Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Militärhilfe als Problem deutscher Außenpolitik | APuZ 28/1971 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 28/1971 Der militärisch-industrielle Komplex in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland Militärhilfe als Problem deutscher Außenpolitik

Militärhilfe als Problem deutscher Außenpolitik

Helga Haftendorn

/ 25 Minuten zu lesen

Die Diskussion über die deutsche Beteiligung an dem Cabora-Bassa-Projekt sowie einige weitere Ereignisse in jüngster Zeit haben die Frage nach dem Nutzen von Militär-hilfe aufgeworfen. Die gegenwärtige Regierung hat zwar dem Militärhilfe-Pferd so stark die Zügel angezogen, daß es kaum noch durchgehen kann; aber sie läßt es weiter auf dem Rüstungsparcours reiten. Es mag daher angebracht sein, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit eine solche deutsche Hilfe politisch sinnvoll ist oder ob und wann sie im Gegensatz zu fundamentalen Zielen deutscher Politik steht.

Als Militärhilfe werden hier diejenigen Leistungen bezeichnet, welche die Zurverfügungstellung von Waffen und Gerät sowie von militärischer Ausbildung im Rahmen von Regierungsverträgen an andere Staaten vorsehen. Im Hinblick auf die Militärhilfe der Bundesrepublik ist es zweckmäßig, im einzelnen zu unterscheiden zwischen — NATO-Verteidigungshilfe, — Ausrüstungshilfe und darauf bezogener Ausbildungshilfe sowie — militärischer Ausbildungshilfe. Kommerzielle Rüstungsexporte werden nicht zur Militärhilfe gezählt, gleichgültig, ob es sich nun um Verkäufe von militärischem Gerät aus deutscher Produktion oder um ausgesondertes Bundeswehrmaterial handelt.

I. NATO-Verteidigungshilfe

Abbildung 5

Die NATO-Verteidigungshilfe wird gemäß Art. 3 des NATO-Vertrages geleistet. Ihr Ziel ist die Stärkung des Bündnisses durch wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Verbündeten, insbesondere der wirtschaftlich weniger entwickelten wie Griechenland und die Türkei. Der Anlaß für die NATO-Verteidigungshilfe der BRD war das amerikanische Bemühen, die Europäer zur Übernahme größerer Lasten im Rahmen des Bündnisses zu gewinnen und den eigenen Etat sowie die Zahlungsbilanz zu entlasten. Es fand seinen Niederschlag in einer Empfehlung des NATO-Rates vom 15. Dezember 1962, in der die Mitglieder aufgefordert wurden, Maßnahmen zu ergreifen, die „eine gerechte Aufteilung der gemeinsamen Verteidigungslast . . . gewährleisten". Auf der Tagung der NATO-Verteidigungsminister am 31. Mai und 1. Juni 1965 wurden erneut die „Verteidigungsprobleme Griechenlands und der Türkei im Lichte ihrer wirtschaftlichen Lage" erörtert und an die Mitglieder, insbesondere an die Bundesrepublik, appelliert, diese beiden Länder zu unterstützen. Den größten Anteil an der NATO-Verteidigungshilfe erhielt bislang die Türkei.

(Als Ergänzung zu diesem Beitrag sei auf die 1971 im Bertelsmann-Universitätsverlag, Düsseldorf, veröffentlichte Studie der Verfasserin: „Militärhilfe und Rüstungsexporte der BRD" hingewiesen. Sie enthält ausführliches statistisches Material und Quellenangaben zu dem hier behandelten Thema.)

Von 1964 bis 1970 wurden zwischen Bonn und Ankara sechs Abkommen mit einem Gesamtvolumen von 400 Mio DM geschlossen. Davon sind fünf Tranchen im Wert von 300 Mio DM bis Ende 1970 abgewickelt worden. Die Lieferungen bestanden etwa zur Hälfte aus Überschußmaterial der Bundeswehr —-Jagdbombern, Transportflugzeugen, Kampfpanzern, Geschützen, Kraftfahrzeugen und Fernmeldegerät sowie diversen Ersatzteilen — und aus neuem Gerät deutscher Fertigung — Schnellbooten, Verbindungsflugzeugen, Panzerabwehrraketen und Munition. Ab etwa 1967 wurden auch Industrieanlagen, Lizenzen und technisches know-how zur Fertigung von Waffen und Munition in die Verteidigungshilfe aufgenommen.

Mit'Griechenland wurden drei Abkommen über insgesamt 101, 3 Mio DM abgeschlossen. Die Hilfe war ähnlich strukturiert wie jene an die Türkei; sogenanntes „weiches" Gerät — ein Schwimmdock, Kühlwaggons, Kraftfahrzeuge aller Art sowie Fernmeldeund Sanitätsgerät überwog, aber es wurden auch Jagdbomber, Aufklärer, Schnellboote, Hand-feuerwaffen und Munition geliefert. Nach dem Militärputsch im April 1967 wurden die laufenden Vereinbarungen noch erfüllt, die Lieferung von Waffen jedoch ausgesetzt. In einem einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 2. April 1968 wurde die Bundesregierung aufgefordert, keine bilaterale Hilfe mehr an Griechenland zu leisten, solange dort die demokratischen Verhältnisse nicht wiederhergestellt seien.

Portugal erhielt keine NATO-Verteidigungs-hilfe. Die Regierung in Lissabon erwarb jedoch größere Mengen von Überschußmaterial aus Beständen der Bundeswehr, vor allem Kampf-und Transportflugzeuge. Die deutsche Industrie lieferte Rüstungsmaterial im Wert von etwa 350 Mio DM (LKWs, Geländefahrzeuge und Schiffe). Es ist wahrscheinlich, daß ein Teil dieser Lieferungen mit den Zahlungen verrechnet wurde, die die Bundesregierung für die Benutzung des Luftstützpunktes Beja leistet. Auch wurden an die portugiesische Industrie Rüstungsaufträge im Werte von 350 Mio DM vergeben. Dafür wurde vor allem Munition bezogen und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt.

Da die Bundesrepublik in der westlichen Allianz den Garanten ihrer Sicherheit sieht, ergibt sich für sie mit Notwendigkeit die Verpflichtung zur Unterstützung der Verbündeten. Die sicherheitspolitische Zielsetzung der NATO-Verteidigungshilfe ist daher im Parlament und in der Öffentlichkeit bislang nicht in Frage gestellt worden. Dennoch hat sich in der Vergangenheit eine Reihe von Problemen ergeben. Während des Zypernkonflikts im Jahre 1965 sah sich die Bundesregierung in eine Situation gebracht, in der sie beide Seiten mit militärischer Hilfe unterstüten mußte. Sie reagierte darauf, indem sie der Lieferung von zivilen Gütern den Vorrang gab und das Volumen drastisch reduzierte. Der Militärputsch in Griechenland stellte die Bundesregierung dann vor das Dilemma, zwischen der Verfolgung sicherheitspolitischer Interessen und demokratischer sowie rechtsstaatlicher Grundsätze abwägen zu müssen. Bisher hat sie sich nicht zu einer klaren Entscheidung durchgerungen, wie sie hier die Prioritäten ihrer Politik setzt. Sie hält einerseits am Beschluß des Bundestages von 1968 fest, kein neues Abkommen mit Griechenland abzuschließen, bis das Land zur Demokratie zurückgekehrt ist; andererseits kann das Regime der Obristen in der Bundesrepublik weiterhin Rüstungsmaterial und ausgesondertes Bundeswehrgerät kaufen.

Die Lieferungen an Portugal sind vor allem deshalb problematisch, da Portugal in Afrika einen Kolonialkrieg führt und ein Teil seiner Streitkräfte dort einheimische Befreiungsbewegungen bekämpft. So wurden einige der von der Bundesrepublik gelieferten Flugzeuge und Schiffe in den Kolonien eingesetzt, obwohl die Bundesrepublik alle ihre Lieferungen an Portugal mit der Auflage versieht, daß die Waffen nur im NATO-Gebiet verwandt werden dürfen. Wenn sich auch viele der vom Angola-Komitee behaupteten oder vermuteten Lieferungen deutscher Waffensysteme an Portugal und ihr anschließender Einsatz in Afrika nicht verifizieren lassen bzw. widerlegt werden können, so impliziert doch jegliche militärische Hilfe an Portugal die indirekte Unterstützung des von Lissabon geführten Kolonialkrieges.

II. Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe

Die von der Bundesrepublik gewährte Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe durchlief hinsichtlich ihrer Zielsetzung und ihrer Ausgestaltung drei Phasen, die sich wie folgt charakterisieren lassen: — eine militärische Phase, — eine Polizeiphase und — eine Infrastruktur-oder Pionierphase.

Die deutsche militärische Hilfe setzte ein zu Beginn der sechziger Jahre; zu einer Zeit also, als eine große Zahl ehemaliger Kolonien in Afrika die Unabhängigkeit errang, Der Kalte Krieg dauerte an, und die militärische und wirtschaftliche Unterstützung der jungen Staaten wurde von verantwortlichen Politikern in Ost und West als eine Möglichkeit angesehen, Einfluß zu nehmen auf die Gesellschaftsordnung und die außenpolitische Orientierung dieser Staaten. Diese Einflußnahme mochte sich darauf beschränken, den Völkern Afrikas und Asiens zu innerer Konsolidierung, einer funktionsfähigen Regierung und Schutz vor äußerer Bedrohung zu verhelfen, damit sie in der Lage wären, selbst ihren Platz in der Völkergemeinschaft zu bestimmen. Viele Politiker, wie z. B.der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, sahen aber in dieser Hilfe ein Korrelat zu der Verteidigungsbereitschaft des Westens gegen eine kommunistische Aggression, eine Aktion gegen den internationalen Kommunismus auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet. Für die Bundesrepublik stand dabei das Ziel im Vordergrund, sich politische Einflußzonen gegenüber der DDR zu sichern.

Im Laufe der Jahre wurden die ideologischen Beweggründe abgebaut; weitgehend begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß jede Hilfe vorrangig auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung des betreffenden Landes abzielen müsse. Auf die Lieferung von Waffen und militärischem Groß-gerät wurde verzichtet, statt dessen wurden solche Projekte gefördert, die zur inneren Stabilisierung der Empfängerländer und zur Verbesserung ihrer Nachrichten-und Verkehrs-infrastruktur beitragen. Die Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe rückte damit in die Nähe der verschiedenen Formen der Entwicklungshilfe.

Die deutsche militärische Hilfe ist jedoch zu keiner Zeit Entwicklungshilfe im engeren Sinne gewesen. Sie hat den Prozeß der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in den Empfängerländern sicher in gleichem Maße gefördert — durch Stärkung integrierender oder systemstabilisierender Faktoren und durch die Vermittlung von technischen Fertigkeiten — wie behindert — durch die Festigung militärischer und politischer Strukturen. Bei der Vergabe von Ausrüstungshilfe dominierten politische Überlegungen. Neben der deutschlandpolitischen Motivation waren es vor allem sicherheitspolitische Gesichtspunkte. Ebenso wie die NATO-Hilfe wurde auch sie z. T. unter dem Aspekt des „bürden sharing", der Entlastung der westlichen Vormacht USA, gesehen. Die jungen Staaten sollten in die Lage versetzt werden, mit eigenen Mitteln für ihre Sicherheit zu sorgen.

Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte sprachen für eine derartige Hilfe der Bundesrepublik. Etwa zwei Drittel der Militärhilfe kommt in Form von Aufträgen der deutschen Industrie zugute, das restliche Drittel besteht aus ausgemustertem Bundeswehrgerät. Die Erfahrung zeigt ferner, daß Hilfeempfänger in der Folge verstärkt Rüstungsaufträge an deutsche Firmen geben. Eine Reihe von Programmen waren auch so angelegt, daß alle Kosten für Waffen und Gerät von dem Empfängerland getragen werden sollten, während die BRD die Ausbildungskosten übernahm.

Ein Sonderfall ist die umfangreiche Hilfe an Israel, die im Zusammenhang mit den deutschen Wiedergutmachungsleistungen an den jüdischen Staat gesehen werden muß. Das Abkommen geht auf eine vertrauliche Vereinbarung zwischen Bundeskanzler Adenauer und Premierminister Ben Gurion vom März 1960 zurück. Einzelheiten wurden dann 1962, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Auswirkungen des Eichmann-Prozesses, zwischen den damaligen Verteidigungsministern, Strauß und Peres, vereinbart. Moralisch-politische Beweggründe dominierten dabei über die reale Einschätzung der politischen Situation im Mittleren Osten.

Ausrüstungs-und darauf bezogene Ausbildungshilfe erhielten zwischen 1962 und 1970 18 Länder in Afrika und Asien sowie Israel. Dafür wurden etwa 440 Mio DM aufgewandt. Das erste Abkommen dieser Art wurde Ende 1961 mit dem Sudan abgeschlossen, der etwa ein Viertel des Gesamtbetrages erhielt. Die Mittel wurden für den Aufbau einer motorisierten Grenzschutztruppe und die Modernisierung eines Luftstützpunktes verwandt. Geliefert wurden vor allem Panzerspähwagen, Kraftfahrzeuge aller Art, Pioniergerät und einige kleinere Flugzeuge sowie Waffen und Munition; etwa 200 Soldaten und Techniker wurden in der Bundesrepublik ausgebildet. In Nigeria und Tansania sollte die Luftwaffe von deutscher Seite ausgerüstet und ausgebildet werden. Nach Tansania, wo außerdem ein Küstenschutz aufgebaut werden sollte, wurden bis zur Einstellung des Programms Anfang 1965 einige Schulflugzeuge und Küstenschutzboote, ein Luftwaffenwerkstattzug sowie Handfeuerwaffen und Munition geliefert. Für das nigerianische Programm war keine feste Größenordnung vereinbart worden; es war vorgesehen, daß Nigeria alle Lieferungen — zunächst vor allem Schulund Verbindungsflugzeuge, Noratlas-Transporter sowie eine Luftwerftausrüstung — selbst bezahlen sollte. Die Bundesrepublik übernahm die Kosten der Ausbildung von etwa 550 Technikern und Piloten in Deutschland und entsandte eine aus 32 Offizieren und Unteroffizieren bestehende Beratergruppe nach Nigeria, dessen Chef zeitweilig Kommandeur der nigerianischen Luftwaffe war.

Bei allen drei Projekten ergaben sich politische Probleme, die schließlich zu einer Ein-Stellung der deutschen Hilfe führten. Das sudanesische Programm wurde abgebrochen, als Khartum im Gefolge der Krise in den deutsch-arabischen Beziehung 1965 die Beziehungen zu Bonn abbrach. In diesem Zusammenhang sollte vielleicht darauf hingewiesen werden, daß nicht das Militärhilfeabkommen mit Israel, sondern die deutsche Reaktion auf die Ankündigung eines Offiziellen Besuches Ulbrichts in Kairo die Ursache der deutsch-arabischen Spannungen war. Aber das Abkommen trug zu ihrer Verschärfung bei, und seine Aufdeckung wurde zum Pressionsinstrument der arabischen Staaten gegenüber der Bundesrepublik. Auch die Einstellung der Hilfe an Tansania lag in der deutschlandpolitischen Konzeption der damaligen Bundesregierung begründet. In Übereinstimmung mit der Hall-stein-Doktrin betrachtete Bonn die Errichtung eines Generalkonsulates der DDR in Daressalam als einen unfreundlichen Akt. Die Schwierigkeiten in Nigeria waren anderer Art; hier galt es vor allem eine Verwicklung in den nigerianischen Bürgerkrieg zu vermeiden.

Nach dem Militärputsch im Januar 1966 reduzierte die Bundesrepublik ihre Beratergruppe und vereinbarte eine Modifizierung des Abkommens von 1963. Wenige Tage vor dem offenen Ausbruch des Biafra-Konflikts wurden die letzten Berater abgezogen und die zwei gelieferten Transportmaschinen zurückgekauft. Nachdem in einer Reihe von Fällen die Problematik der Militärhilfe sichtbar geworden war, überlegte man, ob die Bundesrepublik in Zukunft völlig auf militärische Lieferungen an Staaten außerhalb der NATO verzichten solle. Die SPD-Opposition brachte einen entsprechenden Antrag im Bundestag ein. Die Regierung Erhard entschied sich ihrerseits dafür, Waffenlieferungen nur dann zuzugestehen, wenn es sich bei dem Empfängerland nicht um ein Spannungsgebiet handele. Auch sollten in Zukunft weniger rein militärische Vorhaben gefördert werden, als vielmehr solche Maßnahmen, die zur inneren Stabilisierung der Entwicklungsländer beitragen würden. In dieser zweiten Phase deutscher Militärhilfe übernahm Bonn nun die Aufstellung und Ausrüstung von Polizeistreitkräften in Somalia, Äthiopien und Niger. Die deutschen Lieferungen bestanden vor allem aus Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuginstandsetzungseinrichtungen, Fernmeldegerät und Feldzeugmaterial. Waffen und Munition wurden nicht geliefert. Die von der Bundesrepublik aufgebauten Polizeitruppen haben in diesen Ländern eine ähnliche Funktion wie der Bundesgrenzschutz; in Anbetracht der zahlreichen umstrittenen Grenzen in Afrika sollen sie jedoch nicht nur Grenzverletzungen verhindern, sondern können auch zur Untermauerung eigener Gebietsansptüche benutzt werden. Ebenfalls werden sie im Inneren bei Unruhen und zur Niederschlagung von Aufstandsversuchen eingesetzt. Die deutsche Hilfe für Äthiopien wird beispielsweise dadurch belastet, daß die — sichtbar — mit deutschem Gerät ausgerüstete Polizei in den letzten Jahren mehrfach brutal gegen demonstrierende Schüler und Studenten durchgegriffen hat. Auch ist es wahrscheinlich, daß die Grenztruppe in den Kämpfen mit der Eritreischen Befreiungsfront eingesetzt worden ist. Besonders problematisch dürfte jedoch sein, daß Somalia und Äthiopien — übrigens auch Somalia und Kenia, ein weiterer deutscher Hilfeempfänger —, seit mehreren Jahren mit wechselnder Intensität einen Grenzkrieg führen, in dem auf beiden Seiten auch die mit deutscher Hilfe ausgebildeten und mit deutschem Material ausgerüsteten Polizeistreitkräfte zum Einsatz kommen.

Die als Reaktion auf diese Ereignisse folgende „Infrastruktur-oder Pionierphase" deutscher Militärhilfe geht zurück auf eine Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages vom 28. März 1968, in der es heißt: „Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe soll in erster Linie dem Aufbau einer gesunden Infrastruktur in den Empfängerländern dienen, die auch zivilen Bedürfnissen entgegenkommt.“ Geliefert wurden jetzt vor allem Pionier-und Straßenbaugerät, Kraftfahrzeuge aller Art, Transport-und Verbindungsflugzeuge sowie Fernmeldematerial. Als Modell diente das — allerdings schon Mitte der sechziger Jahre begonnene — Programm für Guinea. In Guinea waren mit Mitteln der Ausrüstungshilfe verschiedene Militärfabriken errichtet und dafür Fachkräfte angelernt worden. Ferner übernahm die Bundeswehr die Aufstellung eines Pionierkorps. Etwa 300 Pioniere wurden in der Bundesrepublik ausgebildet, die dann unter Anleitung deutscher Berater und mit von der Bundesrepublik gelieferten Baumaschinen und -geräten in Guinea Straßen und Brücken bauten. Die Hilfe an Guinea, das -nach dem Sonderfall Sudan — den größten Anteil der nach Afrika vergebenen Militär-hilfe erhalten hatte, wurde Ende Dezember 1970 abrupt unterbrochen, als Staatschef Sekou Tour die deutschen Helfer mit der Beschuldigung, sie hätten einen wenig zuvor von Portugiesisch-Guinea aus unternommenen Inva-sionsversuch unterstützt, des Landes verwies. Die Ausrüstungshilfe an den Tschad wirft dagegen die Frage auf, ob es politisch sinnvoll ist, eine Regierung zu unterstützen, deren Streitkräfte in Kämpfe mit Aufständischen im Norden des Landes verwickelt sind und in dem die Ausweitung zu einem Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen werden kann.

In mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich ist das 1966 abgeschlossene und 1969 verlängerte Abkommen mit dem Iran. Der Iran ist — abgesehen von den NATO-Verbündeten und Israel — der einzige nichtafrikanische Staat, der substantielle deutsche militärische Hilfe erhielt. Er ist ferner auch der einzige Staat, dem nach dem Beschluß der Bundesregierung, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern und bei der Gewährung von Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe mehr Zurückhaltung walten zu lassen, größere Mengen an Handfeuerwaffen und Munition überlassen worden waren. Für diese Lieferungen und für den Bau einer Waffen-und Munitionsfabrik stellte die Bundesrepublik insgesamt 40 Mio DM zur Verfügung. Etwa der gleiche Betrag wurde auch von Teheran aufgebracht. Der Iran ist ferner eines der wenigen Länder, bei dem militärische Ausrüstungshilfe, Technische Hilfe und kommerzielle Exporte eng miteinander verzahnt sind.

Für die Gewährung von Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe gelten eine Reihe von Einschränkungen. Auf den Grundsatz, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern, ist bereits hingewiesen worden. Auch ergreift die Bundesregierung nicht von sich aus die Initiative, um einem Staat Hilfe anzubieten, sondern liefert nur, was von dem betreffenden Land selbst gewünscht wird. Jedes Projekt wird von den verantwortlichen Referaten im Auswärtigen Amt und im Verteidigungsministerium unter außenpolitischen, wirtschaftspolitischen und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten geprüft. Detaillierte Vergabekriterien sind niemals festgelegt worden, doch gehen die zuständigen Stellen davon aus, daß die wirtschaftliche und politische Situation des Empfängerlandes stabil sein und daß es der Politik der Bundesrepublik positiv gegenüberstehen sollte. Ferner wurde in der Regel darauf geachtet, daß militärische und Entwicklungshilfe in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, ebenso zu den Leistungen an die Nachbarländer. Die weitestreichende Beschränkung ist zweifellos, daß sowohl der Auswärtige Ausschuß als auch der Haushaltsausschuß des Bundestages jedem Abkommen zustimmen müssen. Eine entsprechende Bestimmung wurde 1966 auf Initiative der SPD in das Haushaltsgesetz aufgenommen. 1968 ersuchte der Bundestag darüber hinaus die Bundesregierung, den Auswärtigen Ausschuß bereits vor der Aufnahme verbindlicher Verhandlungen zu konsultieren. Damit ist für die Ausrüstungsund Ausbildungshilfe — ebenso wie für die NATO-Verteidigungshilfe — die Möglichkeit einer politischen Kontrolle gegeben.

III. Militärische Ausbildungshilfe

Unabhängig von der auf die Ausrüstungshilfe bezogenen Ausbildungshilfe führt die Bundeswehr noch ein weiteres Ausbildungsprogramm durch. Während im Rahmen der Ausrüstungshilfe eine Ausbildung nur erfolgt, „soweit sie für die fachgemäße Verwendung des Materials geboten ist", umfaßt jenes andere Programm die Ausbildung von Truppen-und General-stabsoffizieren sowie Offiziersanwärtern aus verbündeten und befreundeten Ländern. In einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums heißt es, das Ziel dieser Ausbildungshilfe sei es, „bei relativ geringem Kostenaufwand eine langfristige Wirkung zu erreichen. Es werden auf diese Weise Freunde gewonnen, die die deutschen Verhältnisse kennenlernen und verstehen."

Bislang sind von der Bundeswehr im Rahmen dieses Programms etwas mehr als 1000 Soldaten und Offiziere aus ca. 25 Ländern in Westeuropa, Südamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Asien ausgebildet worden. Dafür stehen im Bundeshaushalt im Jahr etwa 1/2 — 3/4 Mio DM zur Verfügung; hinzu kommen einige Allgemeinkosten, die aus anderen Haushaltstiteln genommen werden. Einzelheiten, insbesondere die Nationalität der Teilnehmer und die besuchten Einrichtungen sowie die Dauer der Ausbildung, sind nur in wenigen Fällen be-kannt. Das Verteidigungsministerium verweigert jede Auskunft mit der Begründung, mit den Entsendestaaten sei Vertraulichkeit vereinbart worden. Lediglich über die Ausbildungsprogramme für afrikanische Soldaten und Offiziere gelangten Details an die Öffentlichkeit. Bekannt wurde vor allem, daß die Luftwaffe Mitte der sechziger Jahre einige libysche Piloten und Techniker in der Bundesrepublik ausgebildet hatte. Auch Nigeria und Togo, Indonesien, Thailand und der Iran sowie neutrale Länder wie Schweden und Österreich, haben Kadetten und Offiziere zur Ausbildung in die Bundesrepublik geschickt. Unter besonders strenger Geheimhaltung lief das Israel-Programm. Es ist auch nicht festzusteilen, ob die Ausbildung von Truppen-und technischen Offizieren ebenfalls 1965 mit der Einstellung der Militärhilfelieferungen abgebrochen wurde. Erstaunlich ist ferner, daß in den Jahren 1964 bis 1967, zu einem Zeitpunkt also, als das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und dem Sudan keineswegs mehr demjenigen „befreundeter Länder" entsprach, 15 sudanesische Offiziere eine nachrichtendienstliche Kurzausbildung bei der Bundeswehr bekamen.

überblickt man die verschiedenen Ausbildungsprogramme, so dominiert bei denjenigen für außereuropäische Teilnehmer die technische Spezialausbildung. Die Schlußfolgerung liegt daher nahe, daß der Hauptwert der Aus-bildungshilfe in der Vermittlung von technischem know-how liegt und diese damit direkt oder indirekt zu einer Hebung des Lebensstandards in den Heimatländern beiträgt. Spezialuntersuchungen kommen jedoch zu dem Ergebnis, daß infolge organisatorischer und methodischer Probleme die Vermittlung technischen Wissens nicht in dem Maße erfolgt, wie es die Zahl von schätzungsweise rund 2000 bis 2500 in der Bundesrepublik entsandten Soldaten aus Entwicklungsländern vermuten läßt.

IV. Umfang und Bedeutung der deutschen Militärhilfe

Um die Bedeutung der deutschen Militärhilfe zu ermessen, ist es nützlich, sie mit anderen Leistungen der Bundesrepublik gegenüber Entwicklungsländern zu vergleichen sowie sie in Relation zu stellen mit den Aufwendungen anderer westlicher Staaten.

In den zehn Jahren von 1961 bis 1970 wurde für die verschiedenen Militärhilfeprogramme eine knappe Milliarde DM aus Bundesmitteln aufgewandt, und zwar für NATO-Verteidigungshilfe 368 Mio DM Ausrüstungshilfe 440 Mio DM Ausbildungshilfe 18 Mio DM Entschädigung für eingestellte Militärhilfe an Israel 140 Mio DM Insgesamt 966 Mio DM Diese Berechnung stützt sich auf die Haushaitrechnung für die Jahre 1962 bis 1970. Sieht man einmal ab von den Lieferungen an Israel und einem kleineren Abkommen mit Kenia, das im Rahmen des deutsch-britischen Devisenausgleichs abgewickelt wurde, so ist es wenig wahrscheinlich, daß — wie vielfach behauptet wird — in den verschiedenen Bundeshaushalten größere verschleierte Beträge oder „Geheimtitel''für Militärhilfe enthalten sind. Angesichts des Aufsehens, das die Israel-Lieferungen auslösten, und der Kritik, die im Bundestag an der Vergabe der Militärhilfe geäußert wurde, wären derartige Beträge in den Bundeshaushalten der letzten Jahre sicher nicht der Aufmerksamkeit der Parlamentarier entgangen.

Durchschnittlich wurden für Militärhilfe in den Jahren 1961 bis 1970 97 Mio DM ausgegeben; das entspricht etwa 0, 6 0/0 des Verteidigungshaushaltes im Zehnjahresdurchschnitt. Ein Maximum erreichten die Aufwendungen für die Militärhilfe 1965 mit 165, 4 Mio DM im ordentlichen und 140, 0 Mio DM im außerordentlichen Haushalt. In den folgenden Jahren nahmen sie dann ständig ab, um sich gegenwärtig bei 93 Mio DM einzupendeln. Bei einem Verteidigungshaushalt von 20, 35 Mrd DM (1970) machen sie 0, 46 °/o der militärischen Ausgaben aus. Außerdem zeigt sich heute eine Umkehrung des Verhältnisses von NATO-Verteidigungshilfe und Ausrüstungshilfe für außer-europäische Staaten. Während in den ersten fünf Jahren die Leistungen für die Ausrüstungshilfe das Dreifache der Hilfe für die NATO-Verbündeten ausmachten, so geht seit 1967 nur noch ein Drittel der Gesamthilfe in den außereuropäischen Bereich. Ein Vergleich der deutschen Militärhilfe mit derjenigen anderer westlicher Staaten stößt auf zahlreiche Schwierigkeiten, die auf die Unzulänglichkeit der veröffentlichten Daten zurückzuführen sind. Für die Jahre 1964 und 1966 ergeben sich folgende ungefähre Zahlen (in Mio DM):

Damit lag die deutsche Militärhilfe in ihrer Größenordnung unter — oder zwischen — der britischen und der französischen.

Für die Frage möglicher Abhängigkeiten ist von Interesse, in welchem Verhältnis die deutsche Militärhilfe zu den Verteidigungsaufwendungen der Empfänger steht. Sie entspricht im Durchschnitt 7 °/o der eigenen Verteidigungsausgaben. Bei zwei Dritteln aller Länder liegt sie unter diesem Mittel, bei zwei Ländern über 10 % und bei drei Ländern über 20%. Am höchsten liegt der Anteil bei Togo: Gemessen an einem Verteidigungsetat von umgerechnet 16, 2 Mio DM (für 1970 und 1971) macht die — bescheidene — deutsche Hilfe von 4 Mio DM fast 25 % des Etats aus. Sehr hoch war anteilsmäßig auch die dem Sudan und Guinea gewährte Ausrüstungshilfe.

Des weiteren sollen die Leistungen der Bundesrepublik für Entwicklungshilfe mit denjenigen für Militärhilfe verglichen werden. Von 1962 bis 1968 wurden für Entwicklungshilfe (private und öffentliche Leistungen) 24 786 Mio DM und für Militärhilfe 785, 5 Mio DM aufgewandt, das sind rund 3 °/o. Der Anteil der amerikanischen Militärhilfe an der gesamten Auslandshilfe betrug im gleichen Zeitraum 28, 5 %. In den Jahren 1964, 1965 und 1966, als die deutsche Militärhilfe ein Maximum erreicht hatte, lag ihr Anteil bei 5, 1%, 9, 5% und 3, 6%; er sank in den letzten Jahren stetig und dürfte gegenwärtig bei etwa 1 % liegen. Ein anderes Bild erhält man jedoch, wenn man die Militärhilfe mit den Leistungen der öffentlichen Hand für Auslandshilfe, vor allem für bilaterale Technische Hilfe vergleicht. 1965 wurden für Technische Hilfe 703, 4 Mio DM und für Militärhilfe 305, 4 Mio DM aufgewandt; im folgenden Jahr waren es 450, 9 Mio DM bzw. 108, 9 Mio DM. Heute hat die zivile Hilfe aber wieder eindeutiger den Vorrang; weniger als 5 % der Mittel der öffentlichen Hand für Entwicklungshilfe gehen in die Militärhilfe. (1970: 2, 2 Mrd. DM staatliche Entwicklungshilfe gegenüber 93, 7 Mio DM für NATO-Verteidigungs-und Ausrüstungshilfe.) Diese Angaben bedürfen jedoch der Relativierung. Ein Betrag von 30 oder 40 Mio DM wiegt nicht viel für die Bundesrepublik, seine Wirkung in einem Entwicklungsland mit niedrigem Bruttosozialprodukt ist ungleich größer. Dazu ist festzustellen, daß die Bundesregierung bemüht war und ist, die einem Land gewährte Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe in einem ausgewogenen Verhältnis zu der gewährten Entwicklungshilfe zu halten. So waren dem Ausrüstungshilfe-Abkommen mit Tansania (1963) in Höhe von 42, 2 Mio DM Zusagen über Kapitalhilfe und Technische Hilfe in Höhe von 77 Mio DM vorausgegangen. Bis Ende 1968 hatte Äthiopien 65 Mio DM Technische Hilfe und 34 Mio DM Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe erhalten. In der Regel betrug die zivile Hilfe ein Vielfaches der militärischen. Eine Ausnahme bildete lediglich der Sudan, der etwa ebensoviel Zivil-wie Militärhilfe erhielt. Bei Indien, Tunesien, Jordanien und Marokko machte die Militär-hilfe nur einen Bruchteil der Gesamthilfe aus. Bislang bekam kein Land Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe, das nicht auch Entwicklungshilfe empfing.

Während sich in der Militärhilfe eine rückläufige bzw.seit 1968 etwa gleichbleibende Tendenz abzeichnet, stiegen im gleichen Zeitraum jedoch die Rüstungsexporte der Bundesrepublik. Diese setzen sich zusammen aus Verkäufen von ausgesondertem Bundeswehrmaterial, von Waffen und Waffensystemen gemäß der Definition des Kriegswaffenkontrollgesetzes sowie von neuem Rüstungsmaterial ohne Waffen. Die Größenordnung dieser Exporte läßt sich nicht zuverlässig bestimmen, der Beobachter ist auf grobe Schätzungen angewiesen. In den Jahren 1965 bis 1970 betrug das Gesamtvolumen der deutschen Rüstungsexporte etwa 3, 1 Mrd. DM, davon 227 Mio DM ausgesondertes Bundeswehrmaterial. Etwa 80 % der Lieferungen gingen an NATO-Staaten. Obwohl im Verhältnis zum Gesamtexport die Rüstungsexporte nur einen verschwindend kleinen Prozentsatz ausmachen — 0, 4 bis 0, 8 % —, haben sich an ihnen in der Vergangenheit eine Reihe politischer Konflikte entzündet, die eine Überprüfung der bisherigen Genehmigungspraxis ratsam erscheinen lassen.

V. Politische Probleme der Militärhilfe

Die gegenwärtige Bundesregierung ist mit einem Programm der „Friedenspolitik" angetreten. Sie versteht darunter den Ausgleich mit Osteuropa, die Vertiefung der Zusammenarbeit mit Westeuropa und im nordatlantischen Raum sowie Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern. Die Glaubwürdigkeit dieser Friedenspolitik erfordert eine Überprüfung der Militärhilfe-Politik, da diese eine Reihe von Zielkonflikten für die Politik der Bundesrepublik aufwirft.

Eines der grundlegenden politischen Axiome der Bundesrepublik ist die Zugehörigkeit zum Atlantischen Bündnis. Seine militärische und politische Stärke wird als die beste Garantie für die Sicherheit betrachtet. Die NATO-Ver-teidigungshilfe ist Ausdruck dieser Politik. Gleichzeitig bekennt sich die Bundesrepublik im Grundgesetz zu „unverletztlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt". Zu einer Interessenkollision kommt es dann, wenn einer der NATO-Verbündeten, der von der Bundesrepublik Hilfe erheischt, diese Menschenrechte mißachtet. Das Regime der Obristen in Griechenland und das in einen Kolonialkrieg verwickelte Portugal sind, wie hier ausgeführt wurde, dafür Beispiele.

In der Diskussion zu diesem Thema wurde verschiedentlich der Versuch gemacht, bei Lieferungen in diese Länder zwischen offensiven und defensiven Waffen — zwischen solchen, die nur gegen einen äußeren Feind, und solchen, die auch im Innern eingesetzt werden können — zu unterscheiden. Doch was sind defensive oder nichtaggressive Waffen? Die Schul-und Transportmaschinen, die die Bundesrepublik im Rahmen der Militär-hilfe liefert, eignen sich besser zum Einsatz im Dschungelkrieg als Überschallbomber. Die Verwendung von Trainern zum Kampfeinsatz im Biafra-Konflikt beweist dies. Doch selbst wenn eine derartige Unterscheidung auch theoretisch möglich ist, wäre sie problematisch. Gerade ein Militärregime bezieht aus der Stärkung des ihm zur Verfügung stehenden militärischen Potentials politische Macht — nach innen und nach außen.

Neben der Alternative, entweder den sicherheitspolitischen Gesichtspunkten Vorrang zu geben oder aber alle militärischen Lieferungen an Griechenland einzustellen, bis das Land zur Demokratie zurückgekehrt ist, gibt es möglicherweise noch eine dritte Option. Sie besteht in dem völligen Verzicht auf nationale Militärhilfe und ihrer Multilateralisierung im Rahmen der Allianz. Diese könnte darin bestehen, daß im NATO-Rat über die Vergabe von Verteidigungshilfe unter militärischen und politischen Gesichtspunkten entschieden und die Leistungen über eine NATO-Be-hörde abgewickelt werden. Die Kosten würden sich auf alle beteiligten Staaten verteilen, ähnlich wie es bei dem Infrastruktur-programm geschieht.

Eine derartige „Multilateralisierung" der Verteidigungshilfe würde zweifellos nicht alle mit ihr verbundenen Probleme aus der Welt schaffen. Wahrscheinlich würden sich nicht alle Mitglieder der Allianz an einem derartigen Pool beteiligen. Gerade im Fall Griechenland gehen die Auffassungen, z. B.der USA und der skandinavischen Staaten, sehr weit auseinander; es wäre daher zu prüfen, ob mit der Übertragung der Verantwortung für die Militärhilfe an die NATO als Ganzes nicht neue Spannungen in die Allianz getragen würden. Andererseits könnten die Mitglieder eines Verteidigungshilfe-Pools stärkeren politischen Druck ausüben, als es ein einzelnes Land vermag. Natürlich würde es auch nicht im Interesse der Bundesrepublik liegen, zwar den „Schwarzen Peter" an eine supranationale Behörde weiterzugeben, aber innerhalb dieser zu finanziellen Leistungen verpflichtet zu sein, ohne auf die Vergabe angemessen einwirken zu können.

Der Zielkonflikt der militärischen Ausrü-stungs-und Ausbildungshilfe an die außer-europäischen Staaten ergibt sich aus ihrer dualistischen Zweckbestimmung. So soll sie einmal der Stärkung der bewaffneten Macht des Empfängerlandes und zur Festigung seiner äußeren und inneren Sicherheit dienen, zum anderen beim Aufbau einer gesunden Infrastruktur mithelfen, die auch zivilen Bedürfnissen entgegenkommt. Eine „zivile Militär-hilfe" — ist das nicht ein Widerspruch in sich? Betrachtet man die in den letzten Jahren mit afrikanischen Staaten abgeschlossenen Abkommen, so dominieren die Lieferungen von Kraftfahrzeugen, Fernmeldeanlagen, Straßenbau-und Pioniergerät sowie die Ausbildung von Technikern und Pionieren. Die Frage stellt sich daher, ob die Ausrüstungs-und Aus-bildungshilfe nach dem Auslaufen der bisherigen Abkommen Ende 1971 eingestellt bzw. geeignete Programme in die Technische Hilfe einbezogen werden und sich ihre Vergabe an den für sie gültigen Kriterien orientieren sollte. Dadurch könnte nicht nur der zivile Charakter aller deutschen Hilfsprogramme herausgestellt werden, sondern die Vergabe könnte sich auch stärker am Gesamtentwicklungsplan des Empfängerlandes orientieren.

Zur Einstellung der Militärhilfe sollten die Bundesregierung sowohl die negativen Erfahrungen als auch die Erkenntnis veranlassen, daß sie ein stumpfes Instrument ist, um die Interessen der Bundesrepublik in der Dritten Welt wirksam zu fördern. Mitte der sechziger Jahre war bereits am Beispiel des Israel-Abkommens demonstriert worden, wie vorzüglich sich Rüstungslieferungen als Pressionsinstrument benutzen lassen. Auf der Konferenz der Staatschefs der OAU in Addis Abeba und der Konferenz der Blockfreien in Lusaka fand sich die Bundesrepublik im vergangenen Jahr erneut auf die Anklagebank gesetzt. Sie wurde — trotz mehrfacher Richtigstellung — beschuldigt, die Republik Südafrika militärisch unterstützt zu haben. Für die Verurteilung der Bundesrepublik stimmten dort gerade diejenigen Staaten, die umfangreiche Militärhilfe erhalten hatten, wie z. B. Äthiopien und Somalia. Und erst jüngst demonstrierte Guinea, das Paradepferd deutscher Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe, wie wenig es sich durch diese Hilfe zu einem „Wohlverhalten" gegenüber dem Geberland verpflichtet fühlt.

Eines der Ziele deutscher Militärhilfe-Politik war die Sicherung innenpolitischer Stabilität in den jungen Staaten Afrikas. Die jüngste Geschichte dieses unruhigen Kontinents bietet zahlreiche Beispiele dafür, wie wenig eine starke Armee ein Garant für innere Stabilität ist. Die Lieferungen von militärischem Material haben im Gegenteil dazu beigetragen, regionale Rüstungswettläufe zu stimulieren, 2 B. im Horn von Afrika. Die Bundesrepublik hat sich gegen den Vorwurf, ihre Politik trage zur Erhöhung der Konfliktgefahr bei, zu schüt-zen versucht, indem sie keine Waffen in Spannungsgebiete liefert. Der Begriff „Spannungs-gebiet"

ist jedoch sehr vage und sagt im runde wenig aus. Eines der größten Spannungsgebiete ist derzeit neben dem Nahen Osten und Südostasien der Mittelmeerraumeinschließlich der Südflanke der NATO. -nd noch ein weiterer Gesichtspunkt ist hier zu berücksichtigen: Wer sichert die Bundesrepublik davor, daß eine Region, die heute noch stabil scheint, nicht morgen schon zum akuten Spannungsgebiet wird? Nigeria war ein Beispiel dafür.

Bislang gibt es keine überzeugenden Beweise dafür, daß eine Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe den außenpolitischen und entwicklungspolitischen Zielen der Bundesrepublik besser dienen könnte als Entwicklungshilfe-Vorhaben. Nach einem Bericht des Auswärtigen Amtes und des Verteidigungsministeriums, der im Sommer 1969 dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages vorlag, sollen alle Empfänger erklärt haben, daß die Militärhilfe nicht durch andere Maßnahmen ersetzbar sei — wobei drei Länder ihr eine besondere Priorität zuerkannten, zwei aber eine solche verneinten. Als Begründung wurde genannt, daß diese Form der Hilfe im besonderen Maße die innere und äußere Sicherheit gewährleiste, die nationale Integration fördere und zur Verbesserung der Infrastruktur beitrage. In Bonn wird ferner darauf hingewiesen, daß der stets einsatzbereite Apparat der Bundeswehr eine schnelle und damit effektive Hilfe garantiere. Diese Gründe dürften jedoch weniger für die Militärhilfe als gegen die Art und Weise sprechen, wie bisher die Technische Hilfe durchgeführt wurde. Auch das des öfteren gebrauchte Argument, Ausrüstungs-und Ausbildungshilfe sei „billiger Einfluß", dürfte keine zureichende Begründung enthalten..

Wenig tauglich erweist sich auch eine Militärhilfe-Politik mit gesellschaftspolitischen Vorzeichen. In den ersten Jahren spielte bei der Vergabe der Mittel die Erwartung eine Rolle, daß durch die deutsche Hilfe privat-kapitalistische Strukturen in der Dritten Welt gestärkt würden, während linke Kritiker heute in ihr ein Instrument des Neo-Imperialismus sehen. Die Tatsache, daß die deutsche Hilfe an Staaten mit sehr unterschiedlichen Staats-und Gesellschaftssystemen wie z. B. Guinea und Äthiopien geht, widerlegt jedoch die Annahme einer einseitigen ideologischen Ausrichtung. Das Beispiel Guinea und Äthiopien demonstriert zugleich aber auch die Fragwürdigkeit von Bestrebungen, die sich die Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit dem Instrument der Militärhilfe zum Ziel setzen. Zum Scheitern verurteilt wäre auch eine Politik, die auf die Herbeiführung gesellschaftspolitischer Veränderungen abzielte. Auf der anderen Seite ist die Militärhilfe gesellschaftspolitisch nicht neutral; sie hat die Ten-denz zur Verfestigung bestehender Strukturen und damit zur Erschwerung sozialen Wandels. Auf die Fragwürdigkeit der deutschlandpolitischen Zielsetzung braucht nicht mehr besonders hingewiesen zu werden; sie ist von der Bundesregierung bereits weitgehend aufgegeben worden. Die Vergabe von Ausrüstungshilfe wird nicht mehr davon abhängig gemacht, ob die Empfänger den Standpunkt der Bundesregierung in der deutschen Frage teilen. In den Vordergrund ist der Wunsch getreten, die Beziehungen zu den Entwicklungsländern freundschaftlich und kooperativ zu gestalten. Ihre gegenwärtige Rüstungspolitik hat der Bundesrepublik manchen Arger und Verdächtigungen seitens der jungen Nationen eingebracht; eine Begrenzung auf den NATO-Bereich würde von ihnen jedoch nicht uneingeschränkt begrüßt werden. Besonders von den betroffenen Staaten würde der Vorwurf der Diskriminierung der Entwicklungsländer erhoben werden. Dieser Vorwurf verlöre nur dann an Überzeugungskraft, wenn alle freiwerdenden staatlichen und privaten Mittel ganz in der Entwicklungshilfe investiert würden.

Eine Beschränkung aller militärischen Lieferungen und Leistungen auf die NATO-Verbündeten trüge den Sicherheitsinteressen der Bundesregierung voll Rechnung. Gegen eine derartig restriktive Politik ist jedoch eingewandt worden, daß sie den außenpolitischen Handlungsspielraum der Bundesrepublik unnötig einenge. Zweifellos gibt es wirtschaftspolitische und rüstungspolitische Interessen, die für eine Fortführung oder sogar Intensivierung der Militärhilfe sprechen mögen. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß es der deutschen Politik nur in den wenigsten Fällen gelungen ist, Militärhilfe zur Unterstützung der Kern-ziele der deutschen Außenpolitik wirksam einzusetzen. Sie war zum einen zu gering, um nachhaltige politische Wirkungen zu erzielen, anderseits zu umfangreich, um unbemerkt zu bleiben. So hat sie sich in der Vergangenheit als eine politische Belastung erwiesen. Auch der Hinweis auf das Beispiel anderer Staaten ist kein Beweis für das Gegenteil. Die Vereinigten Staaten sind eine Weltmacht, ihre Rüstungspolitik hat notwendigerweise globale Dimensionen. Militärhilfe und Waffenexporte, ihre Vergabe und ihre Verweigerung dienen dazu, das militärische Gleichgewicht zu erhalten, Krisen unter Kontrolle zu bringen oder Konflikte auszutragen, militärische Verbündete und politische Partner zu gewinnen. Sie dienen in vielen Fällen als Ersatz für die Präsenz amerikanischer Truppen, sie sollen die amerikanische Zahlungsbilanz ausgleichen und sind ein Instrument politischer Einflußnahme. Auch für Frankreich und Großbritannien ist die Ausgangssituation anders. Beide haben traditionelle Verpflichtungen gegenüber vormals abhängigen Gebieten; in dem Maße, in dem sich diese auch rüstungspolitisch von den alten Metropolen lösen, suchen Paris und London mit Hilfe einer expansiven Rüstungspolitik ihren ehemaligen Großmacht-Status zu konservieren.

Im Gegensatz dazu ist die Bundesrepublik eine Macht mittlerer Größenordnung, sie verfolgt keine über Europa und den nordatlantischen Raum hinausgehende politische Interessen. Ihre Sicherheitsund Außenpolitik unterliegt aus historischen und geographischen Gründen einer Reihe von Beschränkungen. Es ist daher naheliegend, daß sich ihr unterschiedliches politisches Selbstverständnis auch in einer anderen Militärhilfe-Politik ausdrückt.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Helga Haftendorn, Dr. phil., Jahrgang 1933, Studium der Politischen Wissenschaft, neueren Geschichte und Philosophie in Heidelberg, Frankfurt a. M. und USA; 1960 Promotion; von 1958 bis 1968 erst Redakteurin im Europa-Archiv, dann wissenschaftliche Referentin im Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Bonn; seit 1969 Wiss. Rat und Dozentin an der Universität Hamburg. Hauptarbeitsgebiet: Internationale Politik, insbes. Fragen der Abrüstung und der internationalen Sicherheit. Veröffentlichungen u. a.: Europäische Sicherheitskonferenz, Opladen 1970 (zus. mit Hans-Peter Schwarz); Militärhilfe und Rüstungsexporte der BRD, Düsseldorf 1971; Schrift-leitung der Reihe „Rüstungsbeschränkung und Sicherheit", Frankfurt 1964 ff.