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Gesundheit und Drogen als gesellschaftliches Problem | APuZ 39/1971 | bpb.de

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APuZ 39/1971 Gesundheit und Drogen als gesellschaftliches Problem

Gesundheit und Drogen als gesellschaftliches Problem

Manfred Franke

/ 79 Minuten zu lesen

I. Zum Problem

Abbildung 1

Die sogenannte „Rausdigiftwelle“, von der unsere Jugend bedroht scheint, muß Anlaß für eine kritische Bestandsaufnahme und Situationsanalyse sein. So gering zunächst noch die Zahl derjenigen sein mag, die verführt, dann krank und schließlich als Süchtige sozial ausgegliedert sind — das Bedrohende der Situation ist nicht zu verkennen. Dabei stellt sich dem Sozialhygieniker — und diese Position wird im folgenden eingenommen — die Situation anders dar als dem Psychiater oder dem Fürsorger. Die Fragen der Suchtbildung, der Therapie und der Krankenversorgung treten zurück hinter die nach dem Verlust an Lebens-tüchtigkeit, an Lebensglück auf der individuellen und nach dem Verlust am Sozialprodukt, an gesellschaftlicher Fortentwicklung auf der sozialen Seite.

Sozialhygiene ist die Wissenschaft von den „gesellschaftlichen Bedingungen der Gesundheit“ (Hagen). Es ist ihr aufgetragen, die Gesamtsituation kritisch zu beobachten, sie beschreibend zu analysieren, um Möglichkeiten zu finden, erkennbare Bedrohungen abzuschwächen oder aufzuheben. Die Sozialhygiene sieht die Gruppen der Gesellschaft, nicht jedoch primär das Einzelschicksal. Sinn dieser Betrachtungsweise ist es, die gesellschaftlich bedeutenden gesundheitlichen Ereignisse zu erkennen. Deshalb sind für die Sozialhygiene gerade diejenigen Störungen von Interesse, die in großer Zahl auftreten (dem Laien deshalb häufig als sehr leichte Erkrankungen erscheinen) und bei denen die Frühformen gesundheitlicher Störungen die Zahl der echten Erkrankungen überwiegen. Sozialhygiene ist eine vorausdenkende, prospektive Wissenschaft im Grenzbereich von Medizin und Sozialwissenschaften

Die normativen Maßnahmen der Sozialhygiene, also der Versuch, Regeln aufzustellen, wie Bedrohungen abzuschwächen sind, belegen, daß sie eine präventive Wissenschaft ist. Es muß im speziellen Zusammenhang die Frage auftreten, ob denn die Drogenszenerie, wie sie sich heute darstellt, Gegenstand einer solchen Wissenschaft sein kann, da doch bereits der Anschein besteht, daß die präventiv beeinflußbare Phase längst überschritten ist. Die Massenmedien sind voll von Berichten darüber, daß nunmehr die „harten Drogen“ im Vordergrund stehen und nach dem Haschisch nun die Heroinwelle droht. Wir werden zu prüfen haben, worauf sich derartige Aussagen stützen können und welchen Grad an Zuverlässigkeit man ihnen geben darf. Im voraus sei jedoch schon vermerkt, daß die sozialhygienische Sehweise einen anderen Ansatz benutzt als der Journalist, der bei aller Sorgfalt sich doch stärker am Einzelfall orientiert. Es überrascht deshalb nicht, daß alle Berichte in den Massenmedien, die zu eindeutigen Aussagen kommen, den Einzelfall als Beleg benutzen. Das ist legitim und dennoch für den Sozialhygieniker fragwürdig. Aus der Schwere und dem Verlauf eines oder mehrerer Einzelschicksale läßt sich keine sichere „Hochrechnung" erstellen, die zu einerAussage führt, welche man verallgemeinern darf. Die Zahl der tödlich verlaufenden Fälle einer Erkrankung ist immer in Beziehung zu setzen zur Gesamtzahl der von dieser Krankheit insgesamt Betroffenen. Erst dadurch ergibt sich ein Maß für die tatsächliche Gefährdung, und erst dann läßt sich diese Krankheit auch sozial-hygienisch bewerten. Es wird deshalb sehr genau der Frage nachzugehen sein, was wir über die Drogenszenerie tatsächlich wissen, wie hoch der Pegelstand dieser Drogenwelle anzunehmen ist und welche Erkenntnisse aus dem Gesamtzusammenhang zu verallgemeinernden Aussagen benutzt werden dürfen Auch die Fachurteile gehen — ähnlich wie die journalistischen Aussagen —-überwiegend von der Einzelfallbeobachtung aus. Die Berichte stammen überwiegend aus psychiatrischen Kliniken oder aus speziellen Beratungsstellen, die jeweils immer nur einen besonders schwer betroffenen Teil derjenigen Personen kennenlernen, die Drogenerfahrung haben oder Drogen regelmäßig nehmen. Diese „Verzerrung“ läßt die Rauschgiftwelle größer erscheinen, als sie möglicherweise ist. Daß wir bislang auf derartige Aussagen angewiesen sind, hat seinen Grund vor allem darin, daß große oder gar repräsentative Feldstudien bislang nur vereinzelt vorliegen. Zum anderen aber hängt es ganz wesentlich damit zusammen, wie wir derartige Phänomene zu sehen und zu beurteilen gewohnt sind. Wir orientieren uns bei Krankheiten oder bei Auffälligkeiten, die einen Krankheitswert haben könnten, immer am Endstadium, und gerade das führt ja dazu, daß so häufig jene Stadien übersehen werden, in denen präventiv wirksam geholfen werden könnte. Es wird uns im folgenden darauf ankommen, diese Blickrichtungen zu überprüfen, um festzustellen, inwieweit wir aufgrund dieser Aussagen zu vorurteilsfreien Bewertungen kommen können. Dazu ist es lohnend, einiges vorwegzunehmen.

Für die Meinungsbildung auf dem Gebiet der Gesundheit ist bei uns der Arzt zuständig. Es mag dahinstehen, ob nicht dadurch bereits ein Vorurteil deutlich wird, weil schließlich jeder Fachmann stets nur mit den Kategorien seines Faches arbeiten kann. Gesundheit aber ist zumindest aus sozialhygienischer Sicht nicht lediglich mit den Kriterien der Medizin faßbar. Das trifft weitgehend selbst für die Krankheiten — und auch dort in zunehmend beschränkterem Umfange — zu. Auf diesen Wer-tungsraster muß etwas mehr Sorgfalt verwandt werden, um darzulegen, weshalb bestimmte Phänomene auch dann gesundheitlich relevant sein können, wenn sie nicht als krankhaft rubrizierbar sind. In diese Kategorie gehört die Verhaltensabnormität, Drogen zur Erreichung bestimmter Entwicklungen oder Gefühlstönungen einzusetzen.

Die meisten der vorliegenden Veröffentlichungen zum Drogenproblem sind von Psychiatern, Fürsorgern der Suchtkrankenhilfe und den Engagierten des Jugendschutzes geschrieben worden. Daneben gibt es andere, die von Psychologen und von Soziologen verfaßt wurden. Sie alle begegnen zumeist jugendlichen Drogen-konsumenten. In welchem Umfange von Jugendlichen diese Drogen genommen werden, welche Drogen sie im einzelnen nehmen, bleibt nur zu häufig unberücksichtigt. Das besondere Merkmal dieser Jugendlichen ist lediglich, daß sie zum Arzt gehen oder eine Beratungsstelle aufsuchen. Sie brauchen bereits ärztliche oder fürsorgerische Hilfe, was für die Mehrzahl derjenigen, die Drogen regelmäßig nehmen, nicht zutrifft. Das . Beobachtungsgut', von dem sich unser Urteil bildet, ist also einseitig, so groß es immer sein mag, und erfaßt gerade diejenigen nicht, die sozial-hygienisch am interessantesten sind: die noch . symptomlosen'Drogengefährdeten. Urteile auf dieser Basis müssen logischerweise immer zu einer sehr viel ernsteren Prognose für die Gesamtsituation kommen als diejenigen, welche von einer Befundbasis ausgehen, in der auch die große Zahl der noch unauffällig Gefährdeten berücksichtigt ist. Hier besteht dieselbe Schwierigkeit wie da, wo aus der Zahl und der Zunahme von Eigentumsdelikten auf das Sozialverhalten der gesamten Bevölkerung Rückschlüsse gezogen werden.

Mit diesen Anmerkungen soll darauf vorbereitet werden, daß wegen der unterschiedlichen Bewertungsgrundlage die Aussagen im folgenden stark von den Erwartungen abweichen können, die mit den bisherigen Veröffentlichungen geweckt wurden. Es darf allerdings nicht der Eindruck entstehen, als wäre alles nur halb so schlimm. Unsere Aussagen haben eine andere Qualität, und man muß sie neben den schon gegebenen sehen, um ein Urteil zu finden. Bei genauer Betrachtung wird man feststellen, daß einige Ergebnisse sehr viel größere Gefahren andeuten, als sie allein aus der Zahl Drogenabhängiger hervorgehen Eine andere Sehweise, die allgemein gewählt wird, ist die nach dem öffentlichen Interesse, welches einem Phänomen zuerkannt wird. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Frau Käte Strobel, hat ein Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung des Drogen-und Rausdimittelmißbrauchs inauguriert. Immer wenn staatliche Aufgaben durch Sonderprogramme herausgestellt werden, wird man ein gehobenes öffentliches Interesse vermuten dürfen. Dabei ist die Höhe der bereitgestellten Mittel für diese Programme kein Maß für deren Stellenwert. Gerade weil in der Bundesrepublik die wichtigsten Kompetenzen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und im kulturellen Bereich bei den Ländern liegen, der Bund jedoch nur eine beschränkte Zuständigkeit hat, ist es verfehlt, aus den relativ gering scheinenden Mitteln für dieses Aktionsprogramm Folgerungen zu ziehen

Es ist üblich, die Größe einer öffentlichen Aufgabe dadurch zu markieren, daß zahlenmäßige Daten herausgestellt werden. Es sind dies zumeist die Anzahl der Betroffenen, die Zahl der Delikte, die Einbußen am Bruttosozialprodukt oder der Ausfall an produktiven Lebensjahren. Die Bedeutung des Drogenproblems wird von der Bundesregierung analog beschrieben, indem die Mengen der abgefangenen Rauschdrogen, deren jährliche Steigerungsraten sowie die Zunahme jugendlicher Rauschgiftdelikte ausgewiesen werden. Auf eine kleine Anfrage wurden dem Deutschen Bundestag am 13. Juli 1970 derartige Zahlen mitgeteilt. Der kritische Betrachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier die Faszination der Zahl dem Berichterstatter die Feder geführt hat. Für 1968 wurde angegeben, daß u. a. 0, 5 gr. Rohmorphin, 1, 825 mg Heroin und 1, 08 Milligramm LSD-Lösung abgefangen wurden, Mengen also, die mit der Apothekerwaage nachgemessen werden müssen. Man ist geneigt, dies als einen Sehtest für das „Auge des Gesetzes" anzusehen, denn sonst müßte man wohl denken, daß derart kleine Mengen kaum als ausreichendes Indiz dafür angesehen werden können, daß eine Drogengefährdung besteht.

Dieselbe Bundestagsdrucksache gibt an, daß 1968 insgesamt 55 Personen registriert wurden, die nach indischem Hanf (Marihuana) „süchtig" waren. Da bislang eine Cannabis-Sucht aber nicht nachgewiesen worden ist, stellt sich die Frage, welche Sorgfalt derartigen Angaben zugrunde gelegen haben kann. Es scheint so, als ob die Verpflichtung, auf dem üblichen Wege eine als Gefahr erkannte Entwicklung belegen zu müssen, an sich selbst scheiterte, so daß Verstärkereffekte benutzt werden mußten, um dieser Auflage dennoch zu entsprechen. Kurz: Man fühlte sich veranlaßt, mit Zahlen zu belegen, was mit Zahlen bislang nicht belegbar ist

Interessant an dieser Bundestagsdrucksache ist weiter, daß indischer Hanf als Marihuana deklariertwird und das fünf-bis achtmal stärkere Haschisch, welches tatsächlich die Liste der am häufigsten benutzten Rauschdrogen mit großem Abstand anführt, unerwähnt bleibt. Hier zeigt sich, wie wenig überschaubar das Problem noch war. Marihuana spielt in der Bundesrepublik nur eine sehr kleine Rolle. Offenbar in erster Linie, weil Haschisch in genügender Menge vorhanden ist. Während in den USA das Marihuana im Vordergrund stand bis es gelang, Anbau und Einfuhrschmuggel drastisch zu stoppen, wird diese Position in der Bundesrepublik vom Haschisch eingenommen. Wir werden der Frage nachzugehen haben, ob damit nicht eine so grundsätzlich andere Drogenszenerie gegeben ist, um die These zu wagen, daß Haschisch uns zumindest teilweise vor dem Heroin bewahrt

Drittens ist jener Bundestagsdrucksache zu entnehmen, daß die Zahl der Süchtigen von 1968 bis 1969 besonders stark zugenommen habe, insbesondere der nach indischem Hanf Süchtigen. Rundet man die dort angegebenen Zahlen nach oben auf und gibt noch einen Sicherheitszuschlag hinzu, erreicht die ausgewiesene Zahl der „Süchtigen", bezogen auf die Grundgesamtheit der Bevölkerung, einen Wert von etwa 0, 05 0/0, das bedeutet, unter 10 000 Einwohnern der Bundesrepublik werden etwa fünf Süchtige zu finden sein. Man wird nicht fehlgehen in der Einschätzung der Situation, wenn man behauptet, daß solche numerischen Aussagen dazu angetan sind, das Problem zu verniedlichen und falschen Argumentationen als Grundlage zu dienen. Das immer wieder gehörte Argument, Haschisch sei harmloser als Alkohol, bekommt aus einer derartigen Aufstellung neue Nahrung, denn bei den für das Alkoholproblem angegebenen Zahlen wird sichtbar, daß auf 10 000 Einwohner etwa 10 Alkoholkranke gerechnet werden müssen. Eine Ableitung, daß Haschisch harmloser sei als Alkohol, läßt sich daraus natürlich nicht vornehmen, wird aber gemacht, zumal der Zweifel bekannt ist, ob Haschisch überhaupt eine Sucht ausbilden kann.

Hinsichtlich der in der Bundestagsdrucksache aufgeführten Zahlen stellt sich die Frage, weshalb sie als Beleg dafür anerkannt werden können, daß es bei uns eine drohende Rauschgiftwelle geben solle. Angenommen, die abgefangenen Mengen seien tatsächlich nur die Spitze eines Eisberges, wie immer wieder zu hören ist, und die Dunkelziffer müßte auf das Zehnfache dieser Menge geschätzt werden, dann müßten 1970 etwa 45 000 kg Haschisch gehandelt und verbraucht worden sein. In der besonders gefährdet erscheinenden Altersgruppe zwischen 15 und 25 Jahren befanden sich im selben Zeitraum etwa acht Millionen Jugendliche. Würde das gesamte zur Verfügung stehende Haschisch von „allerbester Qualität“ sein, etwa schwarzer Afghan, ließen sich aus der zur Verfügung stehenden Menge rund 45 Millionen Haschischzigaretten herstellen. Bei geringerer Qualität würde dieselbe Menge entsprechend weniger Raucheinheiten hergeben, mit deren Hilfe man die gewünschten Rauscherlebnisse herbeizwingen kann. Diese 45 Millionen Joints machen den Hauptteil des Drogenangebots aus. Selbst wenn die Zahl doppelt so hoch läge oder das Fünffache betrüge, ergäbe sich noch ein anderes Bild, als es die Sensationsberichterstattung glauben machen will.

Wir unterstellen weiter, der fünfzigfache Wert der tatsächlich abgefangenen Mengen hätte 1970 zur Verfügung gestanden. Aus dieser Menge hätten wöchentlich etwa 4 Millionen Joints den ungefähr 8 Millionen Jugendlichen zur Verfügung gestanden. Als drogengefährdet ist derjenige anzunehmen, der regelmäßig und mehrmals wöchentlich eine Haschischzigarette raucht. Angaben, daß bis zu 50 °/o aller Jugendlichen dieser Altersstufe regelmäßig wöchentlich zum Joint greifen, werden von solchen einfachen Überlegungen relativiert. Trotzdem ist nicht strittig, daß ein großer Teil aller Jugendlichen Drogenerfahrung besitzt, das heißt einmal oder wiederholt Rauschdrogen, überwiegend Haschisch, genommen hat.

Dieses die Situation scheinbar verharmlosende Argument deutet in Wirklichkeit auf eine besondere Gefahr: Je größer der Kreis derjenigen wird, die solche Drogen einmal probiert haben, um so größer muß zwangsläufig die Zahl derjenigen werden, die, aus welchen Gründen auch immer, die Drogen intensiver konsumieren und sehr schnell zum Kreis der echt Suchtgefährdeten zu zählen sind. Man könnte sagen, daß hier ein Auswahlverfahren begründet wird, bei dem die Drogen ihre Opfer selbst wählen. Auch darauf soll später näher eingegangen werden

Die veröffentlichte Meinung von der Rauschgiftwelle wird mitbestimmt von den Begriffen Rauschgiftkriminalität und Rauschgift-delikt. Neben dem fremdländischen Bild, das den Rauschdrogen ohnedies anhängt, werden sie mit diesen Begriffen sozial negativ zugeordnet. Während man sich noch aufgefordert fühlen könnte, das fremdländische Image verstehen zu lernen, braucht man dies nicht, wenn es sich um etwas Asoziales und Kriminelles handelt. Es mag dahingestellt bleiben, ob das Begriffsverständnis bewußt unkorrigiert blieb, um als unterstützenden Faktor die Abwehrhaltung zu verstärken, oder ob dies nurhingenommen wurde, weil die sich aus diesem Begriffs-verständnis bildenden Assoziationen nicht bedacht worden sind. Gesundheitliche Aufklärung aber muß in ihrem Informationsgehalt wahr sein. Sie darf derartige Mißverständnisse nicht hinnehmen oder ausnutzen. In Wirklichkeit nämlich führt dieses falsche Begriffsverständnis dazu, daß man die Lösung dieses großen Problems der Polizei oder anderen Spezialisten übertragen möchte, ohne sich selbst dabei zu engagieren. Wie es den Anschein hat, ist dieses Problem jedoch ein gesamtgesellschaftliches und kann nur gelöst werden, wenn sich zumindest alle diejenigen daran beteiligen, die einen Erziehungsauftrag haben. Rauschgiftdelikte und Alkoholdelikte sind im allgemeinen Begriffsverständnis vergleichbare Bezeichnungen. Sie sagen aus, daß unter dem Einfluß von Rauschdrogen oder Alkohol kriminelle Straftaten begangen worden sind. Das trifft für die Rauschgiftdelikte in aller Regel jedoch nicht zu. Gewiß gibt es Gewalttaten Süchtiger und im Rahmen der sogenannten Beschaffungskriminalität Delikthandlungen, die unter dem Einfluß von Drogen vorgenommen worden sind. In aller Regel handelt es sich je-doch um Verstöße gegen das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, das soge-nannte Opiumgesetz, nicht aber um Straftaten unter dem Einfluß von Rausdidrogen. Da dieses Gesetz Handel und Verkehr mit den in ihm aufgeführten Drogen regelt, sind Rauschgift-delikte also zumeist Fälle, in denen unerlaubterweise mit derartigen Drogen gehandelt wurde, wobei es gleichgültig ist, ob das mit dem Ziel des Gewinns erfolgte oder die Drogen lediglich im Freundeskreis weitergegeben worden sind. In der Summe werden derartige Delikte mit der Bezeichnung Rauschgiftkriminalität erfaßt.

Wenn in der bereits mehrfach erwähnten Bundestagsdrucksache festgestellt wird, daß diese Rauschgiftkriminalität stark angestiegen ist und weiter wachsen wird, wobei sich der Kreis der Beteiligten gewandelt hat, dann wird damit einem Mißverständnis weitere Nahrung gegeben. 1969 betrug die Gesamtzahl derjenigen, die beim verbotenen Handel mit Rausch-drogen gefaßt wurden, 4405, darunter 992 Ausländer. Da sich die an Drogen interessierten Personen vornehmlich in der Altersgruppe zwischen 15 und 25 Jahren befinden, muß erwartet werden, daß auch diejenigen, welche Drogen beschaffen oder mit ihnen handeln, zunehmend häufiger dieser Altersgruppe angehören. Das ist die Verschiebung, welche hier gemeint war. Selbst wenn alle deutschen Täter dieser Altersgruppe angehörten, würden sie nur 0, 04 0/0 der Gesamtheit ausmachen, d. h. auf 10 000 Jugendliche dieser Altersstufe würden 4 kommen, die mit Drogen gehandelt oder diese weitergegeben haben. Auch diese Relativierung bestehender Vorstellungen darf nicht dazu beitragen, das Problem zu verniedlichen, sondern soll zeigen, warum es einer kritischen Bestandsaufnahme und Situationsanalyse aus sozialhygienischer Sicht bedarf

Schließlich ist noch eine Tatsache im voraus zu bedenken, nämlich die kritiklose Gleichstellung aller Rauschdrogen als Rauschgifte. Gift ist in unserem Begriffsverständnis assoziativ mit absoluter Gefahr verbunden. Gift ist in jedem Falle schädlich, und kein Mensch käme auf den Gedanken, freiwillig Gift zu nehmen, gleichgültig, mit welcher Begründung es ihm gereicht würde. Die Analyse der Drogen, die als Rauschdrogen Verwendung finden, zeigt nun, daß die meisten von ihnen als Arzneimittel hilfreiche Dienste leisten und keineswegs mit dem allgemeinen Begriffsverständnis von Rauschgift gedeckt werden. Andere wie Haschisch und LSD, sind keine Arzneimittel, obwohl sie früher oder gelegentlich auch heute als solche ausgegeben wurden; sie sind aber von so unterschiedlicher Gefährlichkeit, daß sie auch begrifflich getrennt werden müssen. Dazu versperrt die Einheitsbezeichnung Rauschgift den Weg. Wir werden deshalb in einem Abschnitt auf die Unterschiedlichkeit der Stoffe eingehen, um auch diese Blockierung aufzuheben

Schon der hier skizzierte Überblick zeigt, daß die sozialhygienische Betrachtungsweise veränderte Perspektiven eröffnen kann, von denen erwartet werden darf, daß sie zu neuen Einsichten führen, mit deren Hilfe sich möglicherweise bessere Lösungsansätze finden lassen.

II. Sozialhygienische Ausgangsüberlegungen

Die Sozialhygiene, eine Wissenschaftsdisziplin, deren Name 1871 von Pettenkofer geprägt wurde und die 1922 ihren ersten ordentlichen Lehrstuhl gegen den Willen der Berliner Medizinischen Fakultät erhielt, steht eigentlich noch immer am Anfang ihres wissenschaftlichen Daseins. Sie wurde und wird als Teilbereich der allgemeinen Hygiene angesehen, nicht als selbständiges Fach; sie wurde vor allem interpretiert als öffentlicher Gesundheitsdienst, als Gesundheitsfürsorge, auch als Versicherungsmedizin, und war seit der einführenden Abhandlung von Virchow in der von ihm neubegründeten Zeitschrift „Medizinische Reform" abgestempelt als der Bereich der Medizin, der so etwas wie „medizinische Armen-pflege"zu betreiben hat. Virchow sagte damals: „Die Ärzte sind die natürlichen Anwälte der Armen, und die soziale Frage fällt zum großen Teil in ihre Jurisdiktion." Obwohl mit der neu aufkommenden Wissenschaft von den sozialen Beziehungen, der Soziologie, ein neues Begriffsverständnis eingeführt wurde, blieb sie dem als immer gleich zu beobachtenden Kreislauf verbunden, der besagt: Armut erzeugt Krankheit und Krankheit wiederum erzeugt Armut

Sozialhygiene im Sinne von Gesundheitsfürsorge richtete sich immer auf sozial randständige, unterprivilegierte Gruppen und deren Besonderheiten. Die Tuberkulose war eine . Armeleutekrankheit'. Die Geschlechtskrankheiten waren dies in einem etwas anderen Sinne auch. Auf derartige Sachverhalte konzentrierte sich über lange Zeit die Sozial-hygiene und übersah, daß ihr wichtigere Aufgaben zugemessen waren. Diese Betrachtungsweise aber führte dazu, daß immer mehr Sonderprobleme bei besonderen Gruppen gesehen wurden, und heute glauben wir, daß beim Auftreten ungewöhnlicher Entwicklungen, etwa dem Drogenproblem, davon auch wieder eine ganz bestimmte Gruppe der Bevölkerung betroffen sein müßte. Massenerkrankungen lernte man immer in einem Zusammenhang mit besonderen sozialen Auffälligkeiten kennen, und so kann es nicht überraschen, daß nun umgekehr beim Auftreten gesundheitlich relevanter Besonderheiten nach deren besonderem sozialen Hintergrund gefahndet wird. Man übersieht dabei zu leicht, daß derartige Besonderheiten nur das Extrem ganz allgemeiner Veränderungen sein können.

In dem Maße, in dem der Zusammenhang sozialer Faktoren mit bestimmten Krankheiten zum Allgemeingut der Medizin wurde, überlebte sich die Sozialhygiene selbst. Die Heil-kunde ihrerseits bezog zwar derartige soziale Zusammenhänge in ihre Überlegungen ein, ohne jedoch deren Gesamtrahmen weiterzuverfolgen. Erst die neu aufkommende Medizin-Soziologie, insbesondere die soziologische Betrachtung der sozialen Rolle des Kranken in unserer Gesellschaft durch Parsons, hat einen neuen wissenschaftlichen Impuls gesetzt

Im Begriffsverständnis von Gesundheit orientiert sich die allgemeine Denkweise an dem erkennbaren Verlust von Gesundheit, also an Krankheit und Tod. Das macht verständlich weshalb für die Interpretation des Gesundheitswertes eines Phänomens immer sein krankmachender Einfluß herausgestellt wird. Dies geschieht hier bei der Drogenproblematik und gilt auch dann als legitim, wenn, wie in unserem Falle, die tatsächlich beizuziehenden Fakten höchst unzulänglich sind. Ganz selbstverständlich ist auch, daß Gesundheit immer als ein vorgegebener Wert, eine statische Größe angesehen wird, die individuell unterschiedlich sein kann, jedoch immer schon bei der Geburt vorhanden und demzufolge durch gesundheitliches Wohlverhalten zu bewahren ist. Obwohl sich unsere gesundheitliche Gesamtsituation, insbesondere auch als Folge zweier Weltkriege, grundlegend verändert hat und man erkennen konnte, daß beispielsweise Beinamputierte wie Gesunde zu leben imstande sind, wenn sie sich entsprechend einstellen und prothetisch versorgt sind, ist diese statische Betrachtungsweise bis heute beibehalten worden. Gesundheit wird noch immer mit dem Negativmaß festgestellt, mit dem Verlust an Gesundheit. Wir stellen die Erwerbs-unfähigkeit fest, nicht die noch verbliebene Erwerbsfähigkeit. Entscheidend dafür ist, daß nicht die Möglichkeiten, die tatsächlich gegeben sind, berücksichtigt werden, sondern der einzelne an dem von ihm einmal gewählten Lebensbereich gemessen wird, so als ob er nur dort lebensfähig sein könnte. Das wiederum hängt mit unserer Wertung der sozialen Seßhaftigkeit zusammen. Wir messen in vielfacher Weise an sehr starren Normen, ohne zu bedenken, daß gerade die heutige Lebenswirklichkeit dem einzelnen viel bessere Entfaltungsmöglichkeiten gibt, von ihm aber Anpassungsbereitschaft und Flexibilität verlangt.

Diese statische Betrachtungsweise führt letztlich auch dazu, den Drogen konsumierenden Jugendlichen entsprechend zu beurteilen. Er hebt sich ab von der Norm, die man erwartet, deshalb ist er unnormal und kann darum nur noch krankhaft oder kriminell sein. Daß mit diesem Raster auch Beethoven zu den Unnormalen gezählt werden müßte, ist nur mit dem Kunstgriff zu vermeiden, daß man gewissermaßen zweierlei Unnormales zuläßt: Genie und Wahnsinn, um es auf eine gängige Formel zu bringen. Die beiden Begriffsfelder liegen nun nicht, wie man annehmen könnte, an den beiden Enden der Bewertungsskala, sondern eng benachbart. Das Begriffspaar normal-unnormal spielt in allen Gesundheitswertungen eine Rolle. Normal ist, was dem Durchschnitt entspricht. Dieses Begriffsverständnis hat Konsequenzen.

Wie schwer es ist, diese einseitige Auffassung zu verändern, erfährt die Sozialhygiene im besonderen Maße, und gerade für sie hat die Relativierung der Norm, besser die Individualisierung der Norm erhebliche Bedeutung. Die Dehnung der Bandbreite zulässiger oder geduldeter Aktivitäten erweitert den Handlungsfreiraum und führt allein dadurch aus einigen der normgebundenen Schwierigkeiten. Die Toleranz wird allgemein größer; auf die Drogenszenerie übertragen, bedeutet es, daß nicht alle, die Rauschdrogen nehmen, als unnormal klassifiziert werden müssen. Schließlich nehmen sehr viele Menschen Drogen, wenn auch in der Form von Arzneimitteln; aber die Mehrzahl der sogenannten Rauschgifte sind ja dieselben Arzneimittel, sie werden nur in einer übergroßen Dosis zugeführt. Gesundheit hat als allgemeiner Erfahrungsbegriff kein klares Selbstverständnis. Ohne eine verstandesmäßige Einordnung aber bleibt Gesundheit unverständlich, und genau in dieser Situation stehen wir heute. Die in der Präambel der Satzung der Weltgesundheitsorganisation gegebene Definition des Begriffs Gesundheit als eines Zustands völligen körperlichen, geistig-seelischen und sozialen Wohlbefindens hat keinerlei Änderungen im allgemeinen Verständnis bewirken können. Eigene Untersuchungen haben gezeigt, daß im Begriffsverständnis von Ärzten, Lehrern und Eltern sich Gesundheit überhaupt nicht unterscheidet. Gesundheit wird gleichgesetzt mit begrifflichen Inhalten wie Sport, Körperkraft, Natur, auch mit Offizier, und man kann daran erkennen, daß sie noch immer einseitig auf die körperlichen Belange bezogen ist. Nur zögernd erst werden Inhalte wie Erziehung, soziale Einstellung sowie Kompromiß und Ausgleich in den Bezugsrahmen von Gesundheit aufgenommen. Daraus erklärt sich wohl, weshalb die Bemühungen der Psychohygiene, den Belangen der geistig-seelischen Gesundheit größere Aufmerksamkeit zu widmen, am allgemeinen Unverständnis gescheitert sind. Die überlieferte Vorstellung hat Schröder sehr treffend markiert, als er sagte, „daß Gesundheit nicht wie die Freiheit ein Axiom unserer Weltanschauung, sondern etwas schöpfungsmäßig Gegebenes, Anvertrautes ist". Gerade diese Auffassung muß in Frage gestellt werden. Gesundheit ist heute vertgbar geworden und damit in die Selbstverantwortung des einzelnen gerückt. Es haben heute viel mehr Menschen als früher die Chance, als Gesunde zu leben, auch wenn sie körperliche Einbußen haben hinnehmen müssen, auch wenn sie nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Leistungskraft sind. Gesund-sein muß andererseits heute von allen erst erlernt werden und ist im Endergebnis das Produkt eines Erziehungsprozesses. Gesund-sein und Erzogen-sein sind inhalts-gleiche Befähigungen. Von hier aus ergibt sich eine andere Bewertung der Drogenszenerie, insbesondere auch für die Therapie Drogen-gefährdeter. Auch bei ihnen ist ein Lernprozeß in Gang zu setzen, etwa im Sinne des Ansatzes der Verhaltenstherapie

Unser Begriffsverständnis stimmt mit den Gegebenheiten der Lebenswirklichkeit nicht mehr überein. Wir orientieren uns im allgemeinen an überlieferten, aber größtenteils überholten Vorstellungen und Leitbildern. Wie „unnatürlich" unser häuslicher und beruflicher Alltag geworden ist, wie wenig er mit dem überlieferten Maß zu messen ist, zeigt die Drogen-situation beispielhaft. Wir alle könnten nicht mehr ohne Drogen gesund sein. Drogen sind aus unserer Welt nicht mehr fortzudenken. Wir müssen den Umgang mit ihnen lernen, wenn wir gesund sein wollen. Gesundheit geschieht nicht von selbst. Schlaf, Ernährung, Hygiene, Arbeit und Pause sowie nunmehr auch Drogen geben, richtig angewandt, die Voraussetzungen ab für Gesundheit.

In unserem Alltag haben Drogen eine vielfache Verwendung — versteht man sie so, wie eingangs definiert, als Stoffe, die den Ablauf natürlicher Vorgänge ändern. Zu derartigen Vorgängen zählen jedoch nicht nur körperliche oder seelische Empfindungen, sondern im weiteren Sinne auch Prozesse wie die Verderblichkeit von Lebensmitteln, wie das Wachstum von Pflanzen und Tieren usw. Für alle diese Vorgänge gibt es spezifische Drogen, mit denen der gewünschte Effekt erreicht werden kann. Das alles gehört zu unserem chemischen Alltag

Kaum jemand denkt darüber nach, was heute alles mit Drogen manipuliert wird, damit der Alltag, wie wir es gewohnt sind, „normal" ab-läuft. Jeder benutzt heute Drogen, aber nur ein geringer Teil von ihnen wird genommen, um wieder gesund zu werden. Das Drohende der Drogen wird kaum bewußt und dennoch scheint es, daß alles gefährdet sein kann, wenn, wie jetzt bei der jungen Generation, besonderes Interesse an besonderen Drogen entsteht. Wenn man dieser Drogen-problematik wirksam begegnen will, muß man zunächst Bilanz ziehen, um Alltägliches von Unnormalem trennen zu können. So wie unser chemischer Alltag beschaffen ist und sich vermutlich weiterentwickeln wird, liegt die Drogenproblematik nur ein kleines Stück ab von dem Weg, den alle gehen. Nach futurologischer Betrachtung, die auf einer Fortschreibung jetzt erkennbarer Trends beruht, werden die Psychopharmaka, also die spezifisch auf die Gehirnfunktionen einwirkenden Drogen, bis zum Jahre 1985 gesellschaftsfähig sein, das heißt, jeder nimmt sie ein, um sich zu . konditionieren', um ein . Stimmungsdoping'vorzunehmen, um heiter, gelöst und angstfrei zu leben

In einer technologischen Prognose der Medizin für 1990, veröffentlicht im Oktober 1969, wird gesagt, daß die Rauschgiftsucht zu einem sozialen Problem immer größeren Umfanges werden wird, dem strenge Kontrollmaßnahmen entgegengesetzt werden. An anderer Stelle heißt es in demselben Bericht über die Entwicklung des Arzneimittelmarktes: „Die Herstellerfirmen werden ihre Produktion auf das Gebiet der Nährmittelpräparate ausdehnen und um 1990 auf das der synthetischen Mittel zur Stimmungsbeeinflussung, der Besänftigungsmittel und der allgemeinen . Trostmittel'. Diese Mittel könnten versuchen, Tabak und Alkohol aus ihrer traditionellen Rolle zu verdrängen und würden vielleicht eine Alternative zum Gebrauch von Marihuana und LSD bieten, den die gegenwärtig jüngere Generation (die dann 30 bis Ende 40 sein wird) kaum vollkommen aufgegeben haben wird.“

Diese mit dem bezeichnenden Namen DELPHI-Technik versehene Prognose hat ihre eigene Problematik. Es ist grundsätzlich nicht möglich, mit hinreichender Sicherheit Trends als Entwicklungslinien fortzuschreiben. Der Trend selbst gibt nur den Mittelwert einer aus vielen abweichenden Positionen bestehenden Gemeinsamkeit an; er ist ein Näherungswert Läßt man diese grundsätzlichen Bedenken einmal außer acht und folgt den Aussagen, die auf kontrollierte und korrigierte Meinungsäußerungen ausgewählter Experten zurückgehen, dann ist zunächst festzustellen, daß alle präventiven Bemühungen angeblich erfolglos bleiben werden, daß das Drogenproblem zu einem Problem erster Ordnung wird und die entscheidende Ausgangsposition dieses Problems, nämlich der „Drogenalltag", sich in einer bislang unvorstellbaren Weise ausdehnen wird.

Würde diese Annahme nur näherungsweise zutreffen, das Drogenproblem also bis 1990 tatsächlich weiterbestehen, ergäbe sich eine quantitativ faßbare Grundlage, auf der auszurechnen ist, was vornehmlich auf die jetzige junge Generation zukommt. Dieses Bild unterscheidet sich dann deutlich von dem, was in den Eingangsbemerkungen gezeichnet wurde. Wenn man davon ausgeht, daß mindestens 30 °/o aller Jugendlichen im Alter von 15 bis 25 Jahren Drogenerfahrung haben und von diesen im Minimum 2 °/o echt süchtig werden, läßt sich für die Zeit bis 1990 ausrechnen, welche Soziallasten allein durch diese nur scheinbar kleine Gruppe verursacht werden. Einer wiederholt gebrauchten Berechnung von Bejerot (Stockholm) muß danach entnommen werden, daß jeder drogensüchtige Jugendliche den Staat mehr als eine Million Mark kostet. Darin eingerechnet sind Rente, Behandlungskosten und Ausfall seines Beitrages am Bruttosozialprodukt.

Es ergibt sich folgendes: Von den jetzigen Personen zwischen 15 und 25 Jahren werden etwa 140 000 süchtig werden, wenn das Problem im selben Umfange weiterbesteht. Aus den nachwachsenden Jahrgängen kommen dann jeweils 5000 pro Jahr hinzu, vorausgesetzt, die Kerngruppe der echt Suchtgefährdeten bleibt weiter bei 2 bis 5 0/0 der Drogen-erfahrenen, die ihrerseits nur 30 °/o der Grund-gesamtheit ausmacht. Wird die Zahl der Drogenkonsumenten größer oder verlagert sich das Problem altersmäßig vor, müßten weit größere Zahlen erwartet werden. In den vorauszuschätzenden 20 Jahren würden bei diesen Voraussetzungen 250 000 drogensüchtige Personen zu erwarten sein, deren Heilungschancen, wenn die Therapieerfolge nicht entscheidend verbessert werden können, nach Aussagen erfahrener Psychiater gleich null sind. 250 000 Drogenfrührentner aber würden einen materiellen Aufwand von 250 Milliarden Mark, fordern. Diese Mittel müssen von denen aufgebracht werden, die im Arbeitsprozeß stehen. Danach sind besonders diejenigen betroffen, die ihr gesamtes Erwerbsleben noch vor sich haben, also wiederum die Generation zwischen 15 und 25 Jahren. Von ihnen hat jeder voll erwerbstätig Bleibende allein für die Versorgung der Drogensüchtigen einen Betrag von mindestens 50 000 DM während seines Lebens aufzubringen. Um diesen Betrag vermindert sich sein Gesamteinkommen. Eine Summe, die, verzinst auf den Gesamtzeitraum, den Gegenwert eines mittleren Eigenheimes darstellt

So unsicher diese Zahlen sind, die Größe des Problems deutet sich damit sicherlich an. Die Alternative zu den materiellen Überlegungen ist inhuman. Man wird dann nämlich fragen müssen, ob die Lebenserwartung der Süchtigen gleich der der nicht süchtigen Personen ist, und dann taucht das Problem auf, ob eine erfolglose Behandlung überhaupt sinnvoll ist. Rudolf Walther Leonhardt glaubt derartigen Berechnungen nicht. Er schreibt: „Rauschgiftsüchtige fallen, so heißt es, der Allgemeinheit zur Last. Diese Belastung ist freilich zu unerheblich, daß der Gesetzgeber, der einen freien, wenn auch kontrollierten Verkauf von Rauschmitteln für richtig hielte, sie durch eine Rauschmittelsteuer leicht auffangen und dabei noch eine ganze Reihe anderer Krankenhäuser mitfinanzieren könnte." Für diese Behauptung werden keine Zahlen angeführt, die es zum gegenwärtigen Zeitpunkt ja tatsächlich auch nicht gibt, so daß man auf Schätzungen angewiesen ist. Nachdenklich an den Aussagen von Leonhardt stimmt, daß er immer wieder auf die tödliche Dosis von Zyankali verweist und die Auffassung vertritt, daß es ein Widersinn sei, wenn Selbstmord straffrei bleibt, Haschisch unter Strafe zu stellen. Das sind insgesamt gesehen sozialhygienisch verantwortungslose Äußerungen, die den ohnehin unkritischen Meinungen neue Nahrung geben

Da es bei unseren Überlegungen nicht um das vergleichsweise ungefährliche Haschisch, sondem um die sogenannten harten Drogen, zu denen vor allem das Heroin gehört, geht, die ganz überwiegend zur Sucht und Abhängigkeit führen, insgesamt eine außerordentlich geringe Heilungschance besitzen und aus verschiedenen Gründen, wie leichte Uberdosierbarkeit, häufige Verunreinigungen, Unberechenbarkeit bei Zusammentreffen mit Krankheiten usw., recht häufig auch unmittelbar zum Tode führen, ist die von Leonhardt eingebrachte Argumentation, daß Selbstmord straffrei sei, durchaus beachtenswert. 1969 starben im Staate New York erstmals mehr Menschen an Heroin als im Straßenverkehr. Da auch für unsere Verhältnisse wiederholt behauptet worden ist, daß der Haschischwelle die Heroin-Welle folgen würde, muß diese Extremposition berücksichtigt werden

Wie eingangs dargelegt, sind für die Sozial-hygiene gerade die Phänomene bedeutungsvoll, bei denen die abortiven Formen gesundheitlicher Störungen die der manifesten überwiegen. Deshalb ist das Drogenproblem für die Sozialhygiene relevant. Die Endstadien Sucht-abhängigkeit, Krankheit und Tod sind für die sozialhygienische Urteilsfindung weitgehend unerheblich. Bedeutungsvoll aber wird die nicht geringe zusätzliche Belastung des einzelnen, wenn sich das Drogenproblem zu einer sozialen Aufgabe des skizzierten Umfanges auswachsen sollte. In ihrem Gefolge würde für die berufstätige Bevölkerung ein noch größerer Leistungsdruck aufkommen, als er ohnedies schon besteht, da die Zahl der zu versorgenden Personen sich um mehrere hunderttausend Drogenfrührentner erhöhen kann. Aus dieser Sicht gibt es keine „Nicht-Betroffenen", und deshalb geht das Drogen-Problem alle an. In dieser Betrachtung geht es uns um das soziale Phänomen und seine Auswirkungen, nicht ausschließlich um das individuelle Schicksal des Betroffenen selbst. Aus dieser Position können sich Einsichten eröffnen, die helfen, dem Drogenproblem einen vorrangigen Stellenwert zu geben

III. Gesundheit als soziale Rolle

In den prospektiven Betrachtungen wird bislang nur vereinzelt die Frage diskutiert, wie Gesundheit künftig zu interpretieren sein wird. In einem Festvortrag auf dem wissenschaftlichen Kongreß der Arbeitsgemeinschaft für gesellschaftliche Probleme der Medizin 1970 in Hamburg hat Frau Minister Strobel gefordert, daß der Gesundheitsbegriff neu interpretiert werden müsse. Ein Zwang, der sich aus den veränderten Bedingungen unserer Lebens-wirklichkeit herleitet. Wesentlich dabei ist, daß Gesundheit funktional gewertet wird, das heißt, daß sie an der Leistung des Gesunden abgelesen wird

Die funktionale Betrachtungsweise geht davon aus, festzustellen, was der zu prüfende Gegenstand bewirkt, nicht aber, was er ist oder wie er zu beschreiben wäre. Gesundheit erweist sich hierbei als Grundvoraussetzung für die personale und soziale Freiheit, die uns allgemein als erstrebenswertes Optimum unseres Daseins vorschwebt. Zum besseren Verständnis kann man die von Parsons gebrauchte Rolleninterpretation des Kranken heranziehen. In einer Umkehrung müßte sich daraus ergeben, wie Gesundheit als soziale Rolle zu verstehen sei. Parsons hat die soziale Rolle des Kranken mit vier Eigenschaften besetzt. Zur sozialen Rolle des Kranken gehört danach:

1. daß er von seinen normalen sozialen Verpflichtungen entbunden wird, das heißt, er wird krankgeschrieben, er liegt im Bett, er bekommt eine besondere Kost usw.;

2. daß er die persönliche und sachliche Hilfe Dritter erhält, die erforderlich ist, damit er wieder gesundet, das heißt, er bekommt Krankengeld, Medikamente und ärztliche Hilfe;

3. daß er den Willen hat und durch eigenes Bemühen dazu beiträgt, wieder gesund zu werden: eine von der Gesellschaft angemeldete Forderung als Äquivalent zu den Hilfen, die sie selbst bereitstellt, und 4. daß er durch Kooperation mit Fachkundigen (Ärzten, Pflegepersonal, Diätassistenten usw.) den Willen, gesund zu werden, realisiert Das von Parsons formulierte „Funktionsmodell" eignet sich für unsere Betrachtungen, weil es sich umkehren läßt. Analog dazu müßte sich das Modell für die soziale Rolle des Gesunden bezeichnen lassen. Der Gesunde wäre durch folgende Eigenschaften zu kennzeichnen:

1. Er erfüllt normale soziale Verpflichtungen; 2. er besitzt die personale und soziale Freiheit, die ihn von der Hilfe Dritter unabhängig macht;

3. er hat den Willen, gesund zu sein;

4. von ihm kann erwartet werden, daß er sich das Wissen und die Verhaltensmuster aneignet, die es ihm ermöglichen, zu seinem Optimum an gesundheitsgerechtem Verhalten zu finden.

Es läßt sich aus diesem Modell erkennen, daß die funktionale Betrachtungsweise Gesundheit immer in einem Zusammenhang mit sozialen Verrichtungen oder Leistungen sieht, die letztlich als persönliche Errungenschaften gelten können. Das ist eine Abkehr von der traditionellen, einseitig somatisch orientierten Begriffsauslegung, die Gesundheit gleichsetzte mit dem Freisein von Krankheit und Schwäche. In dieser Betrachtungsweise tritt die somatische Ausstattung zugunsten der verwirklichten Selbstentfaltung zurück. Es kann deshalb sein, daß ein chronisch Kranker, der keine Chance hat, sein Leiden auszuheilen, durch ein bewußtes und wissendes, auf seine eigene Gesundheit zugeschnittenes Verhalten erreicht, daß er diese Rolle erfüllen kann und konsequenterweise dann auch als ein Gesunder anerkannt werden muß. Ohne diese Überlegungen weiter zu vertiefen, sei angemerkt, daß allein mit dieser Zuordnung der Leidensdruck chronisch Kranker vermindert werden kann, vor allem auch, weil meßbare Kriterien zur Selbstbestätigung vorhanden sind und Krankheit deshalb den Betroffenen nicht weiter als Siechtum erscheinen muß. Im Prinzip gilt dieses Modell für alle Krankheiten, wenngleich mit unterschiedlichem Gewicht.

Wenn, wie bereits erörtert, Gesundheit als Verwirklichung eines Lernprozesses angesehen werden muß, dann ergibt sich für Krankheit eine veränderte Wertung. Krankheiten sind damit zuerst Ausdruck eines Fehlverhaltens, sie zeigen an, daß der Mensch sich nicht in dem normalen Fließgleichgewicht befindet. Krankheiten sind danach zunächst Warnzeichen, die zur Korrektur eines Fehlverhaltens oder eines eingetretenen Fehlers auffordem. Die Krankheit gilt danach nicht als etwas Absolutes, als etwas schicksalhaft Hinzunehmendes, sondern als Ausdruck der veränderten Befindlichkeit; in jedem Falle wirft sie die Frage auf, was falsch gemacht worden ist. Die-ses Begriffsverständnis hat insbesondere für die so stark in den Vordergrund getretenen psycho-somatischen Erkrankungen Bedeutung, zu denen in besonderer Weise auch die Sucht-krankheiten gehören.

IV. Entordnung als Krankheit

Erst mit der funktionalen Bewertung von Gesundheit bekommen die sogenannten „EntOrdnungskrankheiten“ einen erkennbaren Krankheitswert, der ihnen in der statischen Auslegung des Gesundheitsbegriffes nur ausnahmsweise zuerkannt werden konnte. Krankheit verlangte bislang immer nach objektivierbaren Befunden, nach feststellbaren körperlichen Veränderungen, die der Arzt messen oder in den Raster seiner schulmedizinischen Kenntnisse rubrizieren konnte. Heute haben nur noch etwa ein Drittel der den Arzt aufsuchenden Personen klassische Befundbilder dieser Art, die auf Krankheiten hindeuten, welche es immer gegeben hat und die es mutmaßlich immer geben wird. Ein weiteres Drittel kommt zwar auch ohne derartige Befunde zum Arzt, hat jedoch einen erkennbaren — genauer gesagt, einen für den Arzt glaubhaften — Leidensdruck. Hierher gehört die Mehrzahl der psycho-somatischen Störungen, Krankheiten also, bei denen aus besonderen Belastungssituationen Störungen auch der Organfunktionen entstehen. Im Erscheinungsbild herrschen dabei Schlaflosigkeit, ungerichtete Angst, Uberaktivität oder Apathie, Appetitlosigkeit oder auch „Freßsucht" vor. Mit ganz ähnlichen Beschwerden kommt auch das letzte Drittel zum Arzt, aber aus Gründen, die hier nicht näher dargelegt werden können, wird ihr Leidensdruck nicht deutlich und damit ihr Zustand nicht als Krankheit anerkannt. Sie werden schnell „gesundgeschrieben", geraten in den Verdacht, „krank gefeiert“ zu haben. Es scheint, daß gerade diese Gruppe an sozial-bedingten Krankheiten leidet und die häufig geübte Diskriminierung zum überwiegenden Teil unberechtigt ist. Aus eigenen Untersuchungen wissen wir, wie diese Belastungsmomente zu beschreiben sind, und es ist interessant festzustellen, daß bei ihnen eine Konstellation gegeben ist, welche an die sogenannte brokenhome-Situation erinnert. Größere Kinderzahl, schlechtere schulische und berufliche Ausbildung, geringere Sozialkontakte, vermehrte Störungen zwischen den Ehepartnern sind nur einige dieser Symptome „Entordnungskrankheiten“ sind Zustandsbilder, die zeittypisch als Antwort auf die Hetze des beruflichen und häuslichen Alltags, auf die damit verbundene hohe nervöse Belastung angesehen werden können, vielleicht als eine Form von Zivilisationskrankheiten. Sie werden mit dem Sammelbegriff „neurotische Störungen" bezeichnet. In der bereits erwähnten DELPHI-Studie. gaben die Experten zu der Frage, welche Patientengruppen 1985 die größten Probleme darstellen werden, folgende Reihenfolge: 36 0/o nannten an erster Stelle die psycho-somatischen Erkrankungen, 21 0/0 die Gruppe der Neurosen und 13 0/0 die Toxikomanie, das heißt, der Gesamtkomplex der Drogengefährdung rückt bis dahin an die dritte Stelle in der Bewertung. Noch deutlicher wird dies, wenn man den Alkoholismus hinzunimmt. Dann stellen 18’/o der Experten die Sucht-gefährdung als drittschwierigste Patienten-gruppe für 1985 heraus

Die drei genannten Gruppen sind fast nur theoretisch genügend sicher voneinander zu trennen. In welchem Umfange neurotische Anteile bei psycho-somatischen Krankheiten wie bei der Toxikomanie eine Rolle spielen, ist weithin unbekannt und nur im Einzelfall gelegentlich eindeutig zu klären. Wichtig erscheint, daß bis 1985 keine der klassischen oder der neu aufgekommenen Krankheitsgruppen, die heute im Vordergrund stehen, noch als echte Problemgruppe anerkannt wird. Das gilt auch für die so bedrohlich aufgekommenen Herz-und Kreislauferkrankungen sowie für Krebs-krankheiten. Mit welcher Vorsicht man diesen Voraussagen begegnen sollte, wurde bereits im Zusammenhang mit der Methodenkritik angemerkt. Erwähnt sei aber noch, daß es genügend Beispiele dafür gibt, wie sehr sich auch anerkannte Fachexperten irren können. Domagk hat 1955 vorausgesagt, daß die Tuberkulose in fünf bis zehn Jahren ausgerottet sein würde. Domagk, als Nobelpreisträger in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten besonders bewandert, hat nicht recht behalten. Noch immer erkranken jährlich etwa 50 000 Personen in der Bundesrepublik an Tuberkulose. Die Zahl der Kranken mit einer aktiven Tuberkulose beträgt noch immer mehr als 200 000

So überzeugend es erscheint, daß die epidemiologische Gesamtsituation bis 1985 sich so umstrukturiert, daß die letzlich in der Psyche des Menschen verwurzelten Krankheitsursachen zur größten Problemgruppe aufsteigen, so sollte nicht übersehen werden, daß in der Zwischenzeit auch die Präventivmedizin und Sozialhygiene hinzulernt. Immerhin besteht die Hoffnung, daß es ihnen gelingen könnte, durch gezielte Maßnahmen diese Entwicklung zu bremsen. Das aber wird nur zu erreichen sein, wenn anders als bislang unsere Verhaltensgewohnheiten allgemein überprüft und von jedem einzelnen für sich korrigiert werden. Das gilt insbesondere für alle, die einen Erziehungsauftrag haben und willentlich oder unbeabsichtigt als Sozialisationsinstanz verhaltensprägend für die Heranwachsenden sind. Das Drogenproblem z. B. ist nicht deshalb so bedrohend geworden, weil diese Drogen neu aufgekommen sind. Neu sind nicht die Drogen, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der Drogen heute allgemein genommen werden, und daß wir nicht gelernt haben, mit ihnen umzugehen. Der Drogenkonsum in Primitiv-kulturen war einem religiösen Ritual zugeordnet, aus dem sich für den einzelnen Schutzfunktionen ergaben. Zwar haben viele Erscheinungsbilder der Drogenszenerie heute Ähnlichkeit mit jenen Drogenkulturen, es fehlt ihnen aber eine den einzelnen verpflichtende Sinngebung

Wird Gesundheit als soziale Rolle definiert bekommen gerade die sozialen Bezüge des Drogenproblems ein epidemiologisches Gewicht. So wie man vordem von einer besonderen körperlichen Konstitution sprach, die ein Individuum anfällig werden ließ für bestimmte Krankheiten, wird man nun daran denken müssen, die besondere soziale Konstitution der Gruppen zu sehen, die Drogen als Emanzipationsvehikel, aus Protest gegen die Gesellschaft, zur Konditionierung oder zur Selbst-findung nehmen. Wir werden versuchen müssen, die früher vergleichsweise leicht auffindbare „Infektionskette" zu ermitteln, das heißt, den epidemiologischen Weg dieses Problems aufzudecken. Die Drogenproblematik ist ein multifaktorielles Problem. Es sind eben nicht nur haltlose, leistungsschwache, randständige oder sonstwie auffällige Personen, vor allem Jugendliche, die zu Drogen greifen, sondern erstmals gerade die Meinungsführer, aber auch die verinnerlichten und empfindsamen Personen, die Drogen als eine Möglichkeit sehen, ihre Probleme zu lösen. Es ist deshalb verkehrt, das Drogenproblem einer randständigen Minderheit anzulasten oder so zu tun, als ob es ein Spezialgebiet sei, das Spezialisten, vornehmlich den Psychiatern, Vorbehalten bleiben muß. Hier handelt es sich um ein soziales Entordnungsphänomen. Der mit dem Mißbrauch von Drogen verbundene Austausch von Realität und Trugwahrnehmungen, Sinnes-täuschungen, kurz, der rauschbedingten Irrealität, deutet darauf hin, daß gleichzeitig eine Abwendung von normalen sozialen Verpflichtungen und die Aufgabe der personalen und sozialen Freiheit erfolgt. Selbst wenn Rausch-drogen nicht zu Sucht und Abhängigkeit führen, wenn sie keine organischen Störungen hinterlassen, müssen sie aus diesem Grunde als pathogene Noxen angesehen werden, die soziale Krankheiten verschulden

V. Entwicklungsbedingte Drogenbereitschaft

In einer früheren Arbeit haben wir die Annahme herausgestellt, daß ein innerer Zusammenhang zwischen dem Rauschmittelgebrauch Jugendlicher, ihrer besonderen Affinität und Anfälligkeit für Drogen während eines bestimmten Entwicklungsabschnittes und den für diese Entwicklungsphase typischen Einstimmungen zu bestehen scheint. Da sich mit dieser Hypothese insgesamt eine veränderte Betrachtungsweise ergibt, soll darauf näher eingegangen werden

Ohne die entwicklungspsychologischen Stufen im einzelnen beschreiben zu wollen, wird hier nur auf die frühe und späte Reifezeit eingegangen. Dabei hat man sich zunächst von dem Gedanken frei zu machen, daß Reifung kontinuierlich geschieht. Es gibt nicht nur starke individuelle Abweichungen, wie sich bei der Einschulung und den Schulreifeuntersuchungen zeigt, auch die verschiedenen Reifungsqualitäten entfalten sich nicht gleichzeitig und kontinuierlich. Intelligenz, Sozial-verhalten, die ganze emotionale Region und verschiedene andere Teilgebiete der Reife-entwicklung laufen nach einem komplizierten . Fahrplan'ab. Man kann das an den beiden hier besonders interessierenden Reifestadien erkennen.

Sichtbarstes Zeichen in der Entwicklung eines Menschen, daß nun etwas völlig anderes eingetreten ist, ein neuer Abschnitt erreicht wurde, ist die Pubertät.

Diese Entwicklungszeit läßt sich nun in zwei Abschnitte aufgliedern, die sehr unterschiedlich ausgelegt sind. Die sogenannte frühe Reifezeit etwa, beginnend mit dem 13. oder 14. Lebensjahr, bei Mädchen fast ein Jahr früher als bei den Jungen, und bis zum 17. Lebensjahr andauernd, ist die Zeit, in der ein eigener Standort in dieser Welt gesucht wird. Man fühlt, daß sich etwas grundsätzlich verändert hat, aber man kann es noch nicht klar erkennen und deshalb licht rational verarbeiten. Man reagiert im Grunde noch kindlich, indem davon ausgegangen wird, daß Erwachsene überlegen sind, daß sie mehr können, als es das Kind konnte. Deshalb ist es typisch für diese Stufe, daß sie mit einem auffallenden Leistungsstreben verbunden ist. Der Wunsch, etwas Imponierendes zu tun, soll zeigen, wie sehr man diesem Anspruch nachkommen kann, und dabei ist man nicht auf das Gebiet der schulischen Leistung beschränkt, man kann gewalttätig, unsozial, flegelhaft oder sonstwie , auffällig'sein. Kleidung, Haarschnitt, die Beziehungen zum anderen Geschlecht, aber auch wirkliche Leistung auf sozialem oder schulischem Gebiet sind adäquate Betätigungsfelder. Es kommt insgesamt zu einem erkennbaren . Imponiergehabe', zu Angeberei, zu unüberlegten . Mutproben'und einer nach außen gerichteten Verhaltensänderung.

Diese mehr theoretischen Überlegungen sollten reflektiert werden auf das Gehabe der drogeninteressierten Jugendlichen. In dieser Phase muß der Selbstversuch mittels Drogen anders eingeordnet werden als in der noch zu schildernden späten Reifezeit. Hier muß immer mit überschießenden Aktionen gerechnet werden, die sich eben aus jener auf das Extreme gerichteten Einstimmung herleiten. Jugendliche dieser Entwicklungsstufe finden das Risiko normal, sie gehen es ganz selbstverständlich ein; nicht umsonst sind die Unfallzahlen in dieser Altersgruppe so besonders hoch. Die späte Reifezeit, etwa mit dem 18. Lebensjahr beginnend, ist nicht mehr so stark auf Leistung in dem geschilderten Sinne ausgerichtet, sie ist die . Entdeckungszeit nach innen', so als ob eine Resignation die Jugendlichen sie auf sich selbst zurückziehen läßt. Sie haben eine Phase der Enttäuschungen erlebt, sie glaubten sich erwachsen und wurden nicht als Erwachsene anerkannt, obwohl sie eigentlich alles taten, um sich als solche unter Beweis zu stellen. Das führte nicht zu dem erwarteten Erfolg; sie blieben trotz Auflehnung und Widerspruch in den gewohnten Ordnungen. In der späten Reifezeit steht die Frage nach dem . warum'im Mittelpunkt, nun aber nicht mehr in dem kindlichen Wissensdurst verhaftet, /sich selbst und alles in Frage zu stellen. In dieser Phase erfolgt die wesentlichste Ausformung der Person; sie ist der Endpunkt des sogenannten Sozialisationsprozesses

In der späten Reifezeit besteht die Bereitschaft, herauszutreten aus dem täglichen Einerlei, um hinter die Ordnungen dieser Welt sehen zu können. Es ist eine stark gefühlsbetonte Spanne, in der die rein verstandesmäßigen Wertungen zurücktreten zugunsten derjenigen, die mit Leidenschaft, Ergriffenheit, Liebe, Ehrfurcht und Glauben , erfühlbar'sind. Für diese entscheidende Durchgangsphase in der Entwicklung ist es typisch, daß die Frage nach dem Sinn des Lebens und des Todes immer wieder aufgeworfen wird, daß eine Neigung zu transzendentalen und mystischen Gedanken besteht, die Existenzphilosophie empirisch empfunden wird wie eine geheimnisvolle innere Wahrnehmung und zugleich so etwas wie eine latente Todesbereitschaft besteht. Tiefe Religiosität, wie sie sich jetzt z. B. in der „JesusBewegung'der amerikanischen Jugend ausdrückt, steht neben einem unerfüllbaren Kunsthunger, wobei allerdings . Kunst'etwas ist, das nicht nur den Maßstäben der etablierten Kultur folgt

Die späte Reifezeit war immer gesellschaftlich relevant. Die . Jugendbewegung’, ein vergleichsweise harmloser Aufstand gegen die konservative Gesellschaft, war vor und nach dem Ersten Weltkrieg genauso ein typischer Ausdruck dafür wie die von Schelsky so bezeichnete . Skeptische Generation'nach dem Zweiten Weltkrieg oder die Begeisterung für Che Guevara und Mao Tse-tung in den sechziger Jahren. Diese Zeit ist an Enttäuschungen reich, die Erfolge sind zweifelhaft. Das entsteht wesentlich durch zu hoch angesetzte Erwartungen. Man kennt seine Grenzen nicht, man kennt nicht die Grenzen, die allen gesetzt sind, man will das höchste Ziel erreichen. Deshalb kommt es auch hier zu Konflikten mit den Erziehern, mit den Eltern und denen, die . Ordnung'verkörpern. Man ist voll des Protestes gegen die vermeintlich . faulen Kompromisse', gegen die bestehenden Regelungen des Miteinander-Lebens, die nur einzelnen viel, den meisten jedoch zu wenig erlauben und geben.

Es wurde schon darauf eingegangen, daß von den Drogensympathisanten eine Gegenwelt als Fetisch aufgebaut wird. Die muß man im Rahmen der Besonderheiten dieser Entwicklungsstufe sehen, die durchaus nicht asozial, sondern extrem sozial ist. Man will das Beste oder was man dafür hält, aber immer sind Grenzen gesetzt, die dieses ideale Bemühen bremsen oder verhindern. Hinzu kommen die anderen Mißerfolge, die real betrachtet einfach dadurch entstehen, daß man noch ein Lernender ist, die jedoch ebenfalls den bestehenden Systemen angelastet werden und nicht sich selbst oder den Er-überhöhten

Wartungen und Zielsetzungen. Auch das ist so widersprüchlich es zunächst erscheinen mag eine sinnvolle Regelung. Die Mißerfolge sind auch Orientierungshilfen auf dem Weg in das Leben und zur Auffindung des eigenen Stand-punktes in dieser Welt.

In dieser an Enttäuschungen so reichen Zeit in der die Neigung besteht, dem Geheimnisvollen dieses Lebens auf die Spur zu kommen und die Bereitschaft dafür ein hohes Risiko einzugehen, müssen Rauschversprechungen, die völlig konform zu diesen Wünschen gehen, eine besonders große Chance haben, angenommen zu werden. Wenn man sich erinnert, daß gerade die empfindsameren, die differenzierteren Jugendlichen unter dieser Zeit besonders leiden, dann wird deutlich, warum die Drogenverführung bei ihnen ein völlig anderes Gewicht haben muß als gesundheitliche Gefährdungen, wie wir sie bislang gewohnt waren. Dabei hat man sich vorzustellen, daß Erfolgs-und Mißerfolgserlebnisse den Stellenwert haben, den Landehilfen für schwierige Anflüge besitzen. Erfolg bedeutet, in dieser Richtung weitermachen. Mißerfolg bedeutet, hier sind die Wege nicht gangbar. Wenn man mit Drogen, die Rauscherlebnisse zu vermitteln vorgeben, dann aber aus der Wirklichkeit nicht gelöst wird, sondern diese nur anders zu sehen lernt und dabei — vornehmlich aus der Gruppe Gleichgesinnter — erfährt, daß die eigenen Mißerfolge nicht auf Unvermögen, sondern auf den bösen Fallen beruhen, die eine feudale Klasse, nämlich die Erwachsenen, gelegt haben, wenn man sie damit , wegrationalisieren'kann, dann hat das eine ebenso absonderliche Bedeutung, als wenn man einer dunklen und schwer zu begehenden Treppe die Geländer absägt.

Es wird immer wieder argumentiert, daß der Leistungsdruck in unserer Gesellschaft, eine autoritäre Form von Erziehung, die Namenlosigkeit des einzelnen und das Fehlen innerer Werte und Leitbilder für die Drogensympathie der Jugend verantwortlich seien. Wenn man diese Argumente auf dem Hintergrund der Entwicklungsphänomene in der Reifezeit sieht, wird man erkennen, daß sie bestenfalls einen Verstärkereffekt haben, auch auslösend, nicht jedoch ursächlich dafür sein können. Alle diese Momente treffen auf eine vorhandene Grund-stimmung und die Bereitschaft, für eine Änderung dieser als mißlich, zu wenig ideal und überhaupt zu bequem empfundenen Welt sich selbst einzusetzen. Dazu braucht man Einsichten, die normal nicht zu erhalten sind, dazu braucht man . Bewußtseinserweiterung'. Des-B halb folgen so viele Jugendliche einer die Weite und Weisheit des Orients versprechenden Droge, dem Haschisch.

Die modernen Rauschmittel treffen mit ihren Versprechungen auf die Erwartungshaltungen der Reifezeit. Unabhängig davon, ob sie zu Suchtoder organischen Schädigungen führen, in dieser besonders empfindsamen Entwicklungsphase werden sie immer dann zu einem bleibenden Schaden führen, wenn sie dazu gebraucht werden, die Orientierungshilfe . Mißerfolg'wegzurationalisieren und/oder die an sich aktive, auf die gewollte Veränderung unserer sozialen Welt gerichtete Einstellung, die jede Gesellschaft alsKorrigenz benötigt, in Passivität und Introversion umschlagen läßt, wie dies den Drogen insgesamt eigentümlich ist. In diesen Fällen kommt es zu einer unvollständigen Ausbildung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, zu einem Verlust an Lebenstüchtigkeit, der nun gerade diejenigen zu betreffen scheint, von denen sich die Gesellschaft viel versprechen durfte. Drogenkonsumierende Jugendliche werden die von ihnen zu übernehmenden . normalen sozialen Verpflichtungen'anders sehen und sich, gemessen an den bestehenden Wertungen, niedrigere Ziele setzen. Sie ändern damit die Gesellschaft nicht, sie lassen sie verkümmern. Sie selbst aber — und das ist pädagogisch so schwer umzusetzen — verzichten auf Lebensglück und Zukunftserwartung. Die empfindsame das Sozialverhalten für entscheidende Reifezeit läßt sich nicht mehr nachholen, desgleichen nicht, -was hier versäumt und was leichtfertig an Erfahrungen vertan wurde. Die Rauscherfahrungen dafür kein Äquivalent sind Das, was heute als Drogenkarriere bezeichnet wird, hat einen auf Passivität und möglichst geringes soziales Engagement gerichteten Trend. Schon die Bereitschaft, Drogen nicht nur einmal zu probieren, sondern sie gelegentlich einzusetzen, um sich von Ängsten zu befreien, sich zu konditionieren, bedeutet, sich ihnen auszuliefern ohne Möglichkeit einer Steuerung, ohne Erlebnisverarbeitung im üblichen Sinne. Drogen verschulden immer einen partiellen Erfahrungsverlust, der gerade dann besonders schwerwiegend sich auswirken muß, wenn er während der Reifezeit erfolgt.

VI. Erziehungsdefekte als Einstiegshilfe

Repräsentative Querschnittsuntersuchungen, die über die Motive aller Jugendlichen mit Drogenerfahrung Auskunft geben könnten, fehlen bislang. In den vorliegenden Ergebnissen, die eine Selektion erfassen und in ihren Aussagen nicht verallgemeinert werden dürfen, steht der Protest als Motiv übereinstimmend erst an fünfter Stelle. Diese Befunde geben bleibende Motive an, während man für die Drogensympathisanten und Probierer Einstiegsmotive vermuten muß, die sich aus der Grundhaltung ihrer Entwicklungsstufe herleiten lassen, die aber nicht beibehalten werden müssen, wenn die zweite Entscheidung, nämlich die zum Dauerkonsum, getroffen wird. Wir haben den Eindruck, daß Protest als Motiv überwiegend bei denen auftritt, die sehr bald ihren Drogenkonsum wieder einstellen. Die Droge ist für sie auch nur eine Durchgangsphase

In der einzigen repräsentativen Studie, die bislang vorliegt, fand Schwarz in Schleswig-Holstein bei 21, 7 °/o der Jugendlichen Drogen-erfahrung. Bei den Konsumenten stammten 16, 6 °/o aus unvollständigen Familien gegenüber 9, 3 °/o der Kontrollgruppe. Dieser objektiv feststellbare Befund ist deshalb nicht so gravierend, wie er zunächst erscheint, weil hier keine Altersstandardisierung vorgenommen wurde. Wichtiger für unsere Überlegungen ist der Befund, daß 23, 5 % aller Konsumenten ihr Familienleben unerfreulich fanden, bei den starken Konsumenten sogar 32, 3 % und bei der Kontrollgruppe nur 8, 1 °/o. Hier drückt sich die individuelle Bewertung in ihrer entwicklungsspezifischen Prägung aus. Man wird daraus ablesen dürfen, daß der Erziehung gerade in der Verselbständigungsphase drogenprophylaktisch erhebliche Bedeutung zukommt. Die , broken home'-Situation ist dem Versuch vergleichbar, ein Pferd mit einem Zügel lenken zu wollen. Die Erziehung braucht sowohl den Vater wie die Mutter: Sie geben von ihren geschlechtsspezifisch geprägten Verhaltensmustern Impulse, deren Ausfall den Verlust einer Sozialisationsinstanz bedeutet. Ein Ausgleich ist zwar möglich, erfordert jedoch mehr pädagogisches Geschick, als es üblicherweise vorhanden ist. Hinzu kommt, daß in den gestörten oder unvollständigen Familien die Kinder ohnehin sehr differenten Erziehungssituationen ausgesetzt sind. Sie werden entweder zu streng erzogen, Um den Vater zu ersetzen, oder zu milde, weil sie doch keinen Vater haben, selten jedoch ausgeglichen.

Welchen Auslösewert die . broken home'-Situation hat, zeigt sich bei den Befunden von Wanke, der in seiner Untersuchung bei 46°/0 der Probanden zerrüttete Familienverhältnisse feststellte. Burchard fand bei seinen überwiegend aus der klinischen Behandlung stammenden Probanden sogar in 82 ®/o der Fälle eine . broken home'-Situation

Erstaunlich scheint immer wieder die Feststellung zu sein, daß vielfach auch Kinder aus wohlsituierten Familien unter den Drogengefährdeten zu finden sind. Hier besteht zunächst eine falsche Erwartungshaltung. Man nimmt an, daß Drogenkonsum ein Ausdruck für Elend ist und meint, daß eine finanziell gute Familiensituation davor schützen müßte. Offenbar ist das ganz anders. Wanke fand unter seinen Probanden mehr als 25 0/0 Eltern mit einem monatlichen Einkommen von DM 2000, — und mehr. 20 0/0 der Väter waren Akademiker. Wir wissen, daß gerade in den sogenannten wohlsituierten Familien besondere Erziehungsschwierigkeiten auftreten können. Man bezeichnet dieses Phänomen als . Verwöhnung', was im Grunde bedeutet, daß die Kinder alles haben, aber keine klare Führung durch die Erziehung, sie sind over-protected', für das Leben nicht abgehärtet. Diese Jugendlichen erliegen den mit Drogen verbundenen Einflüssen nicht aus Gründen des Protestes, sondern weil sie glauben, sich mit ihnen für den Alltag konditionieren zu können. Sie nehmen die Drogen als Selbsttherapie. Bei Wanke wie bei Bschor stehen diese Motive an zweiter und dritter Stelle der Rang-skala

Schließlich gibt es noch Bereitschaften aus besonderen psychischen Konstellationen, die im Geflecht von Verselbständigungsphase und Erziehungseinfluß des Elternhauses kumula. tiv verstärkt werden können und dann zum Drogenkonsum führen. Um das zu verdeutlichen, sei auf die Angaben von Wanke verwiesen, der fand, daß 46 °/o seiner Probanden neurotische Tendenzen zeigten — eine Feststellung, die durchaus vergleichbar ist mit Befunden von Kielholz und Ladewig, die bei 720 ihrer Probanden eine gestörte Vaterbeziehung und in 54 °/o eine gestörte Beziehung zur Mutter fanden. In diesen Werten drückt sich bereits die Kumulation aus

Gestörte Beziehungen zum Vater bzw. zur Mutter sind in der Verselbständigungsphase nicht unnormal. Sie können es werden, wenn die psychische Grundstruktur diese Konflikte verfestigt, so daß sie ihrerseits wieder zur Verstärkung der ohnehin bestehenden Schwierigkeiten beitragen. Man weiß heute, daß ein Großteil der gefährdeten Drogenkonsumenten schon vor dem Drogenkonsum behandlungsbedürftig war, weil ihre psychische Grundstruktur zusätzliche Hilfe für die Erziehung notwendig erscheinen ließ. Aus den Untersuchungen von Wanke ergibt sich für diese Gefährdungssituation folgende Charakteristik: Die Drogengefährdeten sind Personen, die leicht von ihren Zielen abzulenken sind, die sich leicht entmutigen lassen, sie sind nachgiebig, wenig zuversichtlich, sie haben geringes Selbstvertrauen, sind leicht verzagt und von außen zu bestimmen. Daraus ergibt sich, daß sie leichter als andere Konflikten ausweichen Sie sind der Meinung, daß ihnen ihre Eltern etwas schuldig geblieben sind Lennertz fand bei einer methodisch aufwendigen Untersuchung von 47 jugendlichen Haschischkonsumenten keine psycho-neurotischen Auffälligkeiten. Das widerspricht der hier getroffenen Aussage nicht, weil diese Probanden trotz Haschischkonsums unauffällig geblieben, also keine Klinikpatienten, keine Ratsuchenden einer Baratungsstelle waren. Die Gruppe ist zudem zahlenmäßig so klein, daß eine Verallgemeinerung des Befundes nicht zulässig ist. Da die Untersuchung gerade die Persönlichkeitsmerkmale nicht erfaßt, auf die sich unsere Aussage stützt, hilft sie in der Frage des Erziehungseinflusses nicht weiter Es ist leicht erkennbar, daß eine Kombination dieser psychischen Grundstruktur mit einer broken home'-Situation oder mit , overprotection’, die ihrerseits bereits Zugangswege zum Drogenkonsum darstellen, diese Gefahr noch potenzieren muß. Aus dieser Skizze von Erziehungssituationen ergibt sich auch, daß sie während der Reifezeit zu besonderen Krisen führen müssen. Drogenkonsum ist demnach häutig ein Symptom der Erziehungsdefekte und kein Zustand für sich. Gerade dieser enge Zusammenhang mit der Erziehung vornehmlich in der Familie macht erkennbar, wie wenig selbständig das Drogenproblem im Grunde ist. Wir haben vereinfachend in einem Informationsblatt für Eltern und Erzieher deshalb einen Arzt sagen lassen: „Und manchmal denke ich, dieser unsinnige Trotz, dieses gefährliche Auflehnen, der Sprung in die Gefahr, die alle nicht gedankenlos passieren, sind ein Symptom, mit dem signalisiert wird: was müssen wir eigentlich noch tun, damit Ihr Älteren Euch bequemt, uns zu sehen, wie wir sind, Erziehung nicht weiter mit Dressur zu verwechseln und unsere Partner werdet in dem so schwierigen Geschäft des Erwachsen-Werdens in dieser Zeit?“

Das Erziehungsdefizit ist nicht dadurch auszugleichen, daß diese Jugendlichen angehalten werden, ihren Drogenkonsum einzustellen — hier muß mehr passieren. Bei Jugendlichen, die Drogen nehmen, und zwar mißbräuchlich und chronisch, das heißt, die mehr als 25mal Drogen genommen haben (Leuner), ist in jedem Falle eine Erziehungskorrektur’, ein Ausgleich des Defizits oder — anders ausgedrückt — eine spezielle Therapie, die nicht dem Psychiater aufgetragen werden kann, erforderlich. Da diese Erziehungsdefekte weitgehend bedingt sind durch die moderne Kleinfamilie, durch die Art, wie wir in der Familie Zusammenleben, durch die Anonymität, in der ein größer werdender Teil der Jugend aufwächst und die fälschlicherweise ausgeglichen werden soll durch eine Vielzahl von Zuwendungen ohne persönliches Engagement der Eltern, ist das Drogenproblem in erster Linie als eine Krise der bei uns üblichen familiären Erziehung anzusehen. Es läßt sich aus diesem Ansatz auch erkennen, warum die , Entordnungskrankheiten', die Neurosen, in allen prospektiven Betrachtungen als neu aufkommendes Problem, das zahlenmäßig stark anwächst, ausgewiesen werden. Es läßt sich zugleich daran ablesen, warum die klinischen Entziehungskuren einen so geringen Erfolg haben. Sie sind eben weitgehend symptomatisch orientiert und können das Grundleiden nicht heilen. Sowohl in der Prophylaxe als auch in der Therapie müssen die Erziehungsdefekte selbst stärker als bislang berücksichtigt werden

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß Jugendliche, die in ihrer Erziehung derart benachteiligt sind, nicht die Selbstentfaltung vollziehen können, die Grundvoraussetzung dafür ist, gesund in dem von uns definierten Sinne zu werden. Aus einem uns zugegangenen schriftlichen Hilferuf einer 21jährigen, die bereits mehrere Selbstmordversuche hinter sich hat, in verschiedenen Kliniken behandelt wurde und nun Drogen nimmt, ist eine Aussage typisch:

„Heute verstehe ich, warum man zu den Tabletten greift und nicht mehr davon loskommt. Und das Verrückte dabei ist, ich bin begabt und könnte so vieles, meine Mutter ermöglicht mir so viel, nur eines kann ich nicht: leben! Warum nicht?“

Man kann eben auch in einem Zuviel an Freizügigkeit, die nicht geordnet wird, und an einem Zuviel an materieller Zuwendung, die ohne Liebe nichts bedeutet, ersticken. Deshalb sind wir der Auffassung, daß die entscheidende Hilfe nur aus der Erziehung, die von den Eltern wahrgenommen wird, kommen kann. Deshalb geht das Drogenproblem alle an und darf nicht auf Spezialisten abgedrängt werden.

VII. Das Heilsversprechen der Drogen

Drogen sind mit dem Nimbus ausgerüstet, über heilende Kräfte zu verfügen. Sie werden und wurden deshalb fast ausschließlich auch als Arzneimittel, zumeist mit einem überaus großen Wirkungsspektrum, ausgegeben. Der indische Hanf gelangte auf diesem Wege in unsere Apotheken. Die Mutterpflanze des Haschisch sollte Blähungen beseitigen, den Appetit anregen, die Sinne schärfen, zugleich wirksam sein gegen Gehirnfieber, gegen Krämpfe, Kopfschmerzen, Hysterie, Neuralgie, Ischias, Tetanus, gegen Diabetes, Impotenz, Wassersucht, Gehirnleiden, Herzleiden, Rheumatismus u. a. mehr. Von alledem ist nach reiflichen Prüfungen nichts übriggeblieben. Daraufhin erst erfolgte das absolute Verbot dieser Droge ohne Heilmittelwert

Ein großer Teil der Rauschdrogen, die heute Verwendung finden, sind tatsächlich Arzneimittel. Sie wirken nur als Rauschdrogen, wenn sie in überaus großen Dosen angewandt oder mit anderen Mitteln in unzulässiger Weise gekoppelt werden. Die Tatsache, daß viele Rauschdrogen Arzneimittel sind, mag dazu beitragen, daß der überlieferte Nimbus beibehalten wurde.

Die meisten Drogen spielen im religiösen Ritual der verschiedensten Ausprägungen eine Rolle. Wer das kultische Gehabe der mit Drogen experimentierenden Jugendlichen aus dieser Perspektive sieht, wird viel Ähnlichkeit mit früheren Drogenkulten in Primitivkulturen und den östlichen Meditationen finden, denen viele der Popmusiker und -sänger so besonders zugetan sind. Auch die frühen Künder einer durch Drogen aufgewachten, glücklichen Welt, etwa Huxley, preisen gerade diese Eigenschaften der Drogen Lindemann versucht die heutige Situation so zu beschreiben:

„Es scheint, als ob sich den Drogenbenutzern hier eine neue Welt auftut, nach der sie im Unterbewußtsein strebten, und das offenbar um so mehr, je weniger Lebensziele sie vorher besaßen, je weniger sie vorher im Gleichgewicht waren, je größer ihre innere Leere war!"

Um den gegenwärtigen Drogenkult zu verstehen, muß man auch diese Zusammenhänge sehen. Mit dem Griff zur Droge deutet sich eine entwicklungsbedingte Ambivalenz an Man möchte eigentlich nicht erwachsen werden und weiß doch, daß man erwachsen wird Diese Verhaltensweise signalisiert eine gewisse Hilflosigkeit und enthält die Frage Warum erwachsen werden für eine Welt, die man nicht will? Das ist die innere Leere, auf die Lindemann aufmerksam macht. Wir müs-sen lernen, diesen Code zu entziffern.

Das fängt bei den Äußerlichkeiten an. Die gewollte Armut, die Kleidung, die Umgangsformen, das Leben in Kommunen deuten darauf hin, daß hier eine andere Weltanschauung mit starken emotionalen Aufladungen, wie vordem für Religionen typisch sie die waren, gelebt wird. Die Abkehr von der Leistungsgesellschaft, der Verzicht auf einen hohen Lebensstandard, der bekennende Mut, mit dem man barfuß und Hand-in-Hand über die Straßen geht, das alles ist uns fremd wie das Ritual einer Sekte. Arthur Köstler prägte das Wort vom „Instant-Zen", womit gemeint ist, daß diese Jugendlichen sozusagen im Schnellverfahren sich einen Aufguß des Zen-Buddhismus bereiten. Transzendentale Meditation mischt sich mit christlichen und manistischen Ingredienzien zu einem schwer definierbaren Weltbild. Eine Klärung scheint sich jedoch anzudeuten: die , Jesus-Bewegung der mit Drogen sympathisierenden Jugendlichen in den Vereinigten Staaten. Diese Bewegung ist schon jetzt in einigen Großstädten der Bundesrepublik anzutreffen Kürzlich wurde berichtet, daß diese Jugendlichen unter dem Motto: „we turn on with Jesus" -etwa: wir schwingen uns auf mit Jesus — zunehmend auf Drogen verzichten und ein verändertes Sozialverhalten zeigen. Auf einer ganz ähnlichen Linie liegen die Bemühungen des LSD-Apologeten Timothy Leary mit seiner psychedelisch-religiösen Bewegung, die allerdings dem Motto folgt: „tum on, tune in, drop out”, etwa: schwinge dich auf, mach dich frei, scheide aus dem Gewohnten aus. Beiden Richtungen gemeinsam ist die Suche nach einem mystischen Ziel, nach der heilen Welt. Man wird sich zu fragen haben, in welchem Umfange sich die Kirchen dieser stillen Aufforderung Interpretation zur stellen müssen und was die Jugendarbeit daraus zu entnehmen hat. Der Drogenkonsum, und das scheint sich gerade aus dieser Perspektive abzuzeich-i nen, ist keine Krankheit, sondern Symptom einer Veränderung, die einzuordnen und zu werten wir noch genauer lernen müssen. Vorurteile können dabei nicht helfen

Drogenkulte vergleichbarer Art hat es immer gegeben. Sie haben ihren Vorteil in der gegenseitigen, sozialen Kontrolle des Drogenkonsums, wenn es sich um Gruppen handelt, die mehr als nur Konsumgemeinschaften sind, wie die mehr oder minder zufällig zusammengewürfelten Wohngemeinschaften der „Fixer“. Feste Gruppen mit festen Zielen, so extrem sie immer sein mögen, werden eine Gruppen-kontrolle und damit so etwas wie eine innere Ordnung haben. Für sie gilt wohl im weitesten Sinne, was Lechner-Knecht für die Primitivkulturen feststelltet „Weil die Zeremonien kultisch-religiös fundiert sind, arten sie niemals in eigentliche Rauschgift-Süchtigkeit aus". Man wird einige Sorgfalt auf die Prüfung dieses Ansatzes einer Hilfe durch Verfestigung solcher Schutzrituale verwenden müssen

Es ist nicht zu erwarten, daß sich die Dinge selbst regulieren, wenn von den Drogen Abstand gewonnen wird. Es wird immer nur ein Teil der jugendlichen Drogenkonsumenten sein, der dieser Bewegung folgt. Vielleicht sind es gerade diejenigen, die nach mehr oder minder kurzem Gebrauch der Droge damit wieder aufhören; das ist zumindest jeder zweite Jugendliche, der sie einmal probiert hat. Es sind mit Sicherheit nicht diejenigen, die von einem klaren Rausch nicht fasziniert genug sind und sich deshalb den harten Drogen zuwenden.

Was uns heute erschreckt, hat es in zweierlei Gestalt eigentlich immer gegeben. Das Altertum kannte, ebenso wie das Mittelalter und die Neuzeit, Drogenkulte unterschiedlicher Ausprägung. Sie wurden teils toleriert, wenn sie allgemein zugänglich und weit verbreitet waren, teils abgelehnt und bekämpft, wenn es sich um Sekten handelte oder es nur einzelne waren, die sich dem Kult hingaben. Die Beispiele dazu reichen von der heute noch existierenden „Nativ Church of America", in der ein Meskalin enthaltender, berauschender Kaktus als Sakrament gilt, bis zu den Hexen-salben. Wir müssen aus dem Vergleich lernen, wie die Entwicklungen heute einzuschätzen Sind. Daß sie eine latent-religiöse Komponente enthalten und im Grunde deshalb gewisse Schutzrituale besitzen, sollte nicht übersehen werden, weil sich daraus sehr gezielte Hilfen entwickeln lassen.

VIII. Die Gegengesellschaft als Fetisch

Ober den gesellschaftlichen Hintergrund des Drogenproblems ist viel geschrieben und diskutiert worden. Einerseits werden dabei die der Gesundheitsfürsorge bekannten Gründe aufgeführt. Danach sind drogengefährdet diejenigen, welche in Elendsvierteln aufwachsen, in gestörten Familien leben, durch unbewältigte Konflikte in den Drogen einen Fluchtweg suchen. Andererseits werden fast gegensätzliche Personentypen beschrieben und uns scheint, daß hier gerade der Zentralpunkt des Phänomens liegt. Den Randständigen eifern nur ebenfalls Randständige nach. Den Meinungsführern aber, denen, die in der „Hackordnung“ einer Gruppe oben stehen, folgen mehr. Das Problem begann damit, daß in politisch-engagierten Kreisen von Studenten und Oberschülern Rauschdrogen als ein Mittel der Verselbständigung geprinsen wurden. Die vordergründige Behauptung, Haschisch sei nur deshalb verboten, weil mit ihm der kapitalistischen Leistungsgesellschaft die Maske heruntergerissen werden könnte, wurde in dieser oder einer modifizierten Form immer wieder gebraucht. Der Slogan von den Bewußtseinsarbeitern, den Drogen, wurzelt letztlich auch in dieser Grundvorstellung. Unter dem Titel „Rebellion durch Rausch?" schrieb Diederichs in der Zeitschrift des Landesjugendringes Berlin im Januar 1971: „Der Grund für das große Gezeter in der Öffentlichkeit (aber auch in Fachkreisen) über Haschisch und andere Rauschmittel liegt vor allem darin, daß die halluzinogenen Drogen im Gegensatz zu den Psychopharmaka von den Normen und Leitwerten dieser Gesellschaft wegführen und damit eine scheinbar systemgefährdende Wirkung besitzen.“

Abgesehen davon, daß der Wahrheitsgehalt derartiger Aussagen leicht zu überprüfen ist, wobei festzustellen wäre, daß es nirgendwo bislang eine begründete Gesellschaftsreform gegeben hat, bei der die Reformer ihre Einsichten aus Drogen gesogen hätten, ist zu vermerken, daß derartigen Ausführungen, die zahlreich in der von bestimmten Jugendlichen besonders geschätzten Untergrundpresse erschienen sind, eine merkwürdige Gläubigkeit entgegengebracht wird. Dabei handelt es sich häufig um Blätter, die Parolen für ein ausreichendes Impressum halten, also anonym erscheinen, die im einfachen Vervielfältigungsverfahren hergestellt sind und im Revoluzzerstil „Gegeninformationen“ anbieten. Die oben wiedergegebene These ist dabei in Tenor und Sprache noch ausgewogen und milde. Sie steht dafür auch in einem offiziellen Organ und nicht in einem Blatt jener Provenienz.

Es ist immer wieder überraschend, bei Umfragen nach den Motiven des Drogenkonsums festzustellen, daß unreflektierte, glaubhafte auftauchen, Stereotypien die vom Antwortgeber selbst nicht erläutert können, die er überhaupt nicht zu verstehen scheint. Gelegentlich hat man den Eindruck, die Mitglieder eines Vereins zu treffen, die alle mit den in der Vereinssatzung niedergelegten Zielen des Vereins antworten, wenn man sie nach dessen Aufgaben befragt. Was hier — und Autoren wie Diederichs gehören dazu — an Pro-Argumenten verbreitet wird, schafft erst das Fluidum, aus dem heraus für Jugendliche der Eindruck entsteht, mit dem Konsum von Drogen die Kaste der Herrschenden bekämpfen zu können, mit der Droge „in" zu sein, zum „wir" zu gehören. Von hier aus ergibt sich ein Gruppendruck auf Jugendliche, dem viele zumindest sporadisch erliegen. Derartige Veröffentlichungen profitieren davon, daß jugendgemäße Vulgär-sprache, mit der komplizierte Sachverhalte angesprochen werden, auch dann ankommt, wenn sie nicht oder nur teilweise verstanden wird. Denn daß auch absolut unglaubwürdige Aussagen angenommen werden, etwa das Versprechen der Bewußtseinserweiterung, ist nur aus den psychischen Besonderheiten einer bestimmten Entwicklungsstufe zu verstehen.

Es mag dennoch verwunderlich erscheinen, daß derartige Behauptungen auch von durchaus kritikfähigen Jugendlichen aufgenommen werden. Die Analyse von Texten wie dem von Diederichs zeigt, warum sie überzeugend wirken. Sie alle gehen aus von Fakten, die nachkontrollierbar sind, wenngleich sie in der negativen Gewichtung überdehnt werd n. Es ist richtig, auf die Duldung der Psychopharmaka hinzuweisen, aber fragwürdig, daraus zu folgern, daß es ein Widerspruch sei, dann nicht auch die Halluzinogene zu akzeptieren Es ist richtig, wenn auf die durchaus nicht harmlosen Genußmittel Nikotin und Alkohol hingewiesen wird, die Krankheit, Siechtum und Tod in einer meßbaren Größenordnung verschulden. Das alles ist einsehbar und überzeugend, also müssen auch die Folgerungen zumindest etwas für sich haben. „Das Drogenproblem ist daher nicht nur ein medizinisch-psychologisches, sondern in erster Linie ein politisches Problem, in dem die Widersprüche unserer Gesellschaft offen zu Tage treten", sagt Diederichs.

Dann allerdings ist auch das Problem der wachsenden psycho-somatischen Erkrankungen und der Neurosen ein politisches Problem, denn auch sie entstehen aus den Gegebenheiten, vor allem aus den Konflikten in unserer Lebenswirklichkeit. Das aber sind Krankheiten. Zu fragen wäre, ob der Griff zur Droge nun ebenfalls einem Krankheitssymptom gleichzusetzen ist. Zu fragen wäre weiter, ob sich damit eine neue Form von Krankheit andeutet, die bewußte Krankheit, die gewollt herbeigeführte Krankheit, mit der etwas ganz Bestimmtes bezweckt wird. In der funktionellen Betrachtungsweise von Gesundheit wird man tatsächlich zu der Auffassung kommen können, daß hier ein Krankheitssymptom zu Tage tritt, weil mit diesen Verhaltensformen ja zugleich eine Loslösung von normalen sozialen Verpflichtungen und die Abhängigkeit von einem Dritten, in diesem Falle von der Droge, verbunden ist

Die Gegengesellschaft, die heile, ideale, allen alles gebende Gesellschaft, ist ein spätpubertärer Wunschtraum seit jeher. Neu ist die Form, in der versucht wird, ein Ideal zu zwingen, real zu werden. Mehrere Faktoren wirken dabei vorbereitend mit. Spätpuberale Sehnsüchte, die entwicklungsbedingt immer vorhanden waren, sich nur in einer jeweils zeittypischen Form äußerten, treffen mit Verhaltensgewohnheiten zusammen, die es legitim erscheinen lassen, Drogen auch als Helfer zur Selbstentfaltung der eigenen Person und der Gesellschaft zu benutzen. Nur wer versucht, im Wertungsraster einer normierten Gesellschaft zu beurteilen, was diese junge Generation mit durchaus ernsten Symptomen zum Ausdruck bringen will, wird der Fehleinschätzung unterliegen, daß hier so etwas wie Selbstvernichtung ganz im Sinne einer Zwangsneurose sichtbar wird. Und nur dann wird man versuchen, mit therapeutischen Hilfen gegenzusteuern. Wer jedoch nicht am Symptom herumkurieren will, wer anerkennt, daß Begeisterung, Rausch und selbst Ekstase menschliche Wesenszüge sind, der wird bemüht bleiben, den gesellschaftspolitischen Aussagewert der Drogenproblematik zu erkennen und versuchen, gemeinsam mit der Jugend einen Lernprozeß zu vollziehen Wir müssen lernen zu fragen, was denn zu diesem Phänomen geführt hat, wie unser Verhalten darauf vorbereiten konnte, denn daß die mit Drogen herbeigesehnte Gegengesell-schäft nur eine Verehrung lebloser Dinge, eben ein Fetisch sein kann, liegt in der Natur der Sache. Wunschvorstellungen werden nicht dadurch wahr, daß man sie sehr heftig wünscht. Es ist deshalb so beachtenswert, daß selbst Diederichs sagt: „Die unreflektierte Einnahme von bewußtseinserweiternden Drogen ist abzulehnen, da sie bei politisch-engagierten Jugendlichen verhältnismäßig oft eine Entpolitisierungsphase einleitet.“ Die darin enthaltene Behauptung, eine reflektierte Einnahme bewußtseinserweiternder Drogen würde das politische Engagement Jugendlicher verstärken, wirft neue Fragen auf, die nur teilweise aus den Beobachtungen des Verhaltens drogenkonsumierender Jugendlicher zu beantworten sind. Darauf wird gesondert einzugehen sein.

IX. Drogen und Arzneimittelkonsum

Das Drogenproblem ist nicht nur mit seinen inneren Verbindungen zu den Besonderheiten der Entwicklung in der späten Reifezeit zu sehen, in der Drogen, die die Weite und Weisheit des Orients versprechen, begehrlich wirken; es sind nicht nur die inneren Verbindungslinien nachzuzeichnen, die zu bestimmten Erziehungsdefekten bestehen oder sich aus der Verführungskraft jugendadäquater Subkulturen ergeben — unser Alltag selbst bereitet in vielfacher Weise das Drogenproblem vor.

Drogen sind Stoffe, die Funktionen unseres Organismus und der Psyche verändern, ohne von körpereigenen Regulationen abhängig zu sein. Die Kommandos der Drogen kommen von außen. Alle Arzneimittel sind Drogen — viele der Rauschdrogen sind Arzneimittel. Ein Teil der Genußmittel sind es auch. Daneben gibt es Gewürze mit der Eigenschaft von Drogen und bestimmte Feinschmeckerspezialitäten, die ebenfalls Drogen sind. In Japan wird ein hochgiftiger Fisch von besonders ausgebildeten Köchen zubereitet. Er enthält ein Gift, das ihm den Namen Mörder-oder Selbstmörderfisch eingetragen hat. Die besondere Zubereitung dosiert das Gift, ohne es zu entschärfen. Es wirkt anregend. Dasselbe gilt für viele Gewürze. Sie sind bei genügender Menge giftig, aber sie veredeln den Geschmack.

In unserem Alltag sind drei Zugangswege zum Drogenkonsum nachzuweisen: der Genußmittelge-und -mißbrauch, der Arzneimitteige-und -mißbrauch sowie eine bestimmte Werbung. Wenn für eine Limonade mit dem Werbeversprechen operiert wird, daß sie einen Rausch erzeuge, dann gibt sich damit die Selbstverständlichkeit zu erkennen, mit der heute „Rauscherlebnisse“ gesucht werden. Auch die Mystifizierung in der Werbung deutet dies an. Man kann daraus ableiten, daß eine latente Rauschbereitschaft allgemein besteht. Die Werbung baut nur darauf auf. Im Januar 1971 wurde von Allensbach ermittelt, daß 130/0 der Durchschnittsbevölkerung im Alter zwischen 30 und 44 Jahren Rauschdrogen probieren würden, wenn sie dazu Gelegenheit hätten. Aus einer eigenen Telefon-Panel-Befragung, die früher lag, ergaben sich sogar noch weit höhere Werte

Werbung und Massenpresse sind einander verwandt; ihre Berichterstattung folgt ähnlichen Gesetzen. Daß eine mystifizierende, mit dem Begriff Rausch hantierende Werbung an sich schon bestehende Bereitschaften noch vertieft, dürfte nicht bestritten werden. Die Massenpresse nutzt das gleichfalls, baut aber — um den Reiz zu erhöhen — noch die allgemeine Scheu vor Rauschdrogen mit ein, die überwiegend auf Vorurteilen beruht. Der Sharon-Tate-Fall ist dafür ein Musterbeispiel. Der Drogenmißbrauch wird für viele Jugend-48 liehe in einer begehrenswerten Weise diskriminiert. Man baut damit , Gegenvorbilder‘ auf, die für Jugendliche eine besondere Anziehungskraft haben

Sehr ähnliches wird man vom alltäglichen Umgang mit den Genußmitteln sagen müssen.

Auch sie erleichtern den Griff zur Droge.

Nikotin und Alkohol lösen Befindlichkeiten aus, die erst mit diesen Mitteln verfügbar werden. Diese Mittel bereiten die Auffassung vor, daß es zulässig ist, sich gewünschte Stimmungen mit ihrer Hilfe zu beschaffen. Es muß für jeden Jugendlichen schwer sein einzusehen, warum der Alkohol, mit dem sich so viele Menschen heute konditionieren, erlaubt ist, obwohl er zur Sucht führen kann, und andere Rauschdrogen verboten sind, obwohl nicht einmal verläßlich nachgewiesen ist, daß sie in gleicher Weise schädlich sind.

Unser Umgang mit den Genußmitteln, mit alkoholischen Getränken, mit den Tabak-erzeugnissen, auch mit Kaffee, Tee und Cola-Limonaden ist, wenn man der Werbung glaubt, nicht auf den Genuß, sondern auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Kasten gerichtet, die immer jung, fröhlich und erfolgreich sind. Wir setzen genaugenommen die Genußmittel ein: wir nehmen sie, um . . wir nehmen sie, weil . . . Genau aus diesen Gründen glaubt sich ein Teil der Jugend berechtigt, nun auch Räuschdrogen zu nehmen. Es lassen sich eine Vielzahl von Beispielen dafür aufzeigen, daß wir einen ritualisierten Umgang mit Drogen haben, die wir täglich benutzen. Viele sterben daran. Sei es an Lungenkrebs, weil sie zuviel geraucht haben, sei es an Leberzirrhose, weil sie zuviel tranken, oder an Vergiftungen, weil sie bei den Arzneimitteln glaubten, viel hilft viel oder die übliche Dosis nahmen, obwohl sie, etwa nach Alkoholgenuß, vergiftend wirken mußte. Die Zahlen sind erschreckend: 600 000 Alkohol-kranke, 10 000 amputierte Raucherbeine pro Jahr, 20 000 Raucher, die an Krebs starben Arzneimittel sind Erfüllungsgehilfen einer Absicht. Man will einen bestimmten Zustand ändern, ein Krankheitsgeschehen beeinflussen. Sie gehören in die Hand des Arztes. Wenn man sie als Alltagsgehilfe benutzt, sind sie gefährlich, weil man sich an sie gewöhnt. Gewöhnung, Steigerung der Dosis, Mißbrauch, Abhängigkeit und Sucht sind die Glieder einer Kette. Arzneimittel wurden früher aus Kräu fern oder anderen natürlichen . Zutaten'hergestellt. Sie werden heute in den Laboratorien der großen pharmazeutischen Industrien produziert. Die heutigen Arzneimittel sind ungleich wirksamer, weil konzentrierter als die vordem. Je wirksamer aber eine Arznei ist um so größer ist auch die Gefahr ihrer Nebenwirkungen. Eine ideale Arznei, die nur spezifisch wirkt und keine Nebenwirkungen hat, gibt es nicht. Die Volksmedizin unserer Tage ist gespalten. Da gibt es die auf natürliche Heilmittel bedachte Reformhausmedizin, die Kneipp-Medizin u. a. Daneben gibt es aber eine Do-it-your-self-Laienmedizin, die hochwirksame Präparate einsetzt, sei es, daß sie der Werbung folgt, sei es, daß sie Restbestände als Hausapotheke versteht und streng verschreibungspflichtige Medikamente, die von irgendwelchen Erkrankungen übrig geblieben waren, benutzt. Wir können heute in Lebensmittelgeschäften Medikamente kaufen; die Einnahme von Medikamenten ist uns selbstverständlich geworden. Wir leben mit den Drogen. Ein Kind, das Tabletten einnehmen soll, wird sich zuerst dagegen wehren. Es hat eine natürliche Scheu vor Arzneimitteln. Diese Hemmungsschwelle wird nach und nach abgebaut, einfach durch die Art, wie man diese Mittel heute benutzt. Kinder werden zu Arzneimittelkonsumenten erzogen. Mit dem Abbau der Hemmungsschranken aber bereiten wir den Griff auch zu den Rauschdrogen vor, die zu einem erheblichen Teil als Arzneimittel gute Dienste leisten und nur durch eine übermäßige Dosierung zu dem werden, was uns heute Sorgen bereitet, zu Rauschgiften Der Pro-Kopf-Verbrauch an Arzneimitteln stieg von DM 45, — im Jahre 1960 auf DM 105, — im Jahre 1969. Das ist ein allgemeiner Trend, der nur zu einem kleinen Teil durch die Teuerungen erklärt wird. In der DDR ist jede PublikumsWerbung für Arzneimittel verboten. Trotzdem stieg dort der Verbrauch an schmerzstillenden Tabletten von etwa 433 Millionen Stück im Jahre 1956 auf rund 742 Millionen Stück im Jahre 1966

Aus dem Gesundheitsbericht der Bundesregierung zu diesem Trend einige Passagen: Ziff. 258: „Es steht fest, daß z. Z. in der Bundes-republik pro Kopf der Bevölkerung mehr Arzneimittel verwendet werden, als dies z. B. vor etwa 20 Jahren der Fall war. Es ist jedoch umstritten, ob dieser erhöhte Verbrauch an Arzneimitteln eine Folge von im Übermaß angewendeten Arzneimitteln ist oder ob diesem erhöhten Verbrauch eine mißbräuchliche Verwendung, d. h. Verwendung zu anderen als therapeutisch notwendigen Zwecken zugrunde liegt.“

Ziff. 289: „. . . Die Zahl der schwer Alkohol-gefährdeten und Alkoholsüchtigen in der Bundesrepublik wird mit mindestens 600 000 angegeben . . . Somit leidet mindestens ein Prozent der Bevölkerung mit Sicherheit unmittelbar an Alkoholismus. . . . Für die Einstellung zum Alkoholkonsum hat sich in erster Linie das Beispiel der Eltern, also ihr konkretes Trinkverhalten, als maßgeblich erwiesen.“

X. Die Droge wählt sich ihre Opfer

Die angenommene Verfügbarkeit und das Vorhandensein unterschiedlich wirkender Rauschdrogen sind bei der allgemein bestehenden Bereitschaft, Drogen zu nehmen, für die Gefährlichkeit der momentanen Entwicklung entscheidend. Der Versuch, die verbotenen Drogen abzufangen, hat seine Tücken, wie noch zu zeigen sein wird. Man wird die Verfügbarkeit einschränken können, aber damit nicht die Rauschbereitschaft ändern. Wenn man weiß, welche Mittel heute bereits genommen werden, um derartige Erlebnisse herbeizuzwingen, dann wird man sich sehr genau fragen müssen, welche Aufgaben der Polizei konkret zu stellen sind.

Nachfolgend wollen wir zunächst eine Möglichkeit der Vorbeugung durch Auiklärung, eine Art „Drogen-Erziehung" diskutieren, mit der sich zusätzliche Bremshilfen ergeben könnten. Als Denkmodell stellen wir uns vor, daß bei der bestehenden Rauschbereitschaft die Verfügbarkeit aller Drogen groß ist, jeder also bekommen kann, was er haben will. Würde dann die Droge auch nicht weiter diskriminiert sein, was sie heute teilweise bereits nicht mehr ist, ergäben sich auch keinerlei Beschränkungen für den Zugriff, jeder würde also die Droge nehmen, die er begehrt, und zwar so oft und so konzentriert, wie er will. Wenn man sich die Gesamtsituation vor Augen führt, dann ist dies nur ein erweitertes Denkmodell, nicht jedoch ein rein theoretisches. Bei dieser Sachlage würden nach und nach alle Menschen süchtig werden, die eine „Suchtbereitschaft" in sich tragen. Das ist ganz ähnlich wie heute beim Alkohol, der überall verfügbar und nicht diskriminiert ist. Nur noch 4°/0 der Gesamtbevölkerung sind abstinent. Die Zahl der Alkoholkranken bezieht sich aber nur auf die eine „Droge" Alkohol. In unserem Denkmodell ist die Zahl der Dro-gen jedoch weitaus größer. Daraus folgt, daß wir möglicherweise mit jeweils einem Prozent der Gesamtbevölkerung für jede dieser Drogen als „Süchtige“ rechnen müssen. Dieses Denkmodell soll von dem Extrem her helfen, deutlich zu machen, was , Drogenerziehung‘ als Aufklärung bewirken kann und muß

Eine besondere Empfänglichkeit für die Droge X kann durch körperliche Veranlagung bedingt sein. Man kann ebenso eine gewisse psychische Empfänglichkeit für die Drogen-wirkung haben und dieses Erlebnis wiederholen wollen. Die Droge X kann mit ihrer Wirkung in eine Situation treffen, wo sie besonders gut paßt, vergleichbar etwa dem Alkohol, der ja u. a. auch als . Seelentröster'verwendet wird. Die Droge kann aber auch für präformierte, durch Erziehungsdefekte sozusagen prädisponierte Persönlichkeitsstrukturen oder in einer vorübergehenden Entwicklungsspanne besonders passend sein. Eine große Zahl denkbarer Kombinationen aus diesen, nicht einmal vollständigen Grundkomponenten ist denkbar. Drogenanfälligkeit ist immer abhängig von dem, was die Droge bewirkt. Ein euphorischer Rausch ist etwas völlig anderes als ein . klarer'Rausch, ein Zustand, der nur wenig Gefühlstönungen zeigt, dafür die Sinne zu schärfen scheint und das Bewußtsein erweitert, wie man sagt. Der euphorische Rausch wird für denjenigen besonders attraktiv sein, der niedergeschlagen und mißmutig dem Alltag entfliehen will. Der . schwebende’ Rausch, etwa mit Tranquilizern oder Beruhigungsmitteln, wird dem angenehm sein, der, ohne völlig der Wirklichkeit zu entfliehen, sie in einem gewissen Abstand sehen, aber sich ihr auch in bestimmter Weise entziehen will. Der , klare'Rausch entspricht etwa dem, was man nach Haschisch üblicherweise empfindet. Eine ganz leichte Euphorie, Ruhe und Ausgeglichenheit, eine vermeintliche Sinnes-schärfung und das Gefühl, die Dinge und Probleme klarer zu sehen, sie anders zu bewerten. Das ist der Zustand, den man high’ zu nennen sich angewöhnt hat. Nicht jeder kann aber damit etwas anfangen.

Grundvoraussetzung dazu, high’ zu werden, ist ein Lernprozeß. Zuerst muß man rauchen lernen. Das ist für Ungeübte nicht immer leicht und angenehm. Dann muß man sich sozusagen auf den Rausch vorbereiten: „set" und „setting" spielen eine große Rolle für das Rauscherlebnis. Schließlich muß man den Rausch selbst sehen lernen, da er unauffällig und zumeist anders als erwartet eintritt. Viele, die davon ausgehen, daß es so ähnlich sein müßte wie beim Alkohol, nur eben noch schöner, noch euphorischer, noch vehementer, werden enttäuscht, weil , high’-sein eben ganz anders ist als . einen Schwips'haben.

Es kommt bei den Drogen also zusätzlich auf die Erwartungshaltung an, die der einzelne hat, auf den Erfahrungsschatz, aus dem er seine Erwartung herleitet.

Man spricht zur Unterscheidung von weichen und harten Drogen. Damit ist die unterschiedliche Gefährdung gemeint. Harte Drogen führen zu Abhängigkeit und Sucht, weiche vermeintlich nicht. Ein ganz anderer Unterschied eben dieser Stoffgruppen besteht darin, daß die sogenannten weichen Drogen zu scheinbar . klaren'Rauschzuständen führen: Der Betreffende glaubt sich nicht in eine andere Welt versetzt, sondern nur befähigt, die Wirklichkeit aus einer anderen Perspektive zu sehen. Die gefühlsmäßigen Begleitwirkungen sind dabei nebensächlich. Nur Anfänger geben sich dem . Kicherbedürfnis'hin, welches bei Haschisch häufig auftritt. Auch die Halluzinogene verändern das Realitätsbewußtsein nicht, und gerade darin besteht ihre Gefährlichkeit. Wer Menschen als Hühner auf der Stange sitzen sieht, wird davor Angst bekommen können. Wer sich befähigt fühlt zu fliegen und aus dem Fenster springt, was wiederholt vorgekommen ist, folgt einer Aufforderung der Droge, an die er sich im Rauschzustand ausgeliefert hat, ob er es dann noch will oder nicht.

Die sogenannten harten Drogen sind ausnahmslos mit einem emotionalen Rausch verbunden. Dabei ist Rausch eigentlich nicht in jedem Falle die richtige Bezeichnung, wenn man davon ausgeht, daß Rausch ein glückhaftes Gefühl wie Begeisterung und Ekstase ist. Die Qualität der Rauschzustände ist auch innerhalb der weichen und harten Drogen unterschiedlich. Daraus ergibt sich eine breite Palette von Kombinationsmöglichkeiten. Auf der einen Seite steht die persönliche Rausch-erwartung und Einstellung mit der psychischen und physischen Empfänglichkeit, auf der anderen die tatsächliche Rauschqualität, die einmal abhängig ist von der gewählten Droge, deren Stärke und Reinheit, zum anderen von den Begleitumständen des Rauscherlebnisses oder besser des Rauschversuches selbst.

Geht man nun noch davon aus, daß derjenige, welcher bereit ist, ein Rauscherlebnis zu suchen, von seiner Erwartung sozusagen vorprogrammiert ist, dann wird er eine Rausch-befriedigung nur finden, wenn Erwartung, die persönliche Empfänglichkeit und die tatsächliche Rauschqualität übereinstimmen. Da jede Droge spezifische Rauschqualitäten vermittelt, wird sie bei einem Dauerversuch, wie in unserem Denkmodell etwa, einen bestimmten Anhängerkreis finden. Selbst die scheinbar weichen Drogen finden dann eine andere Wertung, wenn man sich vorstellt, daß sie gerade diejenigen anziehen, die, aus bestimmten Konfliktsituationen kommend, hier eine Lösung mittels der Droge suchen. Sie zeigen eine Wirklichkeit vor, die nicht real ist, die jedoch als Ubungsraum für die Lösung eigener Konflikte benutzt wird. Die Folge muß eine Desorientierung sein, völlig unabhängig davon, ob Sucht und Abhängigkeit eintreten. Sie bedeuten einen so schweren Eingriff in die Persönlichkeit des Konsumenten, daß man von einer psychischen Irritation mit Krankheitswert sprechen muß, wird der eingangs definierte Gesundheitsbegriff zugrunde gelegt.

Da die . weichen'Drogen Haschisch und Marihuana überwiegend von Jugendlichen genommen werden, muß sich die persönlichkeitsirritierende Wirkung noch potenzieren. Sie muß sich auch steigern, wenn Halluzinogene benutzt werden. Je jünger und damit unkritischer die Konsumenten . weicher'Drogen sind, desto stärker muß der . Verfremdungseffekt durch die Drogen sein; gerade diese Tendenz beobachten wir jetzt.

Die Verlagerung der Konsumentenschwerpunkte von den Studenten und Oberschüler auf die Schüler der Grund-und Mittelschulen sowie auf die Berufsschüler bringt nicht nur die Gefahr eines tieferen Eingriffs in die Persönlichkeitsausreifung mit sich, sondern zusätzlich die Gefahr des Umsteigens auf die mit emotionalen Rauscherlebnissen verbundenen harten Drogen. Das ist so wie bei den Erwachsenen, die ihre miserable Stimmung . ertränken'wollen. Entgegen üblicher Gewohnheiten werden sie das nicht mit Bier oder Wein, sondern mit Schnaps tun, es sei denn, sie seien geduldig genug, um die Rauschwirkung nach einer entsprechend großen Menge jener relativ . weichen 1 Alkoholika abzuwarten. Im Gegensatz zum Alkohol, bei dem allein die Menge bestimmt, welcher Rauschgrad erreicht wird — abgesehen einmal von der Konstitution des Trinkenden —, ist dies beim Haschisch anders. Auch wenn man sehr viel davon nimmt, ändert sich die Rauschqualität nur geringfügig. Dasselbe gilt für die Halluzinogene. Ist die Rauschschwelle erreicht, bleibt das Erlebnis in gewissen Grenzen konstant. Der Alkohol kennt den Schwips, den mittleren und den schweren Rausch und je nachdem sind die Empfindungen völlig anders. Die Rauschbereitschaft, vielleicht eher als Suche nach dem Rausch zu bezeichnen, wird immer dann zu einer kritischen Situation führen müssen, wenn die Erwartungshaltung für Haschisch falsch ist und zugleich eine Unwissenheit über die unterschiedliche Gefährlichkeit der Drogen besteht, wenn alle Drogen als gleich gefährlich oder harmlos angesehen werden. Der jetzt zu beobachtende Trend auf immer jüngere und zunehmend psychisch . einfacher’ strukturierte Jugendliche läßt erwarten, daß eine größer werdende Anzahl von ihnen auf harte Drogen umsteigt, einfach weil sie mit dem . klaren’ Rausch nichts anfangen können und sich ein emotionales Erlebnis von großer Schönheit erhofft hatten.

Die vorbeugende Aufklärung muß deshalb bei den sehr jungen Jahrgängen auf zweierlei besonders hinweisen: auf die unterschiedlichen Rauschqualitäten der Drogen und auf ihre unterschiedliche Gefährlichkeit. Dabei gilt als Faustregel, daß der . klare’ Rausch von Drogen bewirkt wird, die nicht zur Sucht im engeren Sinne, wohl aber zu einer psychischen Abhängigkeit führen können; der durch sie bewirkte Rausch löst keine Glücksgefühle aus, sondern muß bewußt und wissend erlebt werden. Die als Gefühlssensationen erlebten Rauschzustände werden von den harten Drogen bewirkt, die teilweise überaus schnell zu Sucht und Abhängigkeit führen.

Die gesamte Einstellung zum Drogenproblem ist bislang überwiegend so, daß alle Drogen in gleicher Weise verdammt werden und jeder, der dafür plädiert, sachlich gerechtfertigte Unterscheidungen vorzunehmen, bereits als Drogensympathisant gewertet wird. Dabei muß man sich im klaren sein, daß diese Gleichstellung eben bei den Jugendlichen den Eindruck erwecken muß, daß es gleichgültig ist, welche Droge er benutzt; aber gerade das erleichtert ihm das . Umsteigen', wenn er erste Rauschenttäuschungen mit weichn Drogen gemacht hat.

Wenn man hört, daß „Opium hält, was Haschisch verspricht" — eine Redensart, die unter jugendlichen Drogeninteressenten nicht selten ist —, dann drückt sich jene unwissende Rauscherwartungshaltung aus, die hier angesprochen war, dann hat die Droge Wahlfreiheit. Es kommt noch hinzu, daß die immer jünger werdenden Drogenprobierer nahezu ausnahmslos den gefühlsbetonten und nicht den . klaren’ Rausch erwarten, mit dem sie ohnedies nicht viel anfangen können. Ihr Wissens-und Erfahrungshorizont ist noch begrenzt, ihre Wünsche sind auf Wärme und gefühlsmäßige Erlebnisse gerichtet. Wer in dieser Entwicklungsphase zu Drogen greift, wird leicht Enttäuschungen erleben, zumindest von den weichen Drogen Haschisch und Marihuana. Die Halluzinogene, die Wunder-oder Wahnsinnsdrogen LSD-25, DOM, Meskalin usw., werden aber zu verheerenden Wirkungen führen, weil sie auf einen zu geringen Kontrollwiderstand treffen. Der Rauscherwartung dieses Alters entsprechen die harten Drogen mit ihren gefühlsbetonten Rauschzuständen.

Man kann aus diesen theoretisch erscheinenden Überlegungen ersehen, warum die Gefahr der Drogen zunimmt, je jünger die Probierer und Konsumenten werden, je einfacher sie in ihrer Kritikfähigkeit ausgestattet sind. Gerade diese Entwicklung haben bislang alle größeren Querschnittsuntersuchungen ausgewiesen.

Umgekehrt darf man annehmen, daß in diesem Alter noch eine natürliche Scheu davor besteht, Drogen überhaupt zu nehmen, vor allem aber, sie sich selbst in die Blutbahn zu spritzen. Abgesehen von denen, die Mutproben bestehen wollen oder die von Älteren , angefixt’ worden sind, die Spritze also wie ein Zugangs-ritual empfangen haben, wird die Zahl der . Fixer'hier noch klein sein. Es fehlen dazu gesicherte Angaben. Die , Rest-Scheu'vor Dro-gen wird für die gesundheitliche Aufklärung zu nutzen sein. Sie ist gleichzusetzen mit einer natürlichen Abwehrhaltung, die verstärkt werden kann, wenn man spezifische Aufklärung betreibt.

Eltern und Erzieher, die vermeiden wollen daß die Drogen unter ihren Schützlingen die Opfer wählen, sollten eine aktive Aufklärung möglichst schon vom zwölften Lebensjahr an betreiben.

XL „Haschisch bewahrt vor Heroin"

„Haschisch bewahrt vor Heroin". Man muß eine derart gewagte Hypothese geben, um die Eventualitäten ausdehnen zu können. Wir haben erfahren, daß in den Vereinigten Staaten eine Heroinwelle aufkam, nachdem es mit wachsendem Erfolg gelang, den Anbau und den Schmuggel von Marihuana zu verhindern. Es wird die Frage auftauchen, ob man weitsichtig handelt, wenn man eine Droge aus dem Angebot herausnimmt, ohne gleichzeitig vor allem die gefährlichen Drogen auszuschalten. Das gilt in sehr ähnlicher Weise auch für die Rangposition der Drogen selbst. Würde man Haschisch bei uns aus seiner führenden Position verdrängen, indem man den . Fixer'aufwertet, hätte man die gemeinte Situation.

Zunächst zur ersten Hypothese: „Haschisch bewahrt vor Heroin", weil es in genügender Menge vorhanden ist. Haschisch wird allgemein als , Einstiegsdroge'gewertet. Damit wird ausgesagt, daß es in aller Regel nicht beim Konsum von Haschisch allein bleibt, sondern daß man auf härtere Drogen umsteigt. Wir haben an anderer Stelle darzulegen versucht, daß immer dann, wenn ein breites Angebot an Drogen vorhanden ist, mit dem mehr oder minder alle Erwartungen befriedigt werden können, umgestiegen wird. Man kann das nicht gut dem Haschisch anlasten. Konsequenterweise müßte man auch sagen, Nikotin, Alkohol und natürlich die Arzneimittel in ihrer heutigen Verwendung seien . Einstiegsdrogen'. Immer, wenn eine große Zahl von Personen ein Mittel nimmt, werden Teilpopulationen davon enttäuscht sein und auf ein anderes übergehen. Die Werbung spekuliert darauf. Sieht man den Drogenkonsum der Jugendlichen im Gesamtrahmen und bewertet ihren gleichzeitigen Alkoholkonsum, wird man feststellen, daß hier gewisse Übergänge und Wechselbeziehungen bestehen. Da sich die Drogen im allgemeinen nicht gut mit dem gleichzeitigen Genuß von Alkohol vertragen, geht der Alkoholkonsum in aller Regel bei den Drogenprobierern zurück. Was eventuell an Drogengefährdung neu auftaucht, wird an Alkoholgefährdung möglicherweise , einge. spart'. Man müßte diesen Zusammenhang noch genauer prüfen.

Haschisch ist eine Droge, deren Wirkungen und Gefahren bei den Jugendlichen weitgehend bekannt sind. Es ist mit Sicherheit dem unteren Gefährdungsbereich der Drogen zuzuzählen. Obwohl uns Langzeiterfahrungen, wie wir sie beim Alkohol haben, noch fehlen, wird man diese Behauptung wagen dürfen. Im Vergleich zu Heroin — als der wohl gefährlichsten Droge der Szene insgesamt — ist Haschisch das kleinere Übel. Es kommt sicherlich nicht von ungefähr, daß alle diejenigen, die sich zum Drogenproblem geäußert haben, Haschisch in einer Sonderstellung sehen. So sehr man Zweifel haben kann, ob die daraus gezogenen Folgerungen vertretbar sind, man also Haschisch freigeben sollte, weil es offenbar nicht schädlicher sei als Alkohol, die Grundaussage sollte akzeptiert werden: wenn schon Drogen, dann lieber Haschisch als Heroin.

Haschisch ist durch Gesetz verboten. Es gibt keinen legalen Besitz wie etwa bei den Opiaten, die verordnet werden können. Haschisch kann so lange den Reiz des Verworfenen vermitteln, als es verboten bleibt. Wenn Haschisch aber legalisiert würde, könnte man es über die Apotheken vertreiben und Reinheitskontrollen, Dosierungsrichtlinien usw aufstellen. Es würde damit allerdings einen Teil seiner Drogenmystik verlieren. Möglicherweise würde es auch allein dadurch weitgehend uninteressant und man käme auf andere Drogen, mit denen man das soziale Tabu noch durchbrechen kann.

Die zweite Hypothese lautet daher: Haschisch sollte in seinem subkulturellen Stellenwert erst dann abgebaut werden, wenn die Gefahr ausgeräumt ist, daß harte Drogen seinen Platz einnehmen oder die Halluzinogene nachrücken. Haschisch ist das Zugehörigkeitssymbol zu einer Subkultur. Verunsichert man es in die-, ser Position etwa dadurch, daß der Eindruck aufkommt, Haschisch sei mittlerweile zu alltäglich, dann muß erwartet werden, daß bei gleichbleibender Rauschbereitschaft der Über-gang auf die Halluzinogene folgt. Sie besitzen einen ähnlichen Kult, gelten als weiche Drogen und werden in zunehmend besserer Qualität und Dosierung angeboten. Der Hasch-Trip dauert etwa zwei Stunden, bei oraler Aufnahme bis zu sechs Stunden. Der Halluzinogen-Trip dauert bis zu zwölf Stunden. Schon dieser Hinweis zeigt, daß ein überwechseln gleichbedeutend ist mit einer Ausweitung der Gefahr. Hinzu kommt die häufige Unverträglichkeit der Halluzinogene je nach Stimmungslage, Beanspruchung und äußerem Rahmen. Es kommt zu . Horrortrips’, die zusätzliche Gefahren beinhalten. Die Halluzinogene erzeugen häufig , Echo-Räusche', das sind Rausch-zustände, die ohne erneute Einnahme der Droge bis zu drei Monaten nach der letzten Einnahme beobachtet worden sind. Sie führen zu Panikstimmungen und erheblicher Unfall-gefährdung. Eine Entmystifizierung des Haschischs muß deshalb sehr genau in eine allgemeine Aufklärung eingepaßt werden. Wie fest der Mythos des Haschischs ist, ergibt sich daraus, daß alle nicht erwarteten Wirkungen auf Verunreinigungen geschoben werden, weil die Einstellung vorherrscht, Haschisch sei eine freundliche Droge ohne Nachwirkungen. Der Aufklärungsarbeit ist hier eine nicht gerade leicht zu nennende Aufgabe zugewiesen: Schutz vor dem Drogenkonsum, also auch vor Haschisch, ohne diese Droge zu diskriminieren.

Haschisch ist der . Auffangpuffer'für Drogen-sympathisanten. Ein Umsteigen erfolgt, abgesehen von gewissen in der Person liegenden Anfälligkeiten, durch Verführung und durch Enttäuschung. Das Verführungselement ist gebremst durch die soziale Selbstwertung des Haschkonsumenten im Vergleich zum , Fixer'oder zu einem, der Halluzinogen-Trips . wirft'. In den von Wetz durchgeführten Untersuchungen hat sich bei der Bewertung der Persönlichkeiten ergeben, daß der Haschkonsument allgemein toleriert wird, der . Fixer'hingegen nicht. Er hat eine ähnliche Wertung erfahren wie der Trinker

Das Enttäuschungselement muß durch eine . infiltrierende'Aufklärung abgetrennt werden. Haschisch erzeugt keinen Rauschzustand, der dem des Alkohols vergleichbar ist. Diesen aber kennen die meisten Jugendlichen, und sie meinen, daß es mit Haschisch eben einen , Superschwips'geben müsse. Sie sind dann, vor allem wenn sie jünger, weniger differenziert und damit kritikärmer sind, leicht enttäuscht von dem vermeintlich . klaren'Rausch. Hier wird es darauf ankommen, die Rauscherwartung einzustimmen, das besondere dieses Rausches aufzuzeigen. Man wird sagen können, damit würde Haschisch noch weiter aufgewertet. Das aber kommt darauf an, wie man diese Informationen . infiltriert'. Ob man von einer Aufwertung sprechen kann, wenn Haschisch als Droge für . Männer — Kenner — Könner'ausgegeben wird, steht dahin. Man wird das diskutieren müssen. Jedenfalls wird man nicht umhin können, den . klaren'Rausch nach dem Haschischgenuß gegenüber dem starken, gefühlsbesetzten Rausch der harten Drogen abzusetzen, um falsche -Rauscherwar tungen zu korrigieren, die so häufig zum Umsteigen verleiten.

Diese Überlegungen sind ausschließlich von der Vorstellung getragen, eine Ausweitung der Drogenszene und ein Abgleiten in die harten Drogen zu verhindern. Es steht außer Frage, daß zugleich und mindestens ebenso intensiv die allgemeine Rauscherwartung der späten Reifezeit in harmlosere Kanäle zu leiten ist. In den Vereinigten Staaten wird Methadon benutzt, um Heroinsüchtigen wenigstens so weit zu helfen, daß sie sozial integriert bleiben. Ihre Sucht wird dadurch nicht aufgehoben. Methadon ist für sich ebenfalls ein suchterzeugendes Mittel. In einer ähnlichen Position könnten wir Haschisch für die gesamte Drogenszene sehen, nur daß damit noch im unteren Gefahrenbereich operiert werden kann. Es ist eine akzessorische Hilfe.

XII. Versuch einer Schlußbetrachtung

Wir haben davon auszugehen, daß die chemisch gesteuerte Welt, in der wir leben, den Drogenkonsum für alle in einem bestimmten Rahmen selbstverständlich gemacht hat und die Jugendlichen mit ihrer höheren Risikobereitschaft, mit ihren größeren Sehnsüchten in dieser Entwicklung nur einen Schritt weitergehen, wenn sie Rauschdrogen benutzen. Das Problem ist nicht von den Extremen her zu werten, also nicht aus der Sicht von Krank-heit oder von haltlosen randständigen Jugendlichen. Man muß es verallgemeinern, um seiner Bedeutung gerecht zu werden, vor allem aber, um das Gewicht frühzeitig einsetzender Aufklärungs-und Hilfsmaßnahmen zu erkennen. Es ist erforderlich, ganz allgemein einen Lernprozeß einzuleiten, der die Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten berücksichtigt, und nicht so tut, als könne man die Drogen aus unserer Lebenswirklichkeit wieder entfernen. Man kann nicht davon ausgehen, daß alle drogenerfahrenen Jugendlichen potentiell sucht-gefährdet sind. Dann wären alle Alkohol-konsumenten dies auch. Geht der Konsum in festen Gruppen vor sich, die schon früher bestanden und deren Gemeinsamkeit nicht darin besteht, daß sie Drogen konsumieren, bilden sich häufig Schutzrituale aus. Man weiß, daß Haschisch und Alkohol sich nicht vertragen, man weiß, daß der Joint nur vorhandene Stimmungen verstärkt und läßt es deshalb zu, daß die gemeinsame Haschischzigarette abgelehnt wird, wenn man sich nicht danach fühlt.

Die Beachtung der sozialen Zusammenhänge ist wichtig. Das gilt für die Beziehungen in der Familie wie für die Gesellungsformen der Jugendlichen. Man muß sich immer darüber klar sein, daß die Zeit der Verselbständigung auch eine Zeit vielfältiger Konflikte mit denen ist, von denen man sich ablösen will und muß, um sich zu verselbständigen, im wesentlichen also von den Eltern. Der bloße Hinweis, daß man sich mit den Eltern nicht mehr verstehe oder daß das Kind jetzt anders geworden sei, die abwertende Beurteilung von Vater oder Mutter und ebenso das Unverständnis der Eltern für Handlungsweisen ihrer Kinder — dies allein genügt nicht, um die Diagnose „gestörte Familienverhältnisse" zu rechtfertigen. Es muß tiefer gefragt werden.

Erst wenn häufiger konsumiert wird, vor allem wenn Drogen in die Blutbahn gespritzt werden, gleichgültig wie oft dies geschieht, zeigt der Konsum bereits die echte Gefährdung an. Um ihr zu begegnen, muß man die Stoffe kennen. Das eigene Urteil baut darauf auf, die Diskussion mit dem Betroffenen kommt ohne diese Kenntnisse nicht zustande. Man sollte grundsätzlich drei Gruppen von Drogen unterscheiden: 1. Die Rauschmittel Haschisch und Marihuana, die sicher im unteren Gefährdungsbereich der Rauschdrogen liegen. Dabei sollte man genau wissen, um was es sich handelt, wie sich diese Stoffe unterscheiden, welche Rauscherlebnisse sie versprechen, welche Nebenwirkungen zu erwarten sind, daß die orale Aufnahme gefährlicher ist als die über das Rauchen usw. Beide Stoffe führen zu einer leichten psychisdhen Abhängigkeit, verschulden jedoch bei länge, rem Gebrauch eine ausgesprochen passive Lebenseinstellung, die zu Interessenverlust, zum Abbruch von Schule und Lehre, damit also letztlich zur Blockierung der Persönlichkeitsreifung und auf diesem Wege zur sozialen Ausgliederung führen. Diese Stoffe sind deshalb so heimtückisch, weil sie ungefährlich zu sein scheinen. 2. Die Gruppe der Halluzinogene, der Wunder-oder Wahnsinnsdrogen, steht zwischen den Rauschmitteln und den eigentlichen Rauschgiften. Hierher gehören das LSD, Meskalin, Psylocibin, DOM, Ololiuqui u. a. Audi sie führen zu einer psychischen Abhängigkeit, wirken jedoch in allerkleinsten Mengen, werden deshalb häufig überdosiert und führen dann zu qualvollen Horrortrips und wegen der Besonderheiten der Rauscherlebnisse häufig zu unkontrollierten Handlungen bis hin zum Wegen dieser Gefährlichkeit sollten sie als den Rauschgiften stark benachbart gesehen werden.

3. Die eigentlichen Rauschgifte, die immer zu Sucht und Abhängigkeit in stark ausgeprägter Form führen. Hierher gehören die Betäubungsmittel, vor allem Opium und seine Abkömmlinge, dann das Kokain, aber auch die als Arzneimittel im Gebrauch befindlichenAmphetamine, die Weckmittel oder Schnellmacher und die Beruhigungs-und Schlafmittel. Sie werden fast ausnahmslos in die Blutbahn gespritzt oder als Tabletten in einer Menge genommen, [die bei Menschen, die diese Mittel nicht gewohnt sind, mit Sicherheit zum Tode führen würden.

Diese Unterteilung der Rauschdrogen zeigt, wie unterschiedlich der einzelne Konsument beurteilt werden muß. Der . Fixer'ist in jedem Falle gefährdet, der . Kiffer'nicht unbedingt Die Gefahr, daß Haschisch Einstiegs-und Umstiegsdroge ist, wird bei den älteren, bei den kritikfähigen Jugendlichen, bei denen in festen Jugendgruppen — und seien sie noch so extrem orientiert —, weniger groß anzunehmen sein als bei den jüngeren, zumeist damit schon kritikärmeren Jugendlichen. Zu beachten ist, daß bei genügend großen Vergleichsgruppen kein Unterschied in den Persönlichkeitsdimensionen von . Kiffern'und Nichtkonsumenten besteht. Es kommt deshalb auf eine sehr genaue Persönlichkeitsdiagnose und vor allem auf eine genaue Sozialanamnese an, wenn be-stimmt werden soll, welche Hilfen im Einzelfall angemessen sind.

Der Jugendpfleger wird seine besondere Aufmerksamkeit auf das Sozialverhalten legen müssen. Er muß wissen, daß Haschischkonsum vielfach wie ein Zugehörigkeitssymbol zu einer Gruppe zu begreifen ist, bei der man in” sein will. Er muß wissen, daß dieser Konsum unter einem gewissen Gruppendruck steht, daß der Haschischkonsum das Symbol des Fortschrittlichen für viele Jugendliche hat, mit dem man sich den Anstrich sozialer Verruchtheit geben kann, weil man bestehende Gesetze bricht und das alles als einen Protest gegen die bestehenden Ordnungen und die Gesellschaft begreift. Die besondere Schwierigkeit besteht darin, den einzelnen Konsumenten einzuordnen, denn in der großen Gruppe der drogenerfahrenen Jugendlichen gibt es eben auch eine Teilgruppe, die asozial und kriminell und im besonderen Maße gesundheitlich gefährdet ist. Davon aber sollte nicht das Gesamturteil bestimmt werden.

Werden nur die Rauschmittel Haschisch und Marihuana genommen, dazu in festen Gruppen, die sich nicht lediglich im Hinblick auf den gemeinsamen Konsum gebildet haben, sondern schon früher bestanden — Gruppen, bei denen man annehmen kann, daß sich Schutz-rituale ausgebildet haben oder ausbilden lassen —, wird die Gruppendiskussion das geeignetste Mittel der Prävention sein. Dabei müssen die empirischen Erfahrungen derjenigen Jugendlichen genutzt werden, die in derselben Verführungssituation standen, sich aber gegen den Konsum entschieden haben oder diese Einstellung nach wenigen Probierhandlungen gewannen. Die Gruppendiskussion muß also zwischen Jugendlichen, die konsumieren, und Jugendlichen, die eine gegenteilige Auffassung vertreten, erfolgen und von dem Jugendpflegen bzw.dem Diskussionsleiter nur gelenkt werden. Dazu benötigt er Kenntnisse über die Stoffe, ihre unterschiedliche Gefährlichkeit, die vielfachen Begleitrisiken und eine Sammlung der gebräuchlichsten Argumente für den Konsum und dazu passender Gegenargumente. Der Diskussionsleiter sollte immer nur gezielt die Diskussion anstoßen, um eine möglichst umfangreiche Information und Aussprache zu erreichen. Seine Aufgabe ist es also, ein sachlich gut fundiertes „aber" in die Diskussion einzubringen.

Zu der Sammlung von Argumenten gehören u. a.:

Bewußtseinserweiterung, Ablegung von Denkschablonen als Pro-Argument. Gegenargument: Ein in seinem Stoffwechsel gestörtes Gehirn kann das Bewußtsein nur insofern erweitern, als es visuelle und gefühlsmäßige Erlebnisse über diese bewußt gesetzte Störung zuläßt; die , eingeschlafene Hand'oder der Beinbruch vermitteln ganz ähnliche Bewußtseinserweiterungen.

Pro-Argument: Drogen sind gemeinschaftsfördernd und bauen Hemmungen ab. Gegenargument: Drogenerlebnisse täuschen Gemeinsamkeit vor. Man hat das mit Hilfe einer auf Tonband aufgenommenen Diskussion belegt, bei der alle Beteiligten während des Rausches den Eindruck größter innerer Übereinstimmung hatten und beim Abhören des Bandes im nüchternen Zustand feststellten, daß alle im Grunde aneinander vorbeigeredet hatten.

Pro-Argument: Drogen sind ein Mittel des Protestes gegen die Gesellschaft. Gegenargument: Wer nicht nur protestieren, sondern positiv ändern will — und diese Absicht verbirgt sich hinter dem Argument —, der sollte nüchtern und nicht , high'sein; das empfehlen nunmehr sogar die linken politischen Schüler-und Studentengruppen. Die Reihe solcher Argumente und Gegenargumente ist umfangreich; man tut gut daran, sich mit ihnen immer wieder vertraut zu machen, weil sie stereotyp von den Jugendlichen b*nutzt werden. Die Frage: Was sollen wir tun? ist mit diesen Hinweisen allerdings ungenügend beantwortet. Aufgezeigt ist zunächst nur, wie man sich auf das Problem vorbereiten muß, und angedeutet wurde ein Weg der Prävention, nämlich die Gruppendiskussion. Vor einem aber sollte gewarnt werden: Keiner, der sich nicht gründliche Sachinformationen angeeignet hat, der die sozialen und entwicklungspsychologischen Hintergründe nur ungenau kennt, der insgesamt zu wenig weiß, die Argumente nicht kennt, um ohne Vorurteil und genau diagnostizieren zu können, sollte den Versuch unternehmen, in Gesprächen oder Diskussionen präventiv wirken zu wollen. Es würde unweigerlich eher schaden als nutzen.

Modellehrgänge, in denen interessierte . Multiplikatoren', also Sozialarbeiter, Lehrer usw., auf diese schwierige Aufgabe vorbereitet werden, sind im Rahmen des Aktionsprogramms der Bundesregierung zur Bekämpfung des Drogen-und Rauschmittelmißbrauchs bereits angelaufen und sollen auch auf regionaler Ebene durchgeführt werden. Die allgemeine Aufklärung als erster Schritt der Prävention kann sich der Schriftform bedienen. Die Bundesregierung hat Aufklärungsbroschüren für Eltern und Erzieher zur Verfügung gestellt, die kostenfrei bei den Gesundheitsämtern, Jugendämtern, Sozialämtern usw. erhältlich sind. Hier hat jeder, der sich dem Problem stellen will, die Möglichkeit, sich das erforderliche Grundwissen anzueignen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Schriften, die tiefer in das Problem einführen. Weiteres Aufklärungsmaterial, z. B. Argumentationshilfen und kurzgefaßte Sachinformationen, ist bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erhältlich. Neben der allgemeinen Aufklärung und der gruppenspezifischen Diskussion des Problems steht die individuelle Beratung zunächst als allgemeines Gespräch, dann als Erziehungsoder Fachberatung; erst danach setzen die verschiedenen Formen der ambulanten und stationären Behandlung ein. Für die ersten beiden Stufen, für die allgemeine Beratung und die Fachberatung, fehlt es noch an vielem. Die allgemeine Beratung hat nicht genügend kenntnisreiche Mitarbeiter, weil bislang noch die Meinung vorzuherrschen scheint, daß dieses Problem nur von medizinischen Spezialisten zu lösen sei, obwohl die allgemeine Prävention wesentlich verstärkt würde, wenn sich in größerem Umfange als bisher informierte Lehrer und Sozialarbeiter daran beteiligten. Die Fachberatung erfordert häufig ein Team von Psychologen und Ärzten, das an den wenigsten Orten bisher verfügbar ist.

Da es keine harmlosen Rauschdrogen gibt, ist auch der , Gelegenheitskiffer'bereits ein Partner, mit dem man sich beschäftigen muß, um allgemein vorsorgend tätig zu sein, der jedoch nicht gleich einer Fachberatung zuzuführen ist Seine Einstellung kann häufig schon geändert werden, wenn er einer festen Jugendgruppe die den Konsum ablehnt und die in einer ihm verständlichen Sprache die Gründe dafür wej. tergeben kann, zugeführt wird. Diese Gelegenheiten muß man sehen, sie suchen und nutzbar machen.

Das Einzelgespräch, bei dem eine verständnisvolle partnerschaftliche Aussprache erreicht werden soll, dient über die allgemeine Prävention hinaus der genauen Klärung des Einzelfalles. Hier kommt es darauf an, den Gefährdungsgrad zu ermitteln, festzustellen, ob gespritzt wird (was in jedem Falle der nachgehenden Fachberatung bedarf), ferner zu ermitteln, wie der Drogenkonsum begründet wird, welche sozialen Beziehungen bestehen, welche gestört sind usw. Vielfach wird sich zeigen, daß bereits diese interessierte Zuwendung den scheinbar so sicheren Standpunkt des Jugendlichen verunsichert und ihn wieder zu fragen beginnen läßt. Dann muß man antworten können.

Die Frage „Was sollen wir tun?“ ist aus meiner Sicht nur mit einigen Empfehlungen zu beantworten, die sich vielleicht auf den einfachen Nenner bringen lassen: Wir müssen uns den Fragen, Vorwürfen und Argumenten der Jugendlichen stellen, wir müssen mit ihnen das Gespräch suchen, erst dann werden wir das Problem erkennen lernen, die Wege sehen, die zur Lösung begangen werden können und die angedeutet wurden; vor allem aber, wir müssen uns gründlich darauf vorbereiten, verantwortlich und sachgerecht antworten zu können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. W. Hagen, Der Mensch unserer Zeit, sozialhygienisch gesehen, in: Off. Gesundheitsdienst 18 (1956/57), S. 232; H. Harmsen, G. Doerks u. D. Nieder-stadt, Forschungsanspruch der Sozialhygiene (Soziale Medizin) als Wissenschaft in der Gegenwart, in: Arch. f. Hyg. u. Bakt., Bd. 144 (1960), S. 477; M. Franke, Medizinische Probleme des Gesundheitsbegriffs, Heidelberg 1970.

  2. Als Beispiele willkürlich herausgegriffen: Stern v. 21. 3. 1971, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14. 3. 1970, Der Spiegel v. 10. 11. 1969, Die Zeit v. 9. 10. 1970.

  3. Vgl. P. Kielholz u. D. Ladewig, Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen, in: Deutsche Med. Wschr 95 (1970), S. 10h K. Wanke, L. Süllwold U. B. Ziegler, Jugend und Rauschmittel - Prävention, Therapie und Rehabilitation, Bd. 23 (1970); H. Hünnekens, Rauschgift vor jeder Tür?, Hamm o. J.; W. Becker (Hrsg.), Jugend in der Rauschgiftwelle, Hamm o. J.

  4. Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung des Drogen-und Rauschmittelmißbrauchs v. 12. 11. 1970, Hrsg. Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, Bonn 1970.

  5. Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, Drucksache VI/1040, Sachgebiet 212, v. 13. 7. 1970.

  6. Marihuana and Health. A Report to the Congress from the Secretary Department of Health, Education and Welfare, Januar 1971.

  7. Vgl. hierzu H. Lösch, D. J. Mattke, S. Müller, E. Portugall, R. Wormser, Drogen Fibel, München 1971; R. Steckel, Bewußtseinserweiternde Drogen, Edition Voltaire, Berlin 1969.

  8. K. Neudeck, Rauschgiftkriminalität in den USA, in: Kriminalistik (1970) 3 und 142; H. Pommerening, Die Rauschgiftkriminalität in Baden-Württemberg aus polizeilicher Sicht, in: Deutsche Apothekerzeitung 110 (1970), S. 1878; K. Gemmer, Rauschmittelmißbrauch — ein Problem der Polizei?, in: Die Berliner Ärztekammer 8 (1971), S. 199; K. Hartmann, Die Apotheke als Objekt krimineller Rauschgiftsucht, in: Die Berliner Ärztekammer 8 (1971) S. 204.

  9. M. Franke, Jugend und Drogen, Stuttgart 1971, S. 44 ff.; vgl. auch H. Lösch, D. J. Mattke, S. Müller, E. Portugall u. R. Wormser, Drogen Fibel, a. a. O.; H. Lindemann, Sucht-Stoffe, Hagen 1971; O. P. Spandl. Rauschdrogenmißbrauch durch Jugendliche, Donauwörth 1971; W. Schmidtbauer u. J. v. Scheidt, Handbuch der Rauschdrogen, München 1971.

  10. R. Virchow, Einführungsartikel zu: Die Medizinische Reform, 1 (1848), S. 1; H. Harmsen, Orts-bestimmung der Medizin-Soziologie in Deutschland, in: Mensch und Medizin 2 (1965), S. 2; E. Schröder, Kompendium der Gesundheitsfürsorge, Stuttgart 1959.

  11. A. Grotjahn, Soziale Pathologie, Berlin 1923’, S. 18; R. König u. M. Tönnesmann, Probleme der Medizin-Soziologie, Köln-Opladen 1965’; M. Pflanz, Sozialer Wandel und Krankheit, Stuttgart 1962.

  12. E. Schröder, a. a. O., S. 8; M. Franke, Gesundheit und Sozialverhalten, in: Informationsdienst für Gesundheitserziehung in Niedersachsen, Nr. 39, Juli 1971, S. 8; ders., Erzogene Gesundheit, Stuttgart 1967.

  13. Vgl. hierzu die verschiedenen gesetzlichen Vorschriften über Zusatzstoffe in Lebensmitteln (Lebensmittelgesetz) und die Kennzeichnungspflicht der Zusatzstoffe auf Speisenkarten.

  14. E. H. Graul u. H. W. Franke, Futurologie und Medizin, in: Deutsches Ärzteblatt 66 (1969), S. 711 ff.; G. R. Taylor, Die biologische Zeitbombe, Frankfurt 1971; R. Jungk u. H J. Mundt, Welt-Gesundheitsreport, München 1971.

  15. Office of Health Economics (OHE), Medicine in the 1990, London 1969, S. 43.

  16. Vgl. Stern v. 21. 3. 1971. Die neueste Untersuchung von M. Jasinsky, die repräsentativ für Hamburg ist, bestätigt unsere Annahme.

  17. W. Leonhardt, Haschisch Report, München 1970, S. 10, 34, 65, 68.

  18. President Nixon's Message on Drug Abuse, Washington 17. Juni 1971.

  19. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat im Auftrag des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit eine Plakataktion vorbereitet, die ausdrücklich mit dem Slogan appelliert: Das Drogenproblem geht alle an . . . auch Sie nehmen Drogenl". Die Aktion wird im 4. Quartal 1971 durchgeführt.

  20. K. Strobel, Sozialmedizin und Gesundheitspolitik, in: Bulletin Nr. 132 v. 1. 10. 1970, S. 1366.

  21. T. Parsons, The social System, Glencoe/III, 1951.

  22. Vgl. H. Schaefer, Die Medizin in unserer Zeit, München 1963«; M. Blohmke u. H. Schaefer, Erfolge und Grenzen der Medizin, Frankfurt 1966; H. Sopp, Krankenstandsanalys-n nach soziologischen Gesichtspunkten, in: Ärztl. Mitt. 46 (1961), S. 1019; M. Franke, Bagatellerkrankungen, ihre Diskriminierung und sozialhygienische Relevanz, in: Die Med. Welt 20 (1969), S. 2728.

  23. Dokumentation 1/1970, Die Medizin um 1990, Medizinisch pharmazeutische Studiengesellschaft e. V., Frankfurt o. J.

  24. Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1970, S. 61.

  25. K. Beringer, Der Meskalinrausch, Berlin 1927; G. Siegmund, Rausch und Religion, Hamm o. J.; V. A. Reko, Magische Gifte, Stuttgart 1949.

  26. R. Wetz, Jugendliche und Rauschmittel, hrsg. v. Bundeszentrale f. gesundheitl. Aufklärung, Köln 1971; E. Lennertz, Zur Frage der anti-sozialen Persönlichkeit jugendlicher Haschisch-Raucher, in: Zschr. f. Sozialpsychologie (1970), S. 48.

  27. M. Franke, Jugend und Drogen, a. a. O., S. 7 ff.

  28. G. Wurzbacher (Hrsg.), Der Mensch als soziales und personales Wesen, Stuttgart 1963.

  29. Vgl. hierzu Welt am Sonntag v. 18. 7. 1971 u. Der Spiegel v. 30. 8. 1971.

  30. R. Steckel, Das Ende der Drogenzeit, Sender Freies Berlin 21. 6. 1971.

  31. Wetz, a. a. O.; K. Wanke u. a., Empirische Untersuchungen zum Rauschmittelmißbrauch. Kongreß d. Dt. Ges. f. Psych. u. Neurol., 23. — 25. 10. 1970; D. Kleiner, Rauschgiftprobleme bei Jugendlichen, in: Unsere Jugend 21 (1969), H. 5; ders., in: Berliner Ärztekammer 8 (1971), S. 193 u. 174; F. Bschor, Jugend und Drogenkonsum, in: Soziale Arbeit 19 (1970), H. 12; Lennertz, a. a. O.

  32. H. Leuner, Uber den Rauschmittelmißbrauch Jugendlicher; G. Schwarz, Mitteilung auf dem Berliner Drogen-Symposium Dezember 1970; K. Wanke, Neue Aspekte zum Suchtproblem. Multifaktorielle Analysen klinischer Erfahrungen mit jungen Drogenkonsumenten, Habil. -Schrift Frankfurt 1971.

  33. K. Wanke, Neue Aspekte zum Suchtproblem, a. a. O.; F. Bschor, Jugend und Drogenkorsum, a. a. O.

  34. A. Mitscherlich, Auf dem Wege zur vaterlosen Gesellschaft, München 1963; P. Kielholz u. D. Ladewig, über Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen, in: Dt. Med. Wschr. 95 (1970), S. 101.

  35. K. Wanke u. a., Empirische Untersuchungen zum Rauschri telmißbrauch, a. a. O.

  36. E. Lennertz, Zur Frage der anti-sozialen Persönlichkeit, a. a. O.

  37. Perspektiven — Aussagen zum Drogenproblem, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

  38. A. Jores, Menschsein als Auftrag, Stuttgart 19672, ders., Die Medizin in der Krise unserer Zeit, Bem-Stuttgart 1962; Th. v. Uexküll, Grundfragen der psychosomatischen Medizin, Hamburg 1964.

  39. Der indische Hanfdrogenreport, in: K. W. Leonhardt, Haschisch Report, a. a. O.

  40. A. Huxley, Die Pforten der Wahrnehmung, München 1970 (Neuausgb.).

  41. H. Lindemann, Suchtstoffe, a. a. O., S. 89.

  42. Vgl. hierzu W. Schmidtbauer u. J. v. Scheidt, Handbuch der Rauschdrogen, S. 157 ff.

  43. Th. Leary, Politik der Ekstase, Hamburg 1971.

  44. Vgl. hierzu G. Siegmund, Rausch und Religion, Hamm o. J.

  45. Vgl. hierzu vor allem: R. Steckel, Bewußtseinserweiternde Drogen, a. a. O.; H. Lösch u. a., Drogen Fibel, a. a. O.; R. W. Leonhardt, Haschisch Report, a. a. O.; Thesen der 39. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendringes am 12. 5. 1971.

  46. Hier werden Grundfragen der psychosomatischen Medizin angesprochen. Eine übersichtliche, allgemein verständliche Einführung dazu gibt Th. v. Uexküll, Grundfragen der psychosomatischen Medizin, Rowohlts Enzyklopädie, Hamburg 1964.

  47. K. Strobel, Vorwort zu Informtionen zum Drogenproblem', Hrsg. Bundeszentrale f. gesundheitliche Aufklärung, Köln 1971.

  48. Allensbacher Bericht Februar 1971.

  49. Bild Zeitung v. 28. 7. 1971.

  50. W. Cyran, Genuß mit oder ohne Reue?, Reinbek b. Hamburg 1968; Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Medikament und Umwelt, Frankfurt 1971.

  51. In einem EDEKA-Geschäft einer Kleinstadt konnte der Verf. ein schmerzlinderndes Mittel, streng genommen ein Betäubungsmittel kaufen.

  52. Bundesverband der Pharmnzeutischen Industrie, a. a. O.

  53. Die Zahlen des Arzneimittelverbrauchs sind wegen der Freiverkäuflichkeit und der . interpretierbaren'Definition dessen, was als Arzneimittel zu bezeichnen ist, mit Sicherheit nur eine untere Angabe.

  54. Vgl. hierzu den Gesundheitsbericht der Bundesregierung.

  55. R. Wetz, Jugendliche und Rauschmittel, a. a. O.

Weitere Inhalte

Manfred Franke, Dr. med., geb. 1926 in Berlin; 1952 Referent für das Studentische Gesundheitswesen beim Verband Deutscher Studentenwerke Bonn; 1956/57 Aufbau und Leitung des „Hochschulsanatoriums St. Blasien"; Sept. 1957 Assistent im Studienbüro für Jugendfragen Bonn; Aug. 1959 stellvertr. Leiter des Studienbüros für Jugendfragen; Mai 1961 kommissarischer Leiter des Deutschen Jugend-instituts München; Jan. 1965 Forschungsauftrag zur Sozialhygiene des Jugendalters; Jan. 1965 wiss. Assistent im Hygienischen Institut der Freien und Hansestadt Hamburg; Juli 1968 Privatdozent für Sozialhygiene und Gesundheitsfürsorge an der Universität Hamburg; Oktober 1969 Leiter der Grundlagenabteilung in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.