatte. Das DDR-Außenministerium bezeichnete die Verteilung des Briefes als „Verletzung der bestehenden Regeln und rechtlichen Bestimmungen" Die chinesischen Kommunisten erwiderten darauf, daß der Druck und die Verteilung eines offiziellen Dokuments der Kommunistischen Partei Chinas völlig gerechtfertigt sei und internationalen Gepflogenheiten entspreche

Zu dieser Zeit gingen die chinesischen Kommunisten zu einer Infiltrationspolitik über mit dem Ziel, innerhalb der SED eine prochinesische Gruppe aufzubauen. Die chinesische Botschaft in Ost-Berlin verteilte Flugblätter und Broschüren aus Peking an SED-Mitglieder. Das führte zu einem Protest der DDR-Regierung bei der chinesischen Botschaft Gleichzeitig versuchten die chinesischen Kommunisten, in die illegale KPD in der Bundesrepublik einzudringen. Die KPD protestierte gegen die Versendung von chinesischem Material an ihre Mitglieder und behauptete, daß „die Polizeiorgane des reaktionären Bonner Regimes sich der chinesischen Materialien bedienen, um Zersetzung in die Reihen unserer unter illega-len Bedingungen kämpfenden Partei zu tragen".

Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe auf einer Konferenz festgelegt, „den Versand der chinesischen Materialien zu unterstützen, weil sie sich seiner Meinung nach besonders gut dazu eignen, Verwirrung in der Arbeiterbewegung zu stiften"

Während sie diese Politik betrieben, bekundeten die chinesischen Kommunisten nach wie vor Sympathie und Unterstützung für das DDR-Regime. Als im Sommer 1963 die Vereinigten Staaten und Großbritannien es ablehnten, die Existenz der DDR im Zusammenhang mit ihrem Beitritt zum Atomteststoppvertrag anzuerkennen, reagierten die Chinesen wütend. Sie beschuldigten nicht nur die Vereinigten Staaten und Großbritannien, sondern auch die Sowjetunion einer „Beleidigung"

der DDR. In einem Kommentar schrieb Ren-min Ribao:

„Diese Entwicklung ist nur deswegen eingetreten, weil die Sowjetführer die Interessen des deutschen Volkes verkauft haben. . . . Sie sind so weit gegangen, ihre ursprüngliche Position der Anerkennung beider deutscher Staaten aufzugeben, die unverschämte Forderung des amerikanischen Imperialismus anzunehmen und sich damit einverstanden zu erklären, daß die Unterzeichnung dieses Vertrags durch die DDR nicht ihre Anerkennung als Staat bedeutet. Das läuft darauf hinaus, die internationale Rechtsstellung der DDR zu annullieren und faktisch das Bonner Regime als den einzigen Vertreter des deutschen Volkes anzuerkennen. Es ist ein äußerst gemeiner Akt des Verrats, der nicht nur die Interessen der DDR schwer schädigt, sondern auch die Anmaßung der aggressiven westdeutschen Militaristen gewaltig stärkt. . . . Die von den sowjetischen Führern gegenwärtig verfolgte Linie hat der Sache der Einheit Deutschlands und des Friedens in Europa schweren Schaden zugefügt, und, wie es scheint, schreiten sie auf diesem Weg des Verrats weiter fort. Wir sind jedoch fest davon überzeugt, daß die 18 Millionen Menschen der Deutschen Demokratischen Republik anderen nicht gestatten werden, über ihr Schicksal zu bestimmen."

In einem heftigen Angriff auf die Bundesrepublik behaupteten die chinesischen Kommunisten, die Bonner Regierung habe bereits „anmaßend" erklärt, sie habe das Recht, im Namen des ganzen deutschen Volkes zu sprechen, und sie habe auch das Recht, „die DDR zu annektieren". „Die westdeutschen Militaristen", sagten die Chinesen, „sehen klar, daß der Dreimächtevertrag ihre revanchistische Sache in keiner Weise behindert, sondern vielmehr fördert. Er kann die Bonner militaristischen Kräfte auch nicht daran hindern, sich durch die multilaterale Atomstreitmacht oder irgendein anderes amerikanisches Projekt in den Besitz von Atomwaffen zu setzen. Der Vertrag bringt also die sowjetischen Führer nicht nur auf die Seite des amerikanischen Imperialismus, sondern auch auf die Seite der westdeutschen Militaristen, die sie früher als ihren grimmigsten Feind betrachteten."

Die chinesischen Kommunisten versicherten der SED, daß sie ihre „wahren" Freunde geblieben seien. Die 650 Millionen Chinesen, sagten sie, hüteten die tiefe Freundschaft mit dem Volk der DDR wie einen Schatz, und die Erhaltung und Festigung dieser Freundschaft liege im Interesse beider Länder. Die Chinesen äußerten auch die Hoffnung, daß die Menschen Chinas und der DDR „mit vereinten Kräften auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus zusammenarbeiten, um die Einheit unserer beiden Völker zu festigen und die Solidarität des sozialistischen Lagers für Volksdemokratie und Sozialismus zu bewahren" Wie es scheint, konnten die Chinesen damals in ihrem Bemühen, eine prochinesische Gruppe innerhalb der SED zu schaffen, einen Erfolg verzeichnen

Walter Ulbricht zeigte sich indessen für das Werben der Chinesen nicht empfänglich. Er wußte genau, wie abhängig er von der Sowjetunion war und was die Anwesenheit nahezu einer halben Million sowjetischer Soldaten in Mitteldeutschland bedeutete. Deshalb folgte er getreulich der sowjetischen Linie und warf den Chinesen unverblümt vor, sie suchten einen Keil zwischen die DDR und die Sowjetunion zu treiben: „Die Regierung der DDR weist gleichermaßen die Anmaßung der chinesischen Führer entschieden zurück, im Namen anderer sozialistischen Länder, darunter auch der DDR, zu sprechen und sich in die Politik der DDR einzumischen. Mit dem Versuch, die brüderlichen Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion zu trüben, leitet die Regierung der Volksrepublik China nur Wasser auf die Mühlen der militaristischen und imperialistischen Kräfte in Westdeutschland. Mit derartig aussichtslosen Versuchen, Mißtrauen zu säen und das brüderliche Verhältnis zwischen sozialistischen Staaten zu stören, wird nur imperialistischen Kriegstreibern gedient." Die mitteldeutschen Kommunisten erklärten den Chinesen, daß sie keine Lust hätten, den Sozialismus „auf den Überresten der Leichen von Millionen Menschen aufzubauen. " Ein Kommentator des Deutschland-senders nannte die chinesischen Kommunisten „Feinde des Volkes“ und verglich die chinesische Politik gegenüber dem Atomteststopp-Abkommen mit einer Rede von „Franz-Josef Strauß auf einem Revanchistentreffen"

Als die chinesischen Kommunisten sich weigerten, das Atomteststöpp-Abkommen zu unterzeichnen, warf die SED ihnen vor, sie schlügen den falschen Weg ein. Neues Deutschland kritisierte die chinesische Führung und schrieb:

„Woraus unmittelbar zu ersehen ist, daß die Führung der Kommunistischen Partei Chinas gegenwärtig ... die Geschäfte dieser Reaktionäre besorgt. Das allerdings ist eine merkwürdige Art, die Weltrevolution voranzutreiben. ... Welch ein befremdendes Schauspiel, aus dem Munde des Führers der Kommunistischen Partei Chinas Argumente zu hören, die auch aus Bonn stammen könnten."

Danach befaßte sich Walter Ulbricht in einer Rede in Leipzig mit der chinesischen Opposition gegen das Atomteststopp-Abkommen. Er erklärte, die Haltung der chinesischen Führer „hat den Widerspruch und die Empörung der Völker hervorgerufen. Diese Haltung widerspricht auch den 1957 und 1960 gemeinsam gefaßten Beschlüssen der kommunistischen und Arbeiterparteien. Die öffentliche Auseinandersetzung, die von den chinesischen Führern inszeniert wurde, hat nur zu ihrer Isolierung in der Welt geführt und schädigt die internationale Friedensbewegung." Einige Tage später verglich Neues Deutschland die chinesi53) sehen Führer mit Bakunin und Trotzki. In einem Artikel mit der Überschrift „Friedliche Koexistenz — Generallinie der sozialistischen Außenpolitik" hieß es: „Mit ihrer These von der Unvermeidbarkeit des Krieges stehen die chinesischen Kommunisten auf einer ähnlich abenteUerlich. sn Position wie der Anarchist Bakunin zur Zeit der I. Internationale oder Trotzki, der die Revolution mit Waffengewalt künstlich nach dem Westen tragen wollte."

In einer Rede anläßlich des 94. Geburtstages Lenins machte Hermann Matern die Enthüllung, die chinesischen Kommunisten hätten von der DDR verlangt, mit der Sowjetunion zu brechen und den Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (Comecon) zu verlassen; ferner hätten sie vorgeschlagen, die DDR solle Freundschaft mit der Bundesrepublik schließen, um Bonn von den Vereinigten Staaten zu trennen. Matern sagte, die Chinesen hätten die Akzeptierung dieser Wünsche als Preis für ihre Freundschaft mit der DDR gefordert. „In seiner Endkonsequenz", erklärte er, „liefe das . Rezept'der chinesischen Führer auf die völlige Preisgabe der DDR als westlicher Vorposten des sozialistischen Weltsystems in Europa und auf eine Neuauflage der Konzeption der Deutschlandpolitik der Berija-Clique hinaus, die das ZK der KPdSU unter Führung des Genossen Chruschtschow zunichte machte. Die chinesischen Parteiführer verlangen als Kaufpreis für ihre . Freundschaft'zur DDR, daß die SED die unverbrüchliche Freundschaft mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern aufgibt. Gleichfalls wird verlangt, daß wir die Zusammenarbeit im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe aufgeben und die abenteuerliche, antimarxistische Konzeption der chinesischen Parteiführer akzeptieren." Die chinesischen Kommunisten haben diese Enthüllungen der SED niemals dementiert.

Der Hinweis auf die „Berija-Clique" erinnerte an die Beschuldigung, daß der ehemalige sowjetische Geheimpolizeichef Lawrentij Berija eine Politik der „Kapitulation" der DDR vor der Bundesrepublik befürwortet habe.

Die chinesischen Kommunisten ließen sich durch das wütende Schimpfen der SED nicht stören. Sie wußten recht gut, daß sich Mittel-deutschland völlig in der Gewalt der Sowjetunion befand und daß die SED-Mitglieder, die mit ihnen sypmathisierten, keine Möglichkeit hatten, auf ihr Werben zu reagieren. Sie setzten deshalb ihre Politik der Beschwichtigung fort in der Hoffnung, einen Keil zwischen die Sowjetunion und die SED zu treiben. In der Verfolgung dieses Ziels erinnerten sie die mitteldeutschen Kommunisten: „Die Volksrepublik China und die DDR sind Bruderländer, die im gleichen Monat des gleichen Jahres geboren sind. Die Arbeiterklassen und die Völker der beiden Länder haben gemeinsame Feinde und gemeinsame Ziele. Sie haben sich Stets gegenseitig unterstützt, Anteil aneinander genommen und in ihren langwährenden revolutionären Kämpfen eine feste Freundschaft geschmiedet. . . . 650 Millionen Chinesen werden euch immer beistehen in eurem Kampf gegen den westdeutschen Militarismus und für die Sicherung und Festigung der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern."

Mit der Sowjetunion gingen die Chinesen nicht zimperlich um. Sie kritisierten scharf den im Juni 1964 unterzeichneten sogenannten Freundschaftsvertrag zwischen der Sowjetunion und der DDR und behaupteten, der Vertrag habe an der Stellung der DDR „kein Jota" geändert Die Sowjetunion warf daraufhin den chinesischen Kommunisten vor, sie informierten ihre Bevölkerung falsch über den Freundschaftsvertrag zwischen der Sowjetunion und der DDR. Die Iswestija schrieb, es sei das Ziel des Vertrags, „die internationale Autorität der DDR zu stärken" Die Chinesen setzten jedoch ihre Kampagne gegen die Sowjetunion fort und versuchten weiterhin, Mißstimmung zwischen Moskau und Ost-Berlin zu schüren. Auf einer Konferenz des Weltjugendbundes in Budapest forderten die chinesischen Vertreter die Abgesandten der FDJ öffentlich auf, sich Peking anzuschließen, weil „die Sowjetunion eines Tages die Souveränität der DDR verkaufen würde" Das DDR-Regime reagierte wütend auf die Kampagne der chinesischen Kommunisten gegen die Sowjetunion. Es bezeichnete ihr Vorgehen als einen „niederträchtigen Versuch, Zwietracht zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion zu säen"

Bald danach behaupteten die Chinesen, die Sowjetunion schicke sich an, mit den „westdeutschen Militaristen" ein „Geschäft" abzu-schließen, das auf Beseitigung der DDR abziele. In einem Kommentar schrieb Renmin Ribao:

„In Bonn gibt es ein lautes Geschrei bei vielen Politikern und Propagandisten, die nach der .friedlichen'Beseitigung der Deutschen Demokratischen Republik und ihres sozialistischen Systems rufen. Sie fordern die Verwirklichung der .deutschen Wiedervereinigung'ohne Teilnahme der Kommunisten aus der DDR; sie befürworten offen ein . Geschäft'mit der Sowjetunion, der man die Deutsche Demokratische Republik für einen bestimmten Preis abkaufen soll. Das ist eine Verschwörung, die Wachsamkeit erfordert. ... Wir Chinesen haben jederzeit die gerechte Sache des Volks der DDR gegen die Aggressions-und Kriegs-politik der amerikanischen Imperialisten und gegen den westdeutschen Militarismus und Revanchismus unterstützt, . .. und wir bekämpfen entschlossen den barbarischen Plan der westdeutschen Militaristen zur Annexion der DDR." 64)

Die größeren Zeitungen der DDR äußerten sich nicht dazu, nur eine unbedeutendere OstBerliner Zeitschrift brachte einen Artikel, in dem von Behauptungen über ein „verbrecherisches Geschäft", einen Verkauf der DDR durch Moskau, die Rede war. Der Artikel brandmarkte die „finstere" Idee, man könne die DDR kaufen, und brachte den Namen von Chruschtschow damit in Verbindung. „Wir möchten Chruschtschow nicht beleidigen", schrieb das Blatt, „indem wir ihn vor solch einem Verdacht in Schutz nehmen. Es geht hier nicht um die Persönlichkeit Chruschtschows, sondern um den politischen Verstand der Spekulanten, die keinerlei moralisches Empfinden haben. Niemand, der bei klarem Verstand ist, kann sich vorstellen, daß der Regierungschef der Sowjetunion, einer Welt-macht, mit der DDR einen Freundschaftsvertrag schlösse, nur um seinen Freund bei erster Gelegenheit dem Schlächter zu übergeben. ... In Bonn gibt es einige Leute, die sie (die DDR) in Moskau kaufen möchten." Als bekannt wurde, daß Chruschtschow vielleicht im Herbst 1964 Bonn einen Besuch abstatten würde, veröffentlichte die chinesische Presse reihenweise Interviews mit DDR-Sprechern, die alle Pläne, die DDR „kaufen" oder zu „verkaufen", empört anprangerten

Anscheinend ermutigt durch die Kampagne der SED gegen Chruschtschows angeblich beabsichtigtes „Geschäft" mit der Bundesrepublik auf Kosten der DDR, verstärkten die chinesischen Kommunisten ihre Angriffe auf die Sowjetunion und die Bundesrepublik. In einem Kommentar versicherte die Parteizeitung Ren-min Ribao den mitteldeutschen Kommunisten:

„Ein Angriff auf die DDR wird als Angriff auf das gesamte sozialistische Lager betrachtet werden. ... Wir Chinesen unterstützen aus vollem Herzen den gerechten Kampf des Volkes der DDR für den Abschluß eines Friedensvertrags, für die Aufrechterhaltung der Souveränität der DDR und gegen den westdeutschen Militarismus, der die DDR annektieren und kaufen möchte."

Wenige Wochen nach der Veröffentlichung der Artikel, die Chruschtschow beschuldigten, er wolle die DDR den „westdeutschen Militaristen" preisgeben, wurde der sowjetische Ministerpräsident seiner Ämter enthoben.

Die Beziehungen zwischen China und der DDR nach Chruschtschows Sturz

Ermuntert durch den Sturz Chruschtschows umwarben die chinesischen Kommunisten in verstärktem Maße die SED, um ihre eigenen Ziele zu fördern. Die SED-Presse ihrerseits stellte die antichinesische Propaganda vorläufig ein. Die Chinesen drängten Ulbricht, den Abschluß eines Friedensvertrags und die „Normalisierung" der Lage in West-Berlin zu fordern. Auf einer Kundgebung in Ost-Berlin zum 20. Jahrestag der „Befreiung des deutschen Volkes" lenkte der chinesische Delegationsleiter Lu Ting-ji die Aufmerksamkeit der mittel-64) deutschen Kommunisten auf die Tatsache, daß „bis zum heutigen Tage kein Friedensvertrag mit Deutschland unterzeichnet worden ist. West-Berlin ist noch von ausländischen Truppen besetzt. Amerikanische imperialistische Truppen und Flugzeuge machen sich unverschämt breit und beeinträchtigen ernstlich die Souveränität der DDR. Der westdeutsche Mili-* tarismus versucht, West-Berlin zu annektieren, und benutzt es zur Subversion und Sabotage gegen die DDR. Eine solche Situation ist äußerst unnormal. Sie ist eine Beleidigung für das deutsche Volk. Und sie ist nicht allein für das deutsche Volk unerträglich; sie ist auch unerträglich für das Volk Chinas und die Völker anderer sozialistischer Länder. ..."

Die Chinesen forderten auch den Abzug aller ausländischen Truppen aus West-Berlin, und sie erklärten, die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands müsse von den Deutschen selbst gelöst werden. Der Sowjetunion galt ihre Warnung: „Eine Lösung, die die DDR umgehen oder untergraben will, kann nicht geduldet werden. Die chinesische Regierung und die 650 Millionen Chinesen stehen hinter dem gerechten Kampf der DDR."

Auf einem Empfang, den der DDR-Botschafter in Peking, Gunter Kohrt, gab, feierte Vize-ministerpräsident Ho Lung den Kampf der SED gegen den „westdeutschen Militarismus" und erklärte: „Westdeutschland ist der wichtigste Stoßkeil der aggressiven NATO und die Brutstätte eines neuen Krieges geworden. Das ist eine ernste Bedrohung der Sicherheit der DDR. Es ist auch eine ernste Bedrohung des Friedens in Europa und der Welt. Der Kampf gegen den westdeutschen Militarismus ist deshalb die gemeinsame Aufgabe der Völker Deutschlands, Chinas und des ganzen sozialistischen Lagers geworden." In seiner Erwiderung dankte der DDR-Diplomat der chinesischen Führung für ihre Unterstützung des „gerechten Kampfes" der DDR und versicherte: „Das Volk der DDR freut sich über jeden Erfolg des chinesischen Volkes."

Um diese Zeit flammte die Polemik zwischen den chinesischen und den sowjetischen Kommunisten von neuem auf. Die Sowjets zwangen die SED, sich ihnen im Kampf gegen Peking anzuschließen. Das Zentralorgan der SED, Neues Deutschland, attackierte die Chinesen heftig wegen ihres Versuchs, sich in die Angelegenheiten der DDR einzumischen. Es kritisierte sie auch wegen ihrer antisowjetischen Kampagne und warf ihnen vor, sie lehnten es ab, gemeinsam mit der Sowjetunion in Vietnam eine Aktion gegen die Vereinigten Staaten zu unternehmen. „Die Führer der KP Chinas", behauptete das Blatt, „die in ihrer Propaganda tagtäglich den US-Imperialismus als

Hauptfeind ausgeben, konzentrieren in Wirklichkeit ihr Hauptfeuer immer mehr auf die KPdSU. ... Die Führer der KP Chinas versagten sich bisher jeder gemeinsamen Aktion mit anderen sozialistischen Staaten zur Unterstützung des vietnamesischen Volkes. Sie benutzen jede internationale Zusammenkunft, um das Zustandekommen einer breiten antiimperialistischen Einheitsfront zu stören oder zu verhindern." Doch der Artikel schloß mit dem Wunsch nach Versöhnung: „Was die Beziehungen zur Kommunistischen Partei Chinas angeht, so lassen wir uns von der Auffassung leiten: Was die kommunistischen Parteien vereint, ist stärker als das, was sie gegenwärtig entzweit. Wir müssen und wir können Wege der Festigung der Aktionseinheit der sozialistischen Länder, der internationalen kommunistischen Bewegung finden."

Die chinesischen Kommunisten ließen sich, soweit erkennbar, durch die Angriffe der SED nicht beirren. Obwohl Ulbricht dem sowjetischen Kurs gegen Peking getreulich folgte, blieben sie bei ihrer Politik der Unterstützung der DDR. In einer Botschaft an Ulbricht zum 16. Jahrestag der Gründung der DDR versicherte Mao Tse-tung die DDR erneut der „vollen Unterstützung" Chinas gegen den „westdeutschen Militarismus" und behauptete: „Westdeutschland ist die Brutstätte eines neuen Krieges in Europa geworden." Mao erklärte: „Der westdeutsche Militarismus steigert seine Aufrüstung zur Vorbereitung eines Krieges und unternimmt den vergeblichen Versuch, die DDR zu annektieren." Den Sowjetführern warfen die chinesischen Kommunisten vor, sie verrieten die „Interessen" der DDR und arbeiteten „energisch" auf eine Entspannung des Verhältnisses mit den „westdeutschen Militaristen" hin

Die SED jedoch fuhr fort, nach dem Vorbild der Sowjets die Führer der Kommunistischen Partei Chinas zu beleidigen. Sie warf ihnen vor, sie suchten die kommunistische Welt-bewegung für ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke zu spalten Da entschlossen sich die Chinesen, ihren Zorn über Ulbricht und seine Gefolgsleute zu demonstrieren. Sichtlich verärgert über Ulbrichts prosowjetische Kampagne wurden im Sommer 1966 in der Nähe der Sowjetbotschaft in Peking zwei mitteldeut-sehe Diplomaten und ihre Familien von Roten Garden handgreiflich belästigt. Anfang September 1966 verließen chinesische Funktionäre die Leipziger Messe, nachdem der SED-Führer sich abfällig über die chinesische Kluturrevolution geäußert hatte: „Mit tiefem Befremden sehen wir die Auswirkungen der sogenannten proletarischen Kulturrevolution, in deren Verlauf auch das große Kulturerbe des deutschen Volkes verunglimpft wird, wie das die Ausfälle gegen die von allen Völkern geschätzten großen deutschen Komponisten Bach und Beethoven zeigen. Dies hat nichts mehr mit den Lehren von Marx, Engels und Lenin gemein. .

Die SED setzte ihre Angriffe auf die von Mao Tse-tung eingeleitete chinesische Kulturrevolution fort. „Die sogenannte Kulturrevolution hat nichts mit der vom Marxismus-Leninismus für jedes Land im Laufe des sozialistischen Aufbaus als notwendig erkannten Kulturrevolution zu tun. . .. Die Mao-Trupps haben . . . keinerlei kulturelle Aufgabe, sondern sie sollen mit den Mitteln des Terrors die zum Scheitern verurteilte Politik der gegenwärtig führenden Gruppe weiterhin durchsetzen." Bald darauf wurden — anscheinend auf Veranlassung des SED-Regimes — zwei neue Schaukästen an der chinesischen Botschaft in OstBerlin von unbekannten Personen entfernt. Die chinesischen Kommunisten beschuldigten prompt die „sowjetischen Revisionisten", die Beziehungen zwischen China und der DDR „vorsätzlich zu verschlechtern". In einer Protestnote erklärte die chinesische Regierung: „In jüngster Zeit hat die deutsche Seite, eng dem Beispiel der sowjetischen Revisionisten-clique folgend, eine Reihe von antichinesischen Maßnahmen getroffen. Ihr Katzbuckeln vor der sowjetischen Revisionistenclique widerspricht ganz und gar den grundlegenden Interessen des deutschen Volkes."

Anfang 1968 kehrten die chinesischen Kommunisten zu ihrer früheren Politik der Unterstützung des DDR-Regimes zurück. Sie warfen der „sowjetrevisionistischen Renegatenclique" vor, daß sie die Interessen der DDR verriete und die „Anmaßung der westdeutschen militaristischen Kräfte" hochtreibe. Sie behaupteten, „Breschnew, Kossygin & Co." hätten die Position, daß West-Berlin ein Teil des Territoriums der DDR sei, „preisgegeben" und machten den „westdeutschen Militaristen" Konzessionen. „Unter dem Aushängeschild einer . Entspannung der europäischen Situation'", so schrieben die Chinesen, „bemühen sie sich energisch um freundschaftliche Beziehungen mit Westdeutschland und verstärken die Zusammenarbeit mit der in Bonn herrschenden Clique. Diese verbrecherische Linie, die von der sowjetrevisionistischen Clique verfolgt wird, hat sie gründlich entlarvt als eine schmutzige Bande von Verrätern am deutschen Volk. . . . (Aber) das Schicksal Deutschlands kann nur vom deutschen Volke selbst bestimmt werden. ... Ihre kriminellen Akte des Zusammenspiels mit dem westdeutschen Militarismus werden bestimmt die revolutionären Flammen im deutschen Volk und in den Völkern anderer europäischer Länder entfachen, die vom deutschen Militarismus mit Füßen getreten wurden. Die paar Handlanger wie Breschnew und Kossygin werden schließlich zusammen mit dem amerikanischen Imperialismus und dem westdeutschen Militarismus begraben werden."

Die Chinesen erhoben ein lautes Geschrei, weil die „sowjetischen Revisionisten" angeblich wieder einmal versuchten, die DDR an den „westdeutschen Militarismus" zu „verkaufen". Die New China News Agency geißelte die „sowjetischen Revisionisten", die es Bundesaußenminister Willy Brandt gestattet hatten, in einem sowjetischen Wagen ohne DDR-Visum nach Ost-Berlin, „der Hauptstadt der DDR", zu fahren. „Dieser Versuch zu noch engerer Zusammenarbeit mit den westdeutschen militaristischen Kräften", schrieben die Chinesen, „hat abermals das Renegatentum der sowjetischen Revisionistenclique entlarvt, welche die Interessen des deutschen Volkes verhökert."

Die chinesischen Kommunisten unterstützten auch uneingeschränkt den Standpunkt der DDR-Regierung, daß West-Berlin kein Bestandteil der Bundesrepublik sei. „Es ist allgemein bekannt", erklärten sie, „daß West-Berlin auf dem Territorium der DDR liegt und niemals ein Teil Westdeutschlands gewesen ist." Die Chinesen behaupteten, die Bundesregierung habe „eine große Zahl von Geheim-agenten und Spionen" nach West-Berlin geschickt, die dort „Subversion und Sabotage" gegen die DDR verüben sollten. Sie billigten vorbehaltlos den Beschluß der DDR-Regierung, den Visumzwang für Westdeutsche und WestBerliner einzuführen, die durch ihr Gebiet reisten

Als im August 1968 mitteldeutsche Truppen zusammen mit den Armeen der Sowjetunion und anderer osteuropäischer Länder an der militärischen Besetzung der Tschechoslowakei teilnahmen, verhielten sich die Chinesen gegenüber der DDR zurückhaltend. Sie tadelten nicht Ulbricht und die anderen SED-Führer wegen der Entsendung von Truppen in die Tschechoslowakei, sondern richteten ihre Vorwürfe gegen die „sowjetischen Revisionisten", die ihre „Marionetten" in der DDR und drei anderen osteuropäischen Ländern zu der Aktion gezwungen hätten. Allerdings äußerten die Chinesen die Hoffnung, daß die „revolutionären" Völker der DDR, Polens, Ungarns und Bulgariens", die „sich jetzt unter dem grausamen Joch der modernen Revisionisten" befinden, „sich erheben und schließlich die modern-revisionistischen Herrscher stürzen" werden

Die Kampagne der chinesischen Kommunisten gegen die Bundesrepublik

Nahezu elf Jahre lang unterstützte das kommunistische China die SED in ihrer Propaganda gegen die Bundesrepublik mit Lippenbekenntnissen. Als jedoch 1961 die mitteldeutschen Kommunisten begannen, die Partei der Sowjetführung in ihrem Konflikt mit den Pekinger Führern zu ergreifen, verstärkten diese ihre propagandistischen Angriffe auf die Bundesrepublik, offenbar in dem Bemühen, ihre Freundschaft mit der DDR zu demonstrieren. Anfang 1961, als die Sowjetunion ihre Kampagne für einen Friedensvertrag mit Deutschland und die Lösung der West-Berlin-Frage startete, steigerten die chinesischen Kommunisten ihre Unterstützung für die SED zu neuer Intensität. In einem Leitartikel mit der Über-schrift „Zeit zum Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland" erklärte Renmin Ribao, der sowjetische Vorschlag, „so bald wie möglich" einen Friedensvertrag mit Deutschland abzuschließen und die West-Berlin-Frage zu regeln, sei ein „Vorschlag des Friedens". „Er steht im Einklang mit den Interessen des deutschen Volkes und der europäischen Völker sowie der Völker der ganzen Welt. Das chinesische Volk unterstützt energisch den sowjetischen Vorschlag und ist entschlossen, zusammen mit der Sowjetunion, der Deutschen Demokratischen Republik und anderen sozialistischen Ländern sowie allen friedliebenden Menschen der Welt nach der Verwirklichung des sowjetischen Vorschlags zu streben, um den Plan des von den Vereinigten Staaten geführten imperialistischen Blocks zur Wiederbelebung des westdeutschen Militarismus zu vereiteln und den Frieden der Welt zu gewährleisten."

Die „westdeutschen Militaristen" wurden von der chinesischen Propagandamaschine heftig attackiert, weil sie angeblich den „wahnwitzigen Plan" hegten, „die deutsche Grenze mit Gewalt zu ändern". Die Chinesen erklärten, angesichts der „wachsenden Drohung des westdeutschen Militarismus" müsse der Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen und die „abnorme Situation" in West-Berlin beendet werden. Sie verurteilten scharf die „kriminellen Akte des amerikanischen Imperialismus und des westdeutschen Militarismus", die angeblich „unter dem Vorwand der Berlin-Krise" Spannungen in West-Berlin schufen und den Frieden in Europa bedrohten. „Wir sind entschlossen", verkündeten sie, „zusammen mit dem Volk der DDR zu kämpfen, um die Kriegsdrohung des amerikanischen Imperialismus und des westdeutschen Militarismus zu vereiteln."

In dieser Periode nahm die heftige Propagandakampagne der chinesischen Kommunisten gegen die Bundesrepublik unverändert ihren Fortgang. Auf einem Empfang in Peking zum tschechoslowakischen Nationalfeiertag erklärte Außenminister Tschen Ji: „Die westdeutschen Revanchisten versuchen immer dreister, sich durch die NATO mit Kernwaffen auszurüsten, und bereiten sich aktiv auf neue militärische Abenteuer vor. Die Wiederbelebung des westdeutschen Militarismus ist ein wichtiger Bestandteil des Plans der US-Impe-rialisten zur Vorbereitung eines neuen Weltkrieges. Das chinesische Volk bekämpft die Ausrüstung Westdeutschlands mit Kernwaffen." Gleichzeitig forderten die Chinesen die friedliebenden Menschen der Welt auf, sich zu erheben und zu verhindern, daß „die westdeutschen Militaristen in Hitlers Fußstapfen treten“; sie beschuldigten Bundeskanzler Adenauer, er folge Hitlers Spuren.

Renmin Ribao erklärte in einem Kommentar:

„In jüngster Zeit sind die westdeutschen Revanchisten immer unverfrorener geworden. Sie forderten offen den Besitz von Atomwaffen, tischten voll Wahnwitz Hitlers Lebensraum’-Theorie wieder auf, strebten aktiv nach Militärstützpunkten in westeuropäischen Ländern und betrieben überall in der Welt neokapitalistische Expansion. Gleichzeitig erhoben sie ein wildes Geschrei nach Revision der deutschen Grenzen und Wiedergewinnung ehemals deutschen Gebiets. Der revanchistische Weg der Aggression, auf dem sich die westdeutschen Militaristen in großen Schritten vorwärts-bewegen, stellt eine ernste Bedrohung des Friedens in Europa und der Welt dar.

Die schnelle Wiederbelebung der westdeutschen militaristischen Kräfte ist das Ergebnis der nachhaltigen Bemühungen der Westmächte, besonders des US-Imperialismus, diese Kräfte zu fördern. Während die Vereinigten Staaten den westdeutschen Militarismus wiederbelebten, haben sie gleichzeitig ihr Äußerstes getan, um die widerrechtliche Besetzung von West-Berlin aufrechtzuerhalten, damit sie diese Stadt tief im Territorium der DDR als Stützpunkt für die amerikanischen und westdeutschen Militaristen zur Ausführung subversiver Tätigkeiten und Akte des kalten Krieges gegen die DDR und andere sozialistische Länder benutzen können.

Zahlreiche frühere Naziverbrecher haben in Westdeutschland wieder wirtschaftliche und politische Macht in Händen, und eine große Gruppe von Hitler-Offizieren hat führende Posten in der Bundeswehr erhalten. Und jetzt werden sogar die ehemaligen Mitglieder der SS-Truppen wieder eingestellt. Das zeigt, daß Adenauer Hitlers Erbschaft voll und ganz angetreten hat und in seine Fußstapfen tritt." Gleichzeitig forderten die Chinesen die Umwandlung West-Berlins in eine „freie und neutrale Stadt", denn „solange West-Berlin eine Frontstadt bleibt, kann es keine Garantie für die europäische Sicherheit und den Weltfrieden geben." Es sei „unumgänglich notwendig" für die Sicherung des Friedens in Europa und der Welt, „den kriegswütigen Imperialisten, die in West-Berlin mit dem Feuer spielen, Einhalt zu gebieten". Es sei deshalb eine „dringende Aufgabe der friedliebenden Menschen Europas und der Welt" geworden, die Lage in West-Berlin zu „normalisieren" und die „Brutstätte des Krieges" zu „beseitigen"

Die chinesischen Kommunisten bemühten sich auch, einen Keil zwischen die Bundesrepublik und andere westeuropäische Länder zu treiben, indem sie das Bild vom „westdeutschen Militarismus" an die Wand malten. Sie behaupteten, die Vereinigten Staaten wollten Bonn zu ihrem „Stoßkeil" in Europa machen, mit dessen Hilfe sie dann andere westeuropäische Länder beherrschen könnten.

„Westdeutschland ist eine Kraft", sagten die Chinesen, „der im Machtkampf zwischen den imperialistischen Ländern ein enormes Gewicht zukommt. Die großzügige Hilfe, die die Vereinigten Staaten dem Monopolkapital und den militaristischen Kräften Westdeutschlands seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geleistet haben, verfolgt einen doppelten Zweck: einmal, Westdeutschland als Angriffsspitze gegen das sozialistische Lager zu benutzen, zum anderen, das Land in ein amerikanisches Instrument zur Beherrschung und Zügelung anderer imperialistischer Länder in Westeuropa zu verwandeln."

Im Zuge ihrer Kampagne behaupteten die chinesischen Kommunisten, die „westdeutschen monopolkapitalistischen und militaristischen Kräfte" hätten sich zwecks Beherrschung Westeuropas mit General de Gaulle zusammengetan. Der französisch-deutsche Vertrag, den Adenauer und de Gaulle zur Aussöhnung der beiden Länder geschlossen hatten, war, den Chinesen zufolge, in Wirklichkeit eine „Achse Bonn—Paris", die sich auf wirtschaftlichem, militärischem und jedem anderen Gebiet gegen die Sowjetunion und die DDR richtete. „Der französisch-deutsche Vertrag ist ein reaktionärer Vertrag, der die Entwicklung des westdeutschen Militarismus weiter erleichtern soll." Um die wachsende Gefahr des „westdeutschen Militarismus" einzudämmen, versicherten die Chinesen den mitteldeutschen Kommunisten sogleich, Peking werde „immer an der Seite des deutschen Volkes gegen den gemeinsamen Feind stehen"

Anfang 1964 jedoch machte sich ein Wandel in Chinas Haltung gegenüber der Bundesrepublik bemerkbar. Die chinesischen Kommunisten waren damals in äußerst feindseliger Stimmung gegen die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten. Sie bemühten sich deshalb, im Verhältnis zur Bundesrepublik eine freundlichere Atmosphäre zu schaffen, um hier antiamerikanische Gefühle schüren zu können.

In diesem Bestreben stoppten sie ihre Propagandakampagne gegen den „westdeutschen Militarismus" und „Revanchismus". Sie betrieben eine „Diplomatie des Lächelns" gegenüber der Bonner Regierung. Besucher aus der Bundesrepublik wurden in China sehr freundlich empfangen und brachten die Auffassung mit nach Hause, es sei höchste Zeit, die Beziehungen zwischen Bonn und Peking zu normalisieren. Auf einer Pressekonferenz Anfang Mai 1964 vermied der chinesische Außenminister Tschen Ji in auffallender Weise die Bezeichnung DDR. Er sprach stets nur von den „beiden Teilen Deutschlands", nicht von zwei Staaten. Tschen Ji äußerte auch, China sei an der Erweiterung der Handelsbeziehungen mit der Bundesrepublik interessiert und werde die wechselseitige Errichtung von Handelsmissionen in Betracht ziehen, wenn die Voraussetzungen dazu herangereift seien Im Juni 1964 eröffnete die offizielle Presseagentur Hsinhua (New China News Agency) ihr Büro in Bonn. Mao Tse-tung erwähnte in einer Äußerung die „Rechtswidrigkeit" der Oder-Neiße-Grenze zwischen Polen und Deutschland

Westliche und indische Zeitungen berichteten, die chinesische Regierung habe Geschäftsleuten aus der Bundesrepublik und Beamten des deutschen Generalkonsulats in Hongkong zu verstehen gegeben, daß sie engere Handelsbeziehungen begrüßen würde. Die Chinesen deuteten auch an, daß sie bereit wären, ein offizielles Handelsabkommen mit der Bundesrepublik einschließlich der sogenannten Berlin

Klausel zu unterzeichnen Die Bundesregierung verhielt sich jedoch auf dieses Angebot zurückhaltend.

Als sich Bundeskanzler Erhard Mitte Juni 1964 bei einem Besuch in den Vereinigten Staaten gegen jederlei Beziehungen zur Volksrepublik China aussprach, reagierten die chinesischen Kommunisten erbost. Sie ließen ihre „Diplomatie des Lächelns" fallen und nahmen die Propagandakampagne gegen die Bundesrepublik wieder auf. Sie attackierten Bundeskanzler Erhard, weil er den amerikanischen „Kolonialkrieg" in Südvietnam unterstütze, und erklärten: „Bonn hält sich schon für fähig, als Büttel für Washington in Südostasien zu fungieren." Als im Juli 1964 die Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten in West-Berlin zusammentrat, sahen die Chinesen darin eine Gelegenheit, erneut die Bundesregierung zu attackieren. In einem Artikel mit dem Titel „Der Bonner Revanchismus — Gefahrensignal in Europa" erklärten sie die Präsidentenwahl in West-Berlin für eine „revanchistische Provokation": „West-Berlin ist kein Teil Westdeutschlands. Es ist nie einer gewesen. Jedoch, wie Bonn ganz klar ausgesprochen hat, die Mitglieder der Bundes-versammlung wurden zur Stimmabgabe nach West-Berlin gebracht, um die Behauptung zu untermauern, die Stadt sei ein Teil Westdeutschlands. Dieses Manöver steht in Einklang mit dem in letzter Zeit immer lauter werdenden Geschrei der westdeutschen Behörden nach Annexion der DDR, Rückgewinnung des Sudetenlandes und Wiederherstellung der Grenzen von 1937 " Weiter hieß es in dem Artikel: „Bonns revanchistische Ambitionen bedrohen die Sicherheit sowohl der sozialistischen als auch der westeuropäischen Länder. Um die Gefahr des Bonner Revanchismus zu bannen und den Frieden in Europa zu sichern, müssen die Menschen dieses Kontinents den Plan der amerikanischen Imperialisten bekämpfen, Westdeutschland zu einer Brutstätte der Aggression und des Krieges zu machen."

China kritisiert Bonns Nahostpolitik

Anfang 1965 wurde Chinas Stellung zur Bundesrepublik zusätzlich beeinflußt durch Bonns Politik gegenüber den arabischen Staaten. Die chinesischen Kommunisten umwarben damals die arabischen Staaten, um die sowjetische Position in diesem strategisch wichtigen Gebiet zu schwächen. Es war deshalb natürlich, daß sie eine feindselige Haltung gegenüber Bonn einnahmen, das sich um engere Beziehungen zu Israel bemühte. Am Vorabend von Ulbrichts Besuch in der Vereinigten Arabischen Republik gab die Bundesregierung zu verstehen, daß sie möglicherweise zur Anwendung der Hallstein-Doktrin gegen die VAR gezwungen sein werde, wenn diese die DDR anerkenne. Die chinesischen Kommunisten verurteilten diesen Schritt der Bundesregierung.

Renmin Ribao attackierte in einem Leitartikel die Bundesrepublik wegen ihrer „Einmischung" in die Angelegenheiten der Vereinigten Arabischen Republik. Das Blatt schrieb: „Ulbrichts geplanter Besuch in der VAR aufgrund einer Einladung hat in Bonn Aufruhr erregt. Die Bonner Herrscher haben der VAR gedroht, wenn sie Ulbricht empfinge, werde dies , ernste Konsequenzen'für die Beziehungen zwischen Westdeutschland und der VAR haben, und Westdeutschland werde . Vergeltungsmaßnahmen'ergreifen. Sie gingen sogar bis zür Erpressung: sie sagten, wenn die VAR die Einladung nicht zurückziehe, werde Westdeutschland seine , Hilfe'an dieses arabische Land einstellen, ja es werde die diplomatischen Beziehungen zu ihm abbrechen'.

Die Einladung an einen Führer der DDR war eine Angelegenheit zwischen zwei souveränen Staaten. Was hat Bonn damit überhaupt zu tun? Die Vereinigte Arabische Republik ist ein unabhängiger Staat. Sie hat das Recht, zu Besuchen einzuladen, wen sie will. Welches Recht haben die Bonner Behörden, sich einzumischen? Die Tatsache, daß die Bonner Regierung ihre . Hilfe'an die VAR einstellen will, um sie zur Zurücknahme der Einladung zu zwingen, beweist nur, wie unverschämt die westdeutschen Revanchisten bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes sein können, und es zeigt, was sie mit ihrer . Hilfe’ bezwecken.

Es ist der Mühe wert, die westdeutsche Regierung daran zu erinnern, daß sie nur einen Teil des deutschen Territoriums beherrscht und daß sie mit Unterstützung der US-Imperialisten anmaßend als einziger Vertreter ganz Deutschlands auftritt. Sie weigert sich, die Existenz der DDR anzuerkennen, und verkündet der Welt großspurig eine , Hallstein-Doktrin’. . .. Welche Vermessenheit der westdeutschen Militaristen, zu denken, daß sich die verschiedenen Länder der Welt auf ihren Befehl der . Hallstein-Doktrin’ unterwerfen, daß die DDR von der übrigen Welt isoliert wird, daß sie sie einfach verschlucken und ihren Traum von einem großdeutschen Reich verwirklichen können!

Die westdeutschen Militaristen sollten aufhören zu träumen, sie sollten aufwachen und die Realität zur Kenntnis nehmen. Es gibt jetzt zwei deutsche Staaten auf deutschem Boden.

Die DDR lebt und entwickelt sich. Sie hat bereits mit zahlreichen Ländern diplomatische oder Handelsbeziehungen ausgenommen. . . . Wir raten den westdeutschen Behörden: behaltet eure . Hallstein-Doktrin’ für euch und legt sie in euer Archiv. Sonst wird es mit euch und nicht mit der DDR ein schlimmes Ende nehmen." 93)

Bald danach starteten die chinesischen Kommunisten eine großangelegte Kampagne mit dem Ziel, die Araber zum Haß gegen Bonn aufzustacheln. Sie beschuldigten die Bundesrepublik, daß sie Israel gegen die arabischen Länder den Rücken stärke, und behaupteten: „Auf Betreiben der Vereinigten Staaten haben die westdeutschen Militaristen heimlich große Mengen an Panzern und anderem Kriegsmaterial nach Tel Aviv geliefert. Indem sie auf diese Weise dem US-Imperialismus bei der Rückenstärkung Israels Beistand leistete, hat die Bonner Regierung einen schwerwiegenden Akt der Feindseligkeit und Drohung gegen die arabischen Länder begangen. . . . Bei der Zusammenarbeit mit den US-Imperialisten zur Aufrüstung Israels hat die Bonner Regierung ihre eigene Niedertracht gänzlich enthüllt." Die Chinesen sagten, es sei schon längst kein Geheimnis mehr, daß „die Bonner Regierung Israel bei seiner Aggressions-und Expansionspolitik im Nahen und Mittleren Osten Beistand leistet. Sie hat ein geheimes Abkommen mit Israel geschlossen, es bis an die Zähne zu bewaffnen." Weiter behaupteten die Chinesen, die Bundesrepublik habe in den vergangenen Jahren Israel Kriegsmaterial im Wert von 200 Millionen Mark geliefert. Außerdem habe sie Israel bei der Ausbildung seines militärischen* 95) Renmin Ribao, 16. Februar 1965. Personals unterstützt. Schließlich appellierten die Chinesen an die Araber, sich gegen Bonns „grobe Einmischung" in die Angelegenheiten des Nahen Ostens zu „erheben". Die jüngste „Einmischung" Bonns in die inneren Angelegenheiten der VAR sei eine „Beleidigung" und „Provokation" für die VAR und das ganze arabische Volk

Der Vorschlag Bundeskanzler Erhards, diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen, wurde von den chinesischen Kommunisten als „feindselige Handlung" gegenüber den arabischen Ländern bezeichnet 96). Als der Bundestagsabgeordnete Kurt Birrenbach als Sonderbeauftragter des Kanzlers Tel Aviv besuchte, nannten die Chinesen seine Mission sofort ein „neues Komplott" gegen die arabischen Staaten 98). Auf einem Empfang zu Ehren des syrischen Außenministers in Peking erklärte Tschen Ji, das arabische Volk könne in seinem „Kampf gegen Westdeutschland" auf chinesische Hilfe zählen. „Wir unterstützen fest euren Kampf gegen den westdeutschen Militarismus. In letzter Zeit haben der westdeutsche Militarismus und der Zionismus ihr Zusammenspiel gegen die arabische Welt verstärkt, und diese aggressiven Kräfte bedrohen ernstlich die Sicherheit der arabischen Staaten. Der amerikanische Imperialismus unterstützt Westdeutschland bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel. Sie versuchen, die arabischen Länder auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet zu treffen." 99)

Als die Bundesrepublik im Mai 1965 diplomatische Beziehungen mit Israel aufnahm, riefen die chinesischen Kommunisten die arabischen Länder auf, „sich gegen den westdeutschen Militarismus und den Zionismus zusammenzuschließen". In einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums hieß es, die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel sei eine „neue Provokation" des „westdeutschen Militarismus und des Zionismus" gegen die arabischen Völker.

„Sie ist auch eine schwere Provokation gegen die Völker Asiens, Afrikas und der Welt."

Den arabischen Beschluß, durch Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik Empörung zu demonstrieren, begrüßten die chinesischen Kommunisten als „kraftvollen Gegenschlag". Sie warnten Bonn: „Westdeutschland steht jetzt auf einer Stufe mit dem tückischsten Feind der arabischen Länder und Völker." Sie beschuldigten den „amerikanischen Imperialismus", er bediene sich in verstärktem Maße des „westdeutschen Militarismus und des Zionismus" in der Absicht, die arabischen Länder auf die Knie zu zwingen.

Sollten sich „der amerikanische Imperialismus und der westdeutsche Militarismus einbilden, daß die arabischen Völker nicht ohne sie leben können und daß sie ungestraft den Willen und die Würde der arabischen Völker mit Füßen treten können", so seien sie sehr im Irrtum 101). Bei einem Besuch der VAR im Juni 1965 wies Ministerpräsident Tschou En-lai auf die „Gefährlichkeit der westdeutschen Militaristen" für die arabischen Länder hin. Er begrüßte den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Bonn durch die meisten arabischen Länder und versicherte die Araber erneut der Hilfe Chinas im Kampf gegen „den westdeutschen Militarismus und den Zionismus". Auf einem Bankett, das ihm zu Ehren gegeben wurde, sagte Tschou: „Das chinesische Volk verurteilt in aller Schärfe die Vereinigten Staaten, die kürzlich Westdeutschland und Israel zu Provokationen gegen die VAR und andere arabische Staaten angestiftet haben. . . . Die Vereinigten Staaten haben jetzt die westdeutsche Regierung angewiesen, Israel mit Munition zu versorgen und diplomatische Beziehungen mit ihm aufzunehmen. Dies stellt eine neue Provokation gegen die arabischen Länder dar."

China setzt seine Kampagne gegen die Bundesrepublik fort

Im Rahmen ihrer Kampagne gegen die Bundesrepublik wandten sich die chinesischen Kommunisten auch schärfstens gegen die Abhaltung einer Plenarsitzung des Bundestages in West-Berlin im April 1965. Sie bezeichneten die Ple-narsitzung als „schwerwiegenden Schritt" zur „Annexion West-Berlins durch die westdeutschen Militaristen mit dem Segen der US-Imperialisten" und als „unerhörte Provokation gegen die DDR und das gesamte sozialistische Lager". Die Chinesen wiesen darauf hin, daß West-Berlin innerhalb des Territoriums der DDR liege und nie zu Westdeutschland gehört habe. „Die westdeutschen Militaristen", erklärten sie, „wollten schon immer West-Berlin okkupieren und in einen Brückenkopf verwandeln, von dem aus sie die DDR unterwühlen und sich einverleiben könnten." Und weiter hieß es: „Die westdeutschen Militaristen sind immer anmaßender und aggressiver geworden.

Sie bedrohen die Sicherheit der DDR und den Weltfrieden. Die westdeutschen Militaristen geben sich Phantasien hin, wenn sie glauben, sie könnten West-Berlin verschlucken. Jedes Komplott mit dem Ziel, West-Berlin der Bundesrepublik einzuverleiben, muß fehlschlagen."

Als der Bundestag im Sommer 1965 den damaligen Entwurf der Notstandsgesetze diskutierte und einen Teil der Gesetze verabschiedete, nannten das die chinesischen Kommunisten „einen neuen Schritt zur Vorbereitung eines Angriffskrieges". Renmin Ribao schrieb in einem Kommentar: „Was die westdeutschen Militaristen heute tun, ist genau das, was Hitler in der Vergangenheit getan hat. Die Annahme der Notstandsgesetze ist ein wichtiger Teil des von den westdeutschen Militaristen entworfenen militärischen Plans, die Resultate des Zweiten Weltkrieges gewaltsam zu korrigieren." Als die Notstandsgesetze im Sommer 1968 endgültig verabschiedet wurden, sagten die Chinesen, die Gesetze würden es der „westdeutschen herrschenden Clique" ermöglichen, das Volk seiner Rede-, Versammlungsund Bewegungsfreiheit zu berauben. New China News Agency schrieb in einem Kommentar: „In Westdeutschland, wo heute die Studenten-und Arbeiterbewegung mächtig anschwillt, präsentiert die westdeutsche herrschende Clique eilig diese faschistischen Notstandsgesetze, um die brutale, blutige Unterdrückung des Volkes mit dem Mantel der Legalität zu bedecken. Dieser Trick der Kiesinger-Regierung ist der gleiche, den die Hitlerfaschisten anwandten, als sie die Naziherrschaft errichteten."

Die chinesischen Kommunisten waren in ihrer Haltung so abweisend, daß sie sich weigerten, offizielle Beziehungen irgendwelcher Art mit der Bundesrepublik aufzunehmen. Auf einer Pressekonferenz in Peking sagte Tschen Ji, die Bedingungen seien für offizielle Handelsbeziehungen mit der Bundesrepublik nicht reif

Zu dieser Zeit beschuldigten die Chinesen das „westdeutsche Monopolkapital", es betreibe in verstärktem Umfang „wirtschaftliche Expansion" in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die Bundesrepublik benutze ihre Entwicklungshilfe nur als ein Mittel, ihre „Expansionspolitik" in Asien, Afrika und Lateinamerika voranzutreiben 107).

Den Beschluß der Bundesregierung, zur ärztlichen Betreuung der vietnamesischen Bevölkerung ein Lazarettschiff nach Vietnam zu entsenden, bezeichneten die Chinesen als Hilfe-leistung für den amerikanischen „Aggressionskrieg" Das Organ der nordvietnamesischen Kommunistischen Partei, Nhan Dan, verurteilte in einem Kommentar die Bundesrepublik wegen ihres angeblichen „Zusammenspiels" mit den „amerikanischen Imperialisten" im Vietnam-Krieg. Das Blatt schrieb, die Bundesrepublik unterstütze „offen und aktiv" die „amerikanische Aggressionspolitik" in Vietnam. „Westdeutschland kommt in der Hilfeleistung für das südvietnamesische reaktionäre Regime gleich nach den Vereinigten Staaten. Im Mai 1964 hat Westdeutschland mit Südvietnam ein Geheimabkommen über Militärhilfe abgeschlossen. Sie sind übereingekommen, daß westdeutsche Truppen zur Teilnahme am amerikanischen Aggressionskrieg entsandt werden sollen. . .. Viele westdeutsche Freiwillige’ sind als Krankenpfleger, Pioniere, Düsenflugzeugpiloten und militärische Ausbilder nach Südvietnam geschickt worden."

Als 1967 Politiker und Presseorgane der Bundesrepublik Vorstöße für die Herstellung engerer Beziehungen zu China unternahmen, reagierten die chinesischen Kommunisten überhaupt nicht. Die wohlwollende Behandlung chinesischer Angelegenheiten in Presse, Rundfunk und Fernsehen der Bundesrepublik beeindruckte die chinesischen Führer nicht. Nicht einmal die Forderung von CSU-Führern nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Volksrepublik China wurde beantwortet. Während eines Besuchs in Spanien suchte Franz-Josef Strauß die chinesischen Kommunisten dadurch freundlich zu stimmen, daß er die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion vor einem gemeinsamen Vorgehen gegen China warnte Aber die chinesischen Führer blie107) ben ungerührt. Ihr Verhalten zeigte, daß sie einfach keine offiziellen Beziehungen mit der Bundesrepublik wünschten. Bundesaußenminister Willy Brandt sagte im Herbst 1967: „Es

Die Haltung Chinas gegenüber der Studentenbewegung in der Bundesrepublik

Große Aufmerksamkeit widmet das kommunistische China der Studentenbewegung in West-Berlin und in der Bundesrepublik. Die chinesischen Kommunisten sahen im Anschwellen der Studentendemonstrationen in der Bundesrepublik einen Beweis für die „Richtigkeit" der Ideen Mao Tse-tungs und dafür, daß sich die Welt in Richtung auf das von Chinas Lehrmeister entworfene „goldene Morgen" bewege. „Die Studentenbewegung", sagte Mao, „ist ein Teil der Bewegung des gesamten Volkes. Der Aufschwung der Studentenbewegung wird unausweichlich einen Aufschwung der Bewegung des gesamten Volkes fördern." 112) Für die chinesischen Kommunisten waren die Studentendemonstrationen in der Bundesrepublik und West-Berlin das Resultat grundlegender Widersprüche in der heutigen Welt. Sie galten ihnen auch als ein „bedeutsames Zeichen" für das zunehmende „Erwachen der Völker Westdeutschlands" und anderer westeuropäischer Länder und als eine „in die Augen fallende Manifestation" der „großen Schwäche" der kapitalistischen Gesellschaft. Außerdem, so wurde gesagt, beweise der Aufschwung der Studentenbewegung in Westeuropa, der „Hochburg des Kapitalismus", die Richtigkeit von Mao Tse-tungs Ausspruch:

„Der Imperialismus und alle Reaktionäre sind Papiertiger." 113)

Als Studenten der West-Berliner Freien Universität eine Kampagne gegen Professor Eckardt starteten, seinen Rücktritt forderten und das Ostasien-Seminar besetzten, begrüßten die Chinesen diese Bewegung als „revolutionär" 1U). Zuversichtlich erklärten sie: „Jetzt können die Imperialisten und ihre Lakaien den Vormarsch der Studentenbewegungen nicht mehr aufhalten." Die Besetzung von Universitätsgebäuden durch Studenten bezeichneten sie als „legale revolutionäre Methode". Sie unterstützen auch vorbehaltlos wird sicher einmal die Zeit kommen, in der der deutsch-chinesische Handel in eine geeignete Form zu bringen ist. Aber dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen." 111) den Widerstand der Studenten gegen das „dekadente Erziehungssystem" des Westens 115).

Die chinesischen Kommunisten behaupteten, ein hervorstechendes Merkmal des „Studentenkampfes" in West-Berlin und der Bundesrepublik sei die „gegenseitige Unterstützung" von Studenten und Arbeitern. Beifällig bemerkten sie: „Die Studenten und Arbeiter in West-Berlin und Westdeutschland haben sich zusammengeschlossen und halten Versammlungen und Demonstrationen ab." Die Chinesen sagten: „Wenn die jungen Intellektuellen und Studenten mit den breiten Massen der Arbeiter und Bauern vereint sind, kann eine mächtige Kraft geschaffen werden." Von diesem Standpunkt aus ist die gegenwärtige Studenten-bewegung in West-Berlin und in der Bundesrepublik eine „bedeutende Kraft" der Volksbewegung. Allerdings machten die chinesischen Kommunisten den Vorbehalt, daß der „Endsieg" nur errungen werden könne, „wenn die Studenbewegung mit der Arbeiter-und Bauernbewegung vereinigt wird" 116). Die Chinesen zollten Beifall, als die Studenten der Kölner Universität Arbeiter einluden und gemeinsame Massenkundgebungen veranstalteten, auf denen gegen „die Ausbeutung durch die Kapitalisten" protestiert wurde 117).

Als die Studentendemonstrationen in West-Berlin und der Bundesrepublik bedrohlich wurden, stellten die Chinesen mit großer Befriedigung fest, endlich richte sich die Studentenbewegung gegen den „US-Imperlalismus" ünd die „reaktionären Kräfte Westdeutschlands" 118). Mit Zuversicht sagten sie voraus, die Studentenbewegung werde schließlich eine „kraftvolle Entwicklung" des Volkskampfes im Herzen der kapitalistischen Welt herbeiführen und das Ende des imperialistischen Systems beschleunigen 119). Besondere Genugtuung äußerten die chinesischen Kommunisten darüber, daß „westdeutsche" und Westberliner Studenten Bilder Mao Tse-tungs und das kleine „Rote Buch" mit Mao-Zitaten bei sich führten, wenn sie gegen das „dekadente kapitalistische System" demonstrierten. Sie stellten fest: „Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß bei den diesjährigen Studentendemonstrationen in West-Berlin und Westdeutschland die Teilnehmer sehr oft Porträts des großen Führers Mao Tsetung emporhielten und daß sie leuchtend rote Exemplare der Worte des Vorsitzenden Mao'bei sich hatten und Abzeichen mit dem Bild des Vorsitzenden Mao trugen." Erfreut darüber, daß Maos großer Ruf nach gewaltsamer Zerstörung der kapitalistischen Welt jetzt eines der reichsten Länder der Welt erreicht hatte, schilderten sie in leuchtenden Farben die Studentendemonstrationen in West-Berlin und der Bundesrepublik: „Seit Beginn des Jahres hat die Studenten-bewegung in West-Berlin und Westdeutschland nicht nur beispiellos an Umfang und Schwungkraft gewonnen, sie ist auch viel besser organisiert, und ihre Losungen sind von stärkerem Kampfgeist erfüllt. Im April 1968 kam es in West-Berlin und über dreißig westdeutschen Städten zu machtvollen Demonstrationen gegen die reaktionäre Politik der herrschenden Kreise West-Berlins und Westdeutschlands. An fünf aufeinanderfolgenden Tagen veranstalteten Tausende von Jugendlichen und Studenten Straßendemonstrationen und kämpften heldenhaft gegen starke Polizeikräfte, die zu ihrer Niederwerfung eingesetzt waren."

Die chinesischen Kommunisten waren der Meinung, dieser Aufschwung der Studentenbewegung in der Bundesrepublik und anderen westeuropäischen Ländern sei das Ergebnis der „extensiven Verbreitung" der Gedanken Mao Tse-tungs. „Der gewaltige Sieg der großen proletarischen Revolution Chinas", schrieben sie, „hat in den Menschen den revolutionären Willen angefacht, den Mut zu kämpfen und zu siegen. . . . Der rapide Aufschwung der Massenbewegung in Europa hat wie ein heftiges Erdbeben die internationale Monopolkapitalistenklasse in ihren angenehmen Träumen gestört. Es gibt kein Paradies für den Imperialismus mehr."

Die chinesische Presse verzeichnete jede Studentendemonstration in West-Berlin und der Bundesrepublik und veröffentlichte Briefe von „Westdeutschen", in denen es hieß, die „westdeutschen Revolutionäre" verfolgten aufmerksam den siegreichen Vormarsch Chinas unter der Führung des Vorsitzenden Mao Tsetung Als es nach der Annahme der Notstandsgesetze durch den Bundestag im ganzen Land zu studentischen und anderen Demonstrationen kam, behaupteten die Chinesen, dies seien „Manifestationen der wachsenden Volksbewegung". Sie sagten, die Annahme der Notstandsgesetze zeige, daß die „westdeutsche Monopolkapitalistenklasse" verzweifelt kämpfe: sie suche „die faschistische Diktatur zu intensivieren und ihre reaktionäre Herrschaft aufrechtzuerhalten zu einer Zeit, da sich die Klassengegensätze im Land verschärfen und die Massenbewegung sich machtvoll erhebt. (Aber) der Imperialismus unter Führung der Vereinigten Staaten und der reaktionären Clique Westdeutschlands kann dem Aufschwung der Bewegung des westdeutschen Volkes niemals Einhalt gebieten." Zugleich versprachen die Chinesen: „ 700 Millionen Menschen Chinas stehen fest auf der Seite des westdeutschen Volkes und unterstützen entschlossen euren Kampf." Schließlich schrieb Renmin Ribao in einem großen Artikel über die Studentenbewegung in der Bundesrepublik: „In den letzten Jahren vollzog sich eine große Entwicklung der Studentenbewegung in Westdeutschland. Seit Beginn dieses Jahres hat die Bewegung einen starken Aufschwung genommen. Ein Anschlag auf das Leben eines Studentenführers durch einen Reaktionär führte zu einer Welle von machtvollen Protestdemonstrationen gegen die faschistische Tyrannei. .. . Kurz bevor das westdeutsche Parlament Ende Mai das Notstandsgesetz annahm, erreichten die Proteste und der Kampf der Studenten und Arbeiter einen neuen Höhepunkt. In fast allen Universitäten des Landes fanden Streiks statt.

Die Entwicklung der Studentenbewegung hat in den reaktionären herrschenden Kreisen große Unruhe hervorgerufen. Sie setzten konterrevolutionäre Gewalt zur brutalen Unterdrückung der Demonstranten ein, griffen sie mit berittener Polizei, Wasserwerfern und Polizeihunden an und verhafteten und verurteilten viele der Studenten. Gleichzeitig un-ternahmen die herrschenden Kreise den Versuch, die Reihen der Studenten zu spalten. Aber es gelang ihnen nicht, die Entwicklung des Kampfes der täglich mehr erwachenden Studenten und Massen aufzuhalten.

Die gegenwärtige Studentenbewegung in Westdeutschland hat viel mit denen anderer westeuropäischer Länder gemein. Sie beginnt mit der Arbeiterbewegung zu verschmelzen. Sie hat die traditionellen Kampfformen wie Sit-ins und Kundgebungen durchbrochen. Sie hat begonnen, zur gewaltsamen Aktion überzugehen und Kontakt mit den Studentenbewegungen anderer Länder aufzunehmen. Darüber hinaus hat sie ihre eigenen Merkmale.

Die Spitze des Kampfes richtet sich eindeutig gegen das faschistische Regime und das kapitalistische System in Westdeutschland. Im April konzentrierten die Studenten ihre Angriffe auf den Springer-Konzern, ein Sprachrohr des westdeutschen Monopolkapitals, das stets die fortschrittliche Studentenbewegung verleumdet und zugunsten des Faschismus spricht. . . . Sie führten einen großangelegten Kampf gegen das Notstandsgesetz und widerstanden energisch der Provokation der reaktionären Machthaber, die dieses faschistische Gesetz zu beschönigen suchten. In ihrem Kampf stellten die Studenten klare Losungen auf wie . Zerschlagt den Staatsapparat!', . Widersteht der Staatsgewalt'und . Stürzt das westdeutsche Regime!'

Die kraftvolle Entwicklung der Studenten-bewegung in Westdeutschland ist eine Wider-spiegelung der Tatsache, daß sich die wirtschaftliche und politische Krise der westdeutschen reaktionären herrschenden Klasse von Tag zu Tag verschärft. Westdeutschland macht die schwerste Wirtschaftskrise durch. . . . Um die Schwierigkeiten auf die Arbeiter abzuwälzen, intensiviert das Monopolkapital die skrupellose Ausbeutung der Arbeiter durch Lohnsenkung, Schließung von Fabriken und Bergwerken oder durch Kurzarbeit und vorübergehende Betriebseinstellung. . . . Die Intensivierung der Ausbeutung der arbeitenden Menschen durch die westdeutschen Monopolkapitalisten hat natürlich den Widerstand der breiten Volksmassen hervorgerufen.

Die Politik der reaktionären Regierung ist immer unpopulärer geworden. Um die täglich anwachsende Massenbewegung zu unterdrükken, hat die Regierung Kiesinger ihre Faschisierungspolitik verstärkt. Mit ihrem Einverständnis und unter ihrem Schutz ist die Zahl der faschistischen und revanchistischen Organisationen rasch auf weit über 100 gestiegen, und diese Organisationen entfalten eine ungezügelte Aktivität.

Aber die Studentenbewegung in Westdeutschland wächst noch immer. Die Studenten veranstalten machtvolle Protestdemonstrationen und widersetzen sich energisch der reaktionären Politik der westdeutschen Machthaber, die darauf gerichtet ist, die Faschisierung zu beschleunigen und die Nazikräfte wiederzubeleben. Mit der Verschärfung der Klassengegensätze im Lande werden die Kämpfe der westdeutschen Studenten den revolutionären Kampf des westdeutschen Volkes gegen die faschistische Herrschaft und die Monopolkapitalistenklasse auf ein neues Niveau heben." 125)

China und die NPD

In ihrer Propagandakampagne haben die chinesischen Kommunisten nichts in der Bundesrepublik ausgelassen. Sie behaupteten, die Aktivität neofaschistischer Kräfte greife immer mehr um sich, und dies geschehe „auf Anstiftung und mit Unterstützung" der „westdeutschen reaktionären Machthaber". New China News Agency erklärte in einem Kommentar: „Die sogenannte Nationaldemokratische Partei, die die neofaschistischen Kräfte in Westdeutschland repräsentiert, erweitert hemmungslos ihre Kräfte und entwickelt eine fanatische Aktivität in dem vergeblichen Bemühen, den törichten Traum vom . Deutschen Reich'zu verwirklichen."

Nahezu die Hälfte der „führenden Bande" der NPD seien schon vor 1933 NSDAP-Mitglieder oder „Nazis bis auf die Knochen" gewesen, schrieben die Chinesen. „Diese faschistische Partei konzentriert ihre Macht auf die Streitkräfte und hat jetzt viele Anhänger in der Bundeswehr. Etwa 1500 ihrer derzeitigen Mitglieder (40 000) sind Berufsoffiziere. Ein Viertel der 400 000 Angehörigen der westdeutschen faschistischen Truppen sind ihre Wähler." Die Chinesen behaupteten: „Westdeutsche monopolkapitalistische Gruppen päppeln mit aller Kraft die NPD hoch, so wie sie in der Ver125) gangenheit den Hitlerfaschismus hochgepäppelt haben." Den Behörden der Bundesrepublik warfen sie vor, sie steigerten die Unterdrükkung und Verfolgung der progressiven Kräfte, während sie die NPD schützten. „Ist es nicht überhaupt seltsam", fragten sie, „daß die westdeutsche Regierung so viel Fürsorge und Anteilnahme für diese neofaschistische Partei zeigt . . .?"

Die Chinesen sagten, faschistische und revanchistische Organisationen veröffentlichten „mit dem Einverständnis und unter dem Schutz" der Bundesregierung ihre Zeitungen und oft hielten sie unter Polizeischutz öffentliche Kundgebungen ab. „Häufig nehmen führende Politiker daran teil und halten Reden, um die offizielle Unterstützung der Nazi-Organisationen darzutun."

China macht der Sowjetunion den Vorwurf der Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik

Anfang 1968 eröffnete das kommunistische China eine heftige Attacke auf die „sowjetrevisionistischen Renegaten" wegen angeblicher Zusammenarbeit mit den „westdeutschen Militaristen". Die Chinesen behaupteten, Moskau habe jetzt seine „Anti-Bonn-Maske" abgeworfen und verstärke seine „Zusammenarbeit" mit der Bundesrepublik. Moskau habe Bonn so „leidenschaftlich umarmt", daß die „Verräterzüge" der „sowjetrevisionistischen Clique" wieder einmal vollständig enthüllt worden seien. Die „sowjetrevisionistische Clique" betreibe eine Politik der Beschwichtigung und des Zusammenspiels mit den „westdeutschen Militaristen" auf Kosten der DDR und anderer sozialistischer Länder 129). Als Anfang Juli 1968 Außenminister Willy Brandt ohne DDR-Passierschein die Sowjetbotschaft in OstBerlin besuchte, erblickten die Chinesen darin einen „neuen Handel" zwischen Moskau und Bonn, der dazu dienen solle, die DDR zu „verkaufen". Sie erklärten, die „sowjetrevisionistische Clique" habe „unverhüllten Verrat" begangen, indem sie Brandt die „Hauptstadt der DDR" betreten ließ. „Dieser Versuch, noch enger mit den westdeutschen militaristischen Kräften zusammenzuarbeiten, enthüllt das Renegatentum der herrschenden Clique der Sowjetrevisionisten, welche die Interessen des deutschen Volkes verhökert." 130) Die SED-Presse bewahrte erstmalig eisiges Schweigen; diesmal warf sie den Chinesen nicht vor, sie suchten Zwietracht zwischen der DDR und der Sowjetunion zu säen. .

Einige Tage später warf Renmin Ribao den „sowjetrevisionistischen Renegaten" wiederum vor, sie flirteten mit den „westdeutschen Militaristen". Bei den „westdeutschen Militaristen" stellte die Zeitung gleichzeitig „zunehmende Anmaßung" fest. Sie schrieb: „Während sie ihre Aufrüstung zügellos vorantreiben und sich mit allen Kräften Atomwaffen zu verschaffen suchen, präsentieren sie eine , neue Ostpolitik'mit dem Ziel, die DDR zu isolieren und dann zu annektieren. Die herrschenden Kreise Bonns, von Adenauer bis Kiesinger, haben niemals auch nur für einen Augenblick ihren aggressiven Plan aufgegeben, die DDR gewaltsam zu annektieren."

Die Sowjets ihrerseits warfen den Chinesen gleichfalls Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik vor; sie brachten eine phantastische Geschichte von einer „Achse Peking-Bonn" aufs Tapet. In zwei Artikeln der Literaturnaja Gaseta stellte ein sowjetischer Autor Behauptungen über die Zusammenarbeit der beiden Länder auf. Er meinte, bestimmte Entwicklungen in Peking und Bonn ließen auf eine „zunehmende Entspannung" zwischen der Volksrepublik China und der Bundesrepublik schließen. Die Bundesrepublik helfe den Chinesen bereits bei der Herstellung von Massenvernichtungswaffen durch die Lieferung von schwerem Wasser für Atombomben, und sie helfe ihnen beim Bau von ballistischen Raketen mit einer Reichweite bis zu 640 Kilometer. Dem sowjetischen Autor zufolge ist Franz-Josef Strauß, „die einflußreichste Figur in der Bundesrepublik, der Hauptfürsprecher einer Annäherung an China als Reserveplan für den Fall, daß die Bündnisse mit den Vereinigten Staaten und Frankreich endgültig in die Brüche gehen. Die Partei der äußersten Rechten in Westdeutschland, die neonazistische soge-nannte NPD, vertritt die gleiche Idee." Bundeskanzler Kiesinger habe während seiner Asienreise im Jahre 1967 geheime Treffen mit „chinesischen Emissären" in Karatschi, Rawalpindi und Colombo gehabt, behauptete der Autor. Er fügte eine düstere Warnung hinzu: Wer die Möglichkeit eines Bündnisses zwischen China und der Bundesrepublik ausschließe, der „begeht einen unverzeihlichen Fehler" 132).

Die chinesischen Kommunisten bemühten sich auch, einen Keil zwischen die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten zu treiben. Sie sagten, die Bundesregierung sei „äußerst un-zufrieden" über die „verstärkte" amerikanisch-sowjetische Zusammenarbeit zur Aufteilung von Einflußsphären. Das sei einer der Gründe, weshalb die Bundesregierung die Forderung der Vereinigten Staaten ablehne, die Gesamtkosten der amerikanischen Truppen in Westdeutschland zu übernehmen 133). In einer Zeit, da der „US-Imperialismus" in Vietnam seine „Papiertiger" -Natur gezeigt habe, sei es nur „natürlich, daß sich Westdeutschland weigert, den Vereinigten Staaten völlig dienstbar zu sein" 184).

Zusammenfassung

Welches Interesse hat das kommunistische China an der DDR? Warum fährt es trotz ungezählter Beleidigungen durch Ulbricht und seine Gefolgsleute fort, die DDR gegen die Bundesrepublik und West-Berlin zu unterstützen? Anscheinend liegt das Motiv in Chinas Ambition, eine Führerrolle im europäischen Kommunismus zu spielen. Auch wäre chinesischer Einfluß auf die DDR in ihrer strategischen Lage ein gutes Mittel, Druck auf die Sowjetunion auszuüben. Ein weiteres Ziel Chinas besteht darin, sich die wirtschaftliche und technische Hilfe der DDR für die Industrialisierung des Landes zu sichern. China weiß recht gut, daß die DDR nach wie vor das am höchsten industrialisierte Land des kommunistischen Blocks ist und eine Konzentration von Facharbeitern aufweist, wie sie Mao Tse-tung dringend für den Aufbau seiner Wirtschaftsmacht braucht. Die mitteldeutschen Kommunisten ihrerseits sind sich der Tatsache bewußt, daß China einen riesigen Markt für ihre Produkte darstellt. China könnte auch zum Lieferanten billiger Rohstoffe werden, die die DDR zur Versorgung ihrer wachsenden Industrie benötigt.

Zweifellos hat der Zwist zwischen der Sowjetunion und der Volksrepublik China für die SED eine paradoxe Situation geschaffen. Aber den Chinesen ist klar, daß den mitteldeutschen Kommunisten nichts anderes übrigbleibt, als im Konflikt mit Peking die Partei der Sowjetunion zu ergreifen. Deshalb verfolgen die chinesischen Führer dem SED-Regime gegenüber eine flexible Politik. Sie wissen, daß mitteldeutsche Kommunisten, die mit China sympathisieren, keine Möglichkeit haben, der So-132) wjetunion zu trotzen — so, wie es die Albaner getan haben. Eine Revolte gegen die sowjetische Vorherrschaft und für eine prochinesische Politik würde zu einer Katastrophe führen, die schlimmer wäre als die jetzige ideologische und politische Polemik der SED gegen die chinesische Führung. Die Chinesen sehen in der Kampagne der SED gegen Peking nicht so sehr den Ausdruck der wirklichen Haltung der SED-Führer als vielmehr ein Produkt sowjetischen Drucks.

Was die Bundesrepublik angeht, so trifft die alte diplomatische Maxime „Der Feind meines Feindes ist mein Freund" keineswegs zu. Für das kommunistische China sprechen ideologische, politische und außenpolitische Erwägungen gegen eine freundlichere Haltung gegenüber der Bundesrepublik. In der heutigen weltpolitischen Konstellation wird China weiterhin die DDR gegen die Bundesrepublik unterstützen. Pekings Stellung zu Bonn wird ferner beeinflußt durch den Umstand, daß China in Rivalität zur Sowjetunion die arabischen Länder umwirbt. Ein Bericht in der Zeitschrift Stern vom 24. November 1968, in dem gesagt wird, China habe seine Attacken auf die Bundesrepublik gedämpft, entspricht nicht den Tatsachen. Geht man die chinesische Presse durch, so findet man reihenweise heftige Angriffe auf den „westdeutschen Militarismus" und „Revanchismus". Nach wie vor betrachten die Chinesen die Bundesrepublik als einen „militaristischen" Staat, und das werden sie weiterhin tun, solange Bonn im amerikanischen Lager bleibt. Als die Bundesregierung nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Sowjetblockmächte eine Stärkung der NATO forderte, um jeder sowjetischen Drohung begegnen zu können, da erhoben die chinesischen Kommunisten sofort die Anschul-Bdigung gegen Bonn, es verlange neue Waffen, um „die DDR zu annektieren" und ihre „expansionistischen Pläne" in Osteuropa zu verfolgen Die wachsenden Handelsbeziehungen zwischen China und der Bundesrepublik spielen in der chinesischen Politik keine Rolle. Handel mit den kapitalistischen Ländern betrachten die chinesischen Kommunisten einfach nicht vom ideologischen und außenpolitischen Standpunkt.

Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den chinesischen und sowjetischen Truppen Anfang März im Gebiet des Ussuri-Flusses hat in Deutschland wie im Rest der Welt eine Fülle von Spekulationen über die Möglichkeit „neuer Beziehungen" zwischen dem kommunistischen China und der Bundesrepublik ausgelöst. Ein Bericht in Die Welt, in dem eine ungenannte amerikanische Quelle zitiert wurde , stellte fest, „die Bundesrepublik befinde sich in einer besonderen Position, da Peking durch die Aufnahme von Beziehungen mit ihr einen diplomatischen Durchbruch erzielen würde, der mit größter Wahrscheinlichkeit eine Kettenreaktion bei anderen westlichen Ländern auslösen würde" Britische und japanische Zeitungen sprachen von einer „neuen Phase" in den chinesisch-westdeutschen Beziehungen wohingegen ostdeutsche und sowjetische Zeitungen prompt von einer angeblichen „heimlichen Zusammenarbeit" zwischen Peking und Bonn berichteten Die Ost-Berliner Zeitung Neues Deutschland berichtete ebenfalls, daß Außenminister Brandt in einer Rede in Göppingen bestätigt habe, daß es „Empfehlungen" gebe, „sich des chinesischen Hebels zu bedienen."

Trotz der wohlwollenden Haltung eines Teiles der Presse und Öffentlichkeit der Bundesrepublik hat das kommunistische China seine eisige Einstellung gegenüber Bonn beibehalten. Warum lehnt es Peking ab, gegenwärtig Beziehungen zu Bonn aufzunehmen? Die Antwort auf diese Haltung ergibt sich aus der Natur des kommunistischen China. Peking hat — als revolutionäres Regime — nicht die Absicht, als „Hebel" gegen die Sowjetunion benutzt zu werden. Und als ehrgeiziges Land benötigt China ihm wohlgesonnene Nationen, die bereit sind, die Rolle von Satelliten für seine ideologischen und politischen Ziele zu spielen, während es umgekehrt nicht geneigt wäre, diese Rolle für andere zu übernehmen. Darüber hinaus ist die Bundesrepublik in den Augen Chinas als Teil einer gespaltenen Nation außerstande, irgendeine aktive Rolle gegenüber der Sowjetunion zu spielen. Bonn könnte nur dann nützlich sein, wenn die Bundesrepublik bereit wäre, sich gegen die Vereinigten Staaten zu stellen.

Infolgedessen fährt das kommunistische China fort, seine Aufmerksamkeit auf die DDR zu konzentrieren und seine Verachtung für die Bundesrepublik zu demonstrieren. Die Chinesen sehen sie immer noch als einen Staat an, der von „Militaristen" und „Revanchisten" regiert wird, die davon träumen, „die Deutsche Demokratische Republik zu annektieren" und „das große Deutsche Reich wieder zum Leben zu erwecken". Die Chinesen behaupten, daß „die herrschende westdeutsche Clique" ihre gegenrevolutionären doppelgesichtigen Taktiken intensiviert habe: „Während sie ihre Wiederbewaffnung, ihre Kriegsvorbereitungen und ihr faschistisches Regime zu Hause verstärkt, hat sie in zunehmender Weise eine Politik der friedlichen Entwicklung gegenüber der Sowjetunion, der DDR und einigen anderen osteuropäischen Ländern fortgesetzt. Sie hat West-Berlin, das auf DDR-Territorium liegt und niemals zu Westdeutschland gehört hat, zu einer wichtigen Basis ihrer doppelgesichtigen Taktiken, für Infiltration, Subversion und Sabotage gemacht." Im Licht der gegenwärtigen Haltung des kommunistischen China gegenüber der Bundesrepublik wird die Hoffnung, die hier von einem Teil der Öffentlichkeit und der Presse gegenüber Peking genährt wird, höchstwahrscheinlich eine große Illusion bleiben. Es gibt nicht die entfernteste Chance, daß das kommunistische China seine Politik gegenüber der Bundesrepublik ändern wird, solange Bonn eng mit den Vereinigten Staaten verbunden bleibt. Es wäre deshalb die klügste Einstellung für die Bundesrepublik, keinerlei politische Wunderhilfe von China zu erwarten. Wie Außenminister Brandt richtig feststellte: „So wichtig China sein wird für die weitere Entwicklung der Welt, so sicher ist es, daß eine Regelung der europäischen und damit auch der deutschen Frage nicht ohne und gegen die Sowjetunion zustande gebracht werden kann" U 1).

Fussnoten

Fußnoten

  1. Tägliche Rundschau, 8. Juni 1951.

  2. Berliner Zeitung, 8. Juni 1951.

  3. Tägliche Rundschau, 7. Juni 1951.

  4. Renmin Ribao, 3. November 1953.

  5. ADN, 23 Juli 1954.

  6. ADN, 24. Juli 1954.

  7. ADN, 25. Juli 1954.

  8. Renmin Ribao, 22. August 1954.

  9. National-Zeitung (Ost-Berlin), 21. Dezember 1955.

  10. ADN, 9. April 1955.

  11. Neues Deutschland, 8. Mai 1955.

  12. Neues Deutschland, 28. Dezember 1955.

  13. Vorwärts (Ost-Berlin), 27. Dezember 1955.

  14. Neues Deutschland, 18. September 1956.

  15. Neues Deutschland, 5. September 1957.

  16. Neues Deutschland, 3. Juli 1957.

  17. ADN, 5. Dezember 1958 und 3. Januar 1959.

  18. Horst Sindermann, Chinas Großer Sprung, (Ost-) Berlin 1959, S. 29, 32, 36, 37.

  19. Neues Deutschland, 30. September 1959.

  20. Hermann Matern, Eine große Reise des guten Willens, (Ost-) Berlin 1960, S. 30.

  21. New York Times, 22. Juli 1959.

  22. Renmin Ribao, 18. April 1960.

  23. Neues Deutschland, 17. Juni 1960.

  24. Vorwärts (Ost-Berlin), 22. Dezember 1958.

  25. Neues Deutschland, 25. Januar 1959.

  26. Ebda.; New China News Agency, 1. März 1959.

  27. Renmin Ribao, 4. Februar 1959.

  28. Volksarmee, 5. Mai 1959.

  29. Ebda.

  30. Volksarmee, 7. Mai 1959.

  31. Neues Deutschland, 2. Oktober 1959.

  32. Neues Deutschland, 29. September 1959.

  33. ADN, 10. November 1959.

  34. New China News Agency, 2. September 1961.

  35. Neues Deutschland, 21. Oktober 1962.

  36. Neues Deutschland, 26. November 1961.

  37. Neues Deutschland, 5. Dezember 1962.

  38. Neues Deutschland, 16. Januar 1963.

  39. Ebda.

  40. Stenografische Notizen eines osteuropäischen Diplomaten, der am VI. Parteitag der SED teilgenommen hat.

  41. New China News Agency, 18. Januar 1963.

  42. Ebda.

  43. ADN, 21. Juni 1963.

  44. New China News Agency, 24. Juni 1963.

  45. ADN, 12. Juni 1963.

  46. Neues Deutschland, 20. Juli 1963.

  47. Renmin Ribao, 23. August 1963.

  48. Ebda.

  49. Chung-kuo Ch'ng-nien, 10. Februar 1963; auch Shih-chieh Chih-shih, 20. Februar 1963.

  50. Uber die Existenz einer prochinesischen Gruppe in der SED berichtete Erich Mückenberger, der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Frankfurt an der Oder. Am 14. Juni 1964 sagte er, es dürften nicht mehr Fälle wie der vorkommen, „daß sich die Auseinandersetzungen mit dem ehemaligen Genossen Patzelt, der der trotzkistischen Plattform der Leiter der KP Chinas auf den Leim gekrochen ist, über Monate hinaus verzögerten und erst durch das Eingreifen der Bezirksleitung in Fluß kamen". Neuer Tag, 16. Juni 1964.

  51. ADN, 28. August 1963

  52. Die Welt, 17., 22. und 26 August 1963.

  53. Neues Deutschland, 11. August 1963.

  54. Neues Deutschland, 10. September 1963.

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Weitere Inhalte

Hemen Ray, Journalist, Korrespondent der indischen Nachrichtenagentur NAFEN in Berlin sowie Researcher über die chinesische und sowjetische Politik in Asien. Veröffentlichungen: Die Stellung Nepals zwischen Indien und China, Hamburg 1961; Südostasien in der indischen Außenpolitik, Hamburg 1965; Kommunismus in Indien (Ko-Autor), Hannover 1966; ferner zahlreiche Aufsätze über die sowjetische und chinesische Außenpolitik in wissenschaftlichen Zeitschriften in den USA, England und der Bundesrepublik. In Vorbereitung ein Buch über die Strategie und Taktik der chinesischen Außenpolitik in Asien.