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Parlamentarismus und marxistische Kritik | APuZ 32/1972 | bpb.de

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APuZ 32/1972 Artikel 1 Parlamentarismus und marxistische Kritik

Parlamentarismus und marxistische Kritik

Hans Kremendahl

/ 57 Minuten zu lesen

Der Parlamentarismus ist zu einem heftig diskutierten und umstrittenen politischen Thema geworden, seit die Neue Linke Mitte der sechzigerJahre begann, diese Regierungsform einer fundamentalen Kritik hinsichtlich ihres Demokratiegehaltes zu unterziehen. Häufig stehen in dieser Diskussion diejenigen, die in der parlamentarischen Demokratie eine geeignete Herrschaftsform erblicken, mit dem Rücken zur Wand. Mängel des politischen Systems parlamentarisch regierter Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland oder Großbritanniens, außenpolitische und innere Krisen, in die sie geraten — all dies wird als Beleg für die mangelnde Funktionsfähigkeit, den Ver-schleierungscharakter, die fehlende demokratische Qualität „des" Parlamentarismus herangezogen. In den Parlamenten selbst, etwa im Deutschen Bundestag, wird seit Beginn der linken Kritik die „Glaubwürdigkeit der parlamentarischen Demokratie" stärker als früher beschworen, wächst das Bewußtsein dafür, daß das Bekenntnis zum parlamentarischen Regierungssystem keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Es lohnt sich, der Parlamentarismuskritik der Neuen Linken und ihren theoretischen Wurzeln genauer nachzugehen. Zumal, weil die radikaldemokratische Argumentationsweise der frühen Phase der „antiautoritären Bewegung" immer mehr abgelöst wird durch den Rekurs auf marxistische Kategorien der Analyse des bürgerlichen Staates. Die Parla-mentarismuskritik von links, mit der wir heute zu tun haben, kann daher zu Recht als „neoDie im folgenden kurz erörterten Grundsätze westlich-pluralistischer Demokratie-und Parlamentarismustheorie beziehen sich auf die historische Ausprägung des Parlamentarismus als „parlamentarisches Regierungssystem", wie es sich in seiner typischsten Form in Großbritannien entwickelt hat und heute, mit einer Reihe von bedeutsamen, aber nicht unbedingt fundamentalen Modifikationen in den meisten

Einleitung

marxistische“ Kritik gekennzeichnet werden. Sie richtet sich gegen die moderne Form des Parlamentarismus in den hochindustrialisierten und komplexen Gesellschaften des Westens. Sie widerstreitet der These, die liberalen, vor-demokratischen Formen des klassischen Parlamentarismus britischer Prägung seien eine geglückte Synthese eingegangen mit der modernen, auf dem Grundsatz one man, one vote basierenden Massendemokratie.

Die heutige marxistische Kritik muß jedoch ohne einen Rückgriff auf die von den Klassikern des „wissenschaftlichen Sozialismus", von Marx, Engels und Lenin entwickelte Theorie und Kritik des bürgerlichen Staates allgemein, und des Parlamentarismus als seiner spezifischen Organisationsform, unverständlich bleiben. Ebenso ist es notwendig, vorab die Grundlagen des Parlamentarismus aus der Sicht der westlichen pluralistischen Demokratietheorie zu skizzieren.

Aufgabe der vorliegenden Erörterung ist es, die historischen und theoretischen Grundlagen des Parlamentarismus kurz zu beleuchten, die wichtigsten Thesen von Marx, Engels und Lenin zu verdeutlichen, die neomarxistische Parlamentarismuskritik vor dem Hintergrund der klassischen marxistischen Kategorien und der historischen Entwicklung des Parlamentarismus in den westlichen Industrieländern zu referieren und einzuordnen, sowie abschließend die kritische Frage nach der Relevanz dieser neomarxistischen Thesen, der Brauchbarkeit ihrer Prämissen und der Richtigkeit ihrer Schlußfolgerungen zu stellen.

I. Zur westlichen Parlamentarismustheorie

westlichen, vor allem westeuropäischen Demokratien, vorherrscht. Als Beispiele seien die Bundesrepublik Deutschland, die Benelux-Länder, die skandinavischen Staaten, Österreich und Italien genannt. Nicht einbezogen werden hier das ebenfalls zur angelsächsischen Demokratie-Tradition gehörige präsi-dentielle Regierungssystem der USA und die französische Sonderentwicklung, gekennzeich-net durch die Ablösung eines parlamentarischen Systems mit Versammlungs-Suprematie (Dritte und Vierte Republik) durch eine Mischform von parlamentarischer Regierung und plebiszitär legitimierter Präsidialhegemonie (gaullistisches System der Fünften Republik) 1. Die Funktionen des Parlaments nach Walter Bagehot Folgende fünf Funktionen, von Walter Bagehot im Jahre 1867 dem britischen Unterhaus zugeschrieben gelten als Charakteristika eines liberalen, repräsentativen Parlamentarismus, zumindest in seinem Selbstverständnis und seiner theoretischen Grundlegung:

a) elective function — Wahl der Regierung (präzise: des Regierungschefs) durch das Parlament. Folge: Der Premierminister ist der Führer und Vertrauensmann der parparlamentarischen Mehrheit.

b) expressive function — Artikulation des 'Volkswillens durch die Repräsentanten des Volkes.

c) teaching function — „Aufklärungsfunktion';

durch zuhörende Teilnahme an den Debatten des Parlaments gewinnt das Volk Einblick in die politischen Probleme; es wird in seinem Denken positiv beeinflußt — „erzogen".

d) iniorming function — „to lay grievances and complaints before the nation"; Information heißt vor allem Information über Mißstände. Hier geht es um die Öffentliche Kontrolle der Regierung durch das Parlament.

e) legislation —-Gesetrgebungshoheit des Parlaments.

Es muß darauf hingewiesen werden, daß Bagehots Typologie von Funktionen des Parlaments auch für den modernen Parlamentarismus noch einiges hergibt. Vor allem die Aspekte: Wahl der Regierung, Kontrolle durch öffentliche Diskussion von Mißständen und Kontroversen und die Gesetzgebung sind Themen auch der heutigen Parlamentarismus-Diskussion. Aktuell ist vor allem, daß Bagehot die Gesetzgebungsfunktion des Parlaments nur als eine von mehreren, und keineswegs als die primäre begreift. Dies enthüllt, daß Montesquieus Interpretation des britischen Systems, die Trennung von Exekutive und Legislative, dort selbst nie gegolten hat.

Die Gewaltenverschränkung, die vor allem durch die elective function manifestiert wird, ist das typische Kennzeichen parlamentarischer Regierungssysteme. Sich das klarzumachen, schützt vor einem von vornherein falschen Ansatz der Parlamentarismuskritik. Die „Modernität" Bagehots wird auch dadurch unterstrichen, daß Walter Euchner seine scharfsinnig formulierte Kritik am Deutschen Bundestag an der praktischen Erfüllung von vier Aufgaben mißt, die den von Bagehots genannten Funktionen durchweg entsprechen: Wahl des Regierungschefs, öffentliche Debatte und Aufklärung des Volkes, Kontrolle der Exekutive, Beratung und Erlaß von Gesetzen

Dennoch bezieht sich die Interpretation Bagehots auf einen britischen Parlamentarismus, der noch alle Kennzeichen eines vordemokratisch-liberalen Repräsentativsystems besaß und von daher mit dem heutigen parlamentarischen System nur bedingt vergleichbar ist. 2. Der vordemokratische Parlamentarismus Die Formen des parlamentarischen Regierungssystems (vor allem: Verantwortlichkeit und Abberufbarkeit der Regierung) haben sich in Großbritannien zu einer Zeit entwik-kelt, wo von einer demokratischen Fundierung und Legitimation noch keine Rede sein konnte. Typisch war vielmehr das Zensuswahlrecht; die übergroße Mehrheit der Bevölkerung, bis Mitte des vorigen Jahrhunderts sogar des Bürgertums, war von der politischen Partizipation ausgeschlossen. Im Jahre 1793 etwa betrug die Zahl der Wahlberechtigten rd. 450 000 Personen; die erste große Wahlreform 1832 dehnte diesen Kreis um 200 000 Wahlberechtigte aus Die im Unterhaus vertretenen Gruppen repräsentierten homogene soziale Schichten mit im wesentlichen gleichen Interessen. Die Whigs und Tories, Vorläufer der heutigen Liberalen und Konservativen, waren keine Fraktionen, Parteien im modernen Sinne; sie können vielmehr als Parlaments-cliquen bezeichnet werden. Ihre Konsistenz war nicht sehr groß, Wechsel zwischen den Gruppen aufgrund Bestechung, Drohung oder Ämterpatronage war an der Tagesordnung. Die Regierungsweise des als erster „Prime Minister" geltenden Politikers Sir Robert Walpole Anfang des 18. Jahrhunderts ging unter der Kennzeichnung „government by corruption" in die Geschichte ein

Dieser Typus des parlamentarischen Systems entspricht dem ursprünglichen, liberalen Ideal einer Repräsentativverfassung. Honoratioren, Angehörige der besitzenden und gebildeten Schichten, finden durch Räsonnement, durch die Konkurrenz und freie Artikulation verschiedener Meinung das Wohl des Ganzen. Von daher stammt das auch in Art. 38 Grundgesetz wiederauftauchende Postulat, der Abgeordnete sei an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen: Eine interessen-und gruppen-mäßige Bindung gilt als schädlich, verhindert sie doch das aufrichtige und unbefangene Ringen der Meinungen um die Wahrheit. So interpretiert vor allem Carl Schmitt den Parlamentarismus: „Zur Diskussion gehören gemeinsame Überzeugungen als Prämissen, Bereitwilligkeit, sich überzeugen zu lassen, Unabhängigkeit von parteimäßiger Bindung, Unbefangenheit von egoistischen Interessen." Schmitt meint damit, daß der liberale Parlamentarismus nichts mit der Demokratie zu tun hat, daß eine Verquickung von beiden zur Verfälschung des einen wie des anderen führt.

Richtig ist zweifellos, daß ein Parlamentarismus mit einer homogenen sozialen Basis der Idealvorstellung des voraussetzungslosen Meinungswettstreits von Individuen um das Gesamtwohl eher entspricht als ein politisches System, in dem sich die Klassen-und In-teressengespaltenheit der Gesellschaft widerspiegelt. Richtig ist aber auch — und das ist kritisch gegen Schmitt einzuwenden — daß der britische Parlamentarismus dem Ideal des liberalen government by discussion nie voll entsprochen hat. Der Hinweis auf die Korrup-tionsund Patronagepraktiken mag genügen, um zu zeigen, daß eben doch soziale Interessen, nicht das uneigennützige Engagement für das Ganze, eine wesentliche Rolle bei der Motivation und dem Verhalten der Parlamentarier gespielt haben.

Solange aber die egoistisch verfochtenen sozialen Interessen homogen waren, solange prinzipielle Konflikte um die Struktur der Gesellschaft im parlamentarischen Prozeß nicht artikuliert wurden, gab es keine Notwendigkeit für festgefügte Parteien. Zwar wurde die Regierung bereits parlamentarisch gebildet and kontrolliert, Regierungswechsel während der Wahlperiode waren jedoch nicht selten.

Die politischen Entscheidungen vollzogen sich im Parlament. „Kein ebenbürtiger Partner stand dem Unterhaus zur Seite. Seine Suprematie gegenüber Krone, Regierung, Oberhaus und auch gegenüber den Wahlkörperschaften beruhte darauf, daß das Parlament der staatsorganisatorische Ausdruck der sozialen Macht der führenden Schichten war, mit deren repräsentativer Selbstherrlichkeit kein Konkurrent sich messen konnte."

War diese liberale Ära, vor allem im vergangenen Jahrhundert, durch eine deutliche Parlamentssouveränität (vor allem 1841 bis 186 8) gekennzeichnet, so trat mit der Erweiterung des Wahlrechts durch die Wahlreformen von 1867/68 und 1883/84 ein Struktur-wandel ein, der die Grundlagen des Parlamentarismus tiefgreifend veränderte. Der vor-demokratische Parlamentarismus der Souveränitätszeit läßt sich kennzeichnen als repräsentativer Parlamentarismus liberaler Prägung mit zugleich elitär-aristokratischen Zügen. 3. Skizze des Strukturwandels Der politische Wandel, der den britischen Parlamentarismus veränderte, ging einher mit einem sozialen Strukturwandel, der hier nur mit knappen Andeutungen skizziert werden kann. Die fortschreitende Industrialisierung und Verstädterung ließen nicht nur die Basis des Parlamentarismus — die ländlichen, vom niederen Adel dominierten Wahlkreise — in ihrer Bedeutung verlieren. Breitere Volksschichten, zunächst vor allem das besitzende Bürgertum, drängten aufgrund ihrer sozialen Stellung nach Einfluß auf die politische Willensbildung. Dem liberalen Konkurrenzprinzip in der Wirtschaft entsprach zunehmend der politische Interessenkampf. Fast gleichzeitig mit der Gewährung politischer Teilhaberechte an das Bürgertum begann die zahlenmäßig ständig wachsende Arbeiterklasse, ihre sozialen Forderungen zu formulieren. Das Verlangen nach allgemeinem Wahlrecht wurde zum drängendsten Postulat der Arbeiterbewegung in Europa, vor allem aber in Großbritannien. Der kanadische Politologe C. B. Macpherson weist darauf hin, daß die Ausdehnung des Wahlrechts auf bis dato nicht stimmberechtigte Bevölkerungsgruppen für den liberalen Staat systemlogisch war, sobald sich diese politisch organisierten, mithin ein Faktor auf dem poli-tischen „Markt" wurden. Gab es doch in diesem Augenblick „keinen vertretbaren Grund mehr, ihnen das Stimmrecht zu verweigern. Denn die liberale Gesellschaft hatte ihre Rechtfertigung immer darin gefunden, daß sie jedermann gleiche Rechte und gleiche Chancen bot."

In England vollzog sich der Wandel, dessen Stationen in den genannten Wahlreformen markiert sind, recht organisch. Im Jahre 1884 bestand mit wenigen unbedeutenden Einschränkungen das allgemeine Männerstimmrecht Die durch die Demokratisierung des Wahlrechts bewirkten Veränderungen wurden zunächst und drastisch an den Parteien deutlich. Die Cliquen — unterschieden nur durch konträre Auffassungen über punktuelle Probleme innerhalb der sozialen Oberschicht — wandelten sich zu Parteien im modernen Sinne. Es genügte nicht mehr, Wahlkreise zu „kaufen", Ämter und Titel zu vergeben, um zur politischen Herrschaft zu gelangen. Die beginnende Massendemokratie erforderte eine breitangelegte, aufwendige Wahlwerbung. Außer-parlamentarische Parteiapparate, lokale Wahlkreisorganisationen usw. mußten gebildet werden, um einen Wahlkampf führen zu können. Dadurch verschoben sich die Gewichte, wenngleich in Großbritannien stets ein Primat der parliamentary party gegenüber der außerparlamentarischen Organisation erhalten blieb (etwa: Funktion der Wahl des leaders obliegt den Fraktionen!). Die Formulierung von Parteiprogrammen, verbunden mit dem Druck auf ihre Einhaltung durch die politische Öffentlichkeit, wurde notwendig.

Damit stieg das Bedürfnis nach Kohärenz und Konsistenz innerhalb der Parteien. Die Fraktionsdisziplin nahm zu. Die Regierung, getragen von der jeweiligen Parlamentsmehrheit, gewann dadurch an Durchsetzungsfähigkeit. Die Souveränität des Parlaments ging über an die parlamentarische Regierung. Das klassische Sanktionsinstrument des Parlaments, der Sturz der Regierung durch Mißtrauensvotum, verlor an Bedeutung, konnte doch der Premierminister durch jederzeitige Parlamentsauflösung Neuwahlen erzwingen, bei denen gerade diejenigen Abgeordneten, die sich nicht parteiloyal verhielten, um ihren Sitz, ja um ihre Wiedernominierung bangen mußten. Die Mehrheit des Parlaments hat demnach im demokratischen Parlamentarismus kein Interesse an einer Kontrolle, wohl aber an einer Unterstützung der Regierung. Der letzte britische Premierminister, der durch ein Mißtrauensvotum des Unterhauses gestürzt wurde, war Salisbury im Jahre 1895 (I).

Die Demokratisierung des Wahlrechts, die Herausbildung von Massenparteien und die Suprematie der Regierung sind die Mark-steine des Wandels des liberal-elitären Parlamentarismus zum parlamentarischen Regierungssystems auf demokratischer Massen-basis 4. Das moderne parlamentarische Regierungssystem (Zusammenfassung)

Das moderne parlamentarische Regierungssystem, das als Ergebnis des skizzierten Wandels heute in Großbritannien und anderen westlichen Staaten besteht, soll nur in aller gebotenen Kürze in seinen wesentlichen Merkmalen dargestellt werden. Der Verfasser bedient sich hierbei der Interpretation, die von der westlichen pluralistischen Demokratie-theorie gegeben wird

Basis der parlamentarischen Demokratie ist das allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahlrecht. In diesem Wahlrecht kommt das demokratische Prinzip der Volks-souveränität zum Ausdruck.

Das Recht auf freie Wahl ist nur sinnvoll, wenn auch die faktische Möglichkeit dazu gegeben ist. Die freie und ungehinderte Bildung politischer Parteien, denen die Formulierung von Programmen, die Nominierung der Parlamentskandidaten, die Übernahme von Regierungs-oder Oppositionsfunktionen obliegt, korrespondiert notwendig mit dem Wahlrecht.

Eng verwandt mit der Möglichkeit zur Bildung von und Betätigung in politischen Par-teien ist die Koalitionsfreiheit, das Recht auf autonome Organisation sozialer Gruppen in Interessenverbänden, die legitimerweise ökonomische, kulturelle und weltanschauliche Interessen artikulieren und in die politische Willensbildung einbringen können. Die Anerkennung von Interessenvertretung und Organisationsautonomie ist Kennzeichen der pluralistischen Demokratie. Sie unterscheidet sich damit in Theorie und Praxis von Systemen, deren Ziel die Realisierung einer einheitlichen, vorgegebenen politischen Konzeption ist, und die daher alle gesellschaftlichen Organisationen zur Unterstützung dieses Zieles gleichschalten. Z. B. dienen die Massenorganisationen in der DDR (etwa: FDGB) nicht der Vertretung autonomer und heterogener Interessen diverser Gesellschaftsgruppen, sondern der Unterstützung der Politik der Staatspartei.

Die Geltung rechtsstaatlicher Normen ist ein weiteres Merkmal der parlamentarischen Demokratie. Die Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung, der Exekutive und der Judikative an Recht und Gesetz ermöglicht die Kalkulierbarkeit sozialer Handlungen an unverbrüchlich geltenden Normen und steckt gleichzeitig den Rahmen für Ziele und Mittel der Politik ab. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Geltung von Grund-und Menschenrechten, die auch durch die Gesetzgebung in ihrem Wesensgehalt nicht angetastet werden dürfen. Der parlamentarische Rechtsstaat will derart jeglicher politischen Willkür wehren.

Der Parlamentarismus ist durch eine stark repräsentative Komponente der Demokratie bestimmt. Der einzelne Abgeordnete hat ein „ungebundenes Mandat“ (vgl. Art. 38 GG). Diese Regelung, die traditionell seine Handlungsfähigkeit gegenüber den Wählern sicherstellen sollte, wird dadurch fragwürdig, daß Abgeordnetenmandate heute vorwiegend aufgrund der Parteizugehörigkeit erworben werden. Die Funktion des ungebundenen Mandats kann daher heute nur noch im Schutz vor einer Willkür der Partei gegenüber dem einzelnen Abgeordneten gesehen werden, jedoch nicht als Argument gegen seine Einordnung in die politische Linie seiner Fraktion. Eng mit diesem Problem zusammenhängend ist das Phänomen der Fraktionsdisziplin. Ohne Fraktionsdisziplin könnte ein parlamentarisches Regierungssystem nicht funktionieren, würde auch der Wählerwille, der ja ein bestimmtes Stärkeverhältnis der Fraktionen im Parlament produziert, verfälscht werden. Die Einhaltung der Fraktionsdisziplin bestimmt sich primär aus dem Eigeninteresse der Abgeordneten, das in der Stützung der von der eigenen Partei gestellten Regierung oder in der Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit der Oppositionsfraktion besteht. Meist bewirkt auch der Wunsch, wieder nominiert zu werden, ein fraktionsloyales Verhalten.

Die schon mehrfach erwähnte Wahl der Regierung durch das Parlament führt zur Integration von Parlamentsmehrheit und Regierung. Die Regierung kann daher als Lenkungsausschuß der Mehrheitsfraktion oder -koalition des Parlaments angesehen werden. Im parlamentarischen Regierungssystem sind die Kabinetts-mitglieder in aller Regel Abgeordnete; statt einer Gewaltentrennung findet also eine Gewaltenverschränkung statt.

Der Zusammenhalt der Regierungsmehrheit macht das klassische Sanktionsinstrument des Parlaments gegenüber der Regierung, den Sturz des Regierungschefs durch Mißtrauensvotum, nahezu obsolet. Als Ausnahmen können ein Wechsel der Koalition während der Legislaturperiode (NRW 1956 u. 1966) oder ein anderer irgendwie gearteter Verlust der Mehrheit (sozial-liberale Koalition 1972) angesehen werden. In der Regel dienen jedoch, wie etwa in Großbritannien, Mißtrauensanträge nur dazu, eine Generaldebatte über die Politik einer Regierung zu initiieren und der Opposition Gelegenheit zur Kritik und zur Selbstdarstellung zu verschaffen. Die Stellung eines über die Mehrheit verfügenden Regierungschefs im parlamentarischen System ist also sehr stark. Zumal, wenn er jederzeit, wie der britische Premier, die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen erwirken kann.

Dadurch vermag er auf die eigene Fraktion einen starken Druck auszuüben, der Parteirebellionen in für die Regierung entscheidenden Fragen unwahrscheinlich macht. Im Zeitalter der Demoskopie, bei einer weitgehenden Voraussehbarkeit von Wahlergebnissen, kann dieses Recht der Parlamentsauflösung zu einem geeigneten Instrument werden, die Regierungs-

macht einer Partei zu prolongieren. (Gegenbeispiel allerdings: Die Wahlen zum britischen Unterhaus 1970, als die Labour Party trotz günstiger Umfrageergebnisse in der Minderheit blieb.)

Die Kontrolle der Regierung, eine der klassischen Funktionen des Parlaments, wird daher im modernen Parlamentarismus nicht von der Gesamtheit der Legislative, sondern von der Opposition wahrgenommen. Ziel der Opposition ist es, bei der nächsten Wahl die Mehrheit zu erringen und dadurch die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Sie begreift sich quasi als „Regierungspartei im Wartestand".

Da die Opposition Minderheit ist, kann sie eigene Gesetzentwürfe nur sehr selten durchsetzen. Auch kann sie in der Regel Regierungsentwürfe nicht zu Fall bringen. Formen der Kontrolle sind daher: Die öffentliche Debatte, die Interpellation, Große und Kleine Anfrage, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen usw. Diese Rechte der Opposition, die sich meist in Geschäftsordnungsbestimmungen niederschlagen, müssen unverbrüchlich gelten, d. h. auch von der regierenden Mehrheit respektiert werden, wie die Opposition ihrerseits das Prinzip der Mehrheitsherrschaft auf Zeit anerkennen muß. In der Regel ist diese Anerkennung unproblematisch, da die Regierung stets mit der Übernahme der Oppositionsrolle, die Opposition ebenso mit der Erlangung der Regierungsmacht rechnen kann und muß. Beide Seiten profitieren also idealiter wechselseitig von den politischen Spielregeln.

Die Kontrolle der Regierung besteht vorwiegend in der politischen Argumentation, in der Mobilisierung der öllentlichkeit. Die Öffentlichkeit (sprich: Wählerschaft) nimmt hier also eine Schiedsrichterfunktion im Kampf zwischen Regierung und Opposition ein. Das „Reden zum Fenster hinaus“ ist daher kein Mangel, sondern die erstrangige Funktion des Parlaments im parlamentarischen Regierungssystem; deshalb hat man das britische Unterhaus als den Typus des Redeparlaments bezeichnet, im Gegensatz zum Arbeitsparlament (klassischer Typus: der US-Kongreß), das nicht die Regierung zu bestellen hat (präsidentielles System!) und sich daher primär auf die Detailberatung von Gesetzentwürfen konzentrieren kann. Kennzeichen des Redeparlaments ist die politische Grundsatzdebatte, etwa aus Anlaß der Verabschiedung des Etats oder wichtiger Gesetzesvorlagen. Kennzeichen des Arbeitsparlaments ist die intensive Arbeit an einzelnen Entwürfen in den Fachausschüssen. Im Arbeitsparlament des präsidentiellen Systems der USA etwa ist der vom Volk gewählte und vom Kongreß nicht abwählbare Präsident nicht auf eine ständige Mehrheit seiner Partei angewiesen. (Der Republikaner Nixon regiert mit einer Mehrheit der Demokraten in beiden Häusern des Kongresses!). Fraktionsdisziplin ist nur schwach entwickelt, Mehrheiten bilden sich ad hoc über die Parteigrenzen hinweg.

Die Gesetzesinitiative wird im parlamentari-System in den meisten Fällen von der Regierung ausgeübt. Die Ministerialbürokratie als Hilfsinstrument der Regierung verfügt über den nötigen Sachverstand, der in einer modernen Industriegesellschaft für die immer komplizierter werdenden gesetzlichen Regelungen erforderlich ist. Die Abgeordneten, denen ein vergleichbares Instrumentarium nicht zur Verfügung steht, können daher kaum Detailkontrolle ausüben und beschränken sich auf die Erörterung der politischen Grundsatzprobleme, die mit einzelnen Gesetzesvorlagen verbunden sind, übt also das britische Unterhaus in der Gesetzgebung eine Art „Notarfunktion" aus, indem es von der Exekutive erarbeitete Entwürfe legalisiert, so liegt der Fall beim Deutschen Bundestag etwas anders. Obwohl alle Merkmale des parlamentarischen Systems vorhanden sind, ist das Ausschußwesen im Bundestag stark entwickelt. Trotz a-priori-Mehrheit der Regierung versuchen die Abgeordneten, auf die Detailarbeit an Gesetzen Einfluß zu nehmen. Der Bundestag ist also eine Misch-form aus Rede-und Arbeitsparlament, wobei die Ausschußtätigkeit einen breiten Raum einnimmt, ohne jedoch den Informationsvorsprung der Bürokratie völlig wettmachen zu können. Die faktische Prärogative der Verwaltung bei der Gesetzesinitiative wird durch die von der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO II, § 23) ermöglichte Heranziehung von Interessenvertretern im Stadium des Referentenentwurfs noch verstärkt. Oft haben Entwürfe, die ins Parlament eingebracht werden, schon einen in sich kompromißhaften Charakter und nehmen den Interessenausgleich vorweg, den herzustellen idealiter die Aufgabe des Parlaments wäre.

Fazit: Das parlamentarische Regierungssystem ist ein kompliziertes System der checks and balances, in dem das Parlament ein Organ unter anderen ist. Parlamentarisches System heißt also per definitionem nicht Suprematie der direkt gewählten Legislative. Differenzierter analysiert, lassen sich die Funktionen des Parlaments vor allem als Information und Mobilisierung der öffentlichen Meinung, Wahl der Regierung, Heranbildung politischen Führungs-Personals, sowie Mitwirkung an der Gesetzgebung (bei je verschiedenem Intensitätsgrad) definieren. Die realen politischen Machtträger sind in den Parteien und Verbänden sowie vor allem in der Exekutive zu suchen. Der demokratische Gehalt des parlamentarischen Systems bestimmt sich durch die periodische Wahl mit der Möglichkeit des Regierungs-Wechsels, die Autonomie der politischen Organisationen, die Geltung rechtsstaatlicher Nonnen und die Verhinderung von Machtmißbrauch durch Gewaltenbalancierung und öffentliche Kontrolle. Mit welchem Erfolg diese Prinzipien verwirklicht sind und eingehalten werden, ist das Kriterium einer jeweiligen genauen Analyse einzelner parlamentarischer Systeme. Erwähnt sei hier noch die besondere Bedeutung der Struktur der politischen Öffentlichkeit für eine authentische demokratische Willensbildung. Nur über diese Öffentlichkeit kann politische Kontrolle der ausgeübten Macht wirksam werden

II. Die klassische marxistische Parlamentarismuskritik

Die Begründer und Klassiker des „wissen-schaftlichen Sozialismus" leiten ihre Einschätzung des Parlamentarismus her aus einer Analyse des bürgerlichen Staates und seiner Funktionen. Hierbei geht es nicht um eine geschlossene marxistische Staatstheorie. Vielmehr stehen die grundsätzlichen Gedanken von Marx und Engels, aber auch und gerade von Lenin zum Problem des Staates und seiner Organisationsform stets in engem Zusammenhang mit der Kommentierung historischer Ereignisse. Als Beispiel seien die Schriften von Marx „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ und „Der Bürgerkrieg in Frankreich" erwähnt. Beide werden uns im folgenden noch beschäftigen. Dieses Vorgehen entspricht der marxistischen Methode, über die Analyse realer gesellschaftlicher Kräfte und Vorgänge zur Theoriebildung zu gelangen. Die wohl einprägsamste Umschreibung der von Marx entwickelten und für ihn spezifischen Methode liefert Leszek Kolakowski. Danach ist marxistische Methode „die Forderung, daß man bei der genetischen Analyse sowohl der politischen Institutionen wie auch der verschiedenen Formen des sozialen Bewußtseins nach der Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Teilungen sucht, die dem System der Eigentumsverhältnisse entstammen oder — wenn man es im weitesten Sinne auffassen will — den Produktionsverhältnissen, die ihrerseits wiederum in ihrer Abhängigkeit vom technischen Fortschritt gesehen werden müssen"

Von daher wird klar, daß marxistische Parlamentarismuskritik nur eingebettet in die von Marx entwickelte Kritik der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und der in ihnen gegebenen Klassenbeziehungen begriffen werden kann. 1. Zur Kritik des bürgerlichen Staates Marx als Wenn und Engels alle Geschichte Geschichte von Klassenkämpfen begreifen muß sich auch die jeweilige Funktion des Staates nach dem Stand der Klassenkämpfe richten. Marx bezeichnet die moderne Bourgeoisie als „Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions-und Verkehrsweise" Den unterschiedlichen Stadien der ökonomischen Entwicklung entsprachen in seiner Sicht jeweils verschiedene politische Organisationsformen. War die Bourgeoisie „unterdrückter Stand unter der Herrschaft der Feudalherren" wurde sie im Zuge der Weiterentwicklung der Produktivkräfte und Umgestaltung der Produktionsverhältnisse sodann „zur Zeit der Manufaktur Gegengewicht gegen den Adel in der ständischen oder in der absoluten Monarchie und Hauptgrundlage der großen Monarchien überhaupt" so änderte sich mit der Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise die Form und die Funktion der politischen Herrschaft fundamental. Die Bourgeoisie erkämpfte sich „seit der Herstellung der großen Industrie und des Weltmarktes im modernen Repräsentativstaat die ausschließliche politische Herrschaft. Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet.“ Damit wird zunächst einmal global die Funktion des bürgerlichen Staates definiert: Er hat die Interessen der Bourgeoisie zu vertreten. In ihm wird die gesellschaftliche Macht des besitzenden Bürgertums, manifestiert in dem Eigentum an und der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel, zur politischen Macht; die ökonomisch und politisch herrschende Klasse ist dieselbe.

Eine wesentliche Funktion des bürgerlichen gegenüber dem feudalen Staat ist die Zentralisierung. Große staatliche Einheiten sind dem Aufbau einer modernen Industrie, einem am Prinzip des laissez-faire orientierten internationalen Handel gemäßer als die kleinen souveränen Einheiten, wie etwa zersplitterte Fürstentümer und autonome Städte, die ja bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein z. B. die Situation in Deutschland kennzeichneten Kein Zufall daher, daß der soziale und politische Aufstieg des Bürgertums und die Durchsetzung der liberalen wirtschaftlichen Grundsätze die Forderung nach nationaler Einheit und Überwindung des staatlichen Partikularismus mit sich brachten. Für Marx ist „die Einheit großer Völker" ein „mächtiger Faktor der gesellschaftlichen Produktion"

Die Funktion, die der bürgerliche Staat im Klasseninteresse der Bourgeoisie wahrnimmt, dient der Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft. Sie ist eindeutig als Repressionsfunktion zu kennzeichnen gegenüber der sozialen Klasse, die die Macht des Bürgertums bedroht: dem industriellen Proletariat. Dieses Proletariat ist ein Erzeugnis der bürgerlich-kapitalistischen Produktionsweise, es entwickelt sich im Schoße der bürgerlichen Gesellschaft. „In demselben Maße, worin sich die Bourgeoisie, d. h. das Kapital entwickelt, in demselben Maße entwickelt sich das Proletariat, die Klasse der modernen Arbeiter, die nur solange leben, als sie Arbeit finden, und die nur solange Arbeit finden, als ihre Arbeit das Kapital vermehrt." Der Klassengegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat, der Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital ist charakterisiert durch eine zunehmende Verelendung der Arbeiterklasse, durch einen „mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet"

Ist daher die bürgerliche Herrschaft ständig durch die sozialen und politischen Forderungen der unterdrückten und ausgebeuteten Klasse bedroht, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Existenz des Staates als Instrumentarium der Herrschenden zur Aufrechterhaltung ihrer Macht. So sehr die Epoche des Laissez-faire-Liberalismus den Grundsatz der Nicht-Intervention des Staates in den ökonomischen Ablauf heiligte, so deutlich wurde auch die vornehmste staatliche Funktion unterstrichen, die mit dem despektierlichen Terminus „Nachtwächterstaat" — der Lassalle zugeschrieben wird — treffend karikiert ist. Um nichts anderes ging es im Marxschen Verständnis, als um die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit, sprich: die Bewahrung des Status quo, der bestehenden sozioökonomischen und politischen Herrschaftsverhältnisse. Für die Klassiker des „wissenschaftlichen Sozialismus" Ist die Existenz des Staates als solcher ein Beweis für das Vorhandensein und die Fortdauer von Klassengegensätzen. Der Staat definiert sich gleichsam durch seine Rolle im Klassenkampf. Entscheidendes Kriterium ist hierbei die Unversöhnbarkeit der Gegensätze. „Der Staat entsteht dort, dann und insofern, wo, wann und inwiefern die Klassengegensätze objektiv nicht versöhnt werden können. Und umgekehrt: Das Bestehen des Staates beweist, daß die Klassengegensätze unversöhnlich sind." Dieses Wort von Lenin macht klar, daß er sich den Staat nur vom Gewaltverhältnis her denken kann. Damit wird explizit ein Staatsverständnis abgelehnt, das den Staat als Mittler zwischen gesellschaftlichen Kräften, als Garanten des Allgemeinwohls und des gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts begreift. Die Unterdrückungsfunktion im Interesse der Aufrechterhaltung bestehender Herrschaftsverhältnisse steht eindeutig im Vordergrund.

Dies gilt im Verhältnis der — ökonomisch und politisch herrschenden — Bourgeoisie gegenüber dem Proletariat. Nicht so kraß ist die Repressionsfunktion innerhalb der herrschenden Klasse selbst, die Marx keineswegs als Monolith begreift. Vielmehr sieht er die herrschende Klasse in mehrere Fraktionen gespalten, die durchaus in Teilbereichen verschiedene und miteinander kontroverse Inter-essen vertreten. Diese Auffassung stützt Marx wiederum auf empirische Beobachtungen in seiner Zeit. Frankreich, an dessen Beispiel er die interessantesten seiner staatstheoretischen Aussagen entwickelt hat, ist auch hierfür signifikant. So sagt Marx über die parlamentarische Republik, die 1848 auf das Bürgerkönigtum Louis-Philippes folgte und bis zum Staatsstreich Bonapartes im Dezember 1851 andauerte: „Die parlamentarische Republik war mehr als das neutrale Gebiet, worin die zwei Fraktionen der französischen Bourgeoisie, Legitimisten und Orleanisten, großes Grundeigentum und Industrie, gleichberechtigt nebeneinander hausen konnten. Sie war die unumgängliche Bedingung ihrer gemeinsamen Herrschaft, die einzige Staatsform, worin ihr allgemeines Klasseninteresse sich zugleich die Ansprüche ihrer besonderen Fraktionen, wie alle übrigen Klassen der Gesellschaft unterwarf." Innerhalb der Bourgeoisie also, auch zwischen Resten des Feudaladels und Bürgertum, findet ein staatlich vermittelter Interessenausgleich statt, wobei Divergenzen zwischen Grundbesitz und Industrie nur eine, wenngleich zu Marx'Zeiten die bedeutsamste, Ursache der Fraktionsbildung und des Interessenkonflikts innerhalb der herrschenden Klasse sind. Marx sagt über die Regierung im bürgerlichen Staat, sie werde „vermöge der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihrer Amtsgewalt, ihrer Einkünfte und ihrer Stellen-vergebung der Zankapfel für die konkurrierenden Fraktionen und Abenteurer der herrschenden Klassen ..

Diese Aussage, auf die französische Situation bezogen, korreliert mit dem im 1. Abschnitt erörterten government by corruption in Großbritannien, damit, daß die Parlaments-cliquen der Whigs und Tories ebenfalls konkurrierende Fraktionen der herrschenden Klasse waren, und in der Differenz zwischen ihnen der Gegensatz von Grundbesitz und Industrie, von Grundrente und Kapital eine wesentliche Rolle spielte. 2. Zur Einschätzung des Parlamentarismus Der Parlamentarismus ist für Marx die spezifische Herrschaftsform der Bourgeoisie. Waren zu seiner Zeit in der Regel noch Mischfor-men zwischen dem „feudalen“ und dem „bürgerlichen" Staat verbreitet — wie vor allem die konstitutionellen Monarchien mit der charakteristischen Trennung von Exekutive (der Monarch ernannte die Minister) und Legis-lative (das — meist nach Zensuswahlrecht gewählte — Parlament besaß Gesetzgebungshoheit, nicht jedoch Einfluß auf die Regierungsbildung) —, so entwickelten sich in den industriell fortgeschrittensten Ländern bereits parlamentarische Systeme, deren Kennzeichen die gewaltenverschränkende Integration von Parlament und Regierung ist. Als Beispiel für eine konstitutionelle Monarchie sei Preußen (ab 1871 das Deutsche Reich) genannt; parlamentarische Systeme entstanden vor allem in Großbritannien und Frankreich. Diese parlamentarischen Systeme sind für Marx die typische politische Organisationsform, in der die soziale, ökonomische und politische Herrschaft des besitzenden Bürgertums zum Ausdruck kommt. Er urteilt über die französischen Herrschaftssysteme nach Napoleon L, also über die bourbonische Restauration, das Bürgerkönigtum und die parlamentarische Republik von 1848: „Während der nachfolgenden Herrschaftsformen wurde die Regierung unter parlamentarische Kontrolle gestellt, d. h. unter die direkte Kontrolle der besitzenden Klassen." Der Parlamentarismus zur Zeit von Marx und Engels entsprach zumeist dem eingangs skizzierten aristokratisch-elitären Re-präsentativsystem, das auf Zensuswahlrecht beruhte und nur den sozial und ökonomisch führenden Schichten Zugang zur politischen Macht gewährte. Aber selbst die Erweiterung des Wahlrechts bis hin zum allgemeinen Wahlrecht bedeutet für Marx und Engels, vor allem aber für Lenin, keinen grundsätzlichen Funktionswandel des bürgerlichen Parlamentarismus. Nach Marx war die auf dem allgemeinen Männerstimmrecht beruhende französische Republik von 1848 „die uneingeschränkte Despotie einer Klasse über andere Klassen" Diese Interpretation wird von Lenin später noch verschärft: „Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten soll, — das ist das wirkliche Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus, nicht nur in den parlamentarisch-konstitutionellen Monarchien, sondern auch in den allerdemokratischsten Republiken."

Auch die parlamentarische Demokratie im Sinne des oben skizzierten Strukturwandels wird also als Repressionsinstrument der herrschenden Klasse angesehen. Dies mag z. T. damit begründet werden, daß sogar unter der Geltung des allgemeinen Wahlrechts die Arbeiterklasse lange Zeit nur die Möglichkeit hatte, zwischen verschiedenen Kandidaten aus dem bürgerlichen Lager zu wählen. Die Herausbildung von Arbeiterparteien, ihre Festigung im Bewußtsein des Proletariats, die Gewährung von Abgeordnetendiäten — dies alles entwickelte sich nur sehr allmählich. So gelang es der Labour Party in Großbritannien erst nach dem Ersten Weltkrieg, in das etablierte Kräftespiel von Liberalen und Konservativen, zwei Parteien der besitzenden Schichten also, einzudringen und schließlich die Liberalen als zweite große Partei zu verdrängen. Dennoch ist die Einschätzung des Parlamentarismus als Form der bürgerlichen Klassenherrschaft grundsätzlich aus der Struktur des Systems abgeleitet. Hierfür gibt wiederum Lenin Zeugnis: „Man sehe sich ein beliebiges parlamentarisch regiertes Land an, von Amerika bis zur Schweiz, von Frankreich bis England, Norwegen u. a.: die eigentlichen Staatsgeschäfte werden hinter den Kulissen abgewickelt und von den Departements, Kanzleien und Stäben verrichtet. In den Parlamenten wird nur geschwatzt, speziell zu dem Zweck, das . niedere Volk'hinters Licht zu führen."

Hier kommt ein neues Moment der Kritik in die Diskussion: Lenin meint nichts anderes als die 'Verschleierungsfunktion des Parlaments; er behauptet, parlamentarische Debatten seien dazu da, dem Volk politische Beteiligung vorzugaukeln, wo doch die wahren politischen Entscheidungen in Zirkeln fallen, die sich der Partizipation und Kontrolle durch das Volk entziehen. Diese sehr modern anmutende Parlamentarismuskritik macht den Herrschaftscharakter des Parlamentarismus in der Sicht von Lenin deutlich, wobei es in unserem Zusammenhang relativ bedeutungslos ist, daß Lenin undifferenziert organisatorisch so verschiedene Regierungssysteme wie Großbritannien, die USA und die Schweiz unter den gemeinsamen Oberbegriff „parlamentarisch" subsumiert.

Trotz der scharfen Ablehnung des Parlamentarismus als repressive Staatsform der Klassen-despotie anerkennen die Begründer des „wissenschaftlichen Sozialismus" seinen ambivalenten Charakter. Sie konzedieren, daß der Parlamentarismus Elemente enthält, die es für die revolutionäre Klasse und ihre Partei auszunutzen gilt. Von daher ist die demokratische Republik eine Forderung der Kommunisten dort, wo noch halbfeudale monarchistische Systeme existieren Marx ist der Auffassung, daß die demokratisch-parlamenta-rische Republik gerade aufgrund ihres Klassencharakters und der in ihr herrschenden Spannungen zwischen Bourgeoisie und revolutionärem Proletariat keine dauerhafte Staatsform ist, sondern vielmehr die Übergangsform zwischen bürgerlicher Herrschaft und proletarischer Revolution darstellt, „die Republik überhaupt nur die politische Umwäl. zungsform der bürgerlichen Gesellschaft bedeutet und nicht ihre konservative Lebensform . . .“

Aus dieser Überlegung leitet Marx die These ab, „daß gerade in dieser letzten Staatsform der bürgerlichen Gesellschaft der Klassenkampf definitiv auszufechten ist" Konsequent wird die Forderung nach Umwandlung in eine parlamentarische Republik an das Deutsche Reich gerichtet, das nach 1871 zwar das allgemeine Wahlrecht zum Reichstag, nicht aber die parlamentarische Verantwortung der Regierung verwirklicht hatte. Hierzu schrieb Friedrich Engels: „Wenn etwas feststeht, so ist es dies, daß unsere Partei und die Arbeiterklasse nur zur Herrschaft kommen kann unter der Form der demokratischen Republik." Diese Einschätzung von Engels beruht auf der historischen Erfahrung der aufsehenerregenden Wahlerfolge der deutschen Sozialdemokratie Ende des 19. Jahrhunderts unter dem allgemeinen Reichstagswahlrecht Die deutschen Arbeiter, so meint Engels, „hatten ihren Genossen aller Länder eine neue, eine der schärfsten Waffen geliefert, indem sie ihnen zeigten, wie man das allgemeine Stimmrecht gebraucht" Für ihn war es ein interessantes und bedeutsames Phänomen, daß sich der revolutionäre Kampf auch innerhalb der staatlichen Institutionen führen ließ. „Man fand, daß die Staatseinrichtungen, in denen die Herrschaft der Bourgeoisie sich organisiert, noch weitere Handhaben bieten, vermittels deren die Arbeiterklasse diese selben Staatseinrichtungen bekämpfen kann."

Engels erkennt die im parlamentarischen System wichtigste Funktion des Parlaments, eine Tribüne der öffentlichen, kontroversen Diskussion zu sein: w.. dazu eröffnete es (das Parlament, H. K.) unseren Vertretern im Reichstag eine Tribüne, von der herab sie mit ganz anderer Autorität und Freiheit zu ihren Gegnern im Parlament wie zu den Massen draußen sprechen konnten als in der Presse und in Versammlungen. Was half der Regierung ihr Sozialistengesetz, wenn die Wahl-agitation und die sozialistischen Reichstags-reden es fortwährend durchbrachen?"

Dieser Ansatz wird von Lenin weiter ausgebaut. Er warnt zwar vor parlamentarisch-legalistischen Illusionen, konstatiert jedoch eine bewußtseinsmäßige Fixierung breiter Volks-massen auf die parlamentarischen Vorgänge und fordert von daher eine aufklärende Arbeit der Sozialisten im Parlament. So vertritt er die These, „daß der Parlamentarismus in Deutschland politisch noch nicht erledigt ist, daß die Beteiligung an den Parlamentswahlen und am Kampf auf der Parlamentstribüne für die Partei des revolutionären Proletariats unbedingt Pflicht ist, gerade um die rückständigen Schichten ihrer Klasse zu erziehen, gerade um die unentwickelte, geduckte, unwissende Masse auf dem Lande aufzurütteln und aufzuklären" Dieses Zitat meint nicht weniger als eine Indienstnahme der von Bagehot zentral betonten teaching function des Parlaments zugunsten der Interessen des Proletariats und der Ziele der revolutionären Arbeiterpartei.

Zudem sieht Lenin in der parlamentarischen Arbeit eine Bewährungsprobe für politische Führer — ebenfalls eine Funktionsbeschreibung, die in der modernen Parlamentarismus-Diskussion aktuell ist Lenin grenzt sich mit seinen Thesen zum Parlamentarismus gegen die reformistischen Sozialdemokraten („Opportunisten") ebenso ab wie gegen links-kommunistische Vorstellungen („Anarchisten"). Diese linkskommunistische Position läßt sich — verkürzt — in der These zusammenfassen, Parlament und Parteien seien eo ipso bürgerliche Instrumente, würden zwanghaft zur Entfremdung, zur Verfälschung des Willens der Arbeiterklasse durch bürokratisierte Apparate führen. Eine Arbeit in und mit diesen Organisationen gilt daher als korrumpierend und wird verworfen

Für Marx, Engels und Lenin ist der Parlamentarismus eindeutig eine Form der bourgeoisen Klassenherrschaft. Die etwa noch von Lassalle vertretene Vorstellung, die Arbeiterklasse könne mit Hilfe des Staates ihre soziale Lage verbessern, lehnen sie ab. „Aber die Arbeiterklasse kann nicht die fertige Staatsmaschinerie einfach in Besitz nehmen und diese für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen." Dennoch werden im parlamentarischen Regierungssystem, verbunden mit dem allgemeinen Wahlrecht, gewisse Chancen der Agitation, Erleichterungen der Selbstdarstellung und Aufklärungsarbeit der sozialistischen Partei gesehen. Die Forderung der „Klassiker" lautet, diese Chancen konsequent zu nutzen, also im Parlament tätig zu werden, ohne sich der Illusion hinzugeben, innerhalb des bestehenden bürgerlichen Staates die Umwandlung der sozialen Verhältnisse, sprich: die proletarische Revolution, durchführen zu können. 3. Bürgerlicher Staat und Diktatur Sieht Marx den Parlamentarismus seiner Zeit primär durch Fraktionskämpfe innerhalb der herrschenden Klasse bei repressiver Funktion gegenüber dem Proletariat gekennzeichnet, so vermag ein Wandel in der Intensität der Klassenkämpfe auch eine Akzentverlagerung in den staatlichen Funktionen bis hin zu einer Änderung der staatlichen Herrschaftsform selbst hervorzurufen. Erstarkt die Arbeiterklasse, wird sie zu einer Bedrohung der sozialen Herrschaft des Bürgertums, so verlieren die bürgerlichen Fraktionskämpfe an Bedeutung und das gemeinsame Repressionsinteresse gegenüber dem Proletariat nimmt zu. „In dem Maß, wie der Fortschritt der modernen Industrie den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit entwickelte, erweiterte, vertiefte, in demselben Maß erhielt die Staatsmacht mehr und mehr den Charakter einer öffentlichen Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, einer Maschine der Klassenherrschaft." Kennzeichen der Zunahme der Repressionsfunktion ist nach Marx die Abkehr von parlamentarisch-republikanischen Formen, die Entmachtung der Nationalversammlung und die Stärkung der Exekutive, bis hin (Beispiel des Staatstreichs Napoleons III.) zur Errichtung eines monarchisch-cäsaristischen Obrigkeitsstaates. Marx nennt den Bonapartismus „die einzige mögliche Regierungsform zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie die Fähigkeit, die Nation zu beherrschen, schon verloren, und wo die Arbeiterklasse diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte" Im Interesse der Sicherung ihrer sozialen und ökonomischen Macht begibt sich die Bourgeoisie des unmittelbaren Zugangs zur politischen Herrschaft (des Parlamentarismus) und überantwortet den Staat einem Autokraten und der hinter ihm stehenden Gruppe, die sich keineswegs ausschließlich aus Vertretern des Bürgertums zusammensetzt. Entscheidende Charakteristika des Bonapar-tismus in der Marxschen Sicht (Entwicklung aus einer bürgerlich-demokratischen Republik heraus, Unterdrückung der Arbeiterbewegung, Auftreten nach erfolglosem revolutionären Bemühen, eine an den Zielen des Kleinbürgertums und der Bauernschaft orientierte Ideologie, Betonung der über den Klassen stehenden Einheit der Nation etc.) lassen sich vergleichen mit dem historischen Auftreten des Faschismus

Nach Marx trägt daher der bürgerliche Staat die Möglichkeit in sich, von der verschleierten (sprich: parlamentarischen) zur unverhohlenen (sprich: autokratischen) Klassenherrschaft überzugehen. Der Intensitätsgrad des Klassenkampfes und das Stärkeverhältnis der Klassen zueinander gelten als Kriterium dafür, in welchem Maße und mit welchem Ergebnis sich dieser Übergang vollzieht. 4. Die Alternative: das Rätesystem Den „geraden Gegensatz" zur bonapartistischen Klassendiktatur sieht Marx in der Pariser Kommune von 1871. In ihr erblickt er wesentliche Ansätze für die Überwindung des bürgerlichen Staates und die Errichtung einer Regierungsform, die den Interessen der Arbeiterklasse dient: „Der Ruf nach der sozialen Republik, womit das Pariser Proletariat die Februarrevolution einführte, drückte nur das unbestimmte Verlangen aus nach einer Republik, die nicht nur die monarchische Form der Klassenherrschaft beseitigen sollte, sondern die Klassenherrschait selbst. Die Kommune war die bestimmte Form dieser Republik."

Die Pariser Kommune in der Marxschen Interpretation gilt als das ursprüngliche und klassische Modell der Rätedemokratie. Hier interessieren uns weniger die Geschichte und die einzelnen sozialen Maßnahmen der Kommune, als vielmehr die Strukturelemente ihres politischen Aufbaus, die in Abhebung vom bürgerlichen Parlamentarismus für das Räte-system typisch sind. Einige der wichtigsten dieser Prinzipien sind: jederzeitige Abwahl-möglichkeit der Abgeordneten, imperatives Mandat (Bindung an unmittelbare Wähler-aufträge), Vertretung von Arbeitern durch Arbeiter, Besoldung der Räte nach Arbeiter-lohn, indirektes Wahlverfahren von der kommunalen über die regionale zur zentralen Ebene, Gründung einer Volksmiliz, Wahl und Absetzbarkeit der Beamten, auch und vor allem der Richter.

überwiegt im repräsentativen Parlamentarismus die „Redefunktion“ (s. o.), so sollen die Räte nach Kommune-Vorbild arbeitende Körperschaften sein, die Funktionsdifferenzierung zwischen Parlament und Exekutive also aufheben. „Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit." Das Prinzip der Gewalten-häufung soll den authentischen Willen der Mehrheit des Volkes, insbesondere der Arbeiterklasse, besser zum Ausdruck bringen als die im parlamentarischen System vorhandene Gewaltenverschränkung. Demgemäß fordert Lenin die „Umwandlung der Vertretungskörperschaften aus Schwatzbuden in . arbeitende'Körperschaften"

Zwei Prämissen der Marxschen und Leninschen Interpretation der Pariser Kommune und somit des Rätesystems schlechthin sind zu nennen: Eine anthropologische und eine auf die Staats-und Verwaltungsfunktionen bezogene. Beide kommen im folgenden Marx-Zitat zum Ausdruck: „Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver-und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen, wie das individuelle Stimmrecht jedem anderen Arbeitgeber dazu dient, Arbeiter, Aufseher und Buchhalter in seinem Geschäft auszusuchen. Und es ist bekannt genug, daß Gesellschaften ebensogut wie einzelne in wirklichen Geschäftssachen gewöhnlich den rechten Mann zu finden, und, falls sie sich einmal täuschen, dies bald wiedergutzumachen wissen." Demnach vertraut Marx auf die Rationalität des Volkswillens, auf die Fähigkeit der Wähler, die „richtige" Wahl zu treffen. Der Einbau von checks and balances wird daher entbehrlich, ja er gilt als verwerflich, verfälscht er doch den „wahren" Volkswillen. Dies enthüllt, daß Marx den Willen des Volkes (sprich: der Mehrheit) als homogene Größe ansieht. Dadurch erst vermag Wahlentscheidungen er an Kriterien wie „richtig" oder „falsch" zu messen. Folgt man dieser anthropologischen Sicht nicht, sieht man die Gesellschaft — auch nach einer Beseitigung der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse — als konfliktträchtig, den Menschen als unvollkommen und nicht als perfekt an, dann -müssen be stimmte Symptome wie etwa imperatives Mandat und Gewaltenhäufung anders problematisiert werden, etwa was Minderheitenschutz, Abwehr von Machtmißbrauch und Manipulierbarkeit angeht. Dann läßt sich die Wahl politischer Machtträger nicht auf die „Auswahl von Buchhaltern und Aufsehern" reduzieren.

Die zweite Marxsche Prämisse besagt, die Staats-und Verwaltungsfunktionen ließen sich nach Ablösung der bürgerlichen Herrschaft als einfache „Aufseher-und Buchhalter-tätigkeit" bestimmen. Auch Lenin verficht diese These. Zwar will er die Revolution mit Menschen, die „ohne Unterordnung, ohne Kontrolle ... nicht auskommen werden." Aber er meint auch: „Der Kapitalismus vereinfacht die Funktionen der Staats verwaltung, er macht es möglich, das . Vorgesetzten-wesen'zu beseitigen und das Ganze auf die Organisation der Proletarier (als herrschende Klasse) zu reduzieren, die im Namen der gesamten Gesellschaft . Arbeiter, Aufseher und Buchhalter'einstellen wird." Aus dieser Sicht der Staatsfunktionen erklärt sich die Einfachheit und Undifferenziertheit der Prinzipien des Rätesystems.

Ist Staatstätigkeit so unspezifiziert, daß sie — darauf läuft die Marxsche und Leninsche Interpretation hinaus — praktisch von jedermann auf Zeit ausgeübt werden kann? Wer dem Staat ausschließlich die Funktion der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung zuschreibt, mag dies bejahen. Die Entwicklung des modernen Staates jedoch, die Zunahme der Gestaltungsfunktionen (z. B. Lenkung der Wirtschaft, Daseinsvorsorge, Infrastrukturpolitik) weist in eine andere Richtung. Diese konnten Marx und Lenin in dem tatsächlich eingetretenen Ausmaß sicherlich nicht vorhersehen. Die zunehmende Differenzierung und Spezialisierung der Staatsfunktionen im modernen Kapitalismus, aber auch und gerade in den Ländern, die sich auf den Marxismus-Leninismus berufen, falsifiziert die These von der „Vereinfachung" der staatlichen Aufgabe in signifikanter Weise.

Das Rätesystem nach Kommune-Vorbild ist für Marx und Lenin die Staatsform der revolutionären Übergangsperiode. „Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats."

Der Staat, in dem sich die „Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Er-kämpfung der Demokratie ..." vollzieht, ist alles andere als ein parlamentarisches System: „Ohne Vertretungskörperschaften können wir uns eine Demokratie nicht denken, auch die proletarische Demokratie nicht; ohne Parlamentarismus können und müssen wir sie uns denken, soll die Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft für uns nicht ein leeres Gerede sein ...“

Die proletarische Demokratie, von der Lenin spricht, ist demokratisch aufgrund der politischen Organisationsform, die von der Pariser Kommune abgeleitet wird. Aber das ist nicht der alleinige Zweck. „Zugleich mit der gewaltigen Erweiterung des Demokratismus, der zum erstenmal ein Demokratismus für die Armen, für das Volk wird und nicht ein Demokratismus für die Reichen, bringt die Diktatur des Proletariats eine Reihe von Freiheitsbeschränkungen für die Unterdrücker, die Ausbeuter, die Kapitalisten." Auch der proletarische Staat ist demnach noch durch eine Unterdrückungsfunktion gekennzeichnet: Er soll die Reste der ehemals herrschenden Klasse an der Wiederherstellung ihrer gesellschaftlichen und politischen Macht hindern. Auch Engels vertritt diese Auffassung: „Solange das Proletariat den Staat noch gebraucht, gebraucht es ihn nicht im Interesse der Freiheit, sondern in der Niederhaltung seiner Gegner, und sobald von Freiheit die Rede sein kann, hört der Staat als solcher auf zu bestehen."

Dies verweist auf das entscheidende Charakteristikum des Staates in der Diktatur des Proletariats: seine Tendenz, sich überflüssig zu machen, abzusterben. In der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft (auch als „So-zialismus“ bezeichnet) ist die Gesellschaft „ökonomisch, geistig, sittlich noch behaftet mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt" Daher ist „Unterdrückung noch notwendig, aber es ist das bereits eine Unterdrückung der Minderheit der Ausbeuter durch die Mehrheit der Ausgebeuteten. Ein besonderer Apparat, eine besondere Maschine zur Unterdrückung, ein , Staat'ist noch notwendig, aber es ist das bereits ein Übergangsstaat, kein Staat im eigentlichen Sinne mehr." Deshalb schlägt Engels vor, den Begriff Staat durch „Gemeinwesen" zu ersetzen um das Spezifische des sozialistischen Übergangsstaates deutlich zu betonen. Der Staat stirbt dann ab, wenn seine Unterdrückungsfunktion obsolet wird. Das geschieht in der von Marx skizzierten „höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft" Diese Phase ist gekennzeichnet durch: Aufhebung der Arbeitsteilung, Arbeit als erstes Lebensbedürfnis, allseitige Fortentwicklung der Individuen und der Produktivkräfte. Wenn „alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen, — erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahnen schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" In einer solchen Gesellschaft bedarf es der Unterdrückung, und damit des Staates nicht mehr. Dann stirbt der Staat und mit ihm die Demokratie ab, weil „die Demokratie auch ein Staat ist und . . . folglich auch die Demokratie verschwinden wird, sobald der Staat verschwindet"

Vollzieht sich der Übergang vom bürgerlichen zum proletarischen Staat revolutionär, so ist die Wandlung der ersten zur höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft durch einen evolutionären Prozeß, eben das Absterben des Staates bestimmt. Diesen Sachverhalt formuliert Lenin wie folgt: „Die Ablösung des bürgerlichen Staates durch den proletarischen ist ohne gewaltsame Revolution unmöglich. Die Aufhebung des proletarischen Staates, d. h. die Aufhebung jeglichen Staates, ist nicht anders möglich als auf dem Wege des , Absterbens‘.“

III. Die neomarxistische Kritik des heutigen Parlamentarismus

Im vorangegangenen Abschnitt haben wir die wesentlichen Kategorien dargestellt, nach denen Marx, Engels und Lenin den Parlamentarismus in den westlichen kapitalistischen Industriegesellschaften beurteilten. Aufgabe der folgenden Bemerkungen soll es sein, den Stellenwert zu umschreiben, der dem Parlamentarismus aus neomarxistischer Sicht zukommt, vor allem im Herrschaftszusammenhang des kapitalistischen Systems. Hierbei kann auf die Entwicklung der Neuen Linken, ihre zunehmende Aufsplitterung in sich ideologisch befehdende Gruppen und Grüppchen, nicht näher eingegangen werden Was immer die Differenzen zwischen DKP und KPD (ML), zwischen Maoisten und Trotzkisten sein mögen, sie betreffen nicht oder kaum ihre Einschätzung des „bürgerlichen" Parlamentarismus. Diese leitet sich vielmehr von den Kriterien ab, die die Klassiker Marx, Engels und Lenin entwickelt haben, auf die sich alle neomarxistischen Gruppen in gleicher Weise berufen. Das Neue und Beachtenswerte an der neomarxistischen Kritik des heutigen Parlamentarismus ist die Frage, inwiefern der Wandel der modernen Industriegesellschaft, mit dem auch und gerade ein Wandel der Staatsfunktionen verbunden ist, adäquat verarbeitet wird und somit zu einer Anpassung der Theorie des bürgerlichen Staates an die veränderte Realität führt. Dieser Frage soll im folgenden nachgegangen werden. 1. Der Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital Die sozioökonomische Grundthese der neomar-

xistischen Parlamentarismuskritik ist die Auffassung, immer noch sei der Grundwiderspruch von Lohnarbeit und Kapital der primäre und alle anderen Konflikte entscheidend überlagernde Widerspruch unsererZeit: „... die Basis des sozioökonomischen Konflikts in der westlichen Welt ... besteht nach wie vor in dem Widerspruch zwischen dem individuell-privile-gierten Herrschaftsanspruch von Eigentum, Verfügungsgewalt und Wissen auf der einen Seite, und den Inhalten einer modernen Gesellschaft auf der anderen Seite, die auf Kollektivproduktion gegründet ist und die durch die (potentiellen oder aktuellen) Forderungen unterprivilegierter Mehrheiten in Bewegung gehalten wird" Diese These Agnolis, des wohl bedeutendsten Parlamentarismus-Theoretikers der Neuen Linken, macht die Grundlage der Argumentation deutlich: Es ist der Widerspruch zwischen entwickelten Produktivkräften und überkommenen Produktions-und Eigentumsverhältnissen, zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung. Die Wandlungen des modernen Wirtschaftssystems, u. a. durch zunehmende Konzentration gekennzeichnet, werden bei dieser Aussage sehr wohl berücksichtigt. Jörg Huff-

schmid meint zur Situation in der Bundesrepublik, „daß die alten Organisationsformen, Personaleigentum und Wettbewerb, nicht länger als Vehikel für den Prozeß der Kapital-entfaltung geeignet, sondern diesem Prozeß im Gegenteil zum Hindernis geworden sind"

Die wachsende Bedeutung gesamtwirtschaftlicher Planung und damit die zunehmende Rolle des Staates im Wirtschaftsprozeß wird zur Kenntnis genommen und erörtert. Aber: »Durch den Übergang vom einzelwirtschaftlichen Konkurrenzsystem zu den gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts-und Wachstums-systemen ändern sich nicht die beiden Systemen zugrunde liegenden Interessenkonstellationen, ändern sich nicht die Macht-und Klassenverhältnisse in der Gesellschaft. Sie sind nach wie vor strukturiert durch privates (wenn auch nicht persönliches) Eigentum, private Verfügungsmacht über Produktionsmittel und die Ausrichtung des gesamten Wirtschaftsprozesses an den Interessen dieses Privateigentums." Die Kernthese lautet also: Die Klassengesellschaft existiert fort und die Interessen der herrschenden Klasse dominieren dabei eindeutig. Auch Wolfgang Abendroth ist der Meinung, daß trotz aller Verbesserungen des Konsumniveaus der Arbeitnehmer und trotz der Wandlungen des gesellschaftlichen Bewußtseins „die entscheidenden Momente der Klassenstruktur der Gesellschaft fortbestehen"

Geht man von den hier erläuterten Grundannahmen aus, so steht im marxistischen Sinne der Raster für die Beurteilung des politischen Systems fest: Besteht die Klassenherrschaft an der Basis fort, so ist auch der Staat Klassen-staat, Organ der Herrschaft der Bourgeoisie. 2. Die Rolle des modernen Staates Es ist die Krisenanfälligkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems, die Beobachtung, daß sich aus dem Prozeß der freien Konkurrenz periodisch Rückschläge ergeben, die in der Sicht der neomarxistischen Theoretiker eine revidierte Rolle des Staates im Kapitalismus erforderlich macht. Da die Annahme von Adam Smith, die Konkurrenz aller führe im Ergebnis zum Wohle der Gesamtheit (Theorie der prästabilisierten Harmonie), sich als trügerisch erwiesen hat, sei nicht mehr die Freiheit von staatlichen Eingriffen, sondern deren bewußter Einsatz zum Schutze des Gesamtsystems das Ziel der Bourgeoisie. „Da die Bourgeoisie selbst kein Vertrauen mehr in den automatischen Gang der kapitalistischen Wirtschaft als Garant für die Aufrechterhaltung ihres Systems hat, bedarf es der Intervention einer anderen Kraft, die das System langfristig sichern soll. Diese andere Kraft ist der Staat. Der Neokapitalismus zeichnet sich vor allem durch eine wachsende Intervention der Staatsgewalt in das Wirtschaftsleben aus."

Diese These Ernest Mandels umschreibt die moderne neomarxistische Theorie des Staatsinterventionismus. Der Staat übernimmt zunehmend planerische Funktionen, er entwickelt Instrumente des Krisenmanagements. Dies alles geschieht, um Auswirkungen von Wirtschaftskrisen zu vermeiden, die geeignet sein könnten, das wirtschaftliche und politische Gesamtsystem zu bedrohen. Diese neue Rolle des Staates steht in Übereinstimmung mit den Interessen des Großkapitals. Ja, kurzfristige ökonomische Vorteile (etwa: erhöhte Gewinne) treten sogar in den Hintergrund gegenüber dem höherrangigen Interesse der Herrschaftserhaltung mit staatlicher Hilfe: „Für die herrschende Klasse — vor allem aber für das Monopolkapital als die herrschende Schicht der Kapitalistenklasse — hat das Interesse an der Erhaltung und Sicherung des gesamten Gesellschaftssystems Vorrang vor den unmittelbar ökonomischen Interessen. Dieses Interesse realisiert sich in der Politik des Staates, d. h. die Interessen des Monopolkapitals müssen als politische Interessen, Aufgaben und Ziele des Staates formuliert und durchgesetzt werden. In diesem Sinne ergibt sich für die Monopolbourgeoisie ein Primat der Politik." Die Vertreter dieser Theorie des „staatsmonopolistischen Kapitalismus" die vorwiegend in der DDR entwickelt wurde lehnt den Mandelschen Terminus „Neokapitalismus" ab, da die Entwicklung zum staatsmonopolistischen Kapitalismus u. a. in der Kontinuität der Kriegswirtschaft gesehen wird über das Grundphänomen jedoch, die staatliche Garantie des kapitalistischen Profits, sind sich die unterschiedlichsten marxistischen Theoretiker einig

Die moderne Wirtschaftspolitik der kapitalistischen Industriestaaten, die vor allem auf den Erkenntnissen von J. M. Keynes beruht, wird daher vom Aspekt der Sicherung der Kapitalmacht her interpretiert: „Die Global-steuerung, so läßt sich zusammenfassend sagen, ist ein theoretisches Konzept, das nur in einer weitgehend konzentrierten und vermachteten Wirtschaft und nur zugunsten der Monopole, Oligopole und organisierten Gruppen realisiert werden kann." Weil die staatliche Wirtschaftspolitik nicht zuletzt aufgrund der nach wie vor gegebenen Investitionshoheit der Unternehmer nichts anderes tun kann, als deren Interessen zu realisieren, wird die Formulierung allgemeiner Ziele der staatlichen Tätigkeit zum Verschleierungsmanöver. Laut Huffschmid „erweist sich die Verlagerung der Kompetenz für die Feststellung allgemeiner wirtschaftlicher Zielfunktionen von dem Bereich der privaten Unternehmen auf den der staatlichen Träger der Wirtschaftspolitik als Scheinmanöver, das die Herrschaft der Unternehmerinteressen als Gesamtinteressen der Gesellschaft zu verschleiern und damit zu stabilisieren versucht"

Die. ökonomische Funktion des modernen Staates in der Sicht neomarxistischer Theoretiker ist damit beschrieben worden. Es kommt nun darauf an, zu zeigen, wie sich diese Funktion in der politischen Willensbildung, d. h. in unserem Zusammenhang: im parla74) mentarischen Regierungssystem, nach Meinung der Kritiker realisiert. 3. Zur Parlamentarismuskritik Die radikale Kritik, die die Neue Linke seit Mitte der sechziger Jahre am Parlamentarismus übt, geht von der Grundauffassung aus, innerhalb dieses Regierungssystems — etwa durch Mitarbeit in den Parteien — könnten gesellschaftliche Veränderungen, über deren Notwendigkeit man sich im Klaren ist, nicht mehr bewirkt werden. Das langjährige „Firmenschild"

der antikapitalistischen Neuen Linken, der Begriff „Außerparlamentarische Opposition"

(APO), zeigt, daß sich diese Bewegung zeitweise sogar durch ihre Gegnerschaft zum bestehenden Parlamentarismus in der Bundesrepublik definiert hatte.

Ausgangspunkt der linken Kritik ist ein Demokratiebegriff, den Arnheim Neusüß als „transitiv" bezeichnet: „Parlamentarische Demokratie ist der Versuch, die Diskussion von Alternativen als die Bedingung der Verwirklichung von Demokratie institutionell zu sichern und zu rationalisieren." D. h., Demokratie wird inhaltlich verstanden, als Realisierung bestimmter materieller Forderungen, nicht als Methode der Herrschaftsausübung, etwa im Sinne der berühmten Definition Schumpeters: „... die demokratische Methode ist diejenige Ordnung zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfs um die Stimmen des Volkes erwerben" Diese „Konkurrenztheorie der Demokratie" die von der Heterogenität der Gesellschaft und der Pluralität der sozialen und politischen Kräfte ausgeht, wird von Neusüß als „operationell" abqualifiziert 1; sie hypostasiere die Form und abstrahiere vom Inhalt. Die parlamentarische Form, die Diskussion zwischen verschiedenen Parteien, verliert ihren Inhalt, wenn sie nicht mehr um die wirklichen gesellschaftlichen Alternativen geführt wird: „Als leere Hülse wird sie zum Instrument der Erhaltung des gesellschaftlichen Status quo als der Erhaltung bestehender, aber zunehmend illegitimer Herrschaftsverhältnisse." Die Inhalte, an denen im „organi-sierten Kapitalismus" Demokratie gemessen wird, bestimmen sich aus der Diskrepanz zwischen den historischen, aus dem Stand der Produktivkräfte sich ergebenden Möglichkeiten, die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen zu befriedigen, und dem gesellschaftlichen Status quo, den überkommenen Eigentums-und Herrschaftsverhältnissen

Hier verbinden sich ansatzweise die Postulate der klassischen, auf Rousseau zurückführbaren Demokratietheorie, die das Prinzip der Volkssouveränität mit der Vorstellung eines homogenen Volkswillen (volonte generale) verknüpft und das marxistische Prinzip der Befreiung der Produktivkräfte von den Fesseln historisch überholter, zum Hindernis gewordener Produktionsverhältnisse. Wenn Kurt Lenk als das Wesen der Demokratie „die in ihr angelegte Möglichkeit, Herrschaft in Frage zu stellen" begreift, so stellt Wilfried Gottschalch diese allgemeine These gleichsam auf die Füße, wenn er die parlamentarische Demokratie am Kriterium der Durchsetzungsfähigkeit der Arbeiterbewegung mißt und zu dem Schluß kommt: „So kann der organisierte Kapitalismus das parlamentarische Regierungssystem in den Dienst seiner ökonomischen und politischen Interessen stellen, solange es keine starke Arbeiterbewegung gibt, die den bloß formaldemokratischen Charakter dieser politischen Ordnungsform durchschaut und an-greift." Seine Diagnose also: Innerhalb der des parlamentarischen Systems gibt es für die organisierte Arbeiterbewegung keine Chance der Durchsetzung. Es ist daher als „bloß formale Demokratie" zu entlarven und durch etwas anderes, eine „inhaltliche" Demokratie zu ersetzen. Diese Unterscheidung zwischen Form und Inhalt, zwischen dem Ansatz, Demokratie an der Verwirklichung definierbarer sozialer Ziele zu messen und dem Versuch, sie nur von der „methodischen" Seite, von der Geltung politischer Spielregeln her zu begreifen, wird uns im Schlußabschnitt noch beschäftigen. Erster Ansatzpunkt der neomarxistischen Kritik ist das Parlament selbst. Dort werden nach Auffassung der Kritiker keine realen Entscheidungen mehr getroffen. Diese fallen vielmehr in oligarchischen Zirkeln, bestehend aus den Spitzen von Regierung, Bürokratie, Wirt-schäft und Verbänden. Diese Substanzentleerung, die das Parlament in neomarxistischer Sicht zu einer Einrichtung macht, die mit dem — von Bismarck geprägten und von Lenin aufgegriffenen — Begriff „Schwatzbude" charakterisiert wird — ist nicht zufällig, sondern sie entspricht aus mehrerlei Gründen der bürgerlichen Herrschaft. „Wenn es zutrifft, daß die Staatstätigkeit im Kapitalismus wenig eigenen Entscheidungsspielraum hat, sondern in hohem Maße einem kapitalistischen . Sachzwang'unterworfen ist, dann muß aus Gründen der Funktionalität’ eine Versammlung von . Nicht-spezialisten', wie sie ein Parlament darstellt, bei der Ausübung der Staatsaufgaben ausgeschaltet werden." Ein beliebtes Verfahren der Verifikation dieser These ist — wie oben schon behandelt — der Nachweis eines Über-gewichtes der Ministerialbürokratie bei der Gesetzesinitiative und der Hinweis auf die Tatsache, daß Interessenverbände ihre speziellen Forderungen und Wünsche schon im Stadium des Referentenentwurfs, nicht erst bei der parlamentarischen Beratung von Gesetzesvorlagen einbringen. Die hohen Anforderungen an Sachverstand, die die moderne Staats-tätigkeit, die gestaltend und nicht nur verwaltend ist, stellt, können vom Parlament nicht erfüllt werden. Es wird, so Rosenbaum, daher ausgeschaltet, „teils weil es das Problem scheinbar oder tatsächlich nicht überblicken kann, teils weil es vor vollendete Tatsachen gestellt wird"

Es ist jedoch nicht nur der . Sachzwang', der nach Auffassung der linken Kritiker eine Verlagerung von Entscheidungen aus dem Parlament erzwingt. Diese Verlagerung hat auch einen defensiven, einen vorbeugenden Charakter: Wir haben bei Engels und Lenin den ambivalenten Charakter des Parlaments kennengelernt, der darin besteht, daß es, obschon Organ bürgerlicher Herrschaft, zur Agitationstribüne sozialistischer Parteien werden kann. Der Funktionsverlust des Parlaments soll verhindern, daß diese Ambivalenz für die bürgerliche Herrschaft bedrohlich wird. „Daß ein Parlament seiner Substanz entleert wird, wenn es seinen ambivalenten Charakter verliert, ist wohl unbestreitbar — aber zu beklagen nur, wenn man aus ihm ein Organ des staatlich ausgefochtenen Klassenkampfes machen möchte." Der Verlust der Ambivalenz manifestiert sich im Verlust derjenigen Funktion, die häufig als die vornehmste des Parlaments beschrieben worden ist: der Aufklärungsund Informationsfunktion. In einer den Sachzwängen des kapitalistischen Systems folgenden politischen Entscheidungsbildung, wie sie die Neomarxisten für gegeben erachten, findet keine fundamentale Kontrolle der Regierung durch parlamentarische Debatten, durch Aufklärung der politischen Öffentlichkeit mehr statt. Agnoli meint über das britische Unterhaus und den deutschen Bundestag: „Hier wie dort geht die Diskussion über Sekundärprobleme, Personalmißstände und vereinzelte Mißbräuche. In beiden Hohen Häusern vollzieht sich der eigentliche Entscheidungsprozeß nicht öffentlich." Die Alternativen, von denen Neu-süß spricht, werden nicht einmal mehr im Parlament angesprochen; so wird es „als wichtiger Ort der Diskussion von Alternativen zunehmend bedeutungslos" Knut Nevermann formuliert die These, „daß das Parlament von einem Repräsentanten des souveränen Volkes zu einem herrschaftsrepräsentierenden Organ geworden ist"

Dies sei die neue Funktion des Parlaments im kapitalistischen Herrschaftszusammenhang. Nicht, daß die Verlagerung der realen Entscheidungen das Parlament obsolet machen würde! Nach Agnolis Auffassung tritt lediglich ein Funktionswandel ein; das Parlament bleibt ein wichtiges Organ im bürgerlichen Staat. Warum? Die neue Funktion besteht in der Legitimation von Herrschaft. „Und genau das ist für eine erfolgreiche Herrschaftsmethode unerläßlich: daß ein Teil der politischen und gesellschaftlichen Oligarchien sichtbar im Parlament tätig ist (also dem Schein nach öffentlich kontrollierbar), sichtbar vom Volk gewählt (damit zum Herrschaftsakt demokratisch legitimiert) und sichtbar Träger von Macht (und in der Lage, moralisch verpflichtende Wähler-wünsche durchzusetzen) ist. Wäre dem anders, würde die Bevölkerung sich gar nicht auf das parlamentarische Spiel einlassen, und sie würde die Wahlen nicht mehr als den wesentlichen Ausdruck ihrer politischen Freiheit betrachten.“

Die drei die das demnach Aufgaben, Parlament erfüllt, sind folgende: a) die „Konstitutionali-sierung" von Entscheidungen, die anderswo getroffen sind und im Interesse herrschender Kreise außerhalb des Parlaments stehen. Die parlamentarische Ratifikation verleiht ihnen „ideologisch wie institutionell die Weihe des demokratischen Beschlusses..." b) Die Formen parlamentarischer Kontrolle dienen zur Filterung von Wünschen der Bevölkerung. Agnoli führt als Beispiel einen Untersuchungsausschuß an, der aufgrund offenkundiger Mißstände und öffentlichem Druck eingesetzt wird, durch seine Existenz den Druck kanalisiert und dann, sehr viel später, ein Ergebnis produziert, das lediglich zur Beruhigung der Öffentlichkeit, nicht aber zu wirklichen Konsequenzen geeignet ist. Deshalb sei, so Agnoli, „das Parlament . . . die staatliche Durchgangs-stelle des sozialen (und politischen) Friedens'und gehöre „insofern zu den wichtigsten Instrumenten der friedlich-manipulativen Integration. . ." Mögliche systemgefährdende Opposition wird von vornherein integriert, entschärft: „Organisiert die Gewerkschaft anstelle eines politischen Streiks eine revolutionär gehaltene Massenpetition, so braucht das Parlament sich vor den Arbeitern nicht zu fürchten. . .selbst die offene Rebellion der Unterworfenen kann parlamentarisch domestiziert werden, wenn an die Stelle der Barrikaden gegen die herrschende Klasse die oppositionelle Interpellation gegen die jeweilige Regierung tritt." c) Das Parlament fungiert als . Instrument der Veröffentlichung von Herrschaft" Im Gesetzgebungsprozeß werden danach die Entscheidungen , oben', d. h. in den erwähnten oligarchischen Zirkeln, getroffen, gehen durch das Medium Parlament und werden somit der Öffentlichkeit, also nach . unten', bekannt als Regeln, die befolgt werden müssen. Für Agnoli zielt somit die im organisierten Kapitalismus verbliebene Funktion des Parlaments auf das ab, was den Kern seiner Argumentation bildet: auf die Manipulation des Bewußtseins im Interesse des „sozialen Friedens" der nicht diskutierten Hinnahme des bestehenden Herrschaftssystems durch die machtunterworfenen Massen.

Die Funktion des Parlaments, Herrschaft Zu legitimieren, ist laut Agnoli notwendig, um dem Volk eine Vertretung seiner Interessen vorzugaukeln und die Entstehung von Unzufriedenheit sowie die mögliche Artikulation revolutionärer Forderungen zu verhindern. Der manipulativ hergestellte soziale Friede soll im Bewußtsein der Lohnabhängigen den Widerspruch an der Basis verdrängen zugunsten eines Kosumentenbewußtseins: „Die Pluralität der Interessen, — eine Wirklichkeit — und der damit zusammenhängende — ebenso wirkliche — Pluralismus auf der Distributionsebene wirkt politisch der Polarität entgegen, die nach wie vor an der Basis der Gesellschaft besteht." Diese Unterscheidung zwischen Distributions-und Produktionsebene ist wichtig: Die relativ freie Konsumwahl, der erhöhte Lebensstandard, die interessenpolitische Auseinandersetzung um Anteile am Sozialprodukt — dies alles ist real, aber berührt nicht die Herrschaftsverhältnisse in der Produktion. Diese werden im parlamentarischen Willensbildungsprozeß nicht zur Disposition gestellt, im Gegenteil: Der Parlamentarismus mit seiner Beschränkung auf Sekundärkonflikte wirkt einer Infragestellung der Grundlagen des Herrschaftssystems entgegen: „Innerhalb eines Systems hingegen gehen nur Führungskonflikte vor sich, die im wesentlichen Konkurrenzkämpfe zur Ablösung der jeweiligen Führungsgruppe sind und die der teilweisen Umgruppierung innerhalb eines Oligarchienkreises dienen. Die Verkürzung des Herrschaftskonflikts auf den Führungskonflikt reproduziert staatlich-politisch den gesellschaftlichen Vorgang — und den manipulativ vorgenommenen Versuch — der Reduzierung des Antagonismus auf den Pluralismus."

Dient also der gesellschaftliche Interessenpluralismus der Ablenkung der Massen von den eigentlichen Problemen, der Verschüttung ihrer objektiven und primären Interessen zugunsten einer bewußtseinsmäßigen Fixierung auf zweitrangige — und für das System ungefährliche — Fragen, so liegt im parlamentarischen Konkurrenzsystem die politische Entsprechung dazu. Nicht die Herrschaftsverhältnisse werden in Frage gestellt, sondern der Konflikt geht um die Regierungsmacht der einen oder der anderen oligarchischen Gruppe. Im vordemokratischen Parlamentarismus, als nur die führenden Sozialschichten im politischen Prozeß vertreten waren, entsprach laut Agnoli diese Oligarchienkonkurrenz dem sozialen Substrat des Parlamentarismus: es bestand eine „Identität von Regierten und Regierenden" Nach der Erweiterung des Wahlrechts jedoch galt es, „die reale Vertretungsfunktion zurückzudrängen"

Bei Agnoli gewinnt der Versuch der herrschenden Klasse, die unterprivilegierte Mehrheit trotz formaler Beteiligung von den Schaltzentren der politischen Macht fernzuhalten, geradezu Verschwörungscharakter. Für ihn war das allgemeine Wahlrecht a limine ein Scheinmanöver, das durch den Grundsatz der Repräsentation inklusive Gewaltenverschränkung etc. entschärft wurde. „Sicherlich war das Bürgertum klug genug, in das parlamentarische System Anpassungsfaktoren einzubauen, um durch sie möglichen proletarischen Mißbräuchen begegnen zu können. Das Repräsentationsprinzip, — der Kem des Parlamentarismus — wurde als Verfassungsnorm erdacht, gewollt und verwirklicht mit einer genauen repressiven Aufgabe, die schon von Anfang an einen Befriedungscharakter trug.

Es galt, friedlich aber wirksam die Mehrheit der Bevölkerung von den Machtzentren des Staates fernzuhalten." Agnolis Verdikt ist daher eindeutig: Auch die Demokratisierung des Wahlrechts, die Grundlage des modernen Parlamentarismus, steht von Beginn an im Klasseninteresse der Bourgeoisie. Er erörtert nicht die Frage, ob es rationale Gründe für eine Betonung des Repräsentativsystems (etwa:

Minderheitenschutz, Verhinderung von Willkür, Manipulierbarkeit von Mehrheitsentscheidungen)

gegenüber einer uneingeschränkten, etwa plebiszitär vermittelten Mehrheitsherrschaft in der Form des spontan umgesetzten Massenwillens gibt,

Der Umschlag des parlamentarischen Prozesses in ein Scheingefecht von Oligarchien funktioniert in der Sicht der Neomarxisten, weil die politischen Parteien aufgehört haben, Sprachrohr und Transmissionsriemen von Klassen-interessen zu sein, sich vielmehr zu Volksparteien mit dem Anspruch der Integration auch divergierender Interessen entwickelt und ihr politisches Interesse auf die Teilhabe an der Macht reduziert haben. Die von der westlichen Demokratietheorie geforderte Funktion der Parteien, im Unterschied zu den die Interessen partikularer Gesellschaftsgruppen artikulierenden Verbänden, die Interessenaggregation, die „Bündelung" von Teilinteressen zu gesamtpolitischen Konzeptionen zu übernehmen, entschärft nach Auffassung der Neomarxisten gesellschaftliche Konflikte bereits in einem Stadium, in dem ihre Umsetzung in den politischen Kampf eigentlich erst beginnen soll. Laut Gottschalch sind die Parteien „heute das Schaltbrett der Verbände, mit Hilfe dessen sie Anschluß an die Leitstellen staatlicher Macht finden“ Und: „Es scheint so, als ob die Parteien die Entmachtung des Parlamentes auch dadurch fördern, daß sie aufhören, interessengebundene . Klassenparteien'zu sein, sich dafür an einem oft gar nicht feststellbaren Gemeinwohl . . . orientieren und . Volksparteien'werden." Die Funktion der politischen Parteien paßt sich demnach also der Gesamtfunktion des parlamentarischen Regierungssystems an: der Herrschaftssicherung durch manipulative Erzeugung von Massen-loyalität. „Als politische Propagandaagenturen der Führungsgruppen in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat bleiben sie weiterhin unentbehrlich."

Der Vorwurf der Integration in das bestehende Herrschaftssystem trifft vor allem die „staatstragende“ Opposition, namentlich dann, wenn es sich um Arbeiterparteien handelt. Sie sind es, die das revolutionäre Potential, vor allem also das industrielle Proletariat, an das bestehende System binden, durch Ausrichtung seines Bewußtseins auf den parlamentarischen Prozeß eine Aktualisierung des Klassenkampfes verhindern. Agnoli sagt über die unterprivilegierten Massen: deren mögliche Frontstellung gegen Herrschaft und Ausbeutung ... kann parlamentarisch von links her aufgerollt werden, wenn und solange Beherrschte und Ausgebeutete sich von der parlamentarischen Linken vertreten glauben, und so gerade mittels der Opposition domestiziert und eingeschläfert werden" Die stabilisierende Funktion der linken parlamentarischen Opposition geht einher mit der manipulativen Betonung demokratischer und parlamentarischer Spielregeln, deren Einhaltung als das Wesen der Demokratie propagiert wird, in der Realität jedoch den Verzicht auf materiale, d. h. aber mit Massenaktionen verbundene Opposition mit sich bringt. Darum erweitert Agnoli den Vorwurf gegen die Sozialdemokraten als systemimmanente Opposition auch auf die westeuropäischen Kommunistischen Parteien, die auf den parlamentarisch-legalen Weg zur Macht eingeschworen sind: „Sie vergessen zuweilen, daß die Formalität der Spielregeln, gegen die an sich nichts einzuwenden wäre, begleitet wird von einem Sich-Einpendeln der beteiligten Parteien auf eine pragmatische mittlere Linie, die höchstens gegenseitige Korrekturen am Macht-110) gebrauch zuläßt, programmatisch aber auf die Erhaltung des gesellschaftlichen Status quo hinzielt."

Während Agnoli die Funktionalität vor allem der Oppositionsrolle linker Parteien für das kapitalistische System betont, weist Amo Klönne darauf hin, daß auch eine sozialdemokratische Regierung im Kapitalinteresse liegen könne, wenn in bestimmten Situationen ein „Modernisierungsschub", definiert als „Wahrnehmung längerfristiger gesamtkapitalistischer Entwicklungsinteressen gegen aktuelle kapitalistische Teilinteressen" erforderlich wird. Zweifellos steckt hinter dieser Auffassung Klönnes die These, im parlamentarischen System sei eine dauerhafte Regierungstätigkeit gegen die Interessen des Kapitals nicht möglich. Dennoch sieht er in einer sozialreformerischen Regierung ein gewisses Risiko für die Kapitalherrschaft: Gerade weil sinnvolle Reformen unmöglich seien, und sich dies unter einer sozialdemokratischen Regierung sichtbar erweise, werde der „Blick auf illegitime gesellschaftliche Machtpositionen freigelegt" Nicht eine Reformpolitik kann dieser Meinung nach strukturverändernd sein, sondern ihr Scheitern erst vermag das gesellschaftliche Bewußtsein für radikalere Veränderungen zu schaffen.

Für die neomarxistische Kritik gehört also das parlamentarische Regierungssystem unlösbar zur kapitalistischen Wirtschafts-und Gesellschaftsstruktur. Politik im Parlamentarismus findet ihre Grenze dort, wo die Interessen des Kapitals beginnen. 4. Fazit und Alternativen In den Augen der marxistischen Kritiker bietet sich der Parlamentarismus also dar als ein politisches System, in dem die wahren gesellschaftlichen Konflikte nicht ausgetragen werden und die wahren Bedürfnisse und Interessen der Massen unberücksichtigt bleiben. Der demokratische Charakter eines solchen Systems vird daher geleugnet. „Weder der Parlamentarismus, noch die gegenwärtige parteienstaatliche Praxis bieten also der Demokratie, sofern sie als Selbstregierung der Massen — als konkrete Demokratie also — verstanden wird, ein ausreichendes Aktionsfeld" Das Demokratieverständnis, das in der marxistischen Parlamentarismuskritik zum Ausdruck kommt, ist im wesentlichen zusammenzufassen in der u. a. auf Rousseau zurückführbaren These, Demokratie sei die Identität von Regierenden und Regierten. In der neomarxistischen Theorie ist sowohl der dieser Demokratie-Auffassung inhärente Aspekt einer unmittelbaren Selbstregierung der Massen vorhanden wie auch die Betonung der Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse. Idealiter fällt beides zusammen.

Auf dem Boden des Marxismus argumentierende demokratische Sozialisten wie Abendroth fordern eine Verstärkung der innerparteilichen und innerverbandlichen Demokratie, um der Oligarchisierung im Parlamentarismus entgegenzuwirken Vor allem aber setzen sie sich für eine Verstärkung plebiszitärdemokratischer Mechanismen ein. „Denn von Demokratie kann dann offenbar nicht mehr die Rede sein, wenn das Volk, von dem die Staatsgewalt ausgeht, auf die Befugnis beschränkt wird, ihm gegenüber völlig unabhängige . Repräsentanten’ auszuwählen, denen es, sind sie einmal bestellt, in völliger Passivität die politische Willensbildung überläßt" Hier geht es also um eine Aufhebung von Entfremdung durch Verstärkung der Authentizität des in der politischen Willensbildung sich äußernden Volkswillens — das Prinzip der parlamentarischen Demokratie wird nicht in toto in Frage gestellt und verworfen.

Radikalere Denker gehen einen Schritt weiter. Sie fordern andere Formen des politischen Systems jenseits des Parlamentarismus. In Anknüpfung an Marx und Lenin gilt ihnen vor allem das Rätesystem als die Organisationsstruktur, in der unmittelbare Volksherrschaft, d. h. aber letztlich die Diktatur des Proletariats, am besten ausgeübt werden kann. Zu diesen Theoretikern gehört W. Gottschalch: „Wenn ich auch nicht sicher bin, ob eine rätedemokratische Organisation der Gesellschaft funktionieren wird, so zweifle ich doch nicht daran, daß sie — sozialistische Produktionsverhältnisse vorausgesetzt — funktionieren kann“ Nach wie vor werden die Prinzipien des Räte-systems analog der Marxschen Interpretation der Pariser Kommune beschrieben. Ansätze in der russischen Revolution 1905 und 1917, der deutschen Novemberrevolution 1918 und im jugoslawischen System der Arbeiter-

Selbstverwaltung gelten als weitere Versuche, die Rätedemokratie zu praktizieren.

Der trotzkistische Theoretiker Ernest Mandel betont ebenfalls die Notwendigkeit des Räte-systems als Organisationsform des erstrebten proletarischen Staates: „Das Rätesystem ist die einzige universale Antwort, die die Arbeiterklasse bislang auf die Frage der Organisation ihrer Selbsttätigkeit in und nach der Revolution gegeben hat" Mandel sieht interessanterweise keine Differenz zwischen den Prinzipien der Rätedemokratie und der zentralistischen Parteitheorie Lenins, die doch prima facie dem Grundsatz der unmittelbaren Demokratie von unten nach oben widerspricht: „Im Gegenteil: ohne die systematische Organisationsarbeit einer revolutionären Avantgarde gerät das Rätesystem entweder unter den Einfluß reformistischer oder halbreformistischer Bürokratien (wie das deutsche Rätesystem 1918/1919) oder es verliert seine politische Schlagkraft, weil es ihm nicht gelingt, die zentralen politischen Aufgaben zu erfüllen..." Mandel begründet die Vereinbarkeit von Parteiavantgarde und Rätedemokratie mit der inneren Heterogenität der Arbeiterklasse und mißt der Avantgarde im Leninschen Sinne die Funktion der „Bündelung der Massenaktivität" zu: „sie ist das kollektive Gedächtnis und der Koordinator der verarbeiteten Erfahrungen der Massen"

Ein Wort der Kritik ist bereits hier nötig: Mandel löst den Widerspruch zwischen Avantgarde-Theorie und Rätekonzeption auch nur durch ein Postulat, nicht durch den Nachweis der Vereinbarkeit. Implizit gibt er jedoch die Funktionsunfähigkeit eines . reinen'Rätesystems zu, eben weil er die Homogenität der Arbeiterklasse, die doch Voraussetzung einer echten Mehrheitsherrschaft mit imperativem Mandat, Gewaltenhäufung und Abwählbarkeit der Richter wäre, nicht für gegeben erachtet. Nur ein homogener Massenwille würde dem im Rätesystem geltenden spontanen, uneingeschränkten Mehrheitsprinzip entsprechen und dieses sozial rechtfertigen. Die von Mandel zugegebene Notwendigkeit der Fortexistenz politischer Parteien ist jedoch streng genommen schon wieder ein Moment, das die uneingeschränkte Geltung der Räteprinzipien in Frage stellt, die Authentizität des Massenwillens durch Intervention von Organisations-und Gruppeninteressen verfälscht etc. Wiewohl Mandel die Bürokratisierung der einstmals revolutionären Avantgarde in der UdSSR und anderen osteuropäischen Ländern kritisiert vermag er selbst in seiner Konzeption die Gefahr der Verselbständigung einer Avantgarde zur herrschenden Gruppe nicht auszuschalten.

Ein reines Rätesystem ohne Parteien und Sondergruppen, das ist die Organisationsform, die in der „antiautoritären Phase" der Neuen Linken sehr populär war. Überwindung der Entfremdung, Sicherung von spontaner Willensbildung und Bedürfnisbefriedigung, Ablehnung von Bürokratie und Großorganisationen — das sind die Grundsätze, um die es hierbei geht. Das Modell einer Groß-Kommune West-Berlin, das die Führer des damaligen SDS skizzenhaft entwickelt haben gibt hiervon Zeugnis.

Festzuhalten bleibt also: Die neomarxistische Neue Linke hat zwar durchaus Wandlungei der modernen Industriegesellschaft und dami auch der Staatsfunktionen gegenüber der Zei von Marx, Engels und Lenin verarbeitet und in ihrer Kapitalismuskritik berücksichtigt. Aud ihre Ablehnung des parlamentarischen, Sy stems ist gegenüber der klassischen Kritik mi neuen Argumenten angereichert. In der Frage der alternativen Organisationsform jedoch is man explizit nicht über die Uberlegunger hinaus, die im „Bürgerkrieg in Frankreich'und in „Staat und Revolution" angestellt wurden.

Ein Versuch, ausgehend von diesem Resümee die marxistische Parlamentarismuskritik ihrerseits der Kritik zu unterziehen, soll in kurzer Form im folgenden Abschnitt unternommen werden.

IV. Kritik der Kritik — Thesen zur neomarxistischen Parlamentarismustheorie

Im folgenden werden die wesentlichsten Gesichtspunkte, die für die neomarxistische Parlamentarismuskritik konstitutiv sind, kritisch in Frage gestellt in der Absicht, Alternativpositionen zu skizzieren, die der Realität des Parlamentarismus und dem Problem der Demokratisierung der Gesellschaft besser Rechnung tragen.

Die Funktion der Kritik am Parlamentarismus wie der theoretischen Ansätze der Neuen Linken überhaupt war es zweifellos, neue . Denkanstöße zu geben und die öffentliche politische Diskussion über die Grundlagen unseres pol-tischen Willensbildungssystems wieder in Gang zu bringen, die jahrelang durch Tabuierung wesentlicher Themenbereiche, nicht zuletzt durch den im Zuge des Kalten Krieges entwickelten Antikommunismus, nicht in Frage gestellt worden sind. Die Neue Linke war es, die den Blick freigelegt hat für die mangelnde Kontrollfähigkeit des Parlaments, die fehlende Transparenz des politischen Prozesses, die unzureichende Partizipation der Bürger an der politischen Willensbildung und die interne Erstarrung und Oligarchisierung in Parteien und Verbänden. Die Radikalität der Kritik war geeignet, das Bewußtsein für eine zunehmende . Austrocknung'des Parlamentarismus, für selbstzufriedene politische Sterilität zu wekken und Anstoß zu geben für Versuche, die Demokratie auf der staatlichen Ebene zu erweitern und zu fundieren durch eine Demokratisierung gesellschaftlicher Teilbereiche. Daß in der Bundesrepublik Prozesse in Gang gekommen sind, die die linke Kritik aufgearbeitet und erste Konsequenzen aus ihr gezogen haben, ist unverkennbar. Die politischen Parteien, jahrelang als rein pragmatische Vermittleragenturen für politische Karrieren angesehen, sind in Bewegung gekommen. Die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Parteiflügeln nimmt zu. Immer mehr stehen Meinungsverschiedenheiten über gesellschaftliche Grundsatzfragen, etwa das Problem der Mitbestimmung, im Mittelpunkt innerparteilicher Kontroversen. Es sind vor allem die politischen Jugendorganisationen aller drei großen Parteien, die — wenngleich mit unterschiedlicher Intensität — gesellschaftspolitische Konzepte entwickeln, die über den Rahmen der traditionellen Politik der Parteien weit hinausgreifen. Das Bewußtsein für notwendige Reformen wächst — als Beispiel sei die Intensivierung der bildungspolitischen Diskussion, verbunden mit der Durchführung von Hochschulreformexperimenten genannt. Handelt es sich hier nun um bloße Reaktionen des bürgerlichen Staates mit dem Ziel der manipulativen Befriedung? Oder geht es um-

Fussnoten

Fußnoten

  1. Eine umfassende Typologie von Regierungssystemen findet sich bei Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959.

  2. Vgl. Walter Bagehot, The English Constitution, London 1964.

  3. Vgl. Walter Enchner, Zur Lage des Parlamenta rismus, in: Gert Schäfer und Carl Nedelmann (Hrsg.), Der CDU-Staat, München 1967, S. 64.

  4. Vgl. Iring Fetscher, Politikwissenschaft, Funk-Kolleg (Eine Einführung in das britische Regierungssystem), Frankfurt a. M. 1968, S. 117.

  5. Karl Loewenstein, Der britische Parlamentarismus, Reinbek b. Hamburg 1964, S. 71 f.

  6. Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des eutigen Parlamentarismus, Berlin 19694, S. 9.

  7. Kurt Kluxen, Die Umformung des parlamentarischen Regierungssystems in Großbritannien beim Übergang zur Massendemokratie, in: Kluxen (Hrsg.), Parlamentarismus, Köln/Berlin 1967, S. 114.

  8. Loewenstein, Der britische Parlamentarismus, a. a. O., S. 88 ff.

  9. C. B. Macpherson, Drei Formen der Demokratie, Frankfurt a. M. 1967, S. 18.

  10. Das Frauenwahlrecht wurde erst 1918/19, also nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt.

  11. Zu diesem Wandel vgl. näher Kluxen, Die Umformung ..., a. a. O. und Fetscher, Politikwissenschaft, a. a. O. sowie Loewenstein, Der britische Parlamentarismus, a. a. O.

  12. Der Kürze und Einfachheit halber wird auf detaillierte Belege und Diskussion einzelner wissenschaftlicher Auffasungen hier verzichtet. Vertiefte Darstellungen der genannten Merkmale des Parlamentarismus finden sich u. a. bei: Hans Apel, Der deutsche Parlamentarismus, Reinbek b. Hamburg 1968; Karl Dietrich Bracher und Ernst Fraenkel, (Hrsg.), Staat und Politik, Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1964; Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart 1968; Kurt Kluxen, (Hrsg.), Parlamentarismus, a. a. O.; Kan Loewenstein, Verfassungslehre, a. a. O.; Gerhard A. Ritter, Deutscher und britischer Parlamentarismus, Tübingen 1962; Hans-Helmut Röhrig und Kurt Sontheimer, Handbuch des Deutschen Parlamentarismus, München 1970; Frank Stacey, The Government of Modern Britain, Oxford 1968; Winfried Steffani, (Hrsg.), Parlamentarismus ohne Transparenz, Kritik 3, Köln und Opladen 1970.

  13. Vgl. die Zahlen für den Zeitraum 1949— 1961: 40, 2 °/o aller Gesetzesvorlagen wurden von Bundesrat und Bundestag, 57, 3 °/o von der Bundesregierung eingebracht. Von den verabschiedeten Gesetzen aber gehen 75 °/o auf Regierungs-, jedoch nur 23, 5 °/o auf Bundestagsinitiative zurück (Rest: Vorlagen des Bundesrats). Zahlen bei: Hans Joachim Blank und Joachim Hirsch, Parlament und Verwaltung im Gesetzgebungsprozeß, in: Der CDU-Staat, a. a. O., S. 90.

  14. Zu diesem Problem vor allem: Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Sonderausgabe Neuwied und Berlin 1971.

  15. Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (1852), in: Marx-Engels IV, Studien-ausgabe, Fischer Bücherei, Frankfurt a. M. 1966, S. 34 ff. (Im folgenden verkürzte Angabe: Fischer-Ausgabe, Band usw.).

  16. Marx; Der Bürgerkrieg in Frankreich (Adresse des Generalrats vom 30. 5. 1871), Fischer-Ausgabe IV, S. 6194 ff.

  17. Leszek Kolakowski, Der Mensch ohne Alternative, Neuausgabe München 1967, S. 13.

  18. Marx/Engels, Manifest der kommunistischen Partei (1848), in: Fischer-Ausgabe III, S. 59.

  19. Ebenda, S. 61.

  20. Ebenda, S. 61.

  21. Ebenda, S. 61.

  22. Ebenda, S. 61.

  23. Erinnert sei hier nur an die Zollschranken zwischen den einzelnen deutschen Kleinstaaten, die nicht zuletzt die relative Rückständigkeit der deutschen industriellen Entwicklung gegenüber England verursacht haben.

  24. Der Bürgerkrieg . . ., a. a. O., S. 215.

  25. Manifest..., a. a. O., S. 64 f.

  26. Ebenda, S. 69.

  27. Wladimir Iljitsch Lenin: Staat und Revolution, Berlin 1970, S. 9.

  28. Der achtzehnte Brumaire ..., a. a. O., S. 93.

  29. Der Bürgerkrieg ..., a. a. O., S. 210 f.

  30. Ebenda, S. 210.

  31. Der achtzehnte Brumaire.... a. a. O., S. 41.

  32. Lenin, Staat und Revolution, a. a. O., S. 49.

  33. Ebenda, S. 50.

  34. Manifest..., a. a. O., S. 88.

  35. Der achtzehnte Brumaire..., a. a. O., S. 41

  36. Marx, Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei (Gothaer Programm) 1875, in: Fischer-Ausgabe III, S. 187.

  37. Friedrich Engels, Zur Kritik des Sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, in: Fischer-Ausgabe III, S. 219.

  38. Vgl. hierzu drei ausgewählte Zahlen: 1871: 102 000 Stimmen, 1877: 493 000 Stimmen, 1890: 1 427 000 Stimmen. (Zit. nach: Willi Eichler: 100 Jahre Sozialdemokratie, Bonn 1963, S. 28.

  39. Engels, Einleitung zu Karl Marx: Klassenkämpfe in Frankreich, 1895, in: Fischer-Ausgabe III, S. 231

  40. Ebenda, S. 233.

  41. Ebenda, S. 232.

  42. Lenin, Der „linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, Berlin 19708, S. 48.

  43. Ebenda, S. 56.

  44. Vgl. Otto Rühle: Parlament und Parteien, in: Wilfried Gottschalch, Parlamentarismus und Räte-Demokratie, Berlin 1968, Lesestück 1, S. 47 ff.

  45. Der Bürgerkrieg ..., a. a. O., S. 210.

  46. Ebenda, S. 210 f.

  47. Ebenda, S. 212.

  48. Vgl. die interessante Analogiebildung von August Thalheimer, über den Faschismus, in: Wolfgang Abendroth (Hrsg.), Faschismus und Kapitalismus, Frankfurt a. M. 1967, S. 19 ff.

  49. Der Bürgerkrieg ..., a. a. O., S. 212.

  50. Ebenda, S. 212 (Hervorh. v. Verf., H. K.).

  51. Ebenda, S. 213

  52. Staat und Revolution, a. a. O., S. 49.

  53. Der Bürgerkrieg ..., a. a. O., S. 214.

  54. Staat und Revolution, a. a. O., S. 52.

  55. Ebenda, S. 52.

  56. Randglossen ..., a. a. O., S. 186.

  57. Manifest..., a. a. O., S. 76.

  58. Staat und Revolution, a. a. O., S. 51.

  59. Ebenda, S. 93.

  60. Engels, Brief an Bebel, MEW Bd. 19, Berlin 1962, S. 6 f.

  61. Randglossen .. . a. a. O., S. 178.

  62. Staat und Revolution, a. a. O., S. 95.

  63. Brief an Bebel, a. a. O., S. 7.

  64. Randglossen, a. a. O., S. 179.

  65. Ebenda, S. 180.

  66. Staat und Revolution, a. a. O., S. 21.

  67. Ebenda, S. 24.

  68. Einen bemerkenswerten kritischen, aber vorurteilslosen Beitrag hierzu liefert Horst Heimann, Linke SPD und antirevisionistische Neue Linke, in: Norbert Gansel (Hrsg.), überwindet den Kapitalismus oder Was wollen die Jungsozialisten?, Reinbek b. Hamburg 1971, S. 26 ff. Vgl. ferner Horst Heimann, Selbstkritik und Neuorientierung der Neuen Linken im . Kursbuch Nr. 25', in: Frankfurter Rundschau vom 8. 7. 1972.

  69. Johannes Agnoli und Peter Brückner, Die Transformation der Demokratie, Berlin 1967, S. 8.

  70. Jörg Huffschmid, Die Politik des Kapitals, Frankfurt a. M. 1969, S. 8.

  71. Ebenda, S. 9.

  72. Wolfgang Abendroth, Antagonistische Gesell-snaft und politische Demokratie, Neuwied und Berlin 1967, S. 359.

  73. Ernest Mandel, Einführung in die marxistische Wirtschaftstheorie, Frankfurt a. M. 19683, S. 53.

  74. Jürgen Harrer und Heinz Jung, Das ökonomische System in der BRD und der DDR, in: BRD-DDR. Vergleich der Gesellschaftssysteme, Köln 1971, S. 40.

  75. Ebenda, S. 51.

  76. Vgl. die Schrift: Imperialismus heute. Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland, Berlin 19674.

  77. Harrer/Jung, Das ökonomische System..., a. a. O„ S. 40 ff.

  78. Vgl. ebenda, S. 40 und Mandel, Einführung..., a. a. O„ S. 70 ff.

  79. 1 Huffschmid, Die Politik des Kapitals, a. a. O., S. 126.

  80. Ebenda, S. 134.

  81. Arnheim Neusüß, Außerparlamentarische Opposition, in: H. J. Schoeps und Chr. Dannenmann (Hrsg.), Die rebellischen Studenten, München und Eßlingen 1968, S. 48 f.

  82. Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern 1950, S. 428.

  83. Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, a. a. O., S. 62 ff.

  84. Neusüß, Außerparlamentarische Opposition, a. a. O., S. 48 f.

  85. Ebenda, S. 49.

  86. Ebenda, S. 66.

  87. Ebenda, S. 48.

  88. Vgl. hierzu jetzt: Kurt Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, Stuttgart 1972, S. 11 ff.

  89. Ebenda, S. 25.

  90. Wilfried Gottschalch, Parlamentarismus und Katedemokratie, a. a. O., S. 15.

  91. Wolf Rosenbaum, Staatsinterventionismus und Wirtschaftsplanung im modernen Kapitalismus, in: Reinhard Kühnl (Hrsg.), Der bürgerliche Staat der Gegenwart, Formen bürgerlicher Herrschaft II, Reinbek b. Hamburg 1972, S. 51 f.

  92. Ebenda, S. 52.

  93. Agnoli, Die Transformation der Demokratie, a. a. O., S. 58 f.

  94. Ebenda, S. 58.

  95. Neusüß, Außerparlamentarische Opposition, a. a. Ö., S. 49.

  96. Knut Nevermann, Von der Rebellion zur revolutionären Opposition, in: Hans Dollinger (Hrsg.), Revolution gegen den Staat?, Bern—München— Wien 1968, S. 55.

  97. Agnoli, Die Transformation .. ., a. a. O., S. 62.

  98. Ebenda, S. 63.

  99. Ebenda, S. 63.

  100. Ebenda, S. 63.

  101. Ebenda, S. 65.

  102. Ebenda, S. 66.

  103. Ebenda, S. 19 ff.

  104. Ebenda, S. 23.

  105. Ebenda, S. 30 f.

  106. Ebenda, S. 56.

  107. Ebenda, S. 57.

  108. Ebenda, S. 25.

  109. Vgl. hierzu Ernst Fraenkel, Strukturanalyse der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie, in: Historische Gegenwartskunde, Göttingen 1969, S. 250 und ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, a. a. O., S. 61 ff.

  110. Gottschalch, Parlamentarismus und Rätedemokratie, a. a. O., S. 18.

  111. Ebenda, S. 18.

  112. Ebenda, S. 20.

  113. Agnoli, Die Transformation der Demokratie, a a. O., S. 79.

  114. Ebenda, S. 76.

  115. Arno Klönne, Sozialdemokratie — eine Agentur kapitalistischer Interessen?, in: Kühnl (Hrsg), Der bürgerliche Staat der Gegenwart, a. a. O., S. 85

  116. Ebenda, S. 85.

  117. Gottschalch, Parlamentarismus und Rätedemo kratie, a. a. O., S. 22.

  118. Abendroth, Antagonistische Gesellschaft . . ., asa. 0., S. 272 ff.

  119. Abendroth, Das Grundgesetz, Pfullingen 1966,

  120. Gottschalch, Parlamentarismus und Rätedemokratie, a. a. O., s. 41.

  121. Ernest Mandel, Lenin und das Problem des proletarischen Klassenbewußtseins, in: Lenin. Revolution und Politik, Frankfurt a. M. 1970, S. 184.

  122. Ebenda, S. 185.

  123. Ebenda, S. 186.

  124. Ebenda, S. 184 und 186.

  125. Hierzu Näheres in: Bergmann/Dutschke/Lefevre/Rabehl, Rebellion der Studenten oder Die neue Opposition, Reinbek b. Hamburg 1968.

  126. Ein Gespräch über die Zukunft mit Rudi Dutschke, Bernd Rabehl und Christian Semler, in: Hans Magnus Enzensberger (Hrsg.), Kursbuch 14, Frankfurt a. M. 1968, S. 146 ff., insbes. S. 166 f.

Weitere Inhalte

Hans Kremendahl, geb. 1948, Diplom-Politologe, Wissenschaftlicher Assistent am Otto-Suhr-Institut (Fachbereich Politische Wissenschaften) der Freien Universität Berlin.