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Politischer Idyllismus Formen, Folgen und Ursachen eines politischen Einstellungsmusters | APuZ 26/1973 | bpb.de

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APuZ 26/1973 Artikel 1 Politischer Idyllismus Formen, Folgen und Ursachen eines politischen Einstellungsmusters

Politischer Idyllismus Formen, Folgen und Ursachen eines politischen Einstellungsmusters

Jürgen Weber

/ 65 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Unter politischen Einstellungen sind relativ stabile Gefüge von Ansichten, Überzeugungen und Werthaltungen von Individuen über Tatsachen und Probleme der politischen Umwelt zu verstehen. Auf der Grundlage aggregierter Daten von Meinungsumfragen beschreibt dieser Beitrag ein spezifisches politisches Einstellungsmuster als Element der politischen Kultur in der Bundesrepublik und entwickelt Hypothesen zu seiner Erklärung. Politischer Idyllismus ist ein Produkt inadäquater Informationsverarbeitung und desorientierender Reduktion von Komplexität. Seine Kennzeichen sind ein unverbundenes Nebeneinander von bruchstückhaften Informationen über das politische System der parlamentarischen Demokratie, harmonistische Vorstellungen und Wünsche, ein Legitimitätsdenken, das von den Leistungen des Gesamtsytems und weniger von seinen Chancen zur demokratischen Willensbildung bestimmt wird. Es werden sowohl psychologische als auch sozialisationsbedingte Ursachen untersucht, wobei die verzerrende Vermittlung der politischen Realität durch die Massenkomrnunikationsmittel als wesentlicher Faktor erscheint.

I. Vorüberlegungen

I. II. III. IV. V. VI. Inhalt Vorüberlegungen Politischer Idyllismus Meinungsumfragen Politischer Kultur Idyllismus im Spiegel Komplexität des politischen und das Wahrnehmungsproblem Systems Merkmale des politischen Idyllismus Ursachen des politischen Idyllismus und von politische 1. 2. 1. 2. 1. 2. 3. 1. 2. 3. 4. 1. 2. 3. 4. 5. 6. Rationalität und Information Abgrenzung und Formaldefinition Empirische Befunde Folgerungen Funktional-spezifische Differenzierung der Gesellschaft Komplexität und Selbstbestimmuְ

In den folgenden Ausführungen wird nicht vom Idealbürger, vom idealtypischen Homo politicus als Voraussetzung einer funktionsfähigen Demokratie die Rede sein, sondern von politischen Einstellungen, die mit jenem Bild nur wenig gemeinsam haben und statt dessen einen speziellen, gar nicht selten anzutreffenden Typus des empirischen Bürgers kennzeichnen. Da jedoch keine Analyse ohne vorausgehende Hypothesen möglich ist, müssen diese zunächst deutlich gemacht werden. Einige Bemerkungen zur politischen Bildung sollen überdies unser erkenntnisleitendes Interesse klären. Rationalität und Information Als das wichtigste Ziel der politischen Bildung kann die Beeinflussung der politischen Einstellungen und Verhaltensweisen der Bürger im Sinne eines rationalen Umgangs mit den Erscheinungsformen und Problemen seiner politisch-sozialen Umwelt angesehen werden. Der rational reagierende Bürger ist somit das Leitbild unseres Verständnisses von der Aufgabe politischer Bildung und zugleich Orientierungspunkt für die Analyse abweichender Haltungen. Außerdem wird mit diesen Aussagen impliziert, daß rationales Verhalten möglich und erstrebenswert ist. Weil der rationale Umgang des Bürgers mit den Forderungen, die das politische System 1) an ihn stellt, aber auch mit den Erwartungen, die er selbst dem politischen System gegenüber geltend macht, Kenntnisse und Urteilsfähigkeit voraussetzt, ist in ihrer Vermittlung die Hauptaufgabe der politischen Bildung zu sehen. Dabei handelt es sich, ganz allgemein gesprochen, um Kenntnisse über die Bedingungen, Ursachen und Folgen politischer Entscheidungen in konkreten Herrschaftsgebilden, um die Fähigkeit, ihre Ergebnisse an ihrem jeweiligen Anspruch zu messen und ihren Einfluß auf die Situation des einzelnen zu beurteilen, um daraus Konsequenzen für das individuelle Verhalten ziehen zu können.

Rational sind solche Verhaltensweisen und Überzeugungen zu nennen, die sich aus der Bereitschaft ergeben, möglichst viele relevante Informationen zu einem Problem einzuholen, miteinander in Beziehung zu setzen, nach logischen und empirischen Kriterien zu verarbeiten und dann zur Grundlage von Entscheidungen bzw. Aussagen zu machen. Der Begriff der Information bezieht sich dabei sowohl auf die sachliche Dimension der jeweiligen Probleme als auch auf die mit ihrer Lösung angesprochenen Normen und Werte sowie auf die zur Wahl stehenden Verfahrensweisen.

Die Offenheit für Informationen, die nicht „ins Konzept passen" und daher bedrohlich erscheinen, weil sie neue Orientierungen verlangen, ist eine wichtige Voraussetzung und zugleich ein Indiz für den angestrebten Rationalitätsgehalt von Verhaltensweisen und Einstellungen. Der Bürger versperrt sich den Zugang zur Analyse der politischen Wirklichkeit und beraubt sich zugleich der Chance zu ihrer Veränderung, sobald er es an dieser Offenheit fehlen läßt und im Bestreben, kognitive Dissonanz zu vermeiden, nur noch nach Informationen Ausschau hält, die ihn in seinen Überzeugungen und Vorstellungen bestätigen, nicht aber kritisch prüft, was er bisher für richtig, für politisch erstrebenswert, für institutionell gesichert hielt. Die erstrebte Ra3 tionalität setzt daher voraus, daß der Bürger diese „Methode der kritischen Prüfung" gegenüber manipulativen Vereinfachungen, ideologischen Vorentscheidungen und utopischen Verlockungen, aber auch gegenüber seiner eigenen politischen Vorstellungswelt anzuwenden lernt. Letzteres läuft auf eine potentielle Selbstkorrektur der Ergebnisse politischer Sozialisationsprozesse hinaus und postuliert die Fähigkeit, bereits verinnerlichte Einstellungen auf ihren Realitätsbezug und Normenhorizont überprüfen zu können. Als Einfallstor für emotionale und irrationale Appelle können nämlich politische Überzeugungssysteme wirken, die dem einzelnen Bürger vergröbernde, verzerrende, durch die sozio-ökonomischen und politischen Entwicklungen bereits überholte und somit unrealistische Bilder und Modellvorstellungen über politische Zusammenhänge und Problemlösungen liefern. Meinungsumfragen bieten hierfür reichliches Anschauungsmaterial. Die breite und kontroverse Ziel-und Methodendiskussion in der politischen Bildung bleibt steril und weitgehend Selbstzweck, solange sie nicht auf der Grundlage der Analyse solcher Einstellungsmuster geführt wird. Unterstellen wir einmal eine relative Resistenz der meisten Bürger in der Bundesrepublik gegen ideologische Behauptungen und utopische Verheißungen, so ist dies noch lange keine Garantie für das Vorhandensein der erstrebten rationalen Einstellungen und Verhaltensweisen. Solange bei einer großen Zahl von Menschen jene Überzeugungen wirksam bleiben, von denen hier die Rede ist, muß reduzierte Rationalität angenommen werden. 2. Abgrenzung und Formaldefinition Das Einstellungsmuster, das im folgenden beschrieben werden soll und das wir mit einer Kurzformel als „politischen Idyllismus“ bezeichnen, hat mit dem breiter definierten Apathiesyndrom nur das gemein, daß es ebenfalls den einzelnen Bürger in Distanz zum politischen System hält. Seine Merkmale entsprechen jedoch keiner der Reaktionsweisen, die nach Neumann und Lenk kennzeichnend für politische Apathie sind, nämlich dem grundsätzlichen Desinteresse an der Politik, der epikureischen Haltung gegenüber der Politik und der pauschalen Verwerfung des politischen Systems aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus Bei dem hier zu beschreibenden Einstellungsmuster handelt es sich um ein Gefüge und -von Erwartungen Erklä rungsrastern, das an die Probleme der parlamentarischen Demokratie und ihrer politischen Umwelt klischeehaft und realitätsgebrochen herangeht, ohne dabei mit politi- schem Desinteresse oder Teilnahmslosigkeit identisch zu sein. Es ist die Haltung desjenigen, der sich der Einsicht seiner Eingebundenheit in die politische Ordnung nicht verschließt, der sich darüber im klaren ist, daß sein persönliches Schicksal ganz wesentlich auch von den Regeln und Ergebnissen politischer Entscheidungsprozesse abhängt, der aber Überschaubarkeit, Gewißheit und Eindeutigkeit der Vorgänge im politischen Bereich erwartet und sich an entsprechend einfach strukturierten und lehrbuchhaft reduzierten Vorstellungen orientiert, deren Geltungskraft traditionell, nicht empirisch-rational bestimmt ist. Wir haben es dabei mit einer Mischung von sozialen Primärerfahrungen (Familie, Bezugsgruppe, Gemeinde) und tradierten Kategorien (Gewaltenteilung, Volkswille) zu tun, die aus ihrem räumlichen und zeitlichen Kontext gelöst und unkritisch auf makropolitische Zusammenhänge der heutigen parlamentarischen Demokratie übertragen werden.

Unter einer Einstellung ist nach Katz die Prädisposition des einzelnen Bürgers zu verstehen, ein Symbol, einen Gegenstand oder Gesichtspunkt seiner Umwelt in einer günstigen oder ungünstigen Weise zu beurteilen. Meinung ist dann die verbale Äußerung einer Einstellung, die aber auch durch nonverbales Verhalten geäußert werden kann. Sind spezifische Einstellungen zu einer hierarchisch geordneten Struktur zusammengefaßt, dann spricht man von einem Wertesystem Das Charakteristikum einer Einstellung ist nach Rokeach die relativ dauerhafte Organisation der sie konstituierenden Ansichten 6a). Jede politische Einstellung umfaßt drei Dimensionen, die sich allerdings empirisch nur schwer trennen lassen und daher vor allem analytischen Zwecken dienen. Die wissensmäßige (kognitive) Dimension wird vom Wissen und von den Überzeugungen über das politische System, seinen Rollen und Amtsinhabern, seinen Input-und Outputfunktionen gebildet. Die bewertende (evaluative) Dimension wird von den Urteilen und Meinungen über politische Angelegenheiten gebildet, und die ge-fühlsmäßige (affektive) Dimension setzt sich aus den Gefühlen über das politische System, seine Rollen, Leistungen und Akteure zusammen Es sei in diesem Zusammenhang noch angemerkt, daß aus einer bestimmten Einstellung nicht auf eine ihr eindeutig zuzuordnende Verhaltensweise geschlossen wer-den kann. Einstellung und Verhaltensweisen können durchaus widersprüchlich sein. Politischer Idyllismus vereinbart sich durchaus, wie noch zu zeigen sein wird, mit hoher Wahlbereitschaft. Die Beziehungen zwischen Verhalten und Einstellungen sind deshalb besonders kompliziert, weil das Verhalten des einzelnen zum einen abhängt von seiner Einstellung zu einem bestimmten Objekt, Symbol oder Gesichtspunkt seiner sozialen Umgebung und zum anderen von seiner Einstellung zu einer bestimmten Situation, in der das Objekt etc. wirksam wird 7a).

Das Einstellungsmuster politischer Idyllismus ist somit als ein spezifisches Gefüge von Kenntnissen, Meinungen und Gefühlen über Probleme und Tatsachen der parlamentarischen Demokratie zu verstehen, das von zahlreichen Bürgern in der Bundesrepublik geteilt wird.

Politischer Idyllismus läßt sich mit der von Habermas und anderen vorgenommenen Typologisierung nicht zureichend erfassen Anhand einer soziologischen Untersuchung zum politischen Bewußtsein Frankfurter Studenten entwickelten Habermas und andere eine Skala politischer Habitustypen und wählten die Bezeichnungen:

Unpolitische irrational Distanzierte rational Distanzierte naive Staatsbürger reflektierte Staatsbürger Engagierte Politischer Idyllismus ließe sich nur ansatzweise mit den beiden Kategorien des rational Distanzierten und des naiven Staatsbürgers umschreiben.

Der rational distanzierte Typus hat kein Verständnis für den langen und umständlichen Prozeß der Entscheidungsfindung in der parlamentarischen Demokratie, der seiner Meinung nach durch Parteiinteressen, Willkür, menschliche Schwächen, Fehlinformationen und absichtliche Verfälschungen durchbrochen wird. Das Bewußtsein der eigenen In-kompetenz verbindet sich mit der Idealvorstellung vom Fachmann, der die Angelegenheiten der Politik nach Art einer zweckrationalen Betriebsführung leitet Der naive Staatsbürger versteht sich zwar als Teil des gesamtpolitischen Zusammenhangs, unterhält sich häufig über Politik und ist auch an ihr interessiert, betrachtet jedoch die politische Sphäre als „die einer staatsmännischen Ordnung, in der große Männer würdig und kraftvoll zugleich die Geschichte lenken"; Politik erscheint als demokratisch legitimierte Fürsorge

Wie noch zu zeigen sein wird, sind einige dieser Elemente im Einstellungsmuster des politischen Idyllismus enthalten, ohne daß es allerdings damit vollständig beschrieben oder gar erklärt werden könnte. Während die Typologie der Untersuchung von Habermas und anderen auf der Basis einer Analyse des Verhältnisses der Befragten zur Öffentlichkeit im ganzen, zur politischen Sphäre als solcher und nicht zu politischen Vorstellungen im einzelnen erstellt wurde, orientiert sich die Beschreibung des politischen Idyllismus am Verständnis der Bürger für die konkreten Bedingungen, Formen und Funktionen des politischen Prozesses und der Institutionen in der parlamentarischen Demokratie.

Ausgangspunkt und Anlaß für unsere Überlegungen sind die Ergebnisse einiger Meinungsumfragen der letzten Jahre. Die dort zutage tretende ambivalente Haltung vieler Bürger zu wichtigen Fragen der parlamentarischen Demokratie wird hier zu einem spezifischen Einstellungsmuster verdichtet. Seine Beschreibung und die Analyse seiner wichtigsten Ursachen sind das Ziel dieser Arbeit. Unsere Aussagen können selbstverständlich nur als Hypothesen betrachtet werden, deren empirische Relevanz eigens getestet werden muß. Immerhin lassen die in den Umfragen festgestellten Prozentzahlen einige Rückschlüsse auf die Dimension des hier angeschnittenen Problems zu.

II. Politischer Idyllismus im Spiegel von Meinungsumfragen

Die Struktur verbreiteter politischer Denkweisen, der Grad der politischen Urteilsfähigkeit und latente Verhaltensformen in der Bevölkerung finden ihren Niederschlag in den Ergebnissen von Meinungsumfragen. Betrachten wir einige empirische Befunde, die Hinweise auf die Virulenz des politischen Idyllismus geben können. 1. Empirische Befunde Einer 1962 vom Frankfurter Institut für Sozialforschung im Frankfurter Raum durchgeführten Umfrage zur Spiegel-Affäre ist zu entnehmen, daß nur wenig mehr als ein Drittel der Befragten in der offensichtlichen Verletzung der Grundrechte eine Gefährdung der Demokratie in der Bundesrepublik erblickte, während die übrigen keine Gefährdung feststellen konnten Einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie zufolge, die sich auf die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik bezieht, lag der Prozentsatz derer, die die rechtsstaatlichen Grundlagen der Demokratie für gefährdet hielten, sogar bei nur 25 Prozent 44 Prozent der Befragten im Raum Frankfurt waren der Ansicht, daß es die Behörden bei Verdacht auf Landesverrat mit der Rechtsstaatlichkeit nicht mehr so genau zu nehmen brauchten, während sich nur 26 Prozent gegen eine solche Auffassung wandten Die Allensbacher Untersuchung der Gesamtbevölkerung kam zu dem etwas positiveren Ergebnis, daß 31 Prozent der Befragten sich für und 37 Prozent gegen eine Einschränkung der Grundrechte bei Verdacht auf Landesverrat aussprachen

Demnach erachtet insgesamt ein relativ kleiner Prozentsatz die strikte Beachtung der Presse-und Informationsfreiheit für unbedingt notwendig. Obgleich es sich hierbei um einen, funktionsnotwendigen Bestandteil der parlamentarischen Demokratie handelt, glauben doch recht viele Bürger, noch am ehesten darauf verzichten zu können. Auch andere Untersuchungen haben diese verbreitete Einstellung bestätigt Außerdem zeigt die Frankfurter Studie, daß zwar Befragte mit guten Institutionenkenntnissen die Einschränkung der Grundrechte bei Verdacht auf Landesverrat eher ablehnen als solche, die nur etwas oder schlecht informiert sind (gut Informierte: 39 Prozent; etwas Informierte: 27 Prozent; schlecht Informierte: 12 Prozent).

Dennoch hielten auch von ihnen nur 40 Prozent die Demokratie für gefährdet; sie unterschieden sich in diesem Urteil nur unwesentlich von den beiden anderen Gruppen Es ist daher den beiden Autoren der Untersuchung zuzustimmen, daß gute Einzelkenntnisse allein, ohne ausgeprägtes Interesse an der Politik, noch keine politische Sensibilität verbürgen, die den Zusammenhang zwischen individuellem Grundrechtsschutz und der Demokratie zu erkennen in der Lage ist Die Doppelfunktion der Grundrechte als Rechte des einzelnen und zugleich als Grundelemente der demokratischen Ordnung wird weit deutlicher erkannt, sobald sich das Verhältnis der Befragten zur Politik intensiviert, sobald also starkes Interesse festgestellt werden kann. In diesem Fall nähern sich die Aussagen zwischen den Befragten mit Abitur und denen mit Volksschulbildung sogar weitgehend einander an Für unsere Fragestellung ist folgendes Ergebnis dieser Studie, die in ihren grundsätzlichen Befunden von der erwähnten Allensbacher Untersuchung bestätigt wird, interessant: Von den Befragten mit guten Institutionenkenntnissen lehnten 42 Prozent (Abitur) bzw. 34 Prozent (Volksschule) eine Einschränkung der Grundrechte ab und 42 bzw. 44 Prozent hielten die Demokratie durch das Vorgehen der Behörden für gefährdet. Immerhin stimmten aber 33 bzw. 40 Prozent einer Einschränkung der Grundrechte zu und 43 bzw. 28 Prozent hielten die Demokratie für nicht gefährdet Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn das Interesse an der Politik als Auswahlkriterium zugrunde gelegt wird: 30 Prozent (Abitur) bzw. 44 Prozent (Volksschule) derer mit großem Interesse stimmten einer Einschränkung der Grundrechte zu und 43 bzw. 32 Prozent hielten die Demokratie für nicht gefährdet Die Zahlen können im einzelnen wegen der beschränkten Reichweite der Studie keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, allerdings dürfte die hier wiedergegebene Größenordnung der Meinungen aussagekräftig genug sein.

Eine Meinungsbefragung der Gesamtbevölkerung zum Metallarbeiterstreik in Baden-Württemberg im Jahre 1963 durch das Frankfurter Institut für Sozialforschung erlaubt einige für unseren Zusammenhang besonders aufschlußreiche Feststellungen. Am Beispiel der Gewerkschaften kann die in der Bevölkerung verbreitete ambivalente Haltung zu objektiv unverzichtbaren Institutionen zur Vertretung bestimmter sozialer und politischer Interessen aufgezeigt werden — eine Haltung, die cum grano salis auch für die Verbände generell und die Parteien nachweisbar ist.

Von den Befragten sprachen sich nur 12 Prozent für ein Verbot des Streikrechts aus. 46 Prozent lehnten die Einengung des Streikrechts dann auch ab, aber 40 Prozent meinten, die Regierung sollte das letzte Wort haben. Zwar möchte die Mehrheit der Bevölkerung das Streikrecht nicht abgeschafft sehen, aber dennoch erheben viele gleichzeitig die Forderung nach staatlicher Schlichtung im Konfliktfall Dieser Widerspruch zwischen der Bejahung einer Institution, solange sie eher als abstrakte und unverbindliche Idee empfunden wird, und einer distanzierten Beurteilung, sobald sie konkrete Folgen zeitigt, geht auch aus einem Umfrageergebnis des Emnid-Instituts für Meinungsforschung hervor. Im Jahre 1966 hielten 42 Prozent der interviewten Bundesbürger die Gewerkschaften für eine gute Einrichtung, und nur 14 Prozent beurteilten sie negativ; 35 Prozent sahen an ihnen gute und schlechte Seiten. Auf die Frage, ob der Einfluß der Gewerkschaften zu groß, richtig oder zu gering sei, hielten ihn jedoch im Jahre 1965 nur 30 Prozent für gerade richtig, 17 Prozent für zu gering, aber 44

Prozent für zu groß Daraus und aus einigen anderen, weiter unten angeführten Beispielen ist zu schließen, daß der Staat in den Augen nicht weniger Bürger als alleiniger Garant des Allgemeinwohls gilt, daß die traditionelle obrigkeitsstaatliche Auffassung vom Staat als über den Interessen der Gesellschaft schwebende Verwaltungseinrichtung und die überlieferte Dichotomie von Staat und Gesellschaft fortleben, obgleich die demokratischen Einrichtungen gar nicht abgelehnt, sondern sogar befürwortet werden. „Die verbreitete Bereitschaft, das Streikrecht durch staatliche Kontrolle einzufangen, kommt einer Negation der demokratischen Funktion der Gewerkschaften gleich, uneingeschränkt von ihrem Recht Gebrauch zu machen, auf die staatliche Politik und die wirtschaftliche Entwicklung im Interesse ihrer Mitglieder Einfluß zu nehmen."

Die Frankfurter Studie zeigt sehr eindringlich, wie bruchstückhaft und punktuell, wie inkongruent und ambivalent, wie widersprüchlich viele Meinungsäußerungen sind, die auf den ersten Blick durchaus den Erfordernissen der parlamentarischen Demokratie angemessen erscheinen. So waren zwar 57 Prozent der befragten Facharbeiter der Meinung, das Streikrecht dürfe nicht beschnitten werden, aber zugleich stimmten 53 Prozent einer Einschränkung der Grundrechte bei Verdacht auf Landesverrat zu. Für eine Einschränkung der Grundrechte bei Verdacht auf Landesverrat sprachen sich 37 Prozent der Akademiker aus, während 32 Prozent dies ablehnten. Zugleich billigten rund 60 Prozent, daß Streiks gesetzlich verboten werden oder daß die Gewerkschaften in Lohn-konflikten staatlicher Kontrolle unterstellt werden sollten

Die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Grundrechte voneinander wird offensichtlich nur jeweils von einer Minderheit erkannt, so daß von einem bruchstückhaften, unverbundenen Nebeneinander liberaler und obrigkeitlicher Elemente in den Meinungen der Be-fragten, von einer mangelnden Einsicht in politische Funktionszusammenhänge, von atomistischen Einsichten gesprochen werden muß Den beiden Autoren der Frankfurter Studie ist daher zuzustimmen, wenn sie darauf aufmerksam machen, daß es, „um Hellhörigkeit für problematische Entwicklungen zu wecken", offensichtlich nicht genügt, an unmittelbare, nur die jeweils eigene soziale Lage betreffende Erfahrungen anzuknüpfen, sondern daß es hierzu der „Vermittlung fundierter Einsicht in politische und soziale Zusammenhänge, die den Einzelnen seiner Stellung im gesellschaftlichen Ganzen" innewerden lassen, bedarf Anders ausgedrückt: Der Erfahrungshorizont des Bürgers darf nicht durch ein restriktiv verstandenes Prinzip der direkten Betroffenheit eingeschränkt werden, vielmehr muß sich seine Urteilsfähigkeit auch und gerade auf politische Bereiche und Probleme erstrecken, die weiter von ihm entfernt liegen.

Das geschilderte Phänomen der Ambivalenz politischer Meinungen wurde auch in der Untersuchung von Habermas u. a. über politisches Bewußtsein Frankfurter Studenten nachgewiesen. Der überwiegende Teil der Befragten bejahte demokratische Einrichtungen wie gleiches Wahlrecht, Mehrparteiensystem und persönliche Freiheit als permanente Aufgabe. Wie sehr diese Einstellungen jedoch Oberflächenmeinungen Oberflächenerscheinungen blieben, zeigt sich darin, daß dieselben Befragten, die gleiches Wahlrecht bejahten, eine straffe Führungselite forderten, ohne auf die damit verbundenen Probleme einzugehen. Obgleich die Notwendigkeit von Parteien anerkannt wurde, schrieben ihnen viele Egoismus zu und verlegten die Sicherung des Allgemeininteresses in außerparlamentarische Instanzen

Auch zahlreiche andere Studien lassen ein realitätsgebrochenes, atomistisches und daher oftmals idyllisch erscheinendes Verständnis vieler Bürger für die Bedingungen der parlamentarischen Demokratie offenbar werden. Bei einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie im Jahre 1964 waren 48 Prozent der befragten Bundesbürger der Meinung, daß sich die Regierung nach dem Willen des Volkes zu richten habe, während nur 34 Prozent einer Aussage zustimmten, die sich auf die repräsentative Demokratie bezog. Der Volkswille wurde offensichtlich als eindeutige Größe verstanden. Die Notwendigkeit eines Parlaments bejahten 1962 69 Prozent der Befragten, 13 Prozent verneinten sie und der Rest war unentschieden oder meinungslos. Einen günstigen Eindruck von der Arbeit des Bundestages hatten 30 Prozent der Befragten, während 21 Prozent einen ausgesprochen ungünstigen Eindruck hatten und der Rest meinungslos war Im Jahre 1967 hießen 61 Prozent der Befragten den Wettbewerb um Ämter und Einfluß in der Politik gut und sahen darin einen Schutz gegen Mißbrauch von Regierungsgewalt; 27 Prozent jedoch wollten den besten Politiker an die Spitze des Staats stellen und ihm die ganze Regierungsgewalt übertragen

Einer im Jahre 1968 von Kaase durchgeführten Untersuchung ist zu entnehmen, daß 67 Prozent der befragten Bundesbürger die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Interessengruppen und ihre Forderung an die Regierung als schädlich für das Gemeinwohl betrachteten. Die Notwendigkeit einer Opposition erkannten 89 Prozent der Befragten an, doch zugleich sahen 68 Prozent die Aufgabe der Opposition darin, die Regierung in ihrer Arbeit zu unterstützen, sie aber nicht zu kritisieren. Auch dies ist ein Beispiel dafür, wie die formale Anerkennung einer demokratischen Institution mit einer totalen Verkennung ihrer Funktion einhergehen kann. 71 Prozent der befragten Erwachsenen (57 Prozent der befragten Jugendlichen, aber nur 20 Prozent der Studenten) sahen in der Wahl den einzigen Weg, um die Regierung zu beeinflussen. Ganz allgemein von der Politik überfordert erklärten sich 66 Prozent der Befragten in der Bundesrepublik. Nach eigenen Angaben interessierten sich 5 Prozent sehr stark für Politik, 9 Prozent stark, 38 Prozent mittel, 24 Prozent weniger und 23 Prozent überhaupt nicht, während ein Prozent keine Angaben machte. Nach Ansicht von 86 Prozent der befragten Bundesbürger sollte jede demokratische Partei die Chance haben, an die Regierung zu kommen. Zugleich sprachen sich jedoch 90 Prozent dafür aus, daß die Interessen des ganzen Volkes immer über den Sonderinteressen des einzelnen stehen sollten

Die Hypostasierung des Gemeinwohls und des Volkswillens zu apriorischen Größen und ein nur formal-oberflächliches Verständnis für die Parteien und Verbände sind offensichtlich eng miteinander verbunden.

Es sei abschließend noch auf einige Befunde einer ebenfalls aus dem Jahre 1968 stammenden repräsentativen Befragung von Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren von Jaide u. a. hingewiesen Knapp 38 Prozent der Befragten hielten es für besser, wenn nicht die Kandidaten der Parteien, sondern Verbandsvertreter als Abgeordnete in den Bundestag gewählt würden. Fachleute und nicht die Politiker sollten der Ansicht von 33 Prozent der Befragten zufolge die politischen Entscheidungen treffen. Politiker betrügen ihre Wähler häufig, meinten 60 Prozent, und 55 Prozent sahen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erfolg in der Politik und dem Mangel an moralischen Hemmungen. 39 Prozent waren der Meinung, der Staat müsse dafür sorgen, daß sein Ansehen in der Öffentlichkeit nicht durch die Massenmedien geschädigt werde. 2. Folgerungen Wie bereits erwähnt wurde, können diese Zahlen nicht als absolute Werte verstanden werden, weil der Kreis der Befragten, die Frageformulierungen und der Kontext des jeweiligen Forschungsprojekts Unterschiede aufweisen. Sie liefern jedoch sehr deutliche Tendenzaussagen über die Größenordnung des hier zur Debatte stehenden Einstellungsmusters. Von daher gesehen ist die häufig nachweisbare Inkongruenz politischer Vorstellungen auffallend. Die objektive Widersprüchlichkeit in den latenten Erwartungen wird nicht als solche erkannt. Sie wirkt vielmehr als Maßstab, an dem die jeweils realen politischen Verhältnisse gemessen werden. Die Umfragen zeigen deutlich, daß die Verfassungsordnung häufig nicht als ein Gefüge von interdependenten und sich gegenseitig bedingenden Normen und Organisationsvorschriften erfaßt wird, sondern eher als ein loser Zusammenhang isolierter Regeln und Rechte, von denen dann je nach persönlicher Interessenlage die einen oder anderen zu Zentralwerten erhoben werden. Auffallend ist außerdem, daß mit den hochabstrakten Vokabeln der klassischen Demokratietheorie (Volkswille, Gemeinwohl) ein evidentes Unverständnis für den Prozeß des Interessenausgleichs im demokratischen Entscheidungsprozeß verschleiert wird. In idyllischen und harmonistischen Politikvorstellungen versponnen können diese Bürger keine Sensibilität für die wirklichen Probleme der parlamentarischen Demokratie entwickeln. So werden weder die Frage der Öffentlichkeit von Entscheidungsvorgängen noch die Frage der Verbesserung der Mitwirkungschancen der Bürger an ihnen als die eigentlich zentralen Probleme erkannt. Die Folge ist, daß sich durch die Ausschnitthaftigkeit der Betrachtungsweise das Blickfeld systematisch einengt und auf Neben-schauplätze oder gar Pseudoprobleme verlagert. Die Tatsache, daß die komplexe politische Wirklichkeit von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung mit gedanklichen Grobrastern erfaßt wird, und die damit verbundenen Aversionen und Ressentiments gegenüber konkreten Formen des politischen Prozesses und politischer Institutionen scheinen in einem Gegensatz zur regelmäßig hohen Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik zu stehen, die bei den letzten Bundestagswahlen im November 1972 ihren bisherigen Höchststand von 91, 2 Prozent erreicht hat Doch dieser Widerspruch ist nur vordergründig. Der Grad der Wahlbeteiligung, der im übrigen in Deutschland seit jeher mit Schwankungen zwischen 70 und 90 Prozent hoch war kann nicht unbesehen als Ausdruck für rationale politische Einstellungen gewertet werden. Der Gang zur Wahlurne wird häufig als staatsbürgerliche Pflicht verstanden und eher als Entlastungshandlung denn als Akt der Souveränitätsausübung oder bewußten politischen Selbstbestimmung erlebt. Daß sich die Bürger anderer Länder ähnlich verhalten und durch die Wahl dem Zwang einer weiteren Beschäftigung mit politischen Angelegenheiten zu entgehen hoffen, ändert wenig an dem Problem, das Jennings auch für England konstatiert. „Der Bürger des Vereinigten Königreichs ist ein unpolitisches Wesen. Er wählt einmal alle vier bis fünf Jahre, damit die Politiker ihn in Ruhe lassen." Der Unterschied in der politischen Kultur beider Länder wird jedoch sofort deutlich, wenn man beispielsweise den Organisationsgrad der politischen Parteien betrachtet, der in England bei rund 26 Prozent und in der Bundesrepublik bei nur rund 3 Prozent der Wahlberechtigten liegt. Das demokratische Bewußtsein der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, das läßt sich anhand der vorliegenden empirischen Untersuchungen feststellen, kann nicht als stabilisiert angesehen werden. Nicht die politischen Institutionen und Verfassungsrechte stehen an der Spitze der Wertskala, sondern die wirtschaftlichen Erfolge Die hohe Wahlbeteiligung läßt daher eher auf eine generelle, im einzelnen nicht weiter reflektierte und durch den hohen Lebensstandard wesentlich beeinflußte Zustimmung zum politischen System der Bundesrepublik schließen als auf das Verbreitet-sein nationaler politischer Einstellungen. In Krisenzeiten können sich natürlich daraus ernste Probleme für die Stabilität und die Legitimationsbasis der parlamentarischen Demokratie ergeben.

Vom unpolitischen Deutschen in diesem Zusammenhang zu sprechen, wie dies Dahrendorf macht 41a), empfiehlt sich nicht, weil politische Mentalitätsaussagen zu pauschal und daher unpräzise sind, während der „political culture" Ansatz weit mehr zu differenzieren vermag. Es ist daher sinnvoller, die gemeinte Verhaltensweise einem bestimmten Habitus-typ zuzuordnen, dessen Verbreitung in der Bevölkerung dann zu untersuchen wäre. Was Dahrendorf aber generell über die Unvollständigkeit der politischen Sozialisation des Deutschen und ihrer Wirkung feststellt, gilt zumindest für den Teil der Bevölkerung, den wir aufgrund der Umfrageergebnisse dem politischen Idyllismus zuschreiben können. „Die demokratischen Institutionen werden akzeptiert; aber sie bleiben äußerlich, fern, letztlich gleichgültig. Der einzelne ist nicht mit seiner Person diesen Institutionen verpflichtet und daher kaum ernsthaft zu ihrer Verteidigung bereit. Das demokratische Verhalten wird ritualistisch, ein bloßes Befolgen von äußeren Ansprüchen, eben staatsbürgerliche . Pflicht'. Kratzt man auch nur ein wenig an diesem Ritualismus, dann kommt bei einigen eine der vielen Spielarten des aktiven und passiven Autoritarismus, bei anderen eine Orientierungslosigkeit zum Vorschein, deren politische Wirkung wahrscheinlich nicht weniger autoritär ist. Dieser Autoritarismus ist nicht böswillig; er ist wie der der deutschen Elite eher ein Autoritarismus wider Willen, eine Konsequenz des Desengagements, eine Form der unvollkommenen Mündigkeit. Wenn er nicht durch autoritäre Strukturen oder Eliten aktiviert wird, kann er lange schlummern und auch entschlafen. Es ist ja nicht auszuschließen, daß das Aufgesetzte endlich anwächst und die rituelle Anpassung zur vollendeten Anpassung wird."

III. Komplexität des politischen Systems und das Wahrnehmungsproblem

Politischer Idyllismus kann zunächst einmal als eine Form der Reduktion von Komplexität verstanden werden. Seine Besonderheit liegt darin, daß dieser Vorgang mit Hilfe von unzureichenden und fehlorientierenden Kriterien vollzogen wird, die empirisch ungesichert und unbefragt bleiben und außerdem logisch widerspruchsvoll sind. Psychologisch gesehen könnte man dieses Einstellungsmuster als eine Flucht-und Abwehrreaktion angesichts komplexer Zusammenhänge des sozio-politischen Bereichs bezeichnen. Bevor wir auf die Funktion des politischen Idyllismus für den einzelnen, auf seine individuell verankerten und sozialen Ursachen eingehen, muß die Komplexität der parlamentarischen Demokratie in den Horizont unserer Betrachtung einbezogen werden. 1. Funktional-spezifische Differenzierung der Gesellschaft Eine moderne, demokratisch organisierte Industriegesellschaft ist gekennzeichnet durch die wechselseitige Abhängigkeit und Durchdringung des staatlichen und des gesellschaftlichen Bereichs, durch die längst über die nationalen Grenzen hinausgreifende Verflochtenheit ihrer Teilbereiche mit denen anderer Gesellschaften und durch die damit verbundenen Einwirkungen vielfältigster Art auf die Lebensverhältnisse des einzelnen Bürgers. Insgesamt haben wir es mit einem sozialen Gefüge von hoher Komplexität zu tun, wobei Komplexität in Anlehnung an Luhmann als die Gesamtheit möglicher Ereignisse zu verstehen ist.

Die vier Hauptfunktionen, die jede Gesellschaft nach Parsons zum Zweck ihrer Erhaltung erfüllen muß, nämlich Integration, Normenerhaltung, Zielverwirklichung und Anpassung machen die Ausgrenzung spezieller sozialer Subsysteme notwendig, die um so differenzierter werden, je nachhaltiger die der Industrialisierung immanente Spezialisierung im Produktions-und Distributionsbereich auf sie einwirken. Jedes dieser Subsysteme übernimmt dann spezielle gesamtgesellschaftliche Aufgaben — zum Beispiel das Subsystem Wirtschaft die Aufgabe der Anpassung —, die natürlich in sich wiederum so vielgestaltig sind, daß der Prozeß der Arbeitsteilung und Funktionentrennung fortschreitet. Hinzu kommt, daß alle diese Subsysteme der Gesellschaft aufeinander einwirken und voneinander abhängen. Diese fortschreitende funktional-spezifische Differenzierung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit hat zur Fol-ge, daß auch das politische System als ein Teilbereich, dessen Aufgabe in der Zielverwirklichung oder Herstellung bindender Entscheidungen zu sehen ist, komplexer wird, übertragen auf die parlamentarische Demokratie heißt dies, daß sich ihre politischen Institutionen und Organisationsverfahren, die Entscheidungsprozesse und notwendigen Handlungsstrategien der eben skizzierten komplexen Struktur der Gesellschaft anpassen.

Die Komplexität des politischen Systems der parlamentarischen Demokratie ist geradezu notwendig, da die allgemeinverbindlichen Entscheidungen dem demokratischen Postulat zufolge keine Willkürakte, sondern rational motivierte und demokratisch legitimierte Problemlösungen darstellen sollen. „Die Potenz eines politischen Systems für die spezifische Funktion bindender Entscheidung muß in dem Maße gesteigert werden, wie die Komplexität der Gesellschaft wächst und damit zunehmend Probleme stellt, die nicht mehr durch Rückgriff auf Wahrheiten oder auf gemeinsame Überzeugungen, durch wechselseitige Sympathie oder im Tauschwege gelöst werden können, sondern eben nur noch durch Entscheidung. Ausdifferenzierung, Autonomie und funktionale Spezifikation eines politischen Systems sind mithin Folgen steigender Komplexität der Gesellschaft und zugleich Vorbedingungen einer weiteren Steigerung dieser Komplexität."

Dieser Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher und politischer Komplexität muß beachtet werden, weil sie natürlich zwingend das Problem ihrer Wahrnehmung durch die Bürger aufwirft. Die Institutionen, die am politischen Entscheidungsprozeß beteiligt sind, also Bürgerschaft, Massenmedien, Verbände, Parteien, Gerichte, Bürokratie, Parlament und Kabinett stehen in vielfältigen, sich überschneidenden Beziehungen zueinander, wirken in diesem Beziehungsgeflecht permanent aufeinander ein und „verkomplizieren" damit diesen Vorgang. Der konflikthafte Prozeß der Artikulation und Aggregation von Interessen, Wertvorstellungen, Prioritätswünschen und taktischen Überlegungen macht diese Beziehungen für den Beobachter unübersichtlich, schwer zu durchschauen und letztlich manipulationsverdächtig. 2. Komplexität und Selbstbestimmung Zwei objektive Daten müssen demnach berücksichtigt werden. Einmal die gesteigerte Komplexität der parlamentarischen Demokratie als Folge und Voraussetzung gesellschaftlicher Differenzierung. Zum anderen das Bedürfnis des Bürgers, seine politische Umwelt zu verstehen, weil erst auf dieser Basis wirksame Einflußnahme möglich ist. Beide Daten hängen insofern miteinander zusammen, als die adäquate individuelle Wahrnehmungsfähigkeit (Perzeption) zugleich die Legitimationsgrundlage der parlamentarischen Demokratie konkretisiert. Die unbestreitbar gegebene Komplexität des politischen Systems erfordert eine gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit der Bürger als Voraussetzung dafür, daß sie am politischen Entscheidungsprozeß unmittelbar und mittelbar mitwirken können und ihn dadurch demokratisch legitimieren. Fehlt es an dieser Wahrnehmungsfähigkeit oder verharrt sie auf einem Entwicklungsstand, der allein einfacher strukturierten Verhältnissen angemessen ist, dann führt die Komplexität des politischen Systems zur Entpolitisierung der Bürger, sie wirkt bedrohlich und entmutigend, sie wird zum Hindernis für individuelle politische Aktivität und zum Rechtfertigungsgrund für kollektive politische Apathie, sie verschleiert schließlich die unkontrollierte Herrschaftsausübung durch einige Wenige.

Das Problem läßt sich gut auf die Formel „Demokratie wegen Komplexität" bringen, wenn man die Notwendigkeit differenzierter Wahrnehmungsfähigkeit mitdenkt. Die Diagnose der Komplexität der parlamentarischen Demokratie führt aus den genannten Gründen zu den beiden gleichrangigen Zielprojektionen der Leistungsfähigkeit der Gesamt-gesellschaft und der Selbstbestimmung des Bürgers Dies bedeutet, daß die Komplexität des politischen Bereichs durch Pla-nung gesteuert und in Dienst genommen und zugleich durch Partizipation demokratisiert wird. Ohne Zweifel steckt in diesen beiden Postulaten ein latenter Gegensatz, weil die an Zweck-Mittelüberlegungen orientierte Planung bestimmter Problemlösungen und die an Werten, Normen, Interessen und taktischen Überlegungen orientierte Partizipation der Bürger einer unterschiedlichen Rationalität verpflichtet sind. Es handelt sich aber nicht um Planung schlechthin, die etwa mit der Planung eines Produktionsprozesses oder der Planung eines Mondlandeunternehmens vergleichbar wäre. Politische Planung hat es mit Sachfragen und Wertvorstellungen zu tun, weil politische Entscheidungen nur in diesem Koordinatensystem getroffen werden können. Erst die Kombination von Zweckrationalität und Wertrationalität ergibt die spezifisch politische Rationalität einer gesamtgesellschaftlich verbindlichen Entscheidung. Nur Anhänger technokratischer Vorstellungen gehen davon aus, Politik könne durch Planung zur zweckrationalen Lösung von Sachzwängen werden und sich damit im Vollzug von Sachnotwendigkeiten erschöpfen In Wirklichkeit beruht die Legitimität politischer Entscheidungen nicht nur auf ihrer überzeugenden Fähigkeit, bestimmte Probleme zu lösen, sondern auch auf der Bereitschaft der Bürger, in ihnen das Ergebnis eines Prozesses des Interessenausgleichs zu sehen, von dem sie nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Die Notwendigkeit der Partizipation der Bürger am politischen Geschehen unter den Bedingungen eines komplexen politischen Systems darf jedoch nicht den Blick für einen wichtigen Zusammenhang verstellen: Partizipation ohne ein ausreichendes Maß an Sach-, Wert-und Verfahrensinformationen über umstrittene bzw. zu regelnde Fragen degeneriert zu einem unter Umständen außengeleiteten und damit manipulierbaren Aktivismus oder wird bestenfalls zur folgenlosen Beschäftigungstherapie. Information heißt nicht, daß der Bürger „alles" wissen muß, daß er sich in allen Zusammenhängen der Außen-und der Innenpolitik, der Sozial-und Wirtschaftspolitik auskennen soll. Information heißt vielmehr, daß er über geeignete Kriterien verfügt, um etwa Äußerungen von Verbandsvertretern, Zukunftsvisionen von Politikern, Vorschläge zur Parlamentsreform etc. einordnen, bewerten und auf sie reagieren zu können. Die politische Wahrnehmungsfähigkeit der Bürger in muß einem Entsprechungsverhältnis zu den beschriebenen Gegegebenheiten der modernen Industriegesellschaft stehen. Der in der Systemtheorie Luhmanns eine wichtige Rolle spielende Zusammenhang zwischen Umweltkomplexität und der Eigenkomplexität zu deren angemessenen Reduktion kann ohne Schwierigkeiten auf das Verhältnis Individuum — politisches System übertragen werden Wir gehen in diesem Sinne davon aus, daß rationales Verhalten, mit dem Ziel, im politischen Prozeß die eigenen Interessen durchzusetzen, vorab eine realitätsgerechte Orientierung voraussetzt. Ob dies dann zu systemkonformen oder systemüberwindenden Verhaltensweisen führt, ist eine Frage, die wir hier nicht zu behandeln brauchen. Mit realitätsgerechter Orientierung ist einfach gemeint, daß die komplexe Struktur der parlamentarischen Demokratie in Rechnung gestellt werden muß. Dies ist das Gegenteil einer selektiv-atomistischen Wahrnehmung politischer Zusammenhänge. 3. Politischer Idyllismus als Informationsproblem Das Informationspotential, über das der einzelne verfügt, prägt seine politischen Einstellungen. Das vorherrschende Einstellungsmuster eines Bürgers wiederum wirkt als ein Auslesemechanismus zurück auf seine Informationsauswahl. Wir haben es mit einem interdependenten Zusammenhang zu tun, der die Partizipationsfähigkeit des Bürgers weitgehend regelt, während seine Partizipationsbereitschaft von den objektiven Bedingungen des politischen Systems und dem jeweiligen Demokratieverständnis abhängt.

Das Informationspotential setzt sich aus den Informationen zusammen, die der einzelne gespeichert hat er zu und die seiner ständigen Verhaltensorientierung heranzieht, sowie aus den Informationen, die an ihn herangetragen werden, unter denen er stets auswählen muß, denen er sich aber auch ganz verschließen kann. Wir verwenden den Begriff der Information in einem formalen und weitgefaßten Sinn als „Beziehungsmuster von Ereignissen" Informationen können sich also auf Wertauffassungen und Normen, Sachfragen, Interessen und Verfahrensweisen beziehen Das Informationspotential über eine umstrittene Sache, vor allem über die damit angesprochenen politischen Normen, Verfahrensweisen und Verwirklichungschancen, und die Art der Informationsverarbeitung sind mithin Indikatoren zur Bestimmung des jeweils vorherrschenden Einstellungsmusters. Reines Faktenwissen spielt dabei eine nur untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist die Fähigkeit, die jeweils maßgeblichen Kategorien zur Beurteilung politischer Zusammenhänge zu erkennen und sie zugleich zu problematisieren, um ihren Stellenwert in der Dynamik des sozialen Wandels immer erneut festlegen zu können.

Beziehen wir diese Aussagen auf unsere vorangehenden Überlegungen, dann können wir feststellen: Komplexe politische Zusammenhänge erfordern eine gesteigerte Informationsverarbeitungskapazität des Bürgers. Er muß also zahlenmäßig mehr und inhaltlich 54 vielfältigere, teilweise auch widersprüchliche Informationen miteinander in Beziehung setzen können. Er muß, und dies ist ein zweiter Aspekt der Verarbeitungskapazität, Struktur-muster über bestimmte Zusammenhänge, die er gespeichert hat (zum Beispiel die Aufgaben des Parlaments, Stellung des Abgeordneten, Funktion der Massenmedien, Einfluß der EWG-Kommission auf die nationale Gesetzgebung etc.), an neue Informationen anpassen können, um Veränderungen seiner Umwelt überhaupt wahrzunehmen. Verschließt er sich hingegen den Informationen, die den von ihm Bildern Strukturmustern gespeicherten bzw.

nicht entsprechen, dann läuft er Gefahr, sich an überholten Maßstäben zu orientieren. Das aber daß heißt auch, er Kriterien geeignete braucht, um zu Die auswählen können. Art der Informationsselektion und der damit bewirkten Reduktion komplexer Zusammenhänge bestimmt die Merkmale seiner politischen Einstellungen. Politische Einstellungen können somit als Objektivierungen von Prozessen der Informationsverarbeitung verstanden werden. Politischer Idyllismus wäre dann eine spezifische Form der Informationsverarbeitung. Daß die Informationsverarbeitung nicht nur von individuellen Prädispositionen, sondern auch von sozialen Bedingungen abhängt, sei nur nebenbei erwähnt. Dieser Punkt wird uns noch an anderer Stelle beschäftigen. Ohne Zweifel hat die Komplexitätszunahme des politischen Systems einer demokratisch-organisierten Gesellschaft zunächst negative Folgen für die individuelle Selbstbestimmung. Partizipation auf der Basis entbürokratisierter und demokratisierter (Stichwort: Öffentlichkeit) Entscheidungsprozesse als Korrektiv gegen jene Folgen ist ein Konzept, das das Problem zwar sieht, aber zu kurzschlüssigen Lösungen ermuntern könnte. Das Mißverhältnis zwischen der Politisierung der Gesamt-gesellschaft, das heißt der tendenziellen Möglichkeit der politischen Gestaltung fast aller Lebensbereiche, und der relativen Entpolitisierung der Bevölkerung (Indikator: politische Beteiligung) läßt sich nicht allein dadurch korrigieren, daß dem Bürger neue Chancen zur politischen Beteiligung aufgezeigt und durch organisationsinterne Veränderungen auch ermöglicht werden. Eine Veränderung politischer Einstellungen muß hinzukommen, und zwar im Sinne einer differenzierteren Informationsverarbeitungskapazität. Jede Strategie zur Steigerung der Partizipationsbereitschaft der Bürger, die diesen Zusammenhang nicht beachtet, spart eine für den Erfolg wichtige Dimension aus.

IV. Merkmale des politischen Idyllismus

Politischer Idyllismus ist eine Form der individuellen Reduktion von Komplexität, eine spezifische Weise der Informationsverarbeitung, die den komplexen Verhältnissen der parlamentarischen Demokratie nicht angemessen ist. Versuchen wir nun, diese abstrakten Aussagen zu konkretisieren und vor allem inhaltlich näher zu bestimmen: 1. Erwartungen, Strukturierungskriterien und Urteilsmaßstäbe Der (a) politische Erwartungshorizont, die (b) Strukturierungskriterien und die (c) Urteils-maßstäbe eines Bürgers sind die konstituierenden Komponenten, mit deren Hilfe politischer Idyllismus nachgewiesen und operationalisiert werden kann.

a Der grundsätzliche politische Erwartungshorizont eines Bürgers schlägt sich in seinem Urteil über die Parteien, die Verbände, das Par-lament, die Politiker etc. nieder. Wie die Umfrageergebnisse gezeigt haben, ist ein typisches Merkmal des politischen Idyllismus unter dieser Perspektive die Mischung aus formaler Anerkennung und einer auffallenden Verkennung der Funktionen jener Teilbereiche des politischen Systems, einer Verkennung, die mit unreflektierten Vorstellungen darüber verbunden ist, wie politische Entscheidungen „eigentlich" getroffen werden sollten (durch den Fachmann, den besten Mann an der Spitze etc.). Typische Strukturierungskriterien für dieses Einstellungsmuster sind harmonistische Vorstellungen, ein ausgeprägtes Unverständnis für den Konfliktcharakter der Politik und Begriffe wie Gemein-* wohl, mit deren Hilfe die Erfahrungen einer zunächst diffusen politischen Umwelt geordnet werden. Daraus ergeben sich dann charakteristische Urteils-und Handlungsmaßstäbe, die zum Beispiel keinen Zusammenhang zwischen dem einzelnen und der Verfassungsordnung herzustellen vermögen, denen es an logischer Stringenz und an Realitätserfahrung fehlt. 2. Monokausale Orientierungen und politisches System Politischer Idyllismus äußert sich in dem unbewußten, erst durch gezielte Fragen nachweisbaren Verlangen des einzelnen, die politischen Zusammenhänge in der Demokratie als eindeutig, monokausal erklärbar und dem sozialen Wandel entzogen zu erfahren. Auf diese Weise übt dieses Einstellungsmuster für den einzelnen eine wichtige Filterfunktion zum Verstehen und Beurteilen seiner Umwelt und zur eigenen Orientierung in ihr aus.

Politischen Idyllismus als ein rein individuelles Problem zu betrachten, wäre schon deshalb falsch, weil die Umwelt solche Bezugssysteme natürlich mitgestaltet, wie noch zu zeigen sein wird. Die gesellschaftliche Relevanz des politischen Idyllismus ergibt sich aber auch noch aus einem anderen Grund. Die relative Stabilität eines politischen Systems und seine Belastbarkeit in Krisensituationen hängen neben anderen Faktoren auch von den verinnerlichten Erwartungen der Bürger ab, die sich zusammen mit jenen Einstellungen bilden. Denn die Art und Weise, wie die Bürger über politische Sachverhalte (Verfahrensweisen, Normen, Institutionen) und politische Probleme denken und dann auch sprechen, ist nicht nur Ausdruck individueller Wahrnehmung, sondern zugleich auch Grundlage für die überhaupt möglichen legitimen Interaktionen im politischen System und hat daher konkrete soziale Folgen. Das Sprechen über Politik hat nicht nur abbildenden und reproduzierenden Charakter, es gestaltet die politische Umwelt des Bürgers zum Teil mit, indem es diese begrifflich ordnet, sie unter einer bestimmten Perspektive erfaßt, sie dadurch ins Bewußtsein hebt und dem Zugriff des einzelnen zugänglich macht. Die kognitiven und evaluativen Fähigkeiten der Bürger sowie ihre affektiven Prädispositionen beeinflussen den Gesamtcharakter des politischen Systems und den Vorgang der Entscheidungsfindung insofern, als sie darüber mitentscheiden, was den Bürgern „zugemutet" werden kann und mit welcher Unterstützung die Regierung für die Lösung bestimmter Probleme rechnen kann Daher ist politischer Idyllismus genausowenig als eine Privatangelegenheit zu bewerten wie beispielsweise politischer Radikalismus. 3. Harmonieverlangen Die Komplexität des politischen Systems wird subjektiv als Unverständlichkeit der Politik registriert. Der Eindruck mancher Bürger von der Unverständlichkeit der Politik ist jedoch nicht allein eine Folge der auf allen Ebenen des politischen Systems stattfindenden Komplexitätszunahme. Zu einem guten Teil entsteht er auch dadurch, daß das Verständnis dieser Prozesse mit falschen Kategorien gesucht wird. Der Bürger nimmt Zuflucht zu vereinfachenden Vorstellungen, Erwartungen und Bildern, um die Verfügung über seine politische Umwelt nicht zu verlieren. In Wirklichkeit schirmt er sich auf diese Weise gegen sie ab. Er orientiert sich lieber an emotional befriedigenden Erklärungen, anstatt sich dem Risiko der Ungewißheit auszusetzen und den Mühen der kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Menschen „suchen und finden in der politischen Welt eine apolitische Weise, sich mit ihr zu beschäftigen" Daß sie von den Massenmedien dazu ermuntert werden, kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden. Die Art, wie solchermaßen die komplexe Wirklichkeit verarbeitet wird, führt nicht zur Erkenntnis, nicht zum Verstehen, sondern zu Mißverständnissen und in ihrem Gefolge zu Frustrationen.

Das Gefühl, den Interessen von Parteien und Verbänden ausgeliefert zu sein, die Unsicherheit in der Beurteilung von Ereignissen des makropolitischen Bereichs und das Unvermögen, Zusammenhänge wie z. B. die zwischen der Auseinandersetzung um das Presserecht und der eigenen Situation zu erkennen, stellt den Bürger zwar nicht zwangsläufig 59) vor die Alternative eines unkontrollierten Engagements oder der völligen Apathie. Neben einem irrationalen Anschluß an eine politische Gruppe mit einem charismatischen Führer oder einem Abrücken von der Politik überhaupt ist noch eine dritte Reaktion möglich, von der hier die Rede ist. Es ist die Reaktion des „Spitzwegdemokraten", der durchaus ein gewisses, in bestimmten Situationen auch aktualisierbares Interesse wahrt, dessen Beurteilungskriterien und Erwartungen jedoch bruchstückhaft und inkongruent sind. Seine Harmonieerwartungen werden von den permanenten Konflikten um gegensätzliche Interessen und Prioritäten im Parlament, zwischen Parteien und Verbänden getäuscht, bleiben jedoch nichtsdestoweniger in seinem Bewußtsein verankert. Ihm entgehen die Intentionalität und Normativität der politischen Sprache und die damit ver vor die Alternative eines unkontrollierten Engagements oder der völligen Apathie. Neben einem irrationalen Anschluß an eine politische Gruppe mit einem charismatischen Führer oder einem Abrücken von der Politik überhaupt ist noch eine dritte Reaktion möglich, von der hier die Rede ist. Es ist die Reaktion des „Spitzwegdemokraten", der durchaus ein gewisses, in bestimmten Situationen auch aktualisierbares Interesse wahrt, dessen Beurteilungskriterien und Erwartungen jedoch bruchstückhaft und inkongruent sind. Seine Harmonieerwartungen werden von den permanenten Konflikten um gegensätzliche Interessen und Prioritäten im Parlament, zwischen Parteien und Verbänden getäuscht, bleiben jedoch nichtsdestoweniger in seinem Bewußtsein verankert. Ihm entgehen die Intentionalität und Normativität der politischen Sprache und die damit verbundene Notwendigkeit, politische Begriffe einer ständigen inhaltlichen Überprüfung zu unterwerfen. Statt dessen bestimmen zu Schablonen geronnene Begriffe wie Volksherrschaft, Volkswille und Gemeinwohl sein Bild der Demokratie, deren Bedeutungsgehalt er nur oberflächlich begreift. 4. Begriffsrealismus Der begriffsrealistische Umgang mit ihrer Natur nach abstrakten Aussagen ist ein typisches Kennzeichen des politischen Idyllismus. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: a) Volkswille Angesichts der immer wieder nachweisbaren Hypostasierung des Volkswillens in der politischen Vorstellungswelt vieler Bürger empfiehlt es sich, auf die Unterscheidung zwischen dem empirischen und dem hypothetischen Volkswillen (Ernst Fränkel) hinzuweisen die ein differenziertes und zugleich rational begründetes Verständnis dieses Begriffs ermöglicht. Unter dem empirischen Volkswillen ist der Wille der Mehrheit zu verstehen, während der hypothetische Volkswille die Identität der Willens-richtungen aller Bürger meint. Eine solche Identität ist aber nur hinsichtlich der Gültigkeit eines Entscheidungsverfahrens, nicht im Hinblick auf eine konkrete Entscheidungsfrage zu erwarten. Die Aussage, Demokratie sei die Verwirklichung des Volkswillens, kann daher nur bedeuten: „Es ist der Wille der Mehrheit, daß dies so oder so geregelt wird; es ist aber der Wille aller, daß dieser Mehrheitswille gelten soll." 61) In der Behauptung Rousseaus, die Bürger könnten den „Allgemeinwillen" ausfindig machen, sofern sie sich nicht von Sonderinteressen leiten lassen, steckt unübersehbar ein freiheitsbedrohendes Element 62). Ohne jede inhaltliche Fixierung kann dieser Begriff manipulativ zur Rechtfertigung jeglicher Machtausübung verwendet werden. Der empirische Volkswille im Sinne des Willens der Mehrheit der Bürger zu bestimmten Fragen ist nicht einfach vorgegeben, sondern muß immer erst im Verlauf eines komplizierten Prozesses gebildet werden. Aufgabe des Parlaments kann es daher nicht sein, einen fiktiven Volkswillen zu verwirklichen, sondern sie besteht darin, einen verbindlichen Mehrheitswillen hervorzubringen, der nur als das Ergebnis eines Ausgleichs zwischen den jeweils betroffenen Interessen verstanden werden kann. b) Gemeinwohl Das Gemeinwohl 63), um ein anderes Beispiel anzuführen, ist keine apriorische und damit verbindlich definierbare Größe, wie es häufig den Anschein hat. Der emotionale Wert dieses Begriffs darf nicht darüber hinwegtäu-sehen, daß sich dahinter leicht Einzel-und Gruppeninteressen verbergen lassen, denen auf diese Weise eine höhere Weihe verliehen werden soll. Außerdem hat die Geschichte Beispiele genug dafür geliefert, wie ein einzelner oder eine Gruppe autoritativ bestimmen können, was Gemeinwohl ist, sofern sie nur über die geeigneten Machtmittel zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen verfügen. In Wirklichkeit erfordert jedes neu auftauchende gewichtige Problem in der Demokratie eine Übereinkunft, was man zum Zweck einer konkreten Problemlösung unter Gemeinwohl verstehen will, ob es sich dabei um eine Steuerreform, um wirtschaftspolitische Maßnahmen oder um außenpolitische Fragen handelt. Daß bei diesem Vorgang unterschiedliche Gemeinwohlvorstellungen miteinander konkurrieren, ist offensichtlich. Gemeinwohl ist kein inhaltlich verbindlich zu definierender Begriff, sondern als eine regulative Idee zu verstehen, als eine Verfahrens-garantie für einen demokratischen Entscheidungsprozeß. Gemeinwohl ist ein Konzept zur friedlichen Integration gegensätzlicher Interessen, die natürlich immer als Integration auf Zeit, als ständig neu zu lösende Aufgabe im Prozeß des sozialen Wandels zu denken ist. c) Grundrechte Politische Institutionen, Verfahrensweisen und Normen sind Ergebnisse bestimmter historischer Entwicklungen und Erfahrungen und daher einem ständigen Wandel unterworfen. Daraus ergeben sich Funktionsverlagerungen und somit auch die Notwendigkeit neuer Abgrenzungen und Kompetenzzuweisungen. Die liberalen Grundrechte bedürfen in einer hochtechnisierten, durchrationalisierten und arbeitsteilig organisierten Gesellschaft einer erweiterten Interpretation, die ihre soziale Dimension stärker hervorhebt. Dies ist nicht gleichzusetzen mit der Einführung neuer ausgesprochen sozialer Grundrechte 64), wie etwa des Rechts auf Arbeit. Der Grundgedanke der klassischen Menschen-und Bürgerrechte, nämlich die Garantie personaler Freiheit, erfordert wegen der veränderten Lebensbedingungen in der modernen Industriegesellschaft geradezu, daß der Staat zu ihrer Verwirklichung beiträgt, wenn verhindert werden soll, daß sie zu Rechten für ökonomisch unabhängige Minderheiten werden. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit beispielsweise ist nur dann für alle Bürger gewährleistet, wenn durch staatliche Maßnahmen, die Presserecht und Presse-konzentration betreffen, verhindert wird, daß es zum Recht wirtschaftlich potenter Verleger oder Verlagsgruppen wird, ein Meinungsmonopol auszuüben. Für Rundfunk und Fernsehen gilt analog, daß sie vor dem einseitigen Zugriff von Interessengru wie etwa des Rechts auf Arbeit. Der Grundgedanke der klassischen Menschen-und Bürgerrechte, nämlich die Garantie personaler Freiheit, erfordert wegen der veränderten Lebensbedingungen in der modernen Industriegesellschaft geradezu, daß der Staat zu ihrer Verwirklichung beiträgt, wenn verhindert werden soll, daß sie zu Rechten für ökonomisch unabhängige Minderheiten werden. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit beispielsweise ist nur dann für alle Bürger gewährleistet, wenn durch staatliche Maßnahmen, die Presserecht und Presse-konzentration betreffen, verhindert wird, daß es zum Recht wirtschaftlich potenter Verleger oder Verlagsgruppen wird, ein Meinungsmonopol auszuüben. Für Rundfunk und Fernsehen gilt analog, daß sie vor dem einseitigen Zugriff von Interessengruppen und Parteien zu schützen sind. d) Parlament Die Offentlichkeitsfunktion des Parlaments 65), um ein anderes Beispiel zu nennen, ist nur dann mehr als ein Postulat, wenn die Abgeordneten durch neue institutioneile Vorkehrungen von Detailproblemen entlastet werden, um sich statt dessen auf die zentralen politischen Grundsatzfragen konzentrieren zu können. Die Effektivität des Parlaments mißt sich nicht nach der Zahl der verabschiedeten Gesetze, sondern nach seiner Einwirkung auf die Willensbildung in der Bevölkerung. Auf der anderen Seite ist die große Zahl der Gesetze eine Folge der Entwicklung zum interventionistischen Daseinsvorsorgestaat, auf dessen regulierenden und verteilenden Eingriff nicht verzichtet werden kann. Das Problem liegt demnach darin, einen Maßstab zu finden, um die politisch relevanten Fragen von den eher technischen zu trennen und das Parlament im zweiten Fall nur noch mit der Kontrolle der durch die Bürokratie vorgelegten Lösungen zu betrauen. Auf jeden Fall bedarf es dazu institutioneller Veränderungen, die die Arbeitsweise des Bundestags teilweise neugestalten. Traditionelle Antworten reichen nicht aus. e) Politik und Ministerialbürokratie Betrachten wir noch einen anderen Gesichtspunkt des politischen Prozesses, der ebenfalls von den klischeehaften Vorstellungen vieler Bürger nicht erfaßt werden kann. Der Informationsvorsprung der Ministerialbürokratie gegenüber Parlament und Kabinett als einer unmittelbaren Folge der internen Spezialisierung und des Zugangs zu externen Datenlieferanten (Verbände, Beiräte) führt zu folgenreichen Verschiebungsvorgängen im politischen Entscheidungsprozeß. „Relevante politische Auswahlprobleme, die ein Wählen unter miteinander unvereinbaren Möglichkeiten und deshalb die Übernahme von Risiko und politischer Verantwortung erfordern, stellen sich in immer fortschreitendem Maße in dem Bereich der angeblichen Ausführung angeblich determinierender Globalziele. Dieser Verschiebungsvorgang ist der Grund für die fortschreitende Einschaltung der bürokratischen Apparate in den Prozeß der politischen Alternativauswahl, nicht nur innerhalb der ihnen mit Allgemeinbegriffen implizit oder explizit zugestandenen Ermessenräume, sondern auch im Rahmen der Vorbereitung von letztlich den politischen Gremien zustehenden Entscheidungen." Versäumt es die politische Führung, Prioritäten zu setzen und mittel-und langfristige Zielvorstellungen zu entwerfen, dann führt dieses „Defizit an politischer Führung" dazu, daß wichtige Vor-entscheidungen in der Ministerialverwaltung getroffen und die Handlungsalternativen gar nicht erst im Kabinett diskutiert werden. Es ist daher eine wichtige Aufgabe des Kabinetts, seine Leitungs-und Lenkungsfunktion wahrzunehmen, aber auch der Opposition im Parlament, in der Auseinandersetzung mit der Mehrheitsfraktion die denkbaren und brauchbaren Problemlösungsstrategien zu umstrittenen Fragen der Öffentlichkeit zu unterbreiten, damit der „Vorgang sozialen Wählens unter alternativen Handlungsprogrammen" wie man politisches Handeln bezeichnen kann, sich nicht primär in den demokratisch nicht legitimierten administrativen Bereich verlagert. i) Zusammenfassung Es ließen sich unschwer weitere zentrale Probleme beschreiben, die den verbreiteten Stereotypen politischer Vorstellungen widersprechen Festzuhalten bleibt, daß die Kriterien und Urteilsmaßstäbe des politischen Idyllismus ungeeignet sind, dem Bürger die Bedeutung dieser Zusammenhänge und institutioneilen Veränderungen vor Augen zu führen. Seine gestörte Wahrnehmung läßt die Frage gar nicht aufkommen, wie etwa demokratische Normen unter den Bedingungen veränderter sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse verwirklicht werden sollen, und sie verstellt den Blick für Programme, wie sie sich etwa durch das politische Gewicht der administrativen Entscheidungsvorbereitungen ergeben. Tradierte Bilder, die den Vorzug der unmittelbaren Plausibilität haben, bruchstückhafte Einsichten und nicht weiter reflektierte Erwartungen bilden zusammen ein Gefüge, das den für rationale Einstellungen notwendigen Informationsstrom in ein bloßes Rinnsal verwandelt.

V. Ursachen des politischen Idyllismus

Die Kombination von teils bewußtem, teils unbewußtem Informationsverzicht und die Überzeugungskraft von monokausalen Erklärungen bedeuten für den dafür anfälligen Bürger Entlastung angesichts der Komplexität des politischen Systems. Zugleich wird er dadurch wieder in Konflikte gestürzt, sobald er mit Problemen und Tatsachen seiner politischen Umwelt konfrontiert wird und sich mit seiner inadäquaten kognitiven und evaluativen Verarbeitungskapazität in ihr orientieren muß. Politischer Idyllismus ermöglicht zwar kurzfristige Entlastung von der Notwendigkeit sozialen Lernens. Dieses Einstellungsgefüge trägt jedoch bereits den Keim für neue Streßsituationen in sich.

In unseren bisherigen Ausführungen wurde das Einstellungsmuster mit Hilfe des analytischen Instruments der Informationsverarbeitung und der Komplexitätsreduzierung umzuformulieren versucht und in seinen konkreten Äußerungsformen dargestellt. Ungeklärt blieb bisher die Frage nach den Ursachen des politischen Idyllismus. 1. Interdependenz von individuellen und sozialen Faktoren Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß individuelle Faktoren und sozialstrukturelle Bedingungen Zusammenwirken. Eine Analyse, die einseitig nur auf die individuellen bzw. die sozialen Komponenten abhebt, beraubt sich der Chance zu differenzierten Aussagen. Uber das jeweilige Mischungsverhältnis läßt sich allerdings nur anhand empirischer Untersuchungen etwas sagen. Die Frage, ob politischer Idyllismus mehr durch spezifische Persönlichkeitsmerkmale oder eher durch die Bedingungen des sozialen Umfelds des Bürgers begünstigt wird, kann nicht generell beantwortet werden, solange keine repräsentativen Erhebungen vorliegen, die sich gerade auf diesen Punkt konzentrieren. Im Einzelfall ist es durchaus möglich, daß individuelle Merkmale die politische Einstellung eines Bürgers stärker prägen als die Sozialdaten wie Alter, Geschlecht und Einkommen oder die direkten Einflüsse seiner sozialen Umwelt. Generalisierende Aussagen auf dieser Grundlage sind jedoch wenig ergiebig. Es ist daher auch nicht unsere Absicht, in die Diskussion dieser Frage im einzelnen einzutreten Die Kontrastierung von individuellen und sozialen Faktoren im Sinne eines jeweils erhobenen Ausschließlichkeitsanspruchs führt zu Pseudoproblemen und ist nur als heuristisches Prinzip und unter rein forschungsstrategischen Gesichtspunkten zu rechtfertigen. Halten wir statt dessen fest, daß die Einflüsse der Umwelt durch die psychologischen Prädispositionen (Persönlichkeitsmerkmale) des einzelnen vermittelt und gefiltert werden und erst dann zu Antworten im Sinne von Einstellungen und Verhaltensweisen führen. Dabei ist zu beachten, daß die psychologischen Prädispositionen ihrerseits in beträchtlichem Maße durch die Umwelt bestimmt sind, vornehmlich durch frühere soziale Erfahrungen 2. Psychologischer Ansatz Psychologische Prädispositionen wie z. B. Angst oder geringes Selbstvertrauen beeinflussen die Prozesse der Wahrnehmung, des Urteilens und des Lernens, die bei der Herausbildung von Einstellungen mitwirken. Sie bestimmen auf diese Weise zum Teil den Grad der politischen Bewußtheit des Bürgers, seine Fähigkeit, politische Reize richtig wahrzunehmen und zu interpretieren und die Art, wie er seine Gedanken verknüpft a) Orientierungsangst Nach Sniderman und Citrin wirken die Persönlichkeitsfaktoren bei der Herausbildung von politischen Einstellungen um so stärker mit, je weniger die Antworten auf politische Reize durch logische, ideologische und soziale Zwänge bestimmt werden Ihre Untersuchungen über die Zusammenhänge zwischen Selbstvertrauen und Isolationismus zeigen die Rolle, die ein Persönlichkeitsmerkmal zu spielen vermag. Dieses Ergebnis darf aber wiederum nicht so verstanden werden, als bestehe in jedem einzelnen Fall eine kausale Verknüpfung zwischen einer bestimmten Ein-Stellung (bei Sniderman und Citrin war es Isolationismus) und einem ihm zuzuordnenden Persönlichkeitsmerkmal. Dieselbe Einstellung kann auch auf andere Ursachen wie etwa ökonomische Interessen oder Identifizierung mit einer Bezugsgruppe zurückzuführen sein. Wichtig an dem Untersuchungsergebnis ist, daß sich Isolationisten des ersten Typs (Persönlichkeitsmerkmal) und Isolationisten des zweiten Typs (andere Ursachen) deutlich in ihren Ansichten über eine ganze Anzahl politischer Fragen unterschieden Die individuelle Prädisposition übt folglich einen wichtigen Einfluß auf den politischen Erwartungshorizont des Bürgers aus.

Die kennzeichnenden individuellen Prädispositionen, die mit politischem Idyllismus verbunden sind, sind eine ausgeprägte Konfliktscheu, der Wunsch nach Harmonie und das Verlangen nach einfach strukturierten Erklärungen als Ausdruck einer unbewußten Orientierungsangst.

Wir sprachen davon, daß politischer Idyllismus eine Weise unzureichender Informationsverarbeitung und mithin unzulässiger Reduktion von Komplexität ist. Diese Feststellung muß mit den genannten individuellen Prädispositionen in Beziehung gesetzt werden. Diese schränken das Interesse des Bürgers an Informationen über Politik und an ihr selbst ein, sie verringern dadurch seine Fähigkeit des sozialen Lernens und zerstören den logischen Zusammenhang seiner politischen Überzeugungen. Auf die bruchstückhaften und inkongruenten Vorstellungen und Meinungen als Merkmale des politischen Idyllismus wurde bereits mehrfach hingewiesen. Ähnliche logische Widersprüche entdeckten Sniderman und Citrin in ihrer Untersuchung, und ihre Erklärung erweist sich auch für unser Problem als brauchbar

Ungeachtet der zahlreichen logischen Widersprüche und Ungereimtheiten liegt den Auffassungen, die wir dem politischen Idyllismus zuordnen, eine gemeinsame psychologische Motivation zugrunde, und in diesem Sinn bilden sie durchaus ein zusammenhängendes Ideensystem. Der durch die individuellen Prädispositionen geschaffene Zusammenhang dieses Gefüges politischer Vorstellungen ist also nicht logisch begründet, sondern psychologisch motiviert. Die Einzelaussagen, die insgesamt das Einstellungsmuster des politisehen Idyllismus bilden, stehen im Dienst eines gemeinsamen, psychologisch zu erklärenden Motivs der Konfliktscheu und des Verlangens nach Harmonie und Eindeutigkeit. Auf dieser Ebene erweisen sie sich als durchaus folgerichtig. Nicht die Logik ist der gemeinsame Nenner der einzelnen Aussagen, sondern ein individuell verankertes Bedürfnis. b) 'Wissensfunktion Nach Katz erfüllen politische Einstellungen insgesamt vier verschiedene Funktionen für den einzelnen, wobei durchaus eine bestimmte Einstellung multifunktional sein und andererseits eine Funktion von mehreren Einstellungen verwirklicht werden kann. Der Funktionsbegriff wird von Katz auf die individuell bedingten Bedürfnisse des einzelnen bezogen und führt zu folgender Unterscheidung:

Die Anpassungsfunktion (adjustment function) einer Einstellung ist dadurch gekennzeichnet, daß der einzelne auf diese Weise Strafen zu vermeiden und Belohnungen durch seine Umwelt zu maximieren sucht. Die Funktion der Ich-Verteidigung (ego-defensive function) hilft dem einzelnen, sich gegen die u. U. unangenehme Anerkennung einiger Wahrheiten über ihn selbst und über die Realitäten seiner Umwelt zu schützen. Die Funktion der Ich-Verteidigung (ego-defensive sive function) bezieht sich auf die Tatsache, das es dem einzelnen Befriedigung verschafft, wenn er seine Wertvorstellungen und sein Selbstverständnis artikulieren kann. Die Wissensfunktion (knowledge function) schließlich beruht auf dem Bedürfnis des einzelnen, seine Umwelt zu verstehen, sie strukturieren zu können und sich Klarheit über sie zu verschaffen

Dieser funktionale Ansatz kann selbstverständlich nur als eine von mehreren möglichen Perspektiven angesehen werden, um die individuellen Komponenten politischer Einstellungen zu verdeutlichen. Auf die theoretischen Probleme der funktionalistischen Betrachtungsweise brauchen wir in diesem Zusammenhang nicht einzugehen Legen wir die genannten Kriterien zugrunde, dann erfüllt politischer Idyllismus vor allem die Wissensfunktion. Als ein Gefüge zur Stukturierung einer komplexen Umwelt, als ein Bezugsrahmen des einzelnen zu seiner Orientierung in ihr soll politischer Idyllismus Ungewißheit abbauen helfen. So gesehen wirkt dieses Einstellungsmuster wie die von Lippmann bereits 1922 beschriebenen Stereotypensysteme: „Sie sind ein geordnetes, mehr oder minder beständiges Weltbild, dem sich unsere Gewohnheiten, unser Geschmack, unsere Fähigkeiten, unser Trost und unsere Hoffnungen angepaßt haben. Sie bieten vielleicht kein vollständiges Weltbild, aber sie sind das Bild einer möglichen Welt, auf das wir uns eingestellt haben . . . Ein Stereotypen-modell ist nicht neutral. Es ist nicht nur eine Methode, der großen, blühenden, summenden Unordnung der Wirklichkeit eine Ordnung unterzuschieben. Es ist nicht nur ein Kurzschluß. Es ist dies alles und noch etwas mehr. Es ist die Garantie unserer Selbstachtung; es ist die Projektion unseres eigenen Wertbewußtseins, unserer eigenen Stellung und unserer eigenen Rechte auf die Welt. Die Stereotypen sind daher in hohem Grade mit den Gefühlen belastet, die ihnen zugehören. Sie sind die Festung unserer Tradition. Hinter ihren Verteidigungsanlagen können wir uns weiterhin in der von uns gehaltenen Stellung sicher fühlen." 3. Sozialstruktureller Ansatz Individuelle Prädispositionen spielen zweifellos eine Rolle bei der Herausbildung des politischen Idyllismus und tragen ihren Teil zur Stabilisierung dieser Einstellung bei. Allerdings kann mit dem skizzierten psychologisch-funktionalen Ansatz nur eine Dimension des Problems erfaßt werden. In Wirklichkeit haben wir es mit einem vieldimensionalen und interdependenten Ursachenbündel zu tun, das notwendigerweise durch jeden analytischen Zugriff stark vereinfacht wird. Die zweite Dimension, die es in unsere Betrachtung noch einzubeziehen gilt, sind die im sozialen Umfeld des Bürgers wirksamen Ursachen. Zwei Ansätze zur Erklärung bieten sich an: der gesellschaftskritische sozial-strukturelle Ansatz und der Sozialisationsansatz.

a) Entfremdung durch Frustration Der erste Ansatz arbeitet mit dem von Marx übernommenen Begriff der Entfremdung im Sinne eines Spannungszustandes zwischen Individuum und politischem System. Die verschiedensten Einstellungen und Verhaltensweisen lassen sich dann als Ausdruck der politischen Entfremdung des einzelnen verstehen, beispielsweise auch das hier beschriebene Einstellungsmuster des politischen Idyllismus. In kritischer Auseinandersetzung mit dem in der amerikanischen sozialwissenschaftlichen Forschung verwendeten Entfremdungsbegriff entwickelt Fischer die Hypothese, derzufolge als zentraler Begriff zur Erklärung von Entfremdung der Begriff der Frustration des Individuums in der heutigen Gesellschaft herangezogen werden sollte Frustration wird dabei als eine Folge der ungerechten Güterverteilung, der unterschiedlichen Möglichkeiten des Zugangs zu Machtpositionen und des offensichtlichen Gegensatzes zwischen Ideologie und Realität der Gesellschaft verstanden Da der politische Bereich nicht als überschaubar bezeichnet werden kann, da dem frustrierten Individuum folglich kein geeignetes Aggressionsziel zur Verfügung stehe, reagiere es mit Einstellungen und Verhaltensweisen, die seiner Entfremdung Ausdruck verleihen. Die Ursachen der Entfremdung des Individuums sind nach Fischer ausschließlich in der Struktur des gesellschaftlichen Systems zu suchen, während die entsprechenden individuellen Einstellungen lediglich als Reflexe dieses gesamtgesellschaftlichen Zustandes zu bewerten sind Die weitere Differenzierung, die Fischer hinsichtlich der gesellschaftlich determinierten Qualität und der individuell bestimmten Quantität der Entfremdung vornimmt ändert am Kem dieser Aussage nichts. b) Kritik Politischer Idyllismus ließe sich zwar als eine Variante politischer Entfremdung im oben genannten Sinn darstellen. Doch die Erklärungskraft der von Fischer entwickelten sozioökonomischen Frustrationshypothese ist zu gering, weil sie letzten Endes in dem ein-dimensionalen Versuch stecken bleibt, den ungleichen Besitz von Produktionsmitteln in der Gesellschaft als Hauptursache für politische Entfremdung zu beschreiben und dann konsequenterweise auch keine andere Lösung anzubieten hat als die vage und nicht weiter problematisierte Forderung nach einer Änderung des Systems und nach der Anpassung der Struktur der Gesellschaft an die Bedürfnisse der Individuen Die Fragwürdigkeit dieses in manchen Einzelaspekten durchaus plausiblen Ansatzes liegt in seiner monokausalen Fixierung auf die Produktionsverhältnisse. Mit dieser Art von Reduktionismus, der mit einer einspurigen Ursache-Wirkung-Relation politische Einstellungen von der Apathie bis zum Radikalismus erklären will, können die konstituierenden Merkmale des politischen Idyllismus nicht ausreichend erfaßt werden. Dazu bedarf es spezifischerer Faktoren. 4. Sozialisationsansatz Der Sozialisationsansatz zielt auf die systematische Untersuchung solcher Faktoren im sozialen Umfeld des Bürgers. Unter politischer Sozialisation sind nach Easton jene Entwicklungsprozesse zu verstehen, durch die sich Menschen politische Orientierungen und Verhaltensmuster zu eigen machen Im Verlauf dieser Prozesse werden verhaltens-und orientierungsrelevante Kenntnisse, Über-zeugungen, Urteilskriterien, Gefühle, Werte, Normen und Symbole von Sozialisationsträgern an die Sozialisationssubjekte vermittelt und von diesen erlernt Familie, Schule, Bezugsgruppen, Arbeitsplatz, Massenmedien, Parteien, Verbände und das politische System in seiner Gesamtheit sind Sozialisationsträger (neben anderen), die unter dem Gesichtspunkt ihrer Frühwirkung, ihrer Dauerwirkung, ihrer Nähe und Unmittelbarkeit zum Individuum systematisiert und jeweils in Bezug zu spezifischen politischen Einstellungen und Verhaltensweisen gesetzt werden können. Eine andere Unterscheidung betrifft die Gegenüberstellung von latenter und manifester politischer Sozialisation Die Erfahrungen mit allgemein sozialen Verhaltensweisen in der Familie, mit dem dort vorherrschenden Autoritätsmuster etwa, können bestimmte politische Prädispositionen vorformen und sind dem Bereich der latenten politischen Sozialisation zuzurechnen. Von manifester politischer Sozialisation kann gesprochen werden, wenn in Familie und Schule bewußt politische Verhaltensweisen eingeübt werden. Noch wichtiger halten Almond und Verba die unbewußte Konfrontation mit politischen Meinungen und Bildern, die von den verschiedensten Sozialisationsträgern ausgehen, ohne daß damit die Absicht einer Verhaltens-und Einstellungsorientierung verfolgt wird

Zahlreiche Hypothesen versuchen den Einfluß der Sozialisationsträger je nach dem Zeitpunkt ihrer Einflußnahme, nach ihrer Exklusivität und nach ihrer individuellen Bewertung durch die Sozialisationssubjekte zu bestimmen In den meisten Fällen muß man sich jedoch immer noch auf Vermutungen beschränken Diese wenigen Bemerkungen lassen erkennen, daß politische Einstellungen als Produkte außerordentlich komplexer Prozesse verstanden werden müssen. Die zahlreichen Faktoren, die ursächlich an ihrer Entwicklung beteiligt sind, „schließen frühe Sozialisationserfahrungen und späte Sozialisationserfahrungen im Jugendalter sowie Nachsozialisationserfahrungen als Erwachsener mit ein. Sie umfassen politische und unpolitische Erfahrungen, Erfahrungen, die nach dem Willen anderer eine Wirkung auf politische Einstellungen haben sollen und solche, die unbeabsichtigt sind." Hinzu kommen intervenierende Variablen wie Bildungsstand und schichtenspezifische Daten, die verallgemeinernde Aussagen wiederum erschweren, da sie Sozialisationserfahrungen dämpfen oder auch verstärken können Insgesamt gesehen bietet die politische Sozialisationsforschung eine verwirrende Fülle von Hypothesen, von denen nur wenige ihre empirische Feuerprobe bereits bestanden haben. Der Stand der Forschung erlaubt keine generellen Aussagen darüber, welche Träger vorrangig die politische Sozialisation bestimmen. Allein die konkretere Frage nach den bestimmenden Faktoren klar umgrenzter Einstellungen mit spezifischen Merkmalen erlaubt es, aus der Vielzahl der in Betracht kommenden Faktoren eine einigermaßen gesicherte Auswahl zu treffen. Man muß vom variablen Einfluß der Sozialisationsträger ausgehen, die ihrerseits wieder dem sozialen und politischen Wandel unterliegen. „Diese Variabilität wird determiniert durch die gesamtgesellschaftliche Position des Sozialisationsträgers, durch seine spezifische innere Struktur und Zusammensetzung, durch die Beschaffenheit der Interaktionsprozesse, durch die psychischen Bedingtheiten auf selten des Sozialisators wie auch des Sozialisanden und durch die Bereitschaft und . Offenheit'des letzteren, der nicht einfach als willenloses Objekt angesehen werden darf, gegenüber den politischen Beeinflussungsversuchen." 5. Sozialisation durch Information Die determinierenden Faktoren des politischen Idyllismus müssen folglich auf der breiten Skala der denkbaren Sozialisationsträger von der Familie über den Arbeitsplatz bis hin zum gesamtpolitischen System gesucht werden. Die vorangehenden Überlegungen über den variablen Einfluß der verschiedenen Faktoren nach Maßgabe spezifischer Bedingungen ermahnen zur Vorsicht vor übereilten und empirisch ungesicherten Schlüssen. Mangels geeigneter empirischer Untersuchungen müssen wir uns daher auf eine Hypothese beschränken, deren empirische Relevanz unterstellt wird. Zu diesem Zweck greifen wir auf die informationstheoretische Formulierung unseres Problems zurück. a) Politischer Idyllismus und mediale Informationsvermittlung Wir gehen davon aus, daß politischer Idyllismus als eine der Komplexität des politischen Systems inadäquate Weise der Informationsverarbeitung vor allem eine Folge einer unzureichenden Informationsvermittlung ist. Sicher können nur die Informationen vermittelt werden, die der Rezipient anzunehmen bereit ist. Die genannten psychologischen Prädispositionen — Verlangen nach Eindeutigkeit, Harmonie und Konfliktlosigkeit der Interaktionen im politischen Bereich — sind solche Abwehr-und Selektionsfilter wie auch die bereits vom einzelnen gespeicherten Informationsstrukturen, die auf Sozialisationsprozesse in der Familie und andere Bereiche zurückgehen. Darüber hinaus muß jedoch gesehen werden, daß die Qualität des Informationsangebots, mit dem der einzelne täglich konfrontiert wird, Wirkungen auf den Verarbeitungsprozeß ausübt. Unzureichende Informationen verfestigen bereits verinnerlichte Bilder und Informationsstrukturen. Adäquate Informationen beinhalten zumindest die Chance der Korrektur der gespeicherten Informationsstrukturen, weil die meisten Menschen bestrebt sind, einer permanenten kognitiven Streßsituation zu entgehen. Allerdings ist dies nicht mehr als eine Chance nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit, da an die Stelle einer Veränderung und Anpassung der gespeicherten Informationsstrukturen auch ein radikaler Informationsverzicht treten kann, der dem einzelnen zunächst auch Entlastung verschaffen kann.

Wir haben gesehen, daß der politische Erwartungshorizont, die Strukturierungskriterien und die Urteilsmaßstäbe des politischen Idyllismus als bruchstückhaft, inkongruent und monokausal gekennzeichnet werden können. Ungeachtet der Tatsache, daß an der Formation des politischen Idyllismus ohne Zweifel eine ganze Reihe von Sozialisationsfaktoren beteiligt sind, ist der Einfluß der Informationsvermittlung durch die Massenmedien dabei als besonders nachhaltig anzusehen. Sicher vermag die Wirkungsforschung keine direkten, sozusagen ungefilterten Wirkungen der Massenkommunikation auf den Empfänger nachzuweisen und bedient sich weit differenzierterer Modelle (Meinungsführer, Zwei-Stufenfluß), um den Zusammenhängen zwischen Meinungsänderung und Kommuni-kation auf die Spur zu kommen Wenn wir daher auf die exzeptionelle Bedeutung der Massenmedien abheben, dann nicht, weil wir etwa eine kausale Verknüpfung zwischen Medium und politischen Einstellungen behaupten. Die Bedeutung ergibt sich aus dem spezifischen Charakter des politischen Idyllismus, eines Einstellungsmusters, das sich im wesentlichen als ein — wie auch immer motiviertes — Mißverständnis der komplexen politischen Umwelt darstellt. Die Frage, wer diesem Mißverständnis Vorschub leistet, es nicht abzubauen hilft, sondern eher verfestigt, verweist uns auf die Massenmedien, die häufig gerade die Kriterien und Maßstäbe liefern, die politischen Idyllismus kennzeichnen. Wenn Hainke hinsichtlich der Vermittler-funktion der Massenmedien die Frage auf-wirft, inwieweit der einzelne von ihren Aussagen überhaupt erreicht wird, wieweit also Information und Meinungsbildung durch die Massenmedien zur Formung seiner politischen Einstellungen beitragen oder ob sich nicht vielleicht Selektionsmechanismen im einzelnen bzw. in seiner sozialen Umgebung vollziehen, die eine Sperre gegen abweichende politische Meinungen bilden dann ist festzustellen, daß diese Bedenken angesichts des Standes der Wirkungsforschung zu Recht bestehen. Ein wichtiger Gesichtspunkt, den Zoll und Hennig in ihrer Untersuchung geltend machen, ist aber der, daß die Filterwirkung von Bezugssystemen bzw. Selektionsmechanismen in hohem Maße davon abhängt, wie sie entstehen. Es besteht aber kein Zweifel daran, daß sie von den Massenmedien zumindest mitgeschaffen werden, so daß die Massenmedien letzten Endes auf Bezugssysteme rekurrieren, deren Miturheber sie sind „Losgelöst, als reine Information erscheinend, strukturieren die in den Massenmedien enthaltenen Informationen einen Teil der Wirklichkeit für das Individuum, wenn sie auch auf die Raster primärer Erfahrung hoffen. In vorgegaukelter Sachlichkeit, ihres eigenen sozialen Hintergrunds enthoben, bilden sie fürs Individuum wiederum die Grundlage zur Interpretation aller weiteren Ereignisse und Informationen, die außerhalb des Bereichs der persönlichen Erfahrung liegen." 95a)

Politischer Idyllismus ist kein Gefüge von verinnerlichten Meinungen über kontroverse und politisch umkämpfte Tatbestände, sondern ein Muster zur Welterfahrung. Ob man von einer Einwirkung der Massenmedien auf die aktuelle Meinungsbildung des einzelnen sprechen kann, braucht uns daher hier nicht weiter zu beschäftigen. Uns geht es vielmehr um die von den Inhalten konkreter Ereignisse losgelösten Strukturmuster, die mit den Informationen geliefert werden und, so lautet unsere Hypothese, politischem Idyllismus Vorschub leisten. Wie die bisher vorliegenden Inhaltsanalysen der Massenkommunikation bestätigen stellt sich das Problem ja nicht in der Art, daß realitäts-und komplexitätsadäquate Information vermittelt, aber von einer bestimmten Anzahl von Individuen abgelehnt und nur selektiv verarbeitet würde. Vielmehr muß den Medien mit den höchsten Auflagen bzw. Einschaltquoten eine simplifizierende Verzerrung politischer Zusammenhänge bescheinigt werden. Die Rezipienten, die sich ausschließlich dieser Quellen bedienen, haben also gar keine Chance, ihre kognitive Streßsituation zu entschärfen, indem sie ihre gespeicherten Informationsstrukturen realitäts-und problemgerechteren Bildern anpassen, da diese ja nicht geliefert werden. b) Politische Realität als vermittelte Realität Die Entscheidungsprozesse im makropolitischen Bereich sind für den einzelnen Bürger nur ausschnitthaft und daher unvollkommen zu erleben, etwa dann, wenn er an einer Demonstration teilnimmt, eine solche beobachten kann oder wenn er im Bundestag eine Debatte, eine Abstimmungsprozedur verfolgt. Zum größten Teil ist die politische Realität für den Bürger eine vermittelte Realität. Das gilt ganz besonders für alle Fragen der internationalen Politik. Daraus folgt, daß das unterschiedlich ausgeprägte Bewußtsein für die Komplexität der Verfahrensweisen, Entscheidungsabläufe, Normen und institutioneilen Mechanismen weitgehend auf vermittelter, nicht auf Primärerfahrung beruht. Verba hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß viel von dem, was der einzelne über den politischen Prozeß denkt, durch die Beobachtung dieses Prozesses gelernt wird und eben nicht nur auf vorpolitische Erfahrungen zurückgeht Die Beobachtung ist jedoch weitgehend auf Vermittlung angewiesen. Einen wesentlichen Anteil an diesem permanenten Vermittlungsprozeß haben die Massenmedien. Zwar lassen sich keine präzisen Angaben darüber machen, in welchem Umfang und wie die Medien Normen etc. vermitteln, aber ihre Funktion als wichtiger Sozialisationsfaktor ist unbestritten und läßt sich wie folgt beschreiben: „Der Anonymität politischer Vorgänge entspricht das unpolitische bis apolitische Bewußtsein der Bevölkerung, das mit ihm adäquaten Mitteln der Werbung, der , public relations'angegangen wird. Der Ansatz auf der emotionalen Ebene, der Verzicht auf die Vermittlung von Einsicht hält den Bürger in Unmündigkeit und verstärkt subjektiv jene Tendenzen, welche die objektiven politischen Strukturen kennzeichnen. Politik wie Öffentlichkeit sind nicht einfach vorhanden, sie müssen hergestellt werden. Das Parlament als . eigentliche'politische Bühne wirkt tendenziell bereits als schweigsames Theater. Politik bekommt schicksalhaften Charakter und entspricht damit dem Weltbild, das die Illustrierten, speziell die Blätter der Regenbogen-presse vermitteln . .. Die Funktionen der Medien als Sozialisationsfaktor sind übergreifender Art. Die Massenmedien bilden die Verhaltensdispositionen, die Bezugssysteme des Menschen in erheblichem Umfang mit. Die Vorstellungen von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft, von Arbeitsplatz, Freizeit, Politik und Demokratie erfährt der einzelne weitgehend aus . zweiter Hand'. Sein Verhalten unterliegt gesamtgesellschaftlicher Normierung ... Es steht außer Frage, daß die Moral-und Wertvorstellungen des Menschen, daß seine Verhaltensdisposition, seine Bezugssy-steme heute durch die Massenmedien geformt werden."

Die Strukturmuster, die auf diesem Weg vermittelt werden, bestätigen a) nicht nur bereits verinnerlichte Bilder, sie verfestigen b) nicht nur latente und noch amorphe Vorstellungen, sondern sie fixieren c) auch die Grenzen für den Bereich des „imaginativen Denkens" Darunter ist ganz allgemein die Fähigkeit zu verstehen, die Folgen einer hypothetischen Problemlösung vorausdenken zu können, die Fähigkeit, Argumente zu erfinden, die den eigenen politischen Präferenzen widersprechen, und schließlich die Fähigkeit, die Folgen von ferner liegenden Problemen auf die eigenen Lebensumstände zu erkennen.

Imaginatives Denken, so kann man auf unsere Problemstellung bezogen formulieren, fördert die Distanz des einzelnen zu vorgegebenen Erklärungen, mit denen er sich ständig identifiziert, es regt das Infragestellen festgefügter Meinungen an und trägt dazu bei, die gespeicherten Informationsstrukturen korrigierbar zu halten. Es ist somit eine wichtige Voraussetzung sozialer Lernfähigkeit. Monokausale und personalisierende Informationen über politische Zusammenhänge fördern jedoch imaginatives Denken in keiner Weise.

Sobald die Komplexität der Verfassungswirklichkeit in der parlamentarischen Demokratie durch die Massenmedien radikal vereinfacht wird, indem Konflikte personalisiert und politische Normen in begriffsrealistische Handlungsanweisungen (Allgemeinwille, Gemeinwohl) umgedeutet werden, entwickeln sich auf der Basis einer solchen Informationsvermittlung Strukturierungskriterien, die die Flucht des „überforderten" Bürgers in den politischen Idyllismus vorzeichnen. Die BildZeitung ist ein gutes Beispiel dafür. Diese Zeitung, die täglich von wenigstens elf Millionen Menschen in der Bundesrepublik gelesen wird, liefert unablässig Anschauungsmaterial dafür, wie soziale und politische „Verworrenheit" entschlüsselt wird: „In Bild werden gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Zusammenhänge, Abhängigkeiten, Konflikte vereinfacht, auf Klischees reduziert, harmonisiert und über Personalisierungen verschleiert. Bild fungiert als Ordnungsinstanz einer außengeleiteten Gesellschaft, alsGarant des Status quo. Bild schafft Abhängigkeiten, indem es Unsicherheiten verstärkt. Bild steuert Verhalten, indem es das produzierte Bedürfnis nach Normen, Regeln und Orientierungen kurzfristig befriedigt."

Was an diesem Beispiel gezeigt wurde, gilt tendenziell für weite Bereiche der Massen-kommunikation, wobei natürlich eine vertiefte Beschäftigung mit diesen Fragen die verschiedenen Medien gesondert zu berücksichtigen hätte. Für unsere Zwecke können wir uns darauf beschränken, die weitgehende Übereinstimmung in der Kommunikationsforschung darüber festzuhalten, daß die politisch informierenden Beiträge der Massenmedien durch eine Tendenz zur „Personalisierung gesellschaftlicher Tatbestände und Intimisierung öffentlicher Angelegenheiten" charakterisiert sind und somit gerade keine problembewußte Realitätserfahrung fördern. Von den vier Funktionen, die man beispielsweise dem Medium Fernsehen im politischen System zuordnen kann, nämlich die Problematisierungs-und Konfliktfunktion, die Legitimations-und Konsensbildungsfunktion dominieren die beiden zuletzt genannten. Eine Inhaltsanalyse der beiden Fernsehnachrichtensendungen der ARD und des ZDF macht deutlich, daß das Abwägen politischer Alternativen, die Darstellung sachlicher Schwierigkeiten, der Hinweis auf Neben-und Fernwirkungen politischer Entscheidungen selten vorkommen. Die gebotene Differenzierung politischer Ereignisse wird weitgehend umgangen und kann auch durch die Magazinsendungen nicht ausgeglichen werden. Die Journalisten pauschal für diese Unzulänglichkeiten verantwortlich zu machen, * wäre allerdings nicht gerechtfertigt. Der Aufklärungsaufgabe der Medien sind einfach dort enge Grenzen gesetzt, wo die rein ökonomischen Interessen dominieren, wo die Auflagenhöhe oder die Einschaltquote zu den wichtigsten Kriterien für die inhaltliche Gestaltung werden oder wo staatsmonopolistische Interessen maßgebend sind. 6. Zusammenfassung Politischer Idyllismus läßt sich, wie bereits erwähnt, in drei analytische Komponenten zerlegen. Die kognitive Dimension des politischen Idyllismus ist gekennzeichnet durch ein unverbundenes Nebeneinander von bruchstückhaften Informationen über das politische System in seiner Gesamtheit, seinen Leistungen für den einzelnen und seinen Forderungen. Die affektive Dimension des politischen Idyllismus ist gekennzeichnet durch harmonistische Vorstellungen und Wünsche, die notwendigerweise keine Entsprechung in der Realität finden, so daß auch eine Identifizierung mit der parlamentarischen Demokratie nur schwer, höchstens bereichsgebunden möglich ist. Die evaluative Dimension des politischen Idyllismus schließlich ist gekennzeichnet durch eine weitgehend äußerlich-formale Anerkennung des Gesamtsystems, dessen Legitimität eher an seinen Leistungen als an der Wirksamkeit seiner Input-Strukturen (Parteien, Verbände Vereinigungen auf ad hoc Basis) gemessen wird und endlich durch das jeweils subjektive Empfinden, von der Politik insgesamt überfordert zu sein.

Politischer Idyllismus als eine Weise inadäquater Informationsverarbeitung und des-orientierender Reduktion von Komplexität hat psychologisch zu erklärende und sozialisationsbedingte Ursachen. Die individuelle Prädisposition, die durch das unbewußte Verlangen nach Eindeutigkeit, Harmonie und Konfliktlosigkeit im politischen Bereich gekennzeichnet ist und als Orientierungsangst angesprochen werden kann, und die unangemessen simplifizierende mediale Informationsvermittlung, die imaginatives Denken weitgehend verhindert, sind wichtige Faktoren mit kumulativer Wirkung.

Politischer Idyllismus ist damit sicher nicht vollständig erklärt. Die Einflüsse anderer Sozialisationsbereiche sind jedoch weit weniger eindeutig auszumachen. Da man davon ausgehen kann, daß nicht alle in Frage kommen-den Sozialisationsträger gleichermaßen auf alle politischen Einstellungen einwirken (variabler Einfluß), schien es gerechtfertigt zu sein, die beiden oben genannten Primärfaktoren des politischen Idyllismus zu isolieren, um die Aufmerksamkeit auf den u. E. entscheidenden Zusammenhang zwischen individueller Informationsverarbeitungskapazität und diesem spezifischen Einstellungsmuster zu lenken. Es muß empirischen Untersuchungen vorbehalten bleiben, die hier aufgeführten Ursachen des politischen Idyllismus mit den Sozialdaten und schichtenspezifischen Merkmalen der betroffenen Bürger zu korrelieren, um auf diese Weise das Bündel interdependenter Faktoren weiter aufzufächern. Immerhin zeigt die informationstheoretische Betrachtungsweise dieses Einstellungsmusters, daß die Massenkommunikation zwar nicht losgelöst von anderen Faktoren gesehen werden darf, aber unabhängig davon besondere Eigenschaften entwickelt, durch die sie sich von anderen Einflüssen (Familie, Schule) unterscheidet und kraft deren sie die charakteristische Wirkung des politischen Idyllismus erzeugen kann, sobald sie auf bestimmte personale Prädispositionen trifft. Diese Prädispositionen ergeben sich wieder zu einem guten Teil aus vorausgehenden manifesten und latenten Sozialisationserfahrungen. Damit wird nicht behauptet, daß in jedem Fall politischer Idyllismus als Einstellung vorherrscht, wo beide Faktoren Zusammentreffen. Eine prohibitive Wirkung kann von intervenierenden Variablen wie Bildungsstand und Organisationsfreudigkeit (Partei-, Verbands-, Vereinsmitgliedschaft) ausgehen. Almond und Verba stellten eine eindeutige Beziehung zwischen Bildungsstand und Bürgerbewußtsein (civic competence) fest. In allen fünf untersuchten Ländern einschließlich der Bundesrepublik korreliert hoher Bildungsstand mit einem ausgeprägten Bewußtsein für die Bedeutung der einzelnen Funktionen des politischen Systems, der eigenen Betroffenheit und der individuellen Fähigkeit zur Einflußnahme Allerdings handelt es sich dabei, und die beiden Forscher scheinen sich dessen auch bewußt zu sein, um eine reichliche formale Korrelation, die keine Aussage darüber gestattet, wie dieses stärker ausgeprägte Bürgerbewußtsein inhaltlich zu bestimmen ist. Die häufiger geführten Diskussionen in diesem Personenkreis sind noch keine Garantie für deren Rationalität. In diesem Sinn hat die Untersuchung von Schmidt und Becker gezeigt, daß Bildungsunterschiede bei bestimmten Fragen sich durchaus auch verwischen und ohne wesentlichen Einfluß auf die individuelle Urteilsfähigkeit bleiben können; zugleich wurde nachgewiesen, daß ausgeprägtes politisches Interesse ganz unabhängig vom jeweiligen Bildungsstand die Reife des politischen Urteils positiv beeinflussen kann Wir können daher sagen, daß politischer Idyllismus immer dann wahrscheinlich ist, wenn die individuelle Informationsverarbeitung durch die beiden Primärfaktoren simplifizierende Massenkommunikation und Orientierungsangst gelenkt wird und der jeweilige Bildungsstand und/oder die Organisationsfreudigkeit gering sind.

VI. Politischer Idyllismus und politische Kultur

Die Frage nach der Funktionsfähigkeit, Belastbarkeit (bei Wirtschaftskrisen z. B.), Stabilität und Wandlungsfähigkeit einer parlamentarischen Demokratie läßt sich nicht allein durch eine Analyse des politischen Systems, seiner Teilbereiche und Rollenträger beantworten. Damit wird selbstverständlich nicht bezweifelt, daß der durch die Parteien, Verbände, Massenmedien und Planungsabteilungen gewährleistete Grad an Durchlässigkeit des Gesamtsystems für die Forderungen und Meinungen der Bürger von außerordentlich großer Bedeutung ist. Damit werden weder die Leistungsfähigkeit des gesamten Regierungsapparates, die Bedeutung des Kabinetts als Entscheidungszentrale und des Parlaments als Repräsentations-und Legitimierungsorgan, noch der Schutz der Rechtsstaatlichkeit durch die Gerichte oder die Art der Rekrutierung des Führungspersonals gering geachtet. Die oben aufgeworfenen Fragen können jedoch nur vollständig beantwortet werden, wenn zur Untersuchung der Strukturen der parlamentarischen. Demokratie auch die Dimension der in der Gesellschaft vorhandenen politischen Einstellungen und Verhaltensweisen, Wertvorstellungen und Meinungen tritt. Diese Dimension der Analyse wird mit dem von Almond 1956 erstmals verwendeten Begriff der politischen Kultur gekennzeichnet.

Die in einigen europäischen Ländern und in vielen ehemaligen Kolonialstaaten gemachten Erfahrungen, daß die Übertragung von Regierungssystemen, die sich anderenorts, in England beispielsweise, bewährt haben, noch keinen Erfolg garantierte, solange die politischen Orientierungen der Menschen von völlig anderen Erwartungen geprägt waren, lassen auf den engen Zusammenhang zwischen der Struktur des politischen Systems und der politischen Kultur schließen. Diese Beziehungen auf vergleichender Grundlage aufzuhellen, ist das Ziel des „political culture" Ansatzes der von der Hypothese ausgeht, daß individuelle Einstellungen für den Ablauf des politischen Prozesses und damit für den Charakter des Gesamtsystems eine große Rolle spielen und zugleich von diesen beiden Faktoren maßgeblich geprägt werden. Empirisch nachweisbare individuelle politische Orientierungen in einer Gesellschaft werden mit den Strukturen des jeweiligen politischen Systems in Verbindung gebracht. So werden die Beziehungen zwischen der politischen Kultur und der politischen Struktur, die Frage ihrer Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung zum zentralen Forschungsgegenstand des Problems der Stabilität und des Wandels politischer Systeme

Unter politischer Kultur ist die Gesamtheit aller Meinungen, Einstellungen und Werte zu verstehen, die in einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt hinsichtlich politischer Angelegenheiten wirksam sind Es ist die Gesamtheit der Orientierungsmuster bezüglich politischer Probleme, Phänomene und Werte Die politische Kultur bezieht sich folglich nicht auf die formellen oder informellen Interaktionsweisen im politischen System, sondern auf die verbreiteten Meinungen über die politischen Interaktionen und Institutionen. Nicht das objektive Geschehen, sondern die Vorstellungen der Menschen darüber sind Gegenstand der Analyse. Die Art und Weise, wie Politik wahrgenommen und interpretiert wird, ist, wie schon mehrfach in unseren Überlegungen angedeutet wurde, keine reine Privatangelegenheit, sondern von außerordentlich großer gesellschaftlicher Relevanz, weil die Verhaltensweisen, emotionalen Beziehungen zum Gesamtsystem und der Erwartungshorizont der Bürger davon abhängen. Ein solches Orientierungs-oder Einstellungsmuster wurde als politischer Idyllismus beschrieben, über dessen statistische Verteilung zwar noch keine exakten Angaben gemacht werden konnten, das aber, wie die verfügbaren Umfrageergebnisse zeigen, bei einem beachtlichen Prozentsatz der Bevölkerung der Bundesrepublik nachzuweisen ist und somit als eines der Merkmale der politischen Kultur der Bundesrepublik zu gelten hat.

Almond und Verba charakterisieren die politische Kultur der Bundesrepublik als eine Mischung aus politischer Gleichgültigkeit und Untertanenhaltung (subject competence). Ungeachtet eines ausgeprägten Bewußtseins für die Bedeutung der Politik und des Regierungssystems (72 Prozent der Befragten unterrichten sich regelmäßig bzw. ab und zu 107über politische Angelegenheiten) einer hohen Wahlbeteiligung, einer hohen Medien-nutzung (zumindest wöchentlich unterrichten sich in Zeitungen 53 Prozent, in Radio oder Fernsehen 52 Prozent, in Zeitschriften 45 Prozent der Befragten) und eines hoch entwickelten Vertrauens in die Verwaltung ist das Demokratieverständnis weitgehend passiv und formal. Die Deutschen sind vornehmlich out-put orientiert, d. h. stolz auf die Leistungen der Regierung, und weniger dem politischen System insgesamt gefühlsmäßig ver-bunden. Der einzelne Bürger sieht sich entweder als Nutznießer oder als Benachteiligter dieser Leistungen. Seine Zuversicht, mit der Verwaltung zurecht zu kommen, ist stärker entwickelt als sein politisches Selbstvertrauen. Er sieht sich eher Verpflichtungen erfüllen als am politischen Entscheidungsprozeß Seine sich teilnehmen. Aktivität vollzieht eher in der Verteidigung seiner Rechte als in der Beeinflussung der Regierung

Mit den hier kurz wiedergegebenen Untersuchungsergebnissen ist eine generelle Charakterisierung der politischen Kultur der Bundesrepublik möglich. Allerdings kann nicht übersehen werden, daß dem Bedürfnis nach Operationalisierbarkeit der untersuchten Orientierungen manche notwendige qualitative Differenzierung geopfert und daß wurde das Interesse für die Häufigkeit von politischen Diskussionen, Informationsinteressen etc. von der Frage nach dem jeweiligen Inhalt ablenkte. Es empfiehlt sich daher, den relativ breit angelegten „political-culture" -Ansatz durch die Analyse typischer Einstellungsmuster von einiger statistischer Relevanz zu ergänzen. Unsere Beschreibung des politischen Idyllismus ist als ein Versuch in diese Richtung zu betrachten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das politische System ist die Gesamtheit der Institutionen, die am politischen Entscheidungsprozeß beteiligt sind bzw. beteiligt sein können. Vgl. Manfred Hättich, Lehrbuch der Politikwissenschaft, Bd. II, Mainz 1969, S. 95 ff.; Klaus v. Beyme, Die politischen Theorien der Gegenwart. Eine Einführung, München 1972, S. 176— 189; Wolf-Dieter Narr, Theoriebegriffe und Systemtheorie, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969, S. 89— 182; Gabriel A.

  2. Hans Albert, Die Idee der kritischen Vernunft, in: ders., Plädoyer für kritischen Rationalismus, München 1971, S. 23.

  3. Vgl. aus der neueren Literatur Hermann Giesecke, Didaktik der politischen Bildung, München 1965, S. 56— 66.; Wolfgang Mickel, Politische Bildung an Gymnasien 1945— 65, Stuttgart 1967, S. 36.; ders., Curriculumforschung und politische Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 19/1971, S. 11 ff.; Bernhard Sutor, Didaktik des politischen Unterrichts, Paderborn 1971, S. 264.; Kurt Gerhard Fischer, Einführung in die Politische Bildung, Stuttgart 1970, S. 70— 81.; Ernst-August Roloff, Politische Bildung zwischen Ideologie und Wissenschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41/1971, S. 3— 20 und B 10/1972, S. 3 ff.

  4. Vgl. Michaela v. Freyhold, Autoritarismus und politische Apathie, Frankfurt 1971, S. 149: „ 1. Ich-Schwäche und ein aus Resignation gespeister Anti-Utopismus sind sowohl Dimensionen des Autoritarismus als auch zugleich konstitutive Elemente politischer Apathie. 2. Politische Apathie ist daher in der Regel nicht einfach eine neutrale Haltung gegenüber dem politischen Bereich, sondern die Unfähigkeit oder Abneigung, sich darin zu orientieren . . .". Kurt Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1972, S. 63: „Unter politischer Apathie läßt sich sowohl fehlendes Interesse, mangelndes Engagement als auch Indifferenz aus Hilflosigkeit gegenüber politischen Alternativen verstehen."

  5. Lenk, a. a. O., S. 64 ff.; Franz Neumann, Angst und Politik, in: ders.: Demokratischer und autoritärer Staat, Frankfurt 1967, S. 204.

  6. Daniel Katz, The Functional Approach to the Study of Attitudes, in: Public Opinion and Communication, hrsg. von Bernard Berelson und Morris Janowitz, New York 1967 2, S. 55 f. Vgl. auch: Kerstin Kiessler-Hauschildt/Wolfgang Scholl, Einführung in die Erforschung politischer Attitüden, München 1972.

  7. Vgl. Gabriel A. Almond/Sidney Verba, The Civic Culture. Political Attitudes and Democracy in Five Nations, Princeton 1963, S. 15 f.

  8. Jürgen Habermas u. a., Student und Politik. Eine soziologische Untersuchung zum politischen Bewußtsein Frankfurter Studenten, Neuwied 1961,

  9. Ebd., S. 98— 106.

  10. Ebd., S. 106— 115.

  11. Ebd., S. 72.

  12. Regina Schmidt/Egon Becker, Reaktionen auf politische Vorgänge. Drei Meinungsstudien aus der Bundesrepublik, Frankfurt 1967, S. 36.

  13. Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 1958— 1964, hrsg. vom Institut für Demoskopie, Allensbach und Bonn 1965, S. 99, zit. nach Schmidt/Bekker, a. a. O., S. 37.

  14. 30 Prozent machten nicht eindeutig einstufbare Angaben, Schmidt/Becker, a. a. O., S. 38.

  15. Unentschieden waren 23 Prozent und 9 Prozent hatten nichts davon gehört, Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 1958— 1964, a. a. O., S. 96, zit. nach Schmidt/Becker, a. a. O., S. 39.

  16. Schmidt/Becker, a. a. O., S. 43 f. Anm. 21.

  17. Ebd., S. 54 f.

  18. Ebd., S. 55.

  19. Vgl. Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Karlsruhe 1969 3, S. 110— 118.

  20. Schmidt/Becker, a. a. O., S. 59— 62.

  21. Ebd., S. 64.

  22. Ebd., S. 62.

  23. Ebd., S. 76.

  24. Emnid-Informationen, Nr. 8/1966, S. 2 f., zit. nach Schmidt/Becker, a. a. O., S. 67.

  25. Vgl. zu diesem Problem die kontroversen Darstellungen von Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49/1971, S. 3- 17, und Christian Graf v. Krockow, Staat, Gesellschaft, Freiheitswahrung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7/1972, S. 3- 30.

  26. Schmidt/Becker, a. a. O., S. 77.

  27. Ebd., S. 96.

  28. Ebd., S. 43, 96, 137 ff.

  29. Ebd., S. 97.

  30. Habermas u. a., a. a. O., S. 130 ff.

  31. Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 1965- 1967, hrsg. von Elisabeth Noelle und Erich Peter Neu-mann, Institut für Demoskopie Allensbach, Allensbach und Bonn 1967, S. 151, 181 f.

  32. Ebd., S. 152.

  33. Max Kaase, Demokratische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Sozialwissenschaftliches Jahrbuch für Politik, hrsg. von Rudolf Wildenmann, Bd. II, München-Wien 1971, S. 252, 257 ff., 266; die hier genannten Zahlenangaben beziehen sich auf die Bevölkerung der BRD im ganzen. Die Umfrageergebnisse unter nichtakademischen Jugendlichen unterscheiden sich nicht wesentlich davon, während die Ergebnisse der Befragung von Studenten starke Abweichungen erbringen.

  34. Walter Jaide u. a., Jugend und Demokratie. Politische Einstellungen der westdeutschen Jugend, München 1970, S. 118— 127; die genannten Zahlen wurden für unsere Zwecke ab-bzw. aufgerundet; vgl. auch Peter Menacher, Jugendliche und Parteien, München 1971.

  35. Vgl. Heino Kaack, Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971, S. 196, 216, 233, 264, 295, 356.

  36. Vgl. Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie, München 1965, S. 361 f.

  37. Ivor W. Jennings/Gerhard A. Ritter, Das britische Regierungssystem. Leitfaden und Quellen-buch, Köln und Opladen 19702, S. 72 f.

  38. Siehe dazu Kap. VI.

  39. Iring Fetscher, Politikwissenschaft, Frankfurt 1968, S. 213 f.; Jennings/Ritter, a. a. O., S. 69.

  40. Bodo Zeuner, Wahlen ohne Auswahl — Die KandrdatenaufStellung zum Bundestag, in: Parlamentarismus ohne Transparenz, hrsg. von Winfried Steffani, Opladen 1971, S. 165.

  41. Almond/Verba, a. a. O., S. 102.

  42. Ebd., S. 372 f.

  43. Niklas Luhmann, Soziologie des politischen Systems, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 20. Jg. 1968, S. 713.

  44. Talcott Parsons, Das System moderner Gesellschaften, München 1972, S. 20; vgl. auch Karl W. Deutsch, Politics and Government. How People Decide Their Fate, Boston 1970, S. 133 ff.

  45. Frieder Naschold, Organisation und Demokratie, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969, S. 8; Luhmann, a. a. O., S. 711.

  46. Luhmann, a. a. O., S. 711.

  47. Hättich, a. a. O., S. 96 f.

  48. Frieder Naschold, Demokratie wegen Komplexität, in: PVS, 10. Jg. 1969, H. 2/3, S. 326 f.

  49. Naschold, Organisation, a. a. O.; ders., Demokratie und Komplexität, in: PVS, 9. Jg. 1968, H. 4, S. 494 ff.; ders.: Demokratie wegen Komplexität, in: PVS, 10. Jg. 1969, H. 2/3, S. 326 f.; Niklas Luhmann, Komplexität und Demokratie, in: PVS, 10. Jg. 1969, H. 2/3, S. 314— 325; Carl Bohret, Effizienz «der Exekutive als Argument gegen Demokratisierung?, in: Probleme der Demokratie heute, PVS 1970, Sonderheft 2, S. 243— 273; Karl Otto Hondrich, Demokratisierung und Leistungsgesellschaft, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1972.

  50. Vgl. Volker Ronge/Günter Schmieg (Hrsg.), Politische Planung in Theorie und Praxis, München 1971; Klaus Lompe, Gesellschaftspolitik und Planung. Probleme politischer Planung in der sozialstaatlichen Demokratie, Freiburg 1971; Politik und Wissenschaft, hrsg. von Hans Maier, Klaus Ritter und Ulrich Matz, München 1971.

  51. Vgl. Jürgen Habermas, Reflexionen über den Begriff der politischen Beteiligung, in: ders. u. a., Student und Politik, Neuwied 1961, S. 11— 55; Gisela Zimpel, Der beschäftigte Mensch. Beiträge zur sozialen und politischen Partizipation, München 1970; dies., Selbstbestimmung oder Akklamation. Politische Teilnahme in der bürgerlichen Demokratietheorie, Stuttgart 1972; Jürg Steiner, Bürger und Politik, Meisenheim a. Glan 1969; Robert E. Lane, Political Life. Why People Get Involved in Politics, Glencoe 1959.

  52. So aber Helmut Schelsky, Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation, in: ders: Auf der Suche nach Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf-Köln 1965, S. 439— 480.; zum Technokratie-Problem allgemein Claus Koch/Dieter Senghaas (Hrsg.), Texte zur Technokratiediskussion, Frankfurt 1970; Jacques Ellul, Die Technokratie, in: Politik und Wissenschaft, a. a. O., S. 167— 205.

  53. Vgl. Niklas Luhmann, Soziologische Aufklärung, in: ders., Soziologische Aufklärung. Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme, Opladen 19712, S. 76: „Die Eigenkomplexität des Systems muß in einem angemessenen Verhältnis zur Komplexität der Umwelt stehen. Je komplexer ein System selbst strukturiert ist und je mehr Zustände es demzufolge annehmen kann, desto komplexer kann auch seine Welt sein, desto umweltadäquater, desto sinnvoller, desto aufgeklärter kann es existieren, erleben und handeln, desto weltgemäßer ist seine Subjektivität. Dieser Gewinn an reduzierbarer Komplexität wird dadurch erreicht, daß die Selektivität des menschlichen Verhaltens durch Systembildung gesteigert wird."

  54. Karl W. Deutsch, Politische Kybernetik. Modelle und Perspektiven, Freiburg 1969, S. 212.

  55. Vgl. Naschold, Organisation, a. a. O., S. 7 f.; Deutsch: Politics and Government, a. a. O., S. 3 ff.

  56. Obgleich das Theorem der Demokratisierung durch Subsystembildung, das Naschold entwickelt, außerordentlich überzeugend ist und auch von mir gar nicht in Zweifel gezogen wird.

  57. Richard M. Merelman, The Development of Policy Thinking in Adolescence, in: American Political Science Review, Vol. LXV 1971, Nr. 4, S. 1033 f.

  58. Hartmut v. Hentig, Öffentliche Meinung — öffentliche Erregung — öffentliche Neugier. Pädagogische Überlegungen zu einer politischen Fiktion, Göttingen 1969, S. 46.

  59. Von einer solchen Alternative geht aus: Heiner Flohr, Angst und Politik in der modernen parlamentarischen Demokratie, in: Die politische und gesellschaftliche Rolle der Angst, hrsg. und eingeleitet von Heinz Wiesbrock, Frankfurt 1967, S. 46.

  60. Ernst Fränkel, Die repräsentative und die plebiszitäre Komponente im demokratischen Verfassungsstaat, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 19684, S. 81 f.

  61. Vgl. zu diesem Problem: Georg Brunner, Die Problematik der sozialen Grundrechte, Tübingen 1971.

  62. Rolf-Richard Grauhan, Modelle politischer Verwaltungsführung, in: PVS, 10. Jg. 1969, H. 2/3, S. 277.

  63. Thomas Ellwein, Regierung und Verwaltung. Teil 1: Regierung als politische Führung, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1970, S. 13 ff.

  64. Rolf-Richard Grauhan u. a., Politikanalyse am Beispiel des Verstädterungsproblems, in: PVS, 12. Jg. 1971, H. 3, S. 418 ff.; vgl. auch Hanns Friedrich Lorenz, Verwaltung in der Demokratie. Eine Einführung in die moderne Verwaltungswissenschaft, München 1972.

  65. Vgl. Der Bundestag von innen gesehen, hrsg. von Emil Hübner, Heinrich Oberreuter, Heinz Rausch, München 1969, S. 20: „Sterile verfassungsrechtliche Fakten und doktrinär aufgefaßte verfassungstheoretische Vorstellungen fließen ebenso in die Betrachtung ein wie idealisierte Leitbilder und Relikte des 19. Jahrhunderts. Der unbesehen übernommene Grundsatz der Gewaltenteilung geistert ebenso durch das Denken wie die Ansicht eines in freier Rede und Gegenrede sich vollziehenden politischen Willenbildungsprozesses im Parlament. Bei absolut gesetztem und damit falsch verstandenem freien Mandat müssen Parteien und Fraktionen als mit Zwang und Disziplin drohende Instrumente erscheinen, die die Handlungsfreiheit des einzelnen Abgeordneten beschneiden — wobei die Notwendigkeit organisatorischer Handlungseinheit außer acht bleibt. Ferner trifft man aus antiparlamentarischen Ansätzen gespeiste Ressentiments bis hin zu den polaren Klischees vom Parlament als Schwatzbude" und . Verhüllungsmaschine'; der Vorwurf mangelnder Handlungsbereitschaft und Effizienz parlamentarischer Systeme ist dann leicht zu erheben, besonders wenn in ihm ein starker Rest obrigkeitsstaatlichen Denkens enthalten ist, das der Regierung eine pseudo-monarchische Stellung zuweist und das Parlament als mehr oder weniger notwendiges Annex der Exekutive auffaßt."

  66. Vgl. dazu Fred J. Greenstein, Personality and Politics. Problems of Evidence, Inference, and Conceptualization, Chicago 1969.

  67. Ebd., S. 36.

  68. Paul M. Sniderman/Jack Citrin, Psychological Sources of Political Belief. Self-Esteem and Isolationist Attitudes, in: American Political Science Review, Vol. LXV 1971, Nr. 2, S. 402.

  69. Ebd., S. 402.

  70. Ebd„ S. 416 f.

  71. Ebd„ S. 415.

  72. Katz, a. a. O., S. 57 ff.

  73. Vgl. dazu William Flanigan/Edwin Fogelman, Functional Analysis, in: James C. Charlesworth (Hrsg.), Contemporary Political Analysis, New York 1967, S. 72— 85; v. Beyme, a. a. O., S. 113— 124.

  74. Walter Lippmann, Die öffentliche Meinung, München 1964, S. 71 f.

  75. Arthur Fischer, Die Entfremdung des Menschen in einer heilen Gesellschaft. Materialien zur Adaption und Denunziation eines Begriffs, München 1970, S. 84.

  76. Ebd., S. 84.

  77. Ebd., S. 86.

  78. Ebd., S. 86 f.

  79. Ebd., S. 86 f.

  80. David Easton/Jack Dennis, Children in the Political System. Origins of Political Legitimacy, New York 1969, S. 7; vgl. zur allgemeinen Sozialisationstheorie David A. Goslin (Hrsg.), Handbook of Socialization Theory and Research, Chicago 1969; eine ausgezeichnete Diskussion des Standes der politischen Sozialisationsforschung gibt Axel Hainke, Politische Einstellungen und Lernprozesse bei Kindern und Jugendlichen, Tübingen 1971; vgl. auch Robert E. Cleary, Political Education in the American Democracy, Scranton-Toronto-London 1971, S. 43— 76; Richard E. Dawson/Kenneth Prewitt, Political Socialization, Boston 1969; Fred J. Greenstein, Children and Politics, New Haven— London 1969. Herbert H. Hyman, Political Socialization. A Study in the Psychology of Political Behavior, New York—London 1959 (1969); Kenneth P. Langton, Political Socialization, New York—London—Toronto 1969; Edward S. Greenberg (Hrsg.), Political Socialization, New York 1970.

  81. Günter C. Behrmann, Politische Sozialisation, in: Handlexikon zur Politikwissenschaft, hrsg. von Axel Görlitz, München 1970, S. 329— 337.

  82. Almond/Verba, a. a. O., S. 325.

  83. Ebd., S. 325.

  84. Hainke, a. a. O., S. 53 ff.

  85. Ebd., S. 55.

  86. Almond/Verba, a. a. O., S. 326.

  87. Ebd., S. 374.

  88. Hainke, a. a. O., S. 157.

  89. Eine zusammenfassende kritische Darstellung der Ergebnisse und Probleme der Wirkungsforschung gibt Kurt Koszyk, Wirkungen der Massen-kommunikation. Ergebnisse und Kritik einer Forschungsrichtung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/1972; vgl. auch Hainke, a. a. O., S. 117— 125, und die entsprechenden Beiträge in dem Sammelband Public Opinion and Communication, hrsg. von Berelson/Janowitz, a. a. O., S. 381— 486.

  90. Hainke, a. a. O., S. 121.

  91. Ralf Zoll/Eike Hennig, Massenmedien und Meinungsbildung. Angebot, Reichweite, Nutzung und Inhalt der Medien in der BRD, München 1970, S. 28.

  92. Vgl. Ralf Zoll (Hrsg.), Manipulation und Meinungsbildung. Zum Problem hergestellter Öffentlichkeit, Opladen 19722; Zoll/Hennig, a. a. O., S. 137- 259; Peter Glotz/Wolfgang R. Langenbucher, Der mißachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse, Köln-Berlin 1969.

  93. Sidney Verba, Conclusion: Comperative Political Culture, in: Lucian W. Pye/Sidney Verba (Hrsg.), Political Culture and Political Development, Princeton 1965, S. 553.

  94. Zoll/Hennig, a. a. O., S. 29 ff.

  95. Dieser Begriff wurde von Merelman, a. a. O., S. 1035 f. geprägt, der politisches Denken in vier Komponenten zerlegt: moral thought, cause-effect thought, sociocentrism, imaginative thinking.

  96. Zoll/Hennig, a. a. O., S. 182.

  97. Horst Holzer, Politik in Massenmedien. Zum Antagonismus von Presse-und Gewerbefreiheit, in: Manipulation und Meinungsbildung, a. a. O., S. 78; vgl. auch ders., Gescheiterte Aufklärung? Politik, Ökonomie und Kommunikation in der Bundesrepublik Deutschland, München 1971, S. 136— 167.; die demgegenüber von Lane betonte politisierende Wirkung der Medien durch die Verbindung von Unterhaltung und politischen Informationen muß als Fehlschluß betrachtet werden, der sich vor allem aus einem rein formal-quantitativen Verständnis (wie oft spricht jemand über Politik) des Begriffs der Politisierung ergibt. Vgl. Robert E. Lane, Political Life. Why People Get Involved in Politics, Glencoe 1959, S. 275— 298.

  98. Heribert Schatz, „Tagesschau" und „heute“ — Politisierung des Unpolitischen?, in: Manipulation und Meinungsbildung, a. a. O., S. 110.

  99. Ebd., S. 112.

  100. Auf die spezifische Wirkung der Massenkommunikation verweist Joseph T. Klapper, The Effects of Mass Communication, in: Public Opinion and Communication, a. a. O., S. 477.

  101. Almond/Verba, a. a. O., S. 380 ff.

  102. Schmidt/Becker, a. a. O., S. 62 ff.

  103. Gabriel A. Almond, Comparative Political Systems, in: Journal of Politics, Vol. XVIII 1956, S. 391— 409.

  104. Vgl. Almond/Verba, a. a. O.; Lucian W. Pye, Introduction: Political Culture and Political Development, in: Pye/Verba (Hrsg.), a. a. O., S. 3— 26; Verba: Conclusion, ebd., S. 512— 560; einen ausgezeichneten Forschungsbericht gibt Dirk Berg-Schlosser, Politische Kultur. Eine neue Dimension politikwissenschaftlicher Analyse, München 1972; v. Beyme, a. a. O., S. 189— 208; Narr, a. a. O., S. 141— 156; Patrick V. Dias, Der Begriff . Politische Kultur'in der Politikwissenschaft, in: Dieter Oberndorfer (Hrsg.), Systemtheorie, Systemanalyse und Entwicklungsländerforschung. Einführung und Kritik, Berlin 1971, S. 409— 448; Almond/Powell, a. a. O., S. 50— 72.

  105. Almond/Verba, a. a. O., S. 34.

  106. Berg-Schlosser, a. a. O., S. 33.

  107. Almond/Verba, a. a. O., S. 14 f.

  108. Almond/Verba, a. a. O., S. 89.

  109. Ebd., S. 94.

  110. Ebd., S. 428 f.; Sidney Verba, Germany: The Remaking of Political Culture, in: Pye/Verba (Hrsg.), a. a. O., S. 130— 170; Lewis J. Edinger, Politics in Germany, Attitudes and Processes, Boston 1968, S. 81— 122. Vgl. auch Kurt Sontheimer, Grundzüge des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, München 1971, S. 51— 87.

Weitere Inhalte

Jürgen Weber, Dr. phil., geb. 1944, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Romanistik in Mainz und Straßburg, Wissenschaftlicher Assistent an der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Veröffentlichungen: Die demokratische Alternative zum Kommunismus, in: Politische Studien, 19. Jg. 1968, H. 178; Die Bemühungen der Beratenden Versammlung des Europarats um Effektivität, in: Europa-Archiv, 23. Jg. 1968, F. 19; Sinn und Problematik der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 48/68; Die sowjetische Nachkriegspolitik als Ursache der westlichen Neuorientierung, in: Politische Studien, 20. Jg. 1969, H. 185; Utopisches Denken als Faktor der politischen Wirklichkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 22/69; Das sowjetische Wiedervereinigungsangebot vom 10. März 1952, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 50/69 und B 40/70; Die Ostpolitik des Europarats im Wandel, in: Europa-Archiv, 26. Jg. 1971, F. 24; Der Europarat und Osteuropa. Entwicklung, Probleme und Möglichkeiten der Osteuropapolitik der Straßburger Organisation, Bonn 1972; Mitautor von: Sozialkunde. Telekolleg II, München 1973; zahlreiche Rundfunkbeiträge.