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Weltpolitische Chronik 3. Quartal 1972 | APuZ 7/1973 | bpb.de

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APuZ 7/1973 Weltpolitische Chronik 3. Quartal 1972

Weltpolitische Chronik 3. Quartal 1972

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Internationales

INHALT Internationales S. 3 Europa S. 10 Naher und Mittlerer Osten S. 29 Amerika S. 32 Asien S. 37 Afrika S. 54

In diesem Abschnitt werden zunächst die „Internationalen Organisationen“ behandelt, die wie z. B. die NATO als interkontinental anzusehen sind, während eher regionale Organisationen lediglich erwähnt werden, wobei auf das Kapital hingewiesen wird, in dem Berichte über sie zu finden sind; sodann werden geographische Räume überschreitende Vorgänge internationalen Charakters wie etwa das Thema , Abrüstung'unter „Sonstiges“ behandelt, und zwar jeweils in der alphabetischen Reihenfolge.

Internationale Organisationen und Konferenzen Behandelt werden die Stichworte: Bündnisfreie Staaten, Internationales Rotes Kreuz, Islam, NATO, OECD,, ökumenischer Weltrat, Vereinigte Nationen.

Bündnisfreie Staaten 8-12/VIII: In Georgetown/Guyana findet eine Konferenz der Außenminister bündnisfreier Staaten statt. 63 Staaten der Dritten Welt nehmen als Vollmitglieder teil (aus Europa: Zypern), 12 entsenden Beobachter (aus Europa: Finnland und Österreich), 11 internationale Organisationen (wie Arabische Liga und UNO) sowie eine Reihe von Befreiungsbewegungen (wie die Provisorische Revolutionsregierung von Süd-Vietnam) sind ebenfalls durch Beobachter vertreten. Bahrain, die Föderation Arabischer Emirate und die PRR Süd-Vietnam werden als Vollmitglieder aufgenommen (aus Protest gegen die Aufnahme der PRR SV verlassen die Delegationen Malaysias, Indonesiens und Laos den Konferenzsaal), Oman und die kambodschanische Exilregierung unter Prinz Siha no uk werden als Beobachter zugelassen.

Die Konferenz verabschiedet neben zahlreichen Resolutionen zu Einzelfragen die „Deklaration von Georgetown", in der es heißt: Man werde sich bemühen, die Aggression und die Okkupation fremder Gebiete zu beenden und alle Überreste kolonialer und rassischer Diskriminierung zu beseitigen; man werde die Befreiungsbewegungen in aller Welt finanzieren, bewaffnen und ausbilden; man sei gegen die Entwicklung eines multipolaren Systems als Ersatz für die Aufspaltung der Welt in zwei Machtblöcke; man sei für die Auflösung der Militärbündnisse und gegen Militärbasen im Ausland; das Mittelmeer, Schauplatz der Auseinandersetzung rivalisie-render Mächte, müsse ebenso wie der Indische Ozean zu einer Friedenszone werden; man begrüße die Entspannung und Bemühungen um Zusammenarbeit in Europa, fordere aber eine parallele Verbesserung der Gegebenheiten in anderen Weltregionen; die Bemühungen der Großmächte, Entscheidungen der UNO zu monopolisieren, widersprächen den Interessen der Vereinten Nationen; die Bündnisfreien Länder würden sich auch weiterhin um die Durchführung einer vollständigen und umfassenden Abrüstung unter strikter internationaler Kontrolle bemühen und forderten die Vernichtung aller Kernwaffen-vorräte sowie das Verbot der Herstellung neuer Massenvernichtungswaffen.

Comecon siehe unter „Europa". siehe unter „Europa“.

Europäische Gemeinschaften Internationales Rotes Kreuz 29/IX: Besuch des Bundespräsidenten der BRD (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland“). Islam 15/IX-2/X: Eine Konferenz islamischer Theologen in Kairo stellt fest, daß für islamische Staaten eine friedliche Koexistenz mit Israel unmöglich sei (siehe unter „Naher und Mittlerer Osten“, „Arabertum“).

NATO 14-28/IX: Im Bereich des Nordatlantik findet das Manöver „Strong Express" statt, ein kombiniertes See-, Land-und Luftmanöver. Es hat die Aufgabe, zu zeigen, welche Verteidigungsmöglichkeiten der Nordatlantischen Allianz an der Nordflanke zur Verfügung stehen.

Die Ergebnisse sind nach übereinstimmender Darstellung der westlichen Publizistik dergestalt, daß zwar im Rahmen eines Manövers berechtigte Aussichten auf eine erfolgreiche Verteidigung gegen einen Angriff bestehen, daß aber die Gesamtheit der Gegebenheiten Zweifel daran zulassen, ob im Ernstfall auch nur annähernd das relativ positive Ergebnis dieser Übung erreicht werden könne.

OECD 11/VII: Die OECD gibt folgende Zahlen über die 1971 geleistete öffentliche und private Entwicklungshilfe der DAC-Mitglieder bekannt (DAC = Development Assistance Committee):

ökumenischer Weltrat 29/IX: Besuch des Bundespräsidenten der BRD (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland 1').

Orthodoxie siehe unter „Europa".

Ostblock siehe unter „Europa".

Rgw siehe unter „Europa".

Vereinte Nationen 20/VI: Der Sicherheitsrat nimmt eine Entscheidung zur Frage der Entführung von Flugzeugen an. Darin verurteilen die Mitglieder des Sicherheitsrates Gewaltakte gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt und fordern alle Staaten auf, angemessene Maßnahmen innerhalb ihrer Jurisdiktion zu ergreifen, um solche Gewaltakte zu verhindern und die Täter abzuurteilen. 26/VI: Der Sicherheitsrat verabschiedet eine von Belgien, Frankreich und Großbritannien eingebrachte Resolution betreffend Zwischenfälle zwischen Israel einerseits und dem Libanon sowie Syrien andererseits, in der die wiederholten Angriffe israelischer Streitkräfte gegen den Libanon verurteilt werden. Israel wird aufgefordert, alle syrischen und libanesischen Militär-und Sicherheitspersonen, die israelische Streitkräfte am 21. Juni 1972 von libanesischem Territorium entführten, freizulassen.

I/VII: UN-Generalsekretär Kurt Waldheim empfängt in Genf DDR-Außenminister Otto Winz er zu einem Meinungsaustausch. 4/VII: Waldh eim befürwortet auf einer Pressekonferenz in Genf zur Verwirklichung der Universalität der UNO den Beitritt der Schweiz und der beiden deutschen Staaten. Er gibt zu erkennen, daß die Mitgliedschaft der drei Staaten den Nebeneffekt haben würde, die finanzielle Situation der UNO zu verbessern. 19/VII: Waldheim gibt vor dem Sicherheitsrat bekannt, er sei mit der südafrikanischen Regierung übereingekommen, geeignete Maßnahmen auszuarbeiten, die zur Lösung der politischen Probleme in Südwestafrika führen sollen. Die südafrikanische Regierung sei bereit, Südwestafrika (Namibia) weitgehende Selbstbestimmungs-und Unabhängigkeitsrechte zu übertragen. Fruchtbare Gespräche seien jedoch nur möglich, wenn sie die Autonomie für die Bevölkerung als Ganzes zum Ziele hätten. 21/VII: Israel wird durch eine von Guinea, Somalia, dem Sudan und Jugoslawien eingebrachte Resolution abermals aufgefordert, die am 21. Juni entführten Personen umgehend freizulassen. 28/VII: Eine UN-Sonderkommission unter Leitung des Stellvertretenden Generalsekretärs und Beraters für afrikanische Angelegenheiten, Djerm ako ye (Niger), weilt vom 22. bis 28. Juni in Burundi. In dem am 28. Juli veröffentlichten Bericht der Kommission heißt es u. a., die Regierung von Burundi habe der Kommission mitgeteilt, seit Beginn der Unruhen am 29. April hätten 80 000 Menschen den Tod gefunden und 500 000 Menschen, unter ihnen 50 000 Witwen und Zehntausende Waisen, seien großen Leiden ausgesetzt und benötigten dringend humanitäre Hilfe. Rund 40 000 Menschen seien über die Grenzen nach Rwanda, Tanzania und Zaire geflüchtet. Sehr groß sei auch der materielle Schaden. So seien 4 500 Wohnungen und viele medizinischen Zentren, Schulen und öffentliche Gebäude zerstört worden. — In diplomatischen Kreisen wird die Zahl der Toten in Burundi auf 100 000 bis 200 000 geschätzt. 28/VII: Der Sicherheitsrat billigt eine von Guinea, Somalia und dem Sudan eingebrachte Resolution zur Rhodesien-Frage. Alle Staaten werden aufgefordert, mit dem Sicherheitsrat bei der wirksamen Erfüllung der Sanktionen gegen die Regierung Smit h zusammenzuarbeiten, die bisherigen Praktiken der Sanktionen zu überprüfen und — wenn nötig — wirksamere Maßnahmen zu ergreifen. 1/VIII: Ohne Gegenstimme bei Abwesenheit Chinas stimmt der Sicherheitsrat einer von Argentinien unterbreiteten Resolution betreffend Namibia (Südwestafrika) zu. Die Resolution bekräftigt das unaufgebbare und unveräußerliche Recht des Volkes von Namibia auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit sowie die nationale Einheit und territoriale Integrität Namibias. Der Generalsekretär wird aufgefordert, auf die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen hinzuarbeiten, damit das Volk von Namibia frei und in strenger Berücksichtigung der Grundsätze menschlicher Gleichheit sein Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit in Übereinstimmung mit der UN-Charta ausüben könne.

10/VIII: Bei einer Tagung des UN-Sicherheitsrates kann wegen des Einspruchs der VR China kein Beschluß über einen offiziellen Antrag von Bangla Desh vom 8. August um Aufnahme in die UNO gefaßt werden. Nach Ansicht des Vertreters der VR China, H uang H , ist Bangla Desh nicht qualifiziert, in ua der UNO vertreten zu sein, solange die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Vollversammlung bezüglich des Abzugs der indischen Truppen aus Bangla Desh und der Freilassung der 90 000 pakistanischen Kriegs-gefangenen nicht verwirklicht würden. Heftige Angriffe richtet Huang Hua gegen die indische Regierung und ihren Förderer, den „sowjetischen Sozialimperialismus", die die Spannungen auf dem indischen Subkontinent aufrechterhalten wollten. Der Außenminister von Bangla Desh, Samad Azad , weist die chinesischen Vorwürfe zurück und erklärt, auf dem Territorium von Bangla Desh gäbe es keine ausländischen Truppen. Der pakistanische Staatspräsident Ali Bhutt o spricht sich auf einer Pressekonferenz am 10. August in Rawalpindi ebenfalls gegen eine Aufnahme von Bangla Desh in die UNO aus und verlangt direkte Verhandlungen zwischen Dacca und Islamabad ohne Vorbedingungen, auch über die Frage der Anerkennung.

10— 15/VIII: Generalsekretär Wald hei m stattet als letztem der fünf Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Volksrepublik China einen Besuch ab, in dessen Verlauf er u. a. von Ministerpräsident Chou En -lai empfangen wird und ausführliche Gespräche mit Außenminister Chi Peng -Fei führt.

Chi Peng -Fei betont die zunehmende Bedeutung des Zusammenschlusses kleiner und mittlerer Länder gegen den Hegemonialanspruch der Supermächte und deren Machtpolitik. Obwohl es für die Supermächte immer schwieriger werde, die Welt zu beherrschen und die UNO zu manipulieren, verzichteten sie immer noch nicht auf Aggression, Subversion, Kontrolle und Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder; zusätzlich intensivierten sie ihren Streit um Einflußsphären;

hiergegen werde die VR China gemeinsame Sache mit den Ländern der Dritten Welt und jenen Länder machen, die den Frieden liebten und für Gerechtigkeit einträten.

Wald hei m begrüßt die Aufnahme der VR China in die Völkergemeinschaft, die damit nahe an die Universalität herangebracht worden sei; zwar sehe man beruhigende Trends in Richtung auf internationale Entspannung, stehe aber andererseits noch vor ungelösten regionalen Konflikten; diese müsse man lösen, ehe sie zu globaler Konfrontation führen könnten; wenn die UNO auf diesem Gebiet eine Reihe von Problemen nicht habe lösen können, so nicht wegen der Mangelhaftigkeit der Organisation, sondern wegen der Haltung ihrer Mitglieder. 13/VIII: Generalsekretär Wald hei m veröffentlicht seinen Bericht über die Tätigkeit der UNO, in dessen Einleitung er Kritik am Verhalten der Großmächte im allgemeinen und an dem der USA im besonderen übt. Den Großmächten wirft er vor, sie benähmen sich gegenüber der UNO wie seinerzeit die Groß-mächte gegenüber dem Völkerbund und tendierten dazu, die politischen Positionen dieses von ihnen nach dem II. Weltkrieg geschaffenen Instruments mehr und mehr zu mißachten. Sie kehrten mit der Idee, Frieden und Sicherheit im Wege eines Konzertes der Großmächte aufrechtzuerhalten, in die Ideenwelt des 19. Jahrhunderts zurück. Kein dauerhaftes Weltsystem könne in der heutigen Geschichtsepoche weltweiter Demokratisierungsbemühungen die Interessen der großen Mehrheit mittlerer und kleiner Mächte mißachten. Speziell an die Adresse der USA richtet er den Vorwurf, daß Bemühungen der UNO, sich vermittelnd in den Vietnamkonflikt einzuschalten, zurückgewiesen würden. Zweifellos begrüße man allgemein direkte Kontakte zwischen Streitparteien; wenn aber lang anstehende Konflikte Frieden und Sicherheit der Menschheit insgesamt bedrohen würden, dann sei es an der Zeit, die Vereinten Nationen einzuschalten. 10/IX: Sondersession des Sicherheitsrats wegen israelischer Angriffe gegen palästinensische Freischärler im Libanon und in Syrien; die USA legen zum zweiten Mal in der Geschichte der UNO Veto gegen eine Resolution ein, da diese zu einseitig Israel verurteile (siehe unter „Nahost"). 19/IX: Eröffnung der XXVII. Session der UN-Vollversammlung. Ein Bericht über die wichtigsten Vorgänge während der Session, wie z. B. die erste grundsätzliche Darlegung der außenpolitischen Vorstellungen der VR China, die Auseinandersetzungen um die Korea-Frage, die scharfe Kritik Pekings an der sowjetischen Abrüstungspolitik und die Zustimmung der Vollversammlung zu den so-B wjetischen Vorschlägen zum Thema Abrüstung, erscheint nach Abschluß der Session.

29/IX: Der UN-Sicherheitsrat nimmt mit 13 Stimmen ohne Gegenstimme bei Enthaltung Großbritanniens und der USA eine von Guinea, Somalia und dem Sudan beantragte Resolution an, in der die Politik Rhodesiens, Südafrikas und Portugals verurteilt wird. Von der Völkergemeinschaft wird gefordert, die in mehreren Resolutionen schon früher verlangte negative Haltung gegenüber dieser Politik sowie die vom Sicherheitsrat geforderten Sanktionen gegenüber den drei genannten Regierungen zu verwirklichen.

29/IX: Brasilien und Argentinien unterbreiten Abkommen über Nutzung der Wasser-kraft im La Plata-Becken als Modellabkommen für Umweltschutz.

Sonstiges Abrüstung 29/II-2/IX: In Genf findet die Session 1972 statt: Themen der Session sind die nukleare Abrüstung, wobei insbesondere die SALT-Ergebnisse begrüßt werden und die Forderung erhoben wird, daß alle Staaten dem Nichtweiterverbreitungsvertrag beitreten sollen, ein umfassendes Verbot von Kernwaffenversuchen, kernwaffenfreie Zonen, Verbot chemischer Waffen, Rüstungskontrolle konventioneller Waffen, vollständige Entmilitarisierung des Meeresbodens, regionale Abrüstung, Möglichkeiten zu einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung, Möglichkeiten und Sinn einer Weltabrüstungskonferenz.

Gold 2/VIII: Der Goldpreis erreicht auf dem freien Londoner Markt einen Rekordstand von 69, 30 Dollar je Unze Feingold. Der Zurückhaltung Südafrikas als größtem Goldlieferanten des Westens beim Goldangebot kommt dabei besondere Bedeutung zu.

Olympiade 26/VIII-ll/IX: In München und Kiel finden die XX. Sommerspiele statt. Sie waren unter das Motto „Heitere Spiele" gestellt worden und sollten der Welt ein Gegenbild zu jenem Deutschland zeigen, das die olympischen Sommerspiele 1936 veranstaltet hat. Dieser Aspekt hatte 1965 den damaligen Oberbürgermeister von München, Hans-Joachim Vogel , bewogen, die Spiele nach München zu holen, und den damaligen Bundeskanzler Ludwig Er -har d , gegen die Stimmen seiner Berater und ohne wesentliche Stützung im Kabinett zu beschließen, den Spielen die Unterstützung des Bundes zuteil werden zu lassen.

An den Spielen nahmen 10 230 Sportler aus 120 Ländern teil, darunter 579 aus der BRD, 535 aus der UdSSR, 529 aus den USA und 345 aus der DDR, die zu diesen Spielen erstmals eine eigene Mannschaft als DDR-Mannschaft entsenden konnte. Bei den Spielen errangen die Sportler der UdSSR 50mal Gold, 27mal Silber und 22mal Bronze; die Zahlen für die Sportler der USA sind: 33 : 31 : 30; für die Sportler der DDR 20 : 23 : 23; die für die Sportler der BRD: 13 : 11 : 16.

Die weltweiten Stellungnahmen zu diesen Spielen waren im großen und ganzen positiv und bestätigten den Veranstaltern, daß die Zielsetzung „Heitere Spiele" erfüllt wurde. Die Erinnerung an diese Spiele wird aber durch zwei Vorgänge belastet, die — so unterschiedlich man sie bewerten mag — die Behauptung, sportliche Veranstaltungen insbesondere in dieser Größenordnung könnten von politischen Aspekten getrennt werden, Lügen strafen.

Die Rhodesien-Frage Der erste Vorfall hatte den Charakter einer politischen Erpressung. Wegen des rassistischen Herrschaftsprinzips in Rhodesien hatten auf der 72. Tagung des Internationalen Olympischen Komitees die Delegierten der afrikanischen Staaten im September 1971 in Luxemburg das Thema der Teilnahme rhodesischer Sportler auf die Tagesordnung gebracht. Sie hatten erklärt, daß sie nicht gegen die Teilnahme der Sportler seien, wohl aber gegen eine Manifestation der Eigenstaatlichkeit Rhodesiens, weshalb sie forderten, die rhodesischen Sportler sollten unter dem Status britischer Untertanen antreten. Nachdem die Regierung in Salisbury dieser Forderung nachgegeben hatte, eskalierten die afrikanischen Delegierten sowohl im Rahmen afrikanischer Sportorganisationen als auch afrikanischer politischer Vereinigungen ihre Forderungen interpretativ dergestalt, daß die 73. Tagung der Vollversammlung des IOC am 22. August 1972 mit 36 gegen 31 Stimmen bei 3 Enthaltungen in München beschloß, Südrhodesien habe die ihm auferlegten Bedingungen für die Teilnahme an den olympischen Spielen nicht erfüllt, weshalb die Einladung zurückgezogen werde. Der Präsident des IOC, Avery Brun dag e, berichtete über die Schlußdebatten, daß die „Südrhodesier" während der 73. Tagung nicht den Beweis dafür hätten erbringen können, „daß sie britische Untertanen sind". Er selbst sei der Ansicht, daß diese Bewertung der 1971 formulierten Bedingungen aufgrund politischer Erpressung zustande gekommen sei, die darin bestanden habe, daß die afrikanischen Staaten erklärt hätten, im Fall der Teilnahme einer südrhodesischen Mannschaft ihre Sportler zurückzuziehen.

Die Ermordung israelischer Sportler Noch unmittelbarer und dramatischer griff ein anderer Vorfall in die „Heiteren Spiele" ein: Am 5. September drangen palästinensische Terroristen in das Olympische Dorf ein, ermordeten bei der Besetzung der Unterkunft der israelischen Equipe 2 Israelis und führten in den folgenden Stunden eine Situation herbei, in der sie weitere 9 als Geiseln entführte Sportler und Funktionäre der israelischen Mannschaft auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck ebenfalls ermordeten. Sie hatten nach der Geiselnahme von der israelischen Regierung die Freilassung von 200 namentlich genannten Freischärlern gefordert, falls man die Geiseln retten wolle. Die israelische Regierung lehnte es ab, auf diese Forderung einzugehen. Deutsche Stellen bemühten sich zunächst, durch das Angebot von Lösegeld und der Gestellung deutscher Ersatzgeiseln die israelischen Sportler freizubekommen. Da sich die palästinensischen Terroristen auf dieses Angebot nicht einließen und da die angesprochenen arabischen Regierungen sich nicht bereit fanden, das Leben der israelischen Geiseln zu garantieren, falls die Bundesregierung den Abflug der Terroristen mit ihren Geiseln genehmige, versuchten die deutschen Behörden, zur Vermeidung noch schwererer Konsequenzen die Vorgänge aus dem olympischen Dorf heraus zu verlegen.

Der Plan, wenigstens einen Teil der Geiseln in Fürstenfeldbruck zu retten, mißlang. In der Folge kam es in der Bundesrepublik zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen darüber, welche der beteiligten entscheidungsbefugten Personen aus welchen Gründen falsch entschieden habe und so indirekt für die Katastrophe von Fürstenfeldbruck verantwortlich sei. Die Bundesregierung, die Landesregierung von Bayern und der für die Sicherheitsmaßnahmen während der olympischen Spiele in München verantwortliche Münchner Polizei-präsident veröffentlichten kurz nach dem Desaster gemeinsam eine Dokumentation über die Vorgänge, die jedoch den Verdacht nicht auszuräumen vermochte, daß die deutschen Behörden auf Bundes-wie auf Landesebene auf die Problematik einer solchen Geiselnahme in keiner Weise vorbereitet waren und däß das Unternehmen der Geiselbefreiung weniger aus Gründen aktueller Fehlentscheidung als vielmehr wegen mangelhafter grundsätzlicher Einstellungen kaum Aussichten auf Erfolg hatte.

Indirekt wird diese Einschätzung der Rechtfertigungsdokumentation dadurch gestützt, daß unmittelbar nach der Katastrophe von Fürstenfeldbruck Bund und Länder eine Reihe von Entscheidungen fällten, deren eindeutiger Sinn darin besteht, Vorsorge gegen ein mögliches neuerliches Scheitern der Behörden in einem ähnlichen Fall zu treffen.

Von arabischer Seite wurde zwar (wie von der gesamten Weltöffentlichkeit) die Ermordung einer Sportlerequipe verurteilt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, daß palästinensische Terroristen als Kombattanten im Befreiungskrieg von Opfern der israelischen Aggression betrachtet werden müßten und daß den Behörden der Bundesrepublik Deutschland vorzuwerfen sei, daß sie das palästinensische Kommando arglistig und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen betrügerisch in eine tödliche Falle gelockt haben. Diesem Gedankengang entsprechend kündigte das für den Mord verantwortliche palästinensische Freischärler-Unternehmen „Schwarzer September" an, es werde an den für den Tod von 5 der 8 palästinensischen Freischärlern verantwortlichen deutschen Behörden Rache nehmen.

Die Reaktion in den Ländern Osteuropas war unterschiedlich. Während z. B. Jugoslawien oder Rumänien die Ermordung der israelischen Geiseln bedingungslos verurteilten, ließen die UdSSR oder Polen in ihren unmittelbaren bzw. indirekten Stellungnahmen durchklingen, daß sie die Aktion der palästinensischen Terroristen vor allem deswegen verurteilten, weil sie strategisch falsch angelegt gewesen sei und daher der gerechten Sache der Palästinenser mehr Schaden als Nutzen gebracht habe. Die Stellungnahme der DDR ging sogar so weit, daß sie sich, wenigstens teilweise, den arabischen Vorwürfen — von denen sich nur Jordaniens König Hus -sei n ausdrücklich ausschloß — gegen die Bundesrepublik anschloß. Uran 8/VIII: In Brasilien sind die bisher größten Uranvorkommen der Welt entdeckt worden (siehe unter „Brasilien“). Währungswesen 17-18/VII: Die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der Zehn beschließen die Aufrechterhaltung der Paritäten und 8 Merkmale für ein künftiges neues Weltwährungssystem (siehe unter „Europäische Gemeinschaften"). 28/VII: Der Internationale Währungsfonds (IMF) gibt bekannt, daß die Gouverneure des IMF in einer schriftlichen Abstimmung dem Vorschlag der Exekutivdirektoren über Bildung einer Zwanziger-Gruppe (statt der bisherigen Zehner-Gruppe) mit großer Mehrheit zugestimmt haben. In der erweiterten Gruppe sind auch die Entwicklungsländer vertreten. In diesem Forum sollen die Verhandlungen über die Reform der Währungsordnung stattfinden. 25-29/IX: In Washington finden die Jahrestagungen der sogenannten Bretton-Woods-Institute, von Weltbank und IDA (International Development Agency), von IFC (International Finance Corporation) und IMF statt. Die Jahresberichte stellen die Entwicklung der Tätigkeiten dieser Institutionen dar. Hauptthema insbesondere im Rahmen der IMF-Tagung war die Erörterung der Aspekte einer internationalen Währungsreform. Hierbei forderten die Vertreter der Entwicklungsländer, daß das internationale Währungssystem bei der notwendigen Reform Rücksicht auf die Wahrung ihrer Interessen nehmen müsse. Diese Thematik wurde insbesondere dem neu konstituierten Komitee der Zwanzig als Aufgabe übertragen; Mitglieder dieses Komitees sind: Äthiopien, Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, die BRD, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Irak, Italien, Japan, Kanada, Marokko, Mexiko, Niederlande, Schweden, USA und Zaire sowie ebenso viele sogenannte Assoziierte und Stellvertreter, die jedoch nicht dieselbe Staatsangehörigkeit wie die Mitgliedsländer haben müssen.

Europa

Abbildung 2

Die Vorgänge auf diesem Kontinent, sofern sie nicht im Rahmen der mehrere Kontinente umfassenden Organisationen bzw. Themata behandelt worden sind (siehe Stichwort „Internationales"), werden nachfolgend zunächst nach Regionalorganisationen und sodann nach Ländern in alphabetischer, bei den betreffenden Ländern in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Der Abschnitt „Regionales" behandelt diesmal Vorgänge im COMECON, erinnert unter „Europa" an zwei bedeutende Europäer, beschreibt Vorgänge in den Europäischen Gemeinschaften der Sechs, in der Orthodoxie und im Ostblock.

Regionales Comecon/RWG 10-12/VII: In Moskau findet die XXVI. Tagung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe statt. Zum erstenmal nimmt eine Delegation Jugoslawiens, das dem Rat nur als Beobachter angehört, an der Tagung teil; Kuba wird als Vollmitglied aufgenommen. In einem zum Abschluß der Tagung herausgegebenen Kommunique wird hervorgehoben, „das von der XXV. Ratstagung einmütig angenommene Komplexprogramm für die weitere Vertiefung und Vervollkommnung der Zusammenarbeit und die Entwicklung der sozialistischen ökonomischen Integration, das auf den Prinzipien des sozialistischen Internationalismus, auf der Achtung der staatlichen Souveränität, der Unabhängigkeit und nationalen Interessen, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder, der vollen Gleichberechtigung, des gegenseitigen Vorteils und der kameradschaftlichen gegenseitigen Hilfe beruht", habe „die volle Unterstützung und Zustimmung der Parteitage und Plenartagungen der Zentralkomitees der kommunistischen und

Arbeiterparteien der Mitgliedsländer des RGW" gefunden. Die Wirtschaft der Mitgliedsländer habe sich weiterhin mit hohem Tempo entwickelt. „Im Jahre 1971 erhöhte sich ihr Nationaleinkommen um 6, 3 °/o und die Industrieproduktion um 7, 8 %, während in den kapitalistischen Industrieländern der Zuwachs nicht einmal 1 % erreichte. . .. Die Mitglieds-länder des RGW schlossen eine Vielzahl zweiseitiger und mehrseitiger Abkommen über die Spezialisierung und Kooperation der Produktion sowie über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit ab. .. . Der Außenhandelsumsatz der Mitgliedsländer des RGW betrug 1971 rund 60 Mrd. Rubel und erhöhte sich gegenüber 1970 um 8, 3 0/0. Dabei stieg der Umsatz des gegenseitigen Handels um 9 0/0 ... Die Tagung empfahl den Mitgliedsländern des RGW, die Koordinierung der Pläne für das nächste Jahrfünft (1976— 1980) in den Jahren 1971— 1974 durchzuführen, damit der rechtzeitige Abschluß der langfristigen Handelsabkommen gesichert wird." Weitere wichtige Verhandlungsthemen sind Fragen des Bedarfs an Elektroenergie, des Baus von Kernkraftwerken, der Kooperation im Maschinen-B bau sowie die wachsende Bedeutung „der internationalen Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Internationalen Investitionsbank bei der Entwicklung der planmäßigen sozialistischen ökonomischen Integration". Die Beziehungen zu anderen sozialistischen Ländern, zu den Entwicklungsländern und zu den entwickelten kapitalistischen Ländern werden weiter ausgebaut. 1971 erhöhte sich das Handelsvolumen mit diesen um 8, 5 % im Vergleich zum Vorjahr. Im Verlauf der Tagung wird ein Generalabkommen über den Bau eines großen Zellstoffkombinats im Gebiet von Ust-Ilim in der UdSSR unterzeichnet, woran sich sechs Staaten beteiligen: Bulgarien, Ungarn, DDR, Polen, Rumänien und die UdSSR.

Europa 27/VII: In Schruns/Vorarlberg stirbt im 78. Lebensjahr der Gründer und Präsident der Paneuropa-Bewegung, Richard Graf COUDENhov e -K alerg i. Coudenhove, am 16. November 1894 in Tokio als Sohn eines österreichischen Diplomaten und einer Japanerin geboren, veröffentlichte 1922 sein berühmtes Buch „Paneuropa" und gründete 1926 die gleichnamige Zeitschrift. 1938 mußte er Österreich verlassen und wirkte von den USA aus für die Idee eines Vereinten Europa. 1947 gründete er die europäische Parlamentarier-Union, deren Generalsekretär er wurde. 1950 erhielt er als erster den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen.

31/VII: Paul-Henri Spaak gestorben (siehe unter „Belgien").

Europäische Gemeinschaften 13/VII: Das britische Unterhaus verabschiedet in Dritter Lesung das Zustimmungsgesetz zum Beitritt Großbritanniens zu den EG.

17-18/VII: Die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der sechs Mitglieder und der vier Beitrittsstaaten der EG befassen sich auf einer Konferenz in London mit Währungsfragen. Sie beschließen, die im Dezember 1971 festgesetzten'Paritäten mit Ausnahme des Floating des Pfund Sterling zu verteidigen und erforderlichenfalls weiterhin US-Dollars zur Stützung des Dollar-Kurses aufzunehmen. Abwehrmaßnahmen gegen unerwünschte Devisenzuflüsse bilden keinen Gesprächsgegenstand. Außerdem einigt sich die Konferenz auf 8 Merkmale, die das neue künftige Welt-währungssystem aufweisen sollte: 1. feste Wechselkurse; 2. allgemeine Konvertibilität; 3. wirksame Kontrolle der internationalen Liquidität; 4. Möglichkeiten zur Angleichung der Zahlungsbilanzen; 5. Beschränkung der kurzfristigen Kapitalströme von Land zu Land; 6. gleiche Rechte und Pflichten sowohl für Defizit-als auch für Überschußländer; 7. Wahrung der Interessen der Entwicklungsländer; 8. Vereinbarkeit des neuen Systems mit dem Streben der EWG nach wirtschaftlicher und währungspolitischer Einheit.

17-18/VII: Die Landwirtschaftsminister der Gemeinschaft billigen Entwürfe für Verordnungen, die nach Inkrafttreten des Beitritts-vertrages mit Großbritannien, Dänemark, Norwegen und Irland auf dem Getreidesektor zur Anwendung gelangen sollen. — Die Frage der Grenzausgleichsbeträge, die seit der Aufwertung der D-Mark gezahlt werden, wird vertagt.

19/VII: Die Außenminister der 6 Mitglieds-und der 4 Beitrittsländer der EG treffen sich in Brüssel zur Vorbereitung der für Oktober in Aussicht genommenen Pariser Gipfelkonferenz. Trotz der Warnungen des französischen Staatspräsidenten Pomp ido u wird keine Verschiebung der Gipfelkonferenz verlangt oder gar beschlossen. Hauptthemen der Konferenz sind Fragen der Wirtschafts-und Währungsunion sowie Umweltprobleme, wodurch die beiden anderen Themen, nämlich die Außenbeziehungen und die politische Weiterentwicklung der Gemeinschaft, etwas in den Hintergrund rücken.

22/VII: Im Egmont-Palais in Brüssel werden Freihandelsabkommen zwischen der EWG und der EGKS einerseits und den EFTA-Staaten Österreich, Schweden, Schweiz, Island, Portugal sowie dem EFTA assoziierten Finnland andererseits unterzeichnet. Das mit der Schweiz geschlossene Abkommen findet auch im Fürstentum Liechtenstein Anwendung. Durch die Verträge entsteht ein Freihandelsraum von 16 Staaten mit 300 Mill. Menschen und einem Gesamtvolumen von 140 Mrd. Dollar — die größte Handelsmacht der Welt.

Eine gemeinsame Basis mit allen beteiligten Ländern bildet der Freihandel für Industrieerzeugnisse verbunden mit Schutzmechanismen. Was den Agrarbereich betrifft, erklären sich die Partner bereit, unter Wahrung der jeweiligen Agrarpolitik dort, wo die Abkommen keine Sondervorschriften festlegen, die ausgewogene Entwicklung des Agrarhandels zu fördern. Von Fall zu Fall konnten mit jedem der Länder entsprechend den besonderen Problemen Ergänzungen ausgehandelt werden. In allen Abkommen, außer dem Abkommen mit Finnland, ist ein Element der „Weiterentwicklung" enthalten.

Die Gemeinschaft konnte nicht für alle Industrieerzeugnisse den Abbau des Zollschutzes zum 1. Juli 1977 vorsehen; für einige empfindliche Erzeugnisse wurde eine längere Übergangszeit festgelegt. Dies betrifft insbesondere den Papiersektor.

Die Abkommen legen die notwendigen Modalitäten fest, um einen ausgewogenen Freihandel für die Erzeugnisse mit Ursprung in den Drittländern sicherzustellen und eine einheitliche Behandlung im Hinblick auf ihre Einbeziehung in den Freihandel herbeizuführen. Die Ursprungsregeln sind denjenigen vergleichbar, die die Gemeinschaft in ihren derzeitigen Präferenzabkommen anwendet.

Zwischen der EWG und Österreich wird ferner ein sogenanntes Interimsabkommen geschlossen, das eine beiderseitige Zollsenkung um 30 °/o für Industrieprodukte mit Ausnahme .sensibler'Erzeugnisse bereits am 1. Oktober 1972 vorsieht, während die Zollsenkungen für die übrigen nichtbeitrittswilligen EFTA-Staaten erst Anfang 1973 beginnen. Außerdem werden mit Österreich Sondervereinbarungen auf dem Agrarsektor getroffen. 18/VIII: Die Kommission gibt bekannt, daß sie die Getreidelieferungen Frankreichs an die UdSSR mit 55 Mill. Rechnungseinheiten (1 RE = 1 Dollar) subventionieren werde. Dieser Erstattungssatz wird allgemein als ungewöhnlich hoch angesehen und damit erklärt, daß man sich einerseits aus politischen Erwägungen zu einer so hohen Subventionierung entschlossen habe, andererseits aber deswegen, weil es so möglich geworden sei, einen Teil des EWG-Getreideberges abzubauen. 18/VIII, 20/IX: Austausch von Aide-memoires zwischen Österreich und der Sowjetunion über mögliche Konsequenzen aus den Vereinbarungen Österreichs mit den Europäischen Gemeinschaften (siehe unter „Sowjetunion"). 11-12/IX: In Rom findet eine Tagung der Wirtschafts-und Finanzminister der Erweiterten Gemeinschaften statt, an der auch die Notenbankpräsidenten der 10 Länder (also die 6 alten EWG-Partner und die 4 zum Beitritt entschlossenen Länder Großbritannien, Irland, Dänemark und Norwegen) und Vertreter der Europäischen Kommission teilnehmen. Sie vereinbaren, Maßnahmen zu beschließen, die sich für eine kurzfristig wirksame realistische Aktion gegen die Inflation eignen. Sie beschließen ferner, bereits in der ersten Stufe der Wirtschafts-und Währungsunion einen Europäischen Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit'zu errichten, dem zunächst einmal ab 1. Januar 1973 ein Kreditbetrag von 1, 4 Mrd. Dollar für kurzfristigen Währungsbeistand zur Verfügung gestellt werden soll. (Auch auf dieser Tagung vertagen die Minister erneut die Behandlung der vor allem für Italien immer wichtiger werdenden Regionalpolitik, ohne deren sinnvolle Lösung nach Meinung der Experten eine vernünftige Weiterarbeit Italiens im Rahmen der EWG bald kaum noch denkbar erscheint.) 12/IX: Die Außenminister der Zehn beraten in Frascati Vorschläge Außenministers Walter Scheel zur gemeinsamen Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Anschließend werden sie von Frankreichs Außenminister Maurice Sch uma nn dahingehend unterrichtet, daß er auf Grund der Beratungsergebnisse der Wirtschafts-und Finanzminister seiner Regierung mitteilen werde, es stehe nach seiner Ansicht der Einberufung der geplanten Gipfelkonferenz der Zehn nichts mehr im Wege.

14/IX: Der österreichische Nationalrat verabschiedet in einer Sondersitzung einstimmig und ohne Stimmenthaltungen die Interimsabkommen zwischen Österreich einerseits und EWG bzw. EGKS andererseits sowie zusätzliche Durchführungsgesetze. Damit sind die Interimsabkommen per 1. Oktober 1972 in Kraft und behalten ihre Gültigkeit bis zum 31. Dezember 1972; am 1. Januar 1973 sollen die Globalvereinbarungen in Kraft treten. In der Debatte kritisiert die österreichische Volkspartei (die Opposition), daß die Regierung es versäumt habe, durch rechtzeitige intensivere Kontakte auf Regierungsebene Möglichkeiten für einen besseren Vertrag zu schaffen. Dennoch stimme man aus Überzeugung zu, da mit den Verträgen ein Weg geöffnet werde, auf dem sich für Österreich große Möglichkeiten böten, falls es sich entsprechend darum bemühe. 15/IX: Der französische Staatspräsident Georges Pomp id ou richtet an die Regierungschefs der übrigen neun Mitgliedstaaten der Erweiterten Gemeinschaften eine formelle Einladung zur Abhaltung einer Konferenz der Staats-und Regierungschefs in Paris, die nach den positiven Ergebnissen der Vorbereitungs-B konferenzen erfolgreich eine äußerst wichtige Phase in der Geschichte der Gemeinschaften einleiten könne. 25-26/IX: In Norwegen verwirft eine Volksabstimmung bei einer Beteiligung von 74 °/o mit rund 54 °/o gegen 46 °/o den Beitritt Norwegens zu den Europäischen Gemeinschaften. Nach der Verfassung liegt die Entscheidung über eine solche Maßnahme zwar ausschließlich beim Storting und einer Volksabstimmung kommt lediglich beratende Bedeutung zu; doch angesichts dieses Ergebnisses hätte der Storting einer entsprechenden Beitritts-Vorlage des Kabinetts Bratteli niemals zugestimmt. Daher erklärte Ministerpräsident Trygve Bratelli — seiner Ankündigung entsprechend — unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses den Rücktritt seiner Regierung.

In nahezu allen norwegischen und ausländischen Pressekommentaren wurde das Ergebnis der Volksabstimmung dahingehend interpretiert, daß hier nicht eine Mehrheit nach vernünftigen politischen Gründen zustande gekommen sei, sondern aus der Addition vieler Minderheiten, die meist irrationalen Haltungen Ausdruck gaben und von einer geschickten Anti-EWG-Propaganda organisiert wurden. Wesentlichen Anteil an den Neinstimmen hätten solche ländlichen Bezirke gehabt, die in Kontinentaleuropa eine Art papistisches Sündenbabel sähen, aus Unverständnis für komplizierte moderne Wirtschaftszusammenhänge die lokalen oder ständischen Interessen für den Fall eines Beitritts nicht ausreichend gesichert glaubten oder — aus ähnlichem Unverständnis für moderne Entwicklungen — in einer totalen und damit isolationistischen Souveränität traditionell das Heil sähen.

Orthodoxie 18/VII: Am 7. Juli stirbt in Istanbul der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Erzbischof Athenagor as I. im Alter von 86 Jahren. Er wird im Kloster von Balikli, der Begräbnisstätte der Patriarchen, beigesetzt. Athenagoras , 1886 in Westgriechenland geboren, wurde am 1. November 1948 zum Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel gewählt. Während seiner Amtszeit bemühte er sich vor allem um die Verständigung mit den anderen christlichen Kirchen. Er empfing den Erzbischof von Canterbury und traf zweimal mit Papst Paul VI. zusammen. — Am 16. Juli wählt die Heilige Synode den Erzbischof von Imbros und Tenedos, Metropolit Dimi tri os , zum neuen Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, der am 18. Juli feierlich inthronisiert wird. Dimitr ios wurde 1914 geboren, in Athen und Kanada ausgebildet und 1942 zum Priester geweiht. Seit dem 15. Februar 1972 war er Metropolit und Erzbischof der türkischen Inseln Imbros und Tenedos. Er war im Rang das zweitjüngste Mitglied des Heiligen Synod.

Ostblock 10/VIII: Am 31. Juli findet auf der Krim ein Gipfeltreffen der Führer der Ostblockstaaten statt, dem sich an den folgenden Tagen bilaterale Gespräche anschließen. An dem Gipfeltreffen nehmen die Parteichefs SHIWKOFF (Bulgarien), Kadar (Ungarn), Honec ker (DDR), Tsedenb al (Mongolei), Giere k (Polen), Ceaus esc u (Rumänien), Husa k (CSSR) und Bresh new (UdSSR) sowie der sowjetische Staatspräsident Pod go rn ij teil. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß im Gegensatz zum Vorjahr Ceaus escu dem diesjährigen Krimtreffen beiwohnt und anschließend als erster von Bres hn ew zu einem Gespräch empfangen wird. Das deutet nach Meinung westlicher Kommentatoren darauf hin, daß eine Besserung der sowjetisch-rumänischen Beziehungen demonstriert werden sollte.

Während des Treffens findet ein Meinungsaustausch über den Verlauf des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus sowie über die weitere Entwicklung der allseitigen Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten statt. Erörtert werden auch aktuelle internationale Fragen. Aus Stellungnahmen, die vom Politbüro des ZK der SED und vom Politbüro des ZK der KPdSU am 2. bzw. am 5. August veröffentlicht werden, sowie aus Kommentaren der „Prawda" und des „Neuen Deutschland" vom 7. bzw. 10. August geht hervor, daß unter den auf der Krim behandelten Fragen der Lage in Europa größte Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Die Konferenz schätzt die Bedeutung der Verträge von Moskau und Warschau, das Vierseitige Abkommen über Westberlin und die Verträge und Abkommen der DDR mit der BRD sowie mit dem Westberliner Senat für die neue Entwicklung im Leben der europäischen Völker hoch ein. Die Bemühungen der Regierung Bran dt /Sche el um sachliche Beziehungen zu den Ländern des Ostens finden Anerkennung. Günstige Voraussetzungen bestehen nach Meinung der Ostblock-Politiker für praktische Vorbereitungen zu einer gesamteuropäischen Konferenz über Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit.

Länderberichte Belgien 9-12/VII: Offizieller Besuch des sowjetischen Außenministers Grom yk o (siehe unter „Sowjetunion").

31/VII: In Brüssel stirbt an den Folgen eines Nierenversagens der ehemalige belgische Außen-und Premierminister und frühere Präsident des Europarates und Generalsekretär der NATO, Paul-Henri Spaak , im Alter von 73 Jahren. Spaak , am 25. Januar 1899 geboren, von Beruf Rechtsanwalt, wurde 1932 für die Sozialisten in die belgische Abgeordneten-kammer gewählt. Er bekleidete mehrere Ministerämter und wurde 1938 erstmals Regierungschef. Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich Spaa k als leidenschaftlicher Verfechter einer Einigung Europas um den Aufbau des Europarates und leistete entscheidende Beiträge zur Bildung der Benelux-Staaten, der Westeuropäischen Union, der OEEC, des Europarates, der Montanunion, der EWG und von EURATOM. Neben seinen nationalen Staatsämtern hatte er zahlreiche hohe internationale Funktionen inne. Als Generalsekretär der NATO (1957— 1961) befürwortete er die Erweiterung dieser Organisation zu einem wirksamen politischen Instrument. 1957 erhielt Spaa k den Karlspreis der Stadt Aachen.

Bulgarien 7-28/IX: Vereinbarung mit Rumänien über gemeinsame Donau-Bewirtschaftung (siehe unter „Rumänien").

Bundesrepublik Deutschland Fragen der Ost-Politik 5-6/VII: Der sowjetische Außenhandelsminister Nikolai Pato litsc hew besucht auf Einladung des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen, Karl Schi ller , die BRD. Bei dieser Gelegenheit wird ein langfristiges deutsch-sowjetisches Abkommen über den Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet. Mit diesem Abkommen werden die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern wieder auf eine feste und dauerhafte Grundlage gestellt. In das Handelsabkommen ist auch Westberlin einbezogen. Beide Minister stellen übereinstimmend fest, daß sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern nach Abschluß des Vertrages vom 12. August 1970 entscheidend verbessert haben. Sie sind der Auffas-sung, daß es nun an der Zeit sei, über den Handel hinaus die längerfristige industrielle Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der sowjetischen Industrie zu entwickeln. 6/VII: In Düsseldorf wird das 2.deutsch-sowjetische Abkommen über die Lieferung sowjetischen Erdgases gegen deutsche Großrohren und über die Gewährung eines Kredits für die Zahlung der Rohre unterzeichnet. Der Vertrag sieht die Lieferung von 1, 2 Mill, t Großrohren an die Sowjetunion vor, die von der Mannesmannröhren-Werke AG hergestellt werden. Als Gegenleistung erhält die Ruhrgas AG Essen von 1973 an sowjetisches Erdgas. Bis gegen Ende der 70er Jahre werden insgesamt 7 Mrd. cbm sowjetisches Erdgas in die BRD importiert. Ein Konsortium von 15 Banken unter Federführung der Deutschen Bank hat der Sowjetunion einen Kredit in Höhe von 1, 2 Mrd. DM eingeräumt, der bis 1983 zurückzuzahlen ist. 8/VII: Die Prager Rude Pravo stellt die Haltung der CSSR zur Frage der Normalisierung der Beziehungen mit der BRD, insbesondere hinsichtlich des Münchner Abkommes, dar (siehe unter „Tschechoslowakei"). 21/VII: Der Berliner Senat erwirbt für einen Kaufpreis von 31 Mill. DM ein bisher zu Ostberlin gehörendes 8, 5 ha großes Gebiet am Potsdamer Platz. Nach dem Erwerb kann eine seit langer Zeit geplante leistungsfähige Verbindungsstraße zwischen den nördlichen und südöstlichen Bezirken West-Berlins geschaffen werden. 24/VII: Von Berlin (West) aus wird der Selbstwählferndienst mit zunächst 32 Ortsnetzen in der DDR (Bezirk Potsdam) eröffnet. Das entspricht einer Vereinbarung mit der DDR-Postverwaltung vom 30. September 1971, schrittweise bis Ende 1974 den vollautomatischen Fernsprechverkehr aufzunehmen. Vom Bundesgebiet aus werden voraussichtlich Mitte 1973 die ersten vollautomatischen Verbindungen zur Verfügung stehen. Als Überbrükkungsmaßnahme werden gleichfalls am 24. Juli 1972 zur Verbesserung des handvermittelten Fernsprechverkehrs zwischen BRD und DDR weitere 27 Fernsprechleitungen in Betrieb genommen, so daß jetzt in abgehender Richtung 110 Fernsprechleitungen zur Verfügung stehen. — Am 28. Juni 1972 sind 12 weitere Telexleitungen in jede Richtung geschaltet worden. Damit stehen insgesamt 91 Telexleitungen in beiden Richtungen zur Verfügung. 14-28/VII: Der ehemalige Außenminister und derzeitige Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Gerhard Schr öder , stattet der VR China einen Besuch ab. Er führt Gespräche mit hohen Funktionären des Außen-und des Außenhandelsministeriums und wird zweimal von Ministerpräsident Chou En -lai empfangen.

Schr öd er betont wiederholt, daß er nicht als Vertreter einer Partei China besuche, sondern seinem Land einen Dienst erweisen wolle. Die Formel von der Normalisierung der Beziehungen sei von chinesischer Seite abgelehnt worden, da die VR China ohne Vorbedingung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen bereit sei; sie sei ferner bereit, ihre Einkaufs-kapazität hinsichtlich vollständiger Industrieanlagen sowie ihre gesamte Außenhandels-1 erheblich auszubauen. 31/VII: Nachdem Schr öder Bundesaußenminister Walter Scheel von den Ergebnissen der Reise unterrichtet hat, gibt er vor der Presse bekannt, daß er mit den chinesischen Gesprächspartnern ein Papier über Modalitäten für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichnet habe. Er hoffe, daß eine baldige Verwirklichung dieses Projektes die Veröffentlichung des Papiers überflüssig mache; Sche el selbst sei bereit, gegebenenfalls noch vor den Bundestagsneuwahlen nach Peking zu reisen. Er selbst hielte es für nicht angebracht, aus der Frage diplomatischer Beziehungen zur VR China ein Wahlkampf-thema zu machen.

Aus den Berichten der Journalisten, die Schr öd er begleiteten, geht hervor, daß die chinesische Führung dem Gast und seiner journalistischen Begleitung ungewöhnlich offen und freizügig entgegengekommen ist; den Westdeutschen seien Anlagen in Häfen und Industriestädten gezeigt worden und außerdem hätten sie Manöver und Übungen der Volks-befreiungsarmee beobachten können. 16/VIII: Im Haus des DDR-Ministerrats beginnen nach einer Serie von Sondierungsgesprächen beim 50. Treffen der Staatssekretäre Egon Bah r vom Bundeskanzleramt und Dr. Michael Kohl beim Ministerrat der DDR „Verhandlungen über Fragen der Herstellung normaler gutnachbarlicher Beziehungen zwischen der DDR und der BRD, wie sie zwischen voneinander unabhängigen Staaten üblich sind". In dieser ersten neuen Verhandlungsrunde schält sich als wichtigstes erstes Problem heraus, daß die DDR auf einem Botschafteraustausch beharrt, während die BRD für den Austausch Bevollmächtigter Minister eintritt. 17/VIII: Zycie Warszawy stellt die polnische Ansicht zur Frage sogenannter Schwierigkeiten bei der Normalisierung zwischen BRD und Polen dar (siehe unter „Polen"). 21/VIII: Die DDR protestiert gegen Übernahme bestimmter BRD-Gesetze durch Westberlin (siehe unter „DDR"). 13-14/IX: Besuch des polnischen Außenministers (siehe unter „Polen").

22/IX: Bundespräsident Gustav Heinem ann erteilt dem bisherigen Leiter der polnischen Handelsmission in der BRD, Waclaw PIAT-Kowsk i, das Agrement als erstem Botschafter der VR Polen in der Bundesrepublik. 25/IX: In Frankfurt/Main unterzeichnen Vertreter der Verkehrsministerien der BRD und der DDR auf der Basis des Verkehrsvertrages ein Übereinkommen über die Durchführung des Eisenbahnverkehrs zwischen den Grenzbahnhöfen der DDR und der BRD.

Die innenpolitischen Entwicklungen 10/VII: Durch den Rücktritt von Bundeswirtschafts-und Finanzminister Karl Sch ill er wird eine Regierungsumbildung notwendig. Schi ller begründet sein Rücktrittsgesuch in einem dem Bundeskanzler bereits am 2. Juli zugestellten Schreiben, das offiziell nicht veröffentlicht wird. In dem später von der Illustrierten „Quick" abgedruckten Brief (Nr. 31/1972) kritisiert Schi ller Verfahren und Inhalt der finanz-und wirtschaftspolitischen Kabinettsbeschlüsse vom 29. Juni, die einer der Gründe für seine Demission seien. In einem Fernsehinterview am Abend des 6. Juli nennt er Meinungsverschiedenheiten über die Steuerreform, die Konfrontation in der Haushalts-und Finanzpolitik sowie die „unerwartete Zuspitzung" in der Währungspolitik als weitere Gründe. Gleichfalls am Abend des 6. Juli wird sein Rücktritt offiziell bekanntgegeben. Bundeskanzler Brand t nimmt am 7. Juli vor der Bundespressekonferenz zum Rücktritt Schi llers Stellung und gibt die neuen Zuständigkeiten in der umgebildeten Bundesregierung bekannt. Der bisherige Verteidigungsminister Helmut Schm idt wird Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, Verkehrsminister Georg Leber wechselt über ins Verteidigungsressort, Wohnungsbauminister Lauritz Lau rit zen übernimmt zusätzlich zu seinem bisherigen Geschäftsbereich die Bundesministerien für Verkehr sowie für das Post-und Fernmeldewesen. Der Bundeskanzler weist darauf hin, daß er eine umfassendere Umbildung des Kabinetts vorgenommen hätte, wenn nicht Neuwahlen noch in diesem Jahr bevorstünden.

Der Vorsitzende der CDU, Rainer Barzel , erklärt am 7. Juli, Bundeskanzler Brand t habe mit der Kabinettsumbildung den Bankrott seiner Regierung erklärt. Die Krise könne nur durch Neuwahlen gelöst werden. Bis dahin behalte sich die CDU/CSU aber vor, „die Fülle von Möglichkeiten, die das Grundgesetz bietet", auszuschöpfen. Barz el sieht in Sch il -lers Rücktritt ein Zeichen dafür, daß Brandt nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, dem Vormarsch der Gegner der sozialen Marktwirtschaft Einhalt zu gebieten.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehn er , erklärt am 7. Juli in Hamburg, der Grund für Schi ller s Rücktritt seien nicht die Differenzen über die währungspolitischen Beschlüsse gewesen, Schille r habe viel mehr von Brandt Zusagen für einen günstigen Listenplatz bei der bevorstehenden Bundestagswahl und über seinen Verbleib im Kabinett haben wollen.

Veränderungen ergeben sich nach der Kabinettsumbildung auch auf der Staatssekretärs-ebene. Staatssekretär Sch öllh or n (Bundes-wirtschaftsministerium) wird auf eigenen Wunsch in den einstweiligen Ruhestand versetzt; seinen Platz nimmt Staatssekretär Mommse n (bisher Bundesverteidigungministerium) ein. An dessen Stelle tritt Siegfried Mann , (bisher Leiter der Haushaltsabteilung im Bundesverteidigungsministerium). Staatssekretär Wetze l (Bundesverteidigungsministerium) wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Ihm folgt Helmut Fing erhu t (bisher Leiter der Abteilung Unterkunft und Liegenschaften). 20/VII: Bundesinnenminister Hans-Dietrich Gensc her bekräftig in einem Interview die Bereitschaft der FDP zur Fortsetzung der Koalition mit der SPD nach den Bundestagswahlen, bezeichnet die Zusammenarbeit jedoch als Zweckbündnis. Wenn die FDP Partner in der

Bundesregierung sei, werde es keinen Marsch in den Sozialismus geben, weil sie jeder Form des Kollektivismus eine Absage erteilen werde. Die FDP garantiere den Freiheitsbereich des einzelnen, die Marktwirtschaft und die Grundsätze der Stabilität. Die FDP habe ihr Tief überwunden; sie sei heute die einzige Partei ohne Führungs-und Personalprobleme. 30/VII: Regierungskoalition und Opposition bekunden ihre Bereitschaft zu Neuwahlen am 3. Dezember. Der CDU-Vorsitzende Barze l erklärt: „Spätestens am 3. Dezember wird neu gewählt. Wer dem Termin ausweicht, zeigt nur ein schlechtes Gewissen. Wir wollen eine Lösung der Krise auf jeden Fall durch Neuwahlen. Brandt und Scheel stehen im Wort." 15-25/IX: Bundeskanzler Bran dt stellt die Vertrauensfrage, die bei Stimmenthaltung der Kabinettsmitglieder verworfen wird, so daß vorzeitige Bundestags-neuwahlen möglich werden:

Bran dt erklärt am 15. September in Oberhausen, die eigentliche Vertrauensfrage richte sich an die Wähler, ob sie nämlich den Mehrheitsschwund im Bundestag durch Überläufer guthießen.

Oppositionsführer Rainer Barze l erklärt am 16. September in Neuß: die SPD sei nicht mehr die Partei von 1969. In ihr hätten die Sozialisten die Mehrheit über die Sozialdemokraten errungen; man müsse sich fragen, ob inzwischen auch Bundeskanzler Bran dt eine neue Republik wolle und bereit sei, die Inflation als Mittel zur System-und Gesellschaftssprengung in Kauf zu nehmen. Im übrigen müsse man das Ausland dringend darauf aufmerksam machen, daß zukünftige Zusagen und Absichtserklärungen der Regierung Brand t /Scheel von der CDU/CSU nicht mehr als verbindlich anerkannt und deshalb im Falle ihrer Machtübernahme auch nicht honoriert würden.

Am 18. September unterrichtete Bundeskanzler Bran dt den Bundespräsidenten von seiner Absicht, dem Bundestag nach Art. 68 des Grundgesetzes die Vertrauensfrage zu stellen, damit nach Verweigerung des Vertrauens der Weg zu Neuwahlen frei werde. Er stellte seinen Antrag am 20. September und kündigte hierbei an, daß die Mitglieder der Bundesregierung an der Abstimmung nicht teilnehmen würden, damit das gewünschte Ergebnis sichergestellt sei; er erklärte erneut, die Mandatsüberträger seien Schuld an dem parlamentarischen Patt. Rainer Barze l wies in seiner Erwiderung diese Interpretation der Situation zurück und erklärte, Schuld trage allein die Bundesregierung, die — wie der Austritt aus den Koalitionsparteien und der Rücktritt in Raten einer ganzen Reihe von Ministern und Staatssekretären zeige — das Vertrauen verspielt habe, weil der Bundeskanzler seine Versprechungen nicht gehalten habe. Am 2. September fand im Deutschen Bundestag die Debatte über den Antrag des Bundeskanzlers statt, in der beide Seiten ihre Position erneut ausführlich darlegten. Zum Abschluß fand die namentliche Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers statt, bei der 233 stimmberechtigte Abgeordnete und 12 Berliner Abgeordnete mit Ja stimmten, 248 stimmberechtigte Abgeordnete und 10 Berliner Abgeordnete mit Nein stimmten und sich 1 stimmberechtigter Abgeordneter der Stimme enthielt. Damit war der Antrag verworfen.

Auf Grund dieses Abstimmungsergebnisses ordnete der Bundespräsident noch am selben Tag die Auflösung des Deutschen Bundestages an und schrieb Neuwahlen für den 19. November aus.

Am 25. September gab Bundeskanzler Bran dt eine Erklärung ab, in der er die Andeutungen Rainer Barzels zurückwies, die Bundesregierung sei nicht mehr voll geschäftsfähig: selbstverständlich seien alle ihre Handlungen laut Grundgesetz bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages verfassungskonform; wer die Bundesregierung als nur geschäftsführende Regierung qualifiziere, rede verfassungsrechtlichen Unsinn. 20/IX: Der Bundestag verabschiedet ein Rentenreformgesetz, das in wesentlichen Passagen nicht der Regierungsvorlage, sondern Vorstellungen der oppositionellen Unionsparteien entspricht. 22/IX: Der Deutsche Bundestag verabschiedet an seinem letzten Arbeitstag in Dritter Lesung ohne Aussprache nach Anhörung der Berichterstatter des Innerdeutschen Ausschusses ohne Neinstimmen bei 9 Enthaltungen der CDU/CSU den ersten Vertrag der Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit der Regierung der DDR, den Verkehrsvertrag.

Sonstiges 10/VII: Finnland wiederholt seinen bereits am 10. September 1971 unterbreiteten Vorschlag einer gleichzeitigen Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu beiden deutschen Staaten.

14/VII: Der bisherige Leiter des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes, Dirk Oncken , erhält von der griechischen Regierung das Agrement als neuer Botschafter der BRD, womit die Affäre Mangaki s endgültig erledigt ist.

17/VII: Errichtung einer jugoslawischen Bank in Frankfurt (siehe unter „Jugoslawien"). 27/VII: Ein Treffen zwischen dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen, Sch mid t , und seinem französischen Amtskollegen Valery Gisc ard d ’Esta in g in Paris wird nach Abschluß der Gespräche von beiden Seiten als Erfolg bezeichnet. Die Minister sind sich einig, daß die EWG-Länder sich an das Währungsabkommen vom Dezember 1971 über die neuen festen Paritäten halten und die Paritäten mit allen Mitteln verteidigen müßten. Ein gemeinsames Floaten der EWG-Währungen gegenüber Drittländern komme nicht in Frage. Beide Seiten begrüßen die Stützungskäufe der USA für den Dollar. Die Minister sprechen sich für gemeinsame Anstrengungen der EWG-Regierungen aus, um die Preisentwicklung besser unter Kontrolle zu bringen. 15-18/VIII: Bundesminister Hans-Dietrich Gensc her besucht offiziell Jugoslawien. In einem Meinungsaustausch geht es insbesonders um die Verbrechensbekämpfung. Man will hier durch entsprechende Vereinbarungen zwischen den Innenministerien die Grundlage für einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch legen. Die jugoslawische Seite betont, daß durch die jüngsten Veränderungen in der Gesetzgebung der Bundesrepublik auf diesem Gebiet wirksamere Aktionen ermöglicht würden, was auch zu einem besseren Schutz jugoslawischer Bürger und ihres Eigentums in der BRD führe. Gensch er weist darauf hin, daß die neuen Gesetze das Asylrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung in der BRD nicht berührten. 26/VIII-ll/IX: Die Sommerspiele der XX. Olympiade, die Ausschließung der Sportler Südrhodesiens und der Katastrophe von Fürstenfeldbruck (siehe unter „Internationales, Olympiade“). 7-21/IX: Die Maßnahmen, die in der Bundesrepublik unmittelbar nach dem Mordanschlag gegen die israelische Olympia-Equipe zur Verhinderung weiterer Attentate ergriffen wurden, führen zu scharfen Reaktionen der arabischen Staaten, die mit wenigen Ausnahmen der Bundesregierung wesentliche Mitschuld an der Ermordung der Israelis zusprechen, weil die Behörden den Terroristen gegenüber gegebene Zusagen nicht gehalten hätten. Sie werfen der Bundesregierung ferner vor, arabische Staatsangehörige zu diskriminieren und drohen bei Andauern dieses Vorgehens ähnliche Repressalien deutschen Staatsangehörigen gegenüber an. Darauf entwickelt sich, verschärft durch Erklärungen deutscher Politiker über das Verhalten gewisser arabischer Regierungen, eine zeitweilige erhebliche Verschlechterung der gerade einigermaßen normalisierten Beziehungen der BRD zur arabischen Welt. 11-20/IX: In der BRD werden erregte öffentliche Auseinandersetzungen darüber geführt, ob das Vorgehen der deutschen Behörden in München in allen Einzelheiten zu rechtfertigen sei oder ob andere Maßnahmen größere Erfolgsaussichten gehabt hätten. Die zu dieser Frage veröffentlichten amtlichen Erklärungen und Dokumentationen lassen zwar erkennen, daß die Behörden im Rahmen des ihnen Möglichen kaum anders hätten handeln können, als es geschah; sie vermögen aber den Verdacht nicht auszuräumen, daß die zuständigen Stellen sich auf Vorfälle dieser Art nur ungenügend vorbereitet hatten. 25-28/IX: Staatssekretär Fran k in Athen (siehe unter „Griechenland").

25-29/IX: Besuch von Juan Carlo s (siehe unter „Spanien").

27-29/IX: Bundespräsident Gustav Hein eman n besucht die Schweiz.

Deutsche Demokratische Republik I/VII: UN-Generalsekretär Waldheim empfängt in Genf DDR-Außenminister Otto Win -zer zu einem Meinungsaustausch.

10/VII: Finnland wiederholt seinen bereits am 10. September 1971 unterbreiteten Vorschlag nach gleichzeitiger Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu beiden deutschen Staaten.

21/VII: Der Berliner Senat erwirbt für einen Kaufpreis von 31 Mill. DM ein bisher zu Ostberlin gehörendes 8, 5 ha großes Gebiet am Potsdamer Platz.

3 VII 1-11/X: Die DDR bemüht sich in vielfältigen Erklärungen, vom Vatikan eine Regelung der Kirchenhierarchie bzw.der Bistumsgrenzen in der DDR nach Maßgabe der im Juni 1972 erfolgten Regelung für Polen zu erreichen. 10/VIII: Vereinbarung mit der Schweiz über den Austausch von Handelsmissionen (siehe unter „Schweiz").

16/VIII: Beginn von Verhandlungen über einen Grundvertrag mit der BRD (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland").

21/VIII: Die „Amtliche Deutsche Nachrichtenagentur" (ADN) stellt in einem Bericht fest, die Übernahme bestimmter Gesetze der BRD durch das Westberliner Abgeordnetenhaus wie etwa das „Abkommen über die erweiterte Zuständigkeit der Polizei der Bundesländer bei der Strafverfolgung" vom November 1969 stelle einen Verstoß gegen das Viermächte-Abkommen über West-Berlin dar. Denn durch die Übernahme dieses Gesetzes würden die Polizeibehörden der BRD-Länder offiziell ermächtigt, Amtshandlungen auch in West-Berlin auszuüben, was durch die Festlegung des Viermächteabkommens verboten werde; West-Berlin sei kein Bestandteil der BRD und dürfe nicht von ihr regiert werden.

25/IX: Eisenbahn-Übereinkommen mit der BRD (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland"). Finnland 10/VII: Finnland wiederholt seinen bereits am 10. September 1971 unterbreiteten Vorschlag nach gleichzeitiger Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu beiden deutschen Staaten.

19/VII: Die Minderheitsregierung Paasio tritt zurück, da die sie tragende Sozialdemokratische Partei zu der Überzeugung gelangte, sie könne allein nicht die Verantwortung für die Unterzeichnung der Freihandelszonen-Vereinbarungen mit den Europäischen Gemeinschaften übernehmen. Eine solche Verantwortung könne nur eine Mehrheitsregierung tragen.

22/VII: Paraphierung des Freihandelsabkommens mit den EG (von finnischer Seite konnte das Abkommen nicht unterzeichnet, sondern nur paraphiert werden, da die Regierung gerade zurückgetreten war) (siehe unter „Europäische Gemeinschaften"). Frankreich 3-4/VII: Im Rahmen der deutsch-französischen Konsultationen weilt Staatspräsident Pomp ido u in der BRD. Der Vorbereitung seines Treffens mit Bundeskanzler Bran dt dient eine Begegnung der beiden Außenminister Sche el und Schu man n am 23. Juni auf Schloß Gymnich bei Köln. Nach Abschluß dieses Treffens erklärt der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Guido Brun ner , die beiden Außenminister seien sich über die Themen der geplanten Gipfelkonferenz der Zehn und auch darüber einig, daß die Vorbereitungen zügig fortgesetzt werden. Eines der wichtigsten Themen sei die Wirtschafts-und Währungsunion. Schum ann äußert bezüglich der Gipfelkonferenz die gleichen Bedenken, die schon Staatspräsident Pompi dou erhoben hatte, falls die Bedingung nicht erfüllt sei, daß der Erfolg der. Konferenz gesichert scheine, sei es besser, noch abzuwarten. Sche el dagegen vertritt die Auffassung, daß ein Treffen der zehn Regierungschefs im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Erweiterung der Gemeinschaft nützlich wäre.

Hauptthemen der Gespräche zwischen P -ompi dou und Bundeskanzler B ran dt sind der Aufbau Europas — sowohl im Hinblick auf die Erweiterung der EG als auch auf die gesamteuropäischen Aspekte der geplanten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa —, Währungsprobleme und die Vorbereitung der Gipfelkonferenz der erweiterten EG. Die beiden Regierungschefs kommen überein, daß die europäische Gipfelkonferenz der Zehn zum geplanten Zeitpunkt erwünscht und möglich sei. Sie sind sich jedoch bewußt, daß das Zustandekommen des Treffens nicht nur von Frankreich und der BRD abhängt und schlagen vor, die Vorbereitung der Konferenz auf die Traktandenliste der nächsten Sitzung der EWG-Außenminister zu setzen, die Mitte Juli stattfindet. 5-6/VII: P nimmt am 5. Juli den ompi dou Rücktritt des Ministerpräsidenten Jacques Chaban -Delmas und seiner Regierung entgegen und betraut den bisherigen Minister für die Überseeterritorien, Pierre M , ess mer mit der Bildung einer neuen Regierung, deren Zusammensetzung am 6. Juli bekanntgegeben wird. Aus dem Kabinett ausgeschieden ist neben Chaba n -Delmas u . a.der bisherige Minister für industrielle und wissenschaftliche Entwicklung, Orto li . Ihre bisherigen Ämter behalten u. a. Außenminister Schum ann , Wirtschafts-und Finanzminister Gisc ard d 'Estai ng und Verteidigungsminister Michel Debr e. Neu in die Regierung eingetreten ist der Minister für Soziales, Edgar Faur e. Mess mer gilt als Vertreter des orthodoxen Flügels der gaullistischen Partei und als Anhänger einer unbeugsamen Außenpolitik der Unabhängigkeit und Souveränität Frankreichs in Europa. Seine Ernennung deutet ein gewisses Einschwenken Pomp id ou s auf eine harte gaullistische Linie in der Europapolitik an. 6-11/VII: An der Spitze einer Regierungsdelegation stattet Außenminister Schu man n der VR China einen offiziellen Besuch ab. Schumann führt Gespräche mit Ministerpräsident Chou En -lai und Außenminister Chi Peng -fei und wird überraschend am 10. Juli auch vom Parteivorsitzenden Mao Tse -tung empfangen. Während des Besuchs wird ein Austauschprogramm vereinbart auf den Gebieten Wissenschaft, Technik, Universitäten, Kultur und Sport. Trotz der unterschiedlichen Gesellschaftssysteme wollen beide Länder „ihre Beziehungen zueinander auf der Grundlage der fünf Prinzipien der gegenseitigen Achtung der Souveränität und territorialen Integrität, des gegenseitigen Gewaltverzichts, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen, der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Vorteils und der friedlichen Koexistenz entwickeln". Nach chinesischer Ansicht müssen alle Länder, ob groß oder klein, gleichberechtigt sein: „Die Angelegenheiten der Welt sollten von allen Ländern der Welt diskutiert und gelöst und nicht von einem oder zwei Ländern diktiert werden." Schu mann hebt bei einer Pressekonferenz in Shanghai am 11. Juli hervor, beide Seiten hätten teilweise gleiche Ansichten in der Abrüstungsfrage und hätten vereinbart, sich in dieser Frage zu konsultieren. Der Plan einer Verlängerung der Air-France-Linie Paris—Shanghai bis nach Peking sei wohlwollend aufgenommen worden. 9/VII: In getrennten nationalen Konferenzen billigen die Sozialistische und die Kommunistische Partei Frankreichs das am 27. Juni vereinbarte gemeinsame Regierungsprogramm. Dieses Wahlabkommen kann auch auf andere politische Gruppen erweitert werden, wenn sie sich zur Union der Linken bekennen. 20/VI-2/VIII: Die Regierung läßt über dem Muroroa-Atoll in Französisch-Polynesien eine neue Serie von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre durchführen. Offiziell wurde zu den drei Versuchen am 25. und 30. Juni sowie am 28. Juli nichts bekanntgegeben, um zu vermeiden, daß eine neuerliche Protestwelle seitens der Pazifik-Anrainer entstünde. Paris ließ lediglich allen Regierungen mitteilen, daß ein bestimmter Bereich in der genannten Zeitspanne für See-und Luftfahrt gesperrt sei und daß die für diese Zeit geplante Testserie keinerlei Gefahren mit sich bringe. Dennoch übermittelten z. B. Australien und Neuseeland, Peru, Bolivien, Chile, Kolumbien und Ecuador Protestschreiben; Peru und Ecuador drohten zusätzlich mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, falls offiziell bestätigt werde, daß Frankreich solche Versuche durchgeführt habe.

27/VII: Gespräche zwischen den Wirtschaftsund Finanzministern Frankreichs und der BRD, Gisca rd D'Esta ing und Schmi dt , in Paris (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland"). 15/IX: Pompi dou lädt formell zu einer Gipfelkonferenz der Erweiterten Gemeinschaften in Paris ein (siehe unter „Europäische Gemeinschaften").

Gibraltar 25/VI: Der Führer der Labour Party, Sir Joshua Hass an , wird vom Gouverneur zum neuen Chefminister ernannt, nachdem seine Partei bei den allgemeinen Wahlen am 23. Juni 8 Mandate errungen hatte gegenüber 7 Mandaten der Integrationspartei des bisherigen Chefministers Robert Peliza . Hauptthema des Wahlkampfes war die Zukunft Gibraltars zwischen Großbritannien und Spanien. Während die Integrationspartei, die für die volle Vereinigung mit Großbritannien eintritt, die Labour Party verdächtigte, ein Arrangement im spanisch-britischen Streit anzustreben, bestritt diese jede Absicht, Teile der Souveränität aufzugeben.

2/VIII: Der spanische Außenminister und der Gouverneur und der Chefminister von Gibraltar weilen zu getrennten Gesprächen in London (siehe unter „Spanien").

Griechenland 4-5/VII: Besuch des US-Außenministers Ro -ger s (siehe unter „Vereinigte Staaten").

14/VII: Dirk Onck en wird das Agrement als neuem Botschafter der BRD erteilt, womit die Affäre Mang aki s endgültig erledigt ist.

31/VII: Der griechische Regent und Ministerpräsident Georgios Pap ad op ou los gibt eine Umbildung seines Kabinetts bekannt. Das Kabinett wird von 38 auf 42 Mitglieder erweitert (15 Minister, 3 Stellvertretende Minister, 24 Staatssekretäre). Papad opou los verwaltet die Ressorts Verteidigung, Außeres und Regierungspolitik selbst. Stellvertretende Ministerpräsidenten sind Stylianos Patta ko s und Nikolaos Maka rezos . Die Tatsache, daß viele der neuen Minister bereits aktiv am Militärputsch von 1967 beteiligt waren, legt die Vermutung nahe, daß die Kabinettsumbildung eine Stärkung der Militärs gebracht hat.

25-28/IX: Staatssekretär Paul Fran k vom Auswärtigen Amt weilt zu Konsultationen in Athen. Er ist seit vielen Jahren der erste Regierungsvertreter der Bundesrepublik in Athen. In den Gesprächen wird betont, daß im Interesse der NATO die Bundesregierung Wert darauf lege, im Verhältnis zu Griechenland eher das Gemeinsame als das Trennende hervorzuheben. Es sei nach Ansicht der Bundesregierung notwendig gewesen, den seit fünf Jahren abgebrochenen Dialog wieder zu beginnen und einer drohenden Eskalation der Mißverständnisse Einhalt zu gebieten. Fran k erklärt nach Abschluß der Gespräche, die aufgehäuften Mißverständnisse seien ausgeräumt; die griechische Seite habe den ihrer Regierung eigentümlichen Charakter ausdrücklich als den einer Übergangsregierung auf Zeit betont; er seinerseits habe immer wieder darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung in der Frage grundsätzlicher Menschenrechte keine Zugeständnisse zu machen bereit sei.

Großbritannien 3/VII: Fortdauer der Unruhen in Nordirland; kurzfristiger Waffenstillstand; „Blutiger Freitag" und Großaktion der britischen Armee gegen die IRA; Ankündigung einer Volksabstimmung in Nordirland über das künftige Verhältnis zur Republik Irland (siehe unter „Nordirland" ).

6/VII: Die Labour Party veröffentlicht den Entwurf eines Parteiprogrammes, der auf der Jahreskonferenz der Partei im Oktober erörtert werden soll. Der Programmentwurf stellt die Gegnerschaft gegen den Beitritt zum Gemeinsamen Markt zu den von der konservativen Regierung ausgehandelten Bedingungen fest. Eine Labour-Regierung sei aber zu neuen Verhandlungen bereit.

13/VII: Das Unterhaus verabschiedet das Zustimmungsgesetz zum Beitritt Großbritanniens zu den EG in dritter Lesung mit 301 gegen 284 Stimmen. 21 /VII-21 /VIII: In den Häfen von London, Liverpool und Hull findet ein zunächst wilder, ab dem 28. Juli aber von den Gewerkschaften genehmigter Streik der Dockarbeiter statt. Er wurde nicht durch Lohnforderungen verursacht, sondern im wesentlichen durch das Verlangen nach Sicherung der Arbeitsplätze angesichts technologischer Entwicklungen, die die Zahl der Dockarbeiter von 1967 bis 1972 von 65 000 auf 41 000 senkten und weitere Entlassungen wahrscheinlich machen. Die Verminderung von Arbeitsplätzen für Dockarbeiter ist eine Folge der Rationalisierung beim Be-und Entladen von Gütern durch die Einführung von Container-Schiffen sowie durch die Verlagerung von Packarbeiten aus den Häfen zu Container-Firmen im Inland. Am 16. August beschloß die Delegiertenkonferenz der Transportarbeitergewerkschaft mit 53 gegen 30 Stimmen, eine Vereinbarung zu billigen, die den Forderungen der Docker weitgehend entgegenkommt und den offiziellen Streik zum 21. August zu beenden. Die Verluste, die der britischen Wirtschaft durch den Streik entstanden sind, werden auf 1 Mrd. £geschätzt. 2/VIII: Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes Victor Feath er und der Generaldirektor der Konföderation der Britischen Industrie Adamson unterzeichnen eine Absichtserklärung, in der sie die Schaffung eines von der Regierung unabhängigen neuen Schlichtungs-und Beratungsdienstes in Aussicht nehmen, der seine Tätigkeit am 1. September aufnehmen soll. Die Vereinbarung soll die Anwendung des umstrittenen Industrial Relations Act der Regierung durch beide Seiten auf ein Minimum beschränken.

17/VIII: Interimsurteil des Internationalen Gerichtshof im Fischereikrieg mit Island (siehe unter „Island“).

16-19/IX: Premierminister Heath stattet als erster britischer Premier Japan einen Besuch ab. In Gesprächen mit Ministerpräsident Tana -ka finden beide den Zustand der bilateralen Beziehungen befriedigend und hinsichtlich der meisten erörterten internationalen Probleme eine weitgehende Einheit der Ansichten. Besondere Themen waren die Konsequenzen aus der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften, die Frage des Abbaus der von Japan noch aufrechterhaltenen Handelsbarrieren, die Gefahr protektionistischer Verhärtungen seitens der USA und Europas, wenn Japan seine Handelsbarrieren nicht abbaue, die Beunruhigung Europas über das Vorgehen der USA, japanische Exporte auf europäische Märkte abzudrängen, die Zustimmung'zu Ja-21 pans Bemühungen um Normalisierung seiner Beziehungen zur VR China, die Hoffnung auf japanische Beiträge zur chinesischen Wirtschaftsentwicklung im Sinne einer weltweiten Beruhigung von möglichen Spannungsherden.

Island 22/VII: Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den EG (siehe unter „Europäische Gemeinschaften“). 17/VIII: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag fällt auf Ersuchen Großbritanniens und der Bundesrepublik ein Interimsurteil in der Frage des sogenannten Fischereikrieges gegen Island, dessen Regierung aber die Jurisdiktion des Gerichtshofs in dieser Angelegenheit leugnet und daher die Befolgung des Interimsurteils ablehnt.

Großbritannien und die Bundesrepublik hatten beim IGH gegen den Beschluß der isländischen Regierung geklagt, zum 1. September 1972 die Fischereigrenzen von 12 auf 50 Seemeilen auszuweiten. Island begründete diese Maßnahme erstens damit, daß die isländische Wirtschaft vom Fischfang zu etwa 80 °/o abhängig sei und in größte Gefahr gerate, wenn die modernen Fangflotten anderer Länder die Fischbestände in den. isländischen Gewässern weiterhin so scharf ausfischten wie in den letzten Jahren. Zweitens erklärte Island, daß die Fischbestände in den Gewässern des Island-Schelfs für die Insel dasselbe darstellten wie etwa die Bodenschätze im Kontinentalschelf für andere Länder, denen ja auch nach internationalem Recht die exklusive Nutzung dieser Bodenschätze zugestanden werde.

Die Kläger stellten sich auf den Standpunkt, daß a) die isländischen Angaben über das Ausmaß der Fremdfischerei überhöht seien und b) eine Verweigerung der Fischereigerechtsame innerhalb der neuen Fischerei-zone für ihre Fischerei katastrophale und für die Versorgung ihrer Bevölkerung mit Fisch zumindest ernsthafte Folgen habe. Aus diesem Grunde ersuchten sie um ein Interims-urteil, da bei Abwarten des Urteils in der Hauptsache bereits irreparable Schäden erfolgen würden. Sie boten an, ihre Fänge auf ein bestimmtes Niveau nach Maßgabe der Durchschnittsfänge der letzten Jahre bis zum Urteil in der Hauptsache einzufrieren.

Der IGH folgte der Argumentation der Kläger, ohne dadurch jedoch das Urteil in der Hauptsache zu präjudizieren. Er wies ferner darauf hin, daß nach seiner bisherigen Rechtsprechung das Nichterscheinen einer Konfliktpartei (Island hatte eine Teilnahme am Verfahren unter Hinweis auf die Inkompetenz des IGH abgelehnt) in sich kein Hindernis für das Ergehen eines Urteils sei, solange die Nichtkompetenz des Gerichtes in der Hauptsache nicht eindeutig erwiesen sei. 1/IX: Die Ausweitung der Fischereigrenzen auf 50 Seemeilen wird von der isländischen Regierung trotz des IGH-Urteils durchgeführt; die isländischen Fischereischutzboote beschränken sich bei ihren Aktionen gegen britische und deutsche Trawler innerhalb des umstrittenen Gebietes zunächst darauf, die fremden Boote zu identifizieren, ihr Fanggeschirr zu verwirren und ihnen das Anlaufen isländischer Häfen zur Verproviantierung — außer in Seenotfällen — zu verwehren. Islands Regierung betont erneut, daß sie den Spruch des IGH nicht anerkenne, wohl aber zu Kompromißverhandlungen mit den Streit-gegnern bereit sei. Hierzu erklärt insbesondere die britische Regierung, die bisher von Island vorgetragenen Kompromißvorschläge seien in keiner Weise akzeptabel.

Italien 10/VII: Besuch des US-Außenministers Ro -gers (siehe unter „Vereinigte Staaten"). 13/VII: Die am 26. Juni gebildete Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Julio An -dr eotti erhält am 7. Juli durch die Abgeordnetenkammer und am 13. Juli durch den Senat das Vertrauen ausgesprochen. 16/VII: Die 1964 von der Sozialistischen Partei abgespaltene Sozialistische Partei der Proletarischen Einheit (PSIUP), die bei den Parlamentswahlen am 7. /8. Mai in der Abgeordnetenkammer kein Mandat erringen konnte, beschließt auf einem außerordentlichen Parteitag in Rom ihre Auflösung und den Anschluß an die Kommunistische Partei Italiens. 24/VII: Die 3 großen Gewerkschaftsverbände Italiens, die kommunistisch-sozialistisch kontrollierte CGIL (Confederazione generale italiana del lavoro), die von den Christdemokraten geführte CISL (Confederazione italiana sindacati lavoratori) und die von den Sozialdemokraten und Republikanern betreute UIL (Unione italiana del lavoro) schließen sich zusammen. Ziel der „Federazione CGIL — CISL — UIL" ist die Aktionseinheit aller Arbeiter.

Sie erklärt sich zuständig für die Politik der Arbeitsverträge, die Politik der Reformen, Wirtschafts-und Sozialpolitik und deren Programmierung. Ausgeschlossen von dem Bündnis bleibt die neofaschistisch inspirierte CIS-NAL (Confederazione italiana sindacati nazionali dei lavoratori), die vor allem im Süden an Gewicht gewinnt. — Von der arbeitenden Bevölkerung Italiens ist weniger als ein Drittel gewerkschaftlich organisiert. 22/IX: Staatspräsident Giovanni Leone stattet wie alle seine Vorgänger seinen ersten Auslandsbesuch dem Vatikan ab. Hierbei fordert Papst Pau l VI. durch Hinweise auf bestimmte Vorschriften des Konkordats und der italienischen Verfassung das liberale Ehescheidungsrecht von 1970 rückgängig zu machen und wieder zu den alten Familienrechtsnormen zurückzukehren. Nur wenn Italien die Vorschriften des Konkordats in dieser Frage wieder respektiere, sei der Vatikan bereit, in anderen Fragen der modernen Gesellschaftsentwicklung durch partielle Revision der Konkordatsbestimmungen Rechnung zu tragen. Jugoslawien 7-9/VII: Besuch des US-Außenministers Ro -gers (siehe unter „Vereinigte Staaten").

17/VII: Die Bank von Ljubljana erhält vom Außenhandelsministerium die Genehmigung, in Partnerschaft mit Istra-Commerce unter der Bezeichnung Ljubljanska Banka A. G. in der BRD ein Bankhaus mit Sitz in Frankfurt/Main zu eröffnen. Die Bank soll drei wichtige Aufgaben erfüllen: 1. bankmäßige Betreuung der jugoslawischen Firmen, die in der BRD errichtet werden; 2. Förderung des deutschen Fremdenverkehrs nach Jugoslawien; 3. Verwaltung der Spareinlagen jugoslawischer Gastarbeiter.

15-18/VIII: Besuch Innenministers Gensch er (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland“). Luxemburg 7-9/VII: Offizieller Besuch des sowjetischen Außenministers Gromyko (siehe unter „Sowjetunion“). Niederlande 5-7/VII: Offizieller Besuch des sowjetischen Außenministers Gromyk o (siehe unter „Sowjetunion“). 9/VIII: Nach einer Regierungskrise betraut Königin Julian a das Minderheitskabinett Willem Biesh euvel mit der Fortführung der Geschäfte bis zu Neuwahlen im November 1972. Zu der Krise kam es, als am 17. Juli nach Auseinandersetzungen wegen des Haushaltsdefizits die beiden Demokratischen-Sozialisten (DS 70) in der Regierung, Drees (Verkehr und Wasserwerke) und de BRAUW (Wissenschaft), zurücktreten. Die beiden Minister sind nicht bereit, zur Deckung eines Defizits von etwa 4 Mrd. hfl. im Budget 1973 Kürzungen der Haushaltsmittel ihrer Ressorts hinzunehmen. Daraufhin reicht das Kabinett unter Ministerpräsident B geschlossen iesh euv el am 20. Juli seine Demission ein. Königin J -u nimmt aber nur den Rücktritt der Minister Drees und de BRAUW an. Mit dem Ausscheiden der Demokratischen-Sozialisten verfügt die Regierungskoalition nur noch über 74 der 150 Sitze im Abgeordnetenhaus.

Nordirland 22/VI: Die provisorische (radikale) IRA schlägt angesichts des sich steigernden Verlangens der katholischen Bevölkerung nach Frieden ihrerseits einen Waffenstillstand vor, der am 26. Juni beginnen soll. Staatssekretär William Whit elaw bekundet das Einverständnis der britischen Regierung und wird dabei von Oppositionsführer Harold Wils on unterstützt. — Bis zum Beginn des Waffenstillstandes hat die britische Armee 100 Tote und 599 Verletzte zu verzeichnen. 30/VI: Nach Gesprächen mti Whitelaw , bei denen dieser sich weigert, die katholischen No go-Distrikte mit Gewalt öffnen zu lassen, beginnt die protestantische Ulster Defense Association (UDA) in Belfast mit der Errichtung von Barrikaden. Wenige Stunden vorher hat die IRA entsprechend einer Vereinbarung mit britischen Regierungsvertretern eine ihrer Barrikaden beseitigt. Die UDA will die protestantischen Sperrgebiete so lange aufrechterhalten, wie die katholischen No go-Distrikte bestehen. 9/VII: Der provisorische Flügel der IRA erklärt den Waffenstillstand mit der Begründung für beendet, er sei von den britischen Streitkräften gebrochen worden, und setzt seine Terroranschläge fort. 12/VII: Der traditionelle Marsch des protestantischen Oranier-Ordens findet in Belfast statt, ohne daß es zu den befürchteten Zwischenfällen kommt. 14— 15/VII: Bei Gefechten zwischen der britischen Armee und der IRA wird das Geschäftszentrum von Londonderry fast völlig zerstört. — Seit der Beendigung des Waffenstillstandes durch den provisorischen Flügel der IRA flüchten Tausende von katholischen Frauen und Kindern aus Furcht vor einem Bürgerkrieg in die Republik Irland, obwohl der offizielle marxistische Teil der IRA an dem für 7 Wochen verfügten Waffenstillstand festhält.

21/VII: „Blutiger Freitag": Durch 26 Bombenanschläge der provisorischen IRA werden innerhalb einer Stunde 11 Menschen getötet und 120 verletzt. Daraufhin fordert die UDA die britischen Truppen ultimativ auf, die IRA auszuschalten. 24/VII: Staatssekretär Whitel aw kündigt im Unterhaus eine Verschärfung des Kampfes gegen die Terroristen an; er will sich durch die Terrorakte der IRA aber nicht daran hindern lassen, eine Versöhnung zwischen Katholiken und Protestanten herbeizuführen. 25/VII: Britische Truppen dringen zum ersten Mal in katholische „No go-Distrikte" ein, um Durchsuchungen vorzunehmen. 28/VII: Als Vorbereitung auf eine große Offensive gegen die IRA wird von der britischen Regierung die Entsendung weiterer 4 000 Soldaten nach Nordirland bekanntgegeben. Damit steigt die Gesamtzahl der britischen Truppen auf 21 000 Mann. Dazu kommt das lokal rekrutierte Ulster Defense Regiment mit einer Stärke von 8 000 Mann.

31/VII: Um 4 Uhr früh dringen britische Truppen in der Stärke von 21 000 Mann in die „No go-Distrikte" ein, beseitigen alle Barrikaden und übernehmen damit die Kontrolle über ganz Nordirland. Einige befreundete Staatschefs, darunter US-Präsident Nixon und der Premierminister der Republik Irland Jack Lynch , waren von der britischen Regierung über die bevorstehende Aktion unterrichtet worden. yn ch 1/VIII: L erkennt vor Journalisten die Notwendigkeit zur Beseitigung der Barrikaden an und fordert die britische Regierung auf, auch für die Beseitigung der geistigen Barrikaden zwischen Katholiken und Protestanten zu sorgen. Die größte katholische Oppositionspartei in Nordirland, die Social Democratic and Labour Party, wirft dagegen White law vor, er habe die katholischen Gebiete von Nordirland in okkupiertes Land verwandelt und die Chancen für eine Lösung der Probleme stark reduziert. 2/VIII: Whi tela w kündigt vor dem britischen Unterhaus für den Herbst die Vorlage eines Gesetzes durch die Regierung an, das eine Volksabstimmung über die Beibehaltung der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland ermöglichen soll.

3/VIII: Bei einer Unterredung mit dem Außenminister der Republik Irland, Patrick Hillery , erklärt Whitela w , daß die britischen Truppen ihre friedenserhaltende Rolle weiterspielen müßten, bis Nordirland zu nahezu normalen Bedingungen zurückgekehrt sei. Eine militärische Lösung der Probleme gebe es allerdings nicht, sondern nur eine politische.

Norwegen 25-26/IX: Volksabstimmung verwirft Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften (siehe unter ^Europäische Gemeinschaften"). Österreich 1/VII: Bundeskanzler Bruno Krei sky informiert den Ministerrat über eine Vereinbarung mit der OVP-Opposition über befristete Preis-kontrollen aus Anlaß der Einführung der Mehrwertsteuer per 1. Januar 1973. — Für die Mehrwertsteuer, die ab 1. Januar 1973 an die Stelle der derzeitigen Umsatzsteuer treten wird, ist ein Normalsatz von 16 % und ein ermäßigter Satz von 8 °/o vorgesehen.

18/VII: Österreich und Polen unterzeichnen ein Abkommen zur Aufhebung des Visum-zwanges. 22/VII: Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den EG (siehe unter „Europäische Gemeinschaften“).

25/VII: In Wien findet auf Verlangen der OVP eine Sondersession des Nationalrates statt, die sich mit den am 22. Juli unterzeichneten Verträgen mit der EWG und der EGKS befaßt. Bundeskanzler Krei sky würdigt die Bedeutung der EFTA und hebt bezüglich der neuen Verträge hervor, sie seien nur insoweit verfassungsändernd, als sie Entscheidungsbefugnisse des „Gemischten Ausschusses" vorsehen und damit ein von der österreichischen Verfassung nicht vorgesehenes Organ zur völkerrechtlichen Normensetzung beriefen. Die Verträge schränkten aber die Souveränität Österreichs weniger ein als der EFTA-Vertrag, da das Gemeinsame Organ nur einstimmige Beschlüsse fassen könne, während im EFTA-Vertrag auch Mehrheitsbeschlüsse möglich waren. Kreisk y betont, daß der in Artikel 21 des EWG-Vertrages und der in Artikel 17 des EGKS-Vertrages enthaltene Neutralitätsvorbehalt ausreichend sei. Außenminister Rudolf Kir ch sch läger sieht das Wesentliche an dem vorliegenden Vertragswerk in der Erfüllung von 5 Forderungen der Neutralen: „ 1. die Freiheit von politischen Bindungen jeder Art; 2. das Recht, auch in Hinkunft gegenüber Drittstaaten eine unabhängige Wirtschaftspolitik zu betreiben; 3. eine gleichberechtigte Stellung in der durch den Vertrag geschaffenen gemeinsamen Institution, dem Gemischten Ausschuß; 4. die Handlungsfreiheit im Neutralitätsfall und 5. das Kündigungsrecht". Die Bundesregierung habe peinlich genau prüfen müssen, „ob die Kompatibilität des Vertragswerkes mit der Neutralität, mit dem Staatsvertrag gegeben ist". Durch Unterzeichnung, Ratifikation und Erfüllung des Vertragswerkes trete keine Umorientierung der österreichischen Außenpolitik ein. „Ein wirtschaftliches Ziel ist in einer den außenpolitischen Gegebenheiten und Erfordernissen entsprechenden Form erreicht." Der Abgeordnete Karl Schlei nzer (OVP) erinnert daran, daß der Prozeß der wirtschaftlichen Integration Österreichs mit Europa maßgebend unter der politischen Mitwirkung seiner Partei in Gang gesetzt worden sei. Die OVP sei bereit, den Verträgen zuzustimmen, obwohl sie das Ergebnis der Verhandlungen keineswegs voll befriedigen könnte. Die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft müsse durch entsprechende Begleitmaßnahmen gestärkt werden.

Der FPO-Abgeordnete Friedrich Peter wirft der SPO vor, sie habe weit über das erträgliche Zeitmaß hinaus an der EFTA-Position festgehalten und ernte jetzt Früchte, deren Saat sie nicht gesät habe. Auch Peter spricht sich für Begleitmaßnahmen aus, die gleichzeitig mit der Ratifizierung zu treffen seien. 18/VIII, 20/IX: Austausch von Aide-mmorires mit der UdSSR über mögliche Konsequenzen aus den Vereinbarungen Österreichs mit den Europäischen Gemeinschaften (siehe unter „Sowjetunion“).

14/IX: Nationalrat verabschiedet einstimmig Interimsabkommen mit EWG und EGKS (siehe unter „Europäische Gemeinschaften“). Polen 16/VII: Die VR Polen und Guyana nehmen diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene auf. 18/VII: Polen und Österreich unterzeichnen ein Abkommen zur Aufhebung des Visum-zwanges. 1-3/VIII: US-Handelsminister Peter son weilt zu Gesprächen in Warschau (siehe unter „Vereinigte Staaten").

17/VIII: Der Chefredakteur-der einflußreichen Warschauer Zeitung Zycie Warszawy, Ryszard Wojna , greift in einem Aufsatz Kritiken insbesondere seitens der CDU/CSU, aber auch seitens westdeutscher Medien auf, von polnischer Seite würden insbesondere im Bereich der Familienzusammenführung die Bestrebungen nach einer Normalisierung der Beziehungen verzögert. Mit den diesen Kritiken zugrunde liegenden Argumenten werfe die westdeutsche Seite qualitativ neue Forderungen auf, die nichts mehr mit den verbindlichen Zusagen der polnischen Regierung vom November 1970 zu tun hätten. Typisch sei, daß vor allem jene Kreise diese Kritik vorbrächten, die bis heute nicht bereit seien, anzuerkennen, daß gerade Polen in den vergangenen 15 Jahren aus humanitären Gründen bereits über 400 000 Menschen die Ausreise ermöglicht habe. Andererseits aber sei es so, daß gerade in der BRD jene dramatischste aller ungelösten humanitären Fragen weiterhin verschleppt werde: das Problem der finanziellen Hilfe für solche polnischen Staatsangehörigen, die Opfer pseudomedizinischer Experimente in den Konzentrationslagern der Nazis wurden.

Er wolle unter allen sonstigen diskutierbaren Aspekten nur noch den einen hervorheben, daß die Definition des Begriffes Staatsbürgerschaft, von dem aus ja die Frage der Familienzusammenführung zu lösen sei, von westdeutscher Seite in unklarer Weise gehandhabt werde. So verwende man das Gesetz über Staatsbürgerschaft vom 22. Juli 1913, übersehe aber offensichtlich bewußt, daß Artikel 116 des Grundgesetzes auch andere rechtliche Lösungen zulasse.

13-14/IX: Außenminister Stefan OLSZOWSKI stattet der BRD offiziell einen Besuch ab, in dessen Verlauf er auch von Bundeskanzler Willy B einem Gespräch empfangen ran dt zu wird und ausführliche Unterredungen mit Bundesaußenminister Walter S hat. Man vereinbart el die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, die Errichtung von Botschaften und den baldigen Austausch von Botschaftern. Man erörtert humanitäre Probleme und Fragen des Personenverkehrs zwischen beiden Ländern. Beide Seiten äußern sich anschlie25 ßend zufrieden über Verlauf und Ergebnis der Gespräche, zu denen parallel der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen Helmut Schm idt mit Polens Stellvertretendem Außenhandelsminister Ryszard Kar sk i Probleme des Handelsaustauschs erörtert. Die konsularische Vertretung West-Berlins durch die BRD wurde mündlich im Sinne des Viermächte-Berlinabkommens geregelt; auf eine offizielle Formel konnte man sich noch nicht einigen.

22/IX: Agrement für ersten Botschafter in der BRD (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland“).

Portugal 22/VII: Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den EG (siehe unter „Europäische Gemeinschalten").

25/VII: Präsident America Tomas wird mit 616 der 669 Stimmen des Wahlkollegiums als einziger Kandidat für seine 3. siebenjährige Amtszeit per 9. August wiedergewählt.

6/IX: Zur 150-Jahrfeier der brasilianischen Unabhängigkeit läßt Portugal den Leichnam von Dom Pedro nach Brasilien überführen.

Pedro hatte dort zunächst als Regent für seinen Vater, den König von Portugal, amtiert, dann aber 1822 die Unabhängigkeit Brasiliens proklamiert und sich selbst als Pedr o I. zum ersten Kaiser Brasiliens ausgerufen. Er wurde an der Seite seiner ersten Gemahlin, der Kaiserin Leopo ldin a , Erherzogin von Österreich, in Ipiranga beigesetzt. Portugal und Brasilien wollten durch diese Umbettung Pe-dros i. ein neues Zeichen für die besonderen Beziehungen zwischen beiden Ländern setzen. 29/IX: Verurteilende Resolution des UN-Sicherheitsrats (siehe unter „Vereinte Nationen"). Rumänien 5-6/VII: Besuch des US-Außenminister Ro -gers (siehe unter „Vereinigte Staaten“).

27-28/IX: Staatspräsident Nicolae CEAUSESCU vereinbart bei einem Freundschaftsbesuch in Bulgarien weitgehende gemeinsame Zusammenarbeit und Projekte bei der Donau-Bewirtschaftung. Schweden 22/VII: Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den EG (siehe unter „Europäische Gemeinschaften"). Schweiz 4-5/VII: Der Bundesrat erläßt 4 Verordnungen gegen das Einströmen ausländischer Gelder: 1. Einführung von Negativzinsen auf Auslandsgelder; 2. Bewilligungspflicht für die Aufnahme von Geldern im Ausland; Mindestguthaben auf ausländischen Banken-, 4. Fremd-währungspositionen der Banken.

22/VII: Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den EG (siehe unter „Europäische Gemeinschaften").

10/VIII: Im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR unterzeichnen Botschafter Dr. Ingo Oeser und der Minister im Eidgenössischen Politischen Departement, Dr. Hans Mies ch , ein Protokoll über das Inkrafttreten einer Vereinbarung über den Austausch von Handelsmissionen zwischen der DDR und der Schweiz. Die Handelsmissionen erhalten bestimmte konsularische Befugnisse: Recht der Visaerteilung, der Legalisierung von Dokumenten, der Rechtshilfe für Bürger des Entsendestaates.

Erhebliche Erwartungen an das handelspolitische Arrangement knüpft die Schweizer Wirtschaft im Hinblick auf das industrielle Potential der DDR. Ein Haupthindernis für die Herstellung geregelter Kontakte zwischen Bern und Ost-Berlin bildete bisher die Frage der verstaatlichten schweizerischen Vermögenswerte in der DDR. Dieses Problem soll erst nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen Gegenstand von Verhandlungen sein.

27-29/IX: Besuch des Bundespräsidenten der BRD.

I Sowjetunion 5-6/VII: Außenhandelsminister PATOLITSCHEW weilt zur Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Handelsabkommens in Bonn (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland").

5-12/VII: Außenminister Andrej Grom yk o stattet den Niederlanden, Luxemburg und Belgien offizielle Besuche ab. Bei Gesprächen in den Hauptstädten der BENELUX-Länder wird betont, daß die Verträge zwischen der UdSSR und der BRD, zwischen Polen und der BRD sowie das vierseitige Abkommen über Berlin „einen wirksamen Beitrag zur Festigung der europäischen Sicherheit und zum Abbau der internationalen Spannungen darstellen". Diese Dokumente seien für die Verbesserung der Beziehungen zwischen allen europäischen

Staaten von großer Bedeutung. Alle Seiten sprechen sich dafür aus, daß die multilateralen Konsultationen zur Vorbereitung einer gesamteuropäischen Konferenz über Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit in naher Zukunft in Helsinki beginnen sollten. In Den Haag wird am 6. Juli ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Industrie und Technik unterzeichnet. In Luxemburg tauschen Gro myko und Außenminister Gaston Thor n die Ratifizierungsurkunden zum Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und Luxemburg aus. In Brüssel vereinbart Grom yko periodische Konsultationen auf der Ebene der Außenministerien zur Weiterentwicklung der sowjetisch-belgischen Beziehungen. 6/VII: Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Großrohr-Erdgas-Abkommens in Düsseldorf (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland"). 18/VII: Der ägyptische Präsident as-SADAT weist sowjetische Militärberater aus (siehe unter „Nahost").

20/VII-l/VIII: Erste Session der sowjetisch-amerikanischen Wirtschaftskommission (siehe unter „Vereinigte Staaten").

8/VIII: Die Regierung der UdSSR, fordert von der UNO eine Konvention zur Verhinderung unerwünschter Fernsehübertragungen über Nachrichtensatelliten. In einem Brief an UN-Generalsekretär Kurt Waldh eim weist Außenminister Grom yko auf die ernsten juristischen Probleme hin, die durch Direktübertragungen von Fernsehsendungen mit Hilfe von Satelliten entstehen. Er schlägt vor, die Souveränität der Staaten gegen jegliche Einmischung von außen durch eine Konvention zu schützen und so zu verhindern, daß der Direktempfang zu einer Quelle internationaler Konflikte werde.

10/VIII: Berichte über Militärzusammenarbeit mit Syrien (siehe unter „Syrien"). 18/VIII, 20 IX: Die Moskauer Regierung übermittelt dem österreichischen Außenministerium aus Anlaß der österreichischen Abkommen mit den Europäischen Gemeinschaften ein Aide-memoire, in dem die sowjetische Seite darum bittet, Österreich möge offiziell den sowjetischen Standpunkt bestätigen, daß diese Abkommen trotz der implizierten Intensivierung der Beziehungen Österreichs u. a. zur BRD in keiner Weise den Verpflichtungen Österreichs zu immerwährender Neutralität und zur Vermeidung einer erneuten exklusiven Verbindung mit Deutschland aus dem Staatsvertrag widersprächen. Ferner würde die UdSSR es begrüßen, wenn möglichst rasch Verhandlungen bilateraler Art aufgenommen werden könnten, um Maßnahmen zu vereinbaren, die negative Auswirkungen der österreichischen Vereinbarungen mit den Gemeinschaften auf die österreichisch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen ausschlössen.

Die österreichische Antwort begrüßt den positiven Ton des sowjetischen Aide-memoires, bestätigt „daher gerne" offiziell die Interpretation der UdSSR und erklärt die österreichische Bereitschaft, in Übereinstimmung mit den bisherigen Gepflogenheiten auch über diesen Aspekt der österreichisch-sowjetischen Handels-und Wirtschaftsbeziehungen Gespräche zu führen.

10-14/IX: Der Berater des US-Präsidenten, Kis -sin ger , weilt zu erfolgreichen umfassenden Verhandlungen bei Bresh new und GROMYko (siehe unter „Vereinigte Staaten“).

14-19/IX: Besuch des irakischen Präsidenten (siehe unter „Irak“).

15/IX: Abschluß des ersten Regierungsabkommens mit Franco-Spanien, eines Handelsabkommens (siehe unter „Spanien").

18-21/IX: Delegationen der USA und der UdSSR verhandeln in Moskau über Probleme des Umweltschutzes und vereinbaren eine Reihe gemeinsamer Projekte und Forschungsprogramme auf mehr als 30 Spezialgebieten: gemeinsame Studien in Erdbebengegenden, Fragen der Luft-und Wasserverschmutzung, der städtischen Lebensbedingungen, der Bewirtschaftung großer Binnengewässer, klimatische und landwirtschaftliche Probleme.

Spanien 18/VII: Im spanischen Gesetzblatt werden zwei Gesetze veröffentlicht, die die Nachfolge Fran cos regeln. Sie sehen vor, daß nach dem Tode Fran cos der Vizepräsident der Regierung zum Präsidenten und Vorsitzenden der Nationalen Bewegung berufen wird. Ferner muß der Kronrat, der von Mitgliedern des Parlaments sowie der Armee und der Kirche gebildet wird, das Parlament innerhalb von 8 Tagen zusammenrufen, um den Prinzen von Spanien, J C B B -uan arlo s de orb on y or bon , als König von Spanien zu vereidigen.

2/VIII: Außenminister Gregorio Lope z Brav o stattet Großbritannien vom 19. bis 22. Juli einen offiziellen Besuch ab. In Gesprächen mit dem britischen Außenminister Sir Alec Douglas -Home legen beide Seiten ihre Standpunkte über die Zukunft Gibraltars dar. Eine Lösung des Problems kommt jedoch nicht in Sicht. — Mit dem britischen Europa-minister Geoffrey Ripp on erörtert Lopez Bra -vo die Situation in Europa nach der Erweiterung der EG. Rippon sagt die Unterstützung Großbritanniens für einen Ausbau der Beziehungen Spaniens mit der EWG zu. — Der Generalgouverneur von Gibraltar, Varyl Begg , und Chefminister Joshua Hassan führen am 1. und 2. August Gespräche mit Dou gla sHome in London, um sich über die Ergebnisse des Besuchs von Lopez Brav o zu informieren. 15/IX: Vertreter Spaniens und der UdSSR unterzeichnen nach langwierigen Verhandlungen das erste Regierungsabkommen zwischen beiden Ländern seit der Machtübernahme Fran cos , und zwar ein Handelsabkommen. Wichtigste Themen: Spanien soll mehr Zitrusfrüchte, Wein, Schuhwerk und Schiffsbauten liefern und dafür mehr Erdöl, Holz, Werkzeugmaschinen und landwirtschaftliches Gerät erhalten. 25-29/IX: Der designierte König, Prinz Juan Carlo s, stattet nach Reisen in die USA, nach Japan, Großbritannien und Frankreich der BRD auf Einladung der Bundesregierung einen offiziellen Besuch ab. Jua n Carlos und Außenminister Walter Sche el bemühen sich in ihren Reden, die Möglichkeiten enger Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Spanien aufzuzeigen und das Fehlen gravierender Spannungen zu betonen. Die deutsche Presse folgt in ihren Kommentaren und Berichten mehrheitlich diese Linie des gegenseitigen Wohlwollens, ohne jedoch die anstehenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der aktuellen politischen Struktur in Spanien zu verschweigen. Tschechoslowakei 8/VII: Das Parteiorgan Rude Pravo veröffentlicht eine ausführliche Darlegung des tschechoslowakischen Standpunktes zu den Verhandlungen mit der BRD. Die Bonner Vorschläge sähen bisher die Vereinbarung diplomatischer Beziehungen und die Übertragung des Problems des Münchner Abkommens vor. Bonn sei noch nicht bereit, anzuerkennen, daß durch das Münchner Diktat die Kontinuität der tschechoslowakischen Grenzen unterbrochen worden sei. Dabei hätten fast alle Staaten unter diesem Aspekt die Ungültigkeit des Münchner Abkommens ex tune inzwischen längst anerkannt.

Diplomatische Beziehungen habe Prag der Bundesrepublik bereits vor 14 Jahren angeboten, ohne je eine Antwort erhalten zu haben. Heute sei eine Normalisierung ohne eine Regelung der Münchner Frage nicht mehr möglich, wie auch die Bundesregierung selbst anerkannt habe, als sie entsprechende Verpflichtungen im Moskauer Abkommen übernahm. Wenn heute auf westdeutscher Seite damit argumentiert werde, daß eine ex tuncErklärung nachteilige rechtliche Auswirkungen für diejenigen westdeutschen Bürger hätte, die in den nach München der Tschechoslowakei entrissenen Gebieten lebten und jetzt BRD-Bürger seien, so treffe dieses Argument nicht zu. Denn schon vor fast einem Jahr habe die CSSR sich bereit erklärt, durch ausreichende Garantien die Grundlosigkeit dieser Befürchtungen zu beweisen, und zugleich die BRD aufgefordert, in diesem Sinne Vorschläge zu unterbreiten, die als Grundlage von Verhandlungen dienen könnten. Wenn Bonn tatsächlich nur aus diesem Grunde davor zurückschrecke, das Münchner Abkommen ex tune für ungültig zu erklären, warum habe es dann bisher keine eigenen Vorschläge im Sinne der Prager Anregung unterbreitet? 9/VII: Außenminister Bohuslav Chno up ek weilt am 2. und 3. Juli zu Gesprächen mit dem ungarischen Außenminister Janos Peter in Budapest; vom 7. bis 9. Juli trifft der tschechoslowakische Parteichef Gustav Husa k mit dem ungarischen Parteichef Janos Kad ar in Bratislava zusammen. Eines der wichtigsten Gesprächsthemen ist das Verhältnis zur BRD. Die CSSR Politiker informieren ihre ungarischen Kollegen über den bisherigen Verlauf der Sondierungsgespräche mit der BRD. Kadar und Peter unterstützen den tschechoslowakischen Standpunkt in der Frage der Ungültigkeit des Münchner Abkommens von Anfang an. 19-23/IX: Eine Partei-und Regierungsdelegation unter Husak und Lubomir Stro uga l , dem Generalsekretär der KPC und dem Ministerpräsidenten, stattet der DDR einen offiziellen Freundschaftsbesuch ab. Die umfangreichen Reden und Erklärungen sowie das sehr ausführliche Kommunique lassen erkennen, daß die CSSR-und DDR-Führung angesichts der Veränderungen auf der europäischen Szene besonderes Interesse daran haben, sich miteinander nicht nur in der Konsolidierung ihrer Beziehungen zu ergänzen, sondern sich auch gegenüber den befürchteten Beeinflussungen aus dem Westen zu solidarisieren.

Ungarn 6-7/VII: Besuch des US-Außenministers Ro -gers (siehe unter „Vereinigte Staaten"). 9/VII: Ungarisch-tschechoslowakische Verhandlungen in Budapest und Bratislava (siehe unter „Tschechoslowakei“).

17/VII: Zwei Dörfern an der ungarisch-jugoslawischen Grenze wird der Titel „Grenzwachtdorf" verliehen; Presseberichte hierüber machen die Existenz dieser Dörfer einem breiteren Publikum bekannt. Der Titel „Grenzwachtdorf" wird seit 1965 verliehen und ging bisher an 10 der rund 100 ungarischen Grenzdöfer. Eine Dorfgemeinschaft, die auf diesen Titel Wert legt, muß nachweisen, daß sie durch Einrichtung entsprechender Organisationen oder Anlagen sich besondere Verdienste etwa bei der Festnahme potentieller Flüchtlinge erworben hat.

Vatikan 3/VIII-ll/X: Die DDR bemüht sich in vielfältigen Erklärungen, vom Vatikan eine Regelung der Kirchenhierarchie bzw.der Bistumsgrenzen in der DDR nach Maßgabe der im Juni 1972 erfolgten Regelung für Polen zu erreichen. 22/IX: Papst Paul fordert Italien zur Aufhebung des liberaleren Ehescheidungsrechts auf (siehe unter „Italien").

Naher und mittlerer Osten

Abbildung 3

In diesem Kapitel werden neben den Ländern der Region gegebenenfalls auch solche überregionale Ereignisse behandelt, die mit dem Nahost-Konflikt unmittelbar in Zusammenhang stehen, bzw. Organisationen, die wie die Arabische Liga eher dem arabischen als dem afrikanischen Raum zuzuordnen sind. (Die nordafrikanischen Länder Ägypten, Libyen und die Länder des westlichen Maghreb werden jedoch unter „Afrika" behandelt.) Nachstehend Berichte über Aktionen des „Arabertum", über Irak, Iran, Israel, Libanon, Syrien und Vorgänge in „Nahost". Ägypten (siehe unter „Afrika"). Algerien (siehe unter „Afrika").

Arabertum 7-21/IX: Auseinandersetzungen mit der BRD wegen der Mordtat von Fürstenfeldbruck (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland"). 15/IX-2/X: In Kairo findet eine Konferenz islamischer Theologen statt, die sich mit dem Problem des Verhältnisses der islamischen Welt zu Israel auseinandersetzt. Diese Auseinandersetzung geschieht in verschieden formulierten Fragen der Koran-Exegetik. Einige Fragen sind allgemein formuliert, andere Fragen (z. B.: Welche Bedeutung hat die Aqsa-Moschee in Jerusalem für die islamische Welt und welche Konsequenz ihre Einbeziehung in den israelischen Herrschaftsraum?) sehr sachbezogen. Welche Relevanz in der islamischen Welt solchen grundsätzlichen Entscheidungen anerkannter theologischer Gremien zukommt, mag aus der Tatsache erhellen, daß einem Gutachten der al-Azhar-Moschee in Kairo (dem Zentrum islamischer Gläubigkeit) die palästinensischen Mörder des jordanischen Ministerpräsidenten Wasfi at-TALL es zu verdanken haben, daß sie nicht zum Tode verurteilt wurden: weil zwar ihre Tat an sich das Todesurteil verdiene, die Motivierung jedoch im Rahmen des „Heiligen Krieges" die Verurteilung zum Tode verbiete, sowie aus der Tatsache, daß der ägyptische Ministerpräsident as-SADAT angesichts des Themas diese Konferenz islamischer Theologen selbst eröffnete.

Das Ergebnis der Exegese zum Verhältnis-Arabertum—Israel ist folgendes: Nach Abwägung aller kanonisch akzeptierten Interpretationen der islamischen Uroffenbarung gibt es unter bestimmten Gegebenheiten die Möglichkeit, einem in ebenso präzis bestimmten Kategorien als Feind anzusehenden Gegner den Status eines „Dar as-Sulh" zuzubilligen, eines Gegners, dessen Gegnerschaft kanonisch schwierig, aber nicht wesenhaft ist; die islamischen Rechtsgelehrten sind der Ansicht, daß der Status des „Dar as-Sulh" sofort — in der Nachfolge des Rechtslehrers Abu -Han ifa — als „Dar al-Islam“ anzusehen sei, sobald es nur einen einzigen Muslim in der betreffenden Gesellschaft gebe-, ist dieser eine Muslim nicht zu finden, ist das „Dar al-Islam" („Haus des Islam") nicht gegeben, sondern es ist der Status des „Dar al-Harb" („Haus des Krieges") festzustellen. Dieses „Haus des Krieges" ist aber durch den „Heiligen Krieg" („Djihad") zum islamischen Territorium und damit zum Teil des „Dar al-Islam" zu machen. Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit einer friedlichen Koexistenz islamischer Staaten mit Israel.

Irak 14-19/IX: Präsident Ahmed Hassan al-BAKR stattet der Sowjetunion seinen ersten offiziellen Besuch als Präsident ab. Beide Seiten begrüßen den erreichten Stand der Zusammenarbeit auf allen Gebieten; die UdSSR sagt dem Irak wie der gesamten arabischen Welt die Fortsetzung ihrer Hilfe gegen Israel zu. Allerdings formuliert der sowjetische Staats-präsident Podg or ni j in diesem Zusammenhang distanzierend: Die israelischen Extremisten suchten das Verbrechen ihrer jüngsten Terrorangriffe gegen Syrien und den Libanon durch die tragischen Ereignisse in München zu erklären. „Selbstverständlich können wir uns nicht positiv gegenüber den Aktionen verhalten, zu denen manche Elemente greifen und mit denen sie der palästinensischen Bewegung Schaden zufügen. Aber das, was in München vor sich ging, kann in keinem Maße als Rechtfertigung für die treubrüchigen Räuberaktionen der Führer Israels dienen."

Iran 18-27/IX: Kaiserin Farah Pahlev i stattet der VR China einen Staatsbesuch ab, in dessen Verlauf beide Seiten unter Hinweis auf die mehr als 2 000jährigen diplomatischen und sonstigen Beziehungen zwischen beiden Staaten (eines der Stichworte ist die Seidenstraße) die Bedeutung betonen, die eine Intensivierung der gegenseitigen Beziehungen auf allen Gebieten nicht nur für beide Länder, sondern auch für den geographischen Großraum Asien und für die ganze Welt haben würden.

Israel 26/VI und 21/VII: Sicherheitsratsresolutionen zu isrealisch-libanesischen Zwischenfällen (siehe unter „Vereinte Nationen"). 5-6/IX: Die Katastrophe von Fürstenfeldbruck (siehe unter „Internationales, Olympiade“).6/IX-4/X: Fortgang der militärischen Auseinandersetzungen mit palästinensischen Terroristen im Libanon und mit Syrien insbesondere als Antwort auf die Morde in Fürstenfeldbruck; Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats; arabische Terroristen reagieren mit der Entsendung von Sprengstoffbriefen an israelische Diplomaten und Persönlichkeiten in aller Welt (siehe unter „Nahost"). 15/IX-2/X: Eine Konferenz islamischer Theologen in Kairo stellt fest, daß eine friedliche Koexistenz mit Israel für islamische Staaten unmöglich sei (siehe unter „Arabertum“).

Libanon 6/IX-2/X: Fortgang der militärischen Auseinandersetzungen mit Israel und der Streitigkeiten mit Palästinensern im Libanon sowie Sitzung des UN-Sicherheitsrats (siehe unter „Nahost").

Libyen (siehe unter „Afrika").

Marokko (siehe unter „Afrika").

Nahost 18/VII: Der ägyptische Präsident as-SADAT gibt bekannt, daß alle in Ägypten tätigen sowjetischen Militärberater das Land zu verlassen und ihre Basen und Ausrüstungen an Ägypten zu übergeben hätten. In späteren Reden und Interviews berichtete er über die Hintergründe dieses Beschlusses u. a.: Ägypten habe von der UdSSR immer wieder Maßnahmen gefordert und Zusagen erhalten, die dem Zustand des „weder Krieg noch Frieden" zugunsten der arabischen Welt ein Ende bereiten sollten; Moskau habe aber keine dieser Zusagen gehalten. Das habe die Frage aufgeworfen, ob Ägypten ein Kolonialgebiet der Sowjetunion oder zu selbständigen Entschlüssen fähig sei. In dieser Situation habe er sich für die Unabhängigkeit Ägyptens und damit für dessen Handlungsfreiheit gegenüber Israel entschieden und angeordnet, daß die rund 20 000 sogenannten Experten und Berater der UdSSR Ägypten umgehend zu verlassen und ihre Materialien und Basen Ägypten entweder zu übereignen oder aber sie mit sich aus dem Lande zu entfernen hätten. 2/VIII: Der Abzug der sowjetischen Berater wird offiziell für beendet erklärt. Bei dieser Gelegenheit kam es in Kairo zu einer Abschiedszeremonie, in deren Verlauf festgestellt wurde, daß die sowjetischen Berater ihren Auftrag erfüllt hätten und deshalb abzögen. Die militärischen Berater wurden zum Teil mit hohen Orden ausgezeichnet. 10/VIII: Syriens Präsident Hafez al-ASSAD gibt in einem Interview bekannt, daß er im Gegensatz zum ägyptischen Vorgehen die Militärs unter den rund 3 000 sowjetischen Beratern im Lande nicht auffordern werde, das Land zu verlassen. Syrien benötige ihre Mitarbeit und sei sicher, daß die Sowjetunion im Rahmen der bestehenden Zusammenarbeit in Zukunft noch bessere und wirksamere Methoden bei der Durchführung zugesagter Waffenlieferungen entwickeln werde. — Presseberichten zu diesem Themenkomplex ist weiter zu entnehmen, daß Syrien mit der UdSSR ein Geheimabkommen geschlossen hat, in dessen Rahmen es der III. Eskadra den Hafen Latakia gegen die Lieferung von Kampfbombern des Typs MiG-31 und von SAM-3-Boden-Luft-Raketen zur Verfügung stellen werde. 5-6/IX: Die Katastrophe von Fürstenfeldbruck (siehe unter „Internationales, Olympiade"). 6/IX-4/X: Aus Anlaß der Ermordung der israelischen Olympia-Equipe durch arabische Terroristen in Fürstenfeldbruck gibt die israelische Ministerpräsidentin Frau Golda Meir am 6. September den Beschluß einer Sondersitzung des Kabinetts bekannt, daß Israel zu der Überzeugung gekommen sei, es müsse die palästinensischen Freischärler überall bekämpfen und dürfe diejenigen, die sie unterstützen, nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Auf Grund dieses Beschlusses kam es am 7., 8. und 9. September zu Aktionen der israelischen Streitkräfte in den südlichen Libanon und nach Syrien. Syrien hob darauf am 10. September alle Beschränkungen für Aktionen palästinensischer Freischärler gegen Israel von syrischem Gebiet aus auf.

Ebenfalls am 10. September trat der UN-Sicherheitsrat auf Antrag Syriens und des Libanon zu einer Sitzung zusammen, in deren Verlauf die USA das zweite Veto in der Geschichte des UN-Sicherheitsrats gegen einen Resolutionsantrag einlegten, der — nach fast traditionellem Verhalten des Sicherheitsrats — die israelischen Aktionen verurteilte, ohne die aktuell auslösenden Momente von arabischer Seite in ähnlicher Weise zu berücksichtigen. Am 16. und 17. September folgten weitere Angriffe Israels in den libanesischen Raum, am 18. September kam es zu einem Artillerieduell zwischen Israel und Syrien im Golan-Gebiet.

In denselben Tagen entwickelten sich zwischen der libanesischen Regierung und den palästinensischen Freischärlern Spannungen, die am 2. Oktober dadurch beendet wurden, daß die Palästinenser mit dem Libanon ein Abkommen schlossen, wonach sie künftig auf alle Tätigkeiten verzichten, die Israel Vorwände für Angriffe gegen libanesisches Territorium bieten könnten.

Am 19. September begann seitens palästinensischer Terroristen eine Aktion, in deren Verlauf mit Sprengstoff gefüllte Briefe an israelische Diplomaten und sonstige Persönlichkeiten in aller Welt versandt wurden.

Syrien 10/VIII: Keine Ausweisung sowjetischer Militärberater (siehe unter „Nahost").

6/IX-10/IX: Fortgang der militärischen Auseinandersetzungen mit Israel und Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats (siehe unter „Nahost“).

Tunesien (siehe unter „Airika“).

Amerika

Abbildung 4

Auch in diesem Kapitel werden die Länder in alphabetischer Reihenfolge behandelt; die Notizen zu den einzelnen Ländern sind chronologisch geordnet. Zunächst Berichte über die lateinamerikanischen Länder in alphabetischer Reihenfolge: Argentinien, Brasilien, Chile, Guyana, Ekuador, Kuba, Peru und Uruguay, und dann über Ergebnisse in den Vereinigten Staaten in der thematischen Dreiteilung: Außenpolitik, Innenpolitik (Vorbereitung vor allem der Wahlen) und Sonstiges.

Lateinamerika Argentinien 29/IX: Es wird mit Brasilien ein Abkommen unterzeichnet, das sowohl bilateral die Nutzung der Wasserkräfte des La Plata-Beckens regelt wie auch multilateral der UNO diese Vereinbarung als Modell umweltschützenden Verhaltens gegenüber wasserwirtschaftlichen Problemen empfiehlt.

Brasilien 5/VIII: Die Regierung veröffentlicht ein Dekret über die Durchführung einer Bodenre-B form in den drei nordöstlichen Bundesstaaten Pernambuco, Ceara und Paraiba. Danach haben Großgrundbesitzer mit einem Besitz bis zu 1 000 ha 20 °/o, Besitzer von 1 000 bis 5 000 ha 40 °/o und Besitzer von über 5 000 ha 50 °/o ihrer Ländereien abzugeben. Sie können die betroffenen Ländereien gegen einen vom Nationalinstitut für Bodenreform und der Nationalbank festgesetzten Fixpreis verkaufen. Der Erlös steht ihnen dann uneingeschränkt und sofort zur Verfügung. Andernfalls wird der Gesamtbesitz enteignet, gegen Entschädigung in Gutschriften des Schatzamtes, die in 15 bis 20 Jahren fällig werden. 8/VIII: Der brasilianische Minister für Energie und Bergbau, Prof. Dia s Leite , gibt bekannt, daß eine deutsch-brasilianische Prospektorengruppe 30 km südlich von Belo Horizonte im Bundesstaat Minas Gerais das bisher größte bekannte Uranerzlager der Welt sowie umfangreiche Eisenerz-, Gold-und Diamantenlager entdeckt habe.

6/IX: Beisetzung Pedro s I. (siehe unter „Portugal“). 29/IX: Abkommen mit Argentinien über La Plata-Bekken (siehe unter „Argentinien“). Chile 4/VIII: Die chilenische Zentralbank gibt eine Teilabwertung des Escudo bekannt. Die nach Produkten gestaffelte Abwertung variiert zwischen 26 °/o und 220 °/o. Die stärkste Abwertung betrifft den Import von Luxusartikeln, die geringste die Exporte von Bergbauprodukten. Guyana 16/VII: Guyana und die VR Polen nehmen diplomatische Beziehungen auf Botschafter-ebene auf.

Ekuador 18/IX: Die Regierung gibt bekannt, daß die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) Ekuador wegen seiner reichen Erdöllager im östlichen Amazonasgebiet nach Aufnahme des Erdölexportes den Status eines Beobachters zugebilligt habe.

Kuba 8/VII: Kuba und Peru beschließen die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen.

Peru 8/VII: Peru und Kuba beschließen die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen.

Uruguay 2/VII: Präsident Juan Bordab err y wird vom Parlament ermächtigt, den im April erklärten Ausnahmezustand zu verlängern und die verfassungsmäßigen Rechte für weitere 90 Tage aufzuheben. Beide Maßnahmen sollen die Bekämpfung der Tupamaros bis nach der Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Sicherheit im Innern ermöglichen. 3/VII: Die Zentralbank von Uruguay gibt die Abwertung des Peso um 4, 8 °/o bekannt. Der Dollar-Kurs für Exporte und Importe wird von 539/544 P auf 566/572 P heraufgesetzt.

Nordamerika Vereinigte Staaten Außenpolitische Entwicklungen 29/VI-10/VII: Außenminister William P. Ro -gers unternimmt eine Reise durch 8 Länder. Er führt Gespräche in Indonesien, in der AR Yemen, im Emirat Bahrain, in Griechenland, Rumänien, Ungarn, Jugoslawien und Italien. — Bei seiner Ankunft in Athen unterstreicht Rogers die wichtige Sicherheitsrolle Griechenlands an der südlichen Flanke der NATO: „Wir fördern und unterstützen diese Rolle und messen der kooperativen Sicherheitsbeziehung Griechenlands mit den Vereinigten Staaten und der NATO große Bedeutung bei." Die amerikanische Regierung begrüße die Bemühungen Griechenlands um bessere Beziehungen zu seinen kommunisti33 sehen Nachbarn und „den Beginn substantieller Gespräche über Cypern".

In Rumänien unterschreiben R und der og ers rumänische Außenminister Manesc u am 5. Juli eine Konsularkonvention, die ungehinderte Kommunikationen zwischen einem Bürger und seinem Konsul ermöglichen soll. Staatspräsident C eausesc u äußert bei einem Essen zu Ehren von R seine Befriedigung rs darüber, daß die Beziehungen zwischen beiden Staaten in den letzten Jahren fühlbare Fortschritte gemacht haben, betont aber zugleich, daß es in einigen politischen Fragen unterschiedliche Auffassungen gebe. In seiner Antwortrede nennt Roge rs Zeichen dafür, daß die Zusammenarbeit beiden Völkern Vorteile bringe. Außerdem habe sich der bilaterale Handel in den letzten drei Jahren mehr als verdreifacht. Als großes gemeinsames Ziel nennt R das Bestreben, die Teilung Europas rs eines Tages aufzuheben. Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa könne im nächsten Jahr den Prozeß in Richtung auf eine Aussöhnung in Europa fördern.

In Ungarn unterzeichnen Roge rs und der ungarische Außenminister P ebenfalls eine eter Konsularkonvention. Ferner wird in R og ers '

Anwesenheit ein Abkommen über wissenschaftlichen und technischen Austausch zwischen dem (ungarischen) Institut für Kulturelle Beziehungen und der (amerikanischen) Nationalen Stiftung der Wissenschaften unterzeichnet.

Bei seinem Besuch in Jugoslawien, in dessen Verlauf er von Staatspräsident Josip Broz-TiTO empfangen wird, konferiert Ro -gers mit seinem Amtskollegen Mirko Tepavac über die internationale Lage und über die bilaterale Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten, die sich nach Ansicht beider Seiten günstig entwickelt haben. Besondere Aufmerksamkeit soll in Zukunft den wirtschaftlichen Beziehungen gewidmet werden. Außerdem wollen beide Länder ihre wissenschaftliche, technische und kulturelle Zusammenarbeit erweitern.

In Italien konferiert Roger s mit Ministerpräsident Giulio Andre otti und Außenminister Medi ci . Hauptgesprächsthema ist die Lage im Nahen Osten. Die italienische Seite betont ihr Interesse an einer baldigen Wiedereröffnung des Suez-Kanals, da Italien vom öl aus dem Persischen Golf abhängig sei. And reo tti bietet seine Unterstützung für jegliche diplomatische Aktion an, die zu einer Minderung der Spannungen im Nahen Osten und zur Wiedereröffnung des Suez-Kanals führen könnten. 1 20/VII-l/VIII: Handelsminister Peter Peter -so n weilt zu Handelsgesprächen in der UdSSR. In Moskau findet die erste Session ixo n der von Präsident N bei seinem Moskau-Besuch vereinbarten amerikanisch-sowjetischen Wirtschaftskommission statt. P -son leitet die amerikanische Delegation; die sowjetische Delegation wird von Außenhandelsminister Nikolai Patoli tsch ew geleitet.

Diskussionsthemen sind: der Abschluß eines Handelsabkommens unter Einschluß einer Mehrbegünstigungsklausel; sowjetisch-amerikanische Teilnahme an der Einrichtung von Industrieproduktionen und gegenseitige Kreditvereinbarungen; eine Regelung der Probleme aus dem Pacht-Leih-Abkommen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges; Fragen des Seeschiffsverkehrs. Nach Abschluß der Arbeiten der Wirtschaftskommission wird Peterson auf der Krim von Parteichef Bresh new empfangen. 25/VII: Das Außenministerium gibt die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit dem Sudan bekannt. 1-3/VIII: Im Anschluß an seinen Besuch in der UdSSR weilt Handelsminister Peterson in Polen, wo er Gespräche mit Ministerpräsident Jaro szewicz , Außenhandelsminister Olech owski und anderen Fachleuten führt. Es werden u. a. folgende Probleme erörtert: Möglichkeiten zur Steigerung des gegenseitigen Handelsvolumens und der Zusammenarbeit auf den Gebieten Handel, Industrie und Technik; neue Formen der Zusammenarbeit, z. B. die Zusammenarbeit mit dritten Märkten und neue Formen gemeinsamer Übereinkünfte zwischen Geschäftsorganisationen beider Länder. Während Petersons Aufenthalt in Warschau wird die vereinbarte amerikanisch-polnische Handelskommission gebildet. Ko-Vorsitzende sind der US-Handelsminister und der polnische Außenhandelsminister. 10/IX: Einlegurg des zweiten Vetos im UN-Sicherheitsrat gegen zu einseitige Verurteilung Israels (siehe unter „Nahost“). 10-14/IX: Der Sicherheitsberater des Präsidenten, Henry A. Kis si nger , verhandelt in Moskau mit Generalsekretär Leonid Bres hnew und Außenminister Andrej Grom yko . Man führt in Fortsetzung des Moskauer Gipfeltreffens vom Mai Gespräche über gemeinsam interessierende multilaterale Fragen sowie über Probleme bilateraler Beziehungen. Multilateral gelingt es, Einigung darüber herbeizuführen, unter welchen Umständen eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) erfolgversprechend durchgeführt werden könne. Bilateral gelingt es, die Voraussetzungen für die Aufnahme von SALT II, also von Gesprächen über die Beschränkung offensiver Waffensysteme, nach dem erfolgreichen Abschluß von SALT I zu formulieren. Ferner gelingt es, im Sinne des Moskauer Gipfels Grundlagen für die Bereinigung der einer Handelsausweitung zwischen beiden Staaten entgegenstehenden Fragen vorzunehmen. Hierbei handelt es sich 1. um die Frage der Pacht-Leih-Regelung: die USA verlangen von der Sowjetunion die Ersetzung derjenigen Konsumgüter und Kriegsmaterialien, die bei Ende des Zweiten Weltkrieges aus den amerikanischen Lieferungen an die UdSSR noch nicht verbraucht waren; die UdSSR war zwar seit 1945 bereit, dieser Forderung grundsätzlich zuzustimmen, doch war es bisher nie gelungen, die amerikanischen Forderungen und die sowjetischen Angebote in ein vertretbares Verhältnis zueinander zu bringen. Eine Bereinigung dieser Frage ist aber Voraussetzung für einen 2. Komplex, ein Handelsabkommen: denn die UdSSR wünscht die Meistbegünstigungsklausel, die ihr der amerikanische Kongreß nur dann einzuräumen bereit ist, wenn die Frage des Pacht-Leih-Problems geregelt ist. Und erst im Rahmen umfassender Handelsvereinbarungen kann auch der 3. Komplex gelöst werden: ein Schiffahrtsabkommen. Hier spielt eine wesentliche Rolle, daß sowjetische Frachtschiffe weit unter Weltmarktpreisen Massengüter transportieren, während die USA fordern, daß durch entsprechende Preisgestaltung amerikanischen Flaggen wenigstens 1/3 des Massengüteraufkommens sichergestellt wird; es geht vor allem um die bevorstehende Lieferung amerikanischen Getreides an die UdSSR im Wert von rund 1 Mrd. Dollar.

Ferner wurden folgende Themen beraten, die als Anschlußthemen gelten, aber grundsätzlich nach Bereinigung der genannten drei Komplexe keine politischen Probleme aufwerfen: die Gewährung von amerikanischen Krediten an die UdSSR im Rahmen der US-Exim-Bank und die Erschließung sibirischen Erdgases und sibirischer Erzläger, wobei die USA als Kapitalgeber aufträten und nach Erschließung der Felder durch Vorzugslieferungen bezahlt würden.

Kiss ing er unterrichtete beim Hinflug Bundeskanzler Bran dt während einer Zwischenlandung in München, beim Rückflug in London Premierminister Heath und in Paris Präsident Pomp ido u von den Gesprächen. In Paris sprach er außerdem mit dem nordvietnamesischen e uc ho Chefunterhändler L D T über die Möglichkeiten einer Friedensregelung in Vietnam. 18-21/IX: Umweltschutzvereinbarungen mit der UdSSR (siehe unter „Sowjetunion“).

Innenpolitik 13/VII: Auf dem Parteikonvent der Demokratischen Partei in Miami Beach wird in der Nacht zum 13. Juli der Senator von South Dakota, George Stanley Mc Gover n , im ersten Wahlgang mit 1864 Delegiertenstimmen zum Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei für die am 7. November 1972 stattfindenden Präsidentschaftswahlen nominiert. — Mc Gover n , Professor für Geschichte und Politologie, begann seine politische Karriere als Geschäftsführer der Demokratischen Partei Süddakotas, wurde dann ins Repräsentantenhaus gewählt und 1962 Mitglied des Senats. Der Senator setzte sich bereits 1963 für die Anti-Kriegsbewegung ein und hat immer wieder die Beendigung des Vietnam-Krieges und den Abzug der amerikanischen Truppen gefordert. Auch trat er für bessere Beziehungen zu Peking ein. Als erster Senator hat Mc Govern einen von der Bundesregierung garantierten Arbeitsplatz für jeden Amerikaner gefordert, der arbeiten will. Er setzt sich auch energisch für die Gleichberechtigung der Frauen ein, denen vermehrte Aufstiegsmöglichkeiten bis in höchste Regierungsämter, ja sogar eine Vertretung im Kabinett eingeräumt werden sollten. Er fordert einen verstärkten Schutz der Umwelt und nachdrücklicheres Vorgehen gegen jegliche Verschmutzung. Mc Gover n tritt für eine Kontrolle von Preisen und Löhnen ein, um die Inflationsspirale zu brechen. — Am 13. Juli bestimmt Mc Gover n den Senator von Missouri, ag leton zu Thomas Francis E , seinem Vizepräsidentschaftskandidaten. 19/VII: Das Federal Reserve System kauft D-Mark zur Stützung des US-Dollar an. Laut Finanzministerium bedeutet diese Maßnahme aber keine Änderung der Politik der USA in bezug auf eine Währungsreform und auf Bemühungen zur Erzielung eines Gleichgewichts der Zahlungsbilanzen. Außerdem wird die am 15. August 1971 verfügte Suspendierung der Swap-Abkommen aufgehoben. 25/VII: Wie Finanzminister George Shu ltz auf einer Pressekonferenz erklärt, schließt das am 30. Juni zu Ende gegangene Haushaltsjahr mit einem Defizit von rund 23 Mrd. Dollar. Die Haushaltslücke sei damit wesentlich geringer als befürchtet. 8/VIII: Ein Sonderkonvent der Demokratischen Partei in Washington nimmt den Rücktritt von Senator Thomas Eagleton als Kandidat für die Vizepräsidentschaft an und bestätigt als neuen Kandidaten R. Sargent Shri -ver . Eagl eton sah sich zum Rücktritt veranlaßt, nachdem bekanntgeworden war, daß er dem Präsidentschaftskandidaten Mc Go -vern verschwiegen hatte, daß er zeitweilig in psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Nachdem 6 Senatoren bzw. Gouverneure das Angebot Mc Govern s zurückgewiesen hatten, anstelle von Eagleton zu kandidieren (unter ihnen Edward Kenned y und Hubert Hump hrey ), nahm schließlich Shr iv er (mit der KENNEDY-Familie verschwägert, erster Leiter des Peace-Corps unter Joh nso n , Leiter des Amtes für den Kampf gegen die Armut in den USA und zuletzt unter Nixo n Botschafter in Paris) das Angebot Mc Gov ern s an.

US-Vietnamkrieg 11/VIII: Das amerikanische Oberkommando in Saigon gibt bekannt, daß die letzte amerikanische Infanterieeinheit aus Südvietnam abgezogen und damit das Engagement der USA in den Erdkämpfen beendet sei. Die ersten Einsatzverbände der USA, 3500 MarineInfanteristen waren am 8. März 1965 in. Da Nang gelandet; im April 1969 erreichte das US-Corps in Vietnam mit 543 000 Mann — davon 112 Kampfbataillone der Infanterie — seine größte Mannschaftsstärke. Am 21. August wurde ferner bekanntgegeben, daß die Mannschaftsstärke der in Nord-und Süd-Vietnam stehenden Verbände auf 39 230 Mann verringert worden sei, von denen nur noch 11 900 Luftwaffenangehörige aktiv an Kampfaktionen teilnahmen. Auf den in vietnamesischen Gewässern operierenden Einheiten der 7. US-Flotte dienen weitere 39 000 Mann, auf den Luftwaffenbasen in Thailand seien 49 000 und auf Guam 10 000 Angehörige der Luftwaffe stationiert.

Asien

Abbildung 5

Der geographische Großraum wurde in Regionen aufgeteilt, wobei folgende Gliederung zugrunde gelegt wird:

I. Überblick II. Südasien (Afghanistan, Sri Lanka [Ceylon], Nepal, Bangla Desh, Pakistan, Bhutan, Indien)

III. Südostasien (Burma, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Singapur, Thailand, Südvietnam, Nordvietnam [Vietnamkrieg und Vietnam-Verhandlungen]). IV. Ostasien (Japan, Volksrepublik China, Republik China, Nordkorea, Südkorea [Innerkoreanische Verhandlungen]), Mongolische Volksrepublik).

I. Überblick

Abbildung 6

Der Schwerpunkt der Entwicklung des politischen Geschehens in Asien im dritten Quartal 1972 liegt in Ostasien: Das Gipfeltreffen zwischen Präsident Nixo n und Japans Premier Tanaka Ende August/Anfang September auf Hawaii brachte eine Neuorientierung der Beziehungen beider Staaten zueinander mit sich, deren Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen sind. Zumindest die gleiche Einschätzung gebührt der China-Reise Tanaka s im September, die neben der „Normalisierung" der seit 1949 gestörten Beziehungen auch den Bruch der ehemals engen Kontakte zur Republik China (Taiwan) mit sich brachte. Schließlich ist die überraschende Ankündigung der beiden Korea im Hinblick auf eine beabsichtigte friedliche Wiedervereinigung zu erwähnen, die offensichtlich ein Ende der erbitterten Konfrontation zwischen Pyöngyang und Seoul mit sich bringt. Im Kontext der internationalen Politik betrachtet, müssen alle diese Entwicklungen als Auswirkungen der Neuorientierung der Asien-und insbesondere der China-Politik der Vereinigten Staaten gesehen und als Stationen einer politischen Entwicklung gewertet werden, deren Ausgang weitgehend ungewiß ist.

Demgegenüber war die Entwicklung in Südostasien von einer Phase des Umdenkens gekennzeichnet, die noch keine konkreten Ergebnisse zeitigte — ebensowenig wie die gerüchteweise bekanntgewordenen Meldungen über eine bevorstehende Friedensregelung in Vietnam. Auch für Südostasien gilt jedoch, daß die Asienpolitik Präsident Nixo ns Auswirkungen zu zeigen beginnt, die die politische Konstellation in diesem Raum völlig verändern können.

Die Entwicklung in Südasien ist von den Folgen der Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan um Ost-Bengalen gekennzeichnete: der junge Staat Bangla Desh sieht sich zunehmend ernsten Schwierigkeiten ausgesetzt, die sowohl in wirtschaftlichen Unzulänglichkeiten als auch in einer offensichtlich nicht durchsetzungsfähigen politischen Führung begründet liegen. Stark beeinträchtigt davon werden auch die Beziehungen zu Indien, wobei sich Bangla Desh zunehmend als Belastung für Indiens schwache Wirtschaft erweist. Auch Pakistan hat als Folge des Krieges mit Indien mit wirtschaftlichen und innenpolitischen Schwierigkeiten zu kämpfen, obwohl Präsident Bhutt o bislang ausgesprochen geschickt taktierte.

Zusammenfassend betrachtet, befindet sich Asien im Zustand einer umfassenden Umwandlung, die primär auf äußere Einflüsse zurückgeht, dabei aber ein erstaunliches Maß Eigendynamik entwickelt, die keine Prognosen über künftige Konstellationen erlaubt.

II. Südasien

Abbildung 7

Afghanistan 5-25/VII: Der stellv. Ministerpräsident Abdul Samal Hamed besucht mit einer Regierungsdelegation die UdSSR und unterzeichnet am 11. Juli in Moskau ein Abkommen über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit, in dessen Rahmen Afghanistan eine Anleihe in Höhe von 100 Mio Rubel erhält. 23/VIII: Afghanistan begeht mit einer großen Militärparade den Tag der Unabhängigkeit. König Mohammed Zahi r Shah betont in einer Rede zu diesem Anlaß die Bedeutung des Aufbaus eines fortschrittlichen Wirtschaftssystems, mit dessen Hilfe „Armut, Krankheit und Ignoranz" überwunden werden sollen. Das Land krankt vor allem an einer rückständigen Landwirtschaft, in der etwa 75 °/o der arbeitenden Bevölkerung (ca. 15 Mio) beschäftigt sind. Die Industrie spielt mit über 10 °/o eine untergeordnete Rolle, da die reichen Bodenschätze (Eisenerz, Kupfer, Bauxit, Asbest, Zink, Blei) wegen der großen Transportschwierigkeiten kaum genutzt werden können. Als Binnenland verfügt Afghanistan nicht über einen Zugang zum Meer, zudem fehlen schiffbare Flüsse und sogar die Eisenbahn ist unbekannt. Im Hinblick auf die Bodenschätze spielt lediglich die Erschließung von Erdgasfeldern an der Grenze zur UdSSR, die seit 1967 mit sowjetischer Hilfe betrieben wird, eine gewisse Rolle. 9-16/IX: Ministerpräsident Abdul Z hält ahir sich mit einer Regierungsdelegation zu einem offiziellen Besuch in der Bundesrepublik auf, wo er am 12. 9. von Bundeskanzler Willy B empfangen wird. ran dt Sri Lanka (Ceylon) 12-19/VII: Industrie-und Wissenschaftsminister T. B. Suba si ng he hält sich zu einem offiziehen Besuch in der CSSR auf, wo er Verhandlungen für den Abschluß eines langfristigen Handels-und Zahlungsabkommens führt. Anschließend reist er in die DDR, Polen und Ungarn weiter, wo ihm Hilfezusagen für Industrieprojekte im Rahmen des Fünf-Jahr-Planes Sri Lankas gemacht werden, die nach Angaben Subasi nghes einen Wert von 25 Mio US-Dollar haben. 1/18/VIII: Dem Parlament wird ein Gesetz-entwurf vorgelegt, das den Bodenbesitz auf 50 acres je Familie beschränkt. Der Minister für Verfassungsfragen, Dr. Silva , kündigt in diesem Zusammenhang weitere Gesetze zur Kontrolle ausländischer Gesellschaften und privater Großgrundbesitzer an, die der Unterstützung von Industrie und Landwirtschaft dienen sollen. 5/VIII: Ministerpräsidentin Frau Sirimavo Bandara naike führt zur Bodenreform aus, daß auf den geplanten Produktionsgenossenschaften vor allem Jugendliche eingesetzt werden sollen. Die Priorität der Wirtschaftspolitik liegt im laufenden Fünf-Jahr-Plan auf der landwirtschaftlichen Entwicklung; eines der vordringlichen Ziele ist die Reisproduktion, wozu Frau Band ara nai ke von jedem einzelnen Bürger umfassende Zusammenarbeit und „harte Arbeit" fordert und dabei lobend das Beispiel Chinas hervorhebt.

Die wirtschaftliche Situation Sri Lankas ist durch das ehrgeizige Sozialprogramm, das mit 260 Mio Dollar im laufenden Budget fast die Hälfte der geplanten Gesamteinkünfte ausmacht, gekennzeichnet. Dies hat einen Rückgang der Exporte und eine Vergrößerung der Auslandsschulden zur Folge, die derzeit ca. 300 Mio Dollar betragen, was 40 °/o der Exporteinnahmen zur Schuldentilgung erfordert. Großbritannien als wichtigster Kapitalgeber ist sichtlich darüber verärgert, daß seine Hilfe nicht für Entwicklungszwecke, sondern eben für das Sozialprogramm verwendet wird, in dessen Rahmen jeder der ca. 12, 7 Mio Einwohner u. a. wöchentlich eine Reisration von 1 kg erhält.

Nepal August/September: Die Enttäuschung über erwartete, aber ausgebliebene Reformen führten zur schwersten innenpolitischen Krise Nepals seit Jahren. Die Opposition richtet sich vor allem gegen Ministerpräsident BISTA, der der „Unfähigkeit und Ineffizienz" beschuldigt wird, die „enorme Probleme für das Land" bewirkt hätten. Die Forderungen der Opposition betreffen vor allem die Einführung direkter Parlamentswahlen, die Wiederzulassung politischer Parteien und die Abschaffung der Sicherheitsbestimmungen, die eine Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren ermöglichen.

Bangla Desh 22/VI-15/VII: Auf Veranlassung von Scheich Mujibur R ah man wird am 22. Juni eine 1200 Mann starke „Nationale Sicherheitstruppe“ gegründet, deren Aufgabe vordringlich die Bekämpfung „antisozialer Elemente" ist. 1/VII: Der Eisenbahnverkehr kann wieder aufgenommen werden, nachdem nach großen Anstrengungen bis Ende Juni bereits ein großer Teil der etwa 300 wichtigsten Eisenbahnbrücken wiederaufgebaut worden ist. Für das Finanzjahr 1972/73 hat die Regierung zur Normalisierung des Eisenbahnwesens 240 Mio Taka zur Verfügung gestellt. 8/VII-25/VIII: Die internationale Position von Bangla Desh wird durch eine Reihe neuer Anerkennungen und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen gefestigt. Von besonderer Bedeutung ist die Anerkennung durch den Irak als den ersten der islamischen Staaten, die bislang eine stark propakistanische Haltung gezeigt hatten. Die einzelnen Staaten in der Reihenfolge der Anerkennung sind der Iran (8. 7.), Tansania (12. 7.), Malta (21. 7.), Yemen (31. 7.), Peru und Guatemala (1. 8.), Bolivien (5. 8.), Uganda (16. 9.), Panama und Uruguay (17. 8.), Irak (29. 8.), Obervolta (8. 9.), und der Vatikan (25. 9.). Außerdem erfolgte der Beitritt zum Internationalen Welt-währungsfonds (IMF), zur Weltbank, zur International Development Association (IDA), zur Internationalen Gewerkschaftsorganisation (ILO) und in die interparlamentarische Union (IPU).

Am 8. August stellt Bangla Desh einen offiziellen Antrag zur Aufnahme in die Vereinten Nationen, der von der Mehrheit des Sicherheitsrates (USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich) befürwortet wird. Ein entsprechender Resolutionsentwurf der UdSSR, Indiens, Jugoslawiens und Großbritanniens wird am 23. August eingebracht, jedoch am 25. August kraft eines Vetos der Volksrepublik China zurückgewiesen (vgl. VR China). 9/VII: Die Regierung gibt ihre Absicht bekannt, die Kriegsverbrecherprozesse gegen ca. 12 000 gefangene Pakistani auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Als Grund wird die durch das indisch-pakistanische Abkommen von Simla geschaffene gute Atmosphäre angegeben. Ganz ohne Zweifel ist für diesen Entschluß auch der Bericht der Internationalen Juristenkommission (CIJ) maßgeblich, der zu der Schlußfolgerung kommt, daß in Bangla Desh zahlreiche Vergehen gegen das Völker-recht begangen wurden. Während der Bericht die Vereinten Nationen anklagt, ihre Möglichkeiten nicht genutzt zu haben, wird bezüglich der Kriegsverbrecherprozesse gefordert, daß diese vor einem internationalen Gericht mit Richtern aus neutralen Ländern erfolgen sollten. 15/VII: Unterzeichnung eines Abkommens mit der Bundesrepublik Deutschland über technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bereits am 31. Mai und am 10. Juni leistete die Bundesrepublik mit zwei Geldgeschenken in Höhe von 7 bzw. 15 Mio DM einen Beitrag zur internationalen Hilfsaktion für Bangla Desh. 18-25/VII: Außenminister Abdus Samad zad A reist zu offiziellen Besuchen nach Indonesien und Thailand. In dem gemeinsamen Abschlußkommunique mit Indonesien wird das indisch-pakistanische Abkommen begrüßt, zad während A seiner Befriedigung darüber Ausdruck gibt, daß es Pakistan nicht gelungen sei, Bangla Desh in eine „politische Isolierung" zu drängen. In Thailand bespricht zad A die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sowie die Förderung der Handelsbeziehungen. 1/VIII: Mit Wirkung vom 1. August wird ein reguläres Paß-System für Reisen zwischen Indien und Bangla Desh eingeführt. Es bestimmt, daß für die Ausstellung der Pässe für Staatsangehörige der beiden Staaten die jeweilige Regierung zuständig ist, während Sichtvermerke vom Hochkommissar des jeweils anderen Landes vorgenommen werden sollen. Die Maßnahme stellt eine einschneidende Veränderung im Grenzverkehr zwischen beiden Staaten dar, die dem trotz scharfer Gegenmaßnahmen stetig steigenden Schmuggel ein Ende setzen soll.

5/VIII: Mit Rumänien wird ein dreijähriges Handelsabkommen (Umfang ca. 1. 9 Mio engl. Pfund) vereinbart. In seinem Rahmen wird Bangla Desh insbesondere elektrische Ausrüstungen, Motorfahrzeuge und Aluminium importieren. 17/VIII: Das Gesetz zur Beschränkung von Grundbesitz tritt in Kraft, nach dem eine Familie höchstens 25 ha Agrarland besitzen darf. Bauern mit weniger als 6, 25 ha sind von der Steuer befreit.

22/VIII: Außenminister A nimmt zu den zad Beziehungen mit Indien Stellung und weist auf mögliche Differenzen hin, als er „jene" warnt, „die versuchen, Bitterkeit zwischen den beiden Staaten hervorzurufen und Bangla Desh von seinen Freunden zu isolieren". 27/VIII-3/IX: Der Führer der prochinesischen „National Awami Party" (NAP), Maulana Bhas han i, warnt davor, daß ein Andauern der gegenwärtigen Lage zu einer spontanen Revolution und Bangla Desh „in ein zweites Vietnam" führen würde. Gleichzeitig äußert er Zweifel an der Fähigkeit Mujibur R , ahmans der Situation im Lande Herr zu werden, da er bisher seine Unfähigkeit bewiesen habe, eine Politik zu betreiben, die die Probleme des Landes löst. Bhas han i tritt für den Zusammenschluß aller bengalisch-sprachigen Gebiete des Subkontinents und die Gründung eines „Vereinigten Bengalen" ein. Am 3. September findet in Dacca auf den Aufruf Bhas han is hin eine Kundgebung statt, an der mehr als 20 000 Personen teilnehmen, die gegen die Politik Mujibur Rahma ns demonstrieren. 10/IX: Premierminister Nazrul Islam erklärt auf einer öffentlichen Veranstaltung, daß in Bangla Desh keine ausländische Truppen stationiert sind. Berichte darüber, daß indische Truppen in Bangla Desh seien, weist er als „Lüge gewisser Politiker" zurück und kritisiert einige „unverantwortliche" Zeitungen, die falsche Berichte darüber nur publizieren, um das chinesische Veto gegen die UN-Mitgliedschaft Bangla Deshs zu rechtfertigen. 19-22/IX: Großbritanniens Wirtschaftsminister Geoffrey Ripp on besucht Bangla Desh und trifft am 21. 9. mit Präsident Chowd hur y zusammen, der ihn auffordert, den Einfluß Großbritanniens gegenüber Pakistan geltend zu machen, um die Repatriierung von Bengalen aus Pakistan zu beschleunigen. In einer Pressekonferenz am Ende seines Besuches erklärt Ripp on die Bereitschaft Großbritanniens, Bangla Desh bei der „Bewältigung seiner Probleme" zu helfen. 4/IX: Außenminister Azad läßt in Kalkutta vor Journalisten durchblicken, daß Gespräche zwischen Dacca und Islamabad auch ohne die vorherige Aufnahme diplomatischer Beziehungen denkbar seien. 14/IX: Mujibur Rahma n erklärt nach einem Gespräch mit Indira Gandhi unmißverständlich, daß es keinen Dialog mit Pakistan geben könne, solange Bangla Desh nicht diplomatisch voll anerkannt sei. Er weist damit Spekulationen zurück, die durch die Ausführungen von Außenminister Azad am 4. 9. entstanden waren. Weitere Einzelheiten über den Inhalt des Gesprächs zwischen Frau Gandhi und Rahma n werden nicht bekannt, doch macht sich auf indischer Seite eine gewisse Desillusionierung über die Entwicklung der bilateralen Beziehungen zu Bangla Desh bemerkbar. 22/IX: Mujibur Rahma n beginnt mit einer bereits angekündigten Säuberungsaktion im Bereich der Behörden und Partei. Neunzehn Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung werden wegen „Nepotismus, Korruption und Amtsmißbrauch" ihrer Ämter enthoben, mehrere 100 Mitglieder der Regierungspartei ähnlicher Vergehen beschuldigt. Pakistan 8-21/VII: Das Parlament der Provinz Sind erklärt die Sprache Sindhi zur Provinzsprache. In allen Teilen des Landes, vor allem in Karatschi, kommt es daraufhin zu Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Sprachengruppen, die Tote und Verletzte fordern und eine Pressezensur sowie ein Eingreifen von Präsident Zulfikar Ali Bhutto nach sich ziehen. Bei einer Reise durch die Provinz tritt Bhutto für einen Kompromiß ein und schreibt die Ursachen der Unruhen „volksfeindlichen Elementen" zu. Am 21. Juli gibt die Provinzregierung neue Bestimmungen zur Sprachenregelung bekannt, wonach die Sprache Sindhi in der Provinz anzuwenden, zu lehren und zu fördern ist, Personen des öffentlichen Dienstes auf Grund ihrer sprachlichen Zugehörigkeit nicht benachteiligt werden dürfen; Urdu bleibt weiterhin Landessprache. Die sich einstellende Beruhigung der Lage nach der Aufhebung der Pressezensur am 22. Juli ist nur vorläufig, wie weitere Unruhen Ende Juli und Anfang August, deren Ausgangspunkt die Universität in Haiderabad ist, verdeutlichen. 15/VII: Präsident Bhutto erklärt während einer Parlamentsdebatte, daß Pakistan seit Januar aus der SEATO ausgetreten sei. Das Sekretariat der Organisation erklärt hierzu, daß kein entsprechender Antrag Pakistans vorliege, Pakistan den Satzungen gemäß also Mitglied der SEATO ist, auch wenn es, wie andere Staaten, nicht an den regelmäßigen Beratungen teilnimmt. 11/VII: Der Außenminister der Türkei, Haluk Bay uleken , trifft zu einem viertägigen Besuch in Pakistan ein, wo er mit führenden Mitgliedern der Regierung bilaterale, regionale und internationale Fragen bespricht. 14/VIII: Präsident Bhutto erklärt vor der Nationalversammlung im Hinblick auf die Existenz von Bangla Desh, daß die Tatsache der „Trennung des islamischen Bengalen nicht geleugnet werden kann". „Was Pakistan jetzt tun muß", erklärt er weiter, „ist die Prüfung der Folgen dieser Trennung". Bhutto ist bereit, mit Bangla Desh die künftigen Beziehungen zu erörtern, was aber an keine Vorbedingungen geknüpft sein dürfe; dies bedeutet eine deutliche Modifizierung der Haltung Pakistans gegenüber Bangla Desh, wobei die Initiative zur Aufnahme der Gespräche Bangla Desh zugewiesen wird. 12/VIII: Erlaß einer Gesetzesreform, die das Versprechen der Regierung erfüllt, die Legislative von der Exekutive zu trennen. Die Nationalversammlung verlängert die Frist zur Vorlage des Verfassungsentwurfs, der ursprünglich am 14. August fertiggestellt sein sollte, bis zum 31. Dezember. 12/IX: Der Vorsitzende der Nationalversammlung erklärt eine Diskussion über den soge-nannten „London-Plan" für unzulässig, woraufhin die Angehörigen der oppositionellen Partei die Nationalversammlung verlassen. Der „London-Plan" wurde von einigen Parlamentsmitgliedern der Opposition (möglicherweise unter Mitwirkung von Mujibur Rahm -an ) ausgearbeitet und fordert eine Konföderation zwischen Indien, Bangla Desh, Afghanistan und den vier Provinzen Pakistans als autonome Gebiete.

Bhutan 21/VII: König Jigme Dorji Wangchuk stirbt im Alter von 43 Jahren an einer Herzschwäche in Nairobi.

König Wangc huk hat sich während seiner Regierungszeit bemüht, das Land zu modernisieren und in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln. Er schaffte die Sklaverei ab, gründete Schulen und schuf ein Parlament, das auch Vollmacht hat, den König abzusetzen. Nachfolger wird sein erst 17 Jahre alter Sohn Jigme Singhye Wangc huk , der in seiner ersten Pressekonferenz versichert, das Werk seines Vaters fortsetzen und Bhutan zu einem modernen Staat entwickeln zu wollen. Außenpolitisch steht Bhutan ganz unter dem Einfluß Indiens, auch wenn der König betont, daß die Außenpolitik „auch in Zukunft auf Blockfreiheit und friedliche Koexistenz" basiere und darauf ausgerichtet bleibe, die „Ideale des Friedens und der Gewaltlosigkeit in dieser geplagten Welt" " zu fördern. Die dominante Stellung Indiens wird deutlich, wenn Singhye Wan gch uk erklärt, daß Bhutan „gegenwärtig nicht den Wunsch hat", seine diplomatischen Beziehungen über Indien hinaus ausdehnen oder bilaterale Unterstützung von Ländern zu akzeptieren, die nicht zum Colombo-Plan gehören, der einzigen Organisation, in der Bhutan außer in den Vereinten Nationen vertreten ist. Der Vertrag mit Indien von 1949, wonach sich Bhutan in der Außenpolitik vom „Rat" Delhis leiten läßt, bedarf nach Ansicht des Monarchen keiner Revision, über die Beziehungen zur Volksrepublik China führt er aus, daß diese „korrekt" seien und daß sich Bhutan „zu gegebener Zeit" bemühen werde, sie zu einer Freundschaft zu entwickeln.

Indien 5/VII: Der Sonderbotschafter des amerikanischen Präsidenten Nixon, John Con ally , besucht Indien und trifft mit Frau Gandhi zu Gesprächen zusammen. Cona lly vertritt dabei die Ansicht, daß die USA nicht allein schuld an der Verschlechterung der Kontakte zu Indien haben, während Frau Gandhi in anderem Zusammenhang am 12. August erklärt, daß Indien zu einer Verbesserung der Beziehungen bereit sei, die USA aber „nicht den Wunsch dazu erkennen lassen".

6-9/VII: Außenminister Swaran Sing h besucht Polen und trifft dort u. a. mit dem Ersten Sekretär des ZK der PVAP, Edward Gier ek , zusammen. 5-9/VII: Staatspräsident G weilt als Gast iri von Präsident Josip Broz T in Jugoslawien. 11-14/VII: Präsident Giri besucht Afghanistan, wo er mit König Zahi r Shah die Entwicklung der bilateralen Kontakte erörtert. Im Mittelpunkt der Besprechungen stehen die unerschlossenen Gasvorkommen Afghanistans und die Möglichkeit einer gemeinsamen indisch-sowjetischen Ausbeutung. 14/VII: Ministerpräsident Frau Gand hi dementiert Meldungen, wonach sowjetischen Kriegsschiffen die Benutzung indischer Häfen erlaubt sei, und führt aus, daß nach indischer Ansicht „der Ozean frei von jeder ausländischen Truppenpräsenz" sein soll. Aus Anlaß des ersten Jahrestages der Unterzeichnung des indisch-sowjetischen Vertrages werden von beiden Seiten Grußbotschaften ausgetauscht, die das bilaterale Verhältnis würdigen. 14/VII: Die Regierung übernimmt die Führung der „Indian Iran and Steel Company" für vorerst zwei Jahre. 23/VII: Die Chefminister der Bundesstaaten beschließen, die Gesetze über die Bodenreform bis zum 31. Dezember zu verwirklichen. Danach werden bei der Aufteilung des Bodens drei Kategorien zugrunde gelegt: Land-besitz mit einem sicheren Bewässerungssystem für zwei Ernten jährlich darf höchstens 10 bis 18 Morgen, solcher mit Bewässerungssystem für eine Ernte jährlich bis 27 Morgen und trockenes Land sowie Obstgärten dürfen bis 54 Morgen betragen. 12/VIII: In einer Ansprache zum 25. Jahrestag der Unabhängigkeit Indiens betont Minister-präsidentin Indira Gand hi , daß Indien die „eigentliche Unabhängigkeit" noch nicht erreicht habe. Diese sei erst dann gegeben, wenn jeder Inder „moralische, wirtschaftliche und soziale Freiheit" habe. Frau Gandh i fordert die Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Nation durch den Einsatz aller Kräfte und verurteilt alle Versuche, innenpolitische Konflikte zu provozieren. 23/VIII: Erziehungsminister Nurul Hassan kündigt eine Reform des Bildungswesens an. Sie sieht eine universale Grundausbildung für die sechs-bis vierzehnjährigen Schüler vor, wobei in den ersten acht Klassen die „Arbeitserfahrung" Bestandteil der Erziehung sein soll; in den beiden letzten Klassen soll die Lehre in einem Handwerk obligatorisch werden. 19/IX: Der indische Planungsminister Durga Prasad Dhar unterzeichnet in Moskau ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der UdSSR. Eine engere Kooperation zwischen beiden Staaten wurde bereits im Freundschaftsvertrag vom August 1971 vereinbart; das Abkommen sieht die Errichtung einer gemeinsamen Kommission für die Förderung der indischen Wirtschaft, des Handels, der Wissenschaft und der technischen Forschung vor. 20-26/VIII: Der Außenminister des Irak, Mortada Said Abd al-BAQI, besucht Indien, wo er vor allem die indischen Wünsche im Hinblick auf das irakische Erdöl erörtert. Am 24. August unterzeichnet er ein auf drei Jahre befristetes Handelsprotokoll, das den Austausch von Erdöl gegen Industrieerzeugnisse Indiens vorsieht. 22/IX: Die indische Delegation bei der Internationalen Kontrollkommission (ICC) für Vietnam verlegt ihren Sitz von Saigon nach Hanoi, weil sich die Regierung in Südvietnam weigerte, die Visa für die Mitglieder der Delegation zu verlängern. Wie das indische Außenministerium dazu erklärt, werden gleichzeitig die beiden anderen Mitglieder der Kommission, Polen und Kanada, aufgefordert, ebenfalls ihren Sitz nach Hanoi zu verlegen. Bereits am 24. März hatte Außenminister Swaran Singh erklärt, daß Überlegungen über die Verlegung des Sitzes der Kommission angestellt würden, was primär in Auswirkung des Protestes Südvietnams auf die Anerkennung Nordvietnams durch Indien zurückzuführen ist (vgl. Weltpolitische Chronik 1/72, S. 60). >>III. Südostasien

Burma Juli/August: Als erster Schritt einer Reorganisation des Verwaltungs-und Rechtswesens wurde das „Central Security Administrative Committee" (CSAC) neu gestaltet und der Minister für Inneres und Religion, Seu Nmya , zum neuen Vorsitzenden bestimmt.

Die Reform des Rechtswesens wird vom CSAC für Justizangelegenheiten unter Minister Maung Maung durchgeführt und sieht eine direkte Beteiligung der Bevölkerung an der Gestaltung des Rechtswesens vor. Neben der Vereinfachung soll auch eine Beschleunigung aller Rechtsfälle erreicht werden. Die Reform des Justizwesens wird zuerst am 7. August in Rangun eingeführt; später sollen im ganzen Land Gerichte auf drei Ebenen eingesetzt werden: Volksgerichte des Staates, der Städte und der Dörfer.

Indonesien 4/VII: Großbritanniens Außenminister Sir Alec Douglas -Home besucht Indonesien und führt unter anderem Gespräche mit Präsident Suh arto und Außenminister Adam Ma -lik . Er unterzeichnet ein Abkommen über einen zinslosen Finanzhilfekredit in Höhe von 7 Mio Pfund, rückzahlbar in 25 Jahren. Der Kredit dient der Energieversorgung der Insel Bali und der Sanierung einer Textilfabrik auf Java. Keine Einigung wird über die Entschädigung für ehemaligen britischen Besitz in Indonesien erreicht, doch soll darüber weiter verhandelt werden. 8/VII: Außenminister Adam Malik gibt einen bemerkenswerten Überblick über „neue Wege in den internationalen Beziehungen Südostasiens". Als Priorität für jeden Staat Südostasiens bezeichnet er das „überleben in Form der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialer Integrität". 30/VII: Im Hinblick auf Berichte über die Verhaftung von höheren Offizieren gibt General Sumi tro bekannt, daß die Säuberungsaktionen gegen die an dem Putschversuch vom September 1965 beteiligten Personen in den Reihen der Streitkräfte fortgesetzt werden. Die Hinweise auf sieben Jahre zurückliegende Ereignisse führen zu Spekulationen, wobei neben der offiziellen Version die Möglichkeit, daß sich diese Aktionen nicht gegen potentielle Kommunisten, sondern gegen „progressive Revolutionäre" richten, ebenso eingeräumt wird wie die, daß Suh arto mit diesen Maßnahmen Opposition innerhalb der Armee gegen seine Politik zum Schweigen bringen will. Japanischen Angaben zufolge befindet sich unter den Verhafteten Generalmajor Suh arto mo sowie Oberst Sudiono . 3/21/VIII: Obwohl die Beziehungen zur UdSSR wegen des Verschwindens eines sowjetischen Botschaftsangehörigen im Juni, Verletzungen der Hoheitsgewässer durch sowjetische Fischereiboote sowie Berichte über die Ausbildung kommunistischer Kader in der UdSSR für den Einsatz in Indonesien zunehmend belastet werden, ist Moskau offensichtlich an einer Verbesserung des Verhältnisses interessiert. Anzeichen dafür sich die Einladung an eine Delegation des indonesischen Parlaments am 3. August zu einem Besuch in der Sowjetunion, der am 8. August eine Einladung an den Minister für soziale Fragen, MIN-tar edja , folgt. Anläßlich der Eröffnung einer Handelsmesse der UdSSR am 21. August in Djakarta drückt Nikolai Karp ov den Wunsch nach einer Verbesserung der bilateralen Handelsbeziehungen aus. 15/VIII: Zum 27. Jahrestag der Unabhängigkeit Indonesiens erinnert Präsident Suha r -to in einer Rede an die Folgen des Putsches von 1965 und bekräftigt seine unnachgiebige Haltung gegenüber den Kommunisten, von denen er behauptet, daß sie bis 1975 die Kommunistische Partei wieder aufbauen wollten.

In bezug auf die Wirtschaftspolitik betont er die Priorität des ökonomischen Sektors, ohne daß andere Bereiche ignoriert werden sollen. Als Beweis für den Erfolg seiner Politik führt er u. a. das Absinken der Inflationsrate auf 2, 47 Prozent im Jahre 1971 an.

Kambodscha 3/VII: Präsident Lon Nol wird für fünf Jahre als erster gewählter Präsident der „Republik Khmer" vereidigt, nachdem er bei den Präsidentschaftswahlen am 4. Juni eine absolute Mehrheit von 54, 93 Prozent auf sich vereinen konnte. 21/VII: In einer Botschaft an die Nation gibt Lon Nol bekannt, daß die Angriffe des Viet-B cong und Nordvietnams die Wirtschaft Kambodschas erheblich beeinträchtigt und Preissteigerungen hervorgerufen haben. Um die dadurch entstandene Notlage für die ärmeren Schichten der Bevölkerung zu mildem, gibt er bekannt, daß die Staatsbürger mit einem Einkommen unter 2 500 Riel monatlich einen größeren, die mit einem Einkommen zwischen 2 500 und 3 500 Riel einen kleineren Zuschuß vom Staat mit Wirkung vom l. Juli erhalten werden. Für Tagelöhner ist ein Satz von 80 Riel pro Tag festgelegt.

31/VII-l/VIII: In Phnom Penh findet das 12. Treffen der Asiatischen Parlamentarier-Union (APU) statt, an dem Delegierte aus Kambodscha, der Republik China, Südvietnam, Thailand, Südkorea, Indonesien, Laos, Japan und den Philippinen teilnehmen. Das gemeinsame Kommunique schlägt die Ausarbeitung von Resolutionen vor, die einen breiten Bereich gemeinsamer politischer, wirtschaftlicher und kultureller Probleme umfassen sollen. Wichtigstes Ergebnis ist die Annahme einer von Japan eingebrachten Resolution zur Förderung einer asiatischen Wirtschaftsunion. 11/VIII: Die Regierung Kambodschas fordert in einer Erklärung ein Eingreifen der Vereinten Nationen gegen die Aggression Nordvietnams und die Entsendung einer Beobachterdelegation, wobei angeführt wird, daß Nordvietnam mit sowjetischen T-45-Panzern und 122-mm-Raketen gegen Kambodscha vorgeht. Gleichzeitig werden auch die USA angerufen, die kambodschanischen Streitkräfte mit modernen Waffen auszurüsten.

3/IX: Die ersten Parlamentswahlen nach dem Sturz von Prinz Siha nouk bringen einen Sieg und damit alle 126 Sitze in der Nationalversammlung für die Regierungspartei, die „Sozial-Republikanische Partei". Dies ist insofern nicht verwunderlich, als die beiden anderen größeren Parteien, die „Demokratische Partei" und die „Republikanische Partei", die Wahlen mit dem Hinweis darauf, daß das Wahlgesetz „verfassungswidrig und undemokratisch" sei, boykottierten. Als einzige Oppositionspartei ging daher die erst wenige Tage zuvor gegründete linksgerichtete „Pracheachon“ in den Wahlkampf, ohne eine Chance zu haben.

11/IX: Die USA erklären sich bereit, Kambodscha 10 000 t Reis zur Verfügung zu stellen, um eine kritische Knappheit in der Ernährungslage zu beenden, die in der letzten Woche nach unbestätigten Berichten zu Plünderungen geführt haben soll. 15/IX: Das US-State-Department erklärt, daß die Regierung Lon Nol auch künftig unterstützt werde und dementiert damit Presseberichte über eine Verminderung der amerikanischen Hilfe.

Laos Juli/August: Offensichtlich unter dem Eindruck der Entwicklung in der China-Korea-Frage verständigen sich die beiden laotischen Halbbrüder Souvannu Vong und Souvanna Phou ma Anfang Juli darüber, Gespräche vorerst mittels Bevollmächtigter über einen Waffenstillstand in Laos zu führen. Beide Seiten sind sich darüber einig, daß die Laos-Frage vom laotischen Volk selbst „ohne Einmischung irgendeines fremden Landes" vorgenommen werden muß, wobei darauf verwiesen wird, daß auch die Großmächte eine „Übereinkunft durch Verhandlungen und nicht durch Konfrontation" suchen. In einem Briefwechsel schlägt Souvanna Phou ma am 29. Juli die Annahme eines Waffenstillstandes auf der Grundlage des Fünf-Punkte-Friedens-planes des Pathet Lao vor, was zu Kritik an ihm aus den eigenen Reihen führt. Nach einer Meldung der „Bangkok Post" vom 15. August, die von anderen Quellen nicht bestätigt wird, vereinbaren die beiden Prinzen eine allgemeine Waffenruhe und Friedensgespräche in Erfüllung des Genfer Abkommens von 1962. 12/VII: Prinz Souvanna Phou ma bildet sein Kabinett um, wobei die Ministerposten der Vertreter des Pathet Lao bis zur Rückkehr dieser in die Regierung unbesetzt bleiben, statt dessen werden Staatssekretäre im Büro des Ministerpräsidenten für die vakanten Posten geschaffen.

Malaysia 30/VI-l/VII: Der amerikanische Sonderbotschafter John CONALLY erklärt bei seinem Besuch in Malaysia auf einer Pressekonferenz, daß der malaysische Neutralisierungsplan erst nach Beendigung des Indochinakrie. und der Erlangung der Unabhängigkeit aller Nationen in diesem Raum verwirklicht werden könne. Im Hinblick auf die Diskussion über die Malakka-Straße besteht er auf der Freiheit der Durchfahrt für Kriegs-und Handelsschiffe. Zur militärischen Präsenz der USA in Südostasien erklärt er, daß diese auch nach Beendigung des Vietnamkrieges zur Sicherung des Kräftegleichgewichts „für viele Jahre" erhalten bleiben werde. 15/VII: Die Verhandlungen mit Singapur über ein Luftfahrtabkommen werden erfolgreich beendet. Einer Erklärung des Verkehrsministers zufolge werden künftig die „Singapore Airlines" (SIA) und das „Malaysian Airline System" (MAS) unabhängig voneinander operieren. 7-10/VIII: Mit Indonesien wird ein Abkommen über die Verstärkung der Zusammenarbeit der Marinen beider Länder mit Schwerpunkt auf der Bekämpfung der Subversion und des Schmuggels in der Straße von Malakka unterzeichnet; am 10. August folgt eine Vereinbarung über einen Vertragsentwurf über die wirtschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten, die das seit 1967 bestehende Wirtschaftsabkommen ersetzen soll.

Singapur 2/IX: Aus den Wahlen zum Parlament geht die Partei des bisherigen Premierministers Lee Kuan Yew , die „People’s Action Party" (PAP), mit 69, 1 Prozent wiederum unangefochten als Sieger hervor und kann alle 65 Parlamentssitze erringen. Lee Kuan Yew ist seit 1959 an der Macht und hat in dieser Zeit mit nicht immer demokratischen Methoden eine von der großen Mehrheit befürwortete Ordnung aufgebaut. Trotz beachtlicher Leistungen nimmt jedoch die Kritik an seiner Politik zu, die vor allem von Arbeitern kommt, da diese am steigenden Wohlstand am wenigsten teilhaben. 15/IX: Lee Kuan Yew kündigt die Aufstellung eines neuen 13köpfigen Kabinetts an. Ein Ministerium für Umweltschutz wird geschaffen; Minister ist der bisherige Erziehungsminister Lim Kim San .

Thailand 20/VII: Der Verwaltungsrat der „Revolutionären Partei" verlängert die Amtszeit von Feldmarschall Thanom Kittikh ach orn als Ober-kommandierender der Streitkräfte um ein weiteres Jahr und begründet dies mit der unsicheren Situation in Thailand sowie der Notwendigkeit einer konsequenten Führung. 30/VII: Veröffentlichung von Plänen zur Gründung einer nationalen Mineraliengesellschaft, die primär gegen die wachsende wirtschaftliche Präsenz Japans gerichtet sind, von der man eine Kontrolle über wichtige Teilbereiche der thailändischen Wirtschaft befürchtet. Wie Oberst Marong Kitti khach orn dazu bekanntgibt, sollen die Japaner bereits 49 Prozent der Anteile an ausländischen Investitionen besitzen, was ihn veranlaßt, zum Boykott japanischer Erzeugnisse aufzurufen. Die Furcht vor einer japanischen Dominanz in der eigenen Wirtschaft beeinträchtigt auch die bilateralen Beziehungen zu Japan, zumal diese fast ausschließlich wirtschaftlicher Natur sind. So werden Anfang August die Durchführungsbestimmungen für eine 200 Mio Dollar Anleihe, die Anfang 1972 vereinbart wurde, zum Gegenstand für eine Kontroverse zwischen beiden Staaten, im Verlaufe derer Thailand darum nachsuchte, die Bedingungen dieser Anleihe zu erleichtern. 13/VIII: Die Feiern zum 40. Geburtstag von Königin Sir iki t zeigen das Land unter „Law and Order", was hauptsächlich auf das entschlossene Vorgehen des „Nationalen Exekutivrats" sowie auf mehrere Großaktionen gegen Guerillas im Raum Bangkok und in einigen Provinzen zurückzuführen ist. 14/IX: Der stellvertretende wirtschaftliche Direktor des Nationalen Exekutivrates, Praset Karnc hanavat , erklärt nach seiner Rückkehr aus der Volksrepublik China, wo er u. a. mit Ministerpräsident Chou En-lai konferierte, daß China diplomatische Beziehungen mit Thailand aufnehmen würde, wenn Thailand dazu bereit sei.

Südvietnam 15/VII: Die neuen gesetzlichen Durchführungsbestimmungen für den seit dem 11. Mai über das Land verhängten Ausnahmezustand werden veröffentlicht. Diese sehen u. a. Gefängnisstrafen für Demonstranten, die die Ordnung und Sicherheit gefährden, für den Besitz und die Verteilung von subversivem Material oder von Kriegsausrüstung vor. 1/VIII: Präsident Van Thie u bekräftigt seinen Standpunkt über eine mögliche Kriegsbeendigung in Indochina, wobei er einen Waffenstillstand ohne Einschluß der übrigen indochinesischen Staaten ablehnt. Eine beschränkB te Feuereinstellung ist danach für Vietnam „katastrophal und unannehmbar", da nach Ansicht Thieus die Kommunisten in diesem Fall in Laos und Kambodscha neue Angriffe gegen Südvietnam vorbereiten würden. Gleichzeitig ruft er die Alliierten auf, mit allen Kräften das politisch-wirtschaftliche Potential Nordvietnams zu zerstören, um Hanoi an den Verhandlungstisch zu zwingen. 6/VIII: Präsident Van Thieu entläßt Verteidigungsminister Generalleutnant Nguyen Van Vy , der bereits seit dem 1. April vom Dienst suspendiert ist. Van Vy werden schwere Verfehlungen im Zusammenhang mit einem Fonds von Ersparnissen für Soldaten vorgeworfen. Darüber hinaus werden mehrere hochgestellte Offiziere und Beamte disziplinar bestraft. Mit den Aufgaben des Verteidigungsministers wird vorübergehend Premierminister Tran Thien Khi em betraut. 11/VIII: Die letzte Infanterieeinheit der US-Streitkräfte, das 3. Bataillon des 21. Infanterie-regiments, wird aus Vietnam abgezogen. Ab 1. September sollen sich nur noch 39 000 Angehörige der US-Streitkräfte in Südvietnam aufhalten, überwiegend Berater, Nachschub-fachleute sowie Teileinheiten der Luftwaffe. 17-18/VIII: Der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten Nixon, Henry Kissi n -ger , hält sich zu Gesprächen mit Präsident Thi eu in Saigon auf. Uber die Ergebnisse wird offiziell nichts verlautbart, doch gilt es als sieher, daß die Themen unmittelbar mit dem Fortgang der Pariser Vietnam-Verhandlungen und neuen Vorschlägen zur Kriegsbeendigung in Indochina in Verbindung stehen. 26/VIII: Präsident Thieu erläßt ein neues Antikorruptionsgesetz, das für schwere Fälle die Todesstrafe oder lebenslange Haft vorsieht. Darüber hinaus kann das Eigentum untreuer Beamter beschlagnahmt und verkauft werden; Selbstanzeigen sowie Anzeigen Dritter werden belohnt. 29/VIII: Der amerikanische Präsident Richard M. Nixon ordnet die Herabsetzung der Gesamtzahl der US-Streitkräfte in Vietnam auf 27 000 Mann für den 1. Dezember 1972 an. 7/IX: Der Außenminister Südkoreas, Yongshek K , gibt den Beschluß der Regierung bekannt, die südkoreanischen Verbände aus Südvietnam innerhalb von sechs Monaten ab 1. Dezember 1972 abzuziehen. Die USA sowie die Regierung Südvietnams wurden von diesem Beschluß unterrichtet, der auf Grund der Verbesserung der militärischen Lage in Süd-vietnam und durch die Verstärkung der südvietnamesischen Streitkräfte erfolgt. Südkorea hat derzeit zwei Divisionen in Stärke von ca. 38 000 Mann in Südvietnam stationiert. 8/IX: Präsident Thieu ordnet offiziellen Angaben zufolge eine Beendigung der Wahlen in den Dörfern und ländlichen Gemeinden an, was offensichtlich auf Befürchtungen von Thieu und seinen Beratern zurückgeht, daß die Kommunisten auf Grund der starken Tätigkeit des Vietcong auf dem Lande mit eigenen Kandidaten erfolgreich sein könnten.

Die Regierung von Chile und die „Provisorische Revolutionsregierung der Republik Süd-vietnam" (des Vietcong) von Südvietnam beschließen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. 20/IX: Präsident Thi eu erklärt im Hinblick auf eine Friedensregelung in Indochina, daß seiner Ansicht nach nicht genug Zeit vor den Wahlen in den USA am 7. November blieben, um „Wege und Mittel eines Waffenstillstandes zu diskutieren". Seinen Ausführungen zufolge suchen die Kommunisten einen teilweisen Waffenstillstand im Austausch für die Freilassung amerikanischer Kriegsgefangener in Nordvietnam. Gleichzeitig macht er klar, daß er alle Formen einer Koalitionsregierung ablehnt. Er kritisiert die französische Regierung wegen ihrer Einmischung in südvietnamesische Angelegenheiten und droht Maßnahmen für den Fall an, daß Frankreich versuche, Einfluß auf eine Friedensregelung in Südvietnam zu nehmen.

Nordvietnam 16/VII: Für alle Staatsbürger Nordvietnams wird eine mit der Kriegslage begründete Arbeitspflicht auf dem Verordnungswege eingeführt. 5-12/VIII: Eine Regierungsdelegation aus Schweden unter der Leitung des stellv. Außenministers Lennart Klack enber g besucht Nordvietnam und bietet dem gemeinsamen Kommunique zufolge Hanoi an, die Wirtschaftshilfe zu intensivieren. Nach schwedischen Angaben werden die Hilfsleistungen für Nordvietnam bis 1975 insgesamt 320 Mio Kronen betragen. 1/14/IX: Durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf Botschafterebene zu weiteren drei Staaten — Kamerun und Äquatorial-Guinea am 1. 9. sowie Sambia am 14. 9. — wird die internationale Position der Regierung in Hanoi weiter gefestigt.

Vietnamkrieg — Pariser Vietnamverhandlungen15/VII: Le Duc Tho , Sonderberater der nordvietnamesischen Regierung, trifft nach Besuchen in Peking und Moskau in Paris ein und erklärt, daß er bereit sei, den Sicherheitsberater Präsident Nixons, Henry Kis si nger , zu treffen, wenn dieser ihn zu sprechen wünsche und ihm „etwas Neues zu sagen" habe. Bereits am 10. 9. trifft der Chefdelegierte Hanois bei den Verhandlungen in Paris, Xuan Thu y , in Paris ein. 27/VII: Auf der 152. Sitzung der Vietnamverhandlungen erklärt Xuan Thuy , daß ein Waffenstillstand nur erreicht werden könne, wenn „ein Übereinkommen in allen militärischen und politischen Fragen" erreicht sei, womit er den dringenden Appell der USA für einen Waffenstillstand zurückweist. 5/IX: Xuan Thu y erklärt zur Freilassung von drei amerikanischen Piloten durch Nordvietnam, daß es zu keinen weiteren Entlassungen käme, wenn nicht die Pariser Gespräche definitive Fortschritte zeigen würden. 8/IX: Die Delegation des Vietcong bei den Pariser Verhandlungen veröffentlicht einen Brief, den Chefunterhändler Frau Nguyen Thi Binh am 31. Juli an Papst Paul VI. sandte und in dem sie um seine Hilfe für eine Beendigung des Krieges ersucht. Der Vatikan erklärt dazu, daß alle Delegationsleiter bei den Pariser Verhandlungen in Beantwortung des Aufrufes des Papstes einen Weg zur Beendigung des Konfliktes zu suchen, an den Papst geschrieben hätten. 15/IX: Sicherheitsberater Henry Kiss ing er trifft zu geheimen Beratungen mit Le Duc Tho und Xuan Thuy zusammen. Auch über diese 17. Beratung zwischen Kissinger und nordvietnamesischen Diplomaten, denen Gespräche mit Bresh new und anderen sowjetischen Führern in Moskau vorausgingen, werden keine Details bekannt.

20/IX: Nguyen Thi Binh fordert Frankreich offiziell dazu auf, die festgefahrenen Friedensverhandlungen wieder in Gang zu bringen. Nach ihren Ausführungen machen die Verhandlungen, bei denen bisher noch kein militärisches oder politisches Problem geregelt werden konnte, keine Fortschritte. Als Haupthindernis dafür bezeichnet sie die amerikanische Unterstützung für Südvietnam.

IV. Ostasien

Abbildung 8

Japan 5/VII: Premierminister Eisaku Sato , Präsident der Liberal-Demokratischen Partei (LDP), tritt von seinem Amt zurück. Bei der Wahl seines Nachfolgers, um die sich der von Sato favorisierte Außenminister Takeo Fuku -da , Handels-und Industrieminister Kakuei Tan ak a , der frühere Verteidigungsminister Yasuhiro Nakas one und der frühere Außenminister Masayoshi Ohir a bewerben, kann Kakuei Tan ak a auf dem 27. außerordentlichen Parteikonvent der LDP die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen. Im ersten Wahlgang erhalten Tanaka 156, Fuk ud a 150, Ohi -ra 101 und Miki 69 Stimmen. Entsprechend einem am 2. Juli abgeschlossenen Wahlbündnis zwischen Fuku da , Miki und Ohir a kann Ta -naka im zweiten Wahlgang 282 Stimmen auf sich vereinigen, während auf Fukuda 190 Stimmen fallen.

5/VII: Premierminister Tan ak a stellt sein Kabinett vor, dessen wichtigste Posten wie folgt besetzt sind: Außenminister Masayoshi Ohir a , Justizminister Yuiche Kore , Finanzminister Koshiro Ueki , Handels-und Industrie-minister Yasuhiro Naka so ne und Innenminister Hajime Fuk ud a . 15/VII: Die japanische Kommunistische Partei (JCP) begeht den 50. Jahrestag ihrer Gründung. Der Parteivorsitzende Kenji Niya -moto kritisiert dabei sowohl die VR China als auch die UdSSR wegen ihrer Politik gegenüber den USA, da seiner Ansicht nach der „US-Imperialismus" in keiner Weise „beschönigt" werden sollte. Unter Niy am oto ist die JCP auf fast 300 000 Mitglieder angewachsen und hat innerhalb des Weltkommunismus einen unabhängigen Kurs eingeschlagen. 15/VII: Einheiten der Selbstverteidigungsstreitkräfte Japans übernehmen die ehemals amerikanischen Militärbasen auf Okinawa. Bis Ende des Jahres sollen insgesamt 2 930 Mann auf Okinawa stationiert werden, davon 250 Luftwaffen-und 530 Marine-Angehörige. 17/VII: Das japanische Außenministerium (Gaimusho) gibt den Beginn der Vorbereitungen zu Gesprächen mit der UdSSR vor allem über die Kurilen-Frage bekannt, nachdem kurz zuvor Sowjetbotschafter Troy ano vs kj mit Außenminister Ohira zusammengetroffen war. Die Kurilen sind eine Inselgruppe, die seit dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion besetzt ist und deren Rückholung Japan sich zum Ziel gesetz hat. Aus diesem Grund wird Anfang August das Budget für die Kampagne zur Rückholung der Kurilen für das Finanzjahr 1973 verdoppelt. 18/VII: Das Kabinett nimmt den Plan zur Einsetzung eines Rates für das Projekt der Nationalen Entwicklung von Tan ak a an, mit dem dieser die Strukturen der Industrie reformieren will, um die Bevölkerungsexplosion in den Städten und die Entvölkerung der ländlichen Gebiete zu stoppen. 24/VII: Abschluß eines Vertrages über Wirtschaftshilfe mit Indonesien für das Jahr 1972 in Höhe von 34, 7 Mio Yen. Gleichzeitig sagt Japan eine Anleihe in Höhe von 21, 6 Mio Yen zu. 25-28/VII: In Hakone, in der Nähe Tokios, wird eine gemeinsame japanisch-amerikanische Handelskonferenz auf Regierungsebene abgehalten, die von William Eber le (USA) und von Kiyohiko Tsuru mi (Japan) geleitet wird. Hauptgegenstand der Verhandlungen sind Möglichkeiten zur Verringerung des Handelsdefizits, das für 1972 auf 3, 8 Mia Dollar geschätzt wird. Durch die Lieferungen von Uran und Verkehrsflugzeugen nach Japan will man dieses Defizit auf etwa 2 Mrd. Dollar senken. 1/VIII: Veröffentlichung eines Weißbuches über die Wirtschaftslage, in dem eine direkte Koppelung von Wirtschaftswachstum mit einer Verbesserung der Lebensbedingungen gefordert wird. Außerdem wird die Regierung aufgefordert, in der Innenpolitik der Verbesserung der Sozialversorgung Priorität einzuräumen. 3/VIII: Außenminister Ohi ra erklärt im Hinblick auf die Beziehungen zur Republik China (Taiwan), daß diese bei einer Normalisierung der Beziehungen zur Volksrepublik China nicht fortgesetzt werden können; er bezieht sich dabei auf die Gespräche mit Vertretern Pekings, die kürzlich Japan besuchten. Die Entsendung eines Sonderbotschafters nach Taipeh zur Erläuterung der japanischen Politik in der China-Frage wird auf Grund der heftigen Kritik aus Nationalchina verschoben. 19/VIII: Sicherheitsberater Henry Kissi n -ger trifft zu einem eintägigen Besuch in Tokio ein, um das Treffen zwischen Präsident Nixo n und Premier Tanaka vorzubreiten, über den Besuch wird lediglich die Vereinbarung veröffentlicht, daß der amerikanische Botschafter-Ing erso ll und der stellv. Außenminister Tsu ru mi bis zum Gipfeltreffen eine Übereinkunft über die Verringerung des Defizits in der Handelsbilanz zustande bringen sollen.

29/VIII: Der frühere Außenminister Takeo Miki wird zum Stellvertreter von Premierminister TENAKA ernannt. Generaldirektor des Verteidigungsamtes wird Keikichi Masu ha -ra , der bereits bis 1970 dieses Amt innehatte, aber wegen eines Zusammenstoßes eines Jagdflugzeuges mit einem Verkehrsflugzeug seinen Abschied nehmen mußte. 31/VIII-l/IX: Premierminister Tanaka trifft mit Präsident Nixon auf Hawaii zusammen. Die Gipfelkonferenz leitet einen neuen Abschnitt in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten ein. Außenminister Ohir a erklärt, daß die Entwicklung zwischen beiden Staaten von einem „Vormund-Mündel-Verhältnis" zu einer „reifen Partnerschaft" geht, während Ta -

betont, daß in „einer multipolaren naka Welt Japan größere Verantwortung in der internationalen Gemeinschaft übernimmt, die mit seiner gesteigerten nationalen Macht übereinstimmt". Die wichtigsten Ergebnisse der Beratungen sind eine Absprache über künftig intensivere Konsultationen und eine Vereinbarung über den Abbau des japanischen Handelsüberschusses sowie die Koordinierung der Politik beider Staaten in der China-Frage. Hervorgehoben wird auch die Aufrechterhaltung des Vertrages über Sicherheit und Zusammenarbeit zwischen den USA und Japan, während die Republik China selbst nicht erwähnt wird. Entsprechend der Handelsvereinbarung wird Japan im Rahmen eines Importprogrammes Waren im Wert von 1, 1 Mrd Dollar bis zum Frühjahr 1974 aus den USA beziehen.

9/IX: Normalisierungsrat und Exekutivausschuß der regierenden liberaldemokratischen Partei billigen fünf Prinzipien für eine Normalisierung der Beziehungen zur VR China.

16-19/IX: Der britische Premierminister Edward Heath besucht Japan (siehe unter Großbritannien). 22/IX: Ministerpräsident Tanaka richtet ein persönliches Schreiben an den Generalsekretär des ZK der KPdSU, Leonid I. Bres hnew , in dem er unter Hinweis auf seine Unterredung mit Präsident Nixon und den bevorstehenden Besuch in Peking feststellt, daß Japan enge Beziehungen mit der Sowjetunion wünsche und darauf hoffe, mit der UdSSR einen Friedensvertrag abzuschließen. Er bittet Breshnew um Unterstützung bei diesem Vorhaben, insbesondere im Hinblick auf die Kurilen-Frage und auch andere Probleme zwischen beiden Staaten. 25-30/IX: Ministerpräsident Tanaka stattet auf chinesische Einladung der Volksrepublik China einen offiziellen Besuch ab; es ist der erste eines japanischen Regierungschefs seit der Gründung der Volksrepublik China im Jahre 1949.

Während seines Aufenthalts führt Tan ak a , der u. a. von Außenminister Ohira begleitet wird, Gespräche mit Ministerpräsident Chou En-lai und wird am 27. September auch vom Vorsitzenden der KPCh, Mao Tse-tung, persönlich zu einer Aussprache empfangen. Am 29. September wird eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der dem dringlichen Wunsch nach Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Staaten Ausdruck gegeben wird. Japan bedauert die Schäden, die es China im letzten Krieg zufügte, und bekräftigt, daß es die drei Prinzipien, die Chou En-lai für die Wiederaufnahme politischer Beziehungen zugrunde legt, akzeptiert. Mit dem Tag der Veröffentlichung der Erklärung werden die Beziehungen zwischen beiden Staaten normalisiert. Japan erkennt die Volksrepublik China als „einzige legitime Regierung Chinas", an und respektiert den chinesischen Standpunkt, daß Taiwan „unveräußerlicher Teil des Territoriums der VR China" ist. Mit Wirkung vom 29. September 1972 werden diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene aufgenommen, wobei China auf eine Entschädigung für Kriegsschäden gegenüber Japan verzichtet. Mit Nachdruck wird betont, daß sich die Normalisierung der Beziehungen nicht gegen dritte Länder richte und keines der beiden Länder eine Hegemonie in der asiatisch-pazifischen Region anstrebe. Es sollen Verhandlungen zum Abschluß von Abkommen über Handel, Schiffahrt, Luftfahrt und Fischerei zur weiteren Entwicklung der Beziehungen geführt werden. Mit der Veröffentlichung dieser Erklärung ist eine 23jährige Phase der Beziehungen zwischen Japan und China beendet, die von einer Gegnerschaft und teilweise sogar von Feindseligkeiten auf beiden Seiten gekennzeichnet war. Die Änderung in Japans Chinapolitik ist auf die amerikanische Chinapolitik zurückzuführen, die für Japan einen schweren Schock bedeutete (Nixon-Shokku), da Ministerpräsident Sato bisher eine einseitig protaiwanesische Chinapolitik gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen mit Rücksicht auf die Haltung der USA gegenüber Peking geführt hatte. Die Auswirkungen dieser umwälzenden Entwicklung in Ostasien sind vorerst in ihrem vollen Umfang nicht absehbar. Der politische Gewinner dieser Entwicklung ist die Volksrepublik China, der Verlierer im eigentlichen Sinne ist Chi ang Kai-shek bzw. die Republik China. 29/IX: Nach einer Sondersitzung des nationalchinesischen Kabinetts erklärt der Ministerpräsident der Republik China, Chia ng Ching-kuo: „Die Regierung der Republik China erklärt angesichts der perfiden Handlung, die Japans Regierung in völliger Nichtachtung vertraglicher Verpflichtungen begangen hat, hierdurch ihre Entscheidung, die diplomatischen Beziehungen mit der japanischen Regierung abzubrechen. Japan muß die volle Verantwortlichkeit für diesen Abbruch und alle möglichen Konsequenzen tragen" (vgl. auch „Republik China").

Volksrepublik China 23/VI-5/VII: Die Ministerpräsidentin von Sri Lanka, Frau Sirimavo B , besucht aike die Volksrepublik China, wo sie u. a. von M Tse-tung, T Pi-wu und C Enlai ung hou zu Gesprächen empfangen wird. Als Ergebnis der wirtschaftspolitischen Verhandlungen erhält Sri Lanka einen langfristigen Kredit in Höhe von 307 Mio Rupien und ein Darlehen von 510 Mio Rupien. In dem gemeinsamen Kommunique wird eine Intensivierung der zwischenstaatlichen Beziehungen vereinbart. 6-11/VII: Der französische Außenminister Maurice Schum ann hält sich zu einem offiziellen Besuch in der Volksrepublik China auf (siehe unter „Frankreich"). 8-17/VII: Eine Regierungsdelegation der Demokratischen Volksrepublik Yemen unter Leitung von Ministerpräsident Abdul F. Ismai l hält sich zu einem Freundschaftsbesuch in China auf. Ein Abkommen über wirtschaftlich-technische Zusammenarbeit wird geschlossen. Im Rahmen dieses Abkommens erhält der Yemen einen Kredit von 8, 5 Mio US-Dollar bei einer Laufzeit von fünf Jahren, der für landwirtschaftliche Projekte und die Verbesserung der Infrastruktur genutzt werden soll; zusätzlich stellt Peking einen Investitionskredit in Höhe von ca. 22 Mio US-Dollar für Entwicklungsprojekte zur Verfügung. 14-28/VII: Der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Gerhard Schr öder , besucht auf chinesische Einladung hin die Volksrepublik China (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland"). 20/VII: Zum 18. Jahrestag des Genfer Indochina-Abkommens 1954 veröffentlicht die „Jen-min Jih-pao" einen Leitartikel, in dem zugestanden wird, daß die Unterzeichnung dieses Abkommens durch China seinerzeit ein Fehler gewesen ist. Gleichzeitig wird verdeutlicht, daß China keine neue ähnliche Formel akzeptieren und auch nicht im Vietnamkonflikt vermitteln will. 24/VII: China gibt den Abschluß eines vorläufigen Kaufvertrages für zwei Concorde-Uberschall-Verkehrsflugzeuge bekannt. Bereits in den Vormonaten waren insgesamt zehn „Boeing 707" sowie sechs „Trident" gekauft worden. 27/VII: Die Botschaft der Volksrepublik China in Algerien gibt bekannt, daß der frühhere Verteidigungsminister und designierte Mao-Nachfolger Lin Piao am 12. September 1971 bei einem Flugzeugabsturz in der Mongolischen Volksrepublik ums Leben gekommen ist, als er nach einem mißglückten Mordanschlag auf Mao Tse-tung in die Sowjetunion flüchten wollte. Lin Piao werden Irrtümer und Arroganz vorgeworfen; sein „perverser Charakter“ habe ihn dazu verleitet, einen Staatsstreich zu planen. Diese Auskünfte werden später auch in Peking u. a. von Ministerpräsident Chou En-lai bestätigt. 27/VII: Die Volksrepublik China fordert auf der 53. Tagung des „Economic and Social Council" (ECOSOC) die Einstellung der Unterstützung für tibetische und chinesische Flüchtlinge in Hongkong und Macao, da Tibet zu China gehöre und die Flüchtlingsfrage somit nicht anderes als eine Einmischung in interne Angelegenheiten Chinas sei. Weiter wird argumentiert, daß auch Hongkong und Macao chinesische Gebiete seien und das Überwechsein von Chinesen in diese Gebiete ebenfalls eine interne Angelegenheit Chinas sei. 1/VIII: China begeht den 45. Jahrestag der chinesischen Volksbefreiungsarmee (VBA), bei dem Mao Tse-tung als Gründer und alleiniger Befehlshaber der VBA dargestellt wird. Ursprünglich galt der 1. August 1927 amtlich als Gründungstag, weil an diesem Tag unter Chou En-lai, Chu Teh und Yeh Ting ein bewaffneter Aufstand von ca. 20 000 Arbeitern, Bauern und Soldaten in Nanchang/Kiangsi ausgebrochen sei, womit die bewaffnete Revolution unter Führung der KPCh begonnen habe.

Am 1. August 1966 (Beginn der Kulturrevolution) veröffentlichte das Blatt der VBA einen Grundsatzartikel, in dem die bisherige Lesart aufgegeben und die Gründerschaft Maos proklamiert wurde, die jedoch indirekt von Mao in seinem letzten Interview mit Edgar S no w dementiert wurde. Die jetzige Betonung der alleinigen Befehlshaberschaft M dürfte im aos Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten amtlichen Bekanntgabe stehen, daß L Piao nach in gescheitertem Putschversuch auf der Flucht in die UdSSR tödlich verunglückte, und andeuten, daß das Kapitel Lin nun endgültig abgeschlossen ist. 1/VIII: Nach einem in Peking herausgegebenen Atlas hatte China 1970 697 260 000 Einwohner. Diese Zahl liegt wesentlich unter den bisherigen Schätzungen, denen zufolge die Bevölkerung Chinas die 800 Millionengrenze fast erreicht habe. 1957 betrug die Bevölkerungszahl offiziellen Angaben zufolge 656 630 000. 9/VIII: China gibt seine Absicht bekannt, ein ständiges Büro im europäischen Hauptquartier der Vereinten Nationen in Genf zu errichten. Der chinesische Generalkonsul in Genf, Wang Chung-li, ist als ständiger Vertreter der Mission vorgesehen. 10-15/VIII: Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kurt Waldhei m, besucht die Volksrepublik China (siehe unter . Vereinte Nationen“). 20/VIII: Im sowjetischen Fernsehen führt der Journalist Juri S aus, daß Moskau hu ko v am Abschluß einer Reihe von bilateralen Abkommen mit China sehr interessiert sei, wobei er ein Nichtangriffsabkommen, ein Abkommen über Grenzfragen und eines über Maßnahmen zur Verbesserung der Beziehungen erwähnt. Gleichzeitig wirft er China Handelsbeziehungen zu kapitalistischen Staaten vor und attakkiert die Haltung Pekings gegenüber Europa. 23/VIII: Bei einem Bankett in Peking zu Ehren des tunesischen Außenministers Mohammed Masm oudi , der sich zu einem offiziellen Besuch in Peking aufhält, kommt es zu einem Eklat, als Außenminister Chi Peng-fei die Mittelmeerpolitik der „Supermächte" attackiert, worauf die . geladenen Diplomaten aus der UdSSR, Ungarn, Polen, der Mongolischen VR, der CSSR, der DDR und Bulgarien unter Protest das Bankett verlassen. 25/VIII: Der chinesische Vertreter im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Huang Hua, verhindert durch Inanspruchnahme des VetoRechts die Aufnahme von Bangla Desh in die Vereinten Nationen (siehe unter „UNO“). 10/IX: Nach Berichten der „New York Times" sind die sowjetischen Streitkräfte an der chinesischen Grenze durch die Verlegung von drei motorisierten Divisionen auf insgesamt 49 Divisionen verstärkt worden. 26/IX: Die Volksrepublik China nimmt mit dem westafrikanischen Staat Togo diplomatische Beziehungen auf und vereinbart in einem gemeinsamen Kommunique den Austausch von Botschaftern. Im Hinblick auf die Taiwan-Frage erkennt Togo die VR China als „einzige legale Regierung Chinas" an. Am 27. September wird ein Wirtschaftshilfeabkommen zwischen beiden Staaten unterzeichnet. 25-30/IX: Der japanische Premierminister Kakuei Tanaka besucht die Volksrepublik (vgl. dazu „Japan“).

Republik China (Taiwan) 7/VIII: Die Republik China wird in Loureno Marques (Mozambique) ein Generalkonsulat errichten, das für die Entwicklung der Handelsbeziehungen mit Staaten Ostafrikas zuständig sein soll. 8/VIII: Ministerpräsident Chiang Ching-kuo verurteilt in einer Erklärung die Annäherung Japans an die Volksrepublik China als einen „äußerst unfreundlichen Akt" gegenüber der Republik China und warnt Japan davor, „Beute der politischen Intrigen des MAO-Regimes zu werden". Japan soll „alles vermeiden, was den Beziehungen zwischen beiden Staaten und dadurch dem Frieden und der Sicherheit in Asien schaden würde“ (siehe auch unter „Japan“). 15/VIII: Die Republik China eröffnet in Buenos Aires (Argentinien) ein Handelsbüro. Es handelt sich dabei um die frühere Botschaft der Republik China in Argentinien, die nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen dieses Staates mit der Volksrepublik China geschlossen wurde. Amtlichen Verlautbarungen zufolge hat das Büro „keinerlei offizielle Funktion" und dient lediglich dem Handel und dem Tourismus. 6/IX: Der Botschafter der Republik China in Amman überreicht der Regierung Jordaniens eine Note, in der technische Hilfe für Ölbohrungen angeboten wird. Gleichzeitig wird mit Gabun ein neuer Vertrag über technische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Landwirtschaft unterzeichnet. Die Republik China demonstriert damit, daß sie zumindest vorerst nicht gewillt ist, ihre Positionen, die sie besonders in Afrika ausbauen konnte, kampflos aufzugeben, vielmehr versucht sie, durch Aufrechterhaltung bzw. Intensivierung dieser Kontakte die Grundlage ihres wirtschaftlichen überlebens auszuweiten. 29/IX: Das Außenministerium der Republik China erklärt nach der Veröffentlichung des Kommuniques anläßlich des Besuches des japanischen Premier Tanaka in der Volksrepublik China den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Japan. In der Erklärung wird Japan der Vertragsuntreue beschuldigt; gleichzeitig wird aber betont, daß die Freundschaft mit den antikommunistischen Menschen in Japan weiter bestehe. Nach den Aussagen des Wirtschaftsministers soll die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Republik China stufenweise vorangetrieben werden.

Nordkorea 4/VII: Nach geheimen Gesprächen zwischen Regierungsvertretern Nord-und Südkoreas wird eine „gemeinsame Erklärung des Nordens und des Südens" veröffentlicht. In der Erklärung stellen beide Seiten fest, daß sie in den vorangegangenen Gesprächen volle Übereinstimmung über die Prinzipien der Wiedervereinigung des Landes erzielt haben. Danach muß die Wiedervereinigung unabhängig, ohne Einmischung von außen, mit friedlichen Mittel erreicht werden. Außerdem wird vereinbart, die gegenseitige Propaganda einzustellen und einen vielseitigen Austausch auf zahlreichen Gebieten zur Wiederherstellung der nationalen Bindungen durchzuführen. Zum Zwecke der Förderung dieser Vereinbarungen wird ein Nord-Süd-Komitee gebildet. 4/VIII: Die offizielle Nachrichtenagentur „Korea Central News Agency" beschuldigt Südkorea der Verletzung der Vereinbarungen über die friedliche Wiedervereinigung und behauptet, Südkorea habe seine antikommunistische Haltung verstärkt. 30/VIII: Auf der ersten Vollkonferenz der Rotkreuzgesellschaften Nord-und Südkoreas in Pyöngyang wird mit gemeinsamen Abkommen eine auf einer Vorbereitungskonferenz ausgehandelte Tagungsordnung bestätigt, die in fünf Punkten Fragen der Familienzusammenführung aus beiden Staaten regelt. 7/IX: Im Zusammenhang mit den Gesprächen wird in Nordkorea bekanntgegeben, daß im Falle einer Wiedervereinigung die Frage der in Südkorea investierten japanischen Interessen durchaus kulant geregelt werden könnte und daß Nordkorea keineswegs auf eine radikale Eliminierung dieser Interessen Wert lege. 14/IX: Die zweite Vollkonferenz der Rotkreuzgesellschaften findet in Seoul statt, wobei es zu Auseinandersetzungen kommt, als von nordkoreanischer Seite Marschall Kim II Sung als Vater des gemeinsamen Vaterlandes gefeiert wird. 18/IX: Die japanische Zeitung Asahi Shimbun veröffentlicht ein Telefoninterview mit Kim II Sung, in dem dieser u. a. erklärt, er könne sich als einen ersten Schritt auf dem Weg der nationalen Wiedervereinigung eine Staaten-föderation von Nord und Süd vorstellen.

Südkorea im 5/VII: Premierminister K Jong Pil weist einen nordkoreanischen Vorschlag zu einem Gipfeltreffen zwischen Kim II Sung und Par k Chung Hee zurück, da Kim erst beweisen müsse, daß das südkoreanische Volk seinen Worten und Taten vertrauen könne. 6/VII: Der amerikanische Staatssekretär Marshall Green erklärt in Seoul, daß die USA ihre militärische Unterstützung für Südkorea auch während der Verhandlungen zwischen beiden Teilen Koreas fortsetzen werden. 12/VII: Südkorea weist den nordkoreanischen Vorschlag einer gegenwertigen Truppenverringerung zurück und erklärt, daß ein derartiger Schritt erst in Betracht gezogen werde, wenn Nordkorea definitiv auf die Anwendung von Gewalt gegenüber dem Süden verzichtet. 7/IX: Südkorea beschließt den endgültigen Abzug seiner zwei Divisionen aus Südvietnam (siehe unter „Südvietnam"). 24/IX: Nach offiziellen Statistiken sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 4, 8 Mio Nordkoreaner in den Süden geflohen, die an der Gesamtbevölkerung Südkoreas (31, 5 Mio) einen Anteil von 15 Prozent haben.

Mongolische Volksrepublik 10/VII: Das Parteiorgan „Unen" gibt die Übererfüllung des Wirtschaftsplanes für das erste Halbjahr 1972 bekannt. Danach stieg die Industrieproduktion gegenüber dem Vorjahr um 8, 6 Prozent, der Außenhandel mit den sozialistischen Staaten um 11, 4 Prozent. 21-27/VII: Außenminister Rinc hin hält sich zu politischen Gesprächen in Bulgarien auf. Im gemeinsamen Kommunique wird der Befriedigung über die Ergebnisse der sowjetisch-amerikanischen Beziehungen Ausdruck gegeben, eine Europäische Sicherheitskonferenz gefordert und die Notwendigkeit der Schaffung eines kollektiven Sicherheitssystems für Asien betont. 15/IX: Die Regierungen der Mongolischen VR und Australiens kommen überein, diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene aufzunehmen.

Afrika

Abbildung 9

Auch für diesen geographischen Großraum wurde wegen der Komplexheit seiner Gliederung eine spezielle Unterteilung für die im vorliegenden Heft behandelten Staaten entwickelt:

I. Allgemeiner Überblick II. überregionale Ereignisse III. Nordafrika (Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Sudan, Tunesien)

IV. Westafrika (Ghana, Portugiesisch-Guinea)

V. Ostafrika (Äthiopien, Madagaskar, Mauritius, Seychellen, Sambia, Sansibar, Somalia, Tanzania, Uganda)

VI. Zentralafrika (Burundi, Kamerun, Tschad, Zaire)

VII. Südliches Afrika Portugal/Afrika, Angola, Mogambique, Rhodesien, Republik Südafrika)

Stammes-und Rassenprobleme die Ereignisse in Afrika immer noch beherrschen.

I. Allgemeiner Überblick

Der Ausschluß Rhodesiens von den Olympischen Spielen in München rückte die gesamt-politischen Probleme Afrikas für kurze Zeit in das Zentrum des Interesses der Weltöffentlichkeit. Die Verhandlungstaktik der Organisation für afrikanische Einheit (OAU) und des afrikanischen Sportrates dokumentierte die wachsende politische Stärke der unabhängigen afrikanischen Staaten. Beherrschende Themen im nordafrikanischen Raum waren die Ausweisung der sowjetischen Militärs aus Ägypten, /ein wiederum mißglückter Putschversuch gegen den König von Marokko sowie die Abkühlung der Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Massakers von München.

In Ostafrika wurde durch die Ausweisung der Asiaten aus Uganda und den tansanisch-ugandischen Konflikt erneut deutlich, wie stark

II. überregionale Ereignisse

9-13/1X: Die Außenminister der Arabischen Liga tagen in Kairo; Hauptgesprächspunkte sind die Nahost-Frage und das Verhältnis zu Israel. Die Außenminister der 18 Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Sudans und Jordaniens beschließen, eine arabische Gipfelkonferenz einzuberufen, die eine einheitliche arabische Strategie für die UNO ausarbeiten soll. Außerdem wird Besorgnis über die Existenz fremder Stützpunkte und Flotten im Mittelmeerraum geäußert. Der politische Rat der Liga veröffentlicht eine Erklärung, in der es heißt, die Schüsse von München (siehe unter „Ägypten“) spiegelten die sich ausbreitende Hoffnungslosigkeit des palästinensischen Volkes, dessen gerechten Kampf und humanitäre Anliegen die Welt vernachlässige.

Ende August: Rhodesien wird nach heftigen Diskussionen von den Olympischen Spielen in München ausgeschlossen (siehe unter „Internationales“).

III. Nordafrika

Ägypten 18/VII: Präsident Anwar As-Sada t weist sowjetische Militärberater aus (siehe unter „Nahost"). 24-27/VII: Staatspräsident Anwar as-SADAT eröffnet den Nationalkongreß der Arabischen Sozialistischen Union (ASU) zum 20. Jahrestag der ägyptischen Revolution und kritisiert die Haltung der Sowjetunion in der NahostFrage (zum Gesamtkomplex Sowjetunion— Ägypten, insbesondere Ausweisung des sowjetischen Militärs aus Ägypten, siehe unter „Sowjetunion“). Sadat betont, daß er sein Land nicht marxistisch werden lassen wolle; man müsse aber versuchen, mit den Sowjets auf wirtschaftlichem Gebiet weiter freundschaftlich zu verkehren.

In einer vom Rundfunk übertragenen Rede lehnt Sadat direkte Verhandlungen mit Israel ab, die von der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir vorgeschlagen wurden. Die ägyptische Presse wirft Frau Meir vor, sie sabotiere die Friedensbemühungen der UNO; direkte Verhandlungen kämen für Ägypten einer Kapitulation gleich. 31/VII-2/VIII: Sada t trifft mit dem libyschen Staatschef Omar Moammar Khad af i zu Besprechungen über eine Fusion von Libyen und Ägypten zusammen. Khad af i hatte Sadat das Angebot zur Fusion im Februar 1972 gemacht. Die fünfmonatige Bedenkzeit, die sich Sadat erbeten hatte, war Ende Juli abgelaufen. Der Zusammenschluß wird offiziell für den 1. 9. 1973 vereinbart. Folgende Beschlüsse werden bekanntgegeben: 1. Es wird ein vereinigtes politisches Kommando der beiden Republiken gegründet. 2. Das Kommando bildet gemeinsame Ausschüsse aus Vertretern beider Länder, um die Organisationen zu prüfen, auf die sich der Zusammenschluß beider Staaten stützen wird. Die endgültige Fassung des Zusammenschlußplans wird Gegenstand einer Volksabstimmung sein. 3. Der Islam wird offizielle Religion des neuen Staates der „Vereinigten Arabischen Republik". 4. Kairo wird Hauptstadt. 5. Das Land wählt die sozialistische Staatsform mit einer einzigen Volksversammlung und einem Ministerrat. 6. Oberste Behörde wird ein Revolutionsrat oder ein oberstes Exekutivkomitee.

7. Gewisse Erleichterungen im Verkehr zwischen beiden Ländern treten sofort in Kraft. Der syrische

Präsident Hafez al-AssAD, der mit Ägypten und Libyen durch die Föderation der Arabischen Republiken verbunden ist, verständigt die beiden Präsidenten telefonisch von seiner Zustimmung zur Fusion. Das Echo der ägyptischen Presse ist zwiespältig: die Linkspresse befürwortet den Zusammenschluß, während die konservativen Zeitungen Vorbehalte anmelden. 5-13/IX: Der Kapitän der Olympia-Mannschaft Ägyptens sowie der Chefredakteur von Al-Ahram, Mohammed Hassanein Heikal , distanzieren sich von der Bluttat arabischer Terroristen, die auf dem Olympia-Gelände in München zwei Israelis erschossen und neun weitere in Geiselhaft genommen hatten. Die neun Geiseln waren im Verlauf der durch die deutsche Polizei vorgenommenen Befreiungsaktion ebenfalls von den Terroristen erschossen worden. Ebenso wie die Mannschaft Kuweits und Syriens reist auch die ägyptische Mannschaft ab.

Im Gegensatz zu den Aussagen vom 5. 10. greift Al-Ahram die Bundesregierung an, sie habe den Terroristen gegenüber „das Ehrenwort gebrochen", und verteidigt die Aktionen der Palästinenser. In einer amtlichen Stellungnahme weist die ägyptische Regierung die besänftigenden Bonner Äußerungen zum Verhältnis BRD-Ägypten als „nicht befriedigend" zurück und sagt den für September geplanten Besuch des neuernannten Außenministers Hassan el-SAYAT ab. Sie beschuldigt die Bundesrepublik der illegalen Einmischung in die ägyptische Politik und wirft ihr Beteiligung an antiarabischen Plänen Israels und der USA vor. Die scharfe Kritik gilt vor allem der Behauptung, Ägypten trage Mitschuld am Tod der Geiseln, weil es sich geweigert habe, seine Zustimmung zum Transport der Guerillas und Geiseln nach Kairo zu geben. Damit sind die Beziehungen zwischen Bonn und Kairo, die sich nach der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen am 8. 6. 1972 zu bessern schienen, auf einem Tiefpunkt angekommen. Nachdem die Bundesrepublik durch ihren neuen Botschafter in Ägypten, Steltzer , ihre Haltung in der Frage des Attentats von München „erläutert" hat, beschließt das ägyptische Kabinett, in den Beziehungen Ägyptens zur BRD vorerst nicht zu ändern. 24/IX: In ultimativer Form fordert die ägyptische Regierung die Bundesregierung auf, die gegen arabische Staatsbürger nach dem Massaker von München verhängten verschärften Einreisebeschränkungen wieder aufzuheben, andernfalls werde Kairo ähnliche Maßnahmen gegen Deutsche in Ägypten ergreifen. 28/IX: In einer Rundfunkansprache fordert S die palästinensische Widerstandsbewegung auf, eine Exilregierung zu bilden. Er vergleicht Palästina mit Algerien zur Zeit der französischen Kolonialherrschaft, das durch Bildung einer eigenen Regierung seine Eigenständigkeit demonstriert habe. Mit Bildung einer eigenen Regierung könne Palästina die Behauptung Golda Meirs Lügen strafen, Palästina existiere gar nicht.

Algerien 5/VII: Anläßlich des zehnten Jahrestages der algerischen Unabhängigkeit werden die gegen Algerier ausgesprochenen Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt. 31/VII: Ein über Florida entführtes amerikanisches Verkehrsflugzeug wird von der Entführergruppe — US-Farbige, die der Black-Panther-Bewegung angehören — unter Erpressung von 1 Mio Dollar Lösegeld nach Algier gebracht, wo die Entführer vorerst in Haft genommen werden. Das Lösegeld beschlagnahmt die algerische Regierung. 14/VII: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans Jürgen Wisc hnewski berichtet über zwei Reisen nach Algerien und weist darauf hin, daß sich Algerien durch die Nichteinladung zur Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa diskriminiert fühle. Als kritischen Punkt zwischen Algerien und Europa nennt Wisc hnewsk i das Problem, inwieweit die EWG nach der Assoziierung Algeriens bereit sei, in stärkerem Maße als bisher algerischen Wein abzunehmen und mehr Freizügigkeit für algerische Arbeitskräfte einzuräumen. 7/IX: Algerien solidarisiert sich mit den Terroristen des Münchner Massakers (siehe unter „Ägypten").

Libyen 10-17/VII: Der libysche Revolutionsrat beauftragt seinen stellvertretenden Vorsitzenden Abdel Salam Jall ou d mit der Regierungsneubildung. In der Zwischenzeit dementiert die libysche Botschaft in Paris Gerüchte, wonach Staatschef Khad afi von Extremisten festgenommen worden sei. Auch in Kairo und Beirut erfolgen Dementis, daß Khada fi bei einem Staatsstreich gestürzt worden sei. Es ist aber trotzdem wahrscheinlich, daß es im libyschen Revolutionsrat zu Meinungsverschiedenheiten über die Zusammensetzung der neuen Regierung gekommen ist. Khada fi und seine Anhänger plädieren für eine stärkere Beteiligung von Technikern und Fachleuten, während ein großer Teil des aus Militärs zusammengesetzten Revolutionsrates in der Regierung Militärs vertreten sehen will. Der schließlich am 16. Juli gebildeten Regierung gehören vorwiegend Techniker und nur zwei Militärs an; das bedeutet, daß sich Khad afi im Revolutionsrat durchgesetzt hat.

Juli: Libyen sagt Uganda Entwicklungshilfe in Höhe von rund 110 Millionen DM zu und verpflichtet sich außerdem, jährlich eine Million Sack Kaffee in Uganda zu kaufen. 2/VIII: Ägypten und Libyen beschließen die Fusion beider Staaten (siehe unter „Ägypten"). 16-18/VIII: In einer Geheimkonferenz zwischen Sada t und Khad afi soll die Verstärkung der in Libyen stationierten ägyptischen Truppen vereinbart worden sein. 16/VIII: Kurz nach Bekanntwerden des Putschversuchs in Marokko (siehe unter „Marokko“) wird in einer Sendung von Radio Tripolis die Bevölkerung Marokkos zum Aufstand gegen Hassan II. aufgefordert. 22/VIII: Das italienische Außenministerium dementiert die Lieferung von 113 Panzern an Libyen, gibt aber Waffenlieferungen zu. 11/IX: Die Leichen der fünf Terroristen, die bei dem Massaker von München ums Leben gekommen waren (siehe unter „Ägypten"), werden nach Tripolis gebracht und mit großen Ehren beigesetzt. Weder Khada fi noch Jalloud nehmen an den Feierlichkeiten teil. 19/IX: Libyen unterstützt die Kämpfe in Uganda (siehe unter „Uganda"). 28/IX: Der libysche Botschafter in Bonn protestiert im Namen der Vertreter der arabischen Staaten in der Bundesrepublik gegen die Ausweisung von Arabern und erklärt, die unter dem Vorwand der Sicherung des inneren Friedens ergriffenen Maßnahmen hätten das „Stadium der Schikanen, der Voreingenommenheit und der Diskriminierung" erreicht. Marokko 16-23/VIII: Ein Putschversuch von Einheiten der marokkanischen Luftwaffe gegen König Hass an II. scheitert an der Kaltblütigkeit des Königs, dem es gelingt, das von seiner „Eskorte" beschossene Flugzeug sicher auf dem Flugplatz landen zu lassen und in einen Wald bei Rabat zu fliehen. Bei der Beschießung des Flughafens durch die Rebellen werden zahlreiche Personen getötet. In Rabat kommt es zu Schießereien um den Regierungssender und den Königspalast. Die königstreuen Truppen können jedoch die Oberhand gewinnen.

General Mohammed Oufki r , der . starke Mann'Marokkos, soll nach dem mißglückten Attentat Selbstmord begangen haben; es gehen aber auch Gerüchte um, nach denen Ouf -kir erschossen worden sein soll. Oufki r , früherer Innenminister und enger Vertrauter des Königs, wurde nach dem Massaker von Skhirat im Juli 1971 (gescheiterter Putschversuch gegen Hassan II.) Armeekommandant und Verteidigungsminister. In letzter Zeit hatte Oufki r Verbindungen zur marokkanischen Opposition gesucht. Das Attentat wird allgemein als ein Scheitern des Versuchs Hassa ns gewertet, nach dem Putsch von Skhirat eine politische Wendung zu mehr Liberalität hin zu vollziehen.

Zwei am Putsch beteiligte marokkanische Luftwaffenoffiziere, die nach Gibraltar geflüchtet waren, werden von Großbritannien an Marokko ausgeliefert, obwohl zwischen beiden Staaten kein Auslieferungsvertrag besteht.

Hass an schafft den Posten des Verteidigungsministers ab und übernimmt selbst den Oberbefehl über die Streitkräfte. Er erklärt Oufki r zum Verräter und behauptet, Oufki r habe den König beseitigen und sich selbst zum Regenten des neunjährigen Thronfolgers aufschwingen wollen. Das Attentat habe er deshalb mit Hilfe von zwei Komplicen durchführen wollen, um später verfassungskonform Regent werden zu können. In einer Radio-und Fernsehansprache, in der Hass an an die Einigkeit des Volkes appelliert, wird Oufk ir mit keinem Wort mehr erwähnt. Einige der engsten Mitarbeiter Oufki rs werden verhaftet. 29/VIII-l/IX: Besuch des rumänischen Außenministers, Cornelin Manesc u , in Marokko. 16/IX: Marokko verlangt von einreisenden Deutschen ein Visa.

Sudan Juli: Anläßlich der Feier des Jahrestages der Revolution, an der als Gäste neben dem Außenhandelsminister der Volksrepublik China und dem Scheich von Abu Dhabi auch der libysche Staatschef Kha da fi und eine offizielle Delegation aus Somalia teilnehmen, dankt Präsident Jaaffar Mohammed al Numei ri den Chinesen für ihre uneigennützige Entwicklungshilfe; der UdSSR wirft er vor, daß sie von 1967 bis 1971 nur deshalb Entwicklungshilfe geleistet hätte, um einen Vorwand für die eigene Bereicherung zu haben. Die VR China gewährte eine zinslose Anleihe von 64 Millionen Dollar und schloß ein Handelsabkommen ab, das einen jährlichen Warenaustausch zwischen China und dem Sudan bis zu einem Maximalwert von 28 Millionen Dollar vorsieht. Außerdem liefert Peking dem Sudan Panzer, Flugzeuge und Ersatzteile. 24/VII: Numei ri gibt die Aufdeckung und Zerschlagung eines Komplotts rechtsgerichteter, den Parteien Umma und Iftihad nahestehender Kreise bekannt, an dem auch einige Armeeoffiziere beteiligt gewesen sein sollen. Die beiden Parteien waren 1969 bei der Machtergreifung des Präsidenten aufgelöst worden, hatten aber im vergangen Jahr die Bildung einer „sudanesischen Front" beschlossen. 25/VII: Der Sudan und die Vereinigten Staaten vereinbaren die Wiederaufnahme der seit 1967 (Sechs-Tage-Krieg) unterbrochenen diplomatischen Beziehungen. 1/VIII: Der Sudan und der Irak nehmen wieder Beziehungen auf Botschafterebene auf, die 1971 seitens des Sudan wegen angeblicher Beteiligung des Irak an einem gescheiterten kommunistischen Putsch im Sudan unterbrochen worden waren. 19/IX: Die sudanesische Luftwaffe fängt über sudanesischem Gebiet fünf libysche Flugzeuge auf dem Weg nach Uganda ab (siehe unter „Uganda").

Tunesien 2/VIII: Beim Besuch des Präsidenten Habib Bourgui ba in Frankreich werden eine Reihe von Verträgen über die Beziehungen beider 12/VIII: Gerüchten zufolge ist am 11/VIII ein Mordanschlag auf Kenyatta verübt worden. Die Regierung dementiert diese Meldungen. 8/IX: Kenia schließt seine Grenzen zu Uganda (siehe unter „Uganda").

Madagaskar Anfang Juli: Madagaskar erklärt den Verzicht auf südafrikanische Wirtschaftshilfe. 29/VIII: Nach einer Sitzung der Regierung werden in Zusammenhang mit schweren wirtschaftlichen Problemen Notstand und Kriegsrecht ausgerufen. 19/IX: Der madegassische Nationalkongreß, der nach den Unruhen vom vergangenen Mai gebildet worden war, fordert die Aufhebung der Kooperationsverträge mit Frankreich und die Aufhebung aller ausländischen Stützpunkte auf Madagaskar. 24/IX: Der frühere Vizepräsident von Madagaskar, Andre Resa mpa , hat die Gründung einer neuen Partei, der „Madegassischen Sozialistischen Union", bekanntgegeben. Resampa erklärt, diese Partei werde der „Sozialistischen Internationale" beitreten und zur Sozialdemokratischen Partei Philibert Tsir an an as in Konkurrenz treten, deren Generalsekretär Resam pa zehn Jahre lang war.

Somalia 3/VII: In Somalia werden drei hohe, nach einem gescheiterten Putschversuch im Mai 1971 verhaftete Militärs öffentlich hingerichtet.

Tansania 13/VII: Tansania läßt 52 der über 100 Verdächtigen frei, die vorwiegend der Linksradikalen Partei angehören und nach der Ermordung Scheich Kar umes von Sansibar verhaftet worden waren. Als prominentester Häftling ist weiterhin der Führer der Linksradikalen Partei, der ehemalige Wirtschaftsminister Abdul B , in Haft. abu 17/VIII: 83 Asiaten, die aus Uganda ausgewiesen worden waren und britische und indische Pässe besitzen (siehe unter „Uganda“), wird in Daressalam die Einreise verweigert. 22/VIII: Staatspräsident Julius Nyerer e kritisiert den Rassismus des ugandischen Staat-chefs,insbesondere die geplante Ausweisung von Asiaten mit ugandischen Pässen (siehe unter „Uganda“). 10/VIII: Tansania erklärt, daß es die aus Uganda ausgewiesenen Asiaten nicht aufnehmen werde. Diese Erklärung muß in Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden, daß auch Tansania — ebenso wie Kenia — Schwierigkeiten mit seinen Asiaten hat und daß die Aktion des ugandischen Staatschefs Idi Amin bei der ostafrikanischen Bevölkerung im allgemeinen auf Sympathien stößt (siehe unter „Uganda“). 16/IX: Der Rundfunksender Kampala meldet eine tansanische Invasion auf ugandischem Gebiet. Ami n protestiert bei den Vereinten Nationen und der Organisation für afrikanische Einheit gegen die „unprovozierte Aggression". Dagegen dementiert der Verteidigungsminister Tansanias energisch eine Invasion und erklärt, Amin wolle von Unruhen innerhalb Ugandas ablenken (siehe unter „Uganda“).

Uganda 10/VII: Staatschef Idi Amin bezeichnet den CIA als den größten Feind des ugandischen Volkes. Die Beschuldigungen Amin s müssen im Zusammenhang mit den Stammesspannungen in Uganda gesehen werden, die nach dem Militärputsch von 1970 und einer Säuberung der Streitkräfte von einstigen Gefolgsleuten des gestürzten Staatschefs Milton Obot e wieder aufgelebt sind. 13/VII: In Uganda werden 60 Westafrikaner aus Mali, Senegal und Sierra Leone festgenommen, die mit ihrer Ausweisung rechnen müssen. 29/VII: Uganda schließt mit Libyen ein Handels-und Entwicklungshilfeabkommen (siehe unter „Libyen“).

Eine Delegation der ugandischen Streitkräfte reist auf Einladung der Sowjetunion nach Moskau. Die sowjetische Regierung erklärt sich auch zu Waffenlieferungen bereit. 5-24/VIII: Ami n kündigt in einer Rundfunk-rede an, daß alle Asiaten, d. h. Inder und Pakistani, mit britischen Pässen binnen dreier Monate Uganda verlassen müssen. Von diesem Erlaß werden etwa 40 000 Asiaten (manche Stellen sprechen auch von 55 000) betrof59 fen, da von insgesamt 80 000 in Uganda lebenden Asiaten etwa die Hälfte die britische Staatsangehörigkeit besitzt. Die 40 000 Asiaten hatten nach der Unabhängigkeit Ugandas von Großbritannien für Großbritannien optiert, während die übrigen Asiaten sich um die ungandische Staatsbürgerschaft bemüht hatten. Die britische Regierung ist durch den Schritt Amin s vor die fast unlösbare Aufgabe gestellt worden, in kurzem Zeitraum eine große Zahl von Einwanderern aufzunehmen.

Amin deutet am 9. August an, daß er die Ausweisung auch auf Asiaten mit ugandischen , Pässen erstrecken will. Kenia hat ebenso wie Tansania seine Grenzen für britische Asiaten gesperrt.

Der britische Premierminister schickt am 11. August Europaminister Geoffrey Rippon zu Verhandlungen nach Uganda. Nachdem Amin ein Treffen mit Ripp on ohne Angabe von Gründen verschiebt, bittet Ripp on in Kenia und Tansania die Regierungen um Mithilfe bei der Lösung des Asiatenproblems. Am 15. August kehrt er nach Kampala zurück. Rip-

pon s Gespräch mit Amin bleibt ohne konkreten Erfolg. Unterdessen erklären sich Kanada, Australien und die Vereinigten Staaten bereit, einen Teil der ausgewiesenen Asiaten aufzunehmen, während Moskau Amin s Erlaß begrüßt.

Alle Asiaten müssen ihre Gold-und Devisen-bestände in ugandische Währung umtauschen. Amin will offenbar in den Besitz von Vermögen und Grundbesitz der Asiaten kommen, ohne Entschädigungen zu bezahlen. Fälle von Plünderungen sind nicht mehr selten.

Amin bestätigt am 19. August offiziell, daß auch die etwa 25 000 Asiaten mit ugandischen Pässen (darunter 15 000, die in Uganda geboren sind) ausgewiesen werden sollen. A min beschuldigt diese Asiaten der Brandstiftung und Sabotage. Auf Vorhaltungen, daß ein solcher Schritt zu einem Chaos in der Wirtschaft führen müsse, da damit sämtliche Fachkräfte aus Uganda abgezogen würden, weist Amin darauf hin, daß er ausländische Experten einstellen werde. .

Amin droht Rwanda mit Krieg, da angeblich dort von Israelis Partisanen ausgebildet werden. Der tansanische Staatspräsident Julius Nyerere beschuldigt Amin des Rassismus.

A wehrt in einem Telegramm an N min yerer e die Vorwürfe ab. 22/VIII: Amin zieht seinen Erlaß über die Ausweisung von Asiaten mit ugandischen Pässen zurück. 24/VIII: Amin setzt den ugandischen Polizeikommissar und 22 weitere Polizeioffiziere „im Interesse der Öffentlichkeit" ab. 29/VIII: Großbritannien storniert einen Stützungskredit in Höhe von 10 Millionen Pfund an Uganda. Die laufenden Projekte sind von dem Beschluß nicht betroffen. Amin ruft Ostafrika zum Krieg gegen Rhodesien auf, um dort die weiße Herrschaft zu stürzen; er beschuldigt aber gleichzeitig Nyerer e, der am Kampf teilnehmen soll, des Imperialismus.

Innenpolitisch bemüht sich Amin um Reformen: Fünf-Tage-Woche, Beschränkung des Ausschanks von alkoholischen Getränken, Verbot von Tanzveranstaltungen für Minderjährige, Ausbildung von afrikanischen Geschäftsleuten in Schnellkursen. 31/VIII: Amin beschließt, mit Kamerun Botschafter auszutauschen, und empfängt den zentralafrikanischen Präsidenten Bokassa zu einem fünftägigen Staatsbesuch. 5-14/IX: Amin erklärt, die britische Regierung plane seine Tötung und bereite eine Invasion in Uganda vor. Die britische Regierung dementiert die Gerüchte. Amin weist dennoch 17 britische Militärausbilder aus. 17/IX: Uganda meldet, daß 1000 tansanische Soldaten auf ugandisches Gebiet eingedrungen seien und beschuldigt die britische Regierung der Unterstützung der Aggression. Das britische Außenministerium dementiert schärfstens.

21/IX: Die Massentransporte von ausgewiesenen Uganda-Asiaten nach Großbritannien, die erst ca. 2 Monate vor Ablauf der Ausweisungsfrist (8. September) begonnen hatten, werden wieder eingestellt. Lediglich Linien-flugzeuge bringen kleine Gruppen von Asiaten nach London; Sonderflüge wurden abgesagt. Die Lage der Asiaten und Engländer in Uganda ist jedoch weiterhin gefährdet, da Amin behauptet, Großbritannien und Asien stünden hinter den Aufstandsversuchen in Uganda und Großbritannien plane seinen Sturz und seine Ermordung. Amin droht, die Asiaten, die bis zum 8. September das Land nicht verlassen hätten, in Lagern zu internieren.

Die Aufnahmevorbereitungen in Großbritannien werden dadurch erschwert, daß keine genaue Zahl der Vertriebenen vorliegt. Von ursprünglich 80 000— 90 000 asiatischen Einwohnern Ugandas haben nach neuesten Meldungen lediglich ca. 30 000 die ugandische Staatsbürgerschaft. Man vermutet, daß somit ca. 50 000'bis 60 000 Asiaten ausgewiesen werden. Davon will Indien 15 000, Kanada etwa 7 500, die BRD 1 000 und Schweden einige hundert aufnehmen, so daß England 25 000 bis 35 000 aufnehmen müßte. Hierdurch werden das Arbeitslosenproblem in England (jetzt bereits 1 Million Arbeitslose), die Wohnungsnot und das Rassenproblem in den Arbeitervierteln (20 000 farbige Einwanderer pro Jahr) noch verschärft.

19-26/IX: Die sudanesische Luftwaffe fängt libysche Flugzeuge über sudanesischem Gebiet ab, die in die ugandischen Kämpfe eingreifen wollten. Obwohl der sudanesische stellvertretende Außenminister betont, der Sudan wolle den bewaffneten Konflikt nicht durch Beihilfe auch noch schüren, können die Maschinen nach wenigen Tagen weiterfliegen. Kurz darauf bestätigt Radio Uganda, daß eine etwa 400 Mann starke libysche Truppe in Kampala eingetroffen ist.

Zur selben Zeit verlautet aus somalischen Quellen, Tansania und Uganda seien zu einer vorläufigen Waffenruhe bereit: Uganda wolle die Bombardierung tansanischer Städte einstellen, und Tansania wolle seine Truppen von der Grenze mit Uganda zurückziehen. Diese Vereinbarung geht auf Bemühungen des somalischen Außenministers Omar Arteh Gha lib zurück.

24/IX: Die Kämpfe an der ugandisch-tansanischen Grenze scheinen beendet zu sein, nachdem die Hälfte einer tausend Mann starken Truppe von Exilugandern nach einwöchigen Kämpfen in Uganda völlig erschöpft nach Tansania zurückgeflohen ist. Die andere Hälfte soll sich in hoffnungsloser Situation befinden. 27/IX: Der britische Außenminister Sir Alec Dougl as -Home bringt vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York das Asiatenproblem zur Sprache und bittet die Mitgliedstaaten um einen praktischen Beitrag zur Wiederansiedlung der ausgewiesenen Uganda-Asiaten. Bisher sollen sich etwa 15 Länder bereit erklärt haben, Asiaten aus Uganda aufzunehmen.

Sambia August: Präsident Kaunda beruft Vertreter der Presse zu einer zweitägigen Konferenz zusammen, um ihnen die Rolle der Presse im Einparteienstaat zu „erklären".

7/IX: Kaunda verurteilt die Ausweisung von Asiaten aus Uganda (siehe unter „Uganda").

VI. Zentralafrika

Äquatorialguinea (siehe unter „Gabun").

Burundi Juli: Nach zweieinhalbmonatiger Alleinherrschaft ernennt Präsident Michel Mic omber o eine neue Regierung und beruft erstmals einen Regierungschef. Nach Meldungen der burundischen Botschaft in Kampala/Uganda sind in der neuen Regierung Vertreter der beiden Hauptstämme, Bahutu und Watussi. Zwischen beiden Stämmen war es Ende April zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Mehrheit der Bevölkerung, die Bahutu (85 °/o) — vorwiegend schlecht ausgebildete Bauern —, wollte sich von der Herrschaft der besser ausgebildeten Minderheit der Watussi (15 °/o) — die auch die Streitkräfte kontrollieren — freimachen. Im Verlauf der überaus grausamen Kämpfe wurden etwa 80 000 Menschen getötet. Etwa 40 000 Menschen suchten in den Nachbarstaaten Tansania, Rwanda und Zaire Zuflucht.

Die burundische Regierung ersucht die UNO um Hilfe im Wert von ca. 25 Millionen. DM. Zwischen den burundischen Behörden und der Delegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), die seit Ende April in Burundi weilt, kommt es zu Meinungsverschiedenheiten über die Verteilung von Hilfsgütern. Die burundische Regierung hatte verlangt, daß kein Vertreter des IKRK bei der Verteilung zugegen sein dürfe. Das IKRK zieht deshalb seine Delegation zurück.

Ende August: Die Schweiz, die USA und die UNO stellen Hilfsgüter für Burundi zur Verfügung, deren Verteilung das Burundische Rote Kreuz übernehmen soll.

Gabun 12-19/IX: Gabun wird von Äquatorial-Guinea vor der UNO beschuldigt, die guineischen Küsteninseln in Besitz genommen zu haben. Nach Vermittlung der Präsidenten von Zaire und der Volksrepublik Kongo werden die Differenzen beigelegt.

Kamerun 31/VIII: Kamerun nimmt mit Uganda diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene auf. VR-Kongo 19/VIII: Die Volksrepublik Kongo (KongoBrazzaville) und Zaire nehmen die diplomatischen Beziehungen wieder auf, die Brazzaville am 9. Oktober 1968 abgebrochen hatte, nachdem Außenminister Bomb oko von Kinshasa den ehemaligen Führer der Simba-Rebellen, Pierre Muleke , mit der Zusage der Amnestie aus dem Exil in Brazzaville zurückgeholt hatte, den Präsident Mobu tu dann jedoch am 8. Oktober 1968 zum Tode verurteilen und am 9. Oktober 1968 hinrichten ließ.

Tschad 1/IX: Mit der Rückkehr des bisherigen französischen Militärdelegierten und Kommandeurs der Streitkräfte Frankreichs und des Tschad, General Carta della s, nach Frankreich, endet die militärische Präsenz Frankreichs im Tschad. Im Mai 1969 hatte Frankreich auf Bitten Präsident Tomb alb aye s Truppen zur Bekämpfung von Aufständischen entsandt.

Zaire 19/VIII: Die Volksrepublik Kongo und Zaire nehmen die diplomatischen Beziehungen wieder auf. 23/VIII: Zaire weist Nigerianer aus (siehe unter „Nigeria"). 30/VIII: Auf einer Sitzung des Politbüros der Einheitspartei „Revolutionäre Volksbewegung" unter Präsident Mobu tu Sese Seko wird beschlossen, daß ein „Nationaler Exekutivrat" die Aufgaben der Regierung und des Exekutivausschusses der Partei übernehmen soll. Damit wird es künftig weder Regierung noch Minister geben.

Zentralafrikanische Republik 31/VIII: Präsident Bokassa reist als erster afrikanischer Staatschef nach dem Sturz Milton Obot es zu einem Staatsbesuch nach Uganda.

VII. Südliches Afrika Rhodesien 28/VII: Sicherheitsratsresolution zur Rhodesien-Frage (siehe unter „Vereinte Nationen“). 23/VIII: Das IOC schließt Rhodesiens Sportler unter massivem Druck der afrikanischen Länder von der Teilnahme an den Sommer-spielen der XX. Olympiade in München aus (siehe unter „Internationales, Olympiade“).

29/IX: Verurteilende Resolution des UN-Sicherheitsrats (siehe unter „Vereinte Nationen“).

Republik Südafrika 19/VII: Kontakte mit UNO-Generalsekretär Waldheim zwecks Lösung des Südwestafrika-Problems (siehe unter „Vereinte Nationen“). 31/VII: Der südafrikanische Ministerpräsident Johannes Balthazar Vors ter gibt eine Regierungsumbildung bekannt; fünf Kabinettsmitglieder treten zurück, die Schlüssel-ministerien für Finanzen, Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Justiz und Verkehr bleiben von den Veränderungen unberührt. Nach Ansicht politischer Beobachter geht es Vors ter darum, die bisherige Politik der Apartheid mit neuer Dynamik fortzusetzen. Als dritte südafrikanische Bantu-Provinz wird nach „Transkei" und „Tswanaland" (Bophutlatswana) die „Ciskei" selbständig.

Fussnoten

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