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Entwicklungshilfe zwischen Neo-Imperialismus und Weltinnenpolitik Eine Bilanz am Ende der ersten Entwicklungsdekade | APuZ 24/1971 | bpb.de

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APuZ 24/1971 Entwicklungshilfe zwischen Neo-Imperialismus und Weltinnenpolitik Eine Bilanz am Ende der ersten Entwicklungsdekade

Entwicklungshilfe zwischen Neo-Imperialismus und Weltinnenpolitik Eine Bilanz am Ende der ersten Entwicklungsdekade

Reinhard Kapferer

/ 89 Minuten zu lesen

I. Die Entwicklungsproblematik

Abbildung 1

Nach zwanzig Jahren des erbitterten Kampfes um die politische und sozio-ökonomische Zukunftskonzeption der sogenannten Dritten Welt beginnen sich unter den Beteiligten erst jetzt Einsichten durchzusetzen, die bei nüchterner Betrachtung und ohne den verhängnisvollen Zwang zur Parteilichkeit schon am Anfang der Orientierung hätten stehen können: Die banale Einsicht beispielsweise, daß die Aufhebung des Status politischer Abhängigkeit nicht identisch ist mit der Aufhebung sozioökonomischer Unterentwicklung, oder die Einsicht, daß es vergeblich ist, politische und wirtschaftliche Systeme auf sozio-kulturelle Grundstrukturen transplantieren zu wollen, deren Entwicklungsstand dies nicht erlaubt, daß es vergeblich ist, Fortschritt unter Ausschluß revolutionärer Umwälzungen zu kalkulieren, vor allem aber die Einsicht, daß es sich hier um ein Menschheitsproblem handelt, von dessen humaner Lösung der Fortbestand der Zivilisation in einem kaum weniger direkten Sinne abhängig ist als von der Verhinderung der atomaren Selbstvernichtung.

Die Entwicklung der Dritten Welt ist in einem sehr direkten und unmittelbaren Sinn zu einer internationalen Angelegenheit geworden. Ja mehr noch, sie ist in gewisser Hinsicht Teil der inneren Angelegenheiten auch zahlreicher Industrieländer geworden und zwar in einem Maße, das die klassische Interdependenz von Innen-und Außenpolitik bei weitem übersteigt: Die große gesellschaftliche Breite des ökonomischen, technischen und kulturellen Kooperationsprozesses zwischen Industrie-und Entwicklungsländern (neben staatlichen und privaten Partnern ist eine Vielzahl von gesellschaftlichen und korporativen Gruppen beteiligt); langfristige Bindung an gemeinsame Entwicklungsprojekte; die im Hinblick auf eine Arbeitsteilung geplante ökonomische Strukturveränderung in den Metropolen selbst (Produktionseinschränkung oder -verzieht); nicht zuletzt die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Entwicklungsproblematik stellen neben vielem anderen in ihrer Gesamtheit einen sehr viel engeren Interessenzusammenhang zwischen den Beteiligten her, als es für das traditionelle internationale Verhältnis zwischen souveränen Völkerrechtssubjekten typisch war.

Der Prozeß ist nicht auf das Verhältnis Entwicklungsländer— Industrieländer beschränkt. Die ökonomisch-politischen Integrationsbewegungen in den Industrieländern (EWG, EFTA) sind ein anderer Teil dieses Prozesses. Im Beziehungsrahmen Entwicklungspolitik zeigt sich indessen mit besonderer Schärfe die Tendenz eines tiefgreifenden Transformationsprozesses in den internationalen Beziehungen: die Verwischung der Grenzen von innerer und äußerer Politik. Die Inneren Angelegenheiten sind nicht mehr ein isoliertes Reservat nationaler Souveränität.

Im Zeitalter der rapide schwindenden nationalen Souveränitäten und der nur noch fiktiven Unantastbarkeit von nationalen Inneren Angelegenheiten ist die sozio-politische Organisation und die ideologische Orientierung eines Landes längst eine Sache von internationalem Belang geworden. Der Antagonismus konträrer gesellschaftlicher Systeme, politische und ideologische Blockbildungen, ökonomische und strategische Abhängigkeiten oder Kooperationsverhältnisse, der Zwang zur Bewältigung globaler Probleme (Verseuchung der Kontinente und Meere, Weltraumprobleme etc.) bilden einen stets dichter werdenden internationalen Interessenzusammenhang, der die klassische Autonomie nationalstaatlicher Souveränität weithin aufhebt oder doch erheblich relativiert. Die wachsende Multidimensionalität der Internationalen Beziehungen schafft Räume sozialer Interaktion, die treffender als „transnationale Beziehungen" (Karl Kaiser) zu kennzeichnen wären und die tendenziell auf eine „Weltinnenpolitik" (v. Weizsäcker) zu weisen scheinen. Gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und innenpolitische Willensbildungs-und Entscheidungsabläufe — weiland klassische Domänen der Inneren Angelegenheiten — berühren vitale Interessenbezüge formal fremder nationaler oder internationaler Entitäten, wie umgekehrt erstere von letzteren beeinflußt werden. Das Wechselverhältnis ist sicherlich kein Novum in der Geschichte, die qualitative Vielfalt des Interaktionsprozesses und seine universale Erscheinungsform setzt indessen neue Maßstäbe, die in den traditionellen Beziehungsmustern von Kooperation und Domination nicht mehr zur Gänze zu erfassen sind. Freilich spielt das politische und ökonomische Gewicht der am transnationalen Interaktionsvorgang beteiligten Partner nach wie vor eine große Rolle, und es macht einen Unterschied, ob die . beschränkte Souveränität'mit militärischen oder ökonomischen Druckmitteln einseitig durchgesetzt wird oder im Einvernehmen aus dem Kooperationsverhältnis erwächst. Die zwei zurückliegenden Jahrzehnte entwicklungspolitischer Kooperation bestätigen dies zur Genüge. Das Übergewicht der Industrienationen diktierte noch stets die Konditionen der Zusammenarbeit, wenigstens dort, wo Interessen von einiger Relevanz im Spiele waren. Eine allmähliche Umorientierung scheint jetzt immerhin im Gange; und wenn schon nicht aus einem plötzlich gewachsenen „weltinnenpolitischen" Verantwortungsbewußtsein, so doch aus der Einsicht in das „wohlverstandene und konstruktive Eigeninteresse"

Aber die Belastung dieser Jahrhundertaufgabe mit schweren Hypotheken aus der Vergangenheit (Kolonialismus) und der Gegenwart (Kalter Krieg), ihre kaum überschaubare Verflechtung mit zahllosen politischen und wirtschaftlichen Interessen, mit ideologischem Messianismus und überkommenen Vorurteilen haben die Perspektiven in einem Maße verzerrt, daß ihre eigentliche Bedeutung dahinter weithin verschwand. Wenn ein verantwortlicher Minister der in der Entwicklungshilfe an zweiter Stelle rangierenden Industrienation im Jahre 1969 beschwörend betonen muß, Entwicklungspolitik sei nicht „Mission für unsere Gesellschaftsform" und wenn andererseits im Jahre 1970 vor einer Versammlung von Staatsmännern vornehmlich unterentwickelter Länder in aller Ernsthaftigkeit darauf hingewiesen wird, ökonomischer Fortschritt habe unter anderem auch zu tun mit „einem hart arbeitenden und disziplinierten Volk" und mit „technischer Kompetenz, Führungsqualitäten und dem Wissen darüber, wie man Produkte auf den Markt bringt" so veranschaulicht dies, wie wenig selbstverständlich scheinbar elementare Prämissen einer sinnvollen Entwicklungspolitik auch heute noch sind.

Die Bilanz nach zwanzig Jahren ist ernüchternd — wenigstens was die investierten Hoffnungen und Erwartungen der Beteiligten angeht. Die erste umfassende Bestandsaufnahme, der Pearson-Bericht, spricht von „Enttäuschung und Mißtrauen" Er beweist in der nüchternen Sprache der Zahlen nicht nur, daß Altruismus nach wie vor kein nennenswertes Motiv zwischenstaatlicher Beziehungen ist, sondern vor allem, daß die Befähigung zum Denken in den Kategorien einer bereits zur Tatsache gewordenen Weltschicksalsgemeinschaft allenthalben noch erheblich unterentwickelt ist. „Die gemeinsame und unteilbare Verantwortung der ganzen internationalen Gemeinschaft" in Sachen Entwicklungspolitik, an die von der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu Beginn der zweiten Entwicklungsdekade appelliert wurde, scheint bis zur Stunde eher ein Desiderat als eine verläßliche politisch-moralische Größe Freilich, keiner der Beteiligten hat es dem anderen leichtgemacht, und je länger desto mehr schienen sich für alle die Befürchtungen und Vermutungen zu bestätigen. Was die Pessimisten im Westen schon immer vorausgesagt hatten, daß nämlich die mangelnde Reife der überstürzt in die Unabhängigkeit entlassenen Gesellschaften zum allgemeinen Chaos, zum Rückschritt und schließlich zum kommunistischen Exitus führen müßte, gewann für die Öffentlichkeit des Westens bestürzende Realität, als schwer durchschaubare Revolutionen, Bürgerkriege, ruinöse Wirtschaftsgebarung und ideologische Radikalisierung das äußere Bild der Dritten Welt zu bestimmen begannen.

Nicht anders ließen sich die Erfahrungen der jungen Nationen an. Die neu gewonnene Freiheit erwies sich sehr schnell als prekär, wo nicht illusorisch, wenn sie mit den Interessen der etablierten Industrienationen kollidierte. Ein Imperialismus neuen Stils drohte mit subtileren Mitteln in desto unentrinnbarere Abhängigkeiten zu führen. Gleichzeitig wurde viele Male drastisch bewiesen, daß im Bedarfsfall auch die klassischen Requisiten der Kolonialpolitik durchaus noch zur Hand sind. Grund genug zu Enttäuschung und Mißtrauen also. Der Weg zum Verständnis der Entwicklungspolitik als des zentralen Problems einer zukünftigen „Weltinnenpolitik" oder auch nur, wie es schon vor mehr als zwanzig Jahren bescheidener formuliert wurde, als „eines Gemeinschaftsunternehmens aller fortgeschrittenen Länder der Welt" (Truman), ist dornig und bei weitem noch nicht zurückgelegt.

Immerhin gibt es seit langem kaum noch ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über das allgemeine Ziel der Entwicklung. Sie soll den bislang Zurückgebliebenen und Unterprivilegierten per saldo „ein besseres Leben für sich selbst und für ihre Kinder" sichern, wie es etwa in der schlichten Sprache des Pearson-Berichtes heißt. Auch über den konkreten Sinn des „besseren Lebens" ist man sich weithin einig. Gemeint ist die gesellschaftliche Gewährleistung materieller Lebensbedingungen, die eine menschenwürdige Existenz nach den Maßstäben der industriellen Zivilisation ermöglichen. Differenzen darüber scheinen endgültig ausgeräumt. Die materiellen Errungenschaften der industriellen Zivilisation und damit ihre prinzipielle ethische Wertorientierung — Entfaltung des gesellschaftlichen Reichtums zur Erhöhung des individuellen Glückspotentials, um es auf den allgemeinsten Nenner zu bringen — konstituieren das allgemein akzeptierte Vorstellungsbild vom Fortschritt und vom „besseren Leben".

Hinter die industrielle Zivilisation will heute niemand mehr zurück — sieht man ab von den „Drop outs" intellektueller Subkulturen in den Metropolen oder einigen kulturpessimistischen Literaten. Ganz sicher gilt diese Feststellung für die politischen Führungsschichten überall in der Dritten Welt. Niemand von Rang hat darüber nach Mahatma Ghandi Zweifel gelassen. Und kein anderer als Nehru hat den Appell seines Lehrers zum Rückzug aus der technischen Welt des „Westens" in die vorgebliche Spiritualität vorindustrieller Zustände als atavistischen Romantizismus abgelehnt. Man mag seine Zweifel haben an der Welt der Maschinen und Automaten; man mag seine energischen Vorbehalte äußern gegen die westliche Zivilisation soweit sie mehr ist als Technologie — den Industrialismus selbst mit seinen materiellen Verheißungen stellt heute niemand mehr als erstrebenswertes Entwicklungsziel in Frage. So wird schwerlich jemand die Autoren des Pearson-Berichtes europäischer Arroganz oder des „Kulturimperialismus" bezichtigen, wenn sie von der Voraussetzung ausgehen: „Die ärmeren Länder der Welt haben sich für die Entwicklung entschieden; das heißt für jene materiellen Erwartungen, wirtschaftlichen Formen und technischen Errungenschaften, die vor rund 400 Jahren von. Europa ihren Ausgang genommen haben und seitdem von den industrialisierten Staaten weiterentwickelt wurden und werden." Diese Entscheidung ist gewiß nicht in dem Sinne zu verstehen, daß die restliche Welt bereit sei, in einem technisch-organisatorischen Kraftakt pauschal die Zivilisation des Westens zu rezipieren — der Prozeß der Akkulturation ist unendlich vielschichtig und kennt radikale Lösungen, wenn überhaupt, dann nur unter Einsatz gewaltsamer Mittel. Gemeint ist vielmehr die Bereitschaft zur Emanzipation aus Armut und Abhängigkeit mit dem von der technischen Zivilisation zur Verfügung gestellten Instrumentarium. Die technische Zivilisation andererseits besitzt ihre eigene Dialektik, und ihre Rückwirkungen auf die ethisch-kulturellen Strukturen vorindustrieller Gesellschaften werden diese notwendig verwandeln. Der Entschluß zur Rezeption fremdwüchsiger sozio-ökonomischer Normen ist kein „Entlehnen" mehr, denn „wo das Entlehnen aufhört, beginnt der Kulturwandel“, schrieb einstmals Malinowski. Auf lange Sicht impliziert die Umorientierung auf sozioökonomischen Dynamismus den Kulturwandel — mag er im Stadium der Entscheidung beabsichtigt sein oder nicht. „Die Bereitschaft zur Annahme neuer Werte... ist bereits eine zumindest potentielle revolutionäre Tatsache“, meint Richard Behrendt Die Entscheidung für die neue Lebensmotivation — Emanzipation und Fortschritt — ist gefallen: seit ein, zwei Generationen in den intellektuellen Spitzen unterentwickelter Gesellschaften, in den letzten zwei Jahrzehnten auch bei den Massen. Wie verworren und phantastisch die Vorstellungen vom erwarteten „besseren Leben" sein mögen, sie haben ihre sehr reale Grundlage in dem dringenden Wunsch nach radikaler Veränderung der bestehenden Lebensumstände.

Die Warnungen an die Adresse der Entwicklungsplaner, etwa von Seiten der Ethnologie, die „Macht des Gestern" nicht zu unterschätzen und allzu unbekümmert den forcierten „Kahlschlag aller Traditionen" zu betreiben, haben natürlich ihren Sinn — ihren taktischen Sinn. Sie sind nützlich und wichtig für den Gang des Akkulturationsprozesses, und sie mögen vor Enttäuschungen bewahren. Die „Entscheidung für den Fortschritt" in dem beschriebenen Sinn setzt indessen Energien frei, die nach einer sozio-kulturellen Totaltrans-formation drängen; darin sind sich alle „Sozialstrategen in Ost und West“ in der Tat einig

Ein größeres Problem als die Mobilisierung der Bereitschaft zum Wandel ist heute vielleicht schon die . Revolution der steigenden Erwartungen': „Die eigentliche Tragödie, meine ich, besteht darin, daß ihre Erwartungen schneller wachsen als irgendeine menschliche Führung oder Institution sie erfüllen könnte", meinte jüngst Robert McNamara, der Präsident der Weltbank Je stärker das Bild der fortgeschrittenen Industrienationen auf unterentwickelte Gesellschaften einwirkt, desto dringlicher wird dort der Wunsch nach sofortiger und umfassender Akkulturation. Nicht mehr das Ziel steht in Frage, sondern der kürzeste Weg dorthin.

Auf den ersten Blick scheint die Antwort unproblematisch. Wenn es darum geht, den materiellen Entwicklungsstand der etablierten Industrienationen zu erreichen, so bieten sich vernünftigerweise deren Erfolgsrezepte zum Nachvollzug an. Der Entwicklungsprozeß scheint ohnehin mit quasi-naturgesetzlicher Logik zu verlaufen, folgt man etwa dem Marx-Wort, wonach „das industriell entwik-kelte Land ...dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zukunft“ zeigt Woraus dann zu folgern wäre: Wenn die Zukunft der Unterentwickelten im Prinzip von den Entwickelteren vorweggenommen ist, diese Zukunft zudem von allen Beteiligten bejaht wird, so kann es sich nur darum handeln, den Entwicklungsprozeß des Vorbildes nachzuvollziehen. Vielleicht unter Vermeidung dieser oder jener Fehlentwicklung, nach Möglichkeit unter Ausnutzung des gesammelten Erfahrungspotentials, sicherlich im Zeitraffer, prinzipiell aber auf dem vorgezeichneten Weg. Darüber gab es wenig Zweifel — bis sich dieser Weg zu gabeln begann und gegen das Vorbild eine radikale Alternative in Gestalt des revolutionären Sozialismus trat. Seither ist, um in der Marxschen Prognose zu bleiben, das Zukunftsbild zumindest zweideutig geworden.

Den minder Entwickelten bieten sich als Vehikel zum ersehnten . besseren Leben'theore-tisch zwei kontroverse sozioökonomische Modelle an — nicht zu reden von den zahlreichen Varianten dazwischen. Hat der Fortschritt sich im kapitalistischen oder sozialistischen Entwicklungsrahmen zu vollziehen oder sind gesellschaftliche Sonderformen denkbar, die sich aus der Eigenart der sozio-kulturellen Situation der Dritten Welt ergeben? Weiter: Welches wären die politischen Bedingungen für die optimale Entbindung der Entwicklungspotenzen? Parlamentarische Demokratie, , Füh-rungdemokratie', Volksdemokratie oder . Entwicklungsdiktatur'? Hierüber entbrennt noch immer der Streit, wenn auch in der Praxis diese theoretischen Alternativen weit weniger Gewicht besitzen, als es von der engagierten Literatur her erscheinen mag.

Die Frage, auf die der Kapitalismus-Sozialismus-Streit letztlich konkret ökonomisch hinausläuft, nämlich die Alternative, ob eine Entwicklungsgesellschaft sich der freien Marktwirtschaft oder der staatlichen Planwirtschaft verschreiben soll, ist längst pragmatisch entschieden. So gut wie alle Entwicklungsländer haben einen strategischen Gesamtplan für die Wirtschaftsentwicklung aufge-stellt oder verfügen wenigstens über eine Planungsorganisation. Albert Waterston nennt bereits für 1965 nur ein Land, das überhaupt keine staatliche Planifikation betreibt, das afrikanische Ruanda Alle praktizieren jedoch ein System der , Mixed Economy', in dem privater und öffentlicher Sektor in unterschiedlichem Mischungsverhältnis nebeneinander bestehen. Weder hat sich irgendwo die freie Marktwirtschaft im Sinne des sich selbst regulierenden Spiels der freien Kräfte durchgesetzt, noch das System rigider Totalerfassung des ökonomischen Gesamtprozesses durch eine zentrale staatliche Planung. Die schroffe Alternative . Marktwirtschaft oder Planwirtschaft'erweist sich in der Realität als ein sehr theoretisches Problem, im übrigen nicht nur in den Entwicklungsländern. In der Diskussion spielt es indessen nach wie vor eine große Rolle. Die Protagonisten der Marktwirtschaft vermögen sich Fortschritt und Entfaltung des gesellschaftlichen Reichtums in der Dritten Welt nur im genauen Nachvollzug des westlichen Modells vorzustellen; für die strengen Marxisten dagegen ist der praktizierte Planismus nur ein fauler Kompromiß, wenn nicht sogar eine betrügerische Verschleierung neuer kapitalistischer Ausbeutung. Ähnliches gilt für die politischen Organisationsformen. Die vorherrschenden Systeme der sogenannten . Lenkungsdemokratie'(guid-ed Democracy) entsprechen eindeutig weder dem westlichen Modell demokratisch vermittelter Herrschaftsstrukturen noch dem Typus der Volksdemokratie kommunistischer Provenienz. Was über Ziel und Weg der Entwicklung der Dritten Welt gesagt wurde, gilt analog für die Rolle, die dem industriell fortgeschrittenen Teil der Welt dabei zufallen soll. Einig sind sich alle darüber, daß der Entwicklungsprozeß in der wünschenswerten Schnelligkeit nur unter dem massiven Einsatz der ökonomisch-technischen Mittel der Industrienationen vonstatten gehen kann. „Alle Regierungen haben sich zu der Aufgabe bekannt, den armen Ländern dabei zu helfen, sich aus der Armut zu befreien", registriert der Pearson-Bericht und nahezu alle, die über entsprechende Mittel verfügen, haben sich auch bereits engagiert, so darf man wohl hinzufügen. Sehr unterschiedlich dagegen sind wiederum die Vorstellungen über Motivationen, Formen und Inhalte der Hilfe. Jenseits der vagen Formeln von Sicherung des Weltfriedens', , Welt-schicksalsgemeinschaft', . Menschheitssolidarität', , Weltinnenpolitik'und dergleichen sind die Motive durchaus kontrovers. Während sich die Staatsführungen der westlichen Industrienationen nur langsam und zögernd vom Konzept der antirevolutionären Strategie zu lösen beginnen und noch immer Hoffnungen auf den Export der .freiheitlich-demokratischen Ordnung'nachhängen, praktiziert die Sowjetunion erklärtermaßen Entwicklungshilfe als Unterstützung im antiimperialistischen Befreiungskampf. In den Empfängerländern ist man stimmungsmäßig eher geneigt, in der Entwicklungshilfe eine längst fällige Wiedergutmachungsleistung für erlittenen Kolonialis-mus und ökonomische Ausbeutung zu sehen und allen weiteren Motivierungen zu mißtrauen

Wie tief die Entwicklungsproblematik der Dritten Welt in das Geflecht ideologischer Antagonismen verstrickt ist, veranschaulicht die empörte Verwahrung der kommunistischen Seite gegen das Ansinnen westlicher Staatsmänner, auf dem Felde der Entwicklungspolitik zu kooperieren. Ost-West-Kollaboration in der Dritten Welt hieße, ideologischer Aufweichung und gefährlichen revisionistischen Konvergenztheorien zu erliegen. Die Aufforderung zu gemeinsamer west-östlicher Entwicklungsstrategie stellt sich den östlichen Ideologen als „raffinierter antikommunistischer Trick, von dem einzig und allein die imperialistischen Kräfte profitieren", dar

Neben der Bestandsaufnahme der komplizierten politischen und ideologischen Verflechtungen und Rivalitäten erscheint die rein ökonomische Bilanz der bisherigen Entwicklungsanstrengungen nicht ganz so negativ, wie es vielfach behauptet oder vermutet wird. Die Erwartungen, die man angesichts der Größe der Aufgabe vernünftigerweise hegen könnte, wurden zwar bei weitem nicht überall erfüllt, doch zeigte sich, daß in zahlreichen Fällen ökonomische Wachstumsprozesse wesentlich durch Entwicklungshilfe in Gang gesetzt oder stimuliert wurden, „überall dort, wo bedeutende Fortschritte verzeichnet wurden, war die Auslandshilfe wesentlich beteiligt", faßt der Pearson-Bericht zusammen Die in den sechziger Jahren erreichte durchschnittliche Wachstimsrate des Bruttosozialproduktes von jährlich 5% in den Entwicklungsländern hätte sich ohne den Zufluß von mehr als 110 Milliar-den US-Dollar an öffentlichen und privaten Mitteln zwischen 1957 und 1968 schwerlich realisieren lassen. Auf wichtigen Sektoren sind beachtliche Erfolge erzielt worden, so bei der Produktion von Grundnahrungsmitteln (, Grüne Revolution'), auf dem Gebiet der Hygiene und Medizin, der Alphabetisation etc. Es sind freilich relative Erfolge, deren Wirksamkeit häufig genug durch die demographische Entwicklung wieder aufgehoben wurden, die aber selbst dann noch als dynamisierende Entwicklungsimpulse Früchte trugen. Ähnliches gilt für die Entwicklung der Infrastrukturen. Die Jahreszuwachsraten im Verkehrs-und Nachrichtenwesen (4, 4%), der Energieerzeugung (Elektrizität: 10, 5%), im Stahlverbrauch (8, 1 %), hätten ohne die Mittel der Entwicklungshilfe bei weitem nicht erreicht werden können.

Andererseits hat die Entwicklungshilfe manchen unterentwickelten Ökonomien schwere Belastungen aufgebürdet. Die Verschuldung erreichte im Jahre 1968 eine Gesamtsumme von 47, 8 Milliarden US-Dollar. Die Zins-und Tilgungsleistungen machen in verschiedenen Ländern bis zu 15 % des gesamten Export-erlöses aus. In Südamerika verschlingt der Schuldendienst durchschnittlich 87 % der neu zufließenden Kredite, in Afrika 73 °/o. Bei gleichbleibenden Konditionen wäre in naher Zukunft abzusehen, daß der über den Schuldendienst zurückfließende Kapitalstrom die neuen Entwicklungsleistungen bei weitem übersteigen würde Auch hier also reichlich Anlaß zu Klagen und wechselseitigen Beschuldigungen. Auf der einen Seite werden die Kreditkonditionen als wucherische Halsabschneiderei denunziert, auf der anderen lamentiert man über die laxe Schuldnermoral — im übrigen nicht nur im Verhältnis kapitalistischer Kreditgeber zu unterentwickelten Schuldnern, sondern gelegentlich auch im Kooperationsverhältnis von sozialistischen Geber-und Empfängerländern untereinander Auch hier scheint die Orientierung an den Interessen der Entwicklungsländer sich nur sehr allmählich durchzusetzen. Der Pearson-Bericht konstatiert noch 1969 eine anhaltende Verschlechterung der Konditionen — höhere Zinssätze, kürzere Rückzahlungsfristen — und kommt zu deprimierenden Prognosen, wenn nicht ein radikales Umdenken von Seiten der Geberländer erfolgt Immerhin scheinen die Warnrufe nicht ganz ungehört zu verhallen. Die besonders betroffenen USA (Anstieg des durchschnittlichen Zinssatzes bei der Kreditvergabe an Entwicklungsländer von 2 % im Jahre 1963 auf 3, 5% im Jahre 1968) wollen sich verpflichten, die Konditionen ihrer Mittelvergabe den Empfehlungen des Pearson-Berichtes anzupassen Die Bundesrepublik Deutschland vergibt neue Kredite seit 1970 zu einem Zins von 2, 5 % und 30 Jahren Laufzeit (1969 noch 3, 2 °/o und 26 Jahre Laufzeit) Die Mittel der Weltbank-Zweigorganisation IDA (International Development Association), von der sogenannte . weiche'Kredite vergeben werden (0, 75 % Zins und 50 Jahre Laufzeit), wurden in diesem Jahr verdoppelt. Eine andere schwere Hypothek stellen für die Empfängerländer die Lieferbindungen dar. Die Empfängerländer sind in der Regel vertraglich gehalten, den Bedarf für ihre Entwicklungsprojekte aus dem Geberland zu beziehen und meistens auch durch Beförderungsmittel desselben transportieren zu lassen. Diese Bindung kommt nicht selten einem Monopol für die Zulieferungsindustrien des Geberlandes gleich. Die Konditionen werden nicht frei nach dem Prinzip des günstigsten Angebotes vereinbart, sie sind vorweg durch die Bindung an einen Lieferanten diktiert. Die Verluste, die den Empfängerländern dadurch entstehen, schätzt der Pearson-Bericht auf mehr als 20% Im Weltdurchschnitt lag die Lieferbindung bei Entwicklungskrediten im Jahre 1967 bei 84 % (USA 93, 6 %, BRD 57 %). Auch hier soll wirksame Abhilfe geschaffen werden

Ein drittes, ebenso schwerwiegendes wie komplexes Handicap für die Ökonomien der Entwicklungsländer liegt indessen auf einem Gebiet, das nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Entwicklungshilfe zu stehen scheint: es handelt sich um ihre Position als Rohprodukterzeuger auf dem Weltmarkt. Nahezu 90 % ihres Exporterlöses entfallen auf Rohstoffe. In manchen Ländern sind es nur einzelne Produkte, die das Deviseneinkommen bestimmen, beispielsweise Kaffee in Kolumbien zu 72 %, Kakao in Ghana zu 70 %. Die Preistendenz auf dem Weltmarkt für einen Großteil dieser Rohstoffe ist seit langem fallend die Folge davon ist die ständige Verschlechterung der , Terms of Trade', also des Verhältnisses der Preise von Export-zu Importwaren. Trotz gesteigerter Exportleistungen sinkt der Erlös in manchen Fällen drastisch, während das Preisniveau für industrielle Produkte ebenso drastisch steigt. Sinnfälliges Beispiel: ein Jeep kostete im Jahre 1950 in Kolumbien den Gegenwert von 17 Sack. Kaffee, 1967 den Gegenwert von 57 Sack Kaffee

Man hat errechnet, daß durch die Verschlechterung der , Terms of Trade'den Rohstoffproduzenten zwischen 1950 und 1961 Verluste von-26 % in Relation zu den , Terms of Trade'der Fertigwaren erwachsen seien, was einem Rückgang der Kaufkraft von 13, 1 Milliarden US-Dollar entspräche oder nahezu der Hälfte der in diesem Zeitraum den Entwicklungsländern zugeflossenen Hilfeleistungen Die Berechnungsgrundlagen dieser Bilanzen sind freilich hart umstritten Durchgesetzt hat sich indessen allgemein die Ansicht, daß, wie problematisch auch immer die globalen Aussagen über die Tendenz der , Terms of Trade'und ihre Folgen sein mögen, die Weltmarkt-position der Rohstoffproduzenten im Vergleich zu den Fertigwarenproduzenten schlechter geworden ist und entwicklungshemmende Konsequenzen hat. Auf der von den Vereinten Nationen ins Leben gerufenen Welthandelskonferenz (UNCTAD) wurde 1964 in Genf der Beschluß gefaßt, den Industrieländern Ausgleichszahlungen zu empfehlen und ein System zur langfristigen Stabilisierung der Rohstoffmärkte zu entwickeln Wie zu erwarten, stießen diese Forderungen auf den heftigen Widerstand der Vertreter der Industrieländer. Kompensatorische Leistungen wurden abgelehnt („Die Forderungen nach kompensatorischen Leistungen zum Ausgleich der , gap'sind abwegig"; Entschließung des deutschen Industrie-und Handelstages zur Genfer Welthandelskonferenz), die Stabilisierung der Rohstoffpreise unter Berufung auf die Freiheit des Welthandels wurde verworfen die For-derung nach Zollpräferenzen als „Abkehr vom Grundsatz der handelspolitischen Meistbegünstigung" abschlägig beschieden Enttäuscht resümierten die Delegierten der Entwicklungsländer am Ende, daß die Ergebnisse der Konferenz „in keiner Weise ihren notwendigsten Bedürfnissen" entsprochen hätten

Der innere Zusammenhang zwischen Entwicklungsproblematik und Weltmarktmechanismus wurde in den Industrieländern nur zögernd anerkannt, und es dauerte noch Jahre, bis man sich zu halbwegs adäquaten Einsichten durch-rang. Für die linke Radikalkritik wurden die Thesen Prebischs zu einem Hauptargument gegen den . Imperialismus neuen Stils'. Dieser sei heute nicht mehr als direkte Domination eines Landes über ein anderes zu begreifen, sondern er habe sich zum internationalen arbeitsteiligen System entwickelt, in dem auf der einen Seite die Gesamtheit der Industrienationen als Ausbeuter, auf der anderen Seite die Entwicklungsländer als Ausgebeutete stehen.

„Der Imperialismus wird mehr und mehr zu einem ökonomischen Faktum: er impliziert bestimmte Beziehungen in der internationalen Arbeitsteilung, die Austauschverhältnisse und die Kapitalbewegungen. Länder wie Schweden oder die Schweiz, die weder jemals Kolonien besaßen, noch auf ein unterentwickeltes Land mehr Einfluß nahmen als andere Länder, sind deshalb qualitativ nicht weniger imperialistisch als die USA und Großbritannien." Die praktizierten Weltmarktmechanismen seien „mit die effektivsten Mittel, die Länder der Dritten Welt für lange Zeit in ihrer Rolle als Lieferanten von Rohstoffen und exotischen Konsumgütern verharren zu lassen und so die internationale Arbeitsteilung — eines der Fundamente des Imperialismus — endgültig zu festigen"

In der öffentlichen Diskussion über die Entwicklungspolitik in den Industrienationen hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Sensibilisierung gegenüber den Ambivalenzen der . Hilfe'bemerkbar gemacht. Vorbei sind die Bekundungen betulicher Zufriedenheit über die'eigene Selbstlosigkeit, weniger vernehmlich der populäre Unwille über die . verschenkten Milliarden'. Aber der Wandel im Verständnis der Entwicklungsproblematik der Dritten Welt hat noch etwas sehr viel Nachhaltigeres bewirkt: Er hat auch erheblich zur kritischen Reflektion nach innen beigetragen. Er hat das Bewußtsein sowohl für die strukturellen Mängel der eigenen sozio-politischen Verfassung geschärft, als auch das überkommene ethische Wertesystem einer kritischen Überprüfung unterworfen. Von der Einsicht in die bestürzenden Realitäten der Dritten Welt erhielt die studentische Rebellion entscheidende Impulse Die Irritation hat auch tief hineingewirkt in das religiöse Selbstverständnis christlicher Gemeinden und zu Ansätzen einer radikalen Neuformulierung der christlichen Botschaft geführt („Theologie der Revolution").

Von der Dritten Welt geht bereits eine merkbare Rückwirkung auf den politischen und sozio-kulturellen Prozeß der . Ersten'Welt aus. Im dialektischen Bezugsrahmen der einen Welt ist die Entwicklung der . Dritten'im Begriff, zugleich zur Entwicklung der . Ersten'beizutragen.

II. Die Kritik an der westlichen Entwicklungspolitik von links und rechts

Kritik sowohl am Gesamtkonzept der Entwicklungshilfe als auch an ihrer Gestaltung hat es von Anfang an gegeben. Noch zu Beginn der fünfziger Jahre, als die Dimensionen der Entwicklungsproblematik für die Offent-lichkeit kaum zu übersehen waren und es noch keine eklatanten Enttäuschungen über ausbleibende Erfolge oder politische Fehlentwicklungen gab, wurden die Ansatzpunkte einer grundsätzlichen Kritik konzipiert, aus denen noch heute die wesentlichen Argumente geschöpft zu werden pflegen.

In den Anfängen wurde die Diskussion fast ganz beherrscht von der politischen Zweckmäßigkeit der Entwicklungshilfe als eines Instrumentes des Kalten Kriegs, und erst an sehr nachgeordneter Stelle folgten Erwägungen über die eigentliche Entwicklungsproblematik. Selbst in der Theorie wurde die Entwicklungsproblematik überlagert vom politischen Eigeninteresse. Die kommunistische Propaganda machte dem , Neo-Imperialismus des Westens'den moralischen Prozeß, und im Westen wogte der Streit der Meinungen über Wert und Un-wert der Entwicklungshilfe zur Errichtung antikommunistischer Bastionen. In einer zweiten Phase — etwa seit Mitte der fünfziger Jahre — begann sich der kritische Bezug formal in Richtung auf eine größere Sachorientierung zu verschieben. Die politischen und ideologischen Intentionen traten mit dem Anspruch wissenschaftlicher Objektivität auf und suchten den Nachweis ihrer Richtigkeit mit ökonomischen, soziologischen und anthropologischen Fakten zu erbringen. Es begannen die polemischen Schlachten um die Statistiken und ihre richtige Auslegung, um die Prioritäten in der Entwicklung auf agrarischem oder industriellem Sektor, um die richtigen Voraussetzungen für die Erhöhung von Spar-und Investitionsraten, um die Tendenz der , Terms of Trade'für die Rohstoffmärkte und schließlich um die Grundbedingungen für die Transformation der sozialen und psychologischen, der intellektuellen und technologischen Infrastrukturen in den unterentwickelten Gesellschaften.

In jedem Falle diente die Kritik an der praktizierten Entwicklungspolitik dem Nachweis entweder der üblen Absichten der kapitalistischen Geberländer oder — auf der Gegenseite — ihrer Unwirksamkeit, „die betreffenden Länder aufnahmebereit und aufnahmefähig für westliche Lebensformen zu machen“ Besonders gilt dies für die Einschätzung der Entwicklungshilfe und ihre sozialpolitischen Absichten aus marxistischer Sicht. Vor allem die Arbeiten des amerikanischen Marxisten Paul Baran (Uber die politische Ökonomie unterentwickelter Länder, 1952; The political Economy of Growth, 1957) haben hier richtungweisend gewirkt; seine Thesen gehören mittlerweile zum festen Bestandteil der linken Kritik am , Neo-Imperialismus'der westlichen Welt. In seinem Aufsatz aus dem Jahre 1952 hatte Baran noch an den „aufgeklärten Eigen-nutz'der kapitalistischen Welt appelliert und sie zu „selbstloser Hilfe" aufgefordert, wie-wohl er wenig Hoffnung darein setzte. Fünf Jahre später schienen ihm seine Vermutungen über die wirklichen Absichten des kapitalistischen Engagements in den Entwicklungsländern bestätigt, dessen letztliche Zielsetzung es sei „to prevent social revolution wherever possible"

Seither wurde dieses Leitmotiv in einer kaum noch zu überblickenden radikal-kritischen Literatur unzählige Male in allgemeinen Entwicklungstheorien oder in speziellen Fallstudien wiederholt und mit erheblichem Materialaufwand zu belegen versucht. Das Resultat ist stets das gleiche: unter dem Etikett moralisch-humanitärer Uneigennützigkeit ist westliche Entwicklungshilfepolitik Fortsetzung kolonialer Ausbeutung mit subtileren Mitteln In der ebenfalls zum linken Klassiker avancierten Arbeit von Pierre Jalee (Die Ausbeutung der Dritten Welt, 1965) heißt es lapidar, Entwicklungshilfe „bleibt politisch und wirtschaftlich repressiv" Bahman Nirumand nannte die Entwicklungshilfe in seinem folgenreichen Polit-Schocker über die . Diktatur der Freien Welf (Persien — Modell eines Entwicklungslandes oder die Diktatur der Freien Welt, 1967) die neue Form klassischer Kolonialpolitik, „die auf die wirtschaftliche und kulturelle Stagnation der armen Länder bewußt hinar-beitet" Ihre altruistische Motivation sei weiter nichts als eine „globale Lüge" In der neueren und neuesten linken Literatur zum Thema steht die Entwicklungshilfe — wenigstens die westliche Entwicklungshilfe — überhaupt synonym für Imperialismus respektive , Neo-Imperialismus' Im volkswirtschaftlichen Innenverhältnis erfülle sie eine wichtige Funktion zur Stabilisierung des kapitalistischen Systems Die Anklagepunkte sind, kurz zusammengefaßt, die folgenden:

1. Entwicklungshilfe wurde und werde gegeben nicht nach Maßgabe der Bedürfnisse des Empfängers, sondern a) nach militärisch-strategischen Gesichtspunkten des Gebers, respektive nach politischem Wohlverhalten des Empfängers, b) im wohlverstandenen sozial-und konjunkturpolitischen Interesse des Gebers.

2. Mit der Entwicklungshilfe sei ein neues System der Ausbeutung und Domination dergestalt entstanden, daß die ökonomischen Verbindungen von Geber-und Empfängeriand letzteres in eine immer größere Abhängigkeit bringe: durch fortschreitende Verschuldung, durch Fixierung des Empfängerlandes auf ruinöse Monokultur-Produktion, durch Bindung an die Produktionsgüterindustrie des Geber-landes etc.

3. Entwicklungshilfe verfolge das strategische Ziel, das sozio-ökonomische System der Geberländer, also das marktwirtschaftlich-kapitalistische, auf die Empfängerländer zu transplantieren. Sie stehe also ipso facto im Widerspruch zu den progressiven Kräften der unterentwickelten Gesellschaften. Von daher die Allianz mit dem reaktionären Establishment! Entwicklungshilfe erfülle damit „die Funktion, halbfeudale, korrupte und unfähige Gesellschaftssysteme überlebensfähig zu erhalten und damit jede Entwicklung zu verhindern" 4. Schließlich: welches immer die guten oder bösen Absichten und Folgen gewesen sein mochten, die bisher geleistete Entwicklungshilfe habe sich ökonomisch als absolut nutzlos erwiesen; ein Punkt, in dem alle Kritiker mehr oder weniger übereinstimmen. Zusammenfassend lasse sich sagen: Die Entwicklungshilfe der kapitalistischen Welt sei nicht nur uneffektiv im ökonomischen Sinne, sie kaschiere auch neue Abhängigkeiten und neue Ausbeutung, sie perpetuiere Elend und Stagnation, schlimmer noch, sie ersticke die endogenen Wachstumspotenzen der unterentwickelten Gesellschaften. Daraus wird gefolgert, daß jede echte Entwicklungsstrategie von der radikalen Negation dessen auszugehen habe, was die Entwicklungshilfe zu konsolidieren trachte — kurz, sie impliziere die Revolution. Von Paul Baran über Pierre Jale bis Peter Strotmann und Conrad Schuhler ist dies das einhellige Ergebnis. Einziger Unterschied in der marxistischen Kritik: Baran plädierte Ende der fünfziger Jahre für das sowjetische Revolutionsmodell, die Neue Linke setzt auf das Beispiel Chinas. Peter Strotmann: „Jede fundamentale Entwicklung in diesen Ländern kann nur unter sozialistischem Vorzeichen stattfinden: gleichwohl ist eine Wiederholung des sowjetischen Modells ausgeschlossen: Es muß eine grundlegende und permanente Revolutionierung der Menschen und Produktivkräfte entlang dem chinesischen Modell sein."

Massive Kritik hat die Entwicklungshilfepolitik der Industrienationen in den fünfziger und sechziger Jahren auch von . rechts'erfahren. Sie trat in dem Augenblick auf, als unabhängige junge Staaten wirtschaftspolitische Entscheidungen mit einschneidenden Konsequenzen für fremde etablierte Interessen trafen. Nationalisierungen, Entliberalisierung des Handels, monetäre Zwangswirtschaft etc. provozierten in den Industrienationen heftige Reaktionen. Als auch Enttäuschungen über den politischen Kurs der Jungen Nationen hinzutraten, wurde die Kritik an der Entwicklungshilfe zum populären Entrüstungs-Thema in den Geberländern. So etwa nach der Verstaatlichung des Suez-Kanales 1956, den Kongo-Wirren 1962 oder dem selbstbewußten Auftreten der Entwicklungsländer auf den Welthandelskonferenzen von Genf 1964 und Neu Delhi 1968. Der Erkenntnisertrag dieser Art von Kritik ist naturgemäß gering. Es handelt sich in der Mehrzahl um verärgerte Kommentare und düstere Prognosen zumeist apologetischen Inhalts und ohne eigentlichen Bezug zur Entwicklungsproblematik.

Selbst in der Fachliteratur dominierte gelegentlich Enttäuschung über die sachliche Analyse und man gelangte zu so erstaunlichen Ergebnissen wie etwa zur nachträglichen Rehabilitation des Kolonialismus. Es wurden aufwendige Apologien geschrieben, in denen nichts geringeres . bewiesen'wurde als daß Kolonialismus und ökonomische Ausbeutung nichts miteinander zu tun gehabt hätten und ganz im Gegenteil die wirtschaftliche Bilanz des Kolonialismus entschieden negativ für die Mutterländer abgeschlossen habe. Ende der fünfziger Jahre machte in Frankreich der sogenannte , Cartierismus‘ viel von sich reden — eine Art Antikolonialismus von rechts — der das konsequente Disengagement der Ersten von der Dritten Welt predigte, da Entwicklungshilfe wirtschaftlich und politisch keinerlei Erträge bringe und lediglich den Metropolen das bitter nötige Kapital entziehe Es erschienen Aufsätze bekannter Autoren, die an Verklärung der . Kolonial-bürde'nichts zu wünschen übrig ließen, ebensowenig an beleidigender Denunziation der jungen Führungseliten in den Entwicklungsländern Auch später — etwa seit Mitte der sechziger Jahre —, als systematischere Analysen an die Stelle empörter Zurückweisungen traten, blieb das apologetische Element ein wesentlicher Bestandteil der bürgerlichen Kritik an der Entwicklungspolitik westlicher Regierungen. Das läßt sich beispielsweise zeigen an der Kritik der neo-liberalen Schule, die in der Bundesrepublik publizistisch mit Vehemenz gegen die praktizierte Entwicklungspolitik aufgetreten ist. Entwicklungshilfe sei nicht nur unwirksam, sie verschütte zudem die endogenen Wachstumsimpulse in den Empfänger-ländern, so lautet der Tenor. Denn, wie der Aufstiegsprozeß der westlichen Industrienationen unwiderleglich bewiesen habe, ermögliche nur die weitestgehende Freisetzung individueller Energien den gesamtgesellschaftlichen Fortschritt. Schon an sich sei die von außen geleistete Hilfe eine künstliche Intervention mit hemmender Wirkung auf die innergesellschaftlichen Entwicklungspotenzen, wieviel mehr in ihrer praktizierten Form, die den Staatsdirigismus des Ökonomischen und Gesellschaftlichen geradezu zur Voraussetzung habe — mit allen fatalen Weiterungen in den politischen und ideologischen Bereich hinein. Der primäre Bestimmungsfaktor jeder Entwicklung, nämlich das individuelle dynamische Verhalten, werde erstickt, ein natürliches Wachstum dynamischer Qualitäten analog dem westlichen Vorbild unterbunden.

Die neo-liberale Kritik und mit ihr der größere Teil der nichtmarxistischen Kritik überhaupt orientiert sich am vorgegebenen Muster westlicher Entwicklung — von den geistigen Traditionen des . abendländischen Menschen'bis hin zu seiner stolzesten Hervorbringung, der „Freien Marktwirtschaft" Sie begreift den modernen ökonomischen Wachstumsprozeß als direktes Ergebnis des spezifischen Entwicklungsganges im Westen und folgert daraus analoge Rezepturen für die Unterentwickelten. Das Dilemma, das sich hier er-öffnet, liegt auf der Hand. Läßt sich bei diesem Befund überhaupt an eine Übertragung des westlichen Erfolgsmodells auf fremde Kulturen denken? Hellas, Rom, Christentum und puritanische Wirtschaftsethik sind nicht nachvollziehbar, auch nicht im Zeitraffer. Es darf wohl vermutet werden, daß dies der inneren Überzeugung der neo-liberalen Kritik mehr oder weniger auch entspricht. Nur scheut man sich, dies offen auszusprechen und geißelt dafür die Form praktizierter Entwicklungshilfe. Denn selbst wenn erwiesen wäre, daß der nicht-europäische Mensch im Stande sein sollte, ökonomische, soziale und politische Verhaltensweisen, wie sie aus der abendländischen Kulturentwicklung erwachsen sind, zu lernen — so trägt der Westen mit seiner Entwicklungspolitik jedenfalls nichts dazu bei, sie zu stimulieren: „Die Unwirksamkeit der Auslandshilfe als Entwicklungsinstrument hängt letztlich von ihrer Unfähigkeit ab, auf diese menschlichen Faktoren wesentlich in einer günstigen Richtung hinzuwirken. Die Unwirksamkeit (wird) durch die Art, in der die Hilfe angewandt, und vor allem durch die Methode, in der sie gegeben wird, verstärkt. Das euphemistische Vertrauen in die Befähigung unterentwickelter Gesellschaften zur . Selbsthilfe'habe sich als falsch erwiesen. Die als Selbsthilfe gedachten Mittel hätten vielmehr einen Selbsthilfewillen gar nicht erst aufkommen lassen: „Die Selbsthilfe enttäuschte. Sie wurde in manchen Ländern durch die Geschenke und billigen Kredite geradezu gelähmt. Die Entwicklungshilfe wurde vielfach wie ein Narkotikum verbraucht, anregend, ohne dauernde Wirkung."

Auch dort, wo die freie Marktwirtschaft nicht unbedingt als Konkretisierung ökonomischer Vernunft zur Nachahmung empfohlen wurde, führte eine Art von kultur-anthropologischem Vorbehalt zu Pessimismus und Zweifel. Edgar Salin meinte in einem damals vielbeachteten Aufsatz, es hieße einem neuen Mythos verfallen, die Normen westlicher Entwicklung für universal erreichbar zu halten. Die westlich-ethischen Determinanten für wirtschaftliches Wachstum — Arbeits-und Sparwille der Bevölkerung -— gehörten eben zum sozio-moralischen „Erbgut" des „jüdisch-christlichenKulturkreises", so daß es ihm sehr zweifelhaft er-schien, „ob es außer Israel und Portugal heute unterentwickelte Gebiete gibt, welche diese entscheidenden Aufbaukräfte besitzen". Konsequenter als die Neo-Liberalen folgerte Salin hieraus die unbehebbare Fortexistenz von „Zonen bleibenden Agrarkulturstandes", also quasi-schicksalhafter Unterentwicklung, und empfahl Hilfe nur nach dem Maß der Zukunftsträchtigkeit wirtschaftlichen Entwicklungsvermögens

Marxistische und neo-liberale Kritik sind sich einig in der radikalen Ablehnung praktizierter Entwicklungshilfe. Aus denkbar unterschiedlichen Gründen, wie sich versteht, aber doch mit bemerkenswert ähnlicher Argumentation. Entwicklungshilfe hemme oder verhindere den Fortschritt, sie perpetuiere die Infantilsituation der Unterentwickelten — durch Ausbeutung hier, durch „Untergrabung des Selbstvertrauens" dort — sie diene suspekten politischen Absichten. Während bei der linken Kritik der Neo-Imperialismus als das undisputierbare Grundmotiv für westliche Entwicklungshilfe feststeht, finden sich in der Kritik von rechts mitunter ebenfalls düstere Vermutungen über hintergründige Absichten

Eine eigene Spezies theoretischer Entwürfe zur Entwicklungsproblematik hat sich aus der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den sozio-ökonomischen, sozio-psychologischen oder kulturell-anthropologischen Problemen der Dritten Welt entwickelt. Auch ihre Anfänge reichen in die frühen fünfziger Jahre zurück, und auch ihre Theoreme wurden in der Regel aus der Kritik an der praktizierten Entwicklungspolitik gefolgert. In den sechziger Jahren schwoll die wissenschaftliche Literatur zur Entwicklungstheorie zur kaum noch überschaubaren Flut an. Es zählen hierzu Arbeiten, die weltweite Diskussionen auslösten und gelegentlich selbst Markzeichen für die Entwick-lungspolitik dieser oder jener Industrienationen setzten, wie etwa die Bücher von Raul Prebisch, Gunnar Myrdal, Walt Rostow oder Richard Behrendt Wenigstens der Absicht nach wurde hier versucht, die Entwicklungsproblematik vom Ressentiment, von politischen oder ökonomischen Interessen und ideologischen Bekenntnissen zu trennen und den wissenschaftlichen Problemansatz aus der konkreten Situation der Unterentwicklung zu begreifen. Freilich, auch hier flossen häufig — bewußt oder unbewußt — die eigenen Prämissen in die Forschungsergebnisse mit ein, so daß — wie anderwärts auch — die wirklich . voraussetzungslose'Entwicklungstheorie eine Illusion ist — zur Genugtuung der Ideologen

III. Die US-Auslandshilfe — Antikommunistische Weltstrategie und ökonomischer Expansionismus

Die Entwicklungshilfe — im US-Sprachgebrauch „Auslandshilfe" (Foreign Aid) — ist eine amerikanische Entdeckung. In den Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich von den USA getragen, machte der amerikanische Anteil in der . ersten Entwicklungsdekade'(1960— 1970) noch immer knapp die Hälfte aller im Westen aufgebrachten Mittel aus. Schon im Jahre 1965 schätzte man den Gesamtbetrag aller ins Ausland geflossenen Mittel auf die gigantische Summe von rund 100 Milliarden US-Dollar

Die US-Entwicklungspolitik widerspiegelt in Theorie und Praxis alle Phasen des Aufstieges der Vereinigten Staaten zum weltumspannenden Imperium. Sie ist in erster Linie Mittel zum nationalen Zweck. Sie wurde und wird verstanden als Instrument zur Eindämmung des Kommunismus, zur Förderung der inneren und äußeren ökonomischen Expansion, insgesamt zur Durchsetzung der . amerikanischen Ideale'in der von einer Gegenideologie bedrohten Welt. In der nationalen Legende heißt Auslandshilfe „jenes noch nicht dagewesene Unternehmen, mit dem Amerika den Not-schrei der Welt beantwortet" (Kennedy). Auch innenpolitisch ist sie ein beliebtes Demonstrationsfeld dessen, was nach Ansicht von Parteien, gesellschaftlichen Gruppen und . wichtigen Persönlichkeiten'Amerikas Bestimmung in dieser Zeit zu sein habe.

Mit wechselnden Inhalten ist die US-Entwicklungspolitik doktrinär — wie alle US-Außenpolitik. Und wie auch bei dieser stellt ihr ideologischer überbau ein eigentümliches Gemisch von imperialem Machtbewußtsein, moralisierendem Missionsdrang und bestem Geschäftsgewissen dar — begleitet ohne Zweifel von einem starken Element der Generosität. Die genannten Ingredienzien, unauflöslich ineinander verflochten, haben ihre Geschichte, die weit zurückreicht vor die Zeit der eigentlichen Entwicklungspolitik. In der Entwicklungsideologie wurden sie nur neu akzentuiert. Ein klassisches Merkmal im amerikanischen außenpolitischen Verhalten hat noch stets darin bestanden, im Vollgefühl der eigenen Rechtschaffenheit und Redlichkeit, vor allem des eigenen Erfolges, anderen Natio-nen Belehrungen und Zensuren zu erteilen: eine Folge des oftmals beschriebenen geistes-geschichtlichen Erbes, der eigenen Revolution •und der puritanischen Grundlagen der eigenen sozio-ökonomischen Dynamik. Lange vor dem Aufstieg zum Hegemon der westlichen Welt wurde Amerikas . Manifest Destiny'im eigenen Land darin gesehen, der restlichen Menschheit exemplarisch ihre Möglichkeiten vorzuleben und ihr als Hort der Freiheit und Gerechtigkeit zu gelten In dem Maße, wie der Schicksalsauftrag handgreiflicher wurde, konkretisierte sich auch der Anspruch: „Wer die Welt finanziert. . ., ist berufen, sie mit seinem Geist und seiner Gesinnung zu beherrschen", präzisierte Woodrow Wilson im Jahre 1916 Als die USA die „Last der Weltverantwortung" schließlich auch nach außen übernahm, glaubten sie sich angesichts des Zusammenbruchs der alten Mächte und des allgemeinen Chaos moralisch hinreichend legitimiert, ihre Ordnungen für verbindlich zu erklären. Ein übriges tat die kommunistische Herausforderung. Das . Manifest Destiny'wucherte in dem Bewußtsein, das Reich des Lichtes gegen die Mächte der Finsternis zu verteidigen, zu einer Art Kreuzzugsneurose aus, die sich gleichwohl innig verband mit den Vorteilen des neu erworbenen imperialen Status „Der Kommunismus hat wie keine andere Bewegung in unserer Geschichte unseren latenten Puritanismus angefacht, und er läßt uns dort Grundsätze sehen, wo es nur Interessen gibt, und Verschwörungen, wo es Mißerfolg gibt. Sieht man die Dinge aber so, dann werden Konflikte zu Kreuzzügen und die Moralität wird zur Verblendung und Heuchelei", schrieb William Fulbright

Aus der antikommunistischen Statthalterschaft erwuchs ein imperialer Ordnungsanspruch, der für seine Welthälfte quasi-polizeiliche Zwangs-gewalt reklamierte. Das politische Weltgeschehen und gelegentlich auch die innere Entwicklung der der westlichen Hemisphäre zugerechneten Nationen wurden der US-Ober-aufsicht unterworfen, die nach ihren eigenen Kriterien von antikommunistischer Nützlichkeit darüber befand. Der gewaltsame Eingriff in eine unliebsame Entwicklung erschien danach natürlich und legitim. Hinter dem „Wächteramt auf den Wällen der Welt" (Kennedy) wurde in der Etappe rigoros US-Ordnung durchgesetzt. Weltweite , Ruhe und Ordnung'wurden zum Hauptinteresse der US-Außenpolitik wie immer dieser Zustand an Ort und Stelle auch aussehen mochte. Mit Notwendigkeit mußte diese Art von Pax Americana mit den Emanzipationsstrebungen im Prozeß der Dekolonisation hart Zusammenstößen. Unter dem Zwang der antikommunistischen Fixierung gerieten nationale und sozialrevolutionäre Aspirationen unweigerlich zur roten Subversion und damit in die Polizeizuständigkeit der USA. Das Diktum McNamaras, wonach Vietnam beispielsweise nichts anderes als die Statuierung des antirevolutionären Exempels ist, liegt in der Logik der übernommenen Rolle Die US-Auslandshilfe-Ideologien sind tragische Variationen zum Thema. Uber zwei Jahrzehnte hin standen sie — mit einer kurzen erfolglosen Unterbrechung — im Zeichen des antirevolutionären Prinzips. *

Erst nachdem imperiale Mißerfolge und eine weltweite Kritik zur Überprüfung der Grundlagen zwangen, wurde den tatsächlichen Entwicklungsbedürfnissen der Empfänger mehr Beachtung geschenkt. Denn wie gewaltig der materielle Einsatz war und ist, der Entwicklungseffekt scheint fragwürdig und der politische Nutzen für die USA insgesamt eher negativ. So ist die Ernüchterung nach zwei Jahrzehnten Auslandshilfe groß und das im Lande selbst gezogene Fazit deprimierend

Die Einbeziehung der Auslandshilfe in die politisch-ideologische Strategie imperialer Interessen läßt besonders deutlich den Umschlag einer ursprünglich freiheitlich-progressiven Intention in eine reaktiv-repressive Obsession erkennen, wie er für die US-Weltpolitik der zwei Jahrzehnte nach dem Weltkrieg charakteristisch wurde. Der missionarische Optimismus, dem Rest der Welt die Segnungen des amerikanischen Zivilisationsmodells vermitteln zu müssen, entartet unter dem Zwang globaler antikommunistischer Statthalterschaft zur antirevolutionären Status-Quo-Ideologie. Der alte liberale Glaube an die Fortschritts-Allmacht des Free-Enterprise realisierte sich in der Entwicklungspraxis als unbekümmerte Exploitation der wirtschaftlich Schwächeren. Das in den Anfängen noch deutliche antikolo-nialistische und antiimperialistische Motiv verschwand hinter der neo-imperialen Staatsräson. Als Präsident Truman im Januar 1949 sein , Punkt-Vier-Programm'verkündete — es gilt als Geburtsurkunde der Entwicklungshilfe im eigentlichen Sinn — hatte Amerika schon beträchtliche Erfahrungen auf dem Gebiet militärischer und ökonomischer Hilfeleistungen an fremde Staaten gesammelt. Von den , Lendand Lease'-Abkommen des Zweiten Weltkrieges über die Praktizierung der Truman-Doktrin (Militär-und Wirtschaftshilfe in den kritischen Randzonen des Eisernen Vorhanges, vornehmlich in Griechenland und in der Türkei) bis zum European-Recovery-Program (Mar-shall-Plan) hatten die Vereinigten Staaten enorme Mittel für langfristige politische Investitionen freigestellt. Alles in allem mit Erfolg und zu allseitiger Zufriedenheit unter den beteiligten Partnern.

Das Punkt-Vier-Programm war nach Anlage und Absicht eigentlich nichts anderes als die Anwendung des E. R. P. -Erfolgsrezeptes auf ein universales Terrain, das heißt, die Fortsetzung der antikommunistischen Containment-(Eingrenzungs-) Strategie durch die Induktion ökonomischer Prosperität überall dort, wo kommunistische Einbrüche zu befürchten standen. Das Neue der erweiterten Containment-Strategie bestand darin, Weltgegenden, die bis dahin allenfalls als Zonen der Exploitation ökonomisch von Interesse waren, aus übergeordneten politischen Gründen zu wirtschaftlichem Wachstum zu verhelfen. Ausdrücklich verbannt aus diesem Unternehmen sollten alle imperialistischen Hintergedanken sein, die angebotene Entwicklungspartnerschaft sollte auf einer Grundlage des , democratic fair dealing’ stehen

Trumans Initiative war fraglos der erste „kühne Schritt" in einem Unternehmen, das auf die Dauer die Transformation der internationalen Beziehungen, ja der Weltpolitik selbst bewirken sollte. Die Geburtsfehler machten sich freilich von Anbeginn an bemerkbar. Die Förderung der ökonomisch Zurückgebliebenen war primär ja nicht Selbstzweck — trotz des in ihr angelegten humanitären Elementes — Foreign Aid war konzipiert als Mittel zu weltpolitischem Zweck und stand damit von vornherein unter dem entwicklungs-fremden Primat antikommunistischer Strategie. Dies bedeutete einmal, daß Auslandshilfe zur Abwehr unmittelbar — vermeintlicher oder tatsächlicher — kommunistischer Aggressionsgefahren zunehmend in Gestalt von Militärhilfe geleistet wurde, zum anderen, daß sie als Waffe im ideologisch-ökonomischen Kampf der Systeme, also zur Durchsetzung des kapitalistisch-privatwirtschaftlichen Modells eingesetzt wurde. Zwei Fixierungen, die die Effektivität des gewaltigen Einsatzes erheblich relativieren sollten.

Mit dem Ausbruch des Korea-Krieges im Juni 1950 gewann der Militäraspekt der Auslandshilfe absolute Präponderanz. Die subtilere Stra-tegie der Eindämmung durch soziale Immunisierung, wie sie Truman entworfen hatte, schien gänzlich ungeeignet, dem roten Expan-sionismus Grenzen zu setzen. China war gerade verlorengegangen, in Korea mit knapper Not ein Desaster vermieden worden, in den USA selbst nahm die Kommunistenfurcht die panischen Züge der Massenhysterie an („McCarthyism"). Es schien allerhöchste Zeit, der roten Herausforderung mit massiveren Mitteln zu begegnen. Im November 1952 wurde zum ersten Mal nach 20 Jahren ein republikanischer Präsident, General Eisenhower, gewählt, und mit ihm begann die im Wahlkampf versprochene Neuorientierung der US-Außenpolitik, die als , Dulles-Ära'in die Geschichte des Kalten Krieges eingegangen ist. Außenminister Dulles stellte seine Version des antikommunistischen Containment ganz auf eine militärstrategische Basis. Militär-pakte und Beistandsabkommen sollten das sozialistische Lager zernieren und die Ausbreitung des kommunistischen Bazillus mit Waffengewalt verhindern, womöglich befallene Weltgegenden wieder desinfizieren helfen (Roll-Back-Strategie). Auf Trumans Punkt-Vier-Programm folgte die Eisenhower-Doktrin — ein eindeutiger Rückschritt auf die nichts als militärpolitisch intendierte Allianz mit antikommunistischen Machthabern.

In der Containment-Strategie der Ära Dulles bewies sich wieder einmal das konservative Unvermögen, progressistische Strebungen anders zu begreifen denn als tückisch eingefädelte Subversionen von außen. Von daher das fatale Allianzsystem mit vielen, in jeder Beziehung höchst fragwürdigen Regimen, das, je länger desto mehr, den Charakter der Allianz gegen Freiheit und Fortschritt in den Bündnis-ländern selbst annahm. Auslandshilfe verkümmerte in dieser Zeit faktisch zur Militär-hilfe. Eine . Hilfe', die überdies oft genug zu einem ganz anderen als dem beabsichtigten Zweck diente Zwar wiesen die veröffentlichten Zahlen ein Übergewicht an wirtschaftlichen Leistungen aus, doch handelte es sich dabei zumeist um kaüm kaschierte Projekte zu idirektem militärischen Bedarf Wie fragwürdig der politische Sinn der US-Militärhilfe für die Empfängernationen auch immer gewesen sein'mochte und wie katastrophal sie sich auf deren Budgets auswirkte, für die Außenhandelsbilanz der Vereinigten Staaten und die Prosperität ihrer Rüstungsindustrie spielte sie eine wichtige Rolle. Senator Eugene McCarthy, einer der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur für die demokratische Partei im Jahre 1968, schrieb damals: »Die Vereinigten Staaten sind heute der Hauptproduzent für konventionelle Waffen in der ganzen Welt. Die Regierung der USA ... ist der wichtigste Waffenlieferant." Nach seiner Berechnung belief sich der Waffenexport zwischen 1950 und 1966 auf 35 Milliarden US-Dollar, seit 1961 auf ca. 3 Milliarden Dollar jährlich

Henry Kuss, der Leiter des Amtes für den Verkauf von Waffen im Pentagon, erklärte 1966 vor dem Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses: „Unsere Waffenverkäufe sind schwach, verglichen mit unserem jährlichen Rüstungsbudget, von dem sie 4 0/0 ausmachen. Doch die Einnahmen aus den Rüstungsverkäufen machen innerhalb der Zahlungsbilanz ungefähr die Hälfte der Kosten unserer Machtentfaltung in der Welt aus. Die Fähigkeit dieses Landes, eine dynamische Strategie durchzuführen, hängt stark von der mit dieser Strategie verbundenen Devisenausfuhr ab. So sind die Rüstungsverkäufe ans Ausland für unser Land von großer Bedeutung, da sie Maßnahmen für unsere Sicherheit in der Welt ermöglichen." Ein Leiter des Militärhilfeprogramms kennzeichnete die Tätigkeit seiner Dienststelle rund-heraus so: „Es handelt sich in der Tat um eine Absatzförderung." Unverkennbar wirkte sich auf dem Feld der Militärhilfe jene enge Verquickung des . militärisch-industriellen Komplexes'besonders drastisch aus, vor der Präsident Eisenhower in seiner Abschieds-adresse warnte und die Juan Bosch als Kernstück seiner Theorie vom . Pentagonismus'beschrieben hat. Eisenhower bei der Amtsübergabe am 17. 1. 1961: „Diese Verbindung von einem ansehnlichen militärischen Personal und einer bedeutenden Rüstungsindustrie ist für Amerika eine neue . Erfahrungstatsache. Ihr Einfluß — wirtschaftlicher, politischer, ja sogar geistiger Art — wird in allen Städten, in allen Legislativen der Staaten, in allen Ämtern der Bundesregierung spürbar. Wir erkennen die zwingende Notwendigkeit einer derartigen Entwicklung an. Doch dürfen wir nicht ihre schwerwiegenden Folgen übersehen. Sie betreffen unsere Arbeit, unsere Hilfsquellen, unsere Existenz. Dies ist die eigentliche Struktur unserer Gesellschaft ... In den Regierungsorganen müssen wir verhindern, daß dieser militärisch-industrielle Komplex einen falschen Einfluß gewinnt, gleichgültig, ob er nun bewußter oder unbewußter Art sei. Die Möglichkeit besteht und wird bestehenbleiben, daß diese Macht eine nicht zu rechtfertigende Steigerung in entsetzlichen Ausmaßen erfährt ... Wir dürfen diesem militärisch-industriellen Komplex nie gestatten, unsere Freiheit oder unsere demokratischen Prinzipien zu gefährden. Nichts kann man wirklich garantieren. Nur wachsame und gut informierte Bürger können diese regelrechte Verzahnung einer gigantischen industriellen und militärischen Maschinerie der Verteidigung beherrschen und damit friedliche Methoden und Ziele unterstützen, so daß Sicherheit und Freiheit zusammen blühen können."

Juan Bosch, ehemaliger Präsident der Dominikanischen Republik, entwickelte seine Theorie vom . Pentagonismus'als . fortgeschrittener Spielart'des klassischen Imperialismus am Befund des Ineinanderwachsens militärisch-finanziell-industrieller Interessen in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg: „Vom Jahre 1951 an machten die Militärausgaben in jedem Jahr mehr als die Hälfte der Steuereinnahmen aus. In dieser Proportion liegt die Wahrheit des politischen Phänomens, das wir als Verschiebung der realen Macht in den Vereinigten Staaten bezeichnen können von den Händen der Zivilmacht — der Bundesregierung — in die der Militärmacht — des Pentagon.“ Zum Wandel im imperialistischen Interesse heißt es: „Was man sucht, ist nicht ein Gebiet, wo man überschüssiges Kapital vorteilhaft anlegen kann; was man sucht, ist der Zugang zu den zahlreichen wirtschaftlichen Mitteln, die für die industrielle Rüstungsproduktion aufgewendet werden. Man sucht den Profit dort, wo die Waffen produziert, nicht wo sie angewendet werden. Dieser Profit läßt sich in der pentagonistischen Metropole erzielen und nicht in dem angegriffenen Land."

Die Eigendynamik des . militärisch-industriellen Komplexes'scheint längst stark genug, den Reformansätzen der politischen Führung zu widerstehen. Alles, was Präsident Kennedy durchzusetzen vermochte, war die statistische Trennung der Militärhilfeleistungen von der allgemeinen Auslandshilfe. Im Umfang ist die erste weiter gestiegen, während die eigentliche Entwicklungshilfe stagnierte oder rückläufig wurde Militärhilfe hat mit Entwicklungshilfe nichts zu tun. „In keinem dieser Fälle (von Militärhilfe) war die Förderung langfristiger Wirtschaftsentwicklung das primäre Ziel ausländischer Unterstützung", heißt es in dem gewiß nicht US-feindlichen Pearson-Report (S. 23). In einer Vielzahl von Fällen diente sie zur Zementierung entwicklungshemmender sozio-politischer Strukturen, langfristig diente sie nicht einmal den politischen Interessen der Vereinigten Staaten.

Ähnliche Auswirkungen auf die Entwicklungseffizienz amerikanischer Auslandshilfe hatten die politisch-ideologischen Auflagen. Auslandshilfe, so war es bereits in Trumans Punkt-Vier-Programm angelegt, sollte die privatwirtschaftlich-kapitalistische Wirtschafts-und Gesellschaftsorientierung der Empfängerländer fördern und sie damit gegen kommunistische Anfälligkeiten resistenter machen. Das hieß konkret, daß mit US-Hilfe nur zu rechnen haben sollte, wer den westlichen sozio-ökonomischen Entwicklungsgang einzuschlagen bereit war. Planwirtschaftliche, gar sozialistische Neigungen galten als Wegbereiter des Kommunismus. Trumans Außenminister, Dean Acheson, brachte die frühe US-Entwicklungsideologie auf die knappe Formel: „Hilfe bringt nur dann materielle Früchte, wenn die Welt unser System akzeptiert."

Ganz in der Logik dieses . Systems'lag die Konzeption des amerikanischen Entwicklungsbeitrages. Truman hatte vor allem an Privat-investitionen gedacht, und unter vorwiegend privatwirtschaftlichen Maximen wurde der zivile Sektor der US-Entwicklungspolitik im ersten Jahrzehnt auch betrieben. Der Bericht einer Sachverständigenkommission bestätigte dem Präsidenten, daß „Privatinvestitionen die wünschenswerteste Entwicklungsmethode“ seien und daß „der Raum für Privatinvestitionen so groß wie möglich" gehalten werden müsse Es lag wiederum nur in der Logik des . Systems', wenn folglich privatwirtschaftliche Gesichtspunkte den Charakter der US-Auslands-hilfe bestimmten. In der Praxis hieß dies, daß weniger das Entwicklungsinteresse der Empfängerländer über Art und Umfang der . Hilfe entschied als das Gewinninteresse der Investoren respektive der US-Exportindustrie. Offizielle und private Äußerungen zum Thema Entwicklungshilfe konnten in den fünfziger Jahren — sieht man ab vom rituellen Freie-Welt'-Pathos — durchaus den Eindruck erwecken, es handle sich um die heimische Industrie, die entwickelt werden sollte, und nicht um Ökonomien zurückgebliebener Weltgegenden. Präsident Eisenhower versicherte in seinem Bericht zur Lage der Nation 1953, daß es ein vorrangiges Ziel seiner Regierung sei, im Ausland die günstigsten Bedingungen für amerikanische Investitionen auch mit politischen Mitteln durchzusetzen Vertreter der amerikanischen Wirtschaft fanden ihrerseits nichts dabei, von der politischen Führung den Einsatz „totaler Diplomatie" zugunsten privater Auslandsinvestitionen zu fordern In vielen Teilen der Welt wurde danach verfahren, gelegentlich nicht nur mit diplomatischen Mitteln.

Die große Wende sollte die Ära Kennedy bringen, wenigstens der Absicht nach. Die politisch-ideologische Motivation blieb im Grunde freilich dieselbe — Eindämmung des Kommunismus und Demonstration der Überlegenheit des politisch-ökonomischen westlichen Modells — aber die strategische Konzeption wurde radikal geändert. Kennedy brach mit dem Dogma von der Transplantation des amerikanischen Systems und suchte Anschluß an den endogenen Entwicklungsprozeß der zurückgebliebenen Gesellschaften. Im Gegensatz zur imperialen Status-Quo-Politik der fünfziger Jahre sollte mehr auf die sozialen Bewegungselemente in der Dritten Welt gesetzt werden.

Kennedys dramatische Wendung in Sachen Entwicklungspolitik resultierte nicht nur aus der Einsicht in die Vergeblichkeit der antirevolutionären Strategie ä la Dulles, es lag ihr auch eine Entwicklungstheorie eigener Prägung zugrunde. Im Jahre von Kennedys Regierungsantritt erschien das Buch des amerikanischen Wirtschaftshistorikers Walt Rostow „The Stages of Economic Growth", (Stadien wirtschaftlichen Wachstums") mit dem Untertitel „Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie" Anfang 1961 wurde Rostow Sonderberater Kennedys, Ende 1961 Chef des Planungsstabes im US-State-Department. In Rostows Buch findet sich das theoretische Modell für Kennedys spektakuläre Umorientierung. Nach Rostows Stadientheorie (er unterscheidet deren fünf: 1. die traditionelle Gesellschaft, 2. die Gesellschaft im Übergang zum wirtschaftlichen Aufstieg, 3. die Gesellschaft im wirtschaftlichen Aufstieg, 4. das Stadium der Reife, 5. das Stadium des Massenkonsums) rangieren die Gesellschaften der Entwicklungsländer auf Stufe zwei respektive drei, also in den Stadien der Anlaufs-und Aufstiegsperiode. In dieser Übergangsphase spielt, nach Rostow, — vereinfacht und stark verkürzt gesagt — die Anlage von Sozialkapital’ (also der ökonomischen Infraktruktur) die entscheidende Rolle. Dieses Sozialkapital’ werde wegen der nur sehr langfristig sich einstellenden Rendite vom Staat aufgebracht werden müssen (S. 42 und 57). Hier liege die Chance des Kommunismus: „In einer derartigen Lage kann die zentrale Diktatur wesentliche Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Aufstieg und eine stetige Entwicklung zur Reife darstellen, nämlich in Form einer wirksamen Staatsorganisation." (S. 193) Es komme also darauf an, in dieser kritischen Phase die progressiven Kräfte der unterentwickelten Gesellschaften so organisieren zu helfen, daß die kommunistische Alternative vermieden werde. Denn Kommunismus, als „eine Art Krankheit, die eine traditionale Gesellschaft befallen kann", stelle sich immer dort ein, wo die Organisation jener Elemente mißlingt, „die bereit sind, die Aufgabe der Modernisierung durchzuführen" (S. 194). Das heißt, es stellt sich der freien Welt die historische Aufgabe, „mit den nichtkommunistischen Politikern und den Gesellschaften der Länder, die sich in der Anlaufsperiode oder in der ersten Phase des wirtschaftlichen Aufstiegs befinden, eine Partnerschaft zu bilden, die diese Gesellschaften in ein stetiges Wachstum führen wird, auf einer politischen und sozialen Basis, die die Möglichkeiten einer fortschreitenden demokratischen Entwicklung offenläßt" (S. 195). In Kennedys Worten: „Die eigentliche Aufgabe unseres Auslandshilfeprogrammes ... besteht darin, vor der Weltgeschichte den Beweis erbringen zu helfen, daß ... wirtschaftliches Wachstum und politische Demokratie sich Hand in Hand entwik-keln können."

Die neue antikommunistische Entwicklungsstrategie hätte also nicht den innergesellschaftlichen Innovations-und Transformationspotenzen entgegenzuwirken, sondern sich mit ihnen zu verbünden. Das bedeutete nach dem realen Stand der Dinge eine radikale Umkehr amerikanischer Bündnispolitik in der Dritten Welt. Die Partner in der Entwicklungsallianz hätten künftig nicht mehr die demokratisch fragwür-digen und sozial reaktionären Machthaber der Vergangenheit zu sein, die durch nichts als ihren militanten Antikommunismus ausgewiesen waren, sondern die Träger des gesellschaftlichen Wandels. „Der Campesino auf den Feldern, der Obrero in den Städten, der Estu-diante in den Universitäten} bereitet eure Köpfe und Herzen vor auf die Aufgaben, die vor uns liegen."

Die Probe aufs Exempel sollte das große Gemeinschaftswerk mit den Republiken Lateinamerikas sein, die . Allianz für den Fortschritt'. Selbst von Kritikern der USA als „das wohl kühnste und größte außenpolitische Unternehmen in der Geschichte der USA" (Krippendorff) begrüßt, sollte die . Allianz'nicht nur eine neue Ära in den interamerikanischen Beziehungen eröffnen, sondern vor allem eine friedliche Revolution des Kontinents einleiten mit der Bestimmung, „die Grundbedürfnisse aller Amerikaner zu befriedigen: nach Wohnung, Arbeit und Ackerland, nach Gesundheit und nach Schulen — techo, trabajo y tierra, salud y escuela"

Kennedy entwickelte in einem Zehn-Punkte-Programm Planungsperspektiven für ein Entwicklungsdezennium, das mit jährlich einer Milliarde US-Dollar unterstützt werden sollte. Als wesentlichste Voraussetzung für das . historische Jahrzehnt des demokratischen Fortschritts'nannte er die Bereitschaft der Partner, umfassende Reformen in ihrer Sozialstruktur zu realisieren, ja, er erklärte sie zur „Vorbedingung für jede Zuteilung von Mitteln" Neben den Zahlungen wollte der Präsident den US-Beitrag auch auf wirtschaftspolitische Maßnahmen ausdehnen: Teilnahme an einer wirtschaftlichen Gesamtplanung (Punkt 2: ..... das Kernstück der Allianz für den Fortschritt"), Abbau von Handelshemmnissen (Punkt 4), langfristige Stabilisierung der Rohstoffpreise zur Verbesserung der , Terms of Trade'(Punkt 5) Dem Charakter des Gemeinschaftswerkes entsprechend sollte das Prinzip der Multilateralität gelten. Orientierungen also, wie sie im Laufe der sechziger Jahre als unumgänglich für jede Entwicklungspolitik erkannt wurden.

Kennedy gab sich erdenkliche Mühe, vor seinen Landsleuten die nationalen und sozialen Emanzipationsstrebungen zu rehabilitieren und den Sinngehalt des Begriffes Revolution von der traumatischen Verbindung zum Kommunismus zu lösen. Er suchte die eigene revolutionäre und humanitäre Tradition zu diesem Zweck zu reaktivieren Die Reverenz, die er den Revolutionären in der Dritten Welt erwies, ließ nichts zu wünschen übrig

Aber das hochherzige Projekt Kennedys wurde in seiner zentralen Absicht — sozialer und demokratischer Fortschritt in Lateinamerika auf der Basis panamerikanischer Solidarität — nicht erfüllt, konnte vermutlich unter den bestehenden Bedingungen auch nicht erfüllt werden. Kennedys Appell zum maßvollen Progressismus erregte im eigenen Lande und bei den Verbündeten im antikommunistischen Lager Mißtrauen, bestenfalls Skepsis während er auf die Herrschaftsverhältnisse und die Sozialstrukturen der angesprochenen Länder nicht den geringsten Einfluß hatte. Wieder erwiesen sich antikommunistische Verkrampfung und kapitalistische Eigengesetzlichkeit stärker als Einsicht und guter Wille.

Die Erfahrung mit der Etablierung eines kommunistischen Regimes in der eigenen Hemisphäre (Kuba) ließ die guten Vorsätze zur Förderung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit rasch wieder in Vergessenheit geraten. Wie in alten , Roll-Back'-Tagen setzte die US-Politik auf Allianzpartner, die mit Fortschritt nur in negativem Sinn in Zusammenhang zu bringen waren. Gelegentliche halbherzige Maßnahmen, wie die vorübergehende Einstellung der Hilfe nach der Errichtung von Militärdiktaturen, blieben Verlegenheitsgesten ohne grundsätzliche Bedeutung. Im Jahre 1967, also sechs Jahre nach der Inaugurierung der . Allianz', stellte ein Bericht des Senatsausschusses für Außenpolitische Angelegenheiten fest: „Im Laufe der letzten fünf Jahre ist Lateinamerika von einer neuen Welle des Militarismus heimgesucht worden. Zwischen März 1962 und Juni 1966 wurden neun bürgerliche Präsidenten, die verfassungsmäßig gewählt worden waren, durch Militärputsche gestürzt." Der US-Anteil an diesen Vorgängen bestand gewiß nicht nur im mutigen Einsatz für Demokratie und Fortschritt, wie etwa die deprimierende Erfahrung in der dominikanischen Republik 1965 bewies. „Einerseits haben wir uns mit gewissen fortschrittlichen demokratischen Regierungen angefreundet, und wir haben uns mit Lateinamerika in der Allianz für den Fortschritt zu-sammengeschlossen, deren Ziel eine soziale Revolution auf friedlichem Wege ist; andererseits haben wir zugelassen, daß unsere Furcht vor dem Kommunismus uns dazu getrieben hat, eine Anzahl von Regierungen zu unterstützen, deren Politik, um es milde auszudrük-ken, mit den Zielen der Allianz unvereinbar ist; und bei drei Gelegenheiten — in Guatemala 1954, in Kuba 1961 und in der Dominikanischen Republik 1965 — haben wir zur Gewalt gegriffen. Wir haben in allen drei Fällen rechtswidrig und unklug gehandelt, und wir waren auch insofern erfolglos, als jede dieser Interventionen fast mit Gewißheit die Anziehungskraft des Kommunismus für die jüngere Generation der gebildeten Lateinamerikaner verstärkt hat."

Auch das ökonomische Resultat blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Das Durchschnittswachstum des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf der Bevölkerung sank sogar noch unter die zwischen 1950 und 1961 erreichten Raten ab Am Wirtschaftsverhalten des nördlichen Giganten gegenüber den neuen Allianz-Partnern änderte sich wenig. Der Gewinnabzug aus lateinamerikanischen Investitionen überstieg noch immer die offiziellen Kredite um ein Beträchtliches (1963: US-Staatskredite 576 Millionen Dollar und 801 Millionen Privatgewinne; 1965: 632 zu 888 Millionen Dollar) Die Konditionen der Kreditvergabe wurden eher noch schlechter. Gerade das amerikanische Beispiel führt der Pearson-Report wiederholt für die wachsende Härte der Konditionen an. Zur Demonstration sachfremder Auflagen heißt es: „Im Rahmen des amerikanischen Auslandshilfeprogramms zum Beispiel umfaßt die Liste der gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen, die erfüllt werden müssen, bevor ein Kredit gewährt werden kann, bereits 68 verschiedene Punkte und wächst immer noch weiter an. Es werden Bescheinigungen darüber gefordert, daß ein Projekt wirtschaftlich und technisch durchführbar ist, daß das zu unterstützende Land für die , Aufrechterhaltung der Rechtsordnung eintritt', daß es niemals Strafverfügungen gegen amerikanische Fischfangboote erlassen hat und so weiter."

Die von Kennedy beabsichtigte „friedliche Revolution'ist in ziemlich allen Stücken gescheitert. Nach seinem Tode gewann die alte Über-zeugung wieder die Oberhand, daß alles, was für die USA gut ist, auch für die Welt gut ist und daß ohnehin gut für die USA ist, was General Motors nützt. „Es scheint so, daß das westliche Wirtschaftskonzept unbedingt international durchgesetzt werden muß, um die Menschenwürde zu schützen — und als Folge davon auch ein profitables Privatunternehmertum", schrieb 1966 ein Professor der Minnesota-Institute of Technology Schon zwei Jahre zuvor hatte einer der Gewaltigen von General Electrics die Nation wieder einmal auf die Identität von privatem Profit und nationalen Interessen hingewiesen, also auf das klassische Credo des Imperialismus Audi Eugene Black, der frühere Präsident der Weltbank, brachte den Zweck der Auslandshilfe in den Zusammenhang gesunder Relationen: „Unsere Hilfsprogramme im Ausland sind für die amerikanischen Privatunternehmen rentabel. Sie bieten drei hauptsächliche Vorteile: a) die Auslandshilfe schafft einen kräftigen und unmittelbaren Markt für amerikanische Waren und Dienstleistungen; b) die Auslandshilfe regt für die amerikanischen Gesellschaften die Entwicklung von neuen Märkten in Übersee an; c) die Auslandshilfe richtet die Wirtschaft der von ihr profitierenden Länder nach einem System der freien Marktwirtschaft aus, in dem die amerikanischen Firmen gedeihen."

Gleichzeitig aber mehrten sich innen wie außen die Stimmen der Kritik. Das vietnamesische Debakel, die gewaltsamen Interventionen in Lateinamerika, die schweren inneren Konflikte versetzten dem Selbstbewußtsein des liberalen Teils der amerikanischen Bevölkerung schwere Stöße, während für die kritische Intelligenz in den Metropolen und den Ländern der Dritten Welt die USA die monströsen Züge des Feindes der Menschheit annahmen. Die Johnson-Vision einer weltweiten , Great Society'bei gleichzeitiger Kriegs-eskalation in Südostasien erregte nur noch bitteren Hohn. US-Auslandshilfe geriet unter das pauschale Verdikt des Neo-Imperialismus. Am Ende der von Kennedy proklamierten . ersten Entwicklungsdekade'wurde der Nation selbst von gemäßigten Kritikern der sehr zweifelhafte Nutzen ihrer Anstrengungen bestätigt. Am Anfang der . zweiten Entwicklungsdekade'scheint wieder der Wille zu einer Neuorientierung zu stehen. Präsident Nixon hat im September 1970 in einer Sonderbotschaft an den Kongreß die „grundlegende Reform der Auslandshilfe der Vereinigten Staaten" angekündigt, „damit sie einer neuen Außenpolitik entspricht" Neu dabei ist gewiß nicht die Motivation. Nach wie vor soll Entwicklungshilfe in der Rangfolge 1. zur nationalen Sicherheit, 2. als humanitäre Hilfe und 3. schließlich auch zur „Förderung der langfristigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Länder mit geringem Einkommen" geleistet werden (S. 5). Das Entwicklungsmotiv steht also weiterhin unter dem Vorbehalt des nationalen Interessenbezuges. Auch der Missionsgedanke klingt noch an, wenngleich verhaltener und ohne die antikommunistische Militanz von vordem Neues verheißt vielmehr die Orientierung an den entwicklungspolitischen Empfehlungen des Pearson-Berichtes. In einem Sechs-Punkte-Programm verspricht Nixon die Umstrukturierung der US-Auslandshilfe auf eine multilaterale Ebene: „Zur Förderung dieses Zieles sollten die USA so rasch wie möglich einen zunehmenden Anteil ihrer Entwicklungshilfe über die multilateralen Institutionen leiten; sollte unsere verbleibende bilaterale Hilfe weitgehend in einem Rahmen geleistet werden, der durch die internationalen Institutionen festgelegt worden ist“ (S. 2). Im Einvernehmen mit den anderen Geberländer will er die Kreditbedingungen und Lieferbindungen abbauen und schließlich handelspolitische Maßnahmen zugunsten des Imports von Halb-und Fertigfabrikaten aus den Entwicklungsländern ergreifen sowie das Verschul-dungsproblem „wirksam lösen" (S. 17). Insgesamt soll der US-Beitrag zur Entwicklung der Dritten Welt weiter wachsen.

Gemessen an Kennedys . revolutionärem'Entwurf nimmt sich Nixons Programm bescheiden aus. Ob es dafür realistischer ist, wird sich erweisen müssen. Denn der sozio-politische Kontext, in den die US-Auslandshilfe gebettet ist, hat sich in seinen Strukturen nicht geändert.

IV. Cooperation: Die Entwicklungspolitik der V. Republik — Postkolonialer Zivilisationsmissionarismus und , Gaullismus in Sachen Afrika

Trotz schwerer Belastungen aus seiner gerade überwundenen kolonialen Vergangenheit (von Indochina bis Algerien) und trotz des Scheiterns seiner Anstrengungen zur Kanalisierung der Dekolonisation (. Union Fran-

aise‘, . Communaute'Nouvelle Commu-naute'), scheint es Frankreich am ehesten gelungen zu sein, bruchlos vom Kolonialregiment auf die . Cooperation'umzuschalten. Die öffentlichen Aufwendungen für Entwicklungshilfe sind — gemessen am Bruttosozialprodukt — die mit Abstand höchsten, die ein Geberland leistet oder geleistet hat Für die Bevölkerung erscheint die Tatsache, daß ihr eben nicht zu den Reichsten zählender Staat erhebliehe Mittel für nicht unmittelbar einleuchtende Ziele freisetzt, wesentlich unproblematischer als anderswo Ebenfalls unproblematischer scheint die Glaubwürdigkeit der Verbindung von traditioneller . Mission Civilisatrice', solidem Eigeninteresse und dem Bewußtsein, der moralischen Verpflichtung des Reichen gegenüber dem Armen gerecht zu werden. Die koloniale Vergangenheit wirkt insoweit offenbar weniger belastend als zu erwarten gewesen wäre. Ja, die aus ihr in der offiziellen Entwicklungshilfedoktrin gefolgerte Vocation Naturelle' erscheint der französischen Öffentlichkeit gerechtfertigt und plausibel. Wenige Jahre haben genügt, das Schreckens-bild eines mörderischen und neurotischen Kolonialismusverblassen zu lassen, das Jean-Paul Sartre in der Endphase des Algerienkrieges von seinem Land gezeichnet hat Die in allerletzter Minute vollzogene Wendung zur Dekolonisation und eine geschickte Politik haben es vermocht, daß Frankreich, zehn Jahre nach den algerischen Greueln, sich der Dritten Welt besten Gewissens als privilegierter Partner präsentieren kann und als solcher auch akzeptiert wird. Denn die beanspruchte . vocation naturelle'ist keineswegs nur Phrase für einheimischen Prestige-Bedarf oder Verschleierungs-Vokabular für neo-kolonialistische Ausbeutungsabsichten — sie wird von den ehemals Kolonisierten selbst bestätigt. Keiner der Staatsmänner des frankophonen Afrika, die Präsident Pompidou im Februar dieses Jahres besuchte, hat darauf verzichtet, die besonderen Verpflichtungen Frankreichs aus seinen historischen Verbindlichkeiten hervorzuheben, und alle legten Wert auf die Feststellung der positiven Seiten dieser historischen, sprich kolonialen Beziehung Wie schwer die Erinnerungen an Frankreich als Kolonialmacht sein mögen, sein Gewicht als Kulturmacht hat ihm eine Präsenz gesichert, die beständiger wirkt, als der antikolonialistische Affekt. Ironie der Geschichte — der Versuch, die Kolonien durch geistige Assimilation an das Mutterland zu binden, kehrte sich im Prozeß der Dekoloni-

sation gegen die Kolonialmacht; in der Unabhängigkeit erst beginnt sich ihr langfristiger Erfolg zu zeigen.

Die feste Verankerung der französischen Sprache und der französischen Zivilisation in den Führungsschichten der jungen Nationen hat es vermocht, nach allen Krisen die intime Beziehung zur alten Metropole zu erhalten und sogar noch zu vertiefen. Selbst die Enrages des Antikolonialismus bekennen sich als dankbare Zöglinge der Civilisation Franaise. Es ist keineswegs nur eine rhetorische Floskel, wenn ein afrikanischer Staatschef im Jahre 1968 bekennt, daß er sich zwei Vaterländern zugehörig fühle, seinem eigenen und Frankreich Ein knappes Jahrzehnt nach dem Einholen der Trikolore in Afrika registriert Frankreich mit Stolz den , Triumphzug‘ seines Präsidenten Pompidou durch fünf Staaten des ehemaligen Kolonialreiches: „L'Harmonie ... avec la France est totale", notierte der Berichterstatter des Monde bei dieser Gelegenheit

Das mag der psychologische Grund dafür sein, daß die französische Entwicklungspolitik während der sechziger Jahre in Theorie und Praxis besseren Gewissens erklärt nationale Interessen verfolgte, als es anderen Geber-ländern noch für möglich oder opportun erschien. Das Ziel französischer Entwicklungspolitik ist die Konsolidierung und womöglich die Vertiefung der . Presence Franaise'in seinen alten Besitzungen, Präsenz in kultureller, aber auch in ökonomisch-politischer Hinsicht. Was anderswo in dieser Deutlichkeit für offiziellen Gebrauch nur gedämpft zu hören ist, daß Entwicklungspolitik nämlich auch und zuvorderst nationale Interessenpolitik ist, gehört in Frankreich zur offiziellen Entwicklungsdoktrin Zahllose Male wurde der Nation von der Regierung versichert, daß es sich um die Förderung der heimischen Industrie handele, wenn man in Afrika investiere, und selbst oppositionelle Sozialisten verteidigten die . Cooperation'als Garantie für die Erhaltung der alten kolonialen Märkte

Auch die politischen Absichten werden nicht verheimlicht. Französische Entwicklungspolitik war in der Ara de Gaulle integraler Bestandteil der auf vielen Ebenen unternommenen Versuche, Frankreich wieder zur selbständigen Großmachtposition zu verhelfen. Der Vorstellung einer . Dritten Kraft'zwischen den beiden Supermächten lag bekanntlich das Kalkül des Generals zugrunde, Frankreichs politischen Führungsanspruch auf das materielle Fundament des westeuropäischen, besonders des westdeutschen Industriepotentials zu gründen. Als dies am Widerstand der Westeuropäer scheiterte, suchte der General Ersatz für die fehlende Machtbasis in der Dritten Welt Dort war der Boden für Warnungen vor dem westlichen Hegemon Amerika ganz anders bereitet als bei den um ihre Absicherung durch die atlantische Allianz besorgten NATO-Partnern. Was in Westeuropa als gefährlicher Anachronismus eines Exzentrikers erschien, wurde in der Dritten Welt als mutiger Realismus begrüßt. In Asien, in Afrika und selbst in der Arabischen Welt mit ihren frischen Erinnerungen an den französischen Imperialismus, fand de Gaulles Appell zum Widerstand ge gen den allmächtigen Hegemon warmes Interesse. Mit ihrem eigenwilligen Engagement in den kritischen Fragen der Weltpolitik — Vietnam, Naher Osten etc. — empfahl sich die V. Republik für die Rolle des Mandatars derjenigen, die zwischen den Interessen der Supermächte aufgerieben zu werden drohten. Die Kooperation'mit den Staaten des ehemaligen Kolonialreiches fügte sich glänzend in diese Strategie. Französische Präsenz in der Dritten Welt habe, so der General, vor allem den Sinn, die junge Unabhängigkeit vor dem Abgleiten in die Machtbereiche der . beiden Hegemonien 1 zu bewahren °

Was die Erwartungen auf neuen Großmacht-Status via Führungsrolle einer . Dritten Kraft'angeht, so mögen sie unter dem Realisten Pompidou bescheidener geworden sein, der Anspruch auf politische Weltgeltung ist geblieben. Die pathetischen Ausrufungszeichen hinter der Formel von der besonderen französischen Mission sind kleiner geworden, verschwunden sind sie nicht. Die Akzente sind etwas anders gesetzt. Coopration heißt jetzt für den französischen Hausgebrauch Moral und Geschäft anstatt, wie unter dem General, Macht und Geschäft Im Kern ist der „Gaullismus in Sachen Afrika" (Grosser) freilich der gleiche geblieben, wie Alfred Grosser es formulierte, „den Franzosen begreiflich zu machen, daß Domination und Kooperation nur verschiedene Formen der gleichen nationalen Ambition sind"

Die Anlage und die Geschichte französischer Entwicklungspolitik machen dies ohnehin deutlich. Die sektoralen und geographischen Schwerpunkte, der Modus der Kooperation und die Bedingungen, unter denen Entwicklungshilfe geleistet wird, waren und sind unter die Prämisse des nationalen Interessenzusammenhanges gestellt.

Zum überwiegenden Teil fließen die offiziellen französischen Leistungen in den Sektor „Kulturelle und Technische Kooperation" (im Vergleichsjahr 1967 ca. die Hälfte der Gesamtleistungen, nämlich 402, 7 Millionen US-Dollar von 825, 5 Millionen US-Dollar). Den mit Abstand größten Posten in dieser Summe machen die Ausgaben für die Personalkosten der Experten aus (170 Millionen US-Dollar gegen 21 Millionen für Studenten und Praktikanten). Im Vergleichsjahr 1967 weisen die „statistischen Tabellen für den Jahresbericht 1969 über die Entwicklungshilfe der OECD" 46 363 fran-zöische Experten aus, darunter 32 717 Lehrpersonen aller Art (Vergleichszahlen: BRD 5622; USA 29 941). In den offiziellen Verlautbarungen zur französischen Entwicklungspolitik sind die zitierten Zahlen beliebter Nachweis für die besondere Uneigennützigkeit der französischen Entwicklungshilfe. Tatsächlich läßt sich ein unmittelbarer ökonomischer Nutzen für das Geberland aus dem kostspieligen Unterhalt von nahezu 50 000 Experten kaum begründen. Indessen hat die Kalkulation auch eine andere Seite. Die Arbeit französischer Experten wird als langfristige, durchaus profitable Investition für die Interessen der französischen Wirtschaft betrachtet. „Die uneigennützigsten Investitionen sind nicht solche, die nichts einbringen: die Mithilfe Frankreichs zur Heranbildung von Führungskräften in ungenügend entwickelten Ländern zielt auf ein günstiges Klima zur Verbreitung unserer Techniken und folglich unserer Waren ab und dies auf Grund der kulturellen Durchdringung", heißt es in einer ministeriellen Begründung

Mindestens für ebenso profitabel wird die politische Wirkung der . Kulturellen Durchdringung'eingeschätzt. Die Bildung der politischen und intellektuellen Eliten, der technischen Kader und ganz allgemein die breite Vermittlung der französischen Zivilisation soll ein Bewußtsein kultureller Zugehörigkeit und grundsätzlicher Solidarität vermitteln. Der Nutzen liegt auf der Hand. Die Einpflan-zung eines bestimmten ethischen und sozialen , Wertesystems'auf allen Stufen des Erziehungs-und Bildungsprozesses prädisponiert die sozialen und politischen Verhaltensweisen in hohem Maße. Das Denk-und Ausdrucksvermögen, geschult an der Zucht französischer Methodik und Begrifflichkeit, formt einen unverlierbaren intellektuellen Kontext. Daß es eben wesentlich auf das . Wertesystem'und die . intellektuelle Formation'ankommt und nicht nur auf die Vermittlung von technischen Fähigkeiten oder naturwissenschaftlichen Kenntnissen, wird stets betont Der Erfolg ist bemerkenswert. In den intellektuellen Führungsschichten des frankophonen Afrika ist das französische . Systeme des Valeurs'so internalisiert, daß es längst als integraler Bestandteil des eigenen Geisteserbes erfahren wird Von da her ist die ungebrochene Kontinuität französischer Präsenz über alle Schrecken des Kolonialismus hinweg zu begreifen.

Die Transplantation der Werte hat seit der De-kolonisation schon manche politischen Früchte getragen. Die frankophonen Staaten Schwarz-afrikas sind — mit Ausnahme Guineas — alles in allem Musterschüler der alten Metropole. Innen-wie besonders außenpolitisch wird französischen Interessen in weitem Umfang Rechnung getragen. Beispielsweise vor dem wichtigen Forum der Weltpolitik, der UNO-Vollversammlung. Die soeben in die Unabhängigkeit entlassenen frankophonen afrikanischen Staaten • schlossen sich — mit Ausnahme Guineas — zur sogenannten . Brazzaville-Gruppe'zusammen. Sie bildeten im Rahmen der Vereinten Nationen die bedeutendste und in sich geschlossenste Gruppe, sorgsam betreut und beraten von der französischen Delegation

Auch das geographische Auswahlprinzip zeigt den Primat nationalen Interesses. So gut wie die gesamte französische Hilfe geht an die Staaten des ehemaligen Kolonialreiches, dorthin also, wo wirtschaftliche Konnexionen weiterbestehen und/oder wo die . Kulturelle Durchdringung'politischen Nutzen verspricht (zum Vergleichsjahr 1967 weisen die Zahlen der OECD für das ehemalige französische Afrika 445, 05 Millionen US-Dollar aus, für ganz Südamerika hingegen nur 8, 35 Millionen US-Dollar) Formal abgesichert ist der nationale Interessenzusammenhang durch den Modus der Mittelvergabe. Frankreich kooperiert in nennenswertem Umfang nur bilateral. Ganze 4, 5 % seiner Gesamtleistungen ließ Frankreich im Vergleichs) ahr 1967 über multilaterale Verteiler fließen (zum Vergleich: BRD 13, 5 %, Großbritannien 10, 6 °/o); 95, 5% entfielen auf unmittelbare Abmachungen mit den Empfängern. Auch zu dieser Praxis lassen die offiziellen Erläuterungen nichts zu wünschen übrig. Multilateralität, meinte General de Gaulle, könne nicht im französischen Interesse liegen, da sie letztlich auf eine Kapitulation vor den Supermächten und auf die Preisgabe der historischen Berufung Frankreichs hinauslaufe.

Der , Bilateralismus‘ freilich ist der kapitalste Stein des Anstoßes innerfranzösischer Kritik an der Entwicklungspolitik der V. Republik. Schon 1964 nannte Jean Lacouture in der Zeitung Le Monde die Praxis der Zweiseitigkeit „neokolonialistisch" und die Absicht dahinter eine „Politik der Größe und der Klientel" Für die radikalen Kritiker ist der französische Bilateralismus zu einem Hauptbeweisstück gegen den westlichen , Neo-Imperialismus'schlechthin geworden. „Diese Form von Entwicklungshilfe dient der bewußten Verschleierung imperialistischer Ausbeutung und ist zugleich der Preis für deren Konsolidierung ... (Man) kann ... festhalten, daß jede bilaterale staatliche Entwicklungshilfe für das Geberland selbst einen deutlichen Ausdruck von Klassen-ausbeutung darstellt, da sie von den Steuerzahlern aufgebracht werden muß und nur für die Profite der Industriekreise und Monopole des eigenen Landes arbeitet. Im Entwicklungsland dagegen stärkt sie allein die politische und wirtschaftliche Macht der herrschenden Klasse anstatt zur realen Verbesserung der Lebensbedingungen der verelendeten Massen beizutragen." Bezeichnend für die Unbefangenheit, mit der nationales Interesse und Entwicklungshilfe in der französischen Öffentlichkeit miteinander in Verbindung gebracht zu werden pflegen, ist die Argumentation eines bekannten französischen Politologen zugunsten des Bilateralismus: Wie zweifelhaft die Sache auch immer vom Standpunkt der Empfänger sein mag, sicher sei, daß die Masse der Franzosen sich eher vom Sinn der durch Frankreich direkt geleisteten Hilfe überzeugen lasse als vom Nutzen einer Leistung über anonyme Organisationen

Die sichtbarste und massivste Verquickung von Entwicklungshilfe und direktem ökonomischen Interesse stellen die Bindungsklauseln dar. Gewiß sind die mit der Hilfevergabe gekoppelten Bezugsverpflichtungen keine französische Spezialität (vgl. oben S. 9). Frankreich indessen operiert auch hier ziemlich unbefangen. Praktisch 100% der vergebenen Kapitalhilfe fließen als Exporterlöse in die nationale Wirtschaft zurück

V. Entwicklungshilfe in der Bundesrepublik — Theoretische Bestimmungen zwischen , Hallsteindoktrin'und , Weltinnenpolitik

In zweifacher Hinsicht war die Ausgangssituation der Bonner Entwicklungspolitik anders als die der westlichen Großmächte. Weder gab es ein koloniales Erbe wie bei Frankreich, noch ein unmittelbares weltpolitisches Engagement wie bei den USA. Beim prinzipiellen Verzicht auf eine eigenständige Außenpolitik im ersten Jahrzehnt der Bonner Republik konzentrierte sich die Verfolgung nationaler Eigeninteressen via Entwicklungspolitik auf die Präsentation der Deutschlandfrage in der Dritten Welt und die Statuierung der Hallstein-Doktrin. Deutsche Entwicklungspolitik, so hieß es noch im Jahre 1964, habe vor allem der „Verwirklichung einer Reihe von außenpolitischen Zielsetzungen der Bundesrepublik, wie Wiedervereinigung, Nichtanerkennung der Sowjetzone und Nichteinbeziehung der Entwicklungsländer in die östliche Einflußsphäre“ zu dienen Wiederholt wurde deutschland-politisches Wohlverhalten regierungsamtlich zur Bedingung für Entwicklungsleistungen gemacht. So zuletzt noch im der Regierungserklärung vom 11. 11. 1965: „Wir werden auch in Zukunft den Einsatz unserer Entwicklungshilfe danach bemessen ... ob das Hilfe empfangende Land auch für Deutschland die Prinzi-pien der Selbstbestimmung und der nationalen Einheit anerkennt, die es für sich selbst in Anspruch nimmt."

Die Sanktionen blieben im Ernstfall freilich lau. Als die . Aufwertung'der DDR-Präsenz bei verschiedenen Ländern ins Haus stand, in denen man sich besonders engagiert hatte (Tansania, Indien, Ägypten), beließ es die Bonner Regierung mehr oder weniger bei verbalen Protesten In den seltensten Fällen wurden eingegangene Verpflichtungen berührt. Anders stand es um die ideologischen Prämissen. Neben der vergleichsweise bescheidenen nationalen Motivation gediehen offizielle und offiziöse Theorien und Ideologien zur Entwicklungshilfe als Strategie im Kalten Krieg in der Bundesrepublik besonders üppig. Wenigstens bis in die Mitte der sechziger Jahre galt als tieferer weltpolitischer Sinn der Entwicklungshilfe die Verhinderung der kommunistischen Infiltration in die Dritte Welt. Nachdem sich die Unbeweglichkeit der alten Frontlinien des Kalten Krieges erwiesen hatte und weder Neutralitätslockungen noch Roll-Back-Strategien Aussicht auf Erfolg zeigten, wurde die Dritte Welt zum zentralen Schlachtfeld der Ideologien und ökonomischen Systeme erklärt. Sieg oder Niederlage auf diesem Feld entscheide über die welthistorische Konfrontation mit dem Totalitarismus, mithin über den Fortbestand der . Freien Welt Wo es um Einsätze von solchen Dimensionen ging, gerieten die Bedürfnisse der eigentlichen Adressaten erklärlicherweise in den Hintergrund. Das Entwicklungsinteresse wurde bestimmt vom antikommunistischen Zweck; stand dieser in Frage, so hatte die Hilfsbereitschaft ein Ende

Die Erfolgschancen wurden durchaus günstig beurteilt. Man glaubte, mittels eines Super-Marshallplanes den antikommunistischen Im munisierungserfolg der ersten Nachkriegsjahre im Weltmaßstab wiederholen und einmal mehr die glänzende Überlegenheit des westlichen Wirtschaftssystems demonstrieren zu können. Die besondere bundesrepublikanische Verpflichtung, so wurde häufig hervorgehoben, ergebe sich moralisch aus der Hilfe, die man selbst in den kritischen Jahren erhalten habe, politisch aus der hier zu beweisenden Solidarität mit dem Westen im gemeinsamen antikommunistischen Kampf. Letzteres Motiv— die antikommunistische Solidarität-genoß besonderen Rang, ohne allerdings von den Bundesgenossen immer recht gewürdigt zu werden. Mehr als einmal wurde die Bonner Regierung ermahnt, ihren antikommunistischen Bekenntnissen bedeutendere Taten in klingender Münze folgen zu lassen

Die Konzeption von der Entwicklungshilfe als zeitgemäßer Weltstrategie gegen kommunistische Subversion gründete auf der Überzeugung von der universalen Wiederholbarkeit des westlichen sozio-ökonomischen Entwick-lungsganges, die zum festen Bestandteil der , Freien-Welt'-Ideologie wurde. Der Marshallplan-Erfolg schien den Nachweis erbracht za haben, daß desolate ökonomische Verhältnisse durch Kapitaleinsatz und Stimulierung unternehmerischer Initiative zu beheben und gleichzeitig kollektivistisch-totalitäre Neigungen zu verhindern seien. In angemessener Abwandlung müßte sich diese Rezeptur auch in der Dritten Welt bewähren. Die Reproduktion des privatwirtschaftlichen Modells würde ipso facto gesellschaftliche und politische Verhältnisse hervorbringen, wie sie im Westen gediehen. Den Kern der strategischen Absicht umriß Hans Otto Wesemann im Jahre 1960 folgendermaßen: „Hinter allen Bemühungen, den unterentwickelten Ländern zu helfen, steht selbstverständlich die Überlegung, nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen zu verbessern, sondern die betreffenden Länder aufnahmebereit und aufnahmefähig für westliche Lebensformen zu machen." Als spezifische deutsche Zutat fand hier und da auch das faustische Streben des abendländischen Menschen noch Verwendung in der Entwicklungshilfe-Ideologie der Anfangszeit. Bundestagspräsident Gerstenmaier rief 1960 zur Fortsetzung „der großen kolonisatorischen und das heißt der kulturellen Leistung" auf, denn „es ist doch gar nicht denkbar, daß dieses Ethos der Kultivierung mit seinem Drang zur zivilisatorischen Leistung an den Unabhängigkeitserklärungen der neuen afrikanischen Staaten gestorben ist. Die Entwicklungshilfe der freien Welt sollte begriffen werden als eine neue Bewährung der Kulturkraft der freien Welt."

Der harte Kern im ideologischen Schema hieß indessen . Freie Marktwirtschaft'. Das langfristige politische Orientierungsziel bundesrepublikanischer Entwicklungshilfe habe die Durchsetzung, zumindest die Förderung liberaler Wirtschaftsformen in der Dritten Welt zu sein Wären diese Grundlagen einmal gelegt, so müßten, analog dem westlichen Entwicklungsgang, gesellschaftlicher Pluralismus mit seinen freiheitlichen, demokratischen Superstrukturen die Folge sein. Planwirtschaft dagegen, überhaupt alle dirigistischen Interventionen in das freie Spiel der Kräfte, müßten mit innerer Notwendigkeit dem Totalitarismus den Weg bereiten. Selbst Mischformen standen im Verdacht roter Subversion

Die These von der demokratischen Schöpferkraft der Freien Marktwirtschaft fand ihren Niederschlag in Regierungserklärungen, Parteiprogrammen und in einer umfangreichen wissenschaftlichen Literatur Eine interessierte Lobby sorgte für die publizistische Verbreitung; „entgegengesetzte Auffassungen konnten sich bis heute in der Bundesrepublik nicht durchsetzen", glaubte ein Promovent noch im Jahre 1968 feststellen zu können 1. Als Grundlage der Theorie von der sozio-politischen Automatik der freien Marktwirtschaft dienten alte Ansätze der klassischen deutschen Kultursoziologie (vor allem Max Webers „Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" und Werner Sombarts „Der Moderne Kapitalismus"), ihr aktuell politisches Programm lieferte die neo-liberale Schule.

Die Argumentation lief folgendermaßen: Die Trägergruppe des sozio-ökonomischen und politischen Fortschritts in Europa war die unternehmerische Bourgeoisie gewesen. Ihre historischen Errungenschaften — Kapitalakkumulation und bürgerliche Freiheiten — hatte sie im Kampf gegen den Staatsabsolutismus durchgesetzt. Wo sie nicht als sprengendes Element auftrat, gab es keine Überwindung der autokratischen oder etatistischen Fesselung der gesellschaftlichen Potenzen. Folgerung: Sollen in der Dritten Welt ökonomischer und politi-scher Fortschritt gedeihen, so gilt es einen analogen Prozeß zu stimulieren. Das heißt, eine Entwicklungspolitik, die sich den Orientierungsmarken des optimalen wirtschaftlichen und freiheitlich-politischen Wachstums verpflichtet weiß, muß Sorge tragen, daß sie durch ihre Leistungen die potentielle Trägergruppe des Fortschritts nicht hemmt sondern fördert. Konkret: Nicht die Staatsapparaturen der jungen Nationen sind zu fördern, sondern es ist darauf hinzuwirken, daß „jene Gattung von Menschen herangebildet wird, die späterhin imstande wäre, die wichtige Funktion des Unternehmers — wenn auch anfangs in bescheidenstem Stil — zu übernehmen. Nur so läßt sich der staatsfreie Bereich der Gesellschaft zu einem Gewicht entwickeln, das den ohnehin schnell wachsenden Einfluß des Staates auf ökonomischem und sozialem Gebiet ausgleicht und eine Balance zwischen Staat und Gesellschaft herbeiführt, wie sie zur Schaffung und Bewahrung demokratischer Lebensformen unentbehrlich ist.“

Diese Einübung des Kapitalismus sei durch eine Entwicklungspolitik, die sich primär der öffentlichen Hilfe bedient, nicht zu leisten. Nur im unternehmerischen Partnerschaftsverhältnis könnten sich ökonomische Verhaltensweisen entwickeln, die zum Demiurgen von Fortschritt und Freiheit prädisponiert sind. Kurz: Westdeutschlands Entwicklungspolitik hat die Aufgabe, der freien unternehmerischen Initiative die Wege zu ebnen *

Bis etwa 1961 war dies der unbezweifelte Inhalt der offiziellen Entwicklungshilfedoktrin. Kräftig unterstützt wurde das Regierungskonzept von der Wirtschaft, die soeben die Dritte Welt als interessantes Feld ökonomischer Durchdringung zu entdecken begann. Die Vertreter ihrer Spitzenverbände forderten mit politisch-ideologischer Begründung eine Entwick. lungspolitik, die das Interesse der Privatwirtschaft in den Mittelpunkt stelle Forderungen nach massiver Honorierung unternehmirischer Missionstätigkeit für die freie Welt ließen nicht auf sich warten Antikommunistische Weltstrategie, Sorge um den freiheitlich-demokratischen Progreß der Dritten Welt im Einvernehmen mit den Interessen der Wirtschaft fügten sich in das ideologische Gesamtbild der Zeit des Kalten Krieges, wie es gleichzeitig auch in den USA gepflegt wurde.

Eine erste Bresche in das liberalistisch-missio-narische Weltbild bundesrepublikanischer Entwicklungspolitik wurde von unvermuteter Seite geschlagen. Die westlichen Alliierten forderten etwa seit 1960 fast ultimativ ein drastisch erhöhtes Engagement der Bundesrepublik in der Dritten Welt Besonders als sich unter der Kennedy-Administration radikal andere Vorstellungen vom Wert des geplanten Fortschritts durchzusetzen begannen, sah man sich genötigt, von der neo-liberalistischen Ent-Wicklungsdoktrin Abschied zu nehmen. Offiziell beugte man sich der politischen Pression, die offiziösen Ideologen der Marktwirtschaft ergingen sich indessen in düsteren Vermutungen. Fortan galt ihnen die Entwicklungspolitik des Westens als Einladung zur kommunistischen Revolution

Nach den Bundestagswahlen vom September 1961 wurde ein eigenes Ressort geschaffen, das sich vornehmlich mit Fragen der Entwicklungshilfe zu befassen hatte, das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Ins Leben gerufen wurde dieses Ministerium teils aus der Notwendigkeit, den Wirrwarr der Kompetenzen und die Vielfalt der Institutionen und Initiativen auf dem Felde der Entwicklungshilfe zu ordnen, teils aus koalitionsarithmetischen Gründen. An seine Spitze trat der FDP-Politiker Walter Scheel. Unter seiner Ägide erhielt die offizielle Entwicklungsdoktrin einen deutlichen ambivalenten Charakter. Einerseits suchte Scheel seinem politischen Herkommen treu zu bleiben, indem er fortfuhr, Planismus, Zentralismus und Dirigismus in die fatale Beziehung zum Totalitarismus zu setzen andererseits war er der erste verantwortliche Politiker in der Bundesrepublik, der vorsichtig der Einsicht Raum gab, es könne sich beim Geschäft der Entwicklungshilfe vielleicht nur darum handeln, die Entwicklungsländer bei der Suche nach den „ihnen gemäßen Formen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ordnungen" zu unterstützen

Während der Dauer seiner Geschäftsführung (1961— 1966) nahm der Umfang der von der Bundesrepublik geleisteten Hilfe erheblich zu und der Anteil privater Leistungen daran erheblich ab Auch in der außenpolitischen Zielsetzung bahnten sich Akzentverschiebungen an. Die Verbindung von Hallstein-Doktrin und Entspannungspolitik hatte sich bereits als nicht praktikabel erwiesen, und je länger desto mehr suchte man im BMZ, sich außen-politischer Hypotheken zu entledigen. Dies alles blieb freilich in Ansätzen stecken und signalisierte eher eine atmosphärische Veränderung, als daß es sich in sichtbaren Resultaten niedergeschlagen hätte. Dazu bedurfte es des Wandels in der politischen Landschaft der Bundesrepublik. Erst das Einrücken der linken Opposition in die Regierungsverantwortlichkeit brachte die Wendung. Im Kabinett der Großen Koalition besetzte die SPD den Sessel des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit. An die Stelle Scheels trat Wischnewski. Mit ihm an der Spitze steuerte die bundesrepublikanische Entwicklungspolitik maßvoll neuen Kurs. Der Minister stellte nüchtern fest, daß der Versuch, Deutschlandpolitik über die Entwicklungsländer zu betreiben sich als fruchtlos erwiesen habe daß Entwicklungspolitik als antikommunistische Strategie ein Irrtum gewesen sei und daß überhaupt der Komplex Entwicklungshilfe von Seiten der Geberländer fürderhin nicht mehr mit politischen oder ideologischen Hypotheken belastet werden dürfe Wischnewski empfahl eine Umorientierung auf aktuellere und realistischere Zielsetzungen. An die Stelle der antirevolutionären Globalstrategie sollte als politisches Hauptmotiv der Entwicklungshilfe die Erhaltung und Sicherung des Weltfriedens treten. Im Gesamtrahmen aktiver Entspannungspolitik könne der Entwicklung der Dritten Welt sogar eine ganz neue Funktion dergestalt zufallen, daß sie nicht mehr begriffen würde als Konkurrenzkampf feindlicher Systeme, sondern als Domäne west-östlicher Kooperation in gemeinschaftlichem Friedensinteresse. Denn längst zeichne sich die Umpolung des politischen und sozio-ökonomischen Hauptwiderspruchs in der Welt vom Ost-West auf den Nord-Süd-Konflikt ab 2. Die Polemik wider die Perfidie östlicher Entwicklungshilfe (Erhard 1960: „moskowitischer und chinesischer Imperialismus") wich demonstrativer Kooperationsbereitschaft, die sogar in einer Regierungserklärung ihren Niederschlag fand überhaupt übte das Ministerium Wischnewski harte Kritik an der bis dahin in Ost und West betriebenen Entwicklungspolitik und verlangte energisch, daß angesichts der den Weltfrieden bedrohenden Problematik „politisch-ideologischer Eigennutz keine Rolle mehr spielen darf" Die programmatisch verkündete Entlastung bundesrepublikanischer Entwicklungspolitik von nationalen Interessen und ideologischem Missionarismus stieß auf erheblichen Widerspruch. Hohe Beamte des Auswärtigen Amtes, wiewohl jetzt unter einem sozialdemokratischen Hausherrn, mochten die Entwicklungspolitik als Pressionsmittel im außenpolitischen Instrumentarium nicht missen und trugen ihr Unbehagen über den neuen Kurs an die Öffentlichkeit

Wischnewski kompensierte seinen politischen . Radikalismus'mit tröstlicher Versicherung auf ‘anderem Felde. Die Absage an den „politisch-

ideologischen Eigennutz" sollte dem ökonomischen Eigennutz durchaus nicht im Wege stehen. Im Gegenteil: Die Geschäftsperspektive habe im entwicklungspolitischen Zusammenhang ihren wichtigen und legitimen Platz, erklärte der Minister. Mit dem Zusatz allerdings, man möge das Geschäft ehrlicherweise als solches bezeichnen und es nicht in den Rang humanitärer Großtaten hochstilisieren.

So geschah es, daß unter einem sozialdemokratischen Minister der Geschäftsgesichtspunkt der , Hilfe'erklärtermaßen zu einer der „drei Säulen" bundesrepublikanischer Entwicklungspolitik erhoben wurde Ein Fortschritt wenigstens insoweit, als damit das in der Öffentlichkeit zäh haftende Vorstellungsbild vom Wohltätigkeitscharakter der Entwicklungshilfe offiziell korrigiert wurde. Die Ehrlichkeit des Ministers fand freilich ein unerwartetes Echo: er wurde zum Kronzeugen der linken Kritik für die neo-imperialistischen Absichten bundesrepublikanischer Entwicklungspolitik

Wischnewskis öffentliche Stellungnahmen eigneten sich in der Tat als Belegzitate für das, was zur gleichen Zeit (1967— 1969) gegen die westliche Entwicklungshilfe von links vorgebracht wurde. Deutsche Entwicklungshilfe, so der Minister, habe die Aufgabe, der „. . . einheimischen Industrie Partner zu schaffen und Märkte zu öffnen" sie habe sich bereits für die deutsche Wirtschaft „als Wegbereiter erwiesen" sie sei kaum zu überschätzen „als stabilisierender Faktor in Zeiten rückläufiger Tendenz" Aus der Praxis erläuterte Wischnewski den weit überwiegenden reinen Geschäftscharakter der Entwicklungsbeziehungen und bestätigte offen, was die Theoretiker des Neo-Imperialismus schon immer behauptet hatten: „Für manche deutsche Unternehmen bedeutet Entwicklungshilfe: Staatsaufträge von der deutschen Regierung auf dem Umweg über dritte Länder."

Trotz der Erklärungen zur politisch-ideologischen Abstinenz waren die alten Lieblings-vorstellungen von der Transplantation des westlichen Modells auch im Entwicklungskon-zept der Großen Koalition nicht gänzlich geschwunden. . Freies Unternehmertum', , Private Initiative', der . Mensch in der Mitte usw. wurden den Entwicklungsländern weiterhin angedient — wenn auch erheblich gedämpfter und nur als wohlmeinende Empfehlung

In der öffentlichen Diskussion der Bundesrepublik war unter dem Eindruck weltweit bekanntgewordener wissenschaftlicher Analysen (Myrdal, Rostow) mittlerweile die Einsicht so weit gediehen, daß Planwirtschaft und Staatssozialismus in der Dritten Welt nicht unbedingt als „Triumphe des Weltbolschewismus" (Röpke) zu gelten hätten. Es begann die Erkenntnis zu dämmern, daß die entwicklungshemmenden Strukturen des gesamtgesellschaftlichen Rahmens unterentwickelter Länder möglicherweise evolutionär nicht zu verändern sind, daß vielleicht die praktizierte Entwicklungshilfe eher zu einer Zementierung der Unterentwicklung dienlich sei. Die alten Vorstellungen vom Nachvollzug des westlichen Entwicklungsganges gerieten in ihren wissenschaftlichen Prämissen ins Wanken und wurden in ihrem ideologischen Zusammenhang erkannt. Richard Behrendt, dessen „Soziale Strategie für Entwicklungsländer" in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre großen Einfluß auf die Entwicklungsdiskussion in der Bundesrepublik hatte und den Minister Wischnewski gern als Referenz zitierte, hatte schon 1965 die alte liberalistische Transplantationstheorie in Frage gestellt und vorsichtig die Vermutung formuliert: „Der sozio-ökonomische Ordnungsrahmen, gewöhnlich Kapitalismus genannt, in dem die dynamische Wirtschaft und Gesellschaft zum ersten Mal in Europa und Anglo-Amerika zum Durchbruch kam, braucht nicht notwendigerweise auch derjenige zu sein, in dem die sozio-ökonomische Dynamik in den bisherigen dynamischen Randländern verwirklicht wird. Wahrscheinlich wird er es nicht sein können.“ Allerdings mit dem Hinweis: „Andererseits wird jedoch die Erhaltung bzw. Übernahme bestimmter, ursprünglich spezifisch , westlicher'Orientierungen und Verhaltensweisen notwendig sein, die sich als unentbehrliche essentielle und damit als (relativ) konstante Elemente der sozio-ökonomischen Dynamik erwiesen haben."

Freilich, den revolutionären Weg der Total-transformation wollte Behrendt vermieden wissen, da er nur die Alternative zwischen »Chaos oder Diktatur" eröffnen könne. Deshalb liege es weiter im Interesse des Westens, ,... nach Kräften an der Konzeption und Erprobung einer Entwicklungsstrategie mitzuwirken, die eine Chance für entschiedenen Strukturwandel in Gesellschaft wie im Technischen und Wirtschaftlichen ohne soziale Revolution bietet, und die Überlegenheit nicht-

kommunistischer Methoden überall dort zu erweisen, wo nicht gewaltsame Revisionen der traditionellen Gesellschaftsordnung möglich sind.“ Auf dieser Linie suchte die Entwick-

lungspolitik der Großen Koalition dem Dilemma . Revolution'zu begegnen. Eine Förderung der Revolution via bundesrepublikanischer Entwicklungspolitik könne schon deshalb nicht in Frage kommen, weil „selbst wenn man eindeutig wüßte, daß diese Revolu-I tionierung zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und zu größerer sozialer Gerechtigkeit führte, ... die Verantwortung für die Opfer, die die Revolution fordern würde, nicht zu tragen (ist)“ Andererseits: „Wir sind auch nicht in der Lage die Trägerschich-ten einer Revolution heranzubilden. Aber wir werden kaum vermeiden können, ihrer Heranbildung eine Chance zu bieten, weil wir durch Entwicklungshilfe — insbesondere durch Ausbildungs-und Bildungshilfe — auf die Dauer dazu beitragen, daß die Bevölkerung mobiler und aufgeschlossener wird." Dies war offensichtlich das Äußerste, was koalitionsintern zu verantworten und beim Wähler-volk nicht gleich schlimme Assoziationen hervorzurufen geeignet war.

In der dritten, der gegenwärtigen Phase deutscher Entwicklungspolitik sollte dieser Punkt jedoch zum Anlaß heftiger öffentlicher Kontroversen werden. Denn mit der sozial-liberalen Koalition erfuhren die Prinzipien deutscher Entwicklungspolitik erneut einen Wandel. Die erklärten politischen Grundmotive blieben zwar dieselben (der neue Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Eppler: „Entwicklungspolitik ist Ansatz zu einer Weltinnenpolitik ... Entwicklungspolitik zielt auf Frieden ..."), aber die entwicklungspolitische Gesamtproblematik wurde in einem weit umfassenderen sozio-politischen Kontext reflektiert, als dies bis dahin geschehen war. In Epplers Konzept erscheint die Geberseite nicht nur mit den klassischen Interessen politischer, wirtschaftlicher und vielleicht humanitärer Art am Entwicklungsgeschehen engagiert — nicht nur als aktives Subjekt in einem fremden Akkulturationsvorgang —, sondern sie wird selbst begriffen als Objekt im Entwicklungsprozeß. Das eigene sozio-politische System einschließlich seiner ökonomischen Grundlagen und seines Überbaues von ethischen Werten soll mit einbezogen sein in den dialektischen Transformationsablauf einer wechselseitigen Entwicklungshilfe, die Eppler als „Integrationsprozeß" zur „einen Welt" verstanden wissen will 1. Die fatale Einseitigkeit des Geber-Empfänger-Verhältnisses wäre mit dieser Einsicht zu überwinden, ihre psychologische Verkrampfung zu lösen Die neue Entwicklungsdoktrin — ein ängstlicher Kritiker vermutete in ihr eine „koperni-kanische Wendung in der Entwicklungspolitik" — kommt nicht von ungefähr. Die grundsätzlich größere Bereitschaft zum gesellschaftlichen Wandel ist natürlich sozialdemokratische Mitgift. Eine wichtige Rolle spielt die veränderte Einstellung zur Entwicklungspolitik auf internationaler Ebene, wie sie etwa im Pearson-Bericht zum Ausdruck kommt. Es flossen aber auch mit ein wesentliche Elemente der linken Radikalkritik am Verhältnis der Ersten zur Dritten Welt im allgemeinen, und an der Entwicklungshilfe des Westens und der Bundesrepublik im besonderen.

Für Eppler sind Kommunismus-Trauma und Transplantationshoffnungen ausgestanden. Ebenso die nationale Interessenmotivation. („Hallstein-Doktrin .. . [ist] ... so sehr eine Angelegenheit der Geschichte wie die Hallstein-Zeit.“) Den missionarischen Wirtschaftsliberalismus Erhardscher Prägung hatte er schon vor seiner Amtszeit verworfen und sich für die geplante Entwicklung erklärt 4. Sozialistische Versuche sind ihm der Förderung wenigstens ebenso wert wie andere; er will auch mit „revolutionären Elementen im Gespräch bleiben“ Auch der geschäftliche Aspekt erhält eine andere Motivation. Hatte es bei Wischnewski zuweilen den Anschein, er wolle die Entwicklungshilfe in der deutschen Öffentlichkeit als profitables Geschäft verkaufen, so kehrte Eppler die Argumentation um: nicht das Geschäft motiviert die Hilfe, sondern Hilfe kann Geschäft motivieren überhaupt sollte nach seiner Meinung das Rentabilitätsprinzip nicht im Vordergrund stehen.

Als der Minister schließlich gar forschen Revo. lutionsjargon zur Beschreibung seiner Entwicklungsstrategie benutzte („Der Grundsatz der Partisanenstrategie. wonach der Guerilla wenigstens von einem Teil der Bevölkerung unterstützt oder zumindest toleriert werden muß, um in der Gesellschaft wie ein Fisch im Ozean zu schwimmen, gilt auch für die Pro-motoren der Entwicklungshilfe"), schien das Maß voll. Eppler wurde verdächtigt, Entwick. lungspolitik unter dem „Druck innenpolitischer Pressure-Groups der radikalen Linken zu betreiben, "die Entwicklungspolitik in ihrem neo-marxistisches Schema einpasssen, um Hebel einer weltweiten Revolution machen 'möchte" (Christ und Welt vom 20. 11. 70). Die FAZ argwöhnte, daß „anscheinend mit bundesdeutscher Hilfe revolutionäres Gedankengut exportiert werden" soll und knüpfte daran Mutmaßungen über einen linksradikalen bundesrepublikanischen Messianismus („Am deutschen Wesen soll, so scheint es, wieder einmal die Welt genesen, dieses Mal die soge-nannte Dritte Welt"), der als „Machtpolitik’ verstanden werden könne (FAZ v. 24. 12. 1970). In die gleiche Richtung, nur noch um einiges massiver, argumentierte ein deutscher Ethnologe mit diskretem Hinweis auf gleichlaufende AA-Besorgnisse: Der Epplersche Progressismus könne als Fortsetzung der Hitler sehen Weltstrategie gegen die , Plutokratien aufgefaßt werden. Dies müßte das „Mißtrauen gegen die Deutschen ins Ungemessene vergrößern . . . Sollte sich nun die Bundesrepublik im Rahmen ihrer Entwicklungspolitik bewußt und offen für die Unterstützung solcher Versuche entscheiden . . . dann würde dies zweifellos von den machtpolitisch orientierten Großmächten als Anzeichen angesehen, daß sie bestrebt sei, die von Hitler versäumte Chance wahrzunehmen."

Wie sich versteht, kommen diese krausen Verdächtigungen nicht nur von . rechts. Die Orientierung bundesrepublikanischer Entwic lungspolitik auf realistischere und gleichzeitig umfassenderere Zielsetzungen können der linken Radikalkritik nur als besonders übler Trick des westdeutschen Spätkapitalismus erscheinen. Epplers Sympathie für die Planifikation in der Dritten Welt beispielsweise ist danach alles andere als Ausweis progressistischer Gesinnung, sondern wohlkalkulierte Strategie im Interesse des westdeutschen Monopolkapitals: „Die Absage an die . Ideologie Ludwig Erhards'im Zusammenhang der Diskussion um Entwicklung in Ländern der Dritten Welt und die Forderung nach . Planung und Koordination'besagen vor allem, daß das Interesse des westdeutschen Kapitals in der Entwicklungspolitik nur dann ausreichend berücksichtigt werden kann, wenn bei , libera-

listischer’ Politik in den Metropolen (Privat-verfügung über die Produktionsmittel und den Verteilungsapparat) in den Entwicklungsländern die für eine profitable Kapitalverwertung notwendigen Voraussetzungen bestehen oder geschaffen werden. Anders als das US-Kapital oder englisches und französisches Kapital in den ehemaligen Kolonien, ist das westdeutsche auf staatliche Förderung angewiesen, die auf die Bedingungen in den Entwicklungsländern einwirkt, ohne durch Sanktionen oder militärische Aktionen die dortigen herrschenden Gruppen unter Druck setzen zu können." Wie auch anderswo diene das schein-linke’ Etikett der Sozialdemokratie als Alibi für die Effektivierung des Neo-Imperia-lismus

Der theoretische Motivationswandel hat seine Entsprechung in den anvisierten Perspektiven praktischer Politik. Entwicklungspolitik als Integrationsmittel im dialektischen Bezugsrahmen . Erste und Dritte Weit'soll nicht Verbalprogressismus bleiben, sondern sich in konkreten Maßnahmen realisieren. Die vielbe-redeten . Strukturanpassungen'in den Metropolen zur Förderung der Marktposition der Unterentwickelten haben im Perspektivplan der Bundesregierung wenigstens umrißhaft Gestalt gewonnen. Uber die Verpflichtung zum Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handels-hemmnisse (Zölle, Kontingentierungen, Subventionen etc.) hinaus will die Bundesregierung auch „langfristige Raumordnungs-und Strukturmaßnahmen" im eigenen Land in ihre Entwicklungspolitik miteinbeziehen (so in der vom Kabinett verabschiedeten Konzeption der Bundesregierung vom 11. 2. 1971). Da es sich hier um innenpolitisch überaus heikle Fragen handelt, bleiben die Formulierungen einigermaßen allgemein. Die Richtung ist indessen schon angedeutet, wenn es weiter heißt: „Strukturveränderungen, die durch die verstärkte Integration der Entwicklungsländer in die internationale Arbeitsteilung ausgelöst werden, dürfen nicht aufgehalten werden; sie müssen, wenn erforderlich, durch angemessene strukturpolitische Maßnahmen unterstützt werden. Insbesondere darf die Abwanderung von Arbeitskräften und Kapital aus Wirtschaftszweigen, bei denen Anpassungen an die geänderten Marktverhältnisse notwendig sind, nicht durch Erhaltungssubventionen verhindert werden."

Endgültig ausgeräumt wurde die alte These von der Entwicklungspolitik als Mittel zu außenpolitischem Zweck („Sie taugt nicht als Instrument kurzfristiger außenpolitischer Erwägungen" Die bundesrepublikanische Entwicklungspolitik des Jahres 1971 scheint sich von den politisch-ideologischen Prämissen, unter denen sie einstmals angetreten war, befreit zu haben. Die Umorientierung vom Primat des politisch-ökonomischen Eigennutzes auf die Interessen der Empfänger scheint sich wenigstens tendenziell durchgesetzt zu haben. Vielleicht ist sogar in der Öffentlichkeit der Lernprozeß in Sachen Entwicklungshilfe so weit fortgeschritten, daß die düstere Vermutung eines Experten, es bedürfe »nur einer mittleren Wirtschaftskrise, ein paar demagogischer Politiker dazu, um national-egoistische Gefühle bereits so anzu heizen, daß nicht nur die Existenz des zuständigen Ministeriums, sondern auch die deutsche Entwicklungspolitik als solche in Frage gestellt würde", nicht mehr zutrifft

Reinhard Kapferer wird den vorliegenden Beitrag durch einen zweiten ergänzen, in dem er die Problematik der Entwicklungshilfe aus der Sicht ihrer Empfänger beschreibt. Diese Untersuchung, für die der Arbeitstitel „Sozialismusmodelle in Afrika — Ägypten, Tansania, Guinea" gewählt wurde, erscheint hier voraussichtlich im August dieses Jahres.

Fussnoten

Fußnoten

  1. So hat es der Pearson-Bericht illusionsfrei formuliert: „Obgleich die moralische Motivierung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Entwicklungshilfe an sich gültig und zwingend ist und niemals unterschätzt werden sollte, stellt sie keineswegs das einzige Argument zugunsten internationaler Unterstützung für die ärmeren Staaten dar; sie ist nicht einmal die Basis, auf der die Unterstützung der internationalen Wirtschaftsentwicklung hauptsächlich beruht. Dazu kommt noch als Beweggrund das wohlverstandene und konstruktive Eigeninteresse." Der Pearson-Bericht, Bericht der Kommission für Internationale Entwicklung, Wien — München — Zürich 1969,

  2. Erhard Eppler, in: Die Zeit v. 4. 4. 1969.

  3. Lee Kuan Yew, Ministerpräsident von Singapur, vor der Konferenz blockfreier Länder in Lusaka im September 1970, zitiert nach FAZ v. 11. 9. 1970.

  4. Pearson-Bericht, a. a. O., S. 22.

  5. Internationale Strategie für das zweite Entwidc-lungsjahrzehnt der Vereinten Nationen. Von der Vollversammlung verabschiedet am 24. 10. 19 > zitiert nach: Internationale Entwicklungsstrategre, Bonn 1971, S. 9.

  6. Pearson-Bericht a. a. O., S. 29.

  7. Richard Behrendt, Soziale Strategie für Entwicklungsländer, Frankfurt am Main 1965, S. 150.

  8. „Die Entwicklungsländer sind alle mit einem Gepäck erlebter und erlebbarer Geschichte beladen, weit schwerer als sich dies ein hoffnungsvoller Wirtschaftsplaner vorstellen kann. Deshalb wird kein einziger Plan sich so auswirken — vielleicht glücklicherweise — wie man dies nach den Ergebnissen der Computer erwartet... Auf jeden Fall wird es sich als unmöglich erweisen, die Sozial-strategen in Ost und West von der Macht des Gestrigen zu überzeugen. Sie wollen ja doch den Kahlschlag aller Traditionen für eine bessere Zukunft, ob sie sich nun dieser Seelenverwandschaft mit Mao bewußt sind oder nicht.“ Karl Jettmar. Sozio-kultureller Wandel und wirtschaftliche Entwicklung, in: Kooperative Entwicklungshilfe, Bielefeld 1969, S. 173.

  9. Der Spiegel v. 9. 2. 1971.

  10. Vorwort zum ersten Band von Das Kapital.

  11. Albert Waterston, Was wissen wir über Planung, in: Bruno Fritsch (Hrsg.), Entwicklungsländer, Köln 1968, S. 224.

  12. A. a. O., S. 29; vgl. auch die Entschließung der UNO-Vollversammlung für das zweite Entwicklungsjahrzehnt.

  13. Am deutlichsten hat das Frantz Fanon zu Beginn der ersten Entwicklungsdekade gesagt: „Und wenn wir ein europäisches Staatsoberhaupt mit der Hand auf dem Herzen erklären hören, daß man den unglücklichen unterentwickelten Völkern zu Hilfe kommen müsse, so erzittern wir nicht vor Dankbarkeit. Ganz im Gegenteil, wir sagen uns: das ist eine gerechte Reparation, die man uns schuldig ist. Deshalb werden wir nicht zugeben, daß die Hilfe an die unterentwickelten Länder als ein Werk der Barmherzigkeit verstanden wird. Vielmehr hat diese Hilfe eine doppelte Bedeutung: sie bestärkt die Kolonisierten in dem Bewußtsein, daß man ihnen etwas schuldet, und die kapitalistischen Mächte in der Erkenntnis, daß sie zahlen müssen." Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, Frankfurt 1966, 9 80.

  14. Gertraud Liebscher, Zur neokolonialistischen Expansion des westdeutschen Imperialismus, in: Marxismus-Digest 2/70, S. 236.

  15. Pearson-Bericht, a. a. O., S. 33.

  16. Im Jahre 1977 würde nach einer Berechnung des Pearson-Berichtes bei gleichbleibendem Mittelzufluß der Schuldendienst in Lateinamerika 13010 der neuen Kredite erreichen. Pearson-Bericht a. a. O., S. 100.

  17. So erhob beispielsweise „Che“ Guevara auf der zweiten afro-asiatischen Wirtschaftskonferenz im Februar 1965 bittere Vorwürfe gegen die sozialistischen Brüder. Er attestierte ihnen, sich. zu „Komplicen der imperialistischen Ausbeutung zu machen und nannte ihre Geschäftsgebarung eun-moralisch". Zitiert nach: Materialien zur Revolution, Darmstadt 1968, S. 141. Dieselben Klagen kamen zwei Jahre später aus dem sozialistischen Guinea: „Le capitalisme impose ses lois meme aux pays socialistes qui n’entretiennent d'autres rapports economiques avec les autres pays (et porfois meme entre eux) que ceux fondes sur les prix fixes par les bourses capitalistes d’Europe ou dAmerique.“ Zitiert nach Joachim Voss, Guinea, Bonn 1968, S. 236.

  18. Pearson-Bericht, a. a. O-., S. 98 ff.

  19. Vgl. unten S. 24.

  20. Vgl. Entwicklungspolitik: Fakten zu 13 Thesen, hrsg.

  21. „Gebundene Hilfe verursacht den Empfängerstaaten viele verschiedene Kosten. Sie sind gezwungen, von ihren Kreditgebern Güter zu Preisen zu kaufen, die vielfach weit über den auf konkurrenzfähigen internationalen Märkten vorherrschen-

  22. Vgl. unten S. 24 und 37.

  23. Die These von der „sinkenden Säkulartendenz“ der „Terms of Trade" zuungunsten der rohstoff-produzierenden Länder hat eine umfangreiche theoretische Diskussion entfacht. Die besonders von Raul Prebisch, dem früheren Generalsekretär der Welthandelskonferenz (UNCTAD) entwickelte Prognose hat einen nachhaltigen Methodenstreit provoziert. Vgl. etwa Ordo, Bd. XIX, Jg. 1968, S. 335 ff. und die dort besprochene Literatur; Ar-min Gutowski, Internationale Handels-und Währungspolitik als Instrument der Entwicklungshilfe, in: Materialien zur Entwicklungshilfekritik, Bonn, o. J., S. 59 ff. Im Kern scheint Prebischs Theorie sich als richtig erwiesen zu haben; vgl. die Angaben des Pearson-Berichtes zu den sogenannten „nichtkonkurrierenden Produkten", a. a. O., S. 109. Ein anderes Problem sind die von Prebisch gezogenen Schlußfolgerungen. Vgl. Horst Bedford, Die Terms of Trade der Entwicklungsländer, Hamburg 1969, S. 162.

  24. Das immer wieder zitierte Beispiel stammt von Carlos Llera, dem kolumbianischen Staatspräsidenten.

  25. Vgl. United Nations, Towards a New Trade Policy for Development, Report by the Secretary General of the United Nations Conference on Trade and Development, New York 1964, S. 80. 29)

  26. Vgl. Horst Bedford, a. a. O., S. 52.

  27. Vgl. Final Act in United Nations, Trade and Development, Final Act and Report, vol. I, New York 1964, S. 23.

  28. „Alle Vorschläge, die eine langfristige Zementierung von Preisen und Mengen oder gar eine Planung der Ein-und Ausfuhren im Welthandel zum Ziel haben, sind nachdrücklich abzulehnen. Derartige Vorschläge sind mit den Prinzipien einer freien Wirtschaftsordnung unvereinbar." Stellungnahmen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zur Welthandelskonferenz, in: Handbuch der Noten, Pakte und Verträge, Recklinghausen 1968, S. 473.

  29. Bundesverband der deutschen Industrie, a. a. 0., S. 473.

  30. Le Monde vom 17. 6. 1964.

  31. Pierre Jalee, Die Ausbeutung der Dritten Welt, Frankfurt 1968, S. 22.

  32. Pierre Jalee, a. a. O., S. 57.

  33. „Wir sehen, daß in dieser ganzen Auseinandersetzung immer wieder eine Dialektik von Erkenntnissen der Dritten Welt, Erkenntnissen der hochentwickelten kapitalistischen Welt und selbständige eigene Praxis in den Metropolen die Lernprozesse und die Radikalisierung des Bewußtseins und die Radikalisierung der Aktionen er-möglichen." Rudi Dutschke, in: Rebellion der Studenten, rororo Bd. 1043, S. 73.

  34. Vgl. unten, S. 31.

  35. Paul Baran, Political Economy of Growth, Prometheus Edition 1960, S. 251.

  36. Pierre Jalee, a. a. O., S. 92.

  37. Bahman, Nirumand, Persien — Modell eines Entwicklungslandes, rororo Nr. 945, S. 107.

  38. A. a. O., S. 117.

  39. Bei Conrad Schuhler ist Entwicklungshilfe das „Kernstück machtpolitischer Strategie der Indutriestaaten" — (Zur politischen Ökonomie der Armen Welt, München 1968, S. 138). Für Hans-Georg Isenberg ist sie „das entscheidende imperialistische Instrument" (Imperialismus und Entwicklungshilfe, in: Das Argument, Nr. 5t, 1969, S. 52). Wo ein Autor sich veranlaßt sieht, hier und da echten Hilfswillen zu konstatieren, beeilt er sich jedoch, hinzuzufügen, daß dies eben zum allgemeinen Betrugssystem gehöre: „Es gibt Elemente echter Entwicklungshilfen, sie sind sogar systemnotwendig. Ohne sie wäre der Selbstbetrug nicht möglich", schreibt etwa Ulrich Küntzel (Der Dollar-Imperialismus, Berlin 1968, S. 90).

  40. „Entwicklungspolitik als Ausdruck staatlicher Intervention kennzeichnet die neue Ebene der Bemühungen, die Herrschaft des Kapitals zu Ve längern", schreibt. Dankwart Danckwerts in‘De Sozialwissenschaften in der Strategie der En-

  41. Peter Strotmann, Der Zusammenbruch der kapitalistischen Entwicklungsmodelle in der Dritten Welt, in: Das Argument, Nr. 51, 1969, S. 42.

  42. Peter Strotmann, a. a. O., S. 34.

  43. Nach dem Journalisten Raymond Cartier, der in einer Artikelserie im Paris Match seine Eindrücke vom Wert der Entwicklungshilfe nach einer Afrikareise wiedergab (Paris Match August—September 1956). Alfred Grosser hat dem populären „Cartierismus“ eine sozialpsychologische Entlastungsfunktion, ähnlich dem Antisemitismus, zugeschrieben: „La Cooperation (franz. Bezeichnung für Entwicklungshilfe) est une admirable trouvaille pour expliquer aux lecteurs les sources de leurs mecontentements dans les differents secteurs, sans pour autant les opposer. Ils peuvent etre parfaitement d'accord entre eux." Alfred Grosser, La Politique Exterieure de la V. Republique.

  44. Vgl. etwa die Aufsätze von Louis Rougier, Die Hauptursache für den Vorsprung des Westens und Erik von Kuehnelt-Leddihn, Christentum, Technik, Kolonialismus und die Entwicklungsländer, beide in: Ordo, Bd. XIII, Jg. 1962. Im Aufsatz von v. Kuehnelt-Leddihn erscheinen als Antriebskräfte des europäischen Kolonialismus Vornehmlich „die romantische Abenteuerlust des spielerischen abendländischen Menschen, des von einem Deus Ludens geschaffenen homo ludens“ (S. 45). Die Bereicherung aus den Kolonien sei „eine Fabel“ (S. 52). Die gegenwärtige Aufsässigkeit wider Europa ist das Resultat des Hochkommens einer „viertel-und halbgebildeten Oberschicht“ (S. 48), insgesamt eine Folge der „Tragik der Dekolonisierung“ (S. 53). Zur psychischen Disposition der Unterentwickelten heißt es: „Die Afro-Asiaten .. . bilden eine Art Massenverschwörung der an Minderwertigkeitskomplexen Leidenden ..., die nicht nur dem westlichen Fortschrittswunder fassungslos gegenüberstehen, sondern auch nur zu oft vom blassen Neid geplagt werden.“ (S. 57) Als Grund für die fortdauernde Stagnation erkennt der Autor denn auch: „Wenn die Faulheit und die Begehrlichkeit sich in einer Synthese vereinen, sind die politisch-wirtschaftlichen Katastrophen allerdings unvermeidlich.“ (S. 70) Ähnliches liest man in den zornigen Aufsätzen Wilhelm Röpkes, einer der Väter des sogenannten „Ordo-Liberalismus“. Die Verstaatlichung des Suez-Kanales nimmt sich dort aus als „zynische Verletzung des Rechts“. Präsident Nasser erscheint als „völlig verantwortungsloser orientalischer Despot". Bitter geht der Autor mit den „selbstmörderischen Ideologien“ der De-kolonisation ins Gericht; vgl. Ordo Bd. XVII, Jg. 1966, S. 40 ff.

  45. Vgl. Rougier, a. a. O., S. 25. Im gleichen Sinne W. Röpke: „Die reichen Länder von heute sind deshalb reich, weil zu der notwendigen Voraussetzung der modernen Technik und ihrer industriellen Anwendung die weitere einer bestimmten Wirtschaftsordnung und des ihr entsprechenden Geistes tritt. Das grob Faßbare der Maschinen und des Kapitals, das in ihnen investiert wird, genügt nicht. Nicht minder wichtig ist etwas Geistiges: der Entschluß zu einer entwicklungsförderlichen Wirtschaftsordnung und die subtilen geistig-moralisch-politischen Voraussetzungen, von denen eine solche Wirtschaftsordnung abhängt. Dies ist aber keine andere als die Marktwirtschaft." In: Ordo, Bd. XVI, Jg. 1963, S. 106.

  46. P. T. Bauer, Auslandshilfe: ein Instrument für den Fortschritt? In: Ordo, Bd. XVIII, Jg. 190 S. 176.

  47. Fritz Hauenstein, Revision der Entwicklungs hilfe, in: FAZ vom 30. 8. 1967.

  48. Edgar Salin, Unterentwickelte Länder, Begriff und Wirklichkeit, in: Kyklos, Vol. 12 (1959).

  49. In einer scharfen Polemik wider die Wirtschaftspolitik des „New Frontier" bezichtigte Wilhelm Röpke die Kennedy-Administration des „neo-jakobinischen Missionsdranges", dessen Ziel es sei, dem Sozialismus in der Welt den Weg zu bahnen

  50. Raul Prebisch, The economic development of Latin America and its principal problems, New York 1950; Gunnar Myrdal, Ökonomische Theorie und unterentwickelte Regionen, Stuttgart 1959; Walt Rostow, Stages of Economic Growth, Oxford 1960; Richard Behrendt, Soziale Strategie für Entwicklungsländer, Frankfurt 1965.

  51. Der linke Vorwurf gegen die sozial-und wirtschaftswissenschaftliche Theorie des Westens geht dahin, daß ihre Befunde in Wahrheit „Objektivierungen", „Rationalisierungen“ und „theoretische Rekonstruktionen* des spätkapitalistischen Systems seien. Vgl. Danckwerts u. a., Die Sozialwissenschaften in der Strategie der Entwicklungspolitik, a. a. O., S. 145. Nicht minder dezidiert fällt die Reaktion der engagierten Liberalen aus. Im Zusammenhang mit Walt Rostows Entwicklungstheorie schrieb Wilhelm Röpke etwa: „Diese Theorien sind für den Vormarsch des Kommunismus bisher unvergleichlich wichtiger gewesen als alle seine Panzer, Raketen und Divisionen." Ordo, Bd. XVI, S. 105.

  52. Vgl. David Baldwin, Foreign Aid and American Foreign Policy, New York 1966, S. 34.

  53. „Immer wieder dünkt mir Amerikas Fundament wie von der Vorsehung geplant dazu bestimmt den Teil der Menschheit, der noch in Sklaverei lebt, aufzuklären und freizumachen", schrieb John Adams, einer der Gründerväter.

  54. Zitiert nach E. Robinson/V. West, The Foreign Policy of Woodrow Wilson 1913— 1917, New York 1917, S. 340.

  55. So kann man es wörtlich lesen in den Auslassungen der amerikanischen Rechten von Mc. Carthy bis Wallace: „Wir erleben eine Weltschlacht . •• zwischen Licht und Dunkel, zwischen Freiheit und Sklaverei, zwischen christlichem Geist und dem Antichrist, einen Kampf um Leib und Seele der Menschen ...", schrieb Robert Welch, ein Mann der John-Birch-Society. Zitiert nach Sven Papde, Traditionen des imperialen Amerika, in: Der Pentagonismus, rororo Bd. 1151, S. 105. Nur um Nuancen erträglicher nimmt sich der politische Mann chäismus in den Äußerungen von Dulles bis Nixon

  56. William Fulbright, Die Arroganz der Macht, rororo Bd. 987/88, S. 241.

  57. . Vietnam interessiert uns nicht als strategisches Ziel und nicht einmal als politischer Stützpunkt; es interessiert uns als Probe aufs Exem-pel ... Dieser Konflikt ist typisch, wie kann eine Großmacht wie die unsere ihn siegreich bestehen? Wie kann ein Land, das über ein enormes militärisches und ein minderes politisches Potential verfügt, in einem beliebigen Ort über einen Gegner siegen, der militärisch unterlegen, aber politisch stark ist? Das ist die Frage, vor die wir uns gestellt sehen. Es ist für uns keine Frage auf Leben und Tod, wenigstens nicht hier und jetzt. Aber hier und jetzt müssen wir Methoden lernen, mit denen wir dasselbe Problem in beliebigen Teilen Asiens, Afrikas und vor allem Lateinamerikas osen können, wenn es eines Tages wirklich um Leben und Tod geht." Zitiert nach: Rebellion der Studenten, rororo Bd. 1043, S. 73.

  58. George C. Lodge resümierte im Jahre 1969: „Unsere Hilfe mag für einige Leute den Lebensstandard ein wenig gehoben haben, aber ebenso bedeutsam ist, daß sie eine Begünstigung und politische Stärkung des Status quo darstellt." George C. Lodge, US-Hilfe für Lateinamerika. Unterstützung eines radikalen Wandels, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochen-zeitung DAS PARLAMENT, B 47/69, S. 5. Senator Fulbright nannte die Auslandshilfe rundheraus „ein Zeichen für die Arroganz der Macht", a. a. O. S. 230.

  59. „The old Imperialism — exploitation for foreign profit — has no place in our plans. What we envisage is a program of development based on the concepts of democratic fair dealing." Zitiert nach Baldwin, a. a O., S. 61.

  60. Nach John Kenneth Galbraith, dem ehemaligen US-Botschafter in Indien, war beispielsweise die US-Militärhilfe an Pakistan die Ursache des indisch-pakistanischen Krieges von 1965.

  61. Chester Bowles erklärte 1959 im Kongreß: »Gegenwärtig ist der größte Teil unserer Wirtschafts, hilfe praktisch Militärhilfe, und selbst unsere nicht-militärische Hilfe konzentriert sich weitgehend aut die Unterstützung von Verteidigungsprojekten. Am Beispiel der 3, 3 Milliarden im Jahre 1958 offiziell ausgewiesener Auslandshilfe nahm sich das nach Bowles so aus: „Weniger als 600 Millionen Dollar, beziehungsweise 18°/von dieser Summe, waren ausdrücklich und direkt vorgesehen zur Hebung des Lebensstandards und zur Förderung der politischen Entwicklung mittels technischer Zusammenarbeit und wirtschaftlichen Aufstiegs .. . Es folgt, daß die Regierung und der Kongreß offenbar die schwerste Bedrohung Asiens, Afrikas und Lateinamerikas auf militärischem Gebiet sehen und daß die Hauptgefahr, gegen die wir uns in diesen Gebieten zu sichern versuchen, die Gefahr offener chinesisch-sowjetischer Aggression sei. Zitiert nach Ekkehart Krippendorff, Die revolutionäre Außenpolitik der USA, in: Der Monat, Nr. 166 (Juli 1962), S. 8.

  62. Vgl. Claude Julien, Das amerikanische Imperium, Berlin 1968, S. 241.

  63. Zitiert nach Claude Julien, a. a. O. S. 244 f.

  64. General Robert Wood vor einem Ausschuß des Repräsentantenhauses, zitiert nach Claude Julien, a. a. O., S. 242. Senator Mc. Carthy zog die gleiche Bilanz: „Eigentlich sind diese amerikanischen militärischen Berater in ihrem Fach eine Art von Handelsvertreter, die dafür zu sorgen haben, daß das betreffende Land sich militärisch mit amerikanischen Gütern ausrüstet und diese nicht von einem politischen oder kommerziellen Konkurrenten bezieht.“ Zitiert nach Claude Julien, a. a. O., S. 244.

  65. Zitiert nach Claude Julien, a. a. O., S. 330.

  66. Juan Bosch, Der Pentagonismus, rororo Bd. 1151, S. 20 und 10.

  67. Kennedys Reform der Auslandshilfe wollte ausdrücklich abkommen vom Primat der militärischen Motivation: „Keine noch so große Menge von Waffen . . . kann den Bestand solcher Regierungen sichern helfen, die weder fähig noch willens sind, soziale und wirtschaftliche Reformen und Entwicklungen zustande zu bringen ... Die geschicktesten Maßnahmen zur Bekämpfung von Guerilla-Banden sind, da zur Erfolglosigkeit verurteilt, wo die einheimische Bevölkerung zu sehr mit ihrer eigenen Not beschäftigt ist, um sich Sorgen über das Vordringen des Kommunismus zu machen.“ Zitiert nach John F. Kennedy, Dämme gegen die Flut, Fischer-Bücherei Nr. 620, S. 115.

  68. Aid to the Underdeveloped Areas as Measures of National Security, (10. 3. 1950) Department ° State Bulletin v. 10. 4. 1950, S. 252.

  69. Report to the President on Foreign Economn Policy (Gray-Report) 1950, zitiert nach Paul Bara The Political Economy of Growth, Promet e Edition, 1960, S. 192.

  70. Vgl. Paul Baran, a. a. O., S. 199.

  71. August Maffry, Vizepräsident der Irving-Trust-Company, in einem Memorandum „Program for Increasing Private Investment in Foreign Count-ries" an den Präsidenten der Vereinigten Staaten aus dem Jahre 1952: „The improvement in investment climate in friendly countries by more direct measure should be the objective of total and sustained diplomatic effort by the United States“; zitiert nach Baran, a. a. O„ S. 199.

  72. Im folgenden zitiert nach der deutschen Ausgabe, Göttingen 1967.

  73. Kennedy, Dämme gegen die Flut, a. a. O., S. 115.

  74. Ebenda S. 135.

  75. Rede Kennedys vom 13. 3. 1961, in: Dämme gegen die Flut, a. a. O., S. 131.

  76. Botschaft an den Kongreß v. 14. 3. 1961, a. a. O., S. 138, -besonderen Nachdruck legte der Präsident dabei auf die Reform der Agrarstrukturen.

  77. Rede vom 13. 3. 1961, a. a. O., S. 131/32.

  78. Amerika müsse „an der Spitze der weltweiten Revolution stehen, sie führen und zu fruchtbaren Ergebnissen bringen . .. Aber wir haben es zugelassen. daß die Kommunisten uns von unserem rechtmäßigen Platz als Vorkämpfer dieser Revolution verdrängt haben. In den Augen der Welt sind wir zu Verteidigern des Status quo geworden, während sich die Kommunisten zur Avantgarde machen, die den Weg weist zu einem besseren, leuchtenderen und glücklicheren Leben." Zitiert nach Krippendorff, a. a. O., S. 8.

  79. „Der große Kampfplatz für die Verteidigung und die Verbreitung der Freiheit sind heute Asien, Lateinamerika, Afrika und der Mittlere Osten, die Länder der emporstrebenden Völker. Ihre Revolution ist die größte in der menschlichen Geschichte: Sie streben danach, der Ungerechtigkeit, Tyrannei und Ausbeutung ein Ende zu machen.“ Kennedy, a. a. O„ S. 47.

  80. Auch in der Bundesrepublik stieß Kennedys Entwicklungspolitik auf Verdächtigungen; V 9 S. 15 Anm. 49. Uber Walt Rostows Stadientheorie urteilte Wilhelm Röpke ganz im Geist und Stil der Birch-Society-Diehearts: „Diese Theorien sind .den Vormarsch des Kommunismus bisher unvergleichlich wichtiger gewesen als alle seine Panzen Raketen und Divisionen.“ Zitiert nach: Ordo, Bd. XIV, Jg. 1964, S. 105.

  81. Zitiert nach Julien, a. a. O., S. 223.

  82. Fulbright, a. a. O., S. 84.

  83. Vgl. Pearson-Report, a. a. O., S. 1/21.

  84. Vgl. Julien, a. a. O., S. 210.

  85. Pearson-Report, a. a. O., S. 206. Während eines Entwicklungssymposions im Januar 1968 sagte der US-Vertreter bei der OECD, Edward Fei: „Wenn wir die Bedingungen und Bestimmungen, die wir heute bei den Auslandshilfeprogrammen anwenden, auch beim Marshall-Plan benutzt hätten, dann läge Europa noch heute in Trümmern." E. Fei, Das Konzept des Auslandshilfeprogramms der USA, in: Kooperative Entwicklungshilfe, Bielefeld 1969, S. 53.

  86. Richard Robinson, zitiert nach Harry Magdoff, Das Zeitalter des Imperialismus, Frankfurt, S. 152.

  87. „Unsere Suche nach Profit bringt uns direkt in ein und dieselbe Linie mit der nationalen Politik, die den internationalen Handel entwickeln möchte, um damit die freie Welt in ihrem Kalten Krieg gegen den Kommunismus zu stärken." John Lockton, The Creative Power of Profits, zitiert nach Julien, a. a. O., S. 200.

  88. Zitiert nach Julien, a. a. O., S. 201.

  89. Im folgenden zitiert nach: Die amerikanische Auslandshilfe in den siebziger Jahren, Wortlaut der Sonderbotschaft über eine grundlegende Reform der Auslandshilfe der Vereinigten Staaten, die Präsident Richard Nixon am 15. 9. 1970 an den Kongreß übersandt hat, Amerika-Dienst, Bonn.

  90. „Die amerikanische Rolle in der internationalen Entwicklungshilfe spiegelt die Vorstellung wider, die wir von uns selbst als einer Gesellschaft haben, und unsere Hoffnung auf eine friedliche Welt-Unser Interesse an einer langfristigen Entwiclung muß im Zusammenhang mit ihrem Beitrag zu unserer eigenen Sicherheit gesehen werden." A. a. O S. 18.

  91. Wie üblich differieren die Zahlenangaben — selbst die offiziellen — erheblich. Der Pearson-Bericht weist für 1967 1, 23 °/o des franz. Brutto-sozialproduktes als Entwicklungshilfe aus; die Zeitschrift Jeune Afrique in einer neuen Zusammenstellung für das gleiche Jahr dagegen 1, 16 °/o. Der Pegrson-Bericht für 1968 1, 24 °/o, Jeune Afrique 136 °/°. Noch anders liest man es etwa bei Jean Marcel (Die neokolonialistische Entwicklungshilfe des.franz. Imperialismus, in: Marxismus-Digest 1'70, S. 254) und Pierre Jalee (Die Ausbeutung der ritten Welt, a. a. O., S. 69). Einigkeit indessen herrscht darüber, daß Frankreich die relativ höchsten Leistungen erbrachte. (Der Pearson-Bericht nennt für das Jahr 1960 2, 19 »/» des BSP; im Ver-9leich dazu die am nächsten kommende Prozent-zahl: BRD im Jahre 1968 = 1, 24% des BSP).

  92. Vgl. Räponses sur l’Afrique. Opinions sur la Cooperation entre l'Afrique et la France, Ministere de la Cooperation, Mai 1963.

  93. „La France voit en effet dans l'aide aux deve-lopements un des points essentiels de sa mission et sa vocation naturelle." Präsident Pompidou vor der senegalesischen Nationalversammlung anläßlich seiner Rundreise bei den frankophonen Staaten Afrikas im Februar 1971; zitiert nach Le Monde v. 9. 2. 1971.

  94. Sartre im September 1961: „Heute steht die sengende Sonne der Folter am Zenit und blendet alle Länder. Unter diesem Licht gibt es kein Lachen, das nicht falsch klänge, kein Gesicht, das sich nicht schminken müßte, um die Wut oder die Angst zu kaschieren, keine Handlung, die nicht unseren Ekel oder unsere Komplicenschaft verriete. Heute genügt es, daß sich zwei Franzosen treffen und eine Leiche ist zwischen ihnen. Sage ich . eine'? Frankreich war einst der Name eines Landes. Passen wir auf, daß es nicht der Name einer Neurose wird.“ Im Vorwort zu Frantz Fanons „Die Verdammten dieser Erde", Frankfurt 1966,

  95. Leopold Sedar Senghor, der Präsident des Senegal, schrieb in einem Begrüßungsartikel: „II est pueril de ramener les liens de Colonisation ä des rapports de maitre ä l'esclave. La vrit est que tout au long des siecles coloniaux, il y a eu echange .. . II se trouve que nous avons ete colo-nises par la France. II se trouve que nous avons appris ä en apprecier le Systeme de valeurs et que beaucoup d'entre nous ont verse leur sang pour le defendre. II se trouve que nous avons, peu ä peu, intgr bon nombre de ses valeurs dans notre propre patrimoine. De tout cela decoule qu'hier, aujourd'hui ou demain nos relations avec la France ne peuvent pas etre les memes qu'avec un autre pays ami.“ Jeune Afrique, Nr. 527 v. 9. 2. 1971. Vgl. ferner Sylvanus Olympio: „La France n’a pas failli ä ses traditions de liberalisme et de generosite pendant les 40 ans de son admi-nistration." Zitiert nach Klaus-Dieter Osswald, Frankreichs Entwicklungshilfe, Köln 1966, S. 188.

  96. Quand un Gabonais arrive en France, il se sent chez lui car ... un Gabonais a deux patries : la sienne et la France ..." Bernard-Albert Bongo; zitiert nach Franz Ansprenger, in: Probleme der Demokratie heute, Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 11/1970, S. 500.

  97. Vgl. Le Monde v. 9. und 13. 2. 1971.

  98. So erklärte Gaston Deferre (SFIO) im Jahr 1961 vor der Nationalversammlung: „Or actue ment l'intrt de la France est de conserver ay les Etats d'Afrique ...des relations cordiales; e non seulement notre intrt en tant que na i mais c'est l’intrt des entreprises francaises • ’ Actuellement la plupart des pays d Afrigues d achetent ä la France des produits fabriques notre pays ... Si demain nous reduisons nosPv duits, il ne faudra pas s’etonner de voir ces P .se tourner d un autre ct." Journal ° Jg. 1961, S. 1963.

  99. „Quant ä mettre un terme ä la Cooperation amicale, räciproque et calcule que nous prati-quons ä legard dun certain nombre d’tats envoie de developement, cela reviendrait d'abord ä nous eloigner d'eux en laissant notre place ä d'autres. Cela nous amenerait aussi ä nous fermer de vastes champs d'actions economiques, techniques et cul-turelles au lieu de nous les ouvrir. Enfin et surtout, cela equivaudrait ä renier le röle qui nous revient 4 l'^gard de l’volution qui porte tant de peuples d Afrique, d'Asie, D’Amrique latine ä se developper ä leur tour sans se livrer ä l'une ou 1 autre des deux hägemonies qui tendent ä se par-tager l'univers tant que l'Europe de l’ouest n'aura Pas pu ou voulu s'organiser de teile Sorte que 1 öquilibre, s’tablisse. Pourquol donc la France qui est elle-mme en pleine essor, se tiendrait-elle ä 1 cart d'un mouvement . . . dont son genie traditionnel est en grande partie la source et dont dependent en definitive, la paix et le sort du monde?“ Fernsehansprache v. 16. 4. 1964, zitiert nach Osswald, a. a. O„ S. 195.

  100. „II est peu de cas, oü la loi morale Jt l'intret bien entendu concident aussi parfaitement", versicherte Pompidou der französischen Geschäftswelt. Vgl, Le Monde v. 13. 2. 1971.

  101. Alfred Grosser, La Politique Exterieure de la V. Republique, Paris 1965, S. 77.

  102. Budgetbericht Nr. 3, hrsg. v. Außenministerium 1967, S. 39.

  103. Im Jeanneney-Bericht des Jahres 1964 heißt es: „La France desire, plus que toute autre nation, diffuser au loin so langue et sa culture. Son besoin de rayonnement intellectuel trouve bon emploi aupres de peuples dont la langue convient mal aux idees et aux techniques modernes ou n'est pas admise dans les relations internationales : eile leur apporte un mode d’expression et une methode de pensee." Zitiert nach Osswald, a. a. O., S. 191 f.

  104. Vgl. oben Leopold Sedar Senghor, S. 26 Anm. 95.

  105. Vgl. Thomas Hovet, Africa in the UN, Evans-ton 1963, S. 91. Zur Überraschung der Welt und zur Erbitterung des antikolonialistischen Lagers stimmte die Brazzaville-Gruppe im Dezember 1960 gegen eine Algerien-Resolution, in der Sympathie

  106. „II est normal que, par suite des liens ancient que nous avons avec les Etats Africains, la Pa la plus importante de notre aide soit consacree l’Afrique ..." So Staatspräsident Pompidou wa rend seiner Reise im Senegal im Februar zitiert nach Le Monde v. 9. 2. 1971.

  107. Le Monde v. 24. 10. 1964.

  108. Pierre Jalee, Die Ausbeutung der Dritten Welt, a. a. O„ S. 72 f.

  109. Alfred Grosser hat in seinem Buch „La Politi-Hue Exterieure de la V. Republique" auf den „kulturellen Nationalismus“ als'dem entscheidenden Motiv französischer Entwicklungspolitik hingewiesen. Warum, so fragt er, will man französische Präsenz in Afrika? Und er antwortet: „parce’qu’elle est meilleure que la presence de tout autre pays, parce que la seule vraie culture que l'on apportera en Afrique ne saurait etre que franaise, sinon ce nest plus une vraie culture". Alfred Grosser, La oltique Exterieure de la V. Republique, Paris * 965, S. 99. Daß diese Rechnung aufgeht, wurde Wiederholt statistisch bewiesen: Bei Umfragen sprachen sich 67 °/o der Franzosen für bilaterale und nur 14% für multilaterale Hilfe aus. Vgl. Osswald, a. a. O„ S. 194.

  110. Vgl. Bulletin de l'Afrique Noire, Nr. 364 v. 17. 3. 1965.

  111. Horst Dumke, Ministerialdirektor im BMZ, zitiert nach H. M Görgen, Entwicklungsländer in der Entscheidung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13— 14/1964, S. 29. Aus dem gleichen Munde hörte man es später ganz anders: „Die eigenständigen Grundsätze und Methoden der Entwicklungspolitik lassen die Entwicklungshilfe ebensowenig als ein geeignetes Instrument zur Durchsetzung einer außenpolitischen Doktrin erscheinen, wie diese ihrer langfristigen Natur nach auch kein geeignetes Mittel ist, politische Pressionen auszuüben." Horst Dumke, Das entwicklungspolitische Konzept der BRD, in: Kooperative Entwicklungshilfe, Bielefeld 1969, S. 61.

  112. Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung vom 11. 11. 1965.

  113. Das einzige Beispiel einer „harten" Reaktion Bonns, die sofortige Streichung der Militärhilfe für Tansania im Februar 1965 nach der Eröffnung eines DDR-Generalkonsulates in Daressalam, hatte verblüffende Folgen: Tansania verbat sich daraufhin jegliche weitere Hilfe von der Bundesrepublik.

  114. „Hier, auf einem vorwiegend wirtschaftlich bestimmten Schauplatz, wird der Gegensatz zwischen Kommunismus und freiheitlicher Lebensordnung endgültig ausgetragen werden. Hier sehen mosko-witischer und chinesischer Imperialismus ihre große Chance und nutzen sie nach Kräften“, ließ Ludwig Erhard am 2. 1. 1960 im SPIEGEL inserieren.

  115. „Heute müssen wir offener denn je sagen, daß es uns um die Verteidigung der spezifischen Güter der westlichen Welt geht, wenn wir die Entwicklungsländer in ihrem Ringen gegen Mangel

  116. „Der Antikommunismus der BRD hat sich no in seinem Opfermut für Afrika und Asien zu währen“, monierte etwa der Franzose Alfredstd ser in seinem damals viel beachteten Porträt , Bonner Republik. (Die Bonner Demokratie, Dus dorft 1960, S. 414).

  117. H. O. Wesemann, Entwicklungshilfe — aber wie?, Der Monat, Nr. 147 (Dez. 1960), S. 39.

  118. Eugen Gerstenmaier, Das neue Afrika, in: Afrika Heute. Jahrbuch der Deutschen Afrika-gesellschaft, Bonn 1960, S. 216.

  119. . überzeugt von dem Wert unserer eigenen Wirtschaftsordnung sollten wir ... darauf hinwirken, daß auch in den Entwicklungsländern Wirtschaftssysteme aufgebaut werden, die unseren Politischen Vorstellungen nicht entgegengesetzt sind , Ludwig Erhard im Bulletin des Presse-und i 9enmationsamtes der Bundesregierung v. 9. 5.

  120. Die Erfahrungen zeigen, . . . daß einer gemischten Wirtschaft offenbar eine Tendenz zum gleiten in den totalen Staatsdirigsmus inne-

  121. „Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die zum Aufbau der Entwicklungsländer benötigte Hilfe soweit wie möglich durch die private Wirtschaft geleistet werden sollte, weil die private Initiative, verbunden mit der Vermittlung technischen Wissens und Könnens sowie der Herstellung menschlicher Kontakte zur Bevölkerung in den Entwicklungsländern, Leistungen erwarten läßt, die den wirtschaftlichen und technischen Bedingungen des einzelnen Falles in besonderem Maße gerecht werde", erklärte beispielsweise Staatssekretär Westrick vom Bundesministerium für Wirtschaft namens der Regierung vor dem deutschen Bundestag. Vgl. Sitzungsbericht des Deutschen Bundestages Nr. III/159, Bonn, 5. 5. 1961, S. 9227. Im Entwicklungshilfe-Programm der CDU von 1965 hieß es: „Die Zukunft der freien Welt hängt entscheidend davon ab, ob es ihr gelingt, eine wirksame Methode für den wirtschaftlichen und sozialen Aufbau der Entwicklungsländer zu finden, die gleichzeitig die Völker dieser Länder vom Wert der freiheitlich-demokratischen Ordnung überzeugt." Zitiert nach: Handbuch der Entwicklungshilfe, Baden-Baden, II A 32, S. 2. Einen Überblick über die wissenschaftliche Literatur mit gleichem Tenor gibt Eckard Geuther, Politische Momente der deutschen Entwicklungshilfe, Diss. Würzburg 1968, S. 229— 232.

  122. E. Geuther, a. a. O., S. 227.

  123. H. O. Wesemann, a. a. O., S. 42.

  124. Aus einer typischen Publikation der Zeit: „Zur Entwicklungsförderung auf der Grundlage der Partnerschaft gehört der Wille, die freie Initiative der Menschen im Partnerland auf jede nur denkbare Weise zu fördern. Hier liegt die entscheidende Chance für die zukünftige westliche Entwicklungsförderung. Einmal entspricht es unserer eigenen Lebensordnung, die Freiheit des Partners zu wollen, sie zu festigen und zu entfalten. Auf der anderen Seite hat sich immer wieder gezeigt, daß jeder Wirtschaftsfortschritt von der schöpferischen Initiative des einzelnen Arbeiters und Unternehmers abhängt ... Mit dem Fortschreiten der wirtschaftlichen Entwicklung muß jedoch die staatliche Initiative zurücktreten, um der privaten immer mehr das Feld zu überlassen. Denn nur der schöpferische Wille des einzelnen, nur das private Kapital können die tausendfältigen Kräfte der Wirtschaft ins Spiel bringen, die kein Karteisystem staatlicher Stellen zu erfassen vermag. Es sind jene Kräfte, die so lange verborgen bleiben, bis sie von einer klar umrissenen Aufgabenstellung oder von einem schöpferischen Unternehmer wachgerufen und mobilisiert werden.“ Ludwig Schulte, Dynamik der Freien Welt, Osnabrück 1961, S. 146 f.

  125. Vgl. E. Geuther, a. a. O„ S. 227. ,

  126. Vgl. Erhard Meueler, Soziale Gerechtigxet Düsseldorf 1971, S. 59 ff.

  127. Großbritannien soll sogar mit der Verringsgunn seiner Truppenpräsenz gedroht haben, falls nicht größere öffentliche Leistungen erbringe. 9 Ulrich Damm, Die BRD und die Entwicklungsländer, Diss. Genf 1965, S. 104— 111.

  128. Vgl. S. 15 Anm. 49.

  129. Vgl. S. 31 Anm. 120.

  130. Festvortrag Scheels anläßlich des Tages der Afrikaforschung der Gesellschaft für Erdkunde zu erlin am 19. 4. 1963; zitiert nach E. Geuther, ä a. O„ S. 111.

  131. Der private Anteil am Gesamtaufkommen der sntwicklungshilfe der BRD sank von 520/0 im ohnitt der Jahre 1950— 1960 auf 32 0/o im Schnitt , er Jahre 1961— 66, um dann allerdings wieder Kräftig anzusteigen.

  132. „Der Versuch der Umpolung dominierender politischer Interessenlagen per Entwicklungshilfe hat sich als fruchtlos erwiesen." Hans Jürgen Wischnewski, Nord-Süd-Konflikt, Beiträge zur Entwicklungspolitik, Hannover 1968, S. 16.

  133. Ebenda, S. 40.

  134. Ebenda, S. 18.

  135. Wischnewski, a. a. O., S. 23 und 40.

  136. Regierungserklärung vom 11. 10. 1967; vgl. auch Bundeskanzler Kiesinger in seinem Rechenschaftsbericht anläßlich der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes 1968 vor dem Bundestag am 2. 4. 1968; vgl. Bulletin der Bundesregierung v. 4. 4. 1968.

  137. Wischnewski, a. a. O., S. 40.

  138. In einem Streitgespräch mit Minister Wischnewski in der Evang. Akademie Tutzing erklärte Rolf Pauls, der erste Botschafter der Bundesrepublik in Israel: „Für jede Regierung ist die Entwicklungshilfe, da sie nach außen wirkt, auch von außenpolitischem Belang. Für kein Land jedoch von solch außenpolitischer Bedeutung wie für Deutschland, da kein anderes Geberland die Teilung seiner Nation zu überwinden hat." Zitiert nach Bulletin v. 11. 7. 1968.

  139. Wischnewski, a. a. O., S. 15.

  140. Vgl. z. B. Danckwerts u. a., Die Sozialwissenschaften in der Strategie der Entwicklungspolitik, ed. Suhrkamp Nr. 411, S. 27.

  141. Wischnewski, a. a. O., S. 19.

  142. Ebenda, S. 49.

  143. Ebenda, S. 50.

  144. „Die Entwicklungsländer haben in den vergani genen Jahren für ungefähr 80 °/o dieser Mittel 61 der deutschen Industrie Maschinen, Bauleistung, und andere Anlagen bestellt. Das bedeutet Prae tisch, daß der weitaus größte Teil der Gelder BRD niemals verlassen hat." A. a. O., S. 87.

  145. Wischnewski, a. a. O., S. 87.

  146. Ebenda, S. 86.

  147. Richard Behrendt, Soziale Strategie für Entwicklungsländer, a. a. O., S. 473 f.

  148. Ebenda, S. 474.

  149. Ebenda, S. 535 f.

  150. Wischnewski, a. a. O., S. 165.

  151. Ebenda, S. 165.

  152. Eppler, Die II. Entwicklungsdekade — Chance und Verpflichtung, zitiert nach: BMZ-Mitteilungen, Sondernummer IV (April 1970) S. 11.

  153. „In unserer Gesellschaft wird sich noch manches ändern müssen, ehe sie ihren Aufgaben in der Dritten Welt voll gerecht werden kann. Aber auch das umgekehrte gilt: Je mehr die Entwicklung der einen Welt das Bewußtsein der Deutschen bestimmt, desto mehr wandelt sich unsere Gesellschaft. Sie wird offener, beweglicher, humaner." Eppler, a. a. O., S. 6.

  154. Karl Jettmar, Unterstützt die Entwicklungshilfe eine Status-Quo-Politik? In: Materialien zur Entwicklungshilfekritik, hrsg. von der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer, Bonn o. J., S. 25.

  155. „Ludwig Erhard hat es fertig gebracht, die Mehrheit der Lateinamerikaner zu provozieren. Laissez-Faire bedeutet für 90 °/o der Menschen in Lateinamerika lediglich die Fortsetzung ihres Elends. Was sich in der Marktwirtschaft eines hochindustrialisierten Landes von selbst regeln mag, muß in einem Entwicklungsland meist durch Planung und Koordination erreicht werden." Eppler in der Frankfurter Rundschau v. 24. 5. 1969.

  156. Eppler, in: BMZ-Mitteilungen, a. a. O., S. 26.

  157. „Es ist völlig legitim, wirtschaftliche Interessen

  158. Karl Jettmar, a. a. O., S. 27.

  159. Danckwerts u. a., Die Sozialwissenschaften in de Strategie der Entwicklungspolitik, a. a. O., S.33 ff.

  160. «Die alten Mittel und Methoden waren früher daher nicht ausreichend, haben sich teilweise entlarvt oder brachten nicht den politischen und ökonomischen Profit, der erwartet worden war. Deshalb besteht zwischen dem Übergang zu einer . neuen Entwicklungspolitik und dem Eintritt rechter Führer der westdeutschen Sozialdemokratie in das Bonner Kabinett ein enger Zusammenhang, uhne die sozialdemokratischen Führer, die bereits in dem vergangenen Jahrzehnt bei der Ausarbeitung der neo-kolonialistischen Strategie und TakiK federführend beteiligt waren und die sich auch aui diesem Gebiet Bonner Politik als Erfüllungsgehifen des westdeutschen Imperialismus erwiesen haben, hätte diese Modifizierung nicht erfolgen können. Durch Ausnutzung ihres Ansehens, vS. die deutsche Sozialdemokratie einmal bei den olkern hatte, sollen die revanchistischen und SPansionistischet Ziele des westdeutschen Impeia ismus glaubwürdiger und lösbarer gemacht werden. Gertraud Liebscher, Zur neo-kolonialisti-in en Expansion des westdeutschen Imperialismus, : Marxismus-Digest 2/1970, S. 249.

  161. Die entwicklungspolitische Konzeption der Bundesrepublik Deutschland und die internationale Strategie für die Zweite Entwicklungsdekade, herausgegeben vom Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Februar 1971, S. 29.

  162. Die entwicklungspolitische Konzeption ..., a. a. O., S. 4.

  163. Danckwortt, Ist die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung glaubwürdig? In: Materialien zur Ent wicklungshilfekritik, a. a. O., S. 78.

Weitere Inhalte

Reinhard Kapferer, Dr. phil., geb. 1932, Dozent für Auswärtige Politik und Internationale Beziehungen an der Universität Frankfurt. Publikationen u. a.: Der arabische Nationalismus; Die Verfassung der V. Französischen Republik; zahlreiche Aufsätze zu sozio-politischen Problemen der Dritten Welt, besonders des Vorderen Orients.