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Zur jüngeren Wirtschaftsgeschichtsschreibung in der DDR über den „deutschen Imperialismus" | APuZ 33/1971 | bpb.de

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APuZ 33/1971 Zur jüngeren Wirtschaftsgeschichtsschreibung in der DDR über den „deutschen Imperialismus" Artikel 1

Zur jüngeren Wirtschaftsgeschichtsschreibung in der DDR über den „deutschen Imperialismus"

Wilhelm Treue

/ 78 Minuten zu lesen

Situation und Ausgangstage

Aus zwei Gründen ist es nicht einfach, dieses Thema zu behandeln. Der erste liegt in der Tatsache, daß es seit dem Bestehen einer Geschichtsauffassung, die sich an den Theorien von Marx und Engels sowie an deren Modifizierungen insbesondere durch und seit Lenin orientiert, eine marxistisch-leninistische kommunistische Historiographie gibt, die für sich in Anspruch nimmt, allein wissenschaftlich zu sein. Denn, so erklärt man, sie folge im Gegensatz zur „bürgerlich" und „kapitalistisch", auch „imperialistisch" genannten traditionellen Geschichtsschreibung unabänderlichen „Gesetzen“ des historischen Ablaufs und nicht den mehr oder weniger durchsichtigen Interessen derer, die Geschichte schreiben oder schreiben lassen.

Der zweite Grund findet sich in der zeitlichen Begrenzung des Begrilfs Imperialismus und damit auch in dessen Bedeutung und Inhalt. Es soll hier nicht eine Studie über „sozialistische" und sozialistisch beeinflußte Theorien des Imperialismus vorgelegt werden. Betont sei jedoch, daß man bei der Interpretation, es handele sich hier um das „höchste" und letzte „Stadium des Kapitalismus" (so Lenin 1917), zu beachten hat, daß es einstweilen für dieses Stadium weder eine genaue Fixierung seines Anfangs noch seines Endes gibt: Es begann um 1880/1900 und wird durch den siegreichen Sozialismus-Kommunismus endgültig abgelöst werden — womit der gesetzliche Ablauf der Geschichte seinen Abschluß erreicht haben wird.

Es ist festzuhalten, daß nach der kommunistischen Auffassung der Imperialismus in unserer Gegenwart unverändert, wenn nicht gar gegenüber früheren Jahrzehnten verschärft und intensiviert anhält, wobei die kommunistische Geschichtsschreibung über den Imperialismus auch unsere unmittelbare Gegenwart ständig in ihre Darstellung mit einbezieht und prinzipiell zwischen Bismarck, Hindenburg, Hitler, Adenauer, Kiesinger und Brandt keinen Unterschied macht. Zugleich müssen wir uns, was den Anfang dieses Zeitabschnittes betrifft, damit begnügen, daß er ohne festlegende Datierung von Marx und Engels um einiges früher angesetzt wurde als von Kautsky, Hilferding, Luxemburg und insbesondere Lenin, die ihn ihrer Gegenwart, das heißt der Zeit des Heraufziehens des großen imperialistischen Krieges bzw. diesem selbst, zuordneten. Typisch für diese Situation ist es, daß G. W. Hallgarten 1951 sein Werk „Imperialismus von 1914" nennen konnte.

In den 25 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind in Deutschland zunächst östlich der Zonengrenze erheblich mehr Bücher über „imperialistische" Themen veröffentlicht worden als westlich von ihr. Derartige Veröffentlichungen standen von Anfang an eindeutig und zugegebenermaßen im engsten Zusammenhang mit der kurz-und langfristigen Politik des Kommunismus, während im Westen die Mehrzahl der Wissenschaftler sich entweder nach den Erfahrungen mit Nationalsozialismus und „Entnazifizierung" aus diesem Bereich der politiknahen und politisierten Geschichtsschreibung heraushielt oder sich ausschließlich der Geschichte und Vorgeschichte des Dritten Reiches im engsten Sinne zu-wandte. Das hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre beträchtlich geändert. Die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen — ein Qualitätsvergleich gehört nicht hierher — ist heute, wie allein schon ein Blick auf die Zeitschriftenaufsätze zeigt, in der Bundesrepublik erheblich größer als in der DDR, ganz abgesehen davon, daß es dort die Literaturgattung der Memoiren von Brüning und Pünder über Speer bis zu Adenauer überhaupt nicht gibt. Doch handelt es sich hier nicht bzw. nicht nur in erster Linie um eine quantitative Frage. Die Geschichtsschreibung in der DDR besitzt seit ihren Anfängen, gestärkt durch die Tradition der sowjetischen Geschichtsschreibung und durch die Werke der „Klassiker des Sozialismus" vom Kommunistischen Manifest bis zu den unmittelbaren russischen Revolutionsschriften, ein festes Fundament für jeden, der sich überhaupt mit Geschichte, insbesondere aber mit der des Kapitalismus beschäftigt. Dort findet er Anfang und Ende aller Betrachtungsweise — und nicht allein das; er findet beide auch im Rahmen einer großen Konzeption, einer weltweiten Strategie, die Vergangenheit und Zukunft, Asien wie Europa und Amerika umfaßt. Wohin auch immer der Historiker sein Interesse wendet, er findet dort den gleichen Ablauf der Geschichte, insbesondere nach der gleichen Unterdrückung das gleiche sozialistische Ziel der klassenlosen Gesellschaft in Frieden und Glückseligkeit. Und der Historiker in der DDR darf sich als ein Instrument, als ein Mitkämpfer auf diesem großen Triumphzug empfinden.

Einer solchen heroischen und „humanistischen" Auffassung hatte der bürgerliche Historiker weiter nichts entgegenzustellen, als daß er nach immer mehr Erkenntnis der Wirklichkeit strebte, nach Aufklärung, nach Wissen und Bildung, was immer man sich darunter für das Individuum und die Gesellschaft vorstellen mochte. Das hat sich freilich geändert, seitdem die modernen Sozialwissenschaften entwickelt worden sind und der Historiker begonnen hat, sich ihrer Methoden zu bedienen, mit ihren Vertretern zu diskutieren; seitdem er in diesem Zusammenhang auch immer stärker die „Klassiker des Sozialismus" selbst studiert, ihre Werke ohne ideologische Strategie-zwänge interpretiert und die Ergebnisse in seine gegenüber der des 19. Jahrhunderts beträchtlich modifizierte Geschichtsbetrachtung einbezogen hat.

Diese Modernisierung der „bürgerlichen" Geschichtsschreibung hat viele Ansätze: außer solchen, die in Deutschland selbst vorwiegend im Zusammenhang mit dem Erlebnis des internationalen Sozialismus und des Nationalsozialismus entstanden, sozialgeschichtliche bei der fruchtbaren Frühzeit der „Annales" sowie bei der Naturwissenschafts-und Technikgeschichte in Frankreich, allgemeine wirtschafts-und spezielle betriebsgeschichtliche in den USA gesellschaftsgeschichtliche bei den jüngeren Historikergenerationen in Großbritannien und natürlich auch einige in der Sowjetunion. Mindestens ebenso wichtig ist, daß die bürgerlichen Historiker bei diesen neueren Bestrebungen Themen aufgegriffen haben, die bis dahin den „sozialistischen" Historikern reserviert schienen, und in gewissermaßen sozialistisch-historischen Zusammenhängen Fragen gestellt haben, welche der orthodoxe marxistische Historiker im kommunistischen System nicht stellen darf, daß sie schließlich begonnen haben, aus guter Kenntnis von Problemen und Methoden die schriftliche und mündliche Diskussion mit den Vertretern der kommunistischen Geschichtsschreibung zu suchen, die frühere Generationen teils aus dem Gefühl der unerschütterlichen Überlegenheit, teils aus Unsicherheit und Kenntnislosigkeit gemieden hatten.

Das ist zweifellos fruchtbar für beide Seiten, zugleich aber auch unbequem für die kommunistische: Sie sieht sich auf ihrer alten Domäne Fragen gegenübergestellt, deren Existenz sie nicht einfach mehr leugnen, deren Berechtigung sie nicht kurzerhand bestreiten kann. Sie muß heute entweder ein ebenso veraltetes wie trotziges Handbuch „Kritik der bürgerlichen Geschichtsschreibung" (hrsg. v. Werner Berthold, Gerhard Lozek, Helmut Meier, Walter Schmidt In dem noch in einem anderen Zusammenhang zu nennenden Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1970) schreiben, das wie eine orthodoxe Schutzmauer für wissenschaftlich Verunsicherte in der DDR gegen unerlaubtes Gedankengut aus der jüngeren Geschichtsschreibung im Westen erscheint, oder sie muß es wagen, sich mit der westlichen GeschichtsSchreibung so intensiv auseinanderzusetzen, wie diese mit der östlichen. Sie muß die modernen Methoden und Fragestellungen der westlichen Geschichtsschreibung zur Kenntnis nehmen, ihre Ergebnisse in ihre eigenen Darstellungen einbeziehen — natürlich immer nur soweit, daß die Unantastbarkeit der „Klassiker des Sozialismus" bestehen bleibt.

Für beide Seiten ergeben sich also Anregungen und Fierausforderungen: Trotz vieler interessanter und anregender Einzelschritten gibt es in der Bundesrepublik eine moderne Gesellschaftsgeschichte Deutschlands In der Zeit des Hochkapitalismus, der Weimarer Republik, des Dritten Reiches oder der Bundesrepublik in der Zeit Adenauers so wenig wie eine solche des 17. und 18. Jahrhunderts. Und zweifellos könnten derartige Arbeiten viel aus den Einzelstudien profitieren, die im kom-munistischen Bereich betrieben worden sind — natürlich abzüglich der politisch, ideologisch und strategisch festgelegten Urteile. Aber das hat es ja auch früher schon in ganz ähnlicher Weise gegeben: bei der konfessionell, der rassistisch oder bei der antirepublikanisch festgelegten Geschichtsschreibung — nicht nur in Deutschland.

Hauptgebiete, Quellen und Methoden jüngerer kommunistischer Geschichtsschreibung

Versucht man, sich einen Überblick über die wichtigere historische Literatur der DDR über die Wirtschaft in der Zeit des Imperialismus im oben definierten Sinne zu verschaffen, so sind zunächst drei Bücher zu nennen. Die jeweils vor ihnen erschienenen Zeitschriftenaufsätze zum gleichen Themenkomplex erweisen sich bei näherer Betrachtung hauptsächlich als Vorarbeiten für jene Werke oder als Kapitel-Vorabdrucke aus ihnen sowie als Studien anderer Autoren in diesen Bereichen. Es handelt sich um die Gebiete a) Imperialismus der Industrie; b) Vorbereitung und Führung des Zweiten Weltkrieges, mit einem deutlichen Schwerpunkt bei der mehrfach wiederholten Behandlung der deutschen chemischen Industrie, insbesondere der IG-FarbenIndustrie AG; c) Imperialismus der Banken und Bankiers.

Bevor im folgenden die Literatur dieser Gruppierung entsprechend betrachtet wiid, sei betont, daß mit „Imperialismus" stets vorwiegend der deutsche, zumindest aber der „westliche" Imperialismus gemeint ist. Es gibt anscheinend eine stillschweigende Übereinkunft dahin gehend, daß Historiker der DDR über den russischen, das heißt den zaristischen Imperialismus gar nicht oder nur unter ganz besonderen Umständen arbeiten. Seit 1917 18 gibt es natürlich gemäß der Selbstdarstellung der Sowjetunion und den Forschungsergebnissen ihrer Historiker dort keinen Imperialismus mehr. „Sowjetimperialismus" gilt als ein Widerspruch in sich oder als ein Lügen-und Schimpfwort westlicher „Imperialisten".

Unter diesen Voraussetzungen sind drei während der letzten zehn Jahre erschienene Schriften zu nennen: a) Joachim Mai, Das deutsche Kapital in Rußland 1850— 1894, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, (Ost-) Berlin 1970, 255 Seitens b) Dietrich Eichholtz, Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939— 1945, Bd. I, 1939— 1941, Akademie-Verlag, (Ost-) Berlin 1969, 408 Seiten; c) Eberhard Czichon, Der Bankier und die Macht. Hermann Josef Abs in der deutschen Politik, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1970, 314 Seiten;

Zur Quellenlage und Art dieser Darstellungen (die in den Bemerkungen jeweils als „Hauptwerk", zusammen mit dem Namen des Verfassers, bezeichnet werden) ist zu bemerken, daß für die Autoren die in den Werken von Marx, Engels und Lenin vertretenen Auffassungen als unantastbare Voraussetzung und Grundlage ihrer Ausführungen dienen. Neue kritische Editionen und Interpretationen dieser Werke sind nicht die Aufgabe der Wirtschaftshistoriker. Die Werke von Marx, Engels und Lenin gelten also nicht allein als Primär-quellen — als die sie z. B. bei Mai tatsächlich auch in unserem Sinne Bedeutung haben —, sondern sogar noch vor solchen, also z. B. noch vor allen Archivalien, als Formulierungen von Vorrang, die das Vokabular ebenso wie die Urteile festlegen.

Eine Konsequenz dieser Tatsache besteht darin, daß jeder Autor seinen uneingeschränkten Respekt vor ihnen eindeutig und unbezweifelbar zum Ausdruck bringt. Joachim Mai, der in der Sowjetunion studiert hat, über sehr gute Sprachkenntnisse verfügt und in Greifswald Dozent für die Geschichte der Völker der UdSSR ist, baut nach einem Zitat aus dem „Manifest der Kommunistischen Partei" am Anfang des Vorwortes die gesamten Ausführungen seiner Habilitationsschrift an Belegstellen aus den Briefen und Werken von Marx, Engels und Lenin auf, was ihm um so leichter möglich ist, als diese Autoren Zeitgenossen der von ihm geschilderten Vorgänge gewesen sind. Mehr als jeder andere Historiker der DDR betont Mai seine Bindung an die methodischen Anweisungen aus der Sowjetunion: „Ausgehend von den Werken der Klassiker des Marxismus-Leninismus und weiterer hervorragender Vertreter der internationalen Arbeiterbewegung orientierten führende sowjetische Historiker die Forschung in der UdSSR auf folgende Fragen: Wie wurde die Entwick-lung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse im kapitalexportierenden und im Empfängerland beeinflußt? Welche politischen Konsequenzen ergaben sich daraus? Inwiefern wurde die Herausbildung des Monopolkapitalismus begünstigt und schließlich dessen Ablösung durch den Sozialismus objektiv vorbereitet? . . . Diese Aufgabenstellung diente uns als Richtschnur."

Oder man beginnt wie Dietrich Eichholtz mit einer Berufung darauf, daß der „VII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als wichtigste Aufgaben der Geschichtswissenschaft in unserer Republik die Herausbildung eines wissenschaftlichen Geschichtsund Weltbildes des sozialistischen Menschen und die Entwicklung seiner bewußten klassenmäßigen Einstellung zum sozialistischen Aufbau eindringlich hervorgehoben" habe und zitiert dann in der Einleitung mehrmals aus Werken Walter Ulbrichts Man läßt das Quellen-und Literaturverzeichnis ohne Rücksicht auf das Alphabeth mit einem Block beginnen, der die Schriften von Marx, Engels und Lenin enthält, und fängt dann erst mit „Bondi" an Oder Berthold Puchert stellt an den Anfang seiner Dissertation über den „Wirtschaftskrieg des deutschen Imperialismus gegen Polen 1925— 1934" (Ost-Berlin 1963) die „Revanchismus" -Definition der Sowjet-Enzyklopädie, in der es u. a. heißt: „Die Propaganda des Revanchismus ist für die Bourgeoisie eines der Mittel der Vorbereitung imperialistischer Kriege." Nur ein einziger der hier zu erwähnenden Autoren hat im Jahre 1964 geglaubt, auch Chruschtschow sei bereits in die Gruppe der kommunistischen Klassiker aufgestiegen, und stellte daher ein Zitat von ihm an die Spitze seines Aufsatzes

Die grundlegende und entscheidende Bedeutung der Werke von Marx, Engels und Lenin für Thematik, Urteil und Ergebnis der, wie stets betont wird, „wissenschaftlichen" Geschichtsschreibung in der DDR wird nicht allein ständig in Vorworten, Einleitungen und Schlußworten sowie im Text selbst hervorgehoben, sondern darüber hinaus immer wieder bei besonderen Anlässen in Spezialarbeiten unterstrichen. Es sei in unserem Zusammenhang nur hingewiesen auf zwei Veröffentlichungen dieser Art: Werner Müller, Zur Begründung eines wissenschaftlichen Bildes der deutschen Geschichte durch Marx und Engels am Vorabend der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49 und Hellmuth Kolbe, Lenins Werk über den Imperialismus und das staatsmonopolistische System in Westdeutschland

Die „Vorbemerkung" zu dem Sonderheft, in dem Müllers Aufsatz veröffentlicht wurde, betont, „besonders nach der 16. Tagung des ZK der SED" stehe „vor den Historikern der Deutschen Demokratischen Republik . . . die dringende Aufgabe, ein geschlossenes nationales Geschichtsbild der deutschen Arbeiterklasse auszuarbeiten, dessen theoretische Grundlage der historische Materialismus ist", ein Geschichtsbild, das, etwas widersprüchlich, „deutlich [macht], wie die Volks-massen . . .den gesetzmäßigen Entwicklungsgang der deutschen Nationalgeschichte durchgesetzt haben" Müllers Aufsatz beginntmit den Worten: „Das Wirken von Karl Marx und Friedrich Engels, der von ihnen geschaffene wissenschaftliche Sozialismus, hat auf die verschiedensten Wissenschaftsgebiete einen revolutionären Einfluß ausgeübt. Was die Geschichtswissenschaft angeht, so wurde sie durch die Theorie des historischen Materialismus ganz besonders tiefgehend beeinflußt und überhaupt erst in den Rang einer Wissenschaft erhoben." Der erste Satz in Kolbes Arbeit lautet: „Lenins Werk über den Imperialismus ist ein beredtes Zeugnis dafür, wie die Klassiker des Marxismus-Leninismus in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit von den Bedürfnissen und Erfordernissen des Klassenkampfes ausgingen."

Es versteht sich von selbst, daß unter den Archivalien an erster Stelle die in den Archiven der DDR benutzten genannt werden. Doch sei schon hier hervorgehoben, daß die öffentlichen Archive der Bundesrepublik uneingeschränkt Benutzern aus der DDR offenstehen, was umgekehrt bei den Archiven der DDR keineswegs für alle wissenschaftlichen Interessenten aus der Bundesrepublik der Fall ist — selbst wenn diese durch kritische Arbeiten z. B. über das Dritte Reich oder gar durch Verfolgung als „antifaschistisch" ausgewiesen sind. Es fällt auf, daß die DDR-Historiker offenbar nur selten Archive in der Sowjetunion benutzen bzw. zitieren. Und weiter ist zu beachten, daß die Angaben der Historiker der DDR über die 1945 im Bereich der sowjetischen Besatzungsmacht verbliebenen Privat-, insbesondere Unternehmens-archive zuweilen beträchtlich differieren.

Eberhard Czichon unterstreicht in der „Einführung" zu seinem genannten Buch nachdrücklich die „außergewöhnlich günstigen Umstände", die „die vorliegende Untersuchung ... ermöglicht" haben: das Vorhandensein der „Akten der drei Nürnberger Industrie-Prozesse (Flick, Krupp und IG-Farben) aus den Jahren 1947 und 1949 [die es in vielen Exemplaren in Westeuropa und in den USA gibt] . . . Doch noch bedeutungsvoller sind jene geschlossenen Archivregistraturen, die bei Kriegsende in die Hände der alliierten Streitkräfte fielen und die in der DDR später in staatlichen Besitz übergingen. Es handelt sich hierbei vor allem um d i e [vom . Vf. gesperrt] Akten der Deutschen Bank AG [von 1870 bis 1945] . . . Für die vorliegende Untersuchung konnten d i e [vom Verf. gesperrt] Akten der Deutschen Bank AG umfassend ausgewertet werden. Das bezieht sich auf die Akten ihres Vorstandes, seines Generalsekretariats sowie der Sekretariate der einzelnen Abteilungen .. Auch führt Czichon im Verzeichnis der „ungedruckten Quellen" für sein Buch eine stattliche Zahl von Aktensignaturen der Deutschen Bank an,

Bei Mai aber, dessen Buch von allen wirtsdiaftsgeschichtlichen Werken in der DDR ohne Zweifel das am sorgfältigsten gearbeitete ist, heißt es: „Die den Wirtschaftsverkehr mit Rußland betreffenden Akte der Regierungen Preußens und des Deutschen Reiches sowie Restbestände [vom Vf. gesperrt] der Archive der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Zulassungsstelle an der Berliner Börse waren für mich sehr wertvoll." Tatsächlich ist u. a. durch die Veröffentlichung „ 1870 bis 1970. Hundert Jahre Deutsche Bank" von Fritz Seidenzahl, dem Archivar der Deutschen Bank, bekannt, daß ein erheblicher Teil des Archivs der Deutschen Bank für die Zeit von 1870 bis 1933 sich in der heutigen Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt/M. befindet. *

Während die Archive in der Bundesrepublik in der Regel im Quellenverzeichnis korrekt und ausführlich zitiert werden (am weitesten, aber auch mit beträchtlichen und für seine Arbeitsweise charakteristischen Fehlern geht darin Czichon), geschieht das Gegenteil nicht nur mit der westdeutschen, sondern allgemein mit der westlichen Literatur (soweit sie nicht von kommunistischen oder mit dem Kommunismus, der Sowjetunion oder der DDR sympathisierenden Autoren stammt).

In der Bundesrepublik vernachlässigen viele Historiker — wie die Literaturverzeichnisse ihrer Arbeiten zeigen — die Beschäftigung mit den historischen Publikationen in der DDR, in denen sich nicht selten sehr beachtenswerte Gesichtspunkte und Forschungsergebnisse befinden. Wenn umgekehrt die Historiker der DDR westliche Werke in ihren Literaturverzeichnissen nicht anführen, so bedeutet das nicht unbedingt, daß sie diese auch nicht kennen. Vielmehr wollen oder sollen sie ihre Leser nicht auf die Existenz dieser Literatur aufmerksam machen, deren genaue Kenntnis und Berücksichtigung bei ihren eigenen Arbeiten jedoch vorausgesetzt wird. Es kommt in solchen Zusammenhängen bisweilen zu einer seltsamen Schizophrenie. Westdeutsche werks-geschichtliche Untersuchungen, die während der letzten zehn bis fünfzehn Jahre in beträchtlicher Zahl als Bücher und Aufsätze erschienen sind und unsere Kenntnis der Wirtschafts-wie der Sozial-und Technik-geschichte erheblich bereichert haben, werden in der DDR-Geschichtsschreibung zwar genau beachtet, aber überhaupt nicht zitiert. Vielmehr gibt es einige Aufsätze, die derartige Publikationen als monopolkapitalistische Propagandaliteratur verdammen, so daß eine Beschäftigung mit dieser Literatur-gattung gar nicht mehr möglich ist Unverkennbar haben Quellen-und Literaturverzeichnisse in der DDR die gleiche Aufgabe wie die Texte, zu denen sie gehören: Sie sollen nicht das historische Wissen bereichern und erweitern sowie Archiv-und Literaturinformationen zur Verfügung stellen, sondern ein kommunistisch-sozialistisches Geschichtsbild vermitteln bzw. stärken. Nicht um historische Bildung handelt es sich, sondern um parteipolitisch-ideologische Erziehung.

Zum „Imperialismus" der Industrie im 19. Jahrhundert: Joachim Mai

Wendet man sich den oben genannten wichtigsten Werken zu, so steht ch Jahrhundert: Joachim Mai

Wendet man sich den oben genannten wichtigsten Werken zu, so steht chronologisch in der Thematik wie qualitativ an erster Stelle Joachim Mais Buch über „Das deutsche Kapital in Rußland 1850— 1894". Mai ist der einzige Historiker der DDR, der sich in jüngerer Zeit mit den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen im 19. Jahrhundert beschäftigt hat. Doch bildet er nur auf den ersten Bilde eine Ausnahme von der Regel, daß die DDR-Historiker die russische Geschichte — um diese handelt es sich nämlich bei Mai in erster Linie — meiden. Denn auch er geht mit ihr besonders glimpflich und nach Möglichkeit unter Verwendung des Begriffes „Zarismus“ oder „zaristisches Rußland" sowie von Zitaten aus russischer Literatur um. Selbst wenn in der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft" ein Aufsatz über „Das Kolonialsystem des russischen Imperialismus am Vorabend der Oktoberrevolution" erscheint, hat er einen russischen Autor: Petr Grigorevic Galuzo 18) — und zwar nicht etwa aus sprachlichen Gründen, denn der Verfasser stützt sich hauptsächlich auf Werke von Marx und Lenin in den Ausgaben, die nach dem Zweiten Weltkriege in der DDR erschienen sind.

Rolf Sonnemann und Siegfried Richter haben 1963 und 1964 im „Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte" die „Problematik des Übergangs vom vormonopolistischen Kapitalismus zum Imperialismus in Deutschland 19)" bzw. „Die Rolle des Staates . . bei diesem Vorgang seit den sechziger Jahren in kurzen Aufsätzen auf fester ideologischer Grundlage skizziert. An die dort aufgegriffene Thematik schlossen in gewisser Weise die Publikationen von Mai an, nachdem dieser 1962 bereits ein Buch über „Die preußisch-deutsche Polenpolitik 1885/88 —-eine Studie zur Herausbildung des Imperialismus in Deutschland" veröffentlicht hatte. S. Kumpfs anregender, neuere russische Literatur verarbeitender Aufsatz „Zu den zoll-politischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Rußland in der letzten Periode der Bismarckschen Ära" war bereits erschienen, als Mai zum ersten Male einen Aufsatz zur Geschichte des russischen Eisenbahnwesens veröffentlichte, dessen Entwick-lung gleichfalls in jener Periode einen seiner Höhepunkte hatte Mais Aufsatz deckte sich thematisch genau mit dem Kapitel II, 1 seines Buches, wo der Verfasser ihm nur gegen Ende eine Seite hinzugefügt hat, die seine Auffassung noch akzentuiert Mai hat schließlich im „Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte" 1968 einen Aufsatz über „Das deutsche Kapital in Industrie und Handel Rußlands von 1850 bis 1876" veröffentlicht der identisch ist mit dem Kapitel II, 3 des Buches, so daß also — abgesehen von der Zusammenfassung — das ganze Kapitel II auch in der Form von Zeitschriften-Aufsätzen vorliegt.

Gehen wir zur Betrachtung dieses Buches selber über, das, wie gesagt, ohne Frage das wissenschaftlich am sorgfältigsten gearbeitete der hier untersuchten Werke ist. Es ist aber auch dasjenige, das am eindeutigsten und eindrucksvollsten die Bindung des „Dozenten für Geschichte der Völker der UdSSR“ an die Methode und an die Ziele der sowjetischen Geschichtsschreibung erkennen läßt. Die beiden ersten Sätze des Buches, sein Motto, das über dem Vorwort steht, entstammen Marx'/Engels'„Manifest der kommunistischen Partei": „In dem Maße, wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nationen fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander." Mai selbst fügt unmittelbar hinzu: „Mit diesen Worten zeigen die Klassiker des wissenschaftlichen Sozialismus am Vorabend der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848, wie die auf Klassengegensätzen beruhenden Konflikte zwischen den Völkern überwunden und stabile Grundlagen für Frieden und Freundschaft zwischen den Nationen geschaffen werden können. Es blieb den Arbeitern, Bauern und Soldaten Rußlands vorbehalten, mit der siegreichen sozialistischen Oktoberrevolution im Jahre 1917 diese Leitsätze von Marx und Engels auf einem Sechstel der Erde erstmalig in die Tat umzusetzen ... Mit der Nationalisierung der Banken, der Industrie und des Transportwesens sowie mit der Annullierung aller Anleihen, die von der zaristischen und der Provisorischen Regierung aufgenommen worden waren, befreite sich Rußland von der Knechtung durch das ausländische Kapital . .. Ein alter, aus der Expansion des deutschen Kapitals resultierender deutsch-russischer Gegensatz war nunmehr zwar beseitigt, aber die Herrschaft und Aggressivität des deutschen Imperialismus machte ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben des deutschen Volkes mit den Völkern der Sowjetunion unmöglich. Erst mit der Errichtung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung und schließlich des sozialistischen Staates deutscher Nation, der Deutschen Demokratischen Republik, entstanden auf deutschem Boden jene gesellschaftlichen Verhältnisse, die es gestatten, entsprechend den Prinzipien des sozialistischen Internationalismus die allseitige Zusammenarbeit und Freundschaft mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zu pflegen und zu entwickeln."

Mit diesem Vokabular, das niemand besser beherrschaft und komprimierter anzuwenden versteht als Mai, erstreckt sich das Vorwort über mehr als sechs Seiten. Es bietet von vornherein ein Urteil über die im folgenden geschilderten Tatbestände, erwähnt erneut, daß der Verfasser ausgehe von den Werken der „Klassiker des Marxismus-Leninismus", hebt die „entscheidende Bedeutung" hervor, die ein „zweijähriger Studienaufenthalt des Verfassers in der UdSSR" für die Wahl des Themas seiner Habilitationsschrift gehabt hat, und wendet sich zum Schluß mit schärfsten Worten gegen ein „Machwerk des westdeutschen Publizisten" Werner Keller „Ost minus West = Null. Der Aufbau Rußlands durch den Westen" (1960), das nirgendwo im Westen zur geschichtswissenschaftlichen Literatur gezählt wird.

Ganz abgesehen davon, daß die Wortwahl in einem so sehr politisch gezielten Buch mit einem historischen Thema genau überlegt ist — so daß z. B. von der „kapitalistischen Durchdringung der östlichen Provinzen Preußens" die Rede ist, nicht von ihrer Erschließung, oder für 1870/71 von „jenen annexionswütigen und eroberungslüsternen Kräften in Deutschland" —, wird „ein besonders starker Druck von Seiten des deutschen Kapitals auf den russischen Markt" schon 1864 vorausgesetzt, ja, . bereits nach den Befreiungskriegen ein lebhafter preußisch-deutscher Kapitalexport" angenommen und behauptet, daß sowohl die 1851 gegründete Disconto-Gesellschaft wie die 1853 gegründete Darmstädter Bank und „die im Jahre 1856 entstehende Berliner HandelsGesellschaft" „im Jahre 1856 . . . schon als Großbanken eine maßgebende Rolle in Deutschland spielten" damit im folgenden von dieser Basis aus die richtigen Folgerungen gezogen werden können. Die Beschränkung des Themas auf das deutsche Kapital und auf einige wenige deutsche Banken erlaubt außerdem, ohne es direkt auszusprechen, dem ganz falschen Eindruck Vorschub zu leisten, als habe nur das deutsche Kapital — und dieses allein durch die Vermittlung einiger weniger Banken mit Monopolcharakter — bis 1875 „in erster Linie" „Profite" in Ruß-land gesucht —-dagegen nicht auch z. B. das französische.

Ebenso wird zwar immer wieder betont, daß die „Geschichte des Eisenbahnwesens im zaristischen Rußland . . . uns ungewöhnliche Beispiele dafür [liefere], wie sich kapitalistische Industrieländer auf Kosten von Staaten und Völkern bereichern, die in ihrer ökonomischen Entwicklung zurückgeblieben sind" Wie aber Rußland anders zu Eisenbahnen hätte kommen sollen als durch Import von Material und Kapital, und welchen Wert dieser Import für die Entwicklung Rußlands gehabt hat, das wird nicht dargestellt — höchstens einmal mit einem kurzen Zitat aus Gorkis Schauspiel „Barbaren" angedeutet Wo ein solcher Vorteil für Rußland wenigstens kurz erwähnt werden muß — z. B. bei der sehr knappen Behandlung der „gaserzeugenden Industrie Rußlands" —, da wird sofort'hinzugefügt, das deutsche Kapital, für das es „im eigenen Lande aufgrund des immer dichter werdenden Gasversorgungsnetzes eine schrankenlose, mit Höchstprofiten verbundene Ausdehnung nicht mehr gab", habe sich daher in „unbegrenztem Expansionsdrang" nach Rußland gewandt — „mochten die kleinen Ortschaften in Deutschland ohne Gas bleiben" was übrigens in der seit einem Jahrzehnt vorliegenden westdeutschen Spezialliteratur eindeutig widerlegt Wird. Joachim Mai zufolge regte zwar das deutsche Kapital die „Produktivkräfteentwicklung" in Rußland an und „erreichte eine Produktionssteigerung", aber nicht allein durch „neue Maschinen", sondern auch durch „Methoden der Arbeiterausbeutung .... die aus der Kindheitsperiode des Kapitalismus stammten und die — verglichen mit dem westlichen Europa [! ] — von einer überdurchschnittlichen Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft zeugten"

So gibt es in dem ohne Zweifel an Informationen reichen Buch eine ganze Skala von scharf durchdachten und sehr überlegt eingesetzten Möglichkeiten, die Kapitalisten — und zwar mit Vorrang die deutschen, danach die russischen — anzugreifen. Dabei muß der Verfasser freilich immer im Auge behalten, daß die mit jenen deutschen Kapitalisten kollaborierenden „Zarenregierungen wie alle Regierungen in letzter Instanz nur", wie Engels schrieb, die „Vollstrecker der ökonomischen Notwendigkeiten der nationalen Situation" waren Ausdrücklich sei hier hervorgehoben, daß Marx, Engels, Bebel, Liebknecht und andere die damaligen Vorgänge mit großer Sorgfalt beobachteten und beschrieben. Auf der kapitalistischen Gegenseite gibt es nicht einen einzigen zeitgenössischen Autor, der die Ereignisse ebenso engagiert und gründlich durchleuchtet und dargestellt hat'.

Die „Schlußbetrachtung" faßt gerade von dieser Tatsache her die vielen Einzelheiten noch einmal in eindrucksvollen Formulierungen politisch lehrhaft zusammen: Für sie, so kann man ohne Übertreibung sagen, ist das ganze Buch geschrieben: „Aus der Rolle der deutschen herrschenden Klassen als Kreditgeber, Industriewarenexporteur und wissenschaftlich-technisch führende Kraft ergaben sich bedeutsame politisch-ideologische Konsequenzen. Söldlinge des Kapitals — Politiker und Journalisten — entfalteten auf diesem Nährboden Chauvinismus und Rassismus, sie predigten Herrenmenschentum und Kulturträgerideologie. Diese Irrlehren, gerichtet gegen die slawischen Völker, sollten in Deutschland tiefe Wurzeln schlagen. Als Hüterin der besten Traditionen des deutschen Volkes war es die sozialistische. Arbeiterbewegung, deren führende Vertreter die Triebkräfte und Auswirkungen des deutschen Kapitalexports bloßstellten und die ideologisch einer gemeinsamen Kampffront der Werktätigen Deutschlands und Rußlands gegen die Herrschaft des Kapitalismus den Weg ebneten." Der Kampf aber, und damit greift Mais letzter Satz wirkungsvoll zurück zum ersten Satz seines Buches, dem Zitat aus dem „Kommunistischen Manifest", „richtete sich zugleich gegen die Exploitation einer Nation durch die andere'; es war jener Klassenkampf, der „zum Sturz der Herrschaft des in-und ausländischen Kapitals in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution führen sollte"

Zwischen den beiden Weltkriegen

Bevor wir uns dem zweiten hier zu behandelnden Werk und seinem thematischen Umkreis zuwenden, sei erwähnt, daß es in der DDR eigenartigerweise weder über Deutschlands Wirtschaft vor und im Ersten Weltkrieg noch über die Wirtschaft in der Weimarer Zeit ein zusammenfassendes Werk oder auch nur eine Einzelstudie vom Range der Arbeiten von Mai und Eichholtz gibt Das Interesse der kommunistischen Geschichtsschreibung an der wirtschaftlichen Entwicklung des Deutschen Reiches wird erst wieder reger seit der „Machtergreifung" Hitlers und der NSDAP — seitdem man also vom Imperialismus und Faschismus, von dem Bündnis der beiden Kräfte und davon sprechen kann, daß angeblich die imperialistischen Monopolkapitalisten dem Faschismus zur Macht verhülfen haben Doch sei auf einige Spezialinteressen der kommunistischen Wirtschaftsgeschichtsschreibung in unserem Zusammenhang hingewiesen.

Seitdem Lenins 1917 erschienenes Buch „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" vorliegt, in dem er, wie Kolbe 50 Jahre später schrieb, die „Grundtendenzen des Imperialismus . . . untersucht und aufgedeckt" hat, die „noch heute das Gesicht jener Länder prägen, von denen die Macht des Monopol-Kapitals nicht gebrochen ist" hat die kommunistische Geschichtsschreibung über die Zeit des „Imperialismus" und des „Monopolkapitalismus" einen ihrer Schwerpunkte bei der deutschen chemischen Industrie: Lenin wollte „als Beweismittel für die fortschreitende Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen weniger Monopole" nicht den Kohlenbergbau, die Eisen-und Stahlindustrie oder die Großbanken, sondern die chemische Industrie anführen, diejenigen Werke also, die sich zufolge der langjährigen Initiative Duisbergs unter dem Druck der Konkurrenz und der Kriegseinwirkungen in Etappen zur IG-FarbenIndustrie AG zusammenschlossen.

Sonnemann und Richter, die den obengenannten materialreichen Aufsatz „Zur Problematik des Übergangs vom vormonopolistischen Kapitalismus zum Imperialismus" 1963 im gleichen Teil II des Jahrbuchs für Wirtschaftsgeschichte veröffentlichten, in dem auch Helmut Kubitscheks Diskussionsbeitrag „Zu Tendenzen des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg" erschien, haben in ihrer ideologisch festgelegten, in diesem Rahmen aber scharfsinnigen Arbeit „Zur Rolle des Staates beim Übergang vom vor-monopolistischen Kapitalismus zum Imperialismus in Deutschland" an erster Stelle die deutsche chemische Industrie mit dem Argument behandelt: „Es ist offenkundig, daß der deutsche Staat Bismarckscher Prägung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch unmittelbare oder mittelbare Unterstützung vornehmlich der Großindustrie den Übergang Deutschlands zum Imperialismus gefördert hat. Beispiele aus diesen Jahren liegen vor allem aus der Kohle-, Eisen-und Stahlindustrie vor. Weniger bekannt sind dagegen die diesbezüglichen Verhältnisse in der deutschen chemischen Industrie. Und doch sind es gerade die Großindustriellen dieses Wirtschaftszweiges, die sich in hervorragendem Maße der Hilfe des Staates versichert haben."

Sonnemanns Habilitationsschrift über den „Einfluß des Patentwesens auf die Herausbildung von Monopolen in der deutschen Teer-farbenindustrie 1877— 1904" (Halle 1963) ist nicht veröffentlicht worden. Aber der von ihm unter Mitarbeit von Heike Etzold stammende Aufsatz „Patent und Monopol" greift unter Betonung von Marx’ Theorie der Konzentra-tion und Zentralisation von Produktion und Kapital sowie von Lenins Imperialismus-Theorie, die beide nicht als Theorien, sondern als Formulierungen von Naturgesetzen betrachtet werden, manche Ansätze jener Habilitationsschrift erneut auf. Die Geschichte der chemischen Industrie in der Zeit nach der Gründung der IG-Farbenindustrie AG und insbesondere im Dritten Reich seit dem Hervortreten von Krauch sowie seit einer gewissen Vorformulierung von Hitlers Denkschrift zum zweiten Vierjahresplan durch Krauch bildet noch heute einen Hauptbereich der kommunistischenWirtschaftsgeschichtsschreibung — es wird darauf noch einzugehen sein.

An dieser Stelle sei auch der Aufsatz „Zur Soziologie des imperialistischen Deutschlands" von Jürgen Kuczynski — dem ideologisch am eindeutigsten festgelegten, zugleich aber auch gedanklich wendigsten Wirtschaftshistoriker in der DDR — erwähnt, der „sehr bedeutsame Veränderungen im Funktionieren der kapitalistischen Gesetzmäßigkeit" behandelt Vier Jahre später untersuchte in der gleichen Zeitschrift von einer anderen Seite her H. Wagner mit fast den gleichen Worten dieselbe Problematik Kuczynski konnte es sich leisten, gleich einleitend zu erklären: „Nicht, daß die Gesetze des Kapitalismus, die Marx und Engels entdeckt haben, nicht mehr gelten, aber die Weiterentwicklung des Kapitalismus, die immer stärkere Entfaltung der ihm innewohnenden Widersprüche modifizieren das Wirken dieser Gesetze. Entsprechend dieser Modifikation wird auch, wie Lenin nachgewiesen hat, die Struktur der kapitalistischen Gesellschaft modifiziert.“ Marx, Engels, Lenin und ihre Gesetze bleiben also unangetastet; aber hier spricht jemand so deutlich wie verklausuliert aus, daß nach diesen dreien die geschichtliche Entwicklung noch weitergegangen ist — unter Modifikationen natürlich nicht etwa der Gesetze, sondern nur ihrer Wirkungen!

Da es in der Geschichtsschreibung der DDR über das Zeitalter des „Imperialismus" ständig um „staats-und monopolkapitalistische" Erscheinungen geht, trägt eine der wenigen bemerkenswerten kommunistischen deutschen Arbeiten, die sich mit der Wirtschaft im Ersten Weltkr eg beschäftigten — ihr Verfasser ist Alfred Schröter —, den wie immer politisch gemeinten programmatischen Titel: „Krieg — Staat — Monopol 1914— 1918. Die Zusammenhänge von imperialistischer Kriegswirtschaft, Militarisierung der Volkswirtschaft und staats-monopolistischem Kapitalismus in Deutschland während des ersten Weltkrieges" Schröter wurde bei der Beschäftigung mit der Wirtschaftsgeschichte des Zweiten Weltkrieges „geradezu auf den ersten gestoßen, in dem die Geburtsstunde mancher monopolkapitalistischer Praktiken zu suchen ist, die im Zweiten Weltkrieg in die Tat umgesetzt wurden. Aus diesem Grunde unterbrach ich meine Beschäftigung mit den für die Geschichtsforschung der Deutschen Demokratischen Republik aktuelleren Problemen des Zweiten Weltkrieges, um durch ein Studium der Kriegswirtschaft des Ersten Weltkrieges eine Basis für deren Verständnis zu schaffen. Die somit entstandene Arbeit stellt daher keine kontinuierliche Abhandlung dar Sie betrachtet die Kriegswirtschaft des Ersten Weltkrieges ausschließlich unter dem Blickpunkt ihres Zusammenhanges mit der Militarisierung der Volkswirtschaft und dem staatsmonopolistischen Kapitalismus." Auch diese Arbeit geht, den ersten Sätzen der Einleitung zufolge, von der politischen Aufgabe in der Gegenwart und von der angeblichen Gesetzmäßigkeit des Geschichtsverlaufes aus: „in der Wirtschaft der Länder des imperialistischen Lagers sind in den letzten Jahren zwei Erscheinungen in den Vordergrund der Betrachtung getreten: die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus und die zunehmende Militarisierung derVolkswirtschaft. Sie haben ihre Ursache in den Gesetzmäßigkeiten des Imperialismus allgemein und deren Wirksamkeit unter den Bedingungen der dritten Etappe der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems im besonderen."

Schröter weicht insofern von der üblichen Arbeitsweise ab, als die ersten Fußnoten seiner Arbeit nicht auf die allen „Klassiker des wissenschaftlichen Sozialismus" verweisen, sondern auf jüngste Veröffentlichungen in der DDR und — bereits genannte einmalige Ausnahme — auf N. S. Chruschtschows „Der Triumph des Kommunismus ist gewiß", den Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der KPdSU, Berlin 1 961 Das beeinträchtigt natürlich nicht die Richtung von Schröters Argumentation und Zielsetzung. Am Ende seines Buches heißt es: „Nicht von ungefähr hat das Zentralkomitee der SED neben der Erforschung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges zugleich die Erforschung der Geschichte des Ersten Weltkrieges zur vordringlichen Aufgabe für die Historiker der DDR erklärt.

Die Erfüllung dieser Aufgabe wird einmal mehr deutlich zeigen, daß . . . , aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges . . . die deutsche Bourgeoisie nicht gelernt'hat. Und für die Lösung dieser Aufgabe sollen die Ergebnisse dieser vorliegenden Arbeit Bausteine sein."

An diese Auffassung schließen logisch einige Arbeiten an, die hier wenigstens kurz erwähnt werden sollen. Der letzte Satz der „Revanchismus" -Definition, die Berthold Puchert seiner Dissertation über den „Wirtschaftskrieg des deutschen Imperialismus gegen Polen 1925— 1934" vorangestellt hat, lautet: „Mit Hilfe der Propaganda des Revanchismus versuchte Hitlerdeutschland, die Pläne der Eroberung der Weltherrschaft zu maskieren, um deren Erringung willen es den Zweiten Weltkrieg 1939— 1945 entfesselte." Puchert selbst fährt fort „Mit Recht wird im letzten Satz dieser Definition auf Hitlerdeutschland verwiesen. Der deutsche Revanchismus fand im Zweiten Weltkrieg seinen grausamsten Ausdruck. Das heißt aber nicht, der deutsche Revanchismus wäre zeitlich auf die Periode der faschistischen Diktatur in Deutschland beschränkt gewesen. Ihn gab es in der Weimarer Republik, und gibt es wieder in der Bonner Republik ... Der Revanchismus ist nicht ein Ausdruck der psychischen Eigenart der deutschen Nation, sondern eine Erscheinungsform des Imperialismus der höchsten und letzten Stufe des Kapitalismus. Daraus ergibt sich, daß in der Deutschen Demokratischen Republik nicht zufällig der Revanchismus nicht auftritt, sondern gar nicht auftreten kann, weil der Imperialismus mit den Wurzeln ausgerottet ist."

Das Bemerkenswerteste an dieser Arbeit ist wohl die ohne Kenntnis des reichlich vorhandenen Archivmaterials geschriebene „Kurzbiographie" von Andreas Hermes. Sie sammelt zwar sorgfältig alles, was ihn als „Bauernführer im Dienst der Großagrarier" erscheinen läßt, erwähnt aber mit keinem Wort seine Haft in nationalsozialistischen Gefängnissen und die Verurteilung zum Tode durch Freisler, seine Tätigkeit im sowjetisch besetzten Berlin, natürlich nicht seine Gewissensnot, als die sowjetische Besatzungsmacht ihm seine Zustimmung zur „Bodenreform" durch die Entlassung seines Sohnes aus der Kriegsgefangenschaft abkaufen wollte, der schon in Potsdam war und nun wieder ins Lager zurückgeschickt wurde, und mit keinem Wort seine Bemühungen um eine Annäherung von West-und Mitteldeutschland. Nur auf diese Weise kann am Ende von seiner „schändlichen Rolle als Bauerntührer im Dienste der Großagrarier ... im westlichen Teil Deutschlands" gesprochen werden Ein „Nachwort" zieht auch in diesem Buch die Linie von 1934 durch bis zur Gegenwart, um dazu aufzufordern, den „Revanchismus in Westdeutschland und in allen Ländern, in denen er auftritt, zu bändigen. Das erfordert in aller Welt den Kampf der Volksmassen für eine Politik der friedlichen Koexistenz, die jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ausschließt. Gegen den westdeutschen Revanchismus als die Hauptkriegsgefahr in Europa heißt die aktuelle Aufgabe: Kampf für den Abschluß und die Erfüllung eines demokratischen Friedensvertrages mit beiden bestehenden deutschen Staaten."

Wie Pucherts Dissertation über ein Thema aus der Zeit der Weimarer Republik nicht nur sachlich notwendig in die Anfänge des Dritten Reiches, sondern außerdem propagandistisch bis in unsere Gegenwart übergreift, so behandelt Kurt Gossweiler, der 1963 mit einer Dissertation über „Die Rolle des Monopolkapitals bei der Herbeiführung der Röhm-Affäre" promovierte, in seiner auf dieser ersten Arbeit aufbauenden Studie „Die Vereinigten Stahlwerke und die Großbanken" das „Verhältnis von Bank-und Industriekapital in der Weimarer Republik und unter der faschistischen Diktatur" Auch diese Arbeit hat, wie die meisten, ihre „Grundlage" bei Lenin: „Lenin hatte bekanntlich, gestützt auf die Daten Hilferdings und bürgerlicher Ökonomen, als neue Rolle der Banken im imperialistischen Stadium des Kapitalismus die . Immer vollständigere Abhängigkeit des Industrie-Kapitalisten von der Bank'herausgearbeitet." Gossweiler muß zugeben, daß wenigstens in bezug auf die großen Konzerne IG-Farben und Vereinigte Stahlwerke die angeblich unumstößliche Richtigkeit dieser Theorie eines der drei „Klassiker des wissenschaftlichen Sozialismus" selbst von Marxisten zeitweise angezweifelt wurde: „In der Weltwirtschaftskrise fanden Auffassungen über den sinkenden Einfluß der Banken auch in marxistische Arbeiten Eingang, besonders im Zusammenhang mit dem Bank-krach und der staatlichen Subventionierung der Großbanken“ Habe doch beispielsweise J. Kuczynski „in den ersten Jahren nach 1945" „mit Nachdruck" die Auffassung vertreten, „daß die Banken im Faschismus von der Schwerindustrie auf den zweiten Platz verdrängt worden seien und daß die faschistische Diktatur der Schwerindustrie dazu verhülfen hätte, aus einem momentanen starken Übergewicht über alle anderen Teile der Gesamt-Großbourgeoisie ein für die Dauer dieser Diktatur gesichertes Übergewicht zu erlangen. Spätere gründliche Untersuchungen", so fährt er fort, „veranlaßten Kuczynski zu einer Korrektur dieser Auffassung . . . Was die Rolle der Banken betrifft, kommt Kuczynski jetzt zu dem Ergebnis: Die Bankmonopole können keine eigene politische Rolle spielen, da sie stets mit Industriemonopolen verbunden sind — Finanzkapital!'"

Gossweiler führt in seinem „bescheidenen Beitrag" die Auseinandersetzung weiter und wieder zurück zum Klassiker Lenin: „Insgesamt ergab unsere Untersuchung, daß der Verzicht auf eine gesonderte Untersuchung der Rolle des Bankkapitals bei der Klärung der Frage: Wer herrscht im imperialistischen Deutschland? nicht gerechtfertigt ist; mehr noch, daß ein solcher Verzicht uns auch der Möglichkeit beraubt, den Wirkungsmechanismus des Systems des staatsmonopolistischen Kapitalismus und seine treibenden Kräfte umfassend und exakt zu bestimmen — und die Strategie und Taktik des Kampfes gegen dieses System mit der notwendigen wissenschaftlichen Genauigkeit und Treffsicherheit auszuarbeiten. Die Macht und die Wirksamkeit der Großbanken sind gewiß viel weniger mit Händen zu greifen als die Macht der Industriemonopole, und die Bankenleiter geben sich große Mühe, ihre wirkliche Macht und ihre Machenschaften vor dem Volk verborgen zu halten. Um so mehr Grund für die marxistische Forschung und Publizistik, diesem Gegenstand größte Aufmerksamkeit zu widmen." Gossweiler weist in einer Fußnote zu diesen Sätzen auf die bereits 1960/61 erschienenen „sehr verdienstvollen Arbeiten" von H. Radandt und Dieter Klein über die deutschen Banken hin, fügt aber hinzu: „Es sind das doch erst Anfänge der Bearbeitung eines riesigen Feldes." An diese Anfänge schließt dann — erst zehn Jahre später — das unten zu erwähnende Buch „Der Bankier und die Macht" von Czichon an. „Ein Jahr nach dem Sieg der Sowjetmacht über die imperialistischen Interventen und der Beendigung des Bürgerkrieges wies Lenin darauf hin, daß die kapitalistischen Länder auf Grund wachsender wirtschaftlicher Schwierigkeiten gezwungen sein würden, Handel mit der So-wjetunion zu treiben." Mit diesem Satz beginnt Hans Münch seinen Aufsatz über „Die Bedeutung der sowjetischen Aufträge an die sächsische Werkzeugmaschinenindustrie in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929— 1932" Tatsächlich hat Lenin im Dezember 1921 auf dem IX. Allrussischen Sowjetkongreß gesagt:

„Es gibt eine größere Kraft als den Wunsch, den Willen und den Beschluß beliebiger feindlicher Regierungen oder Klassen; diese Kraft sind die allgemeinen Verhältnisse der Weltwirtschaft, die sie zwingen, mit uns Beziehungen aufzunehmen."

Nachdem bereits früher in einer Betriebsgeschichte über den VEB Zeiss in Jena die Bedeutung der sowjetischen Aufträge für Beschäftigung und Fortexistenz des Unternehmens hervorgehoben worden war, heißt es nun bei Münch: „Der deutsch-sowjetische Wirtschaftsverkehr in jenen Jahren entsprach zutiefst den Interessen des deutschen Volkes und der Völker der UdSSR. Die sogenannten Russenaufträge sicherten in Jahren der größten Arbeitslosigkeit und des Massenelends in der Geschichte des Kapitalismus etwa 300 000 bis 450 000 Arbeitern, Angestellten und deren Familien ständig Lohn und Brot." Westdeutschen Forschungen zufolge waren es etwa 100 000 Erwerbstätige, überdies trieb die Sowjetunion durch ihre Vertreter und durch die Funktionäre der KPD in Verbindung mit der Kontrolle bei der Herstellung und Abnahme der Erzeugnisse massive kommunistische Propaganda und verstand es obendrein vorzüglich, Facharbeiter und Meister mit Kenntnis von geheimzuhaltenden Verfahren abzuwerben, so daß den zweifellos aus den Russenaufträgen gewonnenen Vorteilen für Zeiss — wie für andere Unternehmen — nicht unbeträchtliche Nachteile und Gefahren gegenüberstanden, die Münch als „gegenseitige proletarische Hille" und gemeinsam mit zwei russischen Autoren als „schönste Seiten in der Geschichte des proletarischen Internationalismus" bezeichnet. Ebenso habe die klassenbewußte Arbeit der „werktätigen Massen in Deutschland" zur Versorgung der Sowjetunion mit Industrie-gütern, das heißt zur Verselbständigung gegenüber den westlichen Industrieländern und damit „zur Abwendung des imperialistischen Krieges gegen die Sowjetunion" beigetragen Auch hier fällt es dem Verfasser nicht schwer, über die Zerstörung sächsischer Industriewerke „durch anglo-amerikanische Luftangriffe" und das „echte Wirtschaftswunder" ihrer Wiederherstellung durch die Arbeiter die Linie zur Gegenwart zu ziehen: „Fast 50 % des Exports der größten Karl-Marx-Städter [Chemnitzer] Maschinenbetriebe gehen heute wieder in die Sowjetunion — ein Beispiel für die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem neuen sozialistischen Deutschland und der UdSSR im Rahmen des sozialistischen Weltwirtschaftssystems."

In die „Zeit des Faschismus" hinein, die nach kommunistischer Auffassung in Westdeutschland bisher so wenig beendet ist wie die des Imperialismus, reicht schließlich das von der Deutschen Historiker-Gesellschaft der DDR herausgegebene Protokoll der zweiten Tagung der Fachgruppe „Geschichte der neuesten Zeit 1917— 1945", die am 20. und 21. März 1965 in Berlin im Rahmen des III. Kongresses der DHG stattfand Die Schrift enthält u. a. ein Referat von Rolf Sonnemann und Rudolf Sauerzapf über „Monopole und Staat 1917— 1933", insbesondere in den Jahren der Weltwirtschaftskrise. J. Materna behandelt, gestützt auf die Protokolle des Rates der Voiksbeauffragten, die Rolle des Demobilmachungsamtes, also die Verhandlungen Koeths und Moellen-dorfs mit den Sozialdemokraten. Insbesondere aber bemüht sich D. Eichholtz, auf dessen «Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft“ gleich einzugehen sein wird, am Beispiel der IG-Farbenindustrie AG um den Nachweis, daß „Monopole und Staat in Deutschland 1933— 1945" zu einem einzigen Machtapparat zusammengewachsen seien, über „Flicks Zusammenarbeit mit dem faschistischen Staatsapparat bei der Aufrüstung 1933— 1939" referierte K. Drobisch, über „Die zentrale Rolle der Reichs-gruppe Industrie bei der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus vornehmlich in den letzten drei Kriegsjahren" schließlich W. Bleyer, dessen These unter Übergehung der konträren Forschungsergebnisse zahlreicher europäischer und amerikanischer Historiker in der Behauptung gipfelt: „Der Verschmelzungsprozeß zwischen dem Staat und den Monopolen nahm rasch solche Formen an, daß Trennungslinien zwischen ihnen kaum noch festzustellen waren. Die verantwortlichen Monopolherren traten nunmehr selbst ins Rampenlicht der Staats-und Wirtschaftsleitung und führten die faschistische Wirtschafts-und Staatspolitik jetzt selbst aus." Die in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft" erschienene Rezension dieses Buches enthält nicht allein Hinweise auf Widersprüche und Lücken in den genannten und in anderen Referaten, sondern endet außerdem mit einer Ermahnung: „Das im Protokollband dargelegte Material ist wichtig für die Auseinandersetzung mit den Versuchen westdeutscher bürgerlicher Ideologien, das Monopolkapital vom Antidemokratismus reinzuwaschen, seine treibende Rolle bei der Errichtung der faschistischen Diktatur, bei Kriegsvorbereitung und Kriegsführung zu leugnen. Es bleibt zu wünschen, daß die von der Fachgruppe Geschichte der neuesten Zeit angeregte intensivere Erforschung der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitals von 1917 bis 1945 eine Fortsetzung findet."

Diese Hoffnung ist in den folgenden Jahren teils von Verfassern einiger der hier genannten Referate, teils von anderen Autoren erfüllt worden. So hat z. B. Gossweiler zwei Jahre nach dem Erscheinen des „Protokolls" einen „historischen Beitrag zur Problematik staatsmonopolistischer . Krisenüberwindung'“ mit dem Haupttitel „Der Übergang von der Weltwirtschaftskrisis zur Rüstungskonjunktur in Deutschland 1933— 34“ veröffentlicht Er hat darin die Weltwirtschaftskrise einen „Markstein in der Entwicklung des staats-monopolistischen Kapitalismus" genannt, von der „Zuspitzung der Differenzen innerhalb der Führung des faschistischen Deutschland über Richtung und Ausmaß der als Arbeitsbeschaffung getarnten Rüstung" gesprochen und behauptet, es habe „vereinte Bemühungen Schachts und der Reichswehrführung zum Sturz des Reichswirtschaftsministers Schmitt im Frühjahr 1934“ gegeben. Schließlich meinte er, „Auswirkungen des 30. Juni 1934 auf den Kampf um die Leitung der Wirtschaftspolitik des faschistischen Deutschlands" feststellen zu können. Gossweiler stieg mit seinen Untersuchungen zur Spitzengruppe der Wirtschaftshistoriker in der DDR auf, die sich mit zentralen Problemen der Zeit insbesondere zwischen 1933 und 1945 beschäftigen. Er hat mit ihnen wichtige Vorarbeiten für Eichholtz’ „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft“ geleistet. Stets gehen seine Veröffentlichungen davon aus, daß das faschistische Deutschland „das erste Modell einer bereits in Friedenszeiten staats-monopolistisch regulierten Wirtschaft" geliefert habe. Dabei löst er sich in bemerkenswertem Ausmaß von der sonst üblichen Argumentation mit „Klassiker" -Zitaten und zieht in sehr geschickter Weise neuere westeuropäische Literatur heran. So bemerkte er, wenn es dem Oxforder Historiker Tim Mason zufolge „in der Tat sehr schwer“ sei, auch nur die „indirekte Beteiligung von Wirtschaftsführern oder -verbänden an der staatspolitischen Willensbildung im Dritten Reich nachzuweisen", und daß nach 1933 die direkten Beziehungen zwischen den wirtschaftlichen und den politischen Führungsgruppen schwächer geworden seien als in der Weimarer Republik, daß eine solche Behauptung aus der „Unkenntnis oder Nichtbeachtung der Tatsache" zu erklären sei, „daß die führenden Kreise des deutschen Monopolkapitals die Ziele und die Marschrichtung der von ihnen inthronisierten Hitlerregierung in der Innen-wie in der Außenpolitik längst vor dem 30. Januar 1933 fixiert hatten.. ."

Und wenn ein Autor wie Paul Merker die in Gossweilers Konzept passende Behauptung aufstellt, Fritz Thyssen, Vogler und Schacht seien bei Hitler aus schwerindustriellem Interesse gegen den Reichsautobahnbau und für die unmittelbare Rüstung eingetreten, ohne daß er für diese These Belege beibringt, dann erklärt Gossweiler einfach, es liege ja „dieser Bericht durchaus in der Linie der tatsächlich nachweisbaren Differenzen" wie es ihm auch eingestandenermaßen ganz gleichgültig ist, ob die Randbemerkung auf einem Schriftstück „Heißt: Deflation" vom Reichswirtschaftsminister selbst oder von einem seiner Sachbearbeiter stammt

Insgesamt kommt Gossweiler insbesondere in dem Abschnitt über Schacht und Schmitt aus prinzipiellen Überlegungen zu einer grotesken Entlastung Hitlers gegenüber den „Imperialisten" und „Militaristen". Diese haben ja nach der geltenden kommunistischen Auffassung dem Faschismus zur Macht verholfen. Infolgedessen muß es nun heißen: „Wollte man der reaktionären westdeutschen Geschichtsschreibung folgen, dann wären alle diese Schritte von Hitler ausgegangen, der sie angeblich über den Kopf der Militärs hinweg und gegen deren Willen befahl [Bracher], In Wirklichkeit gehörten alle diese aggressiven Schritte zum Programm der deutschen Imperialisten und Militaristen, das in den Grundzügen schon längst festlag, bevor einem Hitler seine Durchführung anvertraut wurde.“ Für diese Be-hauptung führte Gossweiler als Beweis nicht mehr als jenen berühmten, viel umstrittenen Brief Stresemanns vom 7. September 1927 an den Kronprinzen an, in dem dieser erklärte, der Eintritt in den Völkerbund werde die Lösung der Reparationsfrage, das „Wiedererstarken Deutschlands", eine „Korrektur" der Ost-grenzen und Osterreichs Anschluß erleichtern. Der Höhepunkt von Gossweilers Geschichtskonstruktionen bildet schließlich die Behauptung, am 30. Juni 1934 seien „die Bestrebungen der Schleicher, Strasser und Röhm“ zunichte gemacht worden durch eine „Koalition sehr heterogener Kräfte, nämlich durch den Zusammenschluß der von Schacht und Thyssen repräsentierten . amerikanischen'Fraktion der deutschen Monopolbourgeoisie mit den . alldeutschen'Schwerindustriellen (Kirdorf, Vogler und anderen), den Junkern, der Reichswehrführung und den Rivalen Strassers und Röhms in der Nazipartei, Göring und Himmler" —, so daß also am Ende gerade Hitler und Goebbels von Schuld an diesen Morden freigeblieben zu sein scheinen. Nach dem 30. Juni schlossen sich dann — so hat Gossweiler mehrfach behauptet — „die meisten Teilnehmer dieser Koalition", da sie „nicht nur Gegner Schleichers, Strassers und Röhms, sondern auch Gegner einer Führung der Wirtschaftspolitik durch einen Mann [waren], der wie Schacht so eng mit dem amerikanischen Finanz-kapital verbunden war", unter Führung der „mächtigen Deutschen Bank", dem „Zentrum aller Gegner Schachts in der deutschen Monopolbourgeoisie", gegen Schacht zusammen Es bedarf einer komplizierten Konstruktion, um erklären zu können, warum Schachts Einfluß gleichwohl noch jahrelang wuchs. Schon gar nicht ist natürlich von seinem freiwilligen Rücktritt aus Protest gegen Hitlers Politik die Rede, vielmehr heißt es: „Je erfolgreicher Schacht für die Aufrüstung des faschistischen Deutschland tätig war, desto mehr untergrub er seine eigene Stellung, indem er die Umstände beseitigen half, die ihn unentbehrlich gemacht hatten." Und schließlich: „Die Rolle Hitlers und der Nazimachthaber überhaupt beschränkte sich im wesentlichen darauf, jeden möglichen inneren Widerstand gegen die Politik der Kriegsvorbereitung gewaltsam zu unterdrücken, durch eine raffinierte Demagogie den volksfeindlichen Inhalt dieser Politik den Massen als Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte darzustellen, die jeweils reaktionärste und aggressivste Variante der reaktionären und aggressiven Wirtschaftspolitik des deutschen Monopolkapitalismus durchzusetzen und solche politischen Bedingungen zu schaffen, die es den Monopolherren erlaubten ihre Konkurrenz-und Machtkämpfe unter Ausschluß der Öffentlichkeit auszutragen, um jedes Eingreifens antimonopolistischer Kräfte in diese Kämpfe und jede Störung des Bildes einer einheitlichen, ziel-und erfolgssicheren weil angeblich alleine vom unfehlbaren . Führer'bestimmten Wirtschaftspolitik zu verhindern."

„Vor einiger Zeit", so zitiert Klaus Drobisch den österreichischen Schriftsteller J. Hindels, „fragte ein österreichischer Sozialdemokrat einen jüngeren bürgerlichen Historiker, weshalb er nichts zum Thema: , Was brachte Hitler seinen Geldgebern?'zu sagen hätte. Die bezeichnende Antwort war: . Ich wollte den Eindruck vermeiden, als ob hochgestellte Persönlichkeiten, die auch heute im Wirtschaftsleben wieder eine Rolle spielen, zu den direkten Nutznießern des verbrecherischen NS-Regimes gehört haben. Nun war das zwar der Fall, aber doch nur für wenige Jahre, die historisch ohne Bedeutung sind, warum also Fakten hervorheben, die eine überflüssige Diskriminierung zur Folge haben, was — ehrlich zugegeben — auch dem Autor nur Schwierigkeiten bereitet. Drobisch zieht den Schluß aus diesem Zitat, mit dem er seinen Aufsatz über „Flick und die Nazis" beginnen läßt, mit den Sätzen: „Der Befragte gab also zu, daß er um die Verflechtung zwischen Finanzoligarchie, Nazistaat und -partei weiß, sich aber dem direkten oder indirekten Druck der Monopolherren beugt und ins Schweigen flüchtet. Ähnlich verhält sich eine ganze Reihe bürgerlicher Historiker. Nun gibt es keinen Historiker in der Bundesrepublik — und auch in Österreich dürfte es kaum einen solchen geben —, der „die wenigen Jahre" des Nationalsozialismus als „ohne Bedeutung" bezeichnet, und auch keinen, der eine berechtigte „Diskriminierung" für „überflüssig" erklärt. Aber Drobisch hat mit Hindels unbelegter Geschichte einen guten „Aufhänger" für seinen eignen Aufsatz, bei dem es ihm nicht allein um Flick geht, sondern auch um den „Standpunkt der platten Apologie“, den „bürgerliche" Historiker angeblich vertreten: „Um das Monokapital reinzuwaschen, versuchen sie, alle Schuld an den faschistischen Schandtaten auf die Naziführer zu wälzen. Es geht also bei Drobisch um insgesamt drei Thesen: 1. Am Nazismus waren die Monopol-herren schuld; 2. Flick war wie andere ein solcher schuldiger Monopolherr; 3. bürgerliche Historiker beschönigen diese Situation, indem sie „jegliche Einflußnahme der Monopolisten auf die faschistische Politik" leugnen Die letzte dieser drei Behauptungen bildete um 1960/66 ein unter Historikern der DDR lebhaft diskutiertes Thema, bei dem man schließlich, entsprechend der maßgebenden Theorie, zu dem Ergebnis gelangte, daß die „Monopolherren" die Hauptschuld am Faschismus trugen.

Drobisch macht es sich mit der Beweisführung für seine Behauptungen leicht: Er benutzt in erster Linie die Akten der Anklage im Flickprozeß, verwendet das Buch „I paid Hitler", als dessen Autor — trotz aller Gegenbeweise — von kommunistischen Historikern immer noch Fritz Thyssen genannt wird, und zitiert das Imperialismus-Buch von Hallgarten. Seine Angaben sind so unscharf und allgemein formuliert, daß manche von ihnen nicht ganz leicht angreifbar bzw. widerlegbar sind — eine Methode, die bei den schwächeren kommunistischen Geschichtsschreibern, wie etwa bei Czichon, recht beliebt ist. Drobisch beendet seinen schlecht dokumentierten Aufsatz mit der Formulierung: „Der Flickkonzern erwies sich in dem behandelten Zeitraum als ein kriegs-lüsternes Machtgebilde. Er förderte die Nazi-partei und stütze den faschistischen Terror-apparat. Dieser Konzern half entscheidend mit, den zweiten Weltkrieg vorzubereiten. Er zog während des Krieges aus Rüstung und Beute, aus der Aneignung fremder Betriebe und der Ausbeutung ausländischer Zwangsarbeiter Riesenprofite."

Auf der gleichen Linie dieser Argumentation liegen Wolfgang Schumans Aufsätze „Der Zeiss-Konzern im System des staatsmonopolistischen Kapitalismus während des Faschismus" und „Das Kriegsprogramm des Zeiss-Konzerns" Auch hier heißt es: „Die Geschichte des Zeiss-Konzerns in der Periode der faschistischen Diktatur ist Bestandteil der Geschichte des deutschen Imperialismus, der die deutsche Nation und das deutsche Volk durch den von ihm begonnenen zweiten Weltkrieg an den Rand der Katastrophe brachte. Die Zeiss-Konzernherren waren an der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrie-ges ebenso beteiligt wie die Beherrscher anderer großer deutscher Rüstungskonzerne. Sie gehörten zur Gruppe der reaktionären deutschen Monopolisten, die sich mit Hilfe des faschistischen Systems die Weltherrschaft zu erobern hofften." Der Aufsatz steckt, sobald es um die Beweisführung für die im Zitat enthaltenen Behauptungen geht, voller Widersprüche: Unter Auslassung wichtiger Ministerial-und Vierjahresplan-Akten wird allein aus Organisationsakten des Unternehmens nur das herausgelesen, was die These zu stützen scheint, so daß z. B. am Ende nicht die nationalsozialistische Regierung und insbesondere Speer die Konzentration aller wirtschaftlichen Vorgänge im Interesse der Rationalisierung und Steigerung der Produktion betrieben, sondern die „Zeiss-Konzernherren" die Bildung eines Monopols zustande brachten.

Auch hier gibt es schließlich über die angeblichen historischen Erkenntnisse hinaus die politische Nutzanwendung: „Historische Untersuchungen und Einschätzungen der Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus im faschistischen Deutschland sind deshalb von außerordentlicher Bedeutung für den ideologischen Kampf gegen die Verfälschung der politischen und ökonomischen Zustände in Westdeutschland, durch die bürgerliche Apologetik des Imperialismus und die rechten Führer der Sozialdemokratie. Sie helfen, den reaktionären Klassencharakter des Bonner Staates zu erkennen, der von den herrschenden aggressiven Gruppen des deutschen Monopol-kapitals in gleicher und noch stärkerer Weise zur Durchsetzung ihrer Interessen ausgenützt wird wie im faschistischen Deutschland." Die politische Verdrehung geht so weit, daß man selbst die Auslandsreisen, die Carl Goerdeler 1938 und 1939, finanziert von Robert Bosch, durchführen konnte, um der Verfolgung durch die Gestapo zu entgehen, als Informationsreisen zugunsten der „faschistischen Nahostexpansion" und Goerdeler selbst als Vorläufer des angeblichen „Bonner Neokolonialismus" hinstellt Der Aufsatz erwähnt zwar, daß man im Potsdamer Zentralarchiv zwei Reiseberichte Goerdelers gefunden habe, wagt es aber nicht, diese ganz oder in größeren Partien abzudrucken, und tatsächlich lassen selbst die kurzen, sorgfältig ausgewählten Zitate daraus deutlich erkennen, daß es sich um eine plumpe Verfälschung von Goerdelers Auffassung handelt.

„Imperialismus" im Zweiten Weltkrieg: Dietrich Eichholtz

Hier sind prominente Vorstudien für eines der wichtigsten kommunistischen Werke zur Wirtschaftsgeschichte des „Imperialismus" zu nennen: die Arbeit von Dietrich Eichholtz, „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939— 1945", Bd. I: 1939— 1941 (Ost-) Berlin 1969. Eichholtz selbst hat vor diesem Band eine Reihe von Aufsätzen geschrieben, darunter „Probleme einer Wirtschaftsgeschichte des Faschismus in Deutschland" „Gewalt und Ökonomie" „Zur Lage der deutschen Werktätigen im ersten Kriegsjahr 1939/40. Eine Studie über die staatsmonopolistische Kriegswirtschaft des deutschen Faschismus" und gemeinsam mit Gerhart Hass: „Zu den Ursachen des zweiten Weltkrieges und den Kriegszielen des deutschen Imperialismus"

„Forschungsarbeiten zu den Ursachen des zweiten Weltkrieges und den Kriegszielen des deutschen Imperialismus haben nicht nur wissenschaftliche, sondern auch höchst aktuelle Bedeutung“, konstatiert der einleitende Satz des letztgenannten Aufsatzes. Ulbricht habe gesagt: „Vor allem müssen wir aber auch den Hinweis Lenins beachten, daß das Geheimnis der Vorbereitung und Führung imperialistischer Aggressionskriege nicht nur studiert werden muß. Es muß das ganze Volk darüber rechtzeitig und in allen Einzelheiten informiert werden." „Die besondere politische und ideologische Bedeutung" seines Vorhabens, eine „ausführliche Untersuchung der Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939 bis 1945“ zu schreiben, steht nach Eichholtz'Meinung „außer Zweifel in einer Zeit, da auf dem VII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als wichtigste Aufgaben der Geschichtswissenschaft in unserer Republik die Herausbildung eines wissenschaftlichen Geschichts-und Weltbildes des sozialistischen Menschen und die Entwicklung seiner bewußten klassenmäßigen Einstellung zum sozialistischen Aufbau eindringlich hervorgehoben wurden." Neben diesen Aufgaben stehen die „Grundfragen einer Etappe deutscher Geschichte, ja der ganzen Periode imperialistischer Herrschaft in Deutschland. Es geht zugleich um die Auseinandersetzung mit einem der wichtigsten charakteristischen Abschnitte jener geschichtlichen Vergangenheit, die in Westdeutschland noch Gegenwart ist — eine 86 den Frieden in Europa und in der Welt ständig gefährdende Gegenwart."

Eichholtz betont, daß die „Fülle des Materials früherer Konzernarchive . . . nach wie vor ungenügend benutzt" werde; doch auch er selbst hat außer Anklage-und Dokumentenbänden der Nürnberger Wirtschaftsprozesse, die er eigenartigerweise in Warschau einsah, und außer den Akten einiger oberschlesischer Unternehmen, die er in Kattowitz und in Breslau eingesehen hat, Akten der Großindustrie und der Großbanken gar nicht oder, wie bei der Deutschen Bank, nur in Form von Photokopien herangezogen, die es in einem „Deutschen Wirtschaftsinstitut" in Ost-Berlin gibt Daß das erste Zitat seines Buches aus der Schrift eines Klassikers des „wissenschaftlichen Sozialismus" oder eines führenden kommunistischen Politikers stammt, ist selbstverständlich: Eichholtz beruft sich darauf, daß W. Ulbricht in einer Rede über „Die Bedeutung und die Lebenskraft der Lehren von Karl Marx für unsere Zeit“ gesagt habe, „mit dem Faschismus" sei „eine Herrschaftsform des staatsmonopolitistischen Kapitals geschaffen worden, die die Krise des Kapitalismus mit Terror im Innern und durch die Neuaufteilung der Welt nach außen überwinden sollte“ Tatsächlich ist Eichholtz'Buch weitgehend eine häufig unklare Auseinandersetzung über privatmonopolistischen und staatsmonopolistischen Kapitalismus in der Zeit des Dritten Reiches. Da es insbesondere von den Geschichtskonstruktionen ausgeht, die Lenin und Ulbricht errichtet und sowohl zur Anpassung an die historische Wirklichkeit wie an die veränderte Zielsetzung für die Zukunft von Zeit zu Zeit modifiziert haben, kann er jene Wirklichkeit selbst nur schwer erfassen. Für ihn — wie für W. Ulbricht — steht „die Gesetzmäßigkeit der Niederlage des deutschen Imperialismus" so fest, daß ein Krieg wohl „in eine zeitweilige Niederlage des Fortschritts münden — aber nicht darin enden— kann“ Damit war also „der Überfall auf die Sowjetunion, auf die fortschrittlichste gesellschaftliche Ordnung in der Welt", von vornherein ein „hoffnungsloser Krieg" Es fehlt hier der Raum, um die beachtliche Zahl der Widersprüche im einzelnen darzustellen, in die Eichholtz sich infolge seiner doktrinbestimmten Urteile verwickeln muß. Nur auf einige sei hingewiesen: Einerseits muß, seiner Konstruktion entsprechend, der deutsche Militarismus schon in der Weimarer Republik, ganz deutlich aber seit 1933 weltbedohend gewirkt, die Sowjetunion hingegen als friedliebender Staat mit der Rüstung weit hinter Deutschland zurückgestanden haben. Andererseits darf aber Stalins „Wachsamkeit" nicht allzu gering eingeschätzt werden. Auch Schukow hat in seinen Memoiren diesem Dilemma gegenübergestanden — und sich schließlich als stolzer Soldat ein wenig verklausuliert für die Betonung von Rußlands Stärke entschieden. Eichholtz mag oder darf nicht zugeben, daß die Sowjetunion 1939 und 1941 nicht nur eine der größten, sondern auch eine der am stärksten gerüsteten Weltmächte gewesen ist. Er kann des weiteren die besondere Position der Gründung und Entwicklung der „Reichswerke Hermann Göring" innerhalb der deutschen Wirtschaft — nicht nur der Kriegswirtschaft — gar nicht verstehen, weil er das ebenso schillernde wie wechselnde Verhältnis zwischen Schacht als Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident, Großindustrie, Größbanken und Hermann Göring als ehrgeiziger Privatperson, Beauftragtem des Vierjahresplans, Vertrauensmann Hitlers, preußischem Ministerpräsidenten, Oberbefehlshaber der Luftwaffe usw. von seiner festgelegten Meinung her einfach nicht zu erkennen vermag. Daß es nicht um die Verwirklichung von Theorien ging, die sich Lenin ein Menschenalter zuvor und Ulbricht zwanzig Jahre später ausgedacht haben, sondern um Machtkämpfe lebendiger Personen in ständig wechselnden Machtverhältnissen, politischen und wirtschaftlichen Situationen — eben das darf nicht sein.

Ein weiteres Beispiel: Der wirtschaftliche Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 darf natürlich nicht genannt, seine Bedeutung für die deutsche Rüstungs-und Vorratswirtschaft nicht behandelt, die westdeutsche Literatur dazu nicht angeführt werden. Denn aus alledem ginge hervor, daß Stalin keineswegs friedliebend gewesen ist, daß er Hitlers Neigung zum Kriege bestärkt, daß er nicht allein Polen mit Hitler geteilt, sondern Deutschland letztlich für den Angriff auf die Sowjetunion gestärkt hat. So bleibt es denn zunächst einfach bei den beiden Sätzen: „In den letzten Vorkriegsjähren wurden [in Deutschland] recht umfangreiche Vorräte an kriegswichtigen Rohstoffen, Metallen und Treibstoffen angelegt. Reichlich sechs Monate konnte das faschistische Deutschland unter Blockade mit voller Kraft Krieg führen. Solche Vorräte existierten in Buntmetallen, Ferrolegierungsmetallen, Mineralöl. Natur-kautschuk (für etwa zwei Monate), Eisenerz, industriellen Fetten. Vom Rohstoff-, Vorrats-und Produktionswert der vor dem Ausbruch des militärischen Krieges annektierten Gebiete ist die Rede — Stalin aber kommt weder im Text noch im Register des Buches vor. Vielmehr heißt es im Kapitel über die Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion „Langfristige Handelsbeziehungen zur Sowjetunion auf der Basis friedlicher Koexistenz gleichberechtigter Staaten [ein politischer Propagandabegriff viel späterer Zeit] waren für die herrschenden Kreise des faschistischen Deutschlands .. . keine Alternative zur Eroberung von . Lebensraum'.. . Vor allem wollten sie sich nicht damit abfinden, daß sie über die begehrten Reichtümer und Ressourcen der UdSSR nicht frei verfügen konnten und für die sowjetischen Waren nützliche Äquivalente zu liefern hatten. Die Sowjetunion konnte zwar nicht verhindern [! ], daß ihre Lieferungen (Getreide, Holz, Erze, Erdöl, Baum-wolle, Phosphat) direkt oder indirekt die deutsche Kriegsmaschine stärkten; aber sie verlangte als Gegenleistung Erzeugnisse des Maschinenbaues und anderer wichtiger Industriezweige (hochwertige Maschinen und Apparate, ganze Ausrüstungen, Fahrzeuge, Waffen), deren Produktion nicht unbedeutende Kapazitäten der deutschen Rüstungsindustrie band, so daß die Effektivität des deutsch-sowjetischen Handels für das deutsche Kriegs-potential schließlich stark begrenzt blieb."

Mit anderen Worten: Der Verfasser muß wenigstens indirekt zugeben, daß Stalin dafür sorgte, daß das „Kriegspotential" beider Systeme — des Nationalsozialismus und des Bolschewismus — gestärkt wurde. Aber welch beträchtliche Lieferungen aus der und durch die Sowjetunion nach Deutschland gelangten, verschweigt Eichholtz; er verleumdet die westdeutschen Autoren, welche solche Informationen zur Verfügung stellen, als „penetrant antisowjetisch". Friedensburg, der im Dritten Reich als Demokrat gemaßregelt wurde, hat offiziellen, allgemein zugänglichen sowjetrussischen und deutschen statistischen Handbüchern entnommen, daß die Sowjetunion vom 1. Januar 1940 bis zum 22. Juni 1941 nach Deutschland 237 000 t Roggen, 194 000 t Weizen, 792 000 t Gerste und 302 000 t Hafer ge-liefert hat und damit „in Roggen und Hafer der fast ausschließliche, in Weizen und Gerste aber der wichtigste Lieferant für Deutschland" gewesen ist. „ Im ganzen Jahr 1940 gingen 81,4% der sowjetischen Gesamtausfuhr an Getreide nach Deutschland. Ähnliche Feststellungen sind für Baumwolle und Holz zu treffen. Die Sowjetunion lieferte in dem Zeitraum vom 1. Januar 1940 bis 30. Juni 1941 101 000 t Baumwolle — 66 % ihrer Gesamtausfuhr an diesem Rohstoff — und stellte damit rund zwei Dritte] der deutschen Gesamteinfuhr. Bei Holz betrug der Anteil am deutschen Import etwa 25 %. Bei den mineralischen Rohstoffen, die die Sowjetunion an das Dritte Reich lieferte, handelte es sich „in allen Fällen um Rohstoffe, die sich die nationalsozialistische Kriegswirtsdiaft seit dem Herbst 1939 andererseits gar nicht oder nur in unzureichenden Mengen hätte beschaffen können, die aber von hoher kriegswirtschaftlicher Bedeutung waren . . , . „Man wird nicht fehlgehen, wenn man in diesem Umstande einen der Gründe für die erstaunliche Widerstandskraft der von dem Hauptteil des Weltmarktes abgeschnittenen Kriegsrüstung des nationalsozialistischen Deutschlands erblickt, ähnlich wie die erheblichen Getreidelieferungen einen bedeutsamen Beitrag zur deutschen Kriegsversorgung mit Nahrungsmitteln leisteten." Friedens-burg belegt, wie 1940 „von der sowjetischen Gesamtausfuhr an Phosphat 49,9%, an Asbest 77,7%, an Chromerz 62,4%, an Manganerz 40,7% und an Mineralöl 75,2 % auf die Ausfuhr nach dem Hitlerreich" entfielen Die Gegenlieferung von Waren aller Art, insbesondere von Metallen und Maschinen, von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen sowie Glas und Glaswaren, kompensierte dem Wert nach 1940 nur zu 55% und 1941 zu 82% die russischen Lieferungen. Stalin nahm das, nachdem er für die Sowjetunion die östlichen zwei Drittel Polens hatte rauben können, in Kauf, weil er auf diese Weise den Krieg verlängern konnte — ungeachtet der Möglichkeit, ja, wachsenden Wahrscheinlichkeit eines nationalsozialistischen Angriffs auf die Sowjetunion.

Natürlich muß auch Eichholtz an jener Behauptung festhalten, Hitler sei nicht mehr als nur ein Instrument der Monopolkapitalisten gewesen: „Die These der bürgerlichen Geschichtsschreibung, daß Hitler und die faschistische Partei sich der großen Konzerne nur bedienten oder gar die Wirtschaft . zwangen', ihren Zielen zu dienen, weil sie ihrer industriellen und wissenschaftlichen Kapazitäten nicht entraten konnten, entstellt den Sachverhalt vollständig. In Wirklichkeit war die Vierjahresplanpolitik der Weg des deutschen Finanzkapitals selbst zu seinem Krieg und zu seinen Kriegszielen, den es unter Zuhilfenahme der politischen und militärischen Potenzen der Hitlerclique und der Hitlerwehrmacht endlich und schleunigst durchmessen wollte." Bei Eichholtz wird denn auch gerade in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Krauch und der IG-Farbenindustrie nicht nur ausführlich dargestellt und im Rahmen der Gesamtwirtschaft überbewertet, sondern als Pars-pro-toto-Beweis hingestellt, nicht zuletzt, wenn er, von einem Produktionsprogramm Krauchs im Spätsommer 1933 und von der Behauptung ausgehend, daß Krauch zum ersten Male den Begriff „Vierjahresplan" benutzt habe (als ob es davor keine Mehrjahrespläne in der Sowjetunion gegeben hätte), schreibt: „Die erste . Vierjahresplandenkschrift’ war also ihrem Ursprung nach sogar ein reines IG-Farben-Produkt. Und nicht nur ihrem Ursprung nach-. Ich hoffe, daß ich Ihnen mit dieser Abhandlung grundlegende Unterlagen für eine Ausweitung der deutschen Treibstoffwirtschaft gegeben habe’, hieß es in Krauchs Begleitbrief . . ." Daß Hitlers Denkschrift den Bergbau sowie die gesamte Grund-und Kunststoffindustrie betraf, daß sie sich nachdrücklich und mit Drohungen gegen das Privat-unternehmertum wandte (dessen Instrument nach Eichholtz'monopolkapitalistischer Konstruktion Hitler gewesen ist), daß er — und ebenso Göring — stets den Parteistaat und dessen Wirtschaftsmacht über die Privatinteressen und -Intentionen stellte, das alles wird nicht erwähnt, weil es nicht in die Kapitalismus-und Faschismus-Theorie des Marxismus paßt, die von der „auf Krieg berechneten Linie der größten deutschen Konzerne" lebt Ja, es wird schließlich behauptet, „der IG-Farben-Konzern bestimmte das Tempo" der Ereignisse im Jahre 1938 Wenn man sich durch Theorien und „Gesetze" so sehr festlegt, dann läßt es sich nicht vermeiden, daß Schacht innerhalb ein und desselben Absatzes „einer der wichtigsten Repräsentanten des faschistischen Regimes ist" und „von seinem Posten als Reichswirtschaftsminister verdrängt“ wird — von seinem freiwilligen Rücktritt aus Protest gegen Hitlers Politik ist natürlich auch hier keine Rede, überhaupt bietet Schacht von allen Personen, die in diesem Zusammenhang genannt werden müssen, natürlich die größten Schwierigkeiten: Deutschnationaler mit Hang zum Nationalsozialismus, kosmopolitischer Nationalist, der zwar den Juden insgesamt sehr reserviert gegenüberstand, aber einzelne von ihnen schützte, unabhängig sich äußernder, mutiger Minister und Präsident — so entspricht er keinem kommunistischen Bild von Imperialismus, Faschismus und Monopolkapitalismus.

Die Forscher in der Bundesrepublik, in den USA, in England und anderen westlichen Ländern bemühen sich, unsere Kenntnisse über das Dritte Reich von den Pauschal-urteilen der frühen Nachkriegszeit zu befreien und zu differenzieren, Schacht, Fritz Thyssen, Poensgen, Krauch und andere, bestimmte Banken und Industrieunternehmen, bestimmte Verbände und Kammern als Personen und Institutionen mit individuellen Zielen, Auffassungen und Fehlern, mit unterschiedlichen Einstellungen und Verbindungen zu Hitler, Göring, Himmler, Todt, Speer und Funk, Keitel. Milch, Jodl und anderen Funktionären und Militärs verständlich und also ein Netz von positiven und negativen Einflüssen und Beziehungen sichtbar zu machen. Eichholtz und seine Kollegen in der DDR sind hingegen allein darauf aus, sie alle als Mitglieder von im Grunde nur zwei durch die Theorie von vornherein festgelegten Gruppen erkennen zu lassen: den alles verursachenden und mehr oder weniger sichtbar leitenden und lenkenden Monopolkapitalisten und den faschistischen Funktionären, die, so verbrecherisch und brutal sie im einzelnen handeln mögen, im Grunde doch nur Werkzeuge in den Händen einer monopolkapitalistischen Clique sind, die ihrerseits freilich — nach Rückschlägen, nie nach Niederlagen der gerechten sozialistischen Sache — den Gesetzen des Klassenkampfes zufolge früher oder später mitsamt der Bourgeoisie unterliegen werden.

Das macht die Lektüre derartiger Werke so ermüdend und enttäuschend, langweilig und Stellen; englische Historiker unfruchtbar. Wo man Klärung erwartet, erhält 107Fragen in bezug auf die zu untersuchen. man Verdunkelung. Während es z. B. allmählich gelingt, Komplexe wie die „Arisierung" großer industrieller und bergbaulicher Unternehmen zu durchleuchten und die Rolle zu erkennen, welche Besitzer und Direktoren von Banken, Konkurrenten und Freunde dabei gespielt haben — wobei es freilich noch immer sehr schwierig ist, die im weitesten Sinne wirtschaftlichen Geschehnisse im Zusammenhang mit der Besetzung der Tschechoslowakei und mit dem „Anschluß" Österreichs zu durchschauen —, haben die Ereignisse sich in den Augen von Historikern wie Eichholtz nach einem immer gleichen Modell abgespielt. Oder aber die Einzelheiten, die sich diesem Schema ganz und gar nicht fügen wollen, erscheinen uninteressant, da ganz nach Bedarf einmal die großen Züge und ein anderes Mal die angeblich kleinen Einzelheiten hinter dem tarnenden Vorhang öffentlicher Handlungen als allein wesentlich figurieren.

Für eine solche Art der Darstellung dürfen zeitliche Differenzen natürlich keine entscheidende Bedeutung haben. Ob und vollends warum z. B. die Deutsche Bank Beziehungen zur Österreichischen Creditanstalt schon seit Jahrzehnten unterhalten hat — wie es der Fall war —, oder ob sie diese sich erst 1938 „verschaffte", wie es bei Eichholtz scheint das ist offenbar gleichgültig: Im „richtigen" Augenblick sind sie da, und für diesen Augenblick sind sie nach Eichholtz irgendwann einmal hergestellt worden: „Kriegslüsternheit und Expansionsdrang erfüllten alle führenden Monopole und Monopolgruppierungen" Die Theorie ist so eindeutig, daß es in der Tat nicht angebracht erscheinen kann, unter solchen Umständen noch Stalin zu erwähnen: „So belegen bereits die noch spärlichen Forschungsergebnisse für die unmittelbare Vorkriegszeit, daß das deutsche Monopolkapital über ein großes, vielfältiges Kriegszielprogramm der Ausbreitung seiner Herrschaft über Europa und über die Welt verfügte. Das Kernstück dieses Programms war die Zerschlagung der Sowjetunion." Und ausgerechnet Stalin unterstützte das Monopolkapital bei seinen rüstungswirtschaftlichen Vorbereitungen. So fehlt also in Eichholtz'Buch das Kapitel über diese sowjetische Hilfe für das Dritte Reich und über Hitlers Hilfe für die Sowjetunion. Eines der Merkmale der kommunistischen Geschichtsschreibung ist infolge ihrer ideologischen Grundlage die ausgedehnte Beschäftigung mit der Geschichte von „Apparaten", d. h. von Verbänden und Organisationen bis hin zu den Ministerien, an Stelle der Beschäftigung mit den Personen, die jene Institutionen schufen, lenkten und leiteten. Nicht Menschen machen ja die Geschichte, sondern „Mechanismen", „Apparate" und „Gesetze" Eine bemerkenswerte Vorarbeit auf diesem Gebiet zu Eichholtz'Buch ist Roswitha Czolleks Aufsatz „Zur wirtschaftlichen Konzeption des deutschen Imperialismus beim Überfall auf die Sowjetunion. Aufbau und Zielsetzung des staats-monopolistischen Apparats für den faschistischen Beute-und Vernichtungskrieg" Dort wird ein umfangreiches Kapitel mit dem institutionellen Geschehen um die personellen Veränderungen durch Schachts Rücktritt und Funks Erscheinen unter der Protektion, aber auch Kontrolle von Göring gefüllt, der wiederum Einflüssen von Militärs wie auch von Industriellen unterlag — ohne Frage besonders starkem Einfluß von Krauch Taucht in solchen Zusammenhängen Hitler auf, der im Oktober 1940 Görings Vollmachten als Beauftragter für den Vierjahresplan um vier weitere Jahre verlängerte, dann war dies zu jener Zeit bereits ein mehr oder weniger formaler Akt „ohne größere Erheblichkeit" — der Mechanismus lief nun automatisch ab, und Hitler war eigentlich schon fast überflüssig.

Und wenn der im März 1940 von Hitler zum „Reichsminister für Bewaffnung und Munition“ ernannte Todt, über den Eichholtz bemerkenswert wenig weiß, in den zwei Jahren bis zu seinem Tode, wie „selbst die neuere bürgerliche Forschung einräumt", „mit der Großindustrie zusammengearbeitet hat" dann mag der unbefangene westliche Historiker fragen: mit wem denn sonst? Eichholtz aber fügt hinzu: „Sie läßt jedoch nicht nur die maßgebliche Rolle völlig im Dunkeln, die die führenden Monopole und ihre staatsmonopolistischen Vertretungen (Reichsgruppe Industrie u. a.) bei der Entstehung des Todt-Ministeriums spielten, sondern erst recht die Tatsache, daß der neue Minister jeden seiner ersten Schritte buchstäblich an der Hand der führenden Vertreter großer Rüstungskonzerne und unter Anleitung durch die Reichsgruppe Industrie tat." Alles sei „tatsächlich das kollektive Werk der großen Konzerne" gewesen: „Das Ministerium stellte ihre zentrale Exekutive dar

In Todts Akten, die Eichholtz offenbar nicht kennt, findet sich nicht der geringste Beweis für diese Behauptung, und was Eichholtz selbst als Belegmaterial anbietet, sind falsche Interpretationen von Industrieakten. Schließlich heißt es bei Eichholtz unter Berufung ausgerechnet auf Todts Nachfolger Speer: „Todt fungierte fast zwei Jahre lang als Minister. Sein Ministerium füllte während dieser Zeit keineswegs jene dominierende Rolle aus die es später, nach Todts tödlichem Flugzeug-unfall, unter Speers Leitung innehatte."

So schwierig es bei einer vorgefaßten Meinung werden muß, die Gründung der „Reichswerke" und ihre Tätigkeit in die Geschichte einzuordnen und zu erkennen, daß sie vor allem zur Machtsteigerung Görings über seine Rivalen in Hitlers Gunst, zur Stärkung des Parteistaates und zur Einengung der Privatwirtschaft dienen sollte, so unmöglich ist es Eichholtz, die Stellung Todts zwischen Partei, Staat, Wehrmacht und Wirtschaft zu erfassen. Er selbst merkt schließlich, daß seine Behauptung, Todt sei ein Geschöpf der Industrie gewesen, es verhindert, dessen Kämpfe mit Keitel, Thomas und Göring erklären zu können. Infolgedessen behilft er sich mit „geheimen Abmachungen zwischen Todt und dem Führer", „die den Vermutungen nach existierten"

Das Kapitel IV von Eichholtz’ Buch behandelt „die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa“ mit den Unterabschnitten: „Wesenszüge der Expansion des deutschen Monopolkapitals", „Der zweite Versuch der deutschen Monopole zur gewaltsamen Neuaufteilung der Welt", „Charakter und Methoden der wirtschaftlichen Expansion und Ausplünderung“, „Die . Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes“', „Die Kriegs-ziele des deutschen Imperialismus in den . Neuordnungs-Programmen der Monopole", „Der Beutezug der Monopole durch Europa, Der Interessenkampf bei der Verteilung der Beute" und „Hauptformen der Übernahme fremder Unternehmungen und Kapitalbeteiligungen". Dieses Kapitel IV bildet das Kernstück des Buches; es ist bemüht, unter vielen Variationen und Wiederholungen die Richtigkeit der These von der „Herrschaft der Monopole" über Hitler zu beweisen, die Auffassung also, daß am Anfang des Krieges nicht Hitler und seine Eroberungs-und Herrschsucht stehen, sondern das Expansions-und Weltherrschaftsverlangen der deutschen Industrie.

Das Bemerkenswerteste an diesem Kapitel ist, daß Eichholtz sich hier in einem Exkurs über die „Hauptgruppierungen des Monopolkapitals“ von Lenins Kapitalismus-und Imperialismus-Theorie unter Anlehnung insbesondere an Jürgen Kuczynski und Gossweiler zu lösen versucht, weil selbst für die marxistische Geschichtsschreibung Lenins Theorie nicht mehr ausreicht Das „Ergebnis" ist freilich auch hier: „Die Montankonzerne unterstützten und inthronisierten schließlich den Hitler, der Versailles liquidieren, d. h. Frankreichs Vormachtstellung auf dem Kontinent brechen wollte und den . Drang nach Osten'zur offiziellen außenpolitischen Hauptmaxime auf lange Sicht erklärte, über weitere Schritte zur Beherrschung ganz Europas und schließlich zur Ausbreitung ihrer Herrschaft über die Welt waren ihre Vorstellungen noch verschwommen und uneinheitlich" Hitler sei sich „anscheinend frühzeitig der Tatsache zumindest undeutlich bewußt" gewesen, „daß die Monopole von ihm die Verwirklichung recht verschiedenartiger expansionistischer Ziele erwarteten" Um das beweisen zu können, wird kurzerhand das Protokoll einer Hitlerrede vom Februar 1933 als Ausdruck der Zielsetzungen der „Monopole“ hingestellt und hinzugefügt: „Dies mag als frühe Bestätigung der von uns herausgearbeiteten unterschiedlichen Linien der expansionistischen Monopolpolitik gelten. Hitlers damaliger, einigermaßen unentschlossener Standpunkt, der sicherlich in den folgenden Jahren Wandlungen unterlag, erklärt sich leicht daraus, daß alle großen Interessengruppen, alle wichtigen Monopolgruppierungen ihm in jenen Wochen und Monaten um die Jahreswende 1932/33, als sie sich auf die faschistische Diktatur einigten, ihre wirtschaftlichen und politischen Forderungen und Pläne nachdrücklich unterbreitet hatten." Um alle diese Behauptungen, Vermutungen und Konstruktionen stützen zu können, beruft Eichholtz sich ausgerechnet auf Eberhard Czichon, den schwächsten aller Historiker in der DDR, sofern man ihn überhaupt als Historiker kann In keinem Kapitel von Eichholtz'Buch wird so sehr mit „Wahrscheinlichkeit“ und „Vermutung", mit „naheliegenden Folgerungen" gearbeitet wie in diesem.

aber das allein noch nicht zum notwendig Ergebnis führt, muß Eichholtz eindeutigen Verdrehungen greifen. Ein Beispiel: Im sogenannten „Anhang, Dokumente zur . Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes'" veröffentlicht er einen „Aktenvermerk auf Grund eines Vortrages, den der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe . Eisenschaffende Industrie', Dr. J. W. Reichert, am 14. 6. 1940 im kleineren Kreise gehalten hat...“ In diesem Aktenvermerk heißt es: „Wäre zur Zeit des Frankfurter Friedens 1871 schon die große Bedeutung der im Moseltal zutage tretenden Erzbecken bis weit über die Stadt Briey hinaus erkannt worden, dann ist anzunehmen, daß damals schon die ganzen Minette-Erzvorkommen Lothringens von Deutschland übernommen und damit der französische Revanchekrieg erschwert worden wäre." Eichholtz kommentiert diese Sätze wie folgt: „Mit einer historischen Betrachtung darüber, daß der deutsche Imperialismus sich schon 1871 im FrankfurterFrieden, bis weit über die Stadt Briey hinaus . . . die ganzen Minette-Erzvorkommen Lothringens'hätte sichern sollen, verknüpfte Reichert am Schluß die These von der , Weltstellung'..." Auch in der DDR werden aufmerksame Leser erkennen, daß hier ein Geschichtsfälscher am Werke ist; denn Eichholtz übergeht, was ein Kenner der technischen Zusammenhänge wie Reichert 1940 natürlich genau wußte, daß die Minette-Erze 1871, ein halbes Dutzend Jahre vor der Erfindung des Thomas-Verfahrens zur Verhüttung von Erzen dieses Typs, praktisch wertlos und daher für „Imperialisten" und „Annexionisten" nicht erstrebenswert waren

Aus dem letzten Kapitel von Eichholtz'Buch, das der „wirtschaftlichen Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion“ gewidmet ist, sei ein prinzipiell ähnlicher Fall herausgegriffen: die Bedeutung von Fritz Thyssen in diesem Zusammenhang. Fritz Thyssen, der Hitler vor der „Machtergreifung" unterstützt hatte und am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten war, stieß mit seinen ständestaatlichen Vorstellungen bereits im Herbst 1933 auf Widerstand in Hitlers Umgebung und gehörte seit Anfang 1934 nicht mehr zu Hitlers engem Kreis. Für die Zeit nach dem 30. Juni 1934 konnte selbst die Spruchkammer von 1948 Thyssen keine Handlung mehr zugunsten des Nationalsozialismus nachweisen. Es ist belegt, daß er gegen Autarkie und Aufrüstung und für die Ausdehnung des Außenhandels war, daß er seit 1936/37 auf Hitlers Sturz hinarbeitete, sich für Niemöller und jüdische Beamte einsetzte, mit einem Protestschreiben an Göring sein Amt als Staatsrat niederlegte und nach einem telegraphischen Protest gegen Hitlers Kriegspolitik am 2. September 1939 ins Ausland flüchtete. Sein Vermögen wurde alsbald eingezogen und der Treuhand-Verwaltung des noch mehrfach zu nennenden Barons Kurt von Schröder unterstellt, er selbst 1940 in Frankreich von der Gestapo gefangen gesetzt und anschließend bis Kriegsende, seit 1943 in Konzentrationslagern, inhaftiert.

Das alles sind bekannte, auch Eichholtz in der wissenschaftlichen Fachliteratur leicht zugängliche Tatsachen. Doch passen diese nicht in sein Schema vom Monopolkapitalisten. Infolgedessen benutzt er aus dem nachgewiesenermaßen nicht von Thyssen geschriebenen Buch „I paid Hitler" Zitate, die Thyssen belasten, und spricht von „seinen und seinesgleichen Haßgefühlen gegen die Sowjetunion". Er behauptet: „Thyssen repräsentierte in dieser Beziehung eine bedeutende Gruppe von Monopolen, die vor allem gerade deswegen Förderer der Nazi-partei, deshalb Faschisten geworden waren, weil die Hitlerclique den wütendsten Antikommunismus, den Kreuzzug gegen den Bolschewismus und die imperialistische Expansion in Richtung Osten auf ihre Fahnen geschrieben hatte."

Je weiter Eichholtz'Darstellung geht, um so mehr versucht sie den Eindruck zu erwecken, der Zweite Weltkrieg sei nicht so sehr ein Angriffskrieg Hitlers und des Nationalsozialismus gewesen — beide können sich kaum einen besseren Verteidiger wünschen als die kommunistische Theorie von der alleinigen Kriegsschuld der Imperialisten und Monopolkapitalisten —, sondern hauptsächlich und fast ausschließlich ein Krieg der IG-Farbenindustrie AG. Diese groteske Behauptung beruht wahrscheinlich nicht allein darauf, daß die IG-Farbenindustrie AG um 1939 der größte deutsche Konzern gewesen ist und damit zum wichtigsten Angriffsziel kommunistischer Historiker wurde, sondern mehr noc wohl darauf, daß, wie oben bemerkt, Lenin die marxistische Geschichtsschreibung gerade auf diesen Wirtschaftszweig hingewiesenhatte Außerdem spielt sicherlich die simple Tatsache eine Rolle, daß man eine beträchtliche Menge von IG-Akten gefunden und im Nürnberger Prozeß vorgelegt hat, aus deren Anklageteil verhältnismäßig leicht „Beweismaterial" zu gewinnen ist.

Eichholtz selbst hat bereits — gemeinsam mit der schon genannten Roswitha Czollek — eine Art Vorstudie für den zweiten Band seines auf drei Bände angelegten Werkes, nämlich eine Dokumentation zu „Kriegszielen und Kriegs-planung führender Konzerne beim Überfall auf die Sowjetunion" veröffentlicht, welche schon im Titel die nicht überraschende Tendenz deutlich werden läßt: „Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941" Uber diese Dokumente hatte Eichholtz schon im Juni 1966 auf der vom „Institut für Geschichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften" veranstalteten Konferenz anläßlich des 25. Jahrestages des Kriegsbeginns im Osten referiert. „In den Beratungen der Konferenz erwies sich wiederum die führende Rolle der Monopole sowohl bei der Expansion des deutschen Imperialismus im allgemeinen als auch der Aggression gegen die UdSSR im besonderen" heißt es über den eigentlichen Gegenstand dieser Veröffentlichung. über ihre Ziele erfahren wir: „Wenn Albert Norden auf der internationalen Pressekonferenz am 29. Juni 1966 in Berlin eine alarmierende Analogie zwischen dem . Grauen Plan'des westdeutschen Imperialismus von heute und der . Grünen Mappe'— jenem kodifizierten Komplex organisatorischer, juristischer, personeller und institutioneller Aggressionsvorbereitungen von vor 25 Jahren — nachweisen konnte, so sind die im folgenden abgedruckten Quellen von beklemmender Aktualität ..." In Wirklichkeit handelt es sich um Dokumente, aus denen das Gegenteil dessen hervorgeht, was sie angeblich „belegen"

Mai und Eichholtz haben zwei Werke geschaffen, die innerhalb der Geschichtsschreibung in der DDR zum „Imperialismus" zentrale Positionen einnehmen. Beide Autoren haben unter Beherrschung der Problematik und Heranziehung der ideologischen und wissenschaftlichen Literatur sowie eines großen Urkundenmate-rials Bücher geschrieben, die im Bereich der kommunistischen Auffassung sowohl von der Geschichtsschreibung wie von deren politischer Aufgabe als führend bezeichnet werden müssen, aus denen schließlich auch der westliche Historiker einiges lernen und manchen Gesichtspunkt übernehmen kann — insbesondere aus dem Buch von Mai. Dieser hat sich fast auf jeder Seite mit deutschen Bankhäusern beschäftigt, Eichholtz dagegen, abgesehen von ein paar Seiten, erstaunlich wenig. Bei ihm steht der Komplex IG-Farbenindustrie und die angebliche Konzentration, wenn nicht des ganzen Dritten Reiches, dann doch zumindest seiner Kriegsindustrie, so sehr im Vordergrund der Betrachtung, daß die der Ideologie zufolge beherrschende und in der Tat nicht geringe Bedeutung der Banken für die Entwicklung der Wirtschaft eigentlich zu kurz kommt. Bei Mai läßt sich dieser Komplex nicht sehr stark politisieren, weil mit einer Studie, die nur bis 1894 reicht, beim besten Willen nicht die Schuld der Banken an Imperialismus und Faschismus, an Erstem und Zweiten Weltkrieg bewiesen werden kann. In dieser Hinsicht ist Mais Buch daher beinahe unpolitisch — von den üblichen politisch-propagandistischen und futurologischen Deklamationen in Vorwort und Schlußbemerkung abgesehen: Sie sind eben Waffen in einem Kampf, der zielbewußt irreführend als proletarischer Klassenkampf bezeichnet wird.

„Imperialismus" der Banken: Eberhard Czichon

Das Bankwesen und der Bankier in der Zeit des „Imperialismus" sind also in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung in der DDR im Vergleich zur Industrie bisher vernachlässigt worden. Selbst die vier Bände „Der deutsche Imperialismus und der Zweite Weltkrieg“, welche 1961 in (Ost-) Berlin die „Materialien der wissenschaftlichen Konferenz der Kommission der Historiker der DDR und der UdSSR" vom Dezember 1959 publiziert haben, enthalten keine Spezialarbeit über die deutschen Banken, wofür eine Ursache nicht klar zu erkennen ist. Wahrscheinlich liegt sie weniger darin, daß es keine Kenner des Bankwesens gibt. Vielmehr fehlt es vermutlich in den Archiven der DDR trotz der reichhaltig erscheinenden Quellen-Verzeichnisse der Werke von Czichon und anderen Autoren einfach an Material für Veröffentlichungen von der Breite und Fülle, wie sie die Bücher von Mai und Eichholtz auszeichnen. Diese Lücke nach einigen Vorarbeiten anläßlich des hundertjährigen Bestehens der Deutschen Bank auszufüllen, war offenbar die Absicht — oder der Auftrag — von Eberhard Czichon.

Einige wenige Vorarbeiten für sein Buch existierten: Czollek—Eichholtz hatten 1967 in der bereits genannten Dokumentation „Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941" einen .. Aktenvermerk" des Direktors der Deutschen Bank, H. J. Abs, vom 23. Januar 1941 über eine Besprechung im Reichswirtschaftsministerium am gleichen Tage „interpretiert" Anfang 1941 erschien es diesem Ministerium „geboten . . . , eine Holding-AG zu errichten, die alle ausländischen, neu in den deutschen Interessenbereich kommenden Erdölinteressen zusammenfassen soll". Es wurden dabei westeuropäische „Erdölinteressen", nämlich belgische und französische, daneben südosteuropäische und nordamerikanische erwähnt, und Abs notierte dazu: „Weitere Neuerwerbungen hängen von dem weiteren Fortgang des Krieges ab." Es ist nach unserer Kenntnis der Vorbereitungen des Überfalls auf die Sowjetunion kaum möglich, daß ein Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums oder der Vierjahresplan-Behörde zu diesem Zeitpunkt mit dem Stichwort „Fortgang des Krieges" den Angriff auf die Sowjetunion gemeint haben kann und daß Abs es so verstehen konnte oder verstanden hat. Czollek—Eichholtz aber machen daraus „bereits Monate vor dem Überfall" die Entstehung „spezieller staatsmonopolistischer Apparate, die sich bis ins Detail auf den Raub der ökonomischen Ressourcen der Sowjetunion und ihre Einbeziehung in die faschistische deutsche Kriegswirtschaft vorbereU ten“

Festzuhalten ist auf jeden Fall, daß bei dieser Besprechung der Vertreter der Deutschen Bank, H. J. Abs, — als vom Reich die Aufbringung von 70 Millionen RM für jene Holding-AG durch die Großbanken gefordert wurde — gemäß der Aktennotiz „feststellte, daß diese ganze Erörterung nicht nur, was die eventuelle Übernahme von Aktien und Krediten, sondern auch was die genannten Bedingungen für die Ausstattung der Aktien und des Kredites betrifft, unverbindlich sein müßte, daß ich das dringende Bedürfnis hätte, im Hause selbst die Vorschläge erst zur Sprache zu bringen". Mehr Distanzierung konnte man unter den 1941 gegebenen Verhältnissen kaum zeigen.

Ebenfalls im Jahre 1967 hat Heinz Mohrmann im „Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte" eine Dokumentation über den Kölner Bankier Kurt von Schröder herausgegeben in dessen Haus am 4. Januar 1933 die bekannte Begegnung Papens mit Hitler stattgefunden hat und dem Hitler dann nach der „Machtergreifung" eine Reihe von Ämtern in den nationalsozialistischen Bankorganisationen übertrug. Schröder hat als SS-Generalleutnant radikale wirtschaftspolitische und antisemitische Reden gehalten und Aufsätze veröffentlicht; 1939 —• nicht 1933, wie Mohrmann in völliger Verkennung der Zusammenhänge meint — wurde er nach Fritz Thyssens Flucht aus Deutschland für dessen zugunsten des Landes Preußen konfisziertes Vermögen zum Treuhänder der Thyssen & Co. AG, Mülheim/Ruhr, ernannt. Schröder hatte also allen Grund, bei seiner Vernehmung in Nürnberg am 24. November 1945 durch die Belastung anderer Bankiers das Interesse an seiner eigenen Person zu verringern und dahin zu wirken, daß man ihn, der auf der amtlichen Schwarzen Liste der 42 Industriellen und Bankiers stand, welche der amerikanische Kilgore-Ausschuß für mitschuldig an Kriegsverbrechen erklärte, als Kronzeugen der Anklage nach amerikanischem Recht glimpflich behandelte. Infolgedessen nannte er Namen über Namen und erklärte: „Der Einfluß der Großbanken war meiner Ansicht nach viel zu stark! Besonders während der letzten Jahre erreichte der Einfluß der Großbanken auf die deutsche Industrie ein solches Ausmaß, daß es kaum noch einen Teil der deutschen Industrie gab, der nicht unter ihrer Kontrolle stand. Diesen Einfluß hielten sie auf vielerlei Weise aufrecht." Schröder bot dazu Einzelheiten. Die nächste Frage an ihn lautete: „Müssen die Großbanken während dieser Zeit, in der sie eine so kolossale Macht im Wirtschaftsleben Deutschlands errangen und behaupteten, nicht einen gewaltigen Einfluß auf die Partei gehabt haben, da doch die Partei in Deutschland die herrschende Rolle spielte und die Regierung entscheidend kontrollierte?" Schröder, der wußte, welche Antwort sein Schicksal günstig beeinflussen konnte, erwiderte: „Sie hatten einen ganz gewaltigen Einfluß auf die Partei und auf die Regierung. De facto waren die Großbanken fast eine zweite Regierung... « Im Jahre 1968 ist R. Czollek in ihrem schon genannten Aufsatz „Zur wirtschaftspolitischen Konzeption des deutschen Imperialismus beim Überfall auf die Sowjetunion" am Rande auf einige Großbanken eingegangen während Gossweiler im gleichen Jahre und in der gleichen Zeitschrift bei der Behandlung des „Übergangs von der Weltwirtschaftskrise zur Rüstungskonjunktur in Deutschland 1933 bis 1934" die Auffassung vertreten hat: „Das Zentrum aller Gegner Schachts in der deutschen Monopolbourgeoisie war die mächtige Deutsche Bank” — mit dieser aber „eng verbunden" jener Bankier Kurt von, Schröder, der dann 1945 in seiner Aussage die Großbanken allgemein und die Deutsche Bank insbesondere so heftig angriff Gossweiler konstruierte eine Schwerindustriellen-„Familie" der Deutschen Bank und schreibt in Abweichung von der sonst in der Geschichtsschreibung der DDR üblichen Auffassung, Krauch sei der eigentliche Vater der Hitler-Denkschrift zum Zweiten Vierjahresplan gewesen: „Mit dem zweiten , Vierjahresplan'wurde 1936 jenes Programm in Angriff genommen, das der Direktor der Deutschen Bank, Kehl, schon im Jahre 1930 skizziert hatte. Damit wurde eine neue Etappe der Kriegsvorbereitung des faschistischen Deutschlands eingeleitet."

Und schließlich hat Eichholtz in seiner „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft" verschiedentlich die Großbanken genannt, ihre „hervorragende Rolle" bei der „Neuordnung'und „Friedensplanung" unterstrichen und geschrieben: „Sie dirigierten und überwachten nicht nur die Expansionsplanungen der von ihnen beherrschten finanzkapitalistischen Gruppierungen, sondern arbeiteten in ihren Zentralen die Expansionslinien und -Schwerpunkte für das deutsche Finanzkapital, für den deutschen Imperialismus insgesamt heraus.“ Beweise für diese Leistung der „Zentralen“ führt er nicht an.

Eine Gruppe von Historikern hatte also in den sechziger Jahren bereits festgelegt und auf ihre Weise „dokumentiert", unter welchen Gesichtspunkten die Stellung der Großbanken im allgemeinen und die der Deutschen Bank im besonderen einschließlich von H. J. Abs, einem ihrer Direktoren, zu betrachten sei, als Eberhard Czichon sein Buch „Der Bankier und die Macht. Hermann Josef Abs in der deutschen Politik“ 1970 in der Bundesrepublik veröffent-lichte Czichon gehört nicht zu den bisher genannten Historikern, die in der DDR als Wissenschaftler arbeiten und dort die Ergebnisse ihrer Sudien veröffentlichen. Nur die wenigsten von ihnen, wie sehr sie auch ideologisch festgelegt und wie anfechtbar die durch den Marxismus-Leninismus vorgegebenen Ergebnisse ihrer Forschungen sein mögen, zitieren einmal eine Arbeit von Czichon. Er befindet sich als politisch-ideologischer Pamphletist, der selbst in seiner Heimat, der DDR, nicht ernst genommen wird, mithin außerhalb oder unterhalb des Niveaus der DDR-Historiker und brauchte insoweit in dieser Übersicht gar nicht behandelt zu werden, wenn es nicht zwei besondere Gründe dafür gäbe. Erstens rechnet er selbst sich zur Historikerschäft in der DDR, nimmt also für sich in Anspruch, Geschichte im Geiste des Marxismus-Leninismus zu schreiben. Zweitens hat sein eben genanntes Buch durch Presseveröffentlichungen im Zusammenhang mit einem seit 1970 stattfindenden Prozeß von H. J. Abs und der Deutschen Bank gegen ihn (der durch den DDR-Rechtsanwalt Kaul vertreten wird) und seinen Kölner Verlag soviel Publizität wegen seiner „wissenschaftlichen“ Behandlung des Themas erhalten, daß er in unseren Überblick eingeordnet werden muß.

Der Qualitätsabstand von Czichons Buch gegenüber den oben genannten Werken wird in zwei Punkten besonders deutlich: in der Quellengrundlage und in dem geringen Grad von Sorgfalt der Darbietung von Einzelheiten. Czichon führt in dem „Quellen-und Literaturverzeichnis" seines Buches wie oben bereits erwähnt, „die Akten der Deutschen Bank AG (von 1870 bis 1945)" an, die er „umfassend ausgewertet" haben will: „Das bezieht sich auf die Akten ihres Vorstandes, seines Generalsekretariats sowie der Sekretariate der einzelen Abteilungen." J. Mai hat demgegenüber in seinem oben genannten Buch bemerkt, von den Akten der Deutschen Bank seien nur „Reste" erhalten geblieben Andere Autoren haben Akten der Deutschen Bank nur nach Photokopien aus dem „Deutschen Wirtschaftsarchiv" zitiert, das in Ost-Berlin besteht. Bei Fritz Seidenzahls „im Auftrage des Vorstandes der Deutschen Bank" 1970 veröffentlichten Buch „ 1870 bis 1970. 100 Jahre Deutsche Bank" heißt es dagegen nur auf Seite 447: „Die Akten aus den Jahren 1933 bis 1945 wurden von den Russen nach der Besetzung Berlins beschlagnahmt .. . Unseres Wissens unterliegen die Akten der Kontrolle des Innenministeriums der DDR." Weiter: Das „Historische Archiv der CDU, Berlin", das Czichon benutzt haben will, gibt es nicht, es sei denn, er meint die Ost-CDU. Ebensowenig gibt es das von Czichon aufgeführte „Hauptarchiv Berlin (West), Berlin-Dahlem"; vielleicht meint er das „Geheime Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem". Aber daß er dort alle unter der falschen Archivbezeichnung aufgeführten Akten benutzt hat, ist unwahrscheinlich; und daß er im Bundesarchiv Koblenz alle die unter dieser Rubrik genannten „Akten der Reichskanzlei" eingesehen hat, ist nachweislich unzutreffend.

Zweitens: Alle DDR-Historiker wissen offenbar genau, daß, wenn sie schon mit einer ideologisch festgelegten Einstellung an ihre Arbeiten herangehen und damit deren Ergebnisse vorwegnehmen, auf jeden Fall allgemein bekannte und leicht feststellbare Einzelheiten korrekt dargeboten werden müssen — was eine gelegentliche fälschende Zitierung von Quellen, wie oben an Eichholtz'Buch gezeigt, nicht ausschließt. Czichon dagegen hält sich nicht einmal an dieses einfachste Gebot der Geschichtsschreibung und des Selbstschutzes gegenüber der Kritik — ganz abgesehen davon, daß er in sehr vielen Fußnoten nur Buchtitel angibt, wo der Leser außerdem Seitenzahlen erwartet, und daß die Literaturangaben in den Fußnoten verschiedentlich nicht mit denen im Quellen-und Literaturverzeichnis übereinstimmen oder dort gar nicht erscheinen. Die Vertretung der Deutschen Bank im Prozeß gegen Czichon hat der Wochenzeitung „Welt am Sonntag" vom 8. September 1970 zufolge festgestellt, daß Czichon allein auf den ersten 20 Seiten seines Buches „mehr als 100 Unrichtigkeiten" gebracht habe.

Handelt es sich wirklich nur um „Unrichtigkeiten" aus Mangel an wissenschaftlicher Sorgfalt? Namen von Vorstandsmitgliedern usw.deutscher Großbanken, die Czichon des Imperialismus und des Monopolkapitalismus bezichtigt, sind in seinem Buch so falsch geschrieben, daß die gemeinten Personen nur noch für den genauen Kenner der Vorgänge, den Spezialisten für Wirtschafts-und insbesondere Bankgeschichte des 19. und 20. Jahrhundert auffindbar sind. Daten, die für Czichons Milieuschilderung im weiteren und für seine „Beweisführung" im engeren Sinne wichtig sind, weichen in diesem Buch um mehrere Jahre von der Wirklichkeit ab; über „Kohle-und Erzvorkommen" in Elsaß-Lothringen werden Angaben gemacht, deren Fehlerhaftigkeit nicht mehr auf Schwächen bei Czichons technologischen Kenntnissen zurückgeführt werden können. Die Namen von Eisenbahn-Gesellschaften im Vorderen Orient, welche von der Deutschen Bank abhängig gewesen sein sollen, werden (übrigens ungenau und dadurch zusätzlich irreführend) in französischer und in deutscher Formulierung angegeben, so daß aus sieben vorhanden gewesenen Gesellschaften 13 zu werden scheinen — von einer weiteren, die in Südamerika und nicht im Orient existierte, ganz abgesehen. Ballin, jahrzehntelang Generaldirektor der HAPAG, versetzt der Verfasser in die gleiche Position beim Norddeutschen Lloyd, und Duisberg, den ebenso bekannten Direktor der Farbenfabriken Bayer, Elberfeld, in die Badische Anilin-und Soda-Fabrik, Ludwigshafen, womit er selbst seine Behauptungen über diese Männer und Unternehmen gegenstandslos macht.

Ist das alles zufällige Schwäche bei einem Autor, der das Handwerk des Historikers nicht ganz richtig gelernt hat, oder ist eine solche Häufung von „Irrtümern" die ungeschickte Anwendung einer Methode ideologischer Geschichtskonstruktion, welche die „Fach" -Historiker in der DDR exakt beherrschen? Tatsächlich steht Czichons Buch qualitativ auf keiner höheren Stufe als das bekannte Hitler-apologetische „Werk" des Nordamerikaners Hoggan. Die Entstellungen und Verdrehungen, die Erfindungen und Auslassungen, die primitiven Schreib-und die groben Datierungsfehler, das mangelhafte Quellen-und Literaturverzeichnis beweisen, daß dieses Buch bestenfalls an der Grenze zwischen ideologischer Geschichtsschreibung und politischem Pamphlet unter Mißbrauch historischer Fakten steht Nur auf drei Punkte sei hier hingewiesen: Der erste Fall demonstriert die Arbeits-bzw. Fälschungsweise von Czichon. Er behauptet auf Seite 146, die amerikanischen Untersuchungsbehörden hätten im November 1946 zur Person von Abs u. a. festgestellt: „Abs war der Spiritus rector der niederträchtigen Deutschen Bank, die eine ungewöhnliche Konzentration wirtschaftlicher Macht mit aktiver Teilhaberschaft an der verbrecherischen Politik des Nazi-Regimes verband." Den als Quelle für diesen Text angegebenen „US-Report 31/101 A" gibt es nicht vielmehr trägt Czichons Quelle die Bezeichnung „Report on the Investigation of the Deutsche Bank, Oftice of Military Government for Germany (U. S.) Finance Division Financial Investigation Section APo 742 Nov. 1946', Dort heißt es S. 2: „Investigation of the Deutsche Bank has revealed it to be an excessive concentration of economic power and a participant in the execution of the cnminal policies of the Nazi regime in the economic field." Den Satzteil „Abs war der Spiritus rector der niederträchtigen Deutschen Bank" hat Czichon in das Zitat hineinmanipuliert und ihm auf diese Weise das Gewicht eines amerikanischen „Untersuchungsergebnisses" zu verschatfed versucht.

Während die bisher genannten und noch zu nennenden Historiker der DDR von ihrer ideologischen Grundlage her folgerichtig bei ihren Darstellungen die Personen stets zurücktreten lassen hinter das „imperialistische“ System — dessen als Person nahezu belangloses Instrument z. B. Hitler wird —, betitelt Czichon sein Buch ganz richtig „Der Bankier und die Macht", nicht „Die Bank und die Macht". Bei ihm tritt die Deutsche Bank, ja, „die" Bank als grundsätzlicher privat-oder staatskapitalistischer Monopol-Faktor ganz zurück hinter „den" Bankier, nämlich H. J. Abs, der zur Symbolfigur erhoben wird. Czichons Buch bleibt damit außerhalb der „geschichtswissenschaftlichen" Auffassungs-und Darstellungsweise der Historiker der DDR mit gegenwartspolitischem Ziel und wird zu einem unmittelbaren politischen Angriff, ohne daß überhaupt noch der Versuch gemacht wird, die Beziehung zur ideologischen Grundlegung der Geschichtsauffassung durch die „Klassiker des wissenschaftlichen Sozialismus" herzustellen. Und schließlich: Czichon widmet der »Arisierung" jüdischer Unternehmen im Dritten Reich und der Behauptung, Abs habe bei derartigen Verfahren große Gewinne gemacht, einen großen Teil seines Buches. Dieser Komplex ist Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung und soll daher hier nicht behandelt werden — mit Ausnahme einer geschichtswissenschaftlich allgemein interessanten Tatsache.

Zwar hat die Geschichtsschreibung in der DDR sich vielfach mit dem Verbrechen des Rassismus bei den „imperialistischen" Regierungen und Unternehmern gegenüber den Slawen in Europa und den „Farbigen" in Afrika, Asien und Amerika beschäftigt, das Problem des Antisemitismus dagegen wird angesichts des latenten und gelegentlich immer wieder manifesten Antisemitismus in der Sowjetunion und in einzelnen Ostblockstaaten sorgfältig gemieden, wie man es ja auch der Bundesrepublik überlassen hat, sich mit dem Problem der Wiedergutmachung gegenüber den Juden auseinanderzusetzen. Dem entsprechend geht es Czichon bei der Behandlung von Arisierungsfällen bezeichnenderweise nicht um das Schicksal der betroffenen „Nichtarier", sondern ausschließlich um die angeblich durch „Arisierung" gemachten Gewinne auf der Seite der . Faschisten" und „Imperialisten".

Firmengeschichte und Unternehmerbiographie sind in der Bundesrepublik verhältnismäßig junge Bereiche der Geschichtswissenschaft; in der DDR gibt es das Gebiet der Unternehmer-biographie natürlich gar nicht und die Firmen-geschichte allein als „Betriebsgeschichte" im Rahmen des Klassenkampfes. Solange nur wenige wissenschaftliche Firmengeschichten vorlagen, konnten Schriftsteller wie Czichon und DDR-Historiker verhältnismäßig sicher sein, daß ihre politisch motivierten Erfindungen und Entstellungen in diesem Bereich nur schwer oder gar nicht wissenschaftlich widerlegt werden würden. Das ändert sich aber von Jahr zu Jahr mit jeder neuen, wissenschaftlich fundierten firmengeschichtlichen Forschungsarbeit. Ein Beispiel möge hier genügen: Czichon erwähnt in seinem Kapitel über die Arisierungen den „Petschek-Konzern" und schreibt „Obgleich die Familie Abs, sein Vater, sein Bruder Clemens und er, am 21. April 1937 zusammen lediglich 207 600 RM Stammkapital von insgesamt 3 449 100 RM Aktien besaß, also von 11 497 Stimmen nur 692, und nicht über eine einzige Vorzugsaktie des 400 000 RM-Bestandes verfügte, zwangen der Justizrat Dr. Josef Abs und sein Sohn Hermann Josef Abs die Repräsentanten der Petschek-Gruppe (in deren Besitz sich 85 °/o der Vorzugs-und 70°/0 der Stammaktien befanden) in der Hauptversammlung am 20. Juni 1938 zum Rücktritt und zum Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat. Dr. Josef Abs ließ sich dann von dem so . arisierten'Aufsichtsrat zu dessen Vorsitzer wählen und bestellte einen seiner Bekannten, Ewald Droop, zum neuen Vorstandsmitglied. Wie im Falle der Adler & Oppenheim AG gab sich Hermann Josef Abs gegenüber den Hauptaktionären äußerst feinfühlig als deren . Interessenvertreter'aus. Und ebenso wie bei dem Lederunternehmen [einem anderen Arisierungsfall] bestand die Interessenvertretung darin, sich die . arisierten'Besitztitel selbst anzueignen." Czichon gibt als Quelle für diese Darstellung den „Band I Arisierung (1938— 1942)" einer „Archivsammlung Abs (teilweise Mikrofilm)" an, die sich anscheinend in Potsdam befindet.

Von einer anderen Seite her ergibt sich die Möglichkeit eines völlig abweichenden und eindeutig richtigen Bildes: Die Petscheks waren zu der angegebenen Zeit bereits seit einer ganzen Reihe von Jahren Groß-und Hauptaktionäre der „Ilse Bergbau AG", in der Niederlausitz, eines der größten deutschen Braunkohlen-Bergbau-Unternehmen. Auch dieses mußte unter dem Druck der Gesetzgebung des Dritten Reiches „arisiert" werden, doch gelang es dem Vorstand der Gesellschaft, den ganzen Vorgang so in die Länge zu ziehen, daß bis zur Besetzung dieses Gebietes durch die Rote Armee und bis zur entschädigungslosen Enteignung durch die DDR den Petscheks, die in die USA emigriert waren, kein endgültiger Schaden entstand. Aus dem umfangreichen Briefwechsel der Großaktionäre Petschek mit dem Vorstand der „Ilse" während der Jahre seit 1946 und schließlich aus einem Schreiben William Petscheks vom 22. Juli 1970, der dem mit Czichons Buch befaßten Gericht in Stuttgart vorgelegt worden ist geht deutlich hervor, daß die Petscheks H. J. Abs als ihren befreundeten Berater bei ihren geschäftlichen Unternehmungen in Verbindung mit „Ilse" und „Hubertus" herangezogen. Es muß aus der Kenntnis dieser Akten zumindest sehr unwahrscheinlich erscheinen, daß ein solches geschäftsfreundschaftliches Verhältnis entstehen konnte, wenn Abs sich 1938 etwas „angeeignet" hätte, um sich zu bereichern. Ein halbwegs vernünftiger Historiker wird nicht erwarten, daß Abs 1938 mit den Petscheks, denen er helfen wollte, zu einem Notar ging und dort schriftlich erklärte, er lasse sich zum Aufsichtsratsvorsitzenden wählen und übernehme gewisse „Besitztitel", um das Vermögen der Petscheks diesen über das Dritte Reich hinweg zu erhalten! So etwas konnte nicht aktenkundig gemacht werden, ist aber, wie u. a. die in der Geschichtswissenschaft bekannten Fälle des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie und des Münchner Bankhauses Merck, Finck & Co zeigen, durchaus geschehen. Die Literatur darüber ist Czichon wie jedem anderen zugänglich.

Geschichtsschreibung als Waffe

Am Ende unseres Überblicks über die wirtschaftsgeschichtliche Literatur kommunistischer Historiker in der DDR während des letzten Jahrzehnts über die Zeit des Imperialismus ist anzumerken, daß Vollständigkeit nicht angestrebt wurde und z. B. die Gattung der „Wissenschaftlichen Zeitschriften" der Universitäten, die es in der DDR in beachtlicher Zahl gibt, nicht durchgearbeitet worden ist. Nicht eine Bibliographie war das Ziel, vielmehr sollten Ausgangspositionen, Arbeitsweise und Ziel aller geschichtswissenschaftlichen Arbeiten an einer Reihe repräsentativer und prominenter Bücher und Aufsätze vorgeführt werden. Für alle gibt es nur eine einzige Arbeitsweise: Dienst an der marxistisch-leninistischen Politik. Wissenschaftliche Werke, die sich an diese Auffassung nicht halten, gibt es nicht oder werden zumindest nicht gedruckt. Vielleicht werden sie als „Lehrstücke" geschrieben und diskutiert, aber in der Öffentlichkeit erscheinen sie kaum. H. Wagner hat 1966 im „Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte" einen „Diskussionsbeitrag" über „Neue Fragestellungen in der politischen Ökonomie des Imperialismus und ihre Beziehungen zur wirtschaftshistorischenForschung" veröffentlicht Er ist, soweit mir bekannt ist, der einzige Autor, der tatsächlich gewisse Probleme nennt und (natürlich innerhalb des Systems) den Versuch macht, eine Lösung anzubieten. Dort heißt es: „Es ist eine von Marx im . Kapital " aufgedeckte „Gesetzmäßigkeit, daß sich in dem Maße, wie sich das Kapital akkumuliert, die Lage der Arbeiter absolut verschlechtern muß. Die Gesamtentwicklung des Imperialismus ist ein Beweis für diese These. . .. Die Arbeiterklasse hat sich aber im Verlauf der zweiten und dritten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus Positionen erkämpfen können, die mit den Vorstellungen, die wir über die Wirkungsweise dieses Gesetzes entwickelten, nicht übereinstimmen. Es ist ein unbezweifelbarer Grundsatz der politischen Ökonomie, daß Kapitalismus und Sozialismus zwei diametral entgegengesetzte Gesellschaftsordnungen sind, die auf völlig entgegengesetzten Formen des Eigentums an den Produktionsmitteln beruhen: Auf Privateigentum einerseits und gesellschaftlichem Eigentum andererseits. ... Die gesellschaftliche Praxis der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt aber, daß es durchaus auch Analogien zwischen den beiden Gesellschaftsformationen gibt, daß der Sozialismus ökonomische Formen des Kapitalismus übernehmen kann und muß, um sie seinen Zwecken dienstbar zu machen. Für alle diese Probleme -— und für die vielen übrigen, hier nicht angeführten — muß die politische Ökonomie nach Lösungen suchen, und zwar nach solchen, die mit der Wirklichkeit übereinstimmen, weil sie nur dann, wie seinerzeit die marxschen Lösungen, für die revolutionäre Praxis nutzbar gemacht werden können. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist jedoch die von der marxistischen politischen Ökonomie in den letzten Jahrzehnten angewandte Methodologie unzureichend."

Was Wagner dann im folgenden schreibt, ist höchst lesenswert. Es beruht weitgehend auf „einer der wichtigsten Grundthesen des XX. Parteitages der KPdSU: Aufbau des Kommunismus bedeutet in erster Linie Aufbau seiner materiell-technischen Basis". „Dann wird die UdSSR über beispiellos mächtige Produktiv-kräfte verfügen, die höchstentwickelten Länder technisch überflügeln und in bezug auf die Pro-Kopf-Produktion an die erste Stelle in der Welt vorrücken. Auf dieser Grundlage werden sich die sozialistischen gesellschaftlichen Beziehungen allmählich in kommunistische verwandeln." (Wagner, Programm und Statut der KPdSU, Berlin [Ost] 1961

Und die Folgen für die Geschichtsschreibung? Wagner durchdenkt scharf anhand von Marx und Lenin die historische Rolle des Kapitals in der Geschichte von Handwerk, Manufaktur und Industrie, die Position von Elektrizität, Chemie und Grundstoffindustrien im Kapitalismus und betont: Wir „dürfen uns nicht wundern, wenn uns bei der Untersuchung der imperialistischen Wirklichkeit ökonomische Erscheinungsformen begegnen, die uns aus der sozialistischen Ökonomie bekannt sind oder die dem Sozialismus adäquat sind. Die Erscheinungsformen verdecken das Wesen des Imperialismus, sie sind nicht mit dem Grundcharakter dieser Gesellschaftsordnung unmittelbar identisch" — weil nämlich nicht sein kann, was nicht sein darf: „Sie sind vom Wesen her deutlich unterschieden, sie existieren jedoch objektiv und nicht etwa nur in der Vorstellung. Wir haben sie gründlich zu studieren, auf ihre Rationalität hin zu untersuchen und für die sozialistische Praxis auszuwerten. Die Untersuchung ihrer Geschichte läßt wichtige Schlüsse auf Gesetzmäßigkeiten ihrer Entwicklung zu."

Der „Imperialismus" war und ist, so meint Wagner, komplizierter, als man ihn sich bisher vorgestellt hat: „Wir können im Grunde für jedes einzelne ökonomische Gesetz des Kapitalismus feststellen, daß sich seine Wirkungsweise im Imperialismus zum Teil sogar ganz erheblich verändert." Das alles, so meint nun Wagner, muß neu durchdacht und natürlich in das marxistisch-leninistische Schema eingeordnet, dieses selbst vielleicht sogar hier und da, wie Kuczynski schon 1962 geschrieben, hatte, „modifiziert" werden; ganz vorsichtig müssen Marx und Lenin selbst so neu-interpretiert werden, so daß ihre Theorie und die in ihrer Kompliziertheit erkannte historische Wirklichkeit wieder zueinander passen. Wendet etwa jemand ein, der Marxismus bekämpfe z. B. das „Monopol", im Sozialismus aber gebe es mehr und umfassendere Monopole als im Kapitalismus, dann antwortet Wagner durch Lenin: „Der Sozialismus ist nichts anderes als staats-kapitalistisches Monopol, das zum Nutzen des ganzen Volkes angewandt wird und dadurch autgehört hat, kapitalistisches Monopol zu sein."

Könnten die „Kapitalisten" im Zweiten Weltkrieg „gelernt" haben, könnten die „Imperialisten ... aus Einsicht in die objektive Notwendigkeit zu .friedlichen Übereinkünften'über den staatsmonopolistischen Kapitalismus" gelangt sein? „Eine solche Einsicht kann es nicht geben, denn sie widerspricht der privateigentumsmäßigen Grundlage des Monopolkapitals. Das wäre die Aufhebung der Spontaneität des historischen Prozesses noch unter kapitalistischen Bedingungen. Dann könnte es auch richtig sein, damit zu rechnen, daß das Monopolkapital friedlich übereinkommt, auf einen atomaren Krieg zu verzichten, weil es aus den Erfahrungen der letzten beiden Weltkriege . gelernt'hat, daß im Ergebnis des Krieges der Sozialismus stärker wird und daß außerdem der atomare Schaden auch im Falle des . Sieges'das Monopolkapital selbst an den Rand des Ruins bringen kann." Kurz: Im Kapitalismus und Imperialismus kann es keinen Lernprozeß der Kapitalisten und Imperialisten und trotz aller Kompliziertheit und Vielschichtigkeit der Vorgänge keine andere Entwicklung als die von Marx und Lenin vorgeschriebene oder „entdeckte" gesetzmäßige geben: die zum Sozialismus und Kommunismus. „Es liegt auf der Hand, daß die ganze Problematik, die hier aufgeworfen wurde, noch gründlich durchforscht werden muß. Jedoch erlauben bereits unsere jetzigen Kenntnisse und Einsichten sowie die grundsätzlichen Überlegungen, die sich an die neu aufgetretenen Fragen knüpfen lassen, festzustellen, in welcher Richtung die Erklärung für die neuen Probleme zu suchen ist ..." Sonnemann/Sauerzapf haben 1965 ein gemeinsames Referat, das u. a. die soeben skizzierten Probleme in Wagners Aufsatz streifte, mit dem Satz eingeleitet: „Parallel mit der wirtschaftlichen Konzentration verläuft heute in Westdeutschland eine Zentralisation der politischen Macht, wie sie in dem Maße bisher unbekannt war. Hier findet der marxistische Historiker seinen Ansatzpunkt." Die historische „Forschung" mag also neuen Fragestellungen und Gesichtspunkten nicht ausweichen können; ihr Ergebnis aber muß nach der orthodoxen politischen Aufgabenstellung und Strategie, die die Geschichtsschreibung als Waffe ebenso benutzt wie etwa die Entwicklungshilfe und den Außenhandel, bei der Technikgeschichte genau so wie bei der Wirtschaftsgeschichtsschreibung infolge der angeblichen Gesetzmäßigkeit des geschichtlichen Prozesses und infolge der politischen Ausgangslage wie Zielsetzung aller „Forschung" das gleiche bleiben. Eine leichte, aber keineswegs eine schöne Aufgabe für den Historiker, der doch eigentlich als Forscher nicht im voraus — und sei es selbst durch „Klassiker des wissenschaftlichen Sozialismus" mit Unfehlbarkeitsanspruch — darüber belehrt sein möchte, wie es gewesen sein muß, sondern untersuchen und darstellen will, wie es wirklich gewesen ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Es ist mir ein Vergnügen, auf eine jüngst erschienene, prinzipiell ähnliche Untersuchung meines Kollegen am Historischen Seminar der TU Hannover, Hans-Heinrich Nolte, hinweisen zu können: „Die deutsche Geschichte seit 1870 in sowjetischen Schulbüchern", in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 4/71 vom 23. 1. 1971; vgl. auch Eckart Förtsch, Zur „BRD-Forschung" in der DDR, ebda., B 6/71, 6. 2. 1971.

  2. Darüber zusammenfassend am besten H. D. Schmidt in dem Beitrag „Imperialismus", in: Sowjet-system und demokratische Gesellschaft, eine vergleichende Enzyklopädie, Bd. I, Freiburg 1965, Sp. 25 ff.

  3. Mai, Hauptwerk, S. 5.

  4. Mai, a. a. O., S. 8.

  5. Eichholtz, Hauptwerk, S. IX.

  6. Eichholtz, a. a. O., S. 1, 5, 11.

  7. Alfred Schröter/Walter Becker, Die deutsche Maschinenbauindustrie in der industriellen Revolution, (Ost-) Berlin 1962, S. 281.

  8. Alfred Schröter, Krieg — Staat — Monopole 1914— 1918, (Ost-) Berlin 1965, S. 2.

  9. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft X, 1962, Sonderheft S. 290 ff.

  10. Zs. f. Geschichtswissenschaft XV, 1967, S. 389 ff.

  11. Zs. f. Geschichtswissenschaft X, 1962, Sonderheft, S. 5.

  12. Müller, a. a. O., S. 290.

  13. Kolbe a. a. O„ S. 389.

  14. Czichon, Hauptwerk, S. XI.

  15. Ebenda, S. 246 ff.

  16. Mai, Hauptwerk, S. 9.

  17. Zur „Betriebsgeschichte“ und ihrer politischen Aufgabe in der DDR erscheinen von Zeit zu Zeit Aufsätze im Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, z. B. 1964, Teil II/III, S. 289 ff; Teil IV, S. 285 ff.

  18. 1963, Teil II, S. 38 ff.

  19. In: Jahrbuch für Geschichte der UdSSR und der volksdemokratischen Ländern Europas, 8/1964, S. 143 ff.

  20. Joachim Mai, Das deutsche Kapital im russischen Eisenbahnwesen 1857— 1876, in: Jahrbuch für Geschichte der UdSSR und der volksdemokratischen Ländern Europas, 12/1968, S. 247 ff.

  21. Mai, Hauptwerk, S. 61 f.

  22. 1968, Teil II, S. 205 ff.

  23. Mai, Hauptwerk, S. 5.

  24. Mai, Hauptwerk, S. 20, 32.

  25. Ebenda, S. 27, 39.

  26. Ebenda, S. 43.

  27. Ebenda, S. 50.

  28. Ebenda, S. 62.

  29. Ebenda, S. 92.

  30. Ebenda, S. 98.

  31. Ebenda, S. 119.

  32. Ebenda, S. 225 ff. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus Mangel an Quellenkenntnis ganz andere Urteile bei William L. Blackwell, The Beginnings of Russian Industrialization 1800— 1860, Princeton 1968, S. 264 ff.

  33. Hingewiesen sei auf Lothar Burchardts Literaturaufsatz „Neue DDR-Forschungen zur Geschichte Deutschlands im ersten Weltkrieg, Deutsche Studien 32 1970, S. 422— 432, der die drei Bände (1800 S.) „Deutschland im ersten Weltkrieg" (1968'69) bespricht, die „gewissermaßen die Quin -essenz dessen darstellen, was in den vergangenen 15 Jahren auf dem Boden der DDR in diesem Bereich geforscht worden ist" (S. 422).

  34. Diese Auffassung findet im Zuge der Wendung gegen den „Privatkapitalismus“ immer häufiger, nur mehr oder weniger eingeschränkt, Zustimmung auch bei westdeutschen Historikern, ohne daß eine Veränderung der Quellenlage in den letzten Jahren dies nahegelegt hat und ohne daß die entsprechend notwendige Neubewertung des „Nationalsozialismus“, Hitlers, der NSDAP-Führung, Garings, Himmlers usw. vorgenommen wird, die freilich schwierig werden dürfte.

  35. Hellmuth Kolbe, Lenins Werk über den Imperialismus und das staatspolitische System in Westdeutschland; vgl. Anm. 10.

  36. Kolbe, a. a. O., S. 390.

  37. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1964, Teil II/III, S. 240 ff.

  38. Ebenda, S. 241.

  39. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1965, Teil V, S. 121 ff.

  40. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1962, Teil II, S. 11 ff.

  41. Vgl. S. 71 f. und Fußnote 141.

  42. (Ost-) Berlin 1965.

  43. Ebenda, S. VII.

  44. Ebenda, Einleitung, S. 1.

  45. Ebenda, S. 2.

  46. Ebenda, S. 152 f.

  47. Ebenda, S. 6.

  48. Ebenda, S. 135.

  49. Ebenda, S. 178.

  50. Jb. f. Wirtschaftsqesch. 1965, Teil IV, S. 11 ff.

  51. Ebenda, S. 11.

  52. Ebenda, S. 12.

  53. Ebenda, S. 12 f.

  54. Ebenda, S. 53.

  55. Ebenda, S. '53, Anm. 136.

  56. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1965, Teil IV, S. 54 ff; hinqewiesen sei auch auf Kapitel III von Fianz Brückner, Die Vorgeschichte des VEB Waggonbau Dessau von 1895— 1945, Jb. f. Wirtschaftsgesch 1962, Teil I, S. 132 ff.

  57. Lenin, Werke (Ost-) Berlin 1962, Bd. 33, S. 138.

  58. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1965, Teil IV, S. 55.

  59. Ebenda, S. 71.

  60. Ebenda.

  61. Ebenda, S. 76.

  62. (Ost-) Berlin 1966.

  63. Ebenda, S. 186.

  64. XVI/1968, S. 229— 231.

  65. Ebenda, S. 231.

  66. In: Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1968, Teil II, S. 55 ff.

  67. Ebenda, S. 79, Fußnote 82.

  68. Ebenda, S. 88, Fußnote HO.

  69. Ebenda, S. 94, Fußnote 141.

  70. Ebenda, S. 100.

  71. Ebenda, S. 105.

  72. Ebenda, S. 105 f.

  73. Ebenda, S. 115.

  74. Ebenda, S. 116.

  75. Josef Hindels, Hitler war kein Zufall. Ein Beitrag zur Soziologie der Nazibarbarei, Wien 1962, S. 103; zit. bei Klaus Drobisch, Flick und die Nazis. Zs. f. Geschichtswissenschaft XIV, 1966, S. 378.

  76. Ebenda, S. 378.

  77. Ebenda, S. 378.

  78. Ebenda, S. 378.

  79. Ebenda, S. 397.

  80. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1962, Teil IV, S. 115 ff.

  81. Zs. f. Geschichtswissenschaft XI, 1963, S. 704 ff.

  82. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1962, Teil IV, S. 115.

  83. Ebenda, S. 138.

  84. Vgl. Johannes Glasneck, Carl Goerdeler — Apologet der faschistischen Nahostexpansion und Vorläufer des Bonner Neokolonialismus, in: Zs f. Geschichtswissenschaft XI, 1963, S. 1490 ff.

  85. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1963, Teil III, S. 97 ff.

  86. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1964, Teil II/III, S. 358 ff.

  87. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1967, Teil I.

  88. Zs. f. Geschichtswissenschaft XV, 1967, S. 1148 ff.

  89. Ebenda, S. 1148.

  90. Dietrich Eichholtz, Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939 bis 1945. Bd. I, (Ost-) Berlin 1969, S. IX.

  91. Ebenda, S. XI u. S. 387 f.

  92. Ebenda, S. 1 und Anm. 1.

  93. W. Ulbricht, Zur Eröffnung der ersten sozialistischen Militärakademie in Deutschland, (Ost-) Berlin 1959, S. 8 ff.

  94. Eichholtz, Hauptwerk, S. 11.

  95. Ebenda.

  96. Ebenda, S. 24.

  97. Ebenda, S. 208 f.

  98. F. Friedensburg, Die sowjetischen Kriegslieferungen an das Hitlerreich, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, 1962, S. 334, vgl. auch den vorzüglich dokumentierten Aufsatz von Wolfgang Birkenfeld, Stalin als Wirtschaftspartner Hitlers (1939— 1941), Vierteljahrschrift für Sozial-und Wirtschaftsgeschichte 53/1966, S. 477—510.

  99. Friedensburg, a. a. O., S 335

  100. Ebenda, S. 336.

  101. Ebenda, S. 336.

  102. Eichholtz, Hauptwerk, S. 37; vorzüglich über die „ideologische Blindheit" bei Stalin und Hitler: Thomas Weingartner, Stalin und der Aufstieg Hitlers. Die Deutschlandpolitik der Sowjetunion und der Kommunistischen Internationale 1929— 1934, Berlin 1970, bes. S. 275 ff.

  103. Ebenda, S. 40.

  104. Ebenda, S. 43

  105. Ebenda, S. 44.

  106. Ebenda, S. 49.

  107. Ebenda S. 55, aber auch an vielen anderen Stellen; englische Historiker sind im Begriff, diese Fragen in Bezug auf die Tschechoslowakei eingehender zu untersuchen

  108. Ebenda, S. 55 f.

  109. Ebenda, S. 61.

  110. Ebenda, S. 63.

  111. Ebenda, S. 109.

  112. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1968 Teil I, S. 141 ff.

  113. Eichholtz, Hauptwerk, S. 109 ff.

  114. Ebenda, S. 113.

  115. Ebenda, S 122.

  116. Ebenda, S. 122.

  117. Ebenda, S. 129.

  118. Ebenda, S. 130.

  119. Ebenda, S. 147 ff.

  120. Ebenda, S. 157.

  121. Ebenda, S. 157.

  122. Ebenda

  123. Ebenda, Anm. 22.

  124. Ebenda, S. 295 ff.

  125. Ebenda, S. 174.

  126. Kurios ist in diesem Zusammenhang, daß Ludendorff 1915 Kohle von Briey erobern wollte, die in bemerkenswerten Mengen und Qualitäten damals weder bekannt war noch gefördert wurde, die industriellen Annexionisten dagegen das — vorhandene — „Erzbecken". Eine sehr enqe Zusammenarbeit von Militärs und Schwerindustriellen bei der Formulierung von Eroberungsplänen Da kann es also kaum gegeben haben. Daß auch heute noch der Herausgeber der Ludendorff-Briefe die erscheinenden Erwähnung des „Kohlenbeckens von zu 120Briey“ nicht kommentierungswürdig oder -bedürftig findet, beweist einmal mehr, wie wenig politische Historiker von Wirtschaft und Technikgeschichte verstehen, obwohl deren Kenntnis in solchen Fällen so unerläßlich ist wie etwa die Kenntnis militärischer Fakten. Vgl. E. Zechlin, Ludendorff im Jahre 1915. Unveröffentlichte Briefe, in: HIistor.

  127. Eichholtz, Hauptwerk, S. 200.

  128. Zs. f. Geschichtswissenschaft XV, 1967, S. 64 ff.

  129. Ebenda, S. 64.

  130. Ebenda.

  131. Ebenda, S. 66 ff.

  132. Ebenda, S. 65.

  133. Heinz Mohrmann, Zur staatsmonopolistischen Konkurrenz deutscher Großbanken unter dem Faschismus. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1967, Teil IV, S. 11 ff.

  134. Vgl. Anm. 97

  135. Vgl. Teil II, S. 55 ff.

  136. Ebenda, S. 106.

  137. Ebenda, S. 107, Fußnote 187.

  138. Ebenda, S. 116.

  139. Eichholtz, Hauptwerk, S. 175.

  140. In dem bereits genannten Pahl-Ruqenstein Verlag, Köln.

  141. S. 245 ff.

  142. Czichon, Hauptwerk, S. XI.

  143. Mai, Hauptwerk, S. 9.

  144. Czichons Arbeitsweise und Argumentation hat scharf und ausführlich der bereits genannte Historiker Tim Mason, Oxford, zurückgewiesen in der Zeitschrift Das Argument, Berliner Hefte für Probleme der Gesellschaft, 10. Juli 1968, Heft 3 (in 2. Auflage Juli 1969 erschienen) S. 193— 209. Mason, der dem Sozialismus zumindest nahe und der bürgerlichen Gesellschaft und Geschichtswissenschaft kritisch gegenübersteht, hat seine Einwände gegen Czichons Geschichtsverdrehungen und Mißverständnisse im Februar 1971 in mehreren Gesprächen mit mir in Oxford wiederholt und es abgelehnt, Czichon als einen wissenschaftlichen Historiker ernst zu nehmen.

  145. Czichon, Hauptwerk S. 95.

  146. Vgl. die Dokumentation „Ein Fall von . Arisierung'im Dritten Reich und heute", Tradition, Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmerbiographie, Oktober 1971.

  147. über die gleiche Entwicklung im Bereich der Technikgeschichte vgl. W. Treue, Imperialismus in der Technik, in: Zs. Technikgeschichte, Oktober 1971.

  148. Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1966, Teil IV, S. 96 ff.

  149. Ebenda, S. 98.

  150. In: Jb. f. Wirtschaftsgesch. 1966, Teil IV, S. 100.

  151. Ebenda, S. 110.

  152. Ebenda, S. 111.

  153. Ebenda, S. 110.

  154. Ebenda, S. 116.

  155. Ebenda, S. 125.

  156. Monopole und Staat in Deutschland 1917— 1945. Protokoll der 2. Tagung der Fachgruppe Geschichte der Neuesten Zeit. 1917— 1945 am 20. und 21. März 1965 im Rahmen des III. Kongresses der Deutschen Historikergesellschaft, (Ost-) Berlin 1966, S. 7.

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