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Zur Identität von politischer und wirtschaftlicher Werbung. VerbandsWerbung in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 48/1972 | bpb.de

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APuZ 48/1972 Zur Identität von politischer und wirtschaftlicher Werbung. VerbandsWerbung in der Bundesrepublik Deutschland

Zur Identität von politischer und wirtschaftlicher Werbung. VerbandsWerbung in der Bundesrepublik Deutschland

Heidrun Abromeit

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Zusammenfassung

Die Werbung hat sich in den westlichen Industriegesellschaften zu einem wichtige Kommunikationsmittel entwickelt. Da ihre Vorgehensweise sich durch die Tendenz zu Minimierung sachlich-objektiver Informationsgehalte und durch zunehmende Perfektion in der Anwendung psychologischer Steuerungstechniken auszeichnet, bewirkt das Vorherrschen dieses Kommunikationsmittels in bestimmten Bereichen sowohl ein Informa tionsdefizit als auch wachsende Lenkbarkeit und „Unmündigkeit“ bei der Masse seine: Adressaten. Bereits daraus erhellt, daß die Werbung in einer sich als demokratisch verstehenden Gesellschaft nicht als politisch neutrales Kommunikationsinstrument gelten kann. Deutlicher wird dies bei einer Analyse der Werbeinhalte (— hier am Beispiel der Verbands-werbung in der BRD —), deren Grundzüge in allen Werbebereichen — in Parteien-, Wirtschafts- und Verbandswerbung — eine bemerkenswerte Einheitlichkeit aufweisen und die im wesentlichen auf die Erzeugung von Konformität und Autoritätsgläubigkeit, auf die Erregung von Ängsten (vor drohenden Gefahren für den Status quo) und auf die — mehr oder weniger direkte — Präsentation von „Feinden“ (zur Kanalisierung möglicher Unzufriedenheit mit dem Status quo) abzielen. Damit baut die Werbung offenbar weitgehend auf psychische Strukturen, die sich im politischen Bereich als konservativ-autoritäre Einstellungen niederschlagen; daß die Werbung durch solches Vorgehen diese Strukturen bestärkt, macht ihre politische Relevanz und ihre politische Problematik aus. Zugleich verdeutlichen diese Strategien, daß Werbung in erster Linie ein Herrschaftsinstrument und ein Mittel zur Status-quo-Stabilisierung darstellt. Das erklärt sowohl die vergleichsweise große Zurückhaltung der Gewerkschaftswerbung als auch die offensichtliche Unterlegenheit von Gruppen, die eine Veränderung gesellschaftlicher Strukturen und Machtverhältnisse erstreben, bei der Beeinflussung der „öffentlichen Meinung“: die leichtesten Erfolge verzeichnen die, die vor „Experimenten“ warnen.

Charakteristika heutiger Werbung

Inhalt

Werbung hat sich offensichtlich nicht nur auf den wirtschaftlichen, sondern auch auf den politischen Massenmärkten zum unentbehrlichen und umfassenden Kommunikationsmittel entwickelt. Hier wie dort erhebt sie dabei den Anspruch, Vermittlerin zwischen Anbietern und Nachfragern zu sein, durch Lieferung sachdienlicher Informationen dem Umworbenen die sonst kaum noch überschaubaren Märkte transparent zu machen und ihm bei seiner Meinungs-und Willensbildung zu helfen.

Dieser auch von den meisten Werbelehren behauptete Nutzen der Werbung für den Umworbenen steht und fällt damit, inwieweit die Werbung in praxi sachlich informiert, ob ihre Hauptfunktion tatsächlich darin besteht, „in sachlicher Beweisführung die Vorteile der eigenen Leistung hervorzuheben" Zweifel an derartigen Thesen scheinen angebracht, denn der Zeitpunkt der Werbe-Explosion fällt im ökonomischen Bereich zusammen mit dem Aufkommen der Massenproduktion — die zur Überproduktion zu werden droht, wenn nicht Maßnahmen der steten Nachfragestimulierung ergriffen werden —, mit der Oligopolisierung der Märkte — die den Preiswettbewerb zur Existenzgefährdung für die einzelnen Oligopolisten werden läßt und darum „ungefährlichere" Wettbewerbsmethoden erforderlich macht — und mit der Entwicklung kapitalintensiver Großunternehmen — die, um Kapitalverluste durch unerwartet nötig werdende Produktionsumstellungen zu vermeiden, ein Interesse daran haben, Nachfrageschwankungen zu verhindern und also „Nachfrageplanung" zu betreiben. Vor allem Nachfragestimulierung und Nachfrageplanung dürften kaum mit Mitteln bloßer sachlicher Unterrichtung zu bewerkstelligen sein, sondern eher den Einsatz möglichst effektiver Psychotechniken erfordern: Nicht auf die Beihilfe zur rationalen Entscheidungsfindung des Umworbenen kommt es der zu diesen Zwecken eingesetzten Werbung an, sondern auf deren wirksame Beeinflussung. Aber auch die auf den oligopolistischen Märkten zu beobachtende Tendenz zur Verlagerung des Wettbewerbs auf das Gebiet der Werbung weist in diese Richtung, zwingt doch die Wettbewerbs-situation zum ökonomischsten Mitteleinsatz — und das heißt hier zur Kommunikation mit dem leichter beeinflußbaren Unterbewußten an Stelle rational argumentierender Ansprache und sachlicher Information (die bei den weitgehend aneinander angeglichenen Produkten auf dem Konsumgütersektor den Werbenden ohnehin kaum nützen könnte)

Werbung ist darum nicht in erster Linie Informationsmittel, sondern Beeinflussungsmethode, „Führungsmittel" der Inbegriff indirekter Steuerungsmethoden. Dies gilt nicht nur für die Wirtschaftswerbung; auch im politischen Bereich ist Werbung eher Ausdruck „sozialstrategischer Bemühungen" der Anbieter als Ausdruck der Rücksichtnahme auf die Informationsbedürfnisse der Umworbenen. Mit zunehmender Professionalisierung auch der politischen Werbung geht diese zudem wie die Wirtschaftswerbung nach dem „ökonomischen Prinzip" und damit nach dem Prinzip der bequemsten Beeinflussungstechniken vor; die aber bestehen allemal im „circumventing of reason" in der Vermeidung rationaler Argumentation, ruft diese doch „sämtliche kritischen Fähigkeiten eines Menschen wach" Ein Vorgehen, das dem der Wirtschaftswerbung gleichartig ist, bietet sich schließlich um so mehr an, als man es wohl als erwiesen betrachten kann, daß die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld bereichsindifferent ist, daß also die Reaktion des Publikums auf einen Meinungsgegenstand im Fall einer weltanschaulichen Idee oder einer politischen Persönlichkeit nicht prinzipiell anders verläuft als im Fall eines Markenartikels Bei Wählern und Verbrauchern handelt es sich um dieselben Subjekte; die Einstellungen und psychischen Gleichförmigkeiten, auf die die Werbung zurückgreift, werden darum im Bereich der Politik und im Bereich der Wirtschaft in der Regel die gleichen sein.

Politische Werbung

1. Parteienwerbung „Politische" Werbung ist zunächst die der Akteure im politischen System — genauer: der politischen Eliten. In parlamentarischen Systemen sind dies in allererster Linie die Partei-führungen, die Werbung als Mittel in ihrem Kampf um Macht und Machterhaltung einsetzen; der Begriff der politischen Werbung wird darum vielfach auf den der Wahlwerbung der Parteien eingeengt.

Im Zeichen des in den meisten westlichen Zwei-und „Zweieinhalb" -Parteiensystemen zu beobachtenden und z. B. von Downs untersuchten Zusammenrückens der Parteien zeigen sich nun gerade bei der Wahlwerbung der Parteien die obigen Thesen bestätigt. Zwar scheint zur Vorbereitung der Wahlentscheidung, von der man annehmen sollte, daß sie das Leben des einzelnen Wählers intensiver zu berühren vermag als die Kaufentscheidung für ein bestimmtes Waschmittel, die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen besonders dringlich, doch widerspricht dies den Interessen der politisch Werbenden: Da die Parteien zum einen zwecks Stimmenmaximierung bestrebt sind, möglichst viele unterschiedliche Wählergruppen gleichzeitig anzusprechen, gehören Vieldeutigkeit, Vagheit und „überlappen" (im Hinblick auf Rechts-Links-Positionen) in den programmatischen Äußerungen zur rationalen Parteistrategie; da sie zum anderen inhaltliche Festlegungen vor der Wahl zu vermeiden trachten, um die Möglichkeit zur Kontrolle ihrer Handlungen nach der Wahl und damit das Risiko der Nicht-Wiederwahl zu vermindern, werden sie ihre Aussagen im Unverbindlichen, „Allgemein-Menschlichen" halten; wo schließlich die Parteien sich so weit aneinander angleichen, daß sachliche Information über ihre politischen Vorstellungen kaum mehr zu ihrer Differenzierung in den Augen des Wählers beiträgt, verbietet solche Information sich ohnehin von selbst; an ihre Stelle tritt Marginaldifferenzie-rung, d. h. Differenzierung durch Werbestile, Images der politischen Persönlichkeiten und dergleichen

Diesen Parteistrategien entspringen die Wahlfeldzüge nach Art von Markenartikelkampagnen, wie sie in den letzten Bundestagswah-B len zu beobachten waren Ein Wahlkampf ist für die, die ihn führen, nicht mehr als eine „Schlacht um die Konsumenten von Politik" mit der Konsequenz, daß die Wahl-kampfführung von der politischen Willensbildung und von den politischen Entscheidungen seitens der Parteien weitgehend unabhängig wird An die Stelle politischer Inhalte in der Art der Information und der sachlichen Darstellung von Alternativen treten darum Beeinflussungstechniken wie die Berufung auf allgemeinste menschliche Ziele („Sicherheit" vor allem), das Arbeiten mit dem Glanz der Führerpersönlichkeit („Auf den Kanzler kommt es an") und das Herausstellen der eher „privaten" Tugenden der zu wählenden Kandidaten (sind sie doch „Menschen wie du und ich"), der Appell an das Statusbedürfnis der Umworbenen („Prominente sagen Ja zur SPD"), an ihre latenten Unsicherheitsgefühle („Was wird morgen?") und an ihr Bedürfnis, in der Anlehnung an eine starke Vaterfigur sowohl das Gefühl eigener Ohnmacht verdrängen als auch eigene Verantwortung für die politischen Geschehnisse abschieben zu können. Auch die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner vollzieht sich weniger auf der Ebene der Information und Argumentation als auf der der Diffamierung, indem etwa dem Gegner ständiges Versagen oder nacktes Machtstreben vorgeworfen oder sogar indem er durch Weckung negativer Assoziationen im Lager der eingeschworenen Feinde des Vater-landes angesiedelt wird.

Solche Techniken sind kaum dazu geeignet, dem Wähler zu rationaler politischer Willensbildung zu verhelfen, sondern dienen eher dazu, zum Zweck abstrakter Herrschaftslegitimierung Emotionen zu mobilisieren sowie die Mentalität des Unpolitischen, Vorurteile und „private" Ressentiments auszunutzen. Damit stellt die Werbung der Parteien sich zwar als weitgehend entpolitisiert dar, beweist aber gleichwohl hohe politische Relevanz. Da einem gängigen Werbegrundsatz zufolge Werbung nur effektiv sein kann, wenn sie an vorgefundene Einstellungen und Wertstrukturen anknüpft, wirkt sie schon formal wertkonservierend und also Status quo-stabilisierend. Es bleibt indessen nicht bei dem bloß formalen „konservativen" Effekt: Indem die Werbeaussagen der Parteien nahezu durchgängig den Wähler in seiner politischen Unwissenheit und der mit ihr verbundenen Unsicherheit belassen und ihn in seiner Aversion gegen das Politische, seiner Neigung zu stereotypem und personalisiertem Denken, seinen Vorurteilen und seinem Bedürfnis nach Anlehnung an den mächtigen, Ruhe und Ordnung garantierenden „Vater" bestärken, verstärken sie zugleich Einstellungen, die ein mit demokratischen Normen zu vereinbarendes Verhalten kaum erwarten lassen. 2. Politische Implikationen der Wirtschaftswerbung Der Begriff der politischen Werbung ist jedoch nicht auf die Werbung der Parteien und anderer Instanzen des Regierungssystems zu beschränken. Da deren politische Wirkungen ohnehin weniger auf den politischen Informationsgehalten als auf der Bestärkung politisch relevanter Einstellungen und Werthaltungen beruhen, dürfte der Wirtschaftswerbung — die ja auf dieselben vorgefundenen Einstellungen zurückgreift — der gleiche „politische" Charakter zugeschrieben werden können I Zum Teil sind solche politischen Wirkungen von den Werbenden durchaus beabsichtigt, sehen sie ihre Aufgabe doch nicht allein in der Steigerung von Verkaufszahlen, sondern darüber hinaus im Beitrag zur „Verringerung der Reibungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich" zum spannungs-und störungsfreien Funktionieren des Gesellschaftssystems als der Basis steten Verkaufs-erfolgs. Entsprechend zielen die weitaus meisten Werbeaussagen ab auf Status quo-Stabilisierung, indem sie gängige Werte der Leistungsgesellschaft (Erfolg, Auftiegsstreben, Prestige, Sicherheitsstreben) oder traditionelle Rollen-Vorstellungen vermitteln und den Umworbenen dadurch mit seiner Umwelt zu versöhnen suchen, daß sie einen durch nichts zu erschütternden Optimismus über die „schöne neue Welt" (Audi NSU 1970) ausstrahlen, der man mit einer „Ja-Philosophie“ (C& A 1967) entgegenkommen müsse.

Ähnliche politische Intentionen dürften auch der Entpolitisierungsstrategie zahlreicher Werbeaussagen zugrunde liegen, die sich nicht nur darin äußert, daß für die Lösung nahezu jedes neu auftretenden gesellschaftlich-politischen Problems — vom Leber-Plan über die Umweltverschmutzung bis hin zur Mitbestimmung — rasch bereits bestehende Produkte angeboten werden, um möglichst nicht den Eindruck entstehen zu lassen, daß verändernde politische Maßnahmen nötig werden könnten. Sie drückt sich auch aus in dem in den letzten Jahren zu beobachtenden Versuch, das neuartige politische Engagement der akademischen Jugend abzuqualifizieren oder auf den Konsum abzulenken — ein Versuch, der wohl als zumindest teilweise geglückt betrachtet werden muß —, und schließlich sogar in dem Bestreben, die politische Reflexion bei Parlamentswahlen herabzumindern: „Wir wählen P. U. C. ... mit den neuesten Modellen. Nein, keine Denkmodelle, reale und reelle Modelle modernsten Zuschnitts“ (Peek und Cloppenburg 1969). Politische Beteiligung der Bürger scheint demnach den politischen wie den wirtschaftlichen Eliten nicht als systemerhaltender Wert zu gelten, sondern eher die „reibungslose" Machtausübung zu gefährden.

Doch nicht nur in solchen bewußt „politisch" gemeinten Strategien zeigt sich die politische Relevanz der Konsumgüterwerbung. Politisch wirkt sie gleichfalls mit der steten Konformitäts-und Anpassungsforderung, mit dem Aufruf zur Unterwerfung unter Autoritäten oder zur Anlehnung an „starke Partner", mit dem Versuch der Aufrichtung einer externalisierten Wertordnung (mit den Werten Erfolg, Besitz, Konsum) und einer suchtartigen Abhängigkeit des einzelnen von Dingen, mit der Bestärkung von Stereotypen und Vorurteilen sowie vor allem in letzter Zeit mit der Verbreitung eines machtorientierten Männlichkeitsbildes (in dem der Mann sich in einer Welt der Härte durchzusetzen hat) und mit dem Appell an untergründige Aggressionsneigungen etwa in der Sauberkeitswerbung (die die latent vorhandene Aggressionsbereitschaft auf den Schmutz — und damit auch auf den „Schmutzigen", den von der Norm Abweichenden — kanalisiert). Damit aber werden Einstellungen angesprochen und bestätigt, deren Demokratieferne offensichtlich ist. Die politischen Effekte der Wirtschaftswerbung gehen demnach wie die der Parteienwerbung zumindest tendenziell über die bloß formale Konservierung des Bestehenden hinaus. 3. Verbandswerbung Akteure sowohl im politischen wie im wirtschaftlichen System sind die Verbände, über ihre Werbung seien zunächst nur einige Hypothesen aufgestellt:

Interessenverbände haben zuallererst zum Ziel, die Interessen ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit zu vertreten, Gefolgschaft dafür zu gewinnen und sie durchzusetzen; für ihre zu aktuellen Forderungen erfolgende Werbung wäre daher größere Konkretheit zu erwarten als beispielsweise für die Wahlwerbung der Parteien, gleichzeitig aber auch der Versuch, die eigenen Interessen als mit dem „Gemeinwohl" übereinstimmend hinzustellen, was nicht immer ohne Verschleierungstaktiken zu erreichen sein wird. In Verbindung damit werden Verbände bestrebt sein, die eigene Existenz mit dem Verweis auf ihre Bedeutung für die Gesamtgesellschaft zu rechtfertigen, sich also besondere systemerhaltende Funktionen zuzuschreiben, und zugleich den jeweiligen Gegner abzuwerten und seine Forderungen als bedrohlich darzustellen, was der Diffamierungstaktik der Parteienwerbung entsprechen dürfte. Des weiteren müssen die Verbände mit ihrer Werbung auch tatsächliche und potentielle Mitglieder ansprechen und deren Interessen zu einheitlichen Zielen integrieren oder überhaupt erst „wecken" beides legt bei den heutigen Großverbänden mit relativ differenzierter Mitgliedschaft sowohl eine Werbe-Strategie der Vagheit als auch das Arbeiten mit psychologischen Steuerungstechniken nahe. Schließlich kommt den Verbänden die Aufgabe zu, das Image ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit zu verbessern, was besonders für die Unternehmerverbände einzelner Wirtschaftszweige zutrifft, die in einer Art Gemeinschaftswerbung und mittels „Public Relations" mit dem Image der Mitglieder nebenher auch den Geschäftserfolg der Gesamtbranche aufzubessern trachten; diese Art von Werbung wird der Wirtschaftswerbung am weitesten — nicht nur methodisch, sondern auch inhaltlich — angenähert sein. *

Verbandswerbung

Im Folgenden sollen nun Werbeaussagen bundesrepublikanischer Verbände aus den letzten Jahren einer Inhaltsanalyse unterzogen werden. Für diese Analyse wurden ausschließlich Verbände ausgewählt, die im Zwischenbereich zwischen Politik und Wirtschaft angesiedelt sind — also vornehmlich wirtschaftliche und berufsständische Organisationen sowie Gewerkschaften. 1. Public Relations Ein großer Teil der „Öffentlichkeitsarbeit" der Verbände zielt ab auf Image-Pflege, um so in der Öffentlichkeit ein günstiges Klima für die Wahrnehmung der jeweiligen Verbandsinteressen zu schaffen: noch bevor es an die Durchsetzung konkreter Ziele geht, soll in der Öffentlichkeit die Überzeugung verankert sein, daß der Verband nichts als das Wohl aller im Auge hat, seine irgendwann zu erhebenden Forderungen darum legitim sind und ihre Erfüllung im Interesse aller unabdingbar ist. Herbeiführung einer „Übereinstimmung der privaten und öffentlichen Interessen" heißt dies in der Sprache der Public Relations, oder besser noch „die Kunst des .. . Nachweises der Interessenidentität geht es doch den Public Relations erklärtermaßen nicht um die Anpassung des Handelns des jeweilig Werbenden an die Interessen und Bedürfnisse der Öffentlichkeit, sondern darum, der Öffentlichkeit das je vertretene Partialinteresse als Allgemeininteresse schmackhaft zu machen. Da Werbung grundsätzlich bezweckt, das Handeln und Denken der Umworbenen den Interessen der Werbenden anzupassen und nicht umgekehrt, läuft die „Herstellung von Interessenidentität“ als Aufgabe der Public Relations auf die einseitige Interpretation „gemeinsamer" Interessen oder auf die euphemistische Kaschierung eigentlicher Absichten hinaus.

Diese Werbemethode scheint indessen nicht für jeden Werbezweck geeignet zu sein; zumindest dürften grundlegende gesellschaftliche Veränderungen nur schwer auf solchem Weg zu propagieren sein, ebenso die Interessen bisher zu kurz gekommener Gruppen, die in der Regel eben darum zu kurz kommen, weil ihre Forderungen der breiten Öffentlichkeit noch nicht legitim und also nicht als Bestandteil des Allgemeinwohls erscheinen. „Legitim" sind zuallererst die Interessen der Gruppen, die den gesellschaftlichen Status quo wesentlich bestimmen; deshalb heißt es denn auch über die Public Relations: „die Pflege der öffentlichen Meinung ist grundsätzlich konservativ und kann nur von Gruppen betrieben werden, die sich mit der bestehenden Ordnung identifizieren" Folglich wird diese Werbestrategie sich in erster Linie in der Werbung von Unternehmerverbänden oder anderen Gruppen mit hohem gesellschaftlichem Status finden. a) Der „Nutzen für alle"

So stehen in der Öffentlichkeitsarbeit gerade der Unternehmerverbände in der Regel keine konkreten Forderungen noch gar die eigentlichen Geschäftsinteressen im Vordergrund, sondern der Dienst am Ganzen, die „Pflichten eines Unternehmers gegenüber der Öffentlichkeit" (ASU 1966), der von den Unternehmen erreichte „Fortschritt, der uns allen zugute kommt" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972) Ihre Investitionen „sind die Basis für Wirtschaftswachstum und die dauerhafte Sicherung der Arbeitsplätze" (ebenda), weswegen jedem einzelnen dringend daran gelegen sein muß, daß die Unternehmen hohe Gewinne abwerfen. Die Frage darf nicht lauten: „Sind die Gewinne zu hoch — sondern: Sind die Gewinne hoch genug? ... Hoch genug, um den sozialen Fortschritt und weiteren Wohlstand zu sichern?", denn „Ohne Gewinne kein guter Lohn, kein mehr an Freizeit, kein wachsender Wohlstand. Ohne Gewinn keine modernen Fabriken, ... kein technischer Fortschritt, keine hochwertigen Produkte, keine sicheren Arbeitsplätze" (BDI/BDA 1965). Daß die Gewinne, um alle diese Funktionen erfüllen zu können, in der Tat beträchtliche Höhen erreichen müssen, beweist schlagend die weitere Mitteilung, daß die Schaffung eines einzigen Arbeitsplatzes „manchmal Hunderttausende" kostet (ebenda). Die Unternehmen stellen sich auf diese Weise dar als Institute, denen nichts so sehr am Herzen liegt wie das Wohlergehen der Allgemeinheit und die die größten Mühen und Kosten auf sich nehmen, um den Menschen zu Arbeit und Gütern zu verhelfen. Lästig genug darum, von Gewinnen überhaupt noch reden zu müssen, ist es dem Unternehmer doch viel wichtiger, „sich über seine Funktion in Staat und Gesellschaft Gedanken zu machen, sich seiner Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. .. bewußt zu werden" (ASU 1965). Zwar gibt es Fälle, in denen es heißt, „wirtschaftliches Denken und die mit der unternehmerischen Tätigkeit verbundene Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit sorgfältig abzuwägen" (dass., 1966), doch dürfte über das Ergebnis dieses Abwägens kein Zweifel bestehen. Mit besonderer Deutlichkeit kommt die Strategie der „Herstellung von Interessenidentität" in den letzten Jahren in der aufwendigen Werbekampagne des Bundesverbandes deutscher Banken zum Ausdruck, in der sich die Banken in erster Linie als Motor der Wirtschaft, Garant der Stabilität und Hüter des Wohls aller kennzeichnen (— und sich in zweiter Linie von dem Vorwurf, zu viel Macht zu besitzen, reinzuwaschen suchen). Die Banken erfüllen „lebenswichtige Funktionen", denn sie „finanzieren die notwendigen Investitionen, den technischen Fortschritt und damit die Welt von morgen", in der „vieles von dem, was heute noch utopisch erscheint", realisiert sein wird (1968); ohne Banken gäbe es keine neuen Arbeitsplätze, keine neuen Straßen, keine Umweltschutz-Investitionen, denn „Die Zukunft braucht Kredit" (1971). Solche Aussagen tragen insofern einen Kern von Wahrheit in sich, als tatsächlich das Verhalten vor allem der Großbanken das Wirtschaftsgeschehen maßgeblich bestimmt, doch suchen sie gleichzeitig die ökonomische Bedeutung der Banken zur moralischen Überlegenheit zu Überhöhen und die ihrem Handeln zugrunde liegenden Interessen zu verschleiern: „Weil die Banken was vom Geld verstehen, drängen sie auf Stabilität" und „reden nicht nur von Stabilität. Sie zahlen auch ihren Preis dafür", fühlen sie sich doch „als Treuhänder ihrer Sparer und eines großen Teils des Volksvermögens" zum Handeln verpflichtet (1971). Daß indessen die Bereitschaft, durch Kredite die „Zukunft" zu finanzieren, und überdies das vor allem in der Eigenwerbung einzelner Banken zutage tretende Bestreben, auch den „kleinen Mann" zur Kreditaufnahme und damit zu vermehrten Käufen zu bewegen, das Versprechen, für Stabilität zu sorgen, durchaus beeinträchtigen kann, soll der umworbenen Öffentlichkeit trotz aller „Verantwortung" ihr gegenüber dabei möglichst nicht bewußt werden.

Ähnlicher Widerspruch zwischen dem eifrigen Bekenntnis zum allseits erstrebten Ziel und der Vagheit und sogar Unwahrhaftigkeit in den Äußerungen zu seiner Realisierung zeigt sich da, wo die Werbung den Beitrag der Verbandsmitglieder zur Lösung konkret anstehender Probleme — wie z. B.dem der Vermögens-bildung — herausstreicht: „Vermögensbildung für alle — das ist eine der wichtigsten politischen Aufgaben in den 70er Jahren. Die Banken tun einiges dafür: durch fundierte Beratung, durch maßgeschneiderte Anlageprogramme, durch intensive Information. Vermögens-bildung ist ihr Metier" (1970). Würden diese Maßnahmen ausreichen, wäre die Frage der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wohl kaum zum politischen Problem geworden; daß an weitergehende Maßnahmen seitens der Banken jedoch nicht gedacht ist, zeigt sich an dem warnenden Zusatz: „Allerdings, auf Kommando ist noch keiner reich geworden" (ebenda). Neue Initiativen auf diesem Gebiet müssen sogar als überflüssig erscheinen, wenn es heißt: „Uber Vermögensbildung kann man reden und reden. Oder einfach was tun. Mit einer Chemieaktie gehört Ihnen ein Stück vom Vermögen eines Chemiekonzerns. ... Weshalb schreiben und schreiben und reden und reden die Leute da, um unbedingt ganz etwas Neues zu . erfinden'. . .? Wo's doch Aktien schon gibt!" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1970).

Die Welt soll demnach als grundsätzlich heil — und zwar heil auf Grund des Wirkens des jeweils werbenden Verbandes —, die Diskussion von Problemen als böswillige Falsch-information gelten. So ist denn für das Wohlergehen der Nation ausreichend gesorgt, solange z. B. die „Deutsche Steinkohle" ihre eigene Zukunft gesichert sieht, denn „Stimmen im Revier die Kohlen, dann stimmen sie auch im Bundesgebiet"; „Solange das [Förder-] Rad läuft, hält es unsere Wirtschaft in Schwung. Es bewegt uns alle!" (1967). Entsprechend kann man, da die Landwirtschaft „allen dient", folgern: „Intakte Landwirtschaft — gesunde Volkswirtschaft!" (1971), wird doch die Wirtschaft nur solange florieren, wie die Landwirtschaft „unsere Versorgung sichert" (1965). Zur Verstärkung dieses Eindrucks und zu dem Zweck, vergesB sen zu machen, daß die Landwirtschaft mit ihrer anachronistisch kleinbetrieblichen Struktur für die bundesrepublikanische Gesellschaft ein noch immer nicht gelöstes Problem darstellt, verweist die „Deutsche Agrarwirtschaft" in ihrer Werbung zudem seit Jahren unablässig auf ihre hervorragenden Leistungen in puncto Modernisierung, Ertragssteigerung und Qualitätsverbesserung und liefert auf diese Weise immerhin ein im Vergleich zum Gros der Verbandswerbung erhebliches Maß an — wenn auch einseitiger — Information.

Auch die Gewerkschaften suchen sich durch die „Interessen des Ganzen — der Allgemeinheit" (Deutsche Postgewerkschaft 1967) zu rechtfertigen; auch sie „sichern den Fortschritt" (DGB 1970) und stehen z. B. „auf der Seite der Verbraucher", wenn sie Reformen zur Verhinderung von „Preistreiberei" fordern (DGB 1971). Im Unterschied zu den bisher erwähnten Verbänden geht es ihnen jedoch tatsächlich eher um Allgemein-als um Partialinteressen; immerhin vertreten die Gewerkschaften mit den Interessen der Arbeitnehmer — zumindest dem Anspruch nach — legitimerweise zugleich die Interessen der „Mehrheit". Das Allgemeinwohl, das sie für sich reklamieren, ist darum auch weniger durch die Vorrangigkeit der „gesunden Wirtschaft" — eine Formel, hinter der sich in aller Regel partielle Geschäftsinteressen verbergen — als durch das Motto „Mensch im Mittelpunkt" charakterisiert, denn „Alles Streben nach Leistung und Fortschritt ist ohne Sinn, wenn der Mensch dabei vergessen wird. Die Gewerkschaften kämpfen für den elementaren Anspruch des Menschen auf soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und Frieden", sie verteidigen „die freiheitlichen Rechte des Menschen", treten ein „für den Schutz der Demokratie" und dienen damit „dem Menschen. Jedem Menschen. Auch Ihnen!" (DGB 1971).

Diese allerdings nur vage angesprochenen Allgemeininteressen — wie selbst die Forderung: „Auch in der Wirtschaft darf es keine Untertanen geben" (IG Metall 1966) — könnten bei näherer Konkretisierung durchaus geeignet sein, über das Bestehende hinauszuweisen; gerade in der Öffentlichkeitsarbeit der Gewerkschaften zeigt sich indessen auch das Bestreben, sich an eine Öffentlichkeit anzupassen, die am Bestehenden festhalten will. So heißt es denn über die Leistungen der Gewerkschaften, daß sie den „Arbeitsfrieden sichern" (DGB 1966) und „zur politischen Stabilität in unserem Lande" beitragen (DGB 1965) — „zum Nutzen der gesamten Wirtschaft" (DGB 1966). b) Der ideale Status quo Am leichtesten nämlich scheint es sich mit der Berufung auf den — idealisierten — Status quo zu werben, — trotz der Verbreitung eines Fortschrittsoptimismus, der verheißt, daß es ohne qualitative Veränderungen und ohne Brüche in der Entwicklung ständig weiter aufwärts gehe: „Unsere Wirtschaft ist gesund. Weil sie wächst!" (Bundesverband deutscher Banken 1968), darum wird „Das Jahr 1969 .. . wieder ein Jahr des Fortschritts" (BDA 1968). Da vor allem Unternehmerverbände mit solchen Verheißungen werben, ist es verständlich, daß im Mittelpunkt derartiger Werbung die Idealisierung der Marktwirtschaft steht: „Wir bekennen uns zur sozialen Marktwirtschaft, weil sie die beste aller bisher praktizierten Wirtschaftsordnungen ist. Weil sie allein ein hohes Maß an Wohlstand und gleichzeitig ein Maximum an persönlicher Freiheit garantiert" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972). Zweifel an dieser Aussage, die im Zeichen der Konzentration und der zunehmenden Macht relativ weniger Großunternehmen aufkommen könnten, werden entkräftet mit dem Verweis auf den (realiter längst weitgehend durch „Kooperation" ersetzten) Wettbewerb: „Tatsächlich ist in keinem anderen Land der Wettbewerb ... schärfer als in der Bundesrepublik. Für die Ausübung wirtschaftlicher Macht bleibt da nicht viel Raum", ist doch der Wettbewerb „ein Kontrolleur", der „Willkür und Machtmißbrauch (verhindert), härter und unerbittlicher als es ein staatlicher Kommissar oder wer sonst jemals sein könnte“ (Bundesverband deutscher Banken 1970). Zudem muß man offenbar grundsätzlich von einer Harmonie zwischen Unternehmens-und Gesamtinteressen ausgehen: Wenn die Wirtschaft nur „gesund" ist, wenn sie wächst, und „Wachstum ... auch das Ziel jedes Wirtschaftsunternehmens" ist (dass. 1968), kann darüber, wer die wahren Treuhänder der Allgemeininteressen sind, kein Streit entstehen. Schließlich sind noch darüber hinaus „Die Unternehmer ... eine Gruppe in unserer Gesellschaft, die die Freiheit unseres wirtschaftlichen und politischen Lebens in Wahrheit sichert und erhält" (ASU 1965), weswegen z. B. die Forderung der Gewerkschaften nach zusätzlicher „Wirtschaftsdemokratie" als geradezu unsinnig gelten muß (ebenda). Auch innerbetrieblich nämlich repräsentiert die bestehende Marktwirtschaft die beste aller Welten, verhindert doch die „Verantwortung für die Firma und für alle ihre Mitarbeiter“ — eine Verantwortung, die „Niemand, kein Staat und keine Gewerkschaft, ...dem Unternehmer ... abnehmen kann" (ASU 1965) — quasi automatisch jeden Machtmißbrauch. Herrschaftsverhältnisse im Betrieb gibt es nicht, da dessen Personal als „eine Arbeitsgemeinschaft im Dienst einer alle verbindenden Aufgabe" (dass. 1966) interpretiert werden muß.

Wie die Forderung nach Wirtschaftsdemokratie werden auch andere Forderungen als durch die funktionierende Marktwirtschaft längst erfüllt ausgegeben; so ist z. B. „Die beste Vermögenspolitik . . . noch immer: Expansion der Wirtschaft, wachsende Einkommen und stabile Preise" (Bundesverband deutscher Banken 1970). Vor allem aber bietet die Idealisierung der Marktwirtschaft gerade solchen Forderungen gegenüber die Handhabe, überzeugend klarzumachen, wo die Grenzen für die Erfüllung der Wünsche der einzelnen und selbst der Allgemeinheit liegen: „Auch die Vermögenspolitik muß nach den Gesetzen der wirtschaftlichen Vernunft betrieben werden"; keine noch so gut gemeinte Reformmaßnahme darf „die Fähigkeit und Bereitschaft [I] der Wirtschaft, ihre Anlagen zu modernisieren und auszubauen, beeinträchtigen" (dass.). c) Die verschleierte Realität Eine Werbung, deren Hauptakzent auf der „Herstellung von Interessenidentität" liegt, wird sich in der Regel durch einen relativ geringen Grad an sachlicher Information oder zumindest nur sehr unvollständige Information auszeichnen, kommt es ihr doch gerade darauf an, den partiellen Charakter der jeweils beworbenen Interessen zu verschleiern. Verschleierungsversuche — zu denen bereits die der Realität kaum noch entsprechende Darstellung des Wettbewerbs gehört — zeigen sich vor allem da, wo Einzelfragen ins Spiel kommen oder wo Verbände sich direkt oder indirekt gegen Vorwürfe zu rechtfertigen versuchen. So stellen sich in der Werbung des Bundesverbandes deutscher Banken die Entscheidungspraxis der Aktiengesellschaften und das Verhältnis der Großbanken zu ihnen als demokratisch, harmonisch und durch keinerlei Machtbeziehungen beeinflußt dar. Daß Bankenvertreter in den Aufsichtsräten vieler Gesellschaften sitzen, ist nur natürlich, ist es doch „In allen Industrie-ländern des Westens . . .selbstverständlich, daß Finanzfachleute der Wirtschaft ihren Rat und ihre Erfahrung zur Verfügung stellen" — völlig unparteiisch offenbar und zum Besten „nicht nur der Anteilseigner, sondern auch der Beschäftigten" (1970). Der Machtvorwurf muß darum absurd erscheinen; selbst „wenn ein Bankier in mehreren Aufsichtsräten sitzt, entsteht daraus keine Machtzusammenballung. Wenn es schon bei einer einzelnen Gesellschaft nicht möglich ist, einen geschäftsfremden Einfluß auszuüben [was hier einfach unterstellt wird], wieviel weniger lassen sich dann die Interessen vieler, meist auf ganz verschiedenen Gebieten tätiger Unternehmen in einem bestimmten Sinn beeinflussen“ (ebenda). Daß gerade durch die Anwesenheit der Vertreter eines Bankhauses in mehreren Aufsichtsräten die Koordinations-, Kooperations-und Konzentrationsvorgänge in der Industrie wesentlich gefördert werden, wird dabei unterschlagen Ebenso soll das Vollmachtstimmrecht von dem Vorwurf, in erster Linie den Banken Machtzuwachs zu bringen, reingewaschen werden, denn schließlich basiert es auf dem „Vertrauen" der Aktionäre zur Bank, die mit der Vollmacht auch „nicht nach Belieben schalten und walten“ kann, sondern an die Weisungen des Aktionärs (die in der Praxis in aller Regel gar nicht gegeben werden) gebunden ist — „ob sie ihr gefallen oder nicht"; das Vollmachtstimmrecht ist darum für die Banken „kein Vorrecht, sondern eine Pflicht. Eine Dienstleistung im Interesse ihrer Kunden und der gesamten Wirtschaft" (1971). Wie diese Aussage indessen zu interpretieren ist, zeigt sich an der unscheinbar eingeschobenen Warnung, daß ohne das Vollmachtstimmrecht „Zufallsmehrheiten [! ] in den Hauptversammlungen" drohten, wofür es in anderen Ländern „abschreckende Beispiele" gebe (ebenda).

Wie hier in der Bankenwerbung so werden auch in der Werbung des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. (die sich seit einiger Zeit gegen heftige Kritik seitens der Öffentlichkeit zur Wehr zu setzen versuchen) Ideal, Anspruch oder Auftrag zu Verschleierungszwecken der Realität gleichgesetzt. Entgegen anderslautenden und unqualifizierten Behauptungen (denn „Das Bild, das sich die meisten vom Chefarzt machen, stammt nicht aus dem Krankenhaus. Sondern aus dem Lichtspielhaus. Oder aus Arzt-Romanen") ist nämlich der Chefarzt weder autoritär noch hat er Herrschaftsbefugnisse; er hat lediglich gegenüber den Assistenten, die sich schließlich „noch in fachlich-beruflicher Aus-und Weiterbildung befinden", ein „Weisungsrecht", das „in seiner ärztlich-menschlichen Qualifikation begründet ist" — womit unterstellt ist, daß einer, der an der Spitze steht, notwendig der Qualifizierteste sein muß. Auch stimmt es nicht, daß Chefärzte sich in erster Linie um ihre Privatpatienten kümmerten, sind sie doch „von ihrem ärztlichen Auftrag her verpflichtet, die Kranken aller Pflegeklassen medizinisch optimal und ärztlich nach bestem Wissen und Gewissen zu betreuen" und können sie doch als die menschlich und ärztlich Qualifiziertesten im Krankenhaus kaum ihrem Auftrag zuwiderhandeln. (1972)

Die wesentlichste Spielart der Verschleierungstaktik ist das Weglassen unliebsamer Details. So heißt es beispielsweise zur Frage der Vermögensbildung: „Vermögen bildet sich nicht ohne eigenes Zutun; die Vermögensbildung verlangt private Initiative: Sparen sowie die Wahl der geeigneten Sparform“ (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972); daß es darüber hinaus noch darauf ankommt, das nötige Geld zum Sparen zu haben, wird als offenbar nebensächlich nicht erwähnt. Die „von keiner Ideologie beschwerte" und damit anscheinend richtige „Arbeitgeber-Philosophie" wird charakterisiert als „Der Arbeitsvertrag macht uns zu Partnern; er bringt für beide Seiten Rechte und Pflichten" (ASU 1965) — die höchst interessante Frage aber, wie denn Rechte und Pflichten sich auf beide Seiten verteilen, wird mit Stillschweigen übergangen. Auch der Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. übt sich in der Kunst des Weglassens, wenn er zur Begründung seiner Behauptung, Chefärzte seien „auf die Einkünfte aus der Behandlung von Privatpatienten angewiesen", darauf verweist, daß — während der Assistent „tarifgerecht bezahlt" werde — „der Chefarzt demgegenüber nur ein relativ kleines Gehalt ohne Sozialversicherung und ohne Überstunden-und Bereitschaftsdienstvergütung bezieht", die Zahlen — und vor allem die Vergleichszahlen — jedoch verschämt verschweigt (1972).

Zum Teil kommen solche Verschleierungsversuche der Lüge bereits bedenklich nahe. Es stimmt wohl kaum, daß die Bauern als „moderne Unternehmer ... so arbeiten, wie Markt und Verbraucher es verlangen" (Deutsche Agrarwirtschaft — IMA — 1966); wäre dem so, gäbe es nicht seit Beginn der Bundesrepublik das Landwirtschaftsproblem, genausowenig wie es je Zechenstillegungen und eine „Kohlenkrise" gegeben hätte, wenn tatsächlich „Ohne Kohle ... die Elektrizitätsversorgung zusammen" bräche (Deutsche Steinkohle 1967).

Schließlich aber verschleiert die Werbung Tatbestände allein durch sprachliche oder sachliche Verunklarung der eigenen Argumente. Das Argument z. B.: wenn „unsere Bauern ... nicht wären, wären wir den Launen jedes Anbieters ausgesetzt. Und müßten für Lebensmittel viel mehr bezahlen" (Deutsche Agrarwirtschaft — IMA — 1966), spricht jeder Sachlogik Hohn und will lediglich eine emotionale Präferenz für den deutschen Bauern erzeugen. Ebenso läßt die Aussage: „Zweifellos sind auf manchem Gebiet Reformen erforderlich. Aber diese Reformen müssen Bestandteil klarer politischer Zielsetzungen sein und dürfen nicht zum Objekt planlosen Kurswechsels werden" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972), viele Fragen offen. Hinter den unbeantworteten Fragen danach, welche politischen Zielsetzungen als „klar" klassifiziert werden können und wem wohl „planloser Kurswechsel“ unterstellt wird, scheint indessen die vorsichtige Diffamierung des nicht genannten Gegners durch. 2. Werbung zur Durchsetzung konkreter Ziele a) Die Ziele Während in den Public Relations der Verbände, in dem Versuch, allgemeines Verständnis und Wohlwollen für den Verband zu erzeugen, verschleiernde Aussagen und vage Gemeinwohl-Interpretationen überwiegen, müßte man dort, wo es um spezielle Fragen und Einzelziele geht, größere Konkretheit und vermehrten Sachgehalt der Aussagen erwarten. Verblüffenderweise tauchen jedoch in der Mehrzahl der Verbandsinserate konkrete Ziele überhaupt nicht auf. Selbst in der Werbung der Gewerkschaften, die am ehesten dazu prädestiniert scheinen, Forderungen zu erheben, werden allenfalls globale Ziele wie Mitbestimmung, Bildung für alle, Preisstabilität genannt; die Explizierung der Einzelmaßnahmen zur Erreichung dieser Ziele ist offenbar nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt, sondern bleibt Broschüren, Gesetzentwürfen u. dgl. vorbehalten.

Die Werbung der Unternehmer-und Selb-Ständigenverbände, die ohnehin den größten Teil der Verbandswerbung ausmacht, nennt in der Regel gar keine eigenen Ziele, geht es diesen Verbänden doch zumeist lediglich darum, Maßnahmen des Gesetzgebers oder Forderungen anderer Gruppen abzuwehren — d. h. die Ziele werden hier nur „negativ" bestimmt. Als positive Forderungen vorgeschoben werden allenfalls so hehre Ziele wie die Erhaltung der Marktwirtschaft oder noch allgemeiner die Erhaltung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. So forderten die Verbände der Versicherungsunternehmen anläßlich der Anhebung der Pflichtversicherungsgrenze: „Diese private Entscheidungsfreiheit darf durch den staatlichen Versicherungszwang nicht weiter eingeschränkt werden" (Die privaten Krankenversicherungen 1968); „Der Zwang zur gesetzlichen Krankenversicherung nähme ihnen das Recht der Freiheit in der Gesundheitsvorsorge. Das darf nicht sein! Der Anspruch auf Selbstverantwortung muß vom sozialen Rechtsstaat respektiert werden" (dass. 1969); es ist nämlich „nicht mit den Grundsätzen unserer freiheitlichen Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung in Einklang zu bringen . . ., den Versicherungszwang unbegrenzt auszudehnen [—-eine Aussage über gesetzgeberische Vorhaben übrigens, die so eine Unterstellung ist —]" (Verband der Lebensversicherungs-Unternehmen e. V. 1968). Auch hinsichtlich der Vermögensbildung heißt es: „Diese Freiheit bei der Vermögensbildung darf nicht eingeschränkt werden" (Bundesverband deutscher Banken 1970), denn „Pläne, die auf Zwangsmaßnahmen basieren, greifen in das freiheitliche und rechtsstaatliche Gefüge unserer Wirtschaft ein und richten nur Schaden an" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972); da solche Pläne Eigentumsrechte tangieren könnten, erscheinen sie sogar als verfassungswidrig: „Das Grundgesetz garantiert jedem Bundesbürger das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Voraussetzung dieser persönlichen Freiheit ist eine freiheitliche Wirtschaftsordnung. Und eine freiheitliche Wirtschaftsordnung ist nicht denkbar ohne Privateigentum" (dass.). Während diese Berufung auf die Freiheit schon als höchst problematisch angesehen werden muß — reduziert sie doch implizit die Freiheit auf die der Besitzenden —, wird die Fragwürdigkeit solcher Argumentation noch deutlicher in der Berufung auf die „soziale Gerechtigkeit":

„Gleiches Recht für alle. Das soll offensichtlich nicht für die Wahl der Krankenversicherung gelten. Die Regierung beabsichtigt, für die privat versicherten Angestellten die gesetzliche Krankenversicherung zu Vorzugs-bedingungen zu öffnen. Arbeitern wird die Wahlmöglichkeit aber weiterhin vorenthalten. Sie bleiben diskriminiert. . . Da stimmt doch etwas nicht mit der sozialen Gerechtigkeit!" (Die privaten Krankenversicherungen 1970). „Diskriminiert" sind die Arbeiter wohl eher durch geringes Einkommen als durch die vorenthaltene Wahlmöglichkeit, doch ist die Sorge um die Arbeiter ohnehin nur vorgeschoben; „Gerechtigkeit" ist nichts anderes als die Sicherung des eigenen Gewinns, denn was mit ihr in der Sicht der Krankenversicherer „nicht stimmt", dürfte lediglich die Tatsache sein, daß ihnen mit der Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung Beitragszahler verlorengehen, ohne daß sie sofort einen Ausgleich dafür erhielten.

Eine weitere Methode, die Angabe eigener Verbandsziele zu umgehen, ist die der Berufung auf den Willen der „Mehrheit". So werden die „ 18 Millionen Privatversicherten" herangezogen als „der eindeutige Beweis für den Willen [unterstellt wird hier: für den Willen aller], die Absicherung der kostbaren Gesundheit in privater Initiative so zu regeln, daß zuverlässig und finanziell ausreichende Hilfe gewährleistet ist" (Die privaten Krankenversicherungen 1968); „Eindeutiges Votum der Angestellten. Bereits im ersten Monat nach Verkündung des Finanzänderungsgesetzes 1967, das die Versicherungspflicht für die Angestellten einführte, haben sich Tausende der Betroffenen für die Freiheit entschieden" (Verband der Lebensversicherungs-Unternehmen e. V. 1968). Ein Verband braucht das Odium, eigene, egoistische Forderungen an die übrige Gesellschaft zu stellen, nicht auf sich zu nehmen, wenn er sagen kann: „Die meisten Bundesbürger sind ... — wie Meinungsumfragen ergaben — für die Erhaltung unserer Kohle zur Sicherung der Energie-versorgung. Sie stehen daher hinter den verantwortungsbewußten Politikern, die jetzt die Entscheidung für die Zukunft zu treffen haben" (Deutsche Steinkohle 1967). Mit dieser Aussage wird aber nicht nur das Verbandsziel zum Ziel der Mehrheit stilisiert, sondern zugleich indirekt jede entgegenstehende Meinung zu einer „verantwortungslosen" gestempelt, die sich nicht um die Zukunft sichert. Einer der wenigen Verbände, die in ihrer Werbung konkrete Ziele anvisieren, ist der Bauernverband — so wenn er fordert: „Wir erwarten Nägel mit Köpfen: Erhöhung der Erlöse über die Mehrwertsteuer; einen vollen, unbefristeten Grenzausgleich für alle landwirtschaftlichen Produkte" (1971). Auch hier werden indessen in der Regel weniger die Ziele als die ernste Situation, in der der Verband sich befindet, expliziert, woran die Forderung nach „Gerechtigkeit" sich anschließt: „Der Großteil der Bauern ist in Existenznot. ... Alle Wirtschaftszweige erhöhen die Preise, wenn die Kosten steigen. Allein der Landwirtschaft ist das verwehrt [— wobei man sich fragen muß, warum denn wohl —]. So kann es nicht weitergehen. Gerechtigkeit für die Landwirtschaft" (dass.). Zum Teil werden zur Erläuterung der miserablen Lage sogar detaillierte Daten und Zahlen angegeben — wobei dennoch ein Verschleierungseffekt erzielt wird, bleibt doch bei der Klage " Sie [die Bauern] verdienen ein Drittel weniger als vergleichbare Berufe" (1970) die Frage offen, welche Berufe denn als „vergleichbar" herangezogen wurden. Ähnlich verschleiernd wirkt die Darstellung der ernsten Lage in den Anzeigen der „Deutschen Steinkohle", wenn etwa geklagt wird: „Unsere Zechen haben die höchste Leistung Europas. ... Trotzdem mußten bis heute 43 Großschachtanlagen . . . stillgelegt werden" (1966), die Angabe der Gründe aber, warum nämlich die Zechen stillgelegt wurden, unterbleibt. Mitteilungen wie die, daß die „Kohlenkrise" von den Unternehmen weitgehend selbst verschuldet war und daß Z. B. nicht die unrentabelsten, sondern gerade die rentableren Zechen (als „schwächste Glieder" großer Konzerne) stillgelegt wurden, könnten die Umworbenen auch nur verwirren. b) Die drohenden Gefahren Wo der Ernst der Lage beschworen wird, ist der Appell an Angstgefühle und sogar die Drohung nicht weit. Forderungen brauchen dann kaum mehr eigens erhoben zu werden — sie ergeben sich von allein im Bewußtsein des Umworbenen, der durch Angst motiviert wird, sich schnellstens für die Abwehr der geschilderten Gefahren einzusetzen. Von ahnungsvollen Bemerkungen flankiert und damit die eigene Werbung rechtfertigend — „Damit später keiner sagen kann, er hätte es nicht gewußt" (Deutsche Steinkohle 1966) —, wird eine düstere Zukunft herbeizitiert: „Wie lange soll das Zechensterben noch weitergehen? Als ob wir nicht in absehbarer Zeit unter Energie-mangel leiden würden" (—-eine Behauptung, die jeglichen Beweises ermangelt —); „Die Pleite können wir noch selbst erleben!" — die „Pleite" nämlich, daß „wir wegen kurzfristiger Preisvorteile die Grundlagen unserer Existenz (gefährden)" (dass.). Zur Mobilisierung von Ängsten zieht die Werbung der „Deutschen Steinkohle" sogar Schlagworte aus der dem deutschen Bürger noch immer nicht ganz geheuren Gewerkschaftsbewegung heran: „Alle Räder stehen sill. Ohne Kohle ist wirtschaftlicher Wohlstand undenkbar" (1966), oder sie wendet sich an private Sorgen des Umworbenen: „Ab morgen keine Lire mehr? Auch morgen wollen wir Lire, Peseten oder Franken für Sonne und Urlaub. Deshalb brauchen wir Devisenüberschüsse. Wenn wir allerdings immer mehr Milliarden für immer mehr Energie aus fernen Ländern ausgeben, kann das unsere Devisenüberschüsse gefährden" (dass.).

Häufig allerdings bleibt die Angsterzeugung abstrakt, hat doch die Werbeforschung ergeben, daß die Nennung ganz konkreter Gefahren Unwillen und Abwehrreaktionen gegen die Werbung selbst hervorrufen kann So wird denn lediglich an die Sorge vor einer ungewissen Zukunft appelliert: „Millionen verantwortungsbewußter Menschen, die ihre Gesundheit anders gesichert wissen wollen, als es die Zwangsversicherung vermag, sehen mit Sorge in die Zukunft" (Die privaten Krankenversicherungen 1968), oder es heißt gleichermaßen vage und bedeutungsschwer: „Wollen Sie ihre Ernährung ganz dem Zufall überlassen?“ (Deutsche Agrarwirtschaft 1971). Dieselbe Funktion, abstrakte Ängste zu erzeugen, erfüllt die beliebte Warnung vor „Experimenten": die Preisbindung der Markenartikel ist „der beste Schutz für die Verbraucher. Deshalb Hände weg vom Verbot der Preisbindung! Keine Experimente!" (Markenartikelverband 1969); „Rückschritt oder Fortschritt: Entscheidend hierfür ist der Gewinn! Darum keine Experimente mit dem Gewinn der Unternehmen" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972); „Unsere Patienten dürfen nicht zum Objekt ideologischer Experimente werden" (Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. Landesgruppe Hessen, 1970).

Wie im letzten Beispiel einer Krankenhaus-reform kann jeder in der Diskussion befindlichen Reform unterstellt werden, daß sie Unsicherheit mit sich bringe und „die Zukunft gefährde", denn jede Änderung ist mit Unruhe verbunden und widerspricht damit einem Sicherheitsbedürfnis, das zuallererst im Gewohnten Halt finden zu können meint. Vor allem die Werbung der Unternehmerverbände macht sich diese Haltung zunutze, um die Stellung der Privatwirtschaft zu festigen: „Wer glaubt, auf diesen Leistungswettbewerb verzichten zu können, zerstört die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und gefährdet unsere ökonomische Zukunft. ... Romantische Vorstellungen von einer . vollkommenen Ordnung’ mögen manchem lieblich in den Ohren klingen. In Wirklichkeit führen sie über den Glaubenssatz von der . Gleichheit für alle'zu einer . Verschlechterung für alle'" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972). Was für globale Reformideen gilt, gilt natürlich auch für spezielle Reformpläne wie z. B.den der Steuerreform: mit ihr „wächst die Gefahr der Kapitalauszehrung und schwerer wirtschaftlicher Schäden alarmierend an. Und dieser Alarm gilt nicht nur für die Aktiengesellschaften und sonstigen Wirtschaftsunternehmen, er gilt für unsere gesamte Volkswirtschaft, für jeden einzelnen Bundesbürger" (dass.).

Schließlich werden sogar nationalistische Ängste gegen jede Art von „Abhängigkeit" ins Feld geführt, um beim Umworbenen die gewünschte Resonanz zu erzielen: „Wollen wir uns abhängig machen, indem wir unsere wertvollste Energiequelle preisgeben" — noch dazu von so dubiosen Mächten wie den Olländem in Afrika und im Mittleren Osten —?; „Sicherheit braucht mehr als Waffen. Energie aus deutscher Kohle sichert unsere Unabhängigkeit. Wer Freiheit will ..., braucht Unabhängigkeit in der Energieversorgung" (Deutsche Steinkohle 1966).

Die Erzeugung solcher Ängste findet noch ihre Ergänzung in der mehr oder weniger offenen Drohung. So wird hauptsächlich staatlichen Instanzen bei Durchführung von vom Verband abgelehnten Maßnahmen deren Scheitern angedroht — wenn z. B.der BDF darauf hinweist, daß der „Leber-Pfennig", würde er eingeführt, sofort und „notgedrungen" über-wälzt würde; höhere Straßensteuern brächten nichts als Preiserhöhungen — auch im Export, und „Kann Deutschland sich das leisten?" —, und „sein Ziel wird der Staat damit trotzdem nicht erreichen" (1968). Sogar eine Konjunkturgefährdung wird verheißen, schwächen doch die angedrohten Preiserhöhungen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft (dass.). Aus solchen wie aus ähnlichen Äußerungen anderer Verbände schält sich das Bild einer höchst empfindlichen Unternehmenswirtschaft, die auf jede nicht ganz in ihrem Sinn erfolgende staatliche Maßnahme „notgedrungen" mit Preiserhöhung, nachlassender Investitionsbereitschaft u. ä. reagieren muß, weswegen jede derartige Maßnahme zum Ruin der Wirtschaft führen wird: „Widersprüchliche politische Pläne [— das „widersprüchlich" steht dabei offenbar für jede Änderung —].. . gefährden die ökonomische Leistungskraft. Die Folgen sind Unsicherheit, Lähmungserscheinungen, Verbitterung" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972) und also Rückgang des ökonomischen Wachstums und damit auch des Wohlstands. Darum können „nur rationale, auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abgestellte Entscheidungen zum Erfolg führen" (BDF 1969); die staatlichen Instanzen haben sich an die „Gesetze der wirtschaftlichen Vernunft" zu halten, die dadurch definiert sind, daß nicht „die Fähigkeit und Bereitschaft der Wirtschaft" zur Neuinvestition beeinträchtigt wird (Bundesverband deutscher Banken 1970). Wie leicht indessen eben diese Bereitschaft beeinträchtigt werden kann, zeigt sich in der versteckten Drohung, daß die Unternehmen „aber auch ein politisches Klima (brauchen), das diese Leistungskraft stärkt!" (Arbeitskreis zur Förderung der Aktie e. V. 1972). Ähnlich sensibel sind auch andere Berufs-stände, namentlich die Ärzte, die z. B. in der Frage des „Nulltarifs" bei kieferorthopädischen Behandlungen das Chaos in den Zahn-arztpraxen, „eine unabsehbare Kostenlawine für unsere Krankenkassen und empfindliche Beitragserhöhungen für alle Versicherten" verheißen, wodurch „den wirklich Betroffenen am wenigsten geholfen" werde (Bundesverband der Deutschen Zahnärzte 1971); soll darum „der Gewerkschaftslobbyismus über zahn-medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse und heilpädagogische Erfahrung siegen?“ (dass.) — eine Frage, die mit dem Problem des „Nulltarifs" kaum etwas zu tun hat, wohl aber geeignet ist, diffuse Ängste vor undurchschaubaren Machenschaften mächtiger Organisationen zu wecken. Unverblümter noch droht der Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. in der Abwehr von Plänen zur Krankenhausreforni: Klassenlose Krankenhäuser nämlich bedeuten nicht nur, daß „ 15 Mrd. Mark ohne medizinischen Effekt vergeudet" werden und deswegen „jeder Einkommensbezieher . . . etwa 24, — DM pro Monat zusätzlich zahlen" müßte; da darüber hinaus in klassenlosen Krankenhäusern nicht dem Bedürfnis nach „einer den individuellen Lebensnotwendigkeiten gerechtwerdenden Krankenhausbehandlung" Rechnung getragen werden kann, „würden die Ärzte ihre Patienten wieder in eigenen Kliniken behandeln. Wir hätten dann eine Zweiklassenmedizin, bei der hochqualifizierte Ärzte nur noch für Privatpatienten zugängig wären" (1970). Deutlicher und zynischer kann das Ausspielen der eigenen Macht wohl kaum angekündigt werden.

Schließlich aber — wenn auch selten — wird sogar mit versteckter Gewaltandrohung operiert, um dem Verband genehme Maßnahmen zu erzwingen: „So kann es nicht weitergehen. . . . Die , grüne Faust'schlägt auf die grünen Tische, daß es von Bonn bis Brüssel zu hören sein wird: Schluß mit den Vertröstungen und halben Maßnahmen!“ (Deutsche Agrarwirtschaft 1971). c) Die verantwortungslosen Gegner Die untergründigen Ängste, die die Verbands-werbung in der Abwehr von unliebsamen Maßnahmen zu erzeugen versucht, werden noch weiter gefördert durch die Diffamierung derer, die den Verbandsinteressen entgegenstehen. Solche Diffamierung beginnt bereits mit der Einteilung der Menschen in „verantwortungsbewußte" und verantwortungslose, mit der Charakterisierung anderer Pläne als „ideologisch" oder etwa auch mit abwertenden Bezeichnungen wie „Lobbyismus", „Bevormundung“, „Utopie". Der jeweilige Gegner braucht dabei gar nicht genannt zu werden; es genügt, abstrakt Haltungen zu bezeichnen: „Das ist die Berufung des Arztes. Und zu dieser Berufung stehen wir. Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit" und ist gewissenlos — „Es ist gewissenlos, die Vertrauensbasis zwischen Zahnarzt und Patient zerstören zu wollen" (Bundesverband der Deutschen Zahnärzte 1971). Auf ähnlich indirektem Weg geht die Diffamierungstaktik vor, wenn sie dem nicht genannten Gegner Dinge unterstellt, die der Umworbene als negativ und verderblich auffassen muß, die aber keinem konkreten Gegner unterstellt werden können, weil sie in der vorgebrachten Form schlicht unwahr sind: „Immer lauter hallt der Ruf nach Mitbestimmung in weiten Bereichen der Wirtschaft, des öffentlichen Lebens. Gleichzeitig soll sie aber im Bereich des privaten Lebens geschmälert werden. Da, wo es um die Vorsorge für die Gesundheit geht, will man sogar die persönliche Entscheidungsfreiheit ganz abschaffen" (Die privaten Krankenversicherungen 1968); „Wer will Bauern opfern?" (Deutsche Agrarwirtschaft — IMA — 1966).

In der Regel ist die Regierung bzw. sind „die Politiker" der gemeinte Gegner, der häufig genug sehr direkt angegriffen wird: „Nicht wahr, Herr Leber: Mit Verboten und Bluff löst man keine Verkehrsprobleme! Oder glauben Sie etwa selbst, daß Sie in Ihrer , Regierungszeit'besonders erfolgreich gearbeitet haben?

... Wir verstehen zwar, daß Sie es nicht mit der Eisenbahner-Gewerkschaft verderben wollen. Wir verstehen auch, daß Sie Entscheidungen scheuen, die Wählerstimmen kosten können. Wir verstehen, aber wir billigen es nicht. Denn wir meinen: Verkehrspolitik läßt sich nicht emotional, sondern nur rational betreiben" (BDF 1969). Zu den beliebtesten Vorwürfen gehören dabei der der Unwahrhaftigkeit — „Nicht wahr, Herr Leber: Ein Minister-Eid verpflichtet auch zur Wahrheit!"

(dass.), „Herr Bundeskanzler — gilt Ihre Regierungserklärung noch?" (Die privaten Krankenversicherungen 1970) —, der der Popularitätshascherei — „Es ist unverantwortlich, wenn Politiker die Errichtung sogenannter [I] klassenloser Krankenhäuser als Wahl-schlager propagieren" (Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. 1970) — sowie der der Einseitigkeit und Ideologiehaftigkeit — „Der Regierungsentwurf entspricht einseitig der Ideologie der beiden großen Gewerkschaften (ca. 7 Millionen Mitglieder). Die Interessen der Privatversicherten (ca. 10 Millionen) werden einfach übergangen" (Die privaten Krankenversicherungen 1970). Der letztere Vorwurf gerät indessen leicht ins Zwielicht, sind doch die Gruppen, zu deren Gunsten Politiker „einseitig" eingreifen wollen, häufig die sozial Schwächeren; die hinter diesem Vorwurf stehende Einstellung, daß die Schwachen, weil sie schwach sind, es eben nicht besser verdient haben, klingt denn auch an in einem Inserat des BDF: „Im 20. Jahrhundert Maschinen stürmen? Das klingt unglaublich. Aber das ist es genau. Was vor 120 Jahren die Weber versuchten, das möchte der mittelstandsfeindliche Bundesverkehrsminister Leber heute tun: den Fortschritt zerschlagen. . .. Zugunsten der kranken Eisenbahn sollen die dicken Brummer geschwächt, ausgemerzt, ja zerschlagen werden" (1968) — vernünftiger aber, so legt dieser Text nahe, wäre es doch, zugunsten des Starken das Schwache, Kranke „auszumerzen".

Ähnlich direkte Angriffe gelten ansonsten nur noch den Gewerkschaften, die man offenbar per se schon als Sinnbild der Ideologiehaftigkeit und Verantwortungslosigkeit betrachten und denen man bösen Willen darum getrost unterstellen kann. „Die deutschen Zahnärzte wollen endlich Klarheit in der Frage der kieferorthopädischen Behandlungen. Der DGB anscheinend nicht" (Bundesverband der Deutschen Zahnärzte 1971): „Nur um einer Ideologie willen versucht .. .der DGB mit Hilfe der von ihm ausgelösten unsachlichen Presse-kampagne" praktikable Lösungen zu „hintertreiben" mit dem Resultat des Chaos in den Zahnarztpraxen — „Das kann selbst [! ] der DGB nicht verantworten" (dass.). Die Gewerkschaften werden so als Störer verteufelt, die „durch Agitation und Störmanöver" die Öffentlichkeit „verunsichern“ (dass.) und zu verhindern trachten, daß Vernunft und „Sachverstand" sich durchsetzen. Zur Abwehr ihrer Manöver muß man energisch „klare Verhältnisse" schaffen (ebenda), was nur als versteckte Drohung gewertet werden kann.

Die Diffamierungstaktik taugt aber auch dazu, erwartete Gegenangriffe abzufangen: die dem Verband entgegenzuhaltenden Vorwürfe wer-15 den von diesem kurzerhand auf den Gegner projiziert. Bei den Unternehmerverbänden gilt das in besonderem Maße für den Machtvorwurf, der regelmäßig an andere Instanzen und vor allem an die Gewerkschaften weitergegeben wird nicht die Unternehmen nämlich haben Macht, sondern „Regierungen haben Macht. Gewerkschaften, Verbände, Zeitungen, Fernsehanstalten, Kirchen haben Macht. Entscheidend ist, wie sie ausgeübt, kontrolliert . .. wird", und nur Wirtschaftsunternehmen „unterliegen ...der schärfsten Kontrolle, die man sich nur wünschen kann: Der Kontrolleur heißt Wettbewerb", der wie kein anderer „Willkür und Machtmißbrauch (verhindert)" (Bundesverband deutscher Banken 1970). Demgegenüber haben die Pläne von Regierung und Gewerkschaften — hier im speziellen Fall der Vermögenspolitik — nur den eigenen Machtzuwachs zum Ziel: sie wollen durch „staatliche oder gewerkschaftliche Bevormundung" die „persönliche Entscheidungsfreiheit" des einzelnen abschaffen und erstreben eine „kapitalmäßige Machtzusammenballung", die „große wirtschaftsund gesellschaftspolitische Gefahren (birgt)" (dass.).

Selbst der Vorwurf der Diffamierung wird an den Gegner weitergegeben: „Wir wehren uns gegen einen Minister, der ... unser Gewerbe diffamiert" (BDF 1969); und auch diejenigen, die die Diffamierungstaktik mit bemerkenswerter Exzessivität anwenden, stellen kategorisch fest: „Trotz aller Diffamierungen: Die deutschen Zahnärzte lassen sich das Vertrauen ihrer Patienten nicht stehlen" (Bundes-verband der Deutschen Zahnärzte 1971). Es kommt offenbar unbedingt darauf an, als erster „Haltet den Dieb" zu rufen, um die Umworbenen vom eigentlichen Adressaten des möglichen Unbehagens abzulenken. d) Die entstellten Streitfragen Zur Abwehr von Gegenangriffen kommen auch Verschleierungstaktiken wieder ins Spiel: Sachverhalte werden so verunklart, daß sie möglichst keine Angriffspunkte mehr bieten — oder aber gegnerische Vorstellungen werden so verzerrt dargestellt, daß sie Ablehnung hervorrufen müssen. So behauptet z. B. ein Inserat der privaten Krankenversicherungen: „Unsere Regierung beabsichtigt, in ideologischer Gleichmacherei auch bei uns immer mehr Menschen — bis zum Generaldirektor und Großbauern — in die gesetzliche Krankenversicherung zu bringen" — eine Behauptung, die zum einen wohl nicht ganz richtig ist und zum anderen den Tatbestand durch die Charakterisierung als „ideologische Gleichmacherei" zum sozialistischen Schreck-bild erklärt —, woran sich die unbegründete und auch kaum begründbare Folgerung anschließt: „Zum Nachteil derer, die ihre Gesundheit individuell sichern" (1970), denn am Status der Privatversicherten ändert sich nichts, auch wenn selbst dem Generaldirektor die Sozialversicherung offensteht; gemeint ist aber offenbar ohnehin nicht der Nachteil der Privatversicherten, sondern der Nachteil der privaten Versicherungen. Während hier der Verschleierungsversuch dem der Diffamierung schon recht nahe kommt, wird dies noch deutlicher in einem Inserat des Verbandes der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V., in dem es von den gegnerischen Zielvorstellungen heißt: „Im sogenannten klassenlosen Krankenhaus würde man Geld (15 Milliarden DM) für Luxusappartements für Patienten vergeuden, die das gar nicht wollen, anstatt damit bessere medizinisch-technische Geräte, die diesen Krankenhäusern heute noch fehlen, anzuschaffen" (1970). Der gegenwärtige Zustand dagegen, in dem offenbar die Patienten der 1. Klasse mit „Luxusappartements" verwöhnt werden und dem Rest nicht einmal immer die ausreichende medizinische Versorgung zukommt, wird in einem an Zynismus grenzenden Euphemismus gerechtfertigt: „Alle Bereiche der Daseinsvorsorge berücksichtigen die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bevölkerung. Die Zahl der Zusatzversicherungen beweist, daß auch ein starkes Bedürfnis besteht, durch Aufbringung zusätzlicher Mittel eine den individuellen Lebens-notwendigkeiten gerechtwerdende Krankenhausbehandlung zu erlangen" (ebenda). Derselbe Zynismus scheint auch hervor, wenn es in Abwehr der Forderung nach kostenloser kieferorthopädischer Behandlung heißt: „Eine kostenfreie Behandlung aller Kieferanomalien würde den Bedarf an kieferorthopädischen Behandlungen unvernünftig anheizen. Unsere Zahnarztpraxen wären binnen kürzester Zeit völlig überlastet", mit der Konsequenz, daß „viele dringende Behandlungsfälle möglicherweise um Jahre hinausgeschoben werden (müßten), vielleicht so lange, bis es für eine erfolgreiche Behandlung zu spät ist" (Bundes-verband der Deutschen Zahnärzte 1971) — wobei wohl unterstellt werden kann, daß es sich bei den „dringenden Fällen", die zur Zeit noch voll zu ihrem Recht kommen, hauptsächlich um Fälle zahlungsfähiger Patienten handelt. Als geradezu klassisches Beispiel für die Mischung von Diffamierung, Verschleierung und partieller Unwahrheit, die diese Versuche zur Abwehr gegnerischer Forderungen kennzeichnet, ist schließlich folgender Text zu werten: „Wieso ist dem DGB — koste es was es wolle — daran gelegen, die deutschen Zahnärzte als geldgierige Ungeheuer darzustellen, die sich an den Leiden ihrer Patienten gesundstoßen wollen? Jede Arbeit hat ihren Preis. Und jeder Preis unterliegt der Aufsicht von Gesetzen und Gerichten. ... Es ist also reine Spekulation, wenn der DGB behauptet, eine private kieferorthopädische Behandlung müsse höher honoriert werden als eine Behandlung auf Krankenschein" (1971). Der Schwarze Peter ist hier dem DGB zugeschoben, die Frage nach dem „Preis der Arbeit" geschickt bagatellisiert — und wen interessiert schon, daß der Unterschied zwischen Privat-und Krankenscheinbehandlung beim Patienten finanziell sehr wohl nennenswert zu Buche schlägt. 3. Werbung der „Sozialpartner"

Während die Public Relations der Verbände danach trachten, den Umworbenen das Bild einer heilen und konfliktfreien Welt zu malen, und die Verbandswerbung zu konkreten Einzelfragen Konfliktaustragung durch Angst-erzeugung ersetzt oder nur in der Wendung gegen staatliche Maßnahmen durchscheinen läßt (offene Polemiken gegen andere Gruppen — wie die der Ärztewerbung gegen den DGB — tauchen nicht allzu häufig auf), muß die Werbung der „Sozialpartner" als der einzige Bereich der Verbandswerbung gelten, in dem die Interessenkonflikte gegnerischer Gruppen offen zur Debatte stehen. Die Werbung von Arbeitgebern und Gewerkschaften soll darum abschließend gesondert untersucht werden. a) Arbeitgeberverbände Kennzeichnend für den Werbestil eines Verbandes — und Indiz für die dahinterstehenden Interessen — ist zunächst, in welcher Weise die „Situation" dargestellt wird. Zur Situationsbeschreibung, die die Werbung der Arbeitgeber liefert, gehört zum einen der Verweis darauf, daß die Wirtschaft in ihrer gegenwärtigen Verfassung hervorragend funktioniert und Basis für das Wohlergeben aller ist. Sie funktioniert so gut, daß „einzigartige Einkommens-Steigerungen und soziale Verbesserungen" möglich sind (Metall-Blitz) — was in erster Linie dem Verantwortungsbewußtsein der Arbeitgeber zuzuschreiben ist, deren Hauptziel darin besteht, „das stetige Wachstum der Wirtschaft und die Vollbeschäftigung zu sichern, Löhne und Gehälter im vernünftigen Ausmaß zu erhöhen, die Stabilität des Preisniveaus zu festigen" (BDA 1968). Für dieses Programm nehmen sie beträchtliche Kosten auf sich, kostet doch schon allein „Ein einziges Prozent mehr an Lohn und Gehalt .. . die Metallindustrie jährlich über 800 Millionen DM" (Metall-Blitz 1971). • Die Erfolgsmeldungen bleiben indessen vage. Angesichts der erwähnten „sozialen Verbesserungen" ist lediglich pauschal von „Vermögensbildung, mehr Urlaub und Leistungszulagen" die Rede (ebenda); hinsichtlich der „einzigartigen Einkommens-Steigerungen" wird zwar die Steigerung der Stundenlohnverdienste von 1969 bis 1971 um 29% groß herausgestellt (ebenda), dabei jedoch unterschlagen, daß diesem Zeitraum im Gefolge der Rezession von 1966/67 eine Periode äußerster Zurückhaltung in den Lohnforderungen bei gleichzeitiger Gewinnexplosion vor-aufging und die „einzigartigen" Lohnsteigerungen demnach im wesentlichen als Nachholbedarf zu werten sind. Uber Gewinnsteigerungen lassen die Situationsbeschreibungen ohnehin nichts verlauten; nicht einmal Umsatzsteigerungen werden erwähnt.

Stattdessen — und das ist das andere Kennzeichen der Situationsdarstellung von Arbeitgeberseite — wird unermüdlich auf die Gefahren hingewiesen, die dem Wohlergehen der Industrie und damit dem Wohlergehen aller drohen. Das beginnt bereits mit der Betonung der Kosten, die die Erfüllung der Aufgaben der Industrie mit sich bringt: Die Sicherung von Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung nämlich „kostet ... viele zusätzliche Milliarden. Sie müssen erarbeitet und verdient werden. Darauf müssen wir in der Lohn-politik ... Rücksicht nehmen", ist doch weiterer Fortschritt nur möglich, „wenn wir aufpassen und die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit erkennen" (BDA 1968). „Vernunft" und Maßhalten sind nötig, denn die Lage ist immer „ernster, als viele annehmen" (Metall-Blitz 1971). Zur Verdeutlichung dieser Lage wird in bemerkenswerter Regelmäßigkeit mit dem „Kostenboom", der der Wirtschaft schwer zu schaffen macht, argumentiert — was um so leichter fällt, als die zu seiner Bewertung nötigen Vergleichszahlen wie z. B. Umsatz-und Gewinnlage in den Werbeaussagen der Arbeitgeber in aller Regel fehlen. Die steigenden Kosten aber gefährden den Export, denn „Exportieren kann nur, wer konkurrenzfähig ist. Wer besser ist als die anderen und billiger" (Verband Württemberg-Badischer Metallindustrieller 1971), und „Unsere Mitbewerber in den USA, Japan, in Westeuropa und auch im Ostblock warten doch nur darauf, daß wir Schwächen zeigen" (Metall-Blitz 1971). „Deshalb müssen wir jetzt besonders auf die Kosten aufpassen. Löhne und Gehälter sind der entscheidende Teil dieser Kosten" (Verband Württemberg-Badischer Metallindustrieller 1971), was sich darin zeigt, daß „Jedes Prozent Lohnerhöhung zuviel ... unweigerlich zu Preissteigerungen" führt (dass.); „Das schwächt uns auf dem Weltmarkt — den Vorteil hat die Auslandskonkurrenz. Die Folgen sind: Auftragsrückgang, Gefahr für die Arbeitsplätze und wirtschaftliche Flaute" (dass.).

In dieser Argumentation ist nicht nur der nationalistische Appell auffällig — in der Darstellung der Auslandskonkurrenz als feindseliger Meute, die nur danach trachtet, sich auf ein geschwächtes Deutschland stürzen zu können —, sondern gleichfalls die bekannte Mystifizierung des Wirtschaftsgeschehens zur Gesetzmäßigkeit der „Lohn-Preis-Spirale", die alle übrigen das Wirtschaftsgeschehen beeinflussenden Faktoren — wie Unternehmergewinn, Investitionen, Sparen der Arbeitnehmer, Staatsverbrauch — ignoriert. Der Zitierung dieser Gesetzmäßigkeit, auf die man sich wegen des in der Bundesrepublik vorherrschenden Inflationsbewußtseins offenbar mit Erfolg berufen kann und mittels derer der Schwarze Peter für Fehlentwicklungen sich bequem den Gewerkschaften zuschieben läßt, wird häufig das Postulat angehängt, Lohnerhöhungen im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachses zu halten —-eine Regel, die die selbstverständlich nicht genannte Forderung impliziert, daß sich die Verteilung des Sozialprodukts nicht zugunsten der Arbeitnehmer ändern dürfe. Entsprechend heißt es: „die Produktivität steigt nur noch um 3, 5 Prozent. Jedes Prozent [Lohnsteigerung] darüber geht in die Preise, entwertet die Sparguthaben, bedroht den Export, gefährdet die Arbeitsplätze" (Gesamtmetall 1971) und hieß es 1967 selbst schon zu sozialen Verbesserungen wie der 40-Stunden-Woche und einer Urlaubsverlängerung: „Das sind fast 6% zusätzliche Lohnkosten. Schon das ist zuviel! Denn das Wachstum der Wirtschaft wird für 1967 nur auf 3, 5 °/o geschätzt. Neue zusätzliche Belastungen würden zu einer ernsten Krise . . . führen" (Gesamtmetall). So lassen sich „Alarmsignale" konstruieren — „Alarmsignale in der Wirtschaft. Preise steigen. Gewinne sinken. ... Arbeitsplätze sind in Gefahr" (Gesamtmetall 1971) —, denen die stereotype Mahnung folgt: „Darum .. . Vernunft in der Tarifpolitik! Schluß mit neuen Belastungen! ... Nur dann lassen sich die Arbeitsplätze sichern" (dass. 1967).

Der Zweck dieser düsteren Schilderung der Lage ist eindeutig: mit ihrer Hilfe sollen Forderungen des gegnerischen Verbandes publikumswirksam zurückgewiesen werden, wollen doch gerade die Gewerkschaften in der Regel „zuviel auf einmal. Jeder, der vernünftig überlegt, weiß das genau. Natürlich will — und soll — jeder mehr verdienen. Aber höhere Löhne, mehr Freizeit und Sonderleistungen — das alles muß bezahlt werden" und darf — „zum Nutzen aller" — nicht auf Kosten der Leistungskraft und Stabilität der Wirtschaft gehen (BDI/BDA 1965). Sowohl diese Einschränkung als auch das Lohn-Preis-Spiralen-Argument machen klar, daß das Bekenntnis, „jeder" solle „mehr verdienen", kaum ernst gemeint ist: „zum Nutzen aller" sollen zumindest die Arbeitnehmer — also immerhin der größte Teil „aller" — zurückstehen. Der „Nutzen aller" entpuppt sich damit als der Nutzen der Unternehmer, die für sich beanspruchen, die Einkommensverteilung allein — und zwar weitestmöglich zu ihren Gunsten — zu bestimmen. Schon die Forderung nach bloßer Arbeitszeitverkürzung ist in ihren Augen darum zuviel: „Können wir es uns leisten, die Arbeitszeit zu verkürzen? Von allen Industrie-ländern Europas wird bei uns am wenigsten gearbeitet. Der lacbende Dritte ist [— wieder einmal —] die Auslandskonkurrenz“, der es zugute kommt, wenn die deutschen Waren sich verteuern — eine solche Verteuerung aber erscheint wiederum als unweigerliche Folge einer Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich. Dieser Verteuerung steht für den einzelnen Arbeitnehmer ein Zeitgewinn von „wenig mehr als einer Zigarettenlänge am Tag“ gegenüber, weshalb man sich fragen muß: „Sind die Arbeitnehmer wirklich an einer Arbeitszeitverkürzung interessiert? Oder geht es hier um das Prestigedenken ehrgeiziger Funktionäre?!" Während hier Arbeitnehmer und Gewerkschafts-„Funktionäre" auseinanderdividiert werden, wird in einem weiteren Schritt noch einmal die Arbeitnehmerschaft von der abstrakten Größe „Bevölkerung" abgespalten, denn „Unsere Bevölkerung hat für das Vorgehen der Gewerkschaft wenig Verständnis" (Gesamtmetall 1966). Die Gewerkschaft also, die mittels dieser Abspaltungen zur kleinen Minderheit geworden ist, ist Schuld, wenn der Export und damit die Arbeitsplätze gefährdet werden, und sie beschwört diese Gefahr herauf, nicht um legiB time Wünsche der Arbeitnehmer noch gar der Bevölkerung zu erfüllen, sondern allein um des Funktionärsprestiges und letztlich der eigenen Macht willen.

Das letztere Argument gilt nicht nur für die Lohnpolitik — in der die Gewerkschaften stets „neue, unerfüllbare" und sogar „maßlose Forderungen" (Gesamtmetall 1966, 1971) stellen —, sondern auch für die Forderungen zur Vermögensbildung — die gewerkschaftlichen Pläne würden hier „das Eigentum aufweichen oder beseitigen" und sind darum gleichzusetzen mit Plänen „von Linksextremisten und Kommunisten", die „mit der Vergesellschaftung die Macht an sich reißen (wollen)" (Moment 1971) —-und vor allem für die gewerkschaftliche Mitbestimmungsforderung: „Sie sagen Mitbestimmung und meinen Macht" (Aktionsgemeinschaft Sicherheit durch Fortschritt 1968). Im Zusammenhang mit der Mitbestimmung werden die Gewerkschaften geradezu als machtgieriger Moloch hingestellt, der nie zufriedenzustellen ist und schließlich auch die Freiheit jedes einzelnen auffrißt: „In keinem Land der Welt haben die Arbeitnehmer so viele Rechte und soziale Sicherheit wie in der Bundesrepublik. Das ist gut so, aber den Gewerkschaften nicht genug. Sie fordern die gewerkschaftliche Mitbestimmung. Den Gewerkschaften gehören heute die größte Wohnungsbaugesellschaft, große Versicherungsunternehmen, Banken . . . und zahlreiche andere wichtige Unternehmen. Die Gewerkschaften verfügen jährlich über Hunderte von Millionen Mark an Mitgliedsbeiträgen. Außerdem sitzen ihre Vertreter in den Parlamenten sowie in zahllosen Organisationen .. .des öffentlichen Lebens. Die Gewerkschaften haben entscheidenden Einfluß auf Löhne und Gehälter. Und das alles genügt ihnen nicht. Sie wollen ihre Funktionäre auf wichtige Posten in alle großen Unternehmen der .deutschen Wirtschaft setzen. Sie wollen überall kontrollieren, aber sich selbst nicht kontrollieren lassen. Die Gewerkschaften sagen mehr Mitbestimmung'— aber sie meinen mehr Macht. Am Ende steht der Gewerkschaftsstaat. Das ist kein Staat für mündige Bürger" (ebenda). Die Welt war demnach bis dato heil, jeder einzelne war „mündig", Macht gab es nicht — bis die machtlüsternen Gewerkschaften in diese heile Welt einbrachen, um sich alles zu unterjochen. Von einem Nutzen der geforderten „gewerkschaftlichen Mitbestimmung" für die Arbeitnehmer kann unter diesen Auspizien selbstverständlich keine Rede sein, haben doch die Arbeitnehmer bereits „die Mitbestimmung in allen Fragen, die sie betreffen. Nun fordern die Gewerkschaften eine andere Mitbestimmung ...: Betriebsfremde Funktionäre sollen in alle Aufsichtsräte ... einziehen. Unter Ausschaltung der Belegschaften! Das Ziel: Mehr Macht für die Funktionäre" (dass.). Wiederum werden also Gewerkschaften und Arbeitnehmer gegeneinander ausgespielt, denn„Mündige Mitarbeiter, im Unternehmen groß geworden [! ] und mit seinen Problemen vertraut, können ihre Interessen am besten selbst wahren" (ebenda). Schließlich läßt sich auch hinsichtlich der Mitbestimmungsforderung das Gespenst der Arbeitslosigkeit an die Wand malen: „Deutschlands Wirtschaft gilt wieder etwas in der Welt. Das haben deutsche Unternehmer und ihre Mitarbeiter gemeinsam geschafft. ... Aber wenn die gewerkschaftliche Mitbestimmung kommt, werden andere bald das Rennen machen", denn „Wer wird noch bei uns investieren und Arbeitsplätze schaffen, wenn ihm gewerkschaftliche Funktionäre hineinreden dürfen? ... Die Folgen liegen klar auf der Hand: weniger Kapital. Geringere Investitionen. Gefährdete Arbeitsplätze. .. . Und das alles, weil die Gewerkschaften uns bevormunden wollen!" (dass.)

Nahezu jede Forderung der Gewerkschaften erweist sich so als Gefahr für das Allgemein-wohl und die Gewerkschaftsorganisation selbst sich als der einzige Störer, der das optimale Funktionieren der Wirtschaft und damit den „sozialen Fortschritt" hemmt — „Wann begreifen das endlich die Gewerkschaften!" (BDA 1970).

Noch deutlicher wird diese Tendenz in der Werbung der Arbeitgeber zu aktuellen Arbeitskämpfen. Ein Streik nämlich ist nicht nur das Gegenteil von „Verantwortung, Nüchternheit und Einsicht in die wirtschaftlichen Notwendigkeiten" und „ein untaugliches Mittel, das letztlich keinem etwas nützt" (Metall-Blitz 1971), sondern bedeutet vor allem „Gefahr für alle": „Gefahr für die Arbeitsplätze überall in Deutschland" (Gesamtmetall 1971). Zum Beweis für diese These werden Autoritäten wie z. B.der Sachverständigenrat herangezogen, der „die Unternehmer und Gewerkschaften in letzter Minute vor zu hohen Tarifabschlüssen (warnt)", denn „ 6 Prozent sind das Äußerste ... Wer jetzt immer noch mehr fordert, treibt die Preise weiter hoch ..., entwertet die Ersparnisse ..., ist verantwortlich für noch mehr Kurzarbeit und gefährdet die Arbeitsplätze" (BDA 1971). Während darum „die Arbeitgeber für Stabilität sind" und also „gegen die Lohninflation kämpfen" wollen (ebenda), „bleibt die IG Metall bei ihren maßlosen Forderungen. Sie fordert mehr als 11 Prozent" (Gesamt-metall 1971) und bricht, um diese Forderung durchzusetzen, verantwortungslos und mutwillig einen Streik vom Zaun: „Die IG Metall will den Streik in Württemberg-Baden" (dass.). Sie nimmt dafür in Kauf, daß „nach wenigen Tagen . . . die größten Unternehmen im ganzen Bundesgebiet still (liegen), weil wichtige Zulieferungen aus Württemberg-Baden fehlen" und daß „auch viele Fabriken außerhalb der Metallindustrie zumachen (müssen), weil ihre Erzeugnisse nicht mehr gebraucht werden" (ebenda). Auf der Basis dieser verknappten Argumentation, die dem Großteil der Öffentlichkeit durchaus einleuchten dürfte, werden Gefahren, die mit einem Streik nicht notwendig zu tun haben, mit diesem schließlich zwingend verknüpft in der bangen Frage: „Heute streiken, morgen stempeln?" (ebenda). Der Streik soll so zur Katastrophe stilisiert werden, die auf Grund der Verantwortungslosigkeit einiger Funktionäre über die Masse der Bevölkerung hereinbricht. Auf diese Weise wird Angst erzeugt mit dem Ziel, die umworbene Öffentlichkeit glauben zu machen, daß allein ein Eingehen auf die Unternehmervorschläge die Katastrophe verhindert: „Das Angebot der Arbeitgeber dagegen ist der Weg zur Stabilität" (Gesamtmetall 1971). Ein „Streik ist keine Lösung. Nur Vernunft führt weiter" (dass.).

In dieser Art von Argumentation ist kein Platz für ein Eingehen auf die Hintergründe und realen Ursachen von Arbeitskämpfen. So fehlt denn auch in der Arbeitgeberwerbung zum baden-württembergischen Metallarbeiterstreik Ende 1971 die Information, daß es die Arbeitgeberseite war, die die staatlichen Schlichtungsversuche platzen ließ; ebensowenig ist von den angedrohten und dann auch — weit über den Rahmen der bestreikten Betriebe hinaus — praktizierten Aussperrung die Rede. Erst gegen Ende dieses Arbeitskampfes heißt es plötzlich: „Wir wollen den Arbeitskampf beenden. Darum verhandeln wir. Wir wollen die Betriebe nicht weiter stillegen müssen" (Verband Württemberg-Badischer Metallindustrieller 1971). Der Unterschied fällt ins Auge: während die IG Metall den Streik „will", „müssen" die Arbeitgeber gezwungenermaßen aussperren. Den Schwarzen Peter hat auch hier die Gewerkschaft: „Streik und Stilllegung können die Wirtschaft kaputtmachen. Zu hohe Lohnforderungen führen dazu" (ebenda). Nur die gegnerischen Forderungen ruinieren die Wirtschaft; die Arbeitgeberseite wird völlig unschuldig und aus reiner Sorge um die Stabilität zum Arbeitskampf genötigt und versucht zu retten, was noch zu retten ist: „Hier liegt unsere gemeinsame Verantwortung für die Zukunft. Unsere Wirtschaft und die Sicherheit der Arbeitsplätze" (ebenda). b) Gewerkschaften Die Gewerkschaften als der so massiv angegriffene Verband haben dieser Art von Werbung offenbar wenig entgegenzusetzen. Ihre ohnehin recht sporadische Werbung scheint Ausdruck von Resignation bzw.der Einsicht zu sein, daß die Öffentlichkeit auch bei größerem Aufwand nicht für gewerkschaftliche Ziele zu gewinnen wäre.

So fehlt schon der Versuch, die Umworbenen auf eine bestimmte und durchgängig gebrauchte Situationsbeschreibung zu verpflichten. Selten nur deutet Kritik an der von Arbeitgeberseite gelieferten Darstellung der gegenwärtigen Situation von Wirtschaft und Gesellschaft sich an — wenn z. B. von „überholten Sozialordnungen" die Rede ist, in denen „die wenigen, die das Geld haben, auch noch den Löwenanteil der wirtschaftlichen Macht bekommen" und „die Gefahr besteht, daß sie auch unsere politische Ordnung bestimmen" (DGB 1969). Dieser Ansatz zur Kritik bleibt zudem zu abstrakt, um effektvoll sein zu können; auch die ihm sich anschließende Klage, daß „unsere drängenden Probleme für die gesellschaftliche Neuordnung ungelöst (bleiben)" (ebenda), ist zu pauschal, um gewerkschaftliche Forderungen einsichtig zu machen und die Wirkung der Situationsdarstellung des gegnerischen Verbandes zu entwerten. In der Rezession von 1966/67 wurde zwar vereinzelt ein schärferer Ton angeschlagen, doch fehlte weiterhin größere Konkretheit: „Das wirtschaftliche Tief der letzten Monate hat allen zu schaffen gemacht. Mehr oder weniger. Die Arbeitgeber fanden manches recht vorteilhaft. Jetzt konnte man seinen Arbeitern und Angestellten endlich einmal zeigen, wie wenig sie zu melden haben. Die Sprüche von der Partnerschaft wurden wortlos abserviert. Die Arbeitnehmer vergessen das nicht so schnell wieder. Sie wissen es jetzt ganz genau: Wirtschaftliche Sicherheit und soziale Rücksicht werden einem nicht geschenkt. ... Man muß stark sein, um es zu schaffen" (IG Chemie 1967).

Derartige Aussagen scheinen jedoch ohnehin weniger an die gesamte Öffentlichkeit als an die — aktuellen und potentiellen — Mitglieder gerichtet. Gerade diesen gegenüber wird andererseits eine bemerkenswert positive Situationsbeschreibung gegeben, indem nämlich auf die Erfolge der Gewerkschaftsarbeit verwiesen wird: „Was galt der Arbeitnehmer früher? Allzuoft war er nur Spielball von Machtgruppen und Wirtschaftsinteressen — ein bloßes technisches Zubehör oder ein Rechenfaktor"; jetzt aber können „Private Machtpositionen . . . wirksam kontrolliert werden. Arbeiter, Angestellte und Beamte beteiligen sich an der Verantwortung für die Unternehmen" (IG Chemie 1966), jetzt „(entscheiden) im Aufsichtsrat der Gesellschaft . . . Arbeitnehmer gleichberechtigt mit. .. . Überraschungen kommen nicht vor. Bei allen Planungen sind wir rechtzeitig dabei. Das gibt mehr Sicherheit" (DGB 1966). Und nicht nur die Mitbestimmung hat die Sicherheit der Arbeitnehmer erhöht: die Lohnfortzahlung z. B. — „ein Erfolg des DGB" — gibt „Mehr Sicherheit für kranke Arbeiter und Angestellte" (DGB 1970). Wer sich so zum Garanten der Sicherheit macht — so warb der DGB zum 1. Mai 1970 sogar mit dem der Wahl-werbung entlehnten Slogan „Wir sichern den Fortschritt" —, will sich von dem Vorwurf reinwaschen, den gesellschaftlichen Status quo noch grundsätzlich ändern zu wollen; entsprechend rühmt der DGB denn auch an anderer Stelle seinen Beitrag zur „politischen Stabilität in unserem Lande" (1965).

Dieser Beitrag wird in der „Wahlwerbung" der Gewerkschaften zu den Betriebsratswahlen in jüngster Zeit noch sehr spezifisch konkretisiert: Der Parteienwerbung wiederum weitgehend angeglichen, verweist sie den Betriebsratswähler in abstrakter Weise an die „Experten", die nur die „starke" Gewerkschaft zur Verfügung hat, und fordert ihn auf: „Prüfen Sie, bevor Sie wählen! ... Wählen Sie die Kandidaten der DGB-Gewerkschaften. Geben Sie nicht Ihre Stimme den Splittergruppen. Sie bringen nichts" (DGB 1972). Mit den „Splittergruppen" dürften derzeit vor allem jene gemeint sein, die noch grundsätzliche Kritik am Bestehenden üben; ihnen gegenüber muß der DGB als der „starke Partner“ erscheinen, der im Verein mit den anderen Mächtigen dieser Gesellschaft Ruhe vor Störung und Veränderung garantiert.

Der Defensivcharakter der Gewerkschaftswerbung, der sich in der Berufung auf die eigene Stabilisierungswirkung andeutet, zeigt sich auch in der Tendenz, die eigenen Forderungen nur sehr vage zu umschreiben — z. B. fordern die Gewerkschaften, „daß die soziale Entwicklung Schritt hält", ohne zu sagen, womit (Gewerkschaft Textil-Bekleidung 1967) — und stattdessen in Gemeinplätzen ihre Erfüllung als Realisierung des Gemeinwohls darstellen So wird die Mitbestimmung — als eine der wenigen Forderungen, für die die Gewerkschaften überhaupt werbend an die Öffentlichkeit treten — nicht etwa als etwas qualitativ Neues und potentiell Gesellschaftsveränderndes charakterisiert, sondern banal als „Forderung unserer Zeit", die der abstrakten Sorge entspringt, „daß wir eine gesellschaftliche Ordnung haben, in der der arbeitende Mensch im Mittelpunkt steht" (DGB 1969); mit derselben Formel vom „Menschen im Mittelpunkt" werben bezeichnenderweise auch die von den Wählermassen nahezu vollständig isolierten Parteiführungen und große Wirtschaftsunternehmen Weiterhin wird an partnerschaftliche Vorstellungen angeknüpft, die ansonsten eher in der Arbeitgeberwerbung auftauchen: „Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind in einer modernen Industriegesellschaft aufeinander angewiesen. Die Konsequenz daraus kann nur bedeuten, daß beide gleichberechtigt in der Wirtschaft zusammenwirken" (IG Bau 1968); „Allein die Mitbestimmung schafft ein produktionsgerechtes Miteinander" (IG Bergbau 1968), darum muß für die Mitbestimmung sein, „wer Wert auf verantwortungsbewußte Mitarbeiter legt"

(Gewerkschaft Textil-Bekleidung 1968); „Ohne dieses faire und gleichberechtigte Zusammenspiel zwischen Kapital und Arbeit hätte unsere Demokratie keine Zukunft" (ebenda). Schließlich ist die Mitbestimmung nichts anderes als die konsequente Fortentwicklung der Demokratie, die selbstverständlich jeder wünscht; sie bedeutet „Verwirklichung der sozialen Demokratie" (IG Metall 1968), „der Demokratie im Wirtschaftsleben" (IG Bau 1968) und ist — im besten Konsumgüterwerbungsstil — „das Mehr an Demokratie, nach dem unsere Zeit verlangt" (ebenda). Zugleich wird indessen versichert, daß dieses Mehr an Demokratie den ökonomisch Mächtigen nicht gefährlich werden kann — „Mitbestimmung ist ein Gewinn für die Freiheit, auch für die unternehmerische" (IG Metall 1968) — und an der Politik der Großunternehmen kaum etwas ändern dürfte, denn „Niemand legt wohl soviel Wert auf langfristige Investitionen wie die Arbeitnehmer. Besser als durch eine weitblickende Investitionspolitik kann man seinen Arbeitsplatz ja gar nicht sichern" (OTV 1969), und „Wem liegt die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens wohl mehr am Herzen? Keine Frage: dem Arbeitnehmer, der nicht nur vom, sondern mit dem Werk lebt" (Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen 1968).

Selten dagegen wird aus angedeuteter Kritik am Bestehenden deutlicher, wieso die Mitbestimmungsforderung eigentlich entstehen konnte und daß sie überhaupt Konfliktstoff bietet: „Der , Herr-im-Hause-Standpunkt‘ löst kein einziges unserer Probleme! . .. Die Arbeitgeber erklären selbst: . Mündige brauchen keinen Vormund'. Dieser Meinung sind wir auch, deshalb fordern wir Mitbestimmung" (Gewerkschaft Holz und Kunststoff 1968), die „die Alleinherrschaft des Eigentums auf(hebt)" (IG Bau 1968). Ebenso selten wird die Arbeitgeberseite angegriffen — und wenn, dann meist indirekt: „Unsere Gegner tun gern, als hätten sie ein Monopol auf die Freiheit. Sie sagen Freiheit und meinen ihre Privilegien" (IG Metall 1968).

Erst in letzter Zeit wurde die Argumentation wieder konkreter — so wenn unter dem Titel „Alle sind für Mitbestimmung. Aber für welche?" die Hauptstreitpunkte in der Mitbestimmungsdiskussion erörtert werden (DGB 1971) — und die Auseinandersetzung mit dem Gegner deutlich: „Ist die Mitbestimmung eine Machtfrage? Natürlich. Daraus machen wir gar keinen Hehl. Die Frage lautet: Sollen wenige Kapitaleigner über Millionen Arbeitnehmer bestimmen? Oder sollen diese über ihr Schicksal mitentscheiden? Mitbestimmung würde die Macht der wenigen einschränken. Darum ihr erbitterter Widerstand. Darum auch der Versuch, den Spieß umzudrehen. Indem den Gewerkschaften unterstellt wird, nach Macht zu streben. Unser Mitbestimmungsmodell ist nicht auf Gewerkschaftsmacht angelegt. Sondern darauf, die Vorherrschaft des Kapitals zu brechen. Zugunsten eines Machtzuwachses bei den Arbeitnehmern. Mit Hilfe der Gewerkschaften" (DGB 1971).

Dennoch bleibt die Defensivposition das vorherrschende Merkmal der Gewerkschaftswerbung. Am deutlichsten wird das in ihrem Versuch, mit dem Arbeitgeber-Argument der Lohn-Preis-Spirale fertig zu werden, das in der Öffentlichkeit offenbar auf große Resonanz stößt und für die Gewerkschaften darum mit das wesentlichste Problem ihrer Öffentlichkeitsarbeit darstellen dürfte. Wenn nämlich die Arbeitgeberseite argumentiert: „Wer stabile Preise will . . . muß die Kostenlawine stoppen . . . kann die Löhne nicht ins Uferlose treiben" (BDA 1970), kann sie sich dabei auf Autoritäten wie Sachverständigenrat oder Bundesbank berufen — „Deshalb die Deutsche Bundesbank . . . : . überhöhte, den Produktionsfortschritt weit übertreffende Lohnsteigerungen beschwören .. . nicht nur die Gefahr weiterer Preiserhöhungen herauf, sondern bedrohen längerfristig auch die Vollbeschäftigung'" (ebenda) — und zudem, bei geschickter Wahl der Vergleichszahlen, auf eindrucksvolle Steigerungen der Arbeitnehmer-einkommen verweisen, die erneute hohe Lohnforderungen ohnehin uneinsichtig erscheinen lassen. Die Gewerkschaften dagegen, wenn sie zur Erklärung ihrer Forderungen diese Argumente abweisen wollen, können sich weder auf entsprechende Autoritäten noch auf ähnlich eindrucksvolle Zahlen stützen, da es bisher kaum zuverlässiges und vor allem unbestrittenes statistisches Material über die Entwicklung der Unternehmensgewinne gibt. Der Behauptung einer „Gewinn-Offensive" werden die Arbeitgeber immer entgegenhalten, daß es sich dabei um „ein Gewerkschaftsmärchen" handele — „Die Wirklichkeit sieht anders aus. Das beweisen die neuesten Zahlen ganz klar" (Metall-Blitz 1971) —; überdies können sie leicht die Diskussion von den Gewinnen auf die „Rentabilität" verlagern, die nicht zu „dünn" werden dürfe, um nicht die notwendigen Investitionen zu gefährden (ebenda).

Der Versuch der Gewerkschaften, ihre Lohn-politik zu rechtfertigen, nimmt sich darum wie ein relativ hilf-und wirkungsloses Nachhutgefecht aus: Die These „Wer die Preise stoppen will, muß die Gewinne stoppen. Es wird Zeit, daß die wahren Ursachen der Preissteigerungen diskutiert werden. Preiswellen entstehen durch Gewinnexplosionen" (DGB 1970) ist der Öffentlichkeit schwer zu beweisen, auch wenn man sie mit dem Nachsatz „Daran geht kein Weg vorbei" (ebenda) zu bekräftigen sucht. Dieses Dilemma zeigt sich denn auch in der Klage: „Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert die Unternehmer auf, ihre Karten auf den Tisch zu legen. Seit sechs Monaten bieten die Gewerkschaften den Unternehmern an, die Gewinn-und Kostenentwicklung der letzten Jahre durch eine neutrale Kommission wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die Unternehmer schweigen" (ebenda). Zur Entlastung wird darum die unternehmerische Preispolitik angegriffen: „Die Unternehmer machen die Preise. Sie sprechen sich untereinander ab und verhindern den Wettbewerb. Preissteigerungen werden verordnet, ohne Rücksicht darauf, wie hoch die tatsächlichen Lohn-und Material-kosten sind" (DGB 1970); entsprechend werden Maßnahmen zur Forcierung des Wettbewerbs — gegen Preisbindung und Konzentration — gefordert, um herauszustellen, daß es nicht die Unternehmen, sondern die Gewerkschaften sind, die „auf der Seite der Verbraucher" stehen (DGB 1971). Nur ganz am Rande erscheint dann auch einmal das Argument, das dem Auftrag der Gewerkschaften nach eher im Mittelpunkt der Gewerkschaftswerbung stehen müßte: „Verteilt die Einkommen gerechter!" (DGB 1970).

Schließlich entspricht es auch der Defensivposition der Gewerkschaften, daß sie — im Unterschied zur Arbeitgeberseite — Arbeitskämpfe nur selten zum Gegenstand ihrer Werbung machen. „Werbung" erfolgt hier offenbar hauptsächlich in der Form der Mitgliederwerbung, indem Flugblätter, „Streiknachrichten" u. dgl. an die Arbeiter verteilt werden, während die Informierung der breiten Öffentlichkeit, der vom Streik nicht direkt und unmittelbar Betroffenen, den Arbeitgebern überlassen wird. Angesichts der oben beschriebenen Arbeitgeberwerbung zu Arbeitskämpfen muß dies unverständlich erscheinen, wird doch darin der Streik verteufelt und an den Gewerkschaften kein gutes Haar gelassen; die Gewerkschaften müßten — so sollte man meinen — deshalb gerade verstärkt an die Öffentlichkeit treten, um die negative Resonanz von Streiks, die die Arbeitgeber zu erzeugen versuchen, wieder abzubauen. Daß sie dennoch in weitgehender Abstinenz verharren, ist offenbar nur durch eine Art von Resignation zu erklären — durch die Annahme, daß die Voreingenommenheit der Öffentlichkeit gegen Streiks so tief verwurzelt ist daß mit Werbemaßnahmen dagegen ohnehin nichts auszurichten ist.

Die Interessenkonflikte, von denen am Anfang dieses Kapitels die Rede war und deren prägnanteste Form der Arbeitskampf ist, werden demnach auch in der Werbung der „Sozialpartner" nicht so offen ausgetragen, wie man hätte erwarten können. Deutlich wird vor allem nur die Abwehr — verzerrt dargestellter — gewerkschaftlicher Forderungen durch die Arbeitgeberseite sowie die Diffamierung des Streiks als illegitimes Mittel der Auseinandersetzung und der Gewerkschaften selbst. Die Gewerkschaften ihrerseits versäumen in ihrer Werbung die Klarstellung ihrer Ziele und ihrer Position im Arbeitskampf — mit der Konsequenz, daß der Interessen-und Klassenkonflikt allenfalls einseitig sichtbar wird.

Das Politische in der VerbandsWerbung

1. Der politische Sachgehalt a) 'Werbung für nicht genannte Zwecke Die vorangegangene Untersuchung sollte gezeigt haben, daß der politische Sachgehalt der Verbandswerbung ähnlich gering ist wie der der Parteienwerbung; die eingangs aufgestellte Hypothese, daß von einer Werbung, die sich die Popularisierung der spezifischen Interessen von Verbandsmitgliedern zum Ziel setzt, ein relativ hoher Informations-und Konkretheitsgrad zu erwarten sei, trifft damit kaum zu. Für den Werbe-Sektor der Public Relations liegt dies nahe: wo es um den „Nachweis der Interessenidentität" zwischen Verband und Allgemeinheit geht, kann keine Konkretheit walten, sondern muß sich die werbliche Argumentation in Gemeinplätzen und vagen Umschreibungen des Gemeinwohls erschöpfen. Die Nennung konkreter Verbands-ziele könnte den Versuch, den Verband als besten Garanten für eine gedeihliche Fortentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft hinzustellen, nur stören; die höchsten Ziele der Nation dagegen — wie Wohlstand, Fortschritt, Sicherheit, Freiheit und Gerechtig-keit —, auf die sämtliche Verbände sich stattdessen berufen, bieten keine Information. Die auffällige Gleichartigkeit der von jedem Verband für sich reklamierten hehren Ziele muß beim Umworbenen schließlich sogar die Frage aufkeimen lassen, wieso es bei solcher Einmütigkeit in den Zielen und Selbstlosigkeit im Hinblick auf Eigeninteressen überhaupt noch unterschiedliche Interessenverbände gibt. Auch die Status quo-Orientierung — als weiteres Merkmal der Public Relations — kann kaum zur Erhöhung des Informationswertes dieser Art von Werbung beitragen, ist sie doch in der Regel verknüpft mit einer Idealisierung des Bestehenden, mit der Vorspiegelung von Harmonie, Problemlosigkeit und stetem Aufwärtsgehen, die die durchaus unharmonische Realität gerade vergessen machen will. Erstaunlich ist jedoch, daß auch in Werbetexten, die über bloß harmonisierende Öffentlichkeitsarbeit hinausgehen und vorgeblich einen Beitrag zur Diskussion von Einzelfragen liefern wollen, von Verbandszielen und der Durchsetzung konkreter Interessen kaum je die Rede ist. Nicht einmal die Werbung zum Arbeitskampf bildet dabei eine Ausnahme, da die Gewerkschaften als der fordernde Teil hier den Arbeitgeberverbänden das Feld weitgehend überlassen. Stattdessen spricht selbst die Gewerkschaftswerbung lediglich von vagen Globalzielen, die letztlich wieder auf die Reklamierung des Gemeinwohls als Zielpunkt des Verbandsstrebens hinauslaufen. Dieselbe Taktik findet sich in der Werbung auch der übrigen Verbände, wenn sie nicht die Nennung von Forderungen überhaupt vermeidet oder durch die Berufung auf den Willen der Mehrheit umgeht. Sinn und Zielrichtung der Verbandstätigkeit müssen der breiten Öffentlichkeit demnach weitgehend unbekannt bleiben; die Werbung macht nicht deutlich, um welche Interessen es ihr eigentlich geht. b) Die „sachliche Auseinandersetzung"

Größere Konkretheit findet sich erst im Versuch, unliebsame Maßnahmen und Forderungen abzuwehren, und in der Auseinandersetzung mit dem Gegner. Gerade in ersterem Fall gibt sich die Werbung häufig den Anschein, objektiv-sachliche Information zu bieten: sie beruft sich auf Daten, die mit wissenschaftlicher Autorität ausgestattet sind (wie z. B. Sachverständigengutachten), belegt die Vorteile des bisherigen Zustands und die Nachteile geplanter Veränderungen mit Zahlen und bringt Detail-Informationen. Derartige Werbetexte könnten also durchaus als Beitrag zu einer politischen Sachdiskussion gewertet werden.

Der Anschein trügt indessen, zeichnen sich doch gerade solche Werbetexte in der Regel durch ein hohes Maß an Verschleierung aus. So werden die Forderungen des Gegners oder die geplanten Maßnahmen in einer Weise vereinfacht, verzerrt oder schlicht falsch dargestellt, daß Angriffe gegen sie nicht mehr schwer fallen. Zusätzlich werden sie nach Art des „Lawinenmotivs" mit grundlegenden Gefahren fürs allgemeine Wohl in Zusammenhang gebracht, indem auf Zwangsläufigkeiten und Kettenreaktionen verwiesen wird, die — von der jeweils angegriffenen Maßnahme in Gang gesetzt — zum Ende der Freiheit, des Wohlstands oder zu anderen Zuständen führen müssen, die auch der jeweilige Gegner nicht wünschen kann. Auf diese Weise sucht die Verbandswerbung die Realität zum deterministischen System zu verunklaren und „untrennbare" Zusammenhänge zu konstruieren; zur Abwehr sonst zwangsläufiger Gefahren bietet sie dann die Realisierung der Interessen des eigenen Verbandes an, die nun nicht mehr als Erfüllung von Sonderwünschen, sondern als alleiniges Mittel zur Verwirklichung des Gemeinwohls erscheinen muß.

Wie der Gegenstand solcher Angriffe wird auch die Realität bzw. die „Situation" verzerrt, indem aus deren Komplexität jeweils der Aspekt herausgegriffen wird, der gerade brauchbar erscheint, wesentliche andere Aspekte oder Fakten aber unterschlagen werden. Selbst Zitate wissenschaftlicher und anderer „Autoritäten" sind mit Vorsicht zu genießen, da sie häufig aus dem Zusammenhang, dem sie zugeordnet waren, herausgelöst sind. Ebensowenig sind schließlich die Angaben über den Beitrag des Verbandes zur Lösung des je anstehenden Problems als sachliche Information zu werten, haftet doch gerade solthen Angaben zumeist eine Vagheit an, die sie unüberprüfbar macht. Der „Beitrag zur Sachdiskussion" ist demnach allenfalls vorgeschobener Anspruch, keinesfalls jedoch durch die vorfindbare Werbung realisiert.

Noch deutlicher wird dies in Werbetexten, die sich mit Gegnern des Verbandes (meist dem Staat, oder auch den Gewerkschaften, die ihrerseits in der Auseinandersetzung mit Gegnern große Zurückhaltung üben) auseinander-zusetzen versuchen. Statt auf deren Ziele und Argumente einzugehen, werden ihnen Absichten unterstellt, die sie gar nicht haben, oder ihre Forderungen so vereinfacht und umgewertet, daß sie bequeme Angriffspunkte darstellen. Während günstig bewertete Zustände und Entwicklungen als Leistung und Erfolg des jeweils werbenden Verbandes ausgegeben werden, geht alles negativ Bewertete auf das Konto des Gegners, der sich überhaupt vor allem dadurch auszeichnet, denen, die nichts als die Sorge für das Gemeinwohl im Auge haben, Schwierigkeiten zu machen und die gedeihliche Fortentwicklung der Gesellschaft zu stören. Nur der Gegner ist selbstverständlich „ideologisch" und einseitig, nur er verschleiert Tatbestände, um seine kleinlichen Partikularinteressen durchsetzen zu können; sein wahres Motiv ist meist nacktes Machtstreben, für dessen Befriedigung er in Kauf nimmt, daß sachlich „verB nünftige" Problemlösungen, die der „verantwortungsbewußte" Verband erstrebt, scheitern. Durch derartige Diffamierungen wird der Gegner schließlich so abgewertet, daß sachliche Auseinandersetzung mit ihm letztlich sinnlos erscheinen muß. Demgegenüber erscheint der eigene Verband als Anwalt der Allgemeininteressen; seine Berufung auf die „Sachlichkeit" — gegen die Ideologien der anderen — soll vergessen machen, daß auf den Gegner im Grunde nur die eigenen Fehler projiziert werden.

Die Forderung nach „Sachlichkeit" und „Vernunft" hat indessen noch einen weiteren Zweck: sie läßt das, was die Verbände zur Lösung von Problemen vorschlagen, als objektiv einzig richtigen Weg erscheinen. Der Betonung der Sachlichkeit entspricht darum die Berufung auf Sachgesetzlichkeiten, mit der die Erläuterung des eigenen Interessenstandpunkts und die eigene politische Stellungnahme umgangen werden kann. Implizit wird damit aber zugleich der politische und der Interessenstreit abgewertet, wird das Politische überhaupt dem Streben des jeweils werbenden Verbandes nach sachgerechten Lösungen entgegengesetzt. Der politische Parteienstreit und die „ideologischen" Forderungen des gegnerischen Verbandes können nicht weiter führen, da sie den Sachgesetzlichkeiten widersprechen — sie sind bloße Stör-feuer; diese Haltung jedoch ist nicht nur dazu geeignet, die bei der Mehrzahl der Umworbenen ohnehin tief verwurzelte Abneigung gegen das Politische zu bestärken, sondern muß letztlich auch den Eindruck erwecken, daß der Streit zwischen den Verbänden selbst sinnlos und überflüssig ist. c) Entsachlichung Bei aller Berufung auf Sachlichkeit ist die Verbandswerbung also durch einen weitgehenden Mangel an sachlicher Information gekennzeichnet; sie entspricht damit dem allgemeinen — in Parteien-wie in Wirtschaftswerbung beobachtbaren — Trend der Werbung zur Entsachlichung. Im Unterschied zur Parteien-werbung scheint dieser Trend in der Verbandswerbung wenig problematisch: sachliche Information ist hier weniger dringlich, da der Umworbene nicht — jedenfalls nicht unmittelbar — zu Entscheidungen aufgefordert wird; die Verbände wollen ja zunächst lediglich „goodwill" für sich erzeugen.

Da die Verbandswerbung indessen nicht für sich allein steht, sondern Teil eines umfassenderen Kommunikationssystems ist, kann über die Tatsache auch ihrer Entsachlichung nicht mit Stillschweigen hinweggegangen werden: Das Gros der Information, das dem Normalbürger angeboten wird, ist werbliche und also „Quasi-Information", die Tatbestände verschleiert, Zusammenhänge verunklart, optimale Zustände vorspiegelt. Was der Umworbene so erfährt, läßt ihn der Realität gegenüber orientierungslos; es dient allenfalls dazu, Wunschbilder und Vorurteile zu verfestigen, die ihrerseits dazu beitragen, die Realitätswahrnehmung noch weiter zu hemmen. Das Resultat solcher Informationsprozesse aber ist eine Lernpathologie, die adäquate Reaktionen des einzelnen auf Ereignisse in seiner Umwelt kaum erwarten läßt. 2. Psychotechnik Wo der einzelne, was sachliche Information betrifft, der Realität gegenüber weitgehend orientierungslos bleibt, kann er sich nur auf „gespeicherte" Information — Stereotype, Vorurteile — und auf sonstige steuernde Kräfte in seinem Innern verlassen. Diese wiederum in ihrem Sinne einzusetzen, ist seit langem Anliegen der Werbung, ja die Anwendung von Psychotechniken tritt geradezu an die Stelle der Vermittlung sachhaltiger Information. Die Werbung der Verbände bildet auch hier keine Ausnahme. a) Konformitätsdruck Eine der gebräuchlichsten Psychotechniken ist der Versuch, das Anlehnungsstreben der Umworbenen — das man bei deren großer Mehrheit wohl ebenso voraussetzen kann wie die Unsicherheit, deren Folge es ist — auszunutzen. Seit je übt die Werbung mit dem Verweis darauf, was die Majorität denkt und tut, Konformitätsdruck aus; entsprechend operiert auch die Verbandswerbung mit dem Willen der Mehrheit, den man am besten dadurch berücksichtigt, daß man auf die Verbands-forderungen eingeht. Diese Mehrheit wird allerdings durch Identifikationsformeln erst hergestellt — etwa wenn Umworbene und Verband in Sätzen wie „Wir alle wollen stabile Preise" (BDI/BDA 1965) in eins gesetzt werden; die Anklänge an die Gemeinschaftsideologie des „Wir sitzen alle in einem Boot" sind dabei unverkennbar. Typischer noch sind in diesem Zusammenhang Formeln nach Art des „Jeder weiß" — „Jeder, der vernünftig überlegt, weiß das genau" (ebenda) —, die an das Konformitäts-und das Prestigebedürfnis des Umworbenen zugleich appellieren (jeder möchte sich schließlich zu den „Vernünftigen" rechnen); sie sollen indessen nicht nur Widerspruch erschweren —-denn was „jeder weiß", kann nicht falsch sein —, sondern erfüllen außerdem den Nebenzweck, unter dem Mantel des Selbstverständlichen dem Adressaten sein Informationsbedürfnis auszureden.

Der Erzeugung von Konformität dient gleichfalls seit je der Verweis auf die Autorität, der der Umworbene sich am besten anschließt, da er ihr gegenüber doch kaum bestehen kann. In der Verbandswerbung ist dies in erster Linie die Wissenschafts-und „Sachverständigen Autorität oder auch der Experte schlechthin, dem man auf Grund seiner fachlichen Überlegenheit einfach Glauben schenken muß und dessen Führung man sich deshalb getrost anvertrauen kann (— ein Aspekt, der vor allem in der Ärztewerbung deutlich wird). In die gleiche Richtung zielt die Betonung der „Stärke" des Verbandes — der sich dem Umworbenen als „starker Partner" anbietet —, mit der an die weit verbreitete Neigung appelliert wird, sich den jeweils Mächtigsten zu unterwerfen, um in der Identifikation mit ihnen an ihrer Macht partizipieren und auf diese Weise das Gefühl eigener Ohnmacht kompensieren zu können.

Schließlich erfolgt auch der Versuch, in der Bewertung von Maßnahmen und Ereignissen an den bürgerlich-üblichen Tugendkodex anzuknüpfen, zu dem Zweck, Konformität zu erzeugen — denn wer wollte nicht, daß Minister z. B. wahrheitsliebend sind, zu ihrem Wort stehen und weder bluffen noch mit Tricks arbeiten. Mit dieser Taktik wird indessen zugleich das politische Entscheidungsproblem zur Frage allgemein-menschlicher Verhaltensweisen verunklart; sie legt dem Umworbenen nahe, auf sachliche Beschäftigung mit politischen Streitfragen zu verzichten und stattdessen die Regeln privater „Anständigkeit" auf sie anzuwenden — ein Vorgehen, das der sachadäquaten Orientierung in der politischen Realität nicht eben dienlich ist. b) Angsterzeugung Dieser ist es ebensowenig förderlich, wenn im Umworbenen Ängste erzeugt werden — was wiederum den Zweck hat, seine Bereitschaft, sich der „Mehrheit" oder den „starken Partnern" anzulehnen, zu verstärken. Auch hierin zeigt sich die Verbandswerbung der übrigen Werbung — und vor allem der der Parteien — weitgehend angeglichen, übernimmt sie doch sogar fast wörtlich Formeln aus der Parteien-werbung: „Wir alle wollen nicht das aufs Spiel setzen, was wir erreicht haben. Wir wollen auch in Zukunft sozialen Fortschritt, sichere Arbeitsplätze ..." (BDI/BDA 1965)

Im Unterschied zum Gros der Parteienwerbung aber — in dem sich in den 60er Jahren die „freundliche Welle" weitgehend durchsetzte — spricht die Verbandswerbung untergründige Ängste nicht nur auf dem Umweg über Sicherheits-Versprechen und über Warnungen vor „Experimenten" an, sondern nennt z. T.deutlich und drohend konkrete Gefahren, die unweigerlich auftreten werden, wenn bestimmte Forderungen nicht erfüllt oder besser bestimmte Maßnahmen nicht unterlassen werden. Vor allem die Angst vor wirtschaftlichem Ruin — vor Inflation und Verlust des Arbeitsplatzes —-wird immer aufs neue geschürt, um dem Umworbenen Aversionen gegen jede den Verbänden unliebsame Änderung einzuimpfen; auf der abstrakteren Ebene ist es die Angst vor dem „ersten Schritt", der mit unerbittlicher Zwangsläufigkeit ins Verderben führt, die die Adressaten gegen jeden Wunsch nach Reformen immunisieren soll. Die Verbandswerbung kommt damit einer verbreiteten Geisteshaltung entgegen, die jeder Reform zunächst mißtrauisch gegenübersteht, da jede Änderung als Abkehr vom Gewohnten notwendig Unruhe und Unsicherheit mit sich bringt, und stärkt so die ohnehin vorhandene Bereitschaft, sich am Status quo festzuklammern. Es ist darum sicher kein Zufall, daß diese Taktik sich in der Werbung der Gewerkschaften wenig findet. c) Präsentation von Feinden Dem Appell an Angstgefühle nahe verwandt sind schließlich auch bestimmte Techniken der Diffamierung, die Parteien-wie Verbandswerbung bemerkenswert häufig anwenden. Ohnehin gehören der Appell an die Autoritätsgläubigkeit, der Appell an Ängste und die Präsentation von „Feinden" eng zusammen: Angst erzeugt das Bedürfnis, in der Unterwerfung unter Mächtige Schutz und Geborgenheit zu suchen und in der Identifikation mit ihnen das Gefühl eigener Schwäche zu kompensieren; um die Erfüllung beider Funktionen nicht zu gefährden, müssen aber die gleichwohl vorhandenen geheimen Aggressionen und Ängste gegenüber der Übermacht dieser Mächtigen von ihnen weg auf andere — Schwächere — projiziert werden, an denen sie ungestraft abreagiert werden können — d. h. um des psychischen Friedens willen müssen „Feinde" gesucht und gefunden werden. Die Werbung herrschender Gruppen kommt diesem Bedürfnis seit je entgegen; in der Werbeszene der Bundesrepublik ist dies vor allem die Werbung der CDU/CSU 33) sowie die der Unternehmerverbände und der Verbände anderer privilegierter Gruppen (wie etwa der „leitenden K sowie die der Unternehmerverbände und der Verbände anderer privilegierter Gruppen (wie etwa der „leitenden Krankenhausärzte").

So wird in der Verbandswerbung der Gegner — der meist im Gewerkschafts-oder „sozialistischen" Bereich angesiedelt ist — zwar nicht auf direktem Weg als Feind präsentiert, indirekt aber mit erklärten Feinden der Nation oder der „demokratischen Grundordnung" in Verbindung gebracht und ihnen angeglichen. Ihm wird z. B. vorgeworfen, mit Deutschlands schärfsten Konkurrenten zu paktieren, die nur darauf warten, daß Deutschland Schwächen zeigt, um ihm schaden zu können — er trachtet also danach, die Stärke der Eigengruppe zu untergraben, die diese braucht, um sich im rauhen Existenzkampf zu behaupten; er will mit Angriffen gegen das Privateigentum das mit diesem angeblich untrennbar verbundene freiheitliche Gesellschaftssystem zugunsten der Macht irgendwelcher „Funktionärs" -Cliquen zerstören; seine Pläne sind schließlich nur noch mit denen von „Linksextremisten und Kommunisten" zu vergleichen, von denen man weiß, daß ihre Realisierung für die Gesamtgesellschaft die Katastrophe bedeuten würde. Auf diese Weise wird die Komplexität des politischen Lebens und zumal des Interessen-streits auf eindeutige Schwarz-Weiß-Verhältnisse reduziert; dem Umworbenen kann die eigene Stellungnahme nun eigentlich nicht mehr schwerfallen. Daß die Werbung damit zugleich dem Sicherheitsdenken des Umworbenen entgegenkommt, macht sie erfolgversprechend: das Mehrdeutige — wie z. B. ein Konflikt, in dem nicht nur die Machtinhaber und „Autoritäten", sondern auch die, die Änderungen fordern, die „Störenden" also, Recht haben könnten — beunruhigt, da es Zweifel an der Optimalität der bestehenden Ordnung und mit ihnen Ängste weckt.

Die Verteufelung des Gegners •— die sich schon in der Wortwahl äußert, wenn ihm z. B. „Agitation und Störmanöver" nachgesagt werden — wird dadurch komplettiert, daß die Verbandswerbung alle Vorwürfe, die möglicherweise dem eigenen Verband entgegengehalten werden könnten, von diesem abzieht und auf den Gegner projiziert. Auch dies ist in erster Linie Taktik von Machtinhabern, die im Appell an den „Usurpationskomplex" 34) Aversionen des einzelnen gegen ihre Übermacht auf die zu verlagern versuchen, die ihnen die Macht nehmen wollen. Der Vorwurf des Machtstrebens taucht darum nirgends so häufig und so deutlich auf wie in der gegen die Gewerkschaften gerichteten Werbung der Unternehmerverbände, die nahezu sämtliche gewerkschaftliche Forderungen mit dem Hinweis abqualifiziert, daß es den Gewerkschafts„Funktionären" ohnehin nicht um die Sache gehe, sondern lediglich darum, immer mehr Macht zu akkumulieren — bis hin zum „Gewerkschaftsstaat", in dem die Freiheit aller übrigen Glieder der Gesellschaft ein trauriges Ende finde.

Weniger extrem zeigt sich die Projektionstaktik, wenn mögliche andere Vorwürfe gegen den eigenen Verband — wie Ideologiehaftigkeit, Verfolgung von Partikularinteressen, Verschleierungsversuche, Diffamierung — dem jeweiligen Gegner unterschoben werden. Auch in solcher Ausprägung erweist sie sich indessen als Versuch, das Schwarz-Weiß-und damit das Freund-Feind-Denken zu erleichtern. Demselben Bestreben entspringt schließlich selbst die Taktik, mit dem bürgerlichen Tugendkodex zu operieren: wo der Gegner als unehrenhaft, wortbrüchig, pflicht-vergessen und gewissenlos hingestellt wird, soll er vom Umworbenen als von der herrschenden Moral abweichend, das Fortbestehen der herrschenden Ordnung damit störend und letztlich wiederum als zu bekämpfender Feind perzipiert werden. Erst wenn solche Feinde, die unablässig neue Gefahren fürs allgemeine Wohl heraufbeschwören, überwunden worden sind — so suggeriert diese Art der Werbung —, dann ist der Bestand des im übrigen harmonistisch dargestellten Status quo und mit ihm das Wohlergehen aller gesichert. 3. Die politische Relevanz der Psychotechnik Die politische Relevanz der Verbandswerbung liegt offenbar nur zum geringeren Teil in ihrem politischen Sachgehalt, in der Vermittlung von Informationen, die für die sachgerechte Bewertung politischer Probleme wichtig sein könnten. Zum größeren Teil dürfte sie sich darauf gründen, daß die Verbandswerbung — übereinstimmend mit den in der übrigen Werbung herrschenden Trends — an Einstellungen, Ressentiments und psychische Tendenzen appelliert, die ihrerseits von hoher politischer Relevanz sind.

Bereits die weitgehende Entsachlichung der Werbung ist in diesen Zusammenhang einzuordnen: sie muß im Umworbenen, den sie im Sachlichen orientierungslos läßt, Unsicherheit gegenüber der unverstandenen Umwelt und Angst gegenüber ihrer uneinsehbaren zukünftigen Entwicklung aufkommen lassen. Diese Haltung erzeugt Anlehnungsstreben und abstrakte Folgebereitschaft gegenüber allem, was mit hoher Autorität auftritt; sie bildet damit erst den geeigneten Nährboden, auf dem die werblichen Psychotechniken ihre Wirksamkeit entfalten können.

Die — oben beschriebenen — Psychotechniken wiederum scheinen in bemerkenswerter Eindeutigkeit darauf abzuzielen, Konformität und Autoritätsgläubigkeit des durch Appelle an tiefsitzende Ängste noch zusätzlich verunsicherten Umworbenen zu bestärken. Beide Tendenzen sind nicht ohne weiteres mit demokratischen Verhaltenspostulaten zu vereinbaren, sondern entsprechen eher der Mentalität des „Unpolitischen", der der verwirrenden Beschäftigung mit politischen Sachfragen ausweicht, indem er die Masse und die Führer für sich entscheiden läßt, überdies impliziert Konformität mit der Majorität — zumal wenn sie auf untergründiger Angst basiert — als ihre Kehrseite den Haß auf die Minorität, auf die von der Masse Abweichenden, die wider den Stachel locken und damit Strebungen personifizieren — die Ambivalenz des Verhältnisses zur insgeheim gefürchteten Autorität —, die im eigenen Ich unterdrückt werden müssen. Gerade auf diese Ambivalenz sgcht die Werbung der privilegierten Gruppen sogar noch besonders einzugehen, indem sie als Ventil für unterdrückte Aggressivität „Feinde" präsentiert.

Das Gros der Verbandswerbung — wie auch der übrigen Werbung — findet seine politische Relevanz demnach vor allem darin, daß es psychische Strukturen bestärkt, die im politischen Bereich als konservativ-autoritäre Einstellungen ihren Niederschlag finden. Daß dies nicht zufällig, sondern mit einiger Notwendigkeit geschieht, resultiert aus dem Prinzip, daß Werbung „die bestehenden Einstellungen ... zu beherrschen und zu berücksichtigen“ habe — das konservativ-autoritäre Einstellungssyndrom scheint weit genug verbreitet, um es zur Basis werblicher Psychotechnik zu machen. Gleichzeitig kommt es indessen dem Status quo-Interesse der meisten Werbenden sehr entgegen: die Angst vor den eigenen unterdrückten Strebungen als Haupttriebkraft autoritären Denkens äußert sich zuallererst im Festklammern am Status quo, in der Sorge um penibelste Einhaltung bestehender Ordnungen, die als zuverlässigste Sicherheitsgarantie erscheint, während jede Änderung, jeder Versuch, Bestehendes in Bewegung zu bringen, auch die im eigenen Ich errichteten Dämme ins Wanken geraten lassen kann und darum als existentielle Bedrohung erscheinen muß. Die Status quo-Orientierung stellt sich schließlich als hervorstechendstes Merkmal der Verbandswerbung heraus. Die ohnehin vorhandene Fixierung des Umworbenen ans Bestehende wird unablässig bestärkt, indem einerseits der Status quo harmonisiert und idealisiert und andererseits Angst vor negativen Veränderungen geschürt wird. Beunruhigende Probleme gibt es in der bestehenden Ordnung offenbar nicht — sie sind entweder bloße Hirngespinste derer, die mutwillig Unruhe provozieren wollen, oder sie werden erst von außen, von „Feinden" oder outgroups, in die an sich heile Welt der Eigengruppe hereingetragen. In beiden Fällen sind es die „Störer", denen alles Negative zugeschrieben werden kann, und es erscheint darum als Aufgabe des Umworbenen, schon um der eigenen Sicherheit willen die so werbenden Instanzen, die nichts als das Wohl aller zu mehren trachten, in ihrem Kampf gegen die störenden Elemente zu unterstützen und auf diese Weise zur reibungslosen, harmonischen Fortentwicklung der Gesellschaft beizutragen.

Eine solche Werbung, die als ihr Hauptziel die Status quo-Erhaltung erkennen läßt, ist die gegebene Strategie von Verbänden, die sich als Vertreter ökonomisch herrschender oder ansonsten privilegierter Gruppen definieren können; unverständlich müßte sie scheinen bei Verbänden unterprivilegierter Gruppen. Entsprechend sind einige der hier skizzierten Grundzüge der Verbandswerbung in der Werbung der Gewerkschaften nicht aufzufinden — so namentlich die Angsterzeugung und die Verteufelung des Gegners zum gewissenlosen Störer. Auch die Gewerkschaften werben indessen entsachlichend und verschleiernd, wo man Aufklärung und Sachkritik erwarten sollte, und vor allem macht sich auch in ihrer Werbung die Orientierung am Status quo bemerkbar — sowohl in ihrer Hilflosigkeit, dem Unternehmer-Argument der Lohn-Preis-Spirale zu begegnen, als auch deutlicher im Verweis auf den eigenen Beitrag zur gesellschaftlichen Stabilität. Gerade an ihrer Werbung läßt sich ablesen, wie sehr die Gewerkschaften bestrebt sind, in das als pluralistisch ausgegebene Machtkartell in der Bundesrepublik ausgenommen zu werden, und wie sehr sie ihre eigene Aufgabe als die Integration der Arbeiterschaft ins bestehende und nur noch minimal veränderbare System definieren.

Es ist allerdings festzuhalten, daß von dem Kommunikationsmittel Werbung offenbar Zwänge ausgehen, die eine Gruppe, die die Veränderung gesellschaftlicher und psychischer Strukturen zum Ziel hat, notwendig vor ein Dilemma stellen: Um wirksam zu sein und keine Abwehrreaktionen zu provozieren, muß Werbung „den vorherrschenden sozialen und psychologischen Strömungen .. . folgen" Wie aber soll man einer breiten Öffentlichkeit, die im Status quo eine Sicherheitsgarantie und in jeder Änderung eine Gefahr sieht, mit einer Werbung, die sich an den bestehenden Einstellungen orientiert, klar machen, daß tiefgreifende Änderungen nötig seien, um die wirklichen Interessen aller erst realisieren zu können? Emanzipatorische Inhalte gar lassen sich von einem Medium, das auf der Anwendung von Psychotechniken und damit — von der Intention her zumindest — auf weitgehender Ausschaltung des Ich basiert per se nicht vermitteln; jeder Versuch in dieser Richtung müßte auf Grund der Inkonsistenz von Ziel und Mittel nicht nur scheitern, sondern den aufklärerischen Vorsatz Lügen strafen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Carl Hundhausen, Wesen und Formen der Werbung, Essen 1954, S. 46.

  2. Vgl. dazu u. a. Günter Friedrichs, Verkaufswerbung, Berlin 1958, S. 58.

  3. Peter Brückner, Die informierende Funktion der Wirtschaftswerbung, Berlin 1967, S. 11.

  4. Vgl. dazu Rolf Berth, Wähler-und Verbraucher-beeinflussung, Suttgart 1963, S. 399.

  5. Edgar H. Henderson, „Toward a Definition of Propaganda“ in: The Journal of Social Psychology, Bd. 18, 1943, S. 79.

  6. Pierre Martineau, Kaufmotive, Düsseldorf 1959, S. 209.

  7. Vgl. Bernt Spiegel, Die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld, Bern/Stuttgart 1961, S. 11.

  8. Anthony Downs, Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968.

  9. Dem widerspricht nicht, daß der Parteienstreit gleichwohl von großer Schärfe geprägt sein kann — man denke etwa an die Polemiken der CDU/CSU im Wahlkampf gegen die sozialliberale Koalition, die sich bei aller Heftigkeit nicht eben durch hohen Sachgehalt auszeichneten.

  10. Vgl. dazu die Analyse der Wahlwerbung in der BRD bei Heidrun Abromeit, Das Politische in der Werbung, Opladen 1972, Teil B.

  11. So Scheuch/Wildenmann, Der Wahlkampf 1961 im Rückblick, in: dieselben (Hrsg.), Zur Soziologie der Wahl, Köln/Opladen 1965, S. 52.

  12. So als Postulat z. B. bei Jens Feddersen, Politik muß verkauft werden, in: Die neue Gesellschaft, 8-Jg. 1958, S. 23 f.

  13. Vgl. dazu und zum Folgenden Heidrun Abromeit, Das Politische in der Werbung, a. a. O., Teil C.

  14. Georg Bergler, Werbung und Gesellschaft, Essen 1965, S. 69.

  15. Vgl. zu letzterem vor allem Karl Otto Hondrich, Die Ideologien von Interessenverbänden, Berlin 1963, S. 13 ff.

  16. Herangezogen wurden nahezu ausschließlich Inserate — aus pragmatischen Gründen, da Inserate am leichtesten zugänglich sind. Die Vers, ist sich der darin implizierten Beschränkung des Untersuchungsfeldes bewußt (z. B. entgeht damit ein Teil der auf Formung der Mitgliederinteressen gemünzten Werbeaussagen der Analyse).

  17. Edward L. Bernays, Biographie einer Idee. Die Hohe Schule der PR, Düsseldorf/Wien 1967, S. 12, s. auch Albert Oeckl, Handbuch der Public Relations, München 1964, S. 36f.; Carl Hundhausen, Werbung um öffentliches Vertrauen, Essen 1951, S. 164.

  18. Herbert Gross, Moderne Meinungspflege, Düsseldorf 1951, S. 12.

  19. Herbert Gross, Moderne Meinungspflege, a. a. O., S. 21.

  20. Zusammenschluß von Aktiengesellschaften, Banken und Sparkassen zur Förderung des Aktiensparens; ASU = Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer.

  21. Vgl. dazu z. B. Andrew Shonfield, Geplanter Kapitalismus, Köln/Berlin 1968, S. 300 ff.

  22. Vgl. z. B. H. F. J. Kropff, Neue Psychologie in der neuen Werbung, Stuttgart 1951, S. 300.

  23. Die selbständigen Transportunternehmer und Kraftwagenspediteure im Güterfernverkehr

  24. S. dazu weiter unten S. 19 f.

  25. Beilage der Gesamtmetall in Tageszeitungen.

  26. Extrablatt der Arbeitgeber, Beilage in Tageszeitungen.

  27. Vgl. oben S. 9

  28. Vgl. dazu Abromeit, Das Politische in der Werbung, a. a. O., S. 85, S. 100 f. und S. 160 ff.

  29. Daß diese Annahme nicht unrealistisch ist, zeigen u. a. Kajo Heymann, Springer-Presse, Streik und Arbeiterinteresse, in: Peter Brokmeier (Hrsg.), Kapitalismus und Pressefreiheit, Frankfurt a. M. 1969, S. 157 ff.; Peter Märthesheimer, Publizistik und gewerkschaftliche Aktion, Dortmund 1964; Peter v. Schubert, Antigewerkschaftliches Denken in der Bundesrepublik, Frankfurt a. M. 1967.

  30. Vgl. dazu Karl Otto Hondrich, Die Ideologie von Interessenverbänden, a. a. O., S. 136 f.

  31. Vgl. dazu Silke Schmalriede, Politische Beeinflussung und Informationstheorie, in: K. D. Hartmann (Hrsg.), Politische Beeinflussung, Frankfurt a. M. 1969, S. 65.

  32. Zum Vergleich: „auch morgen sicher leben (CDU-Slogan 1961), „Das Erreichte darf nicht aufs Spiel gesetzt werden" (SPD 1965), „Wir haben für unseren Wohlstand wahrhaftig hart arbeiten müssen. Niemand darf ihn aufs Spiel setzen" (CDU 1969).

  33. Vgl. dazu Abromeit, Das Politische in der Werbung, a. a. O., S. 94 ff.

  34. Ludwig Frhr. von Holzschuher, Psychologische Grundlagen der Werbung, Essen 1956, S. 70.

  35. Pierre Martineau, Kaufmotive, a. a. O., S. 15.

  36. Die Werbung strebt gerade danach, „die Primitivperson als Bundesgenossen zu gewinnen", um Ich-Widerstände des Umworbenen abzubauen. Vgl. Ludwig Frhr. von Holzschuher, Psychologische Grundlagen der Werbung, a. a. O., S. 231. Ähnliche Äußerungen finden sich in fast allen deutschen und amerikanischen Beiträgen zur „Werbelehre".

Weitere Inhalte

Heidrun Abromeit, geboren 1943 in Zoppot, Studium der Politikwissenschaft in Marburg und Berlin, 1971 Promotion zum Dr. phil.; seitdem Assistentin am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim. Veröffentlichungen: Das Politische in der Werbung. Wahlwerbung und Wirtschaftswerbung in der BRD, Opladen 1972.