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Der Wandel der nationalen Frage in der Bundesrepublik Deutschland. Nationalstaat ohne Nationalökonomie? (Teil I) | APuZ 33/1973 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 33/1973 Der Wandel der nationalen Frage in der Bundesrepublik Deutschland. Nationalstaat ohne Nationalökonomie? (Teil I)

Der Wandel der nationalen Frage in der Bundesrepublik Deutschland. Nationalstaat ohne Nationalökonomie? (Teil I)

Erich Kitzmüller /Heinz Kuby /Lutz Niethammer

/ 71 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Als . nationale Frage'ist bisher in der BRD weitgehend die Wiedervereinigung erschienen. Deren Problematik ist durch die neue Ostpolitik nicht etwa nur oberflächlich verschoben worden. Vielmehr entspricht die Auflösung des gesamtdeutschen Traditionskomplexes in konkrete Aufgaben zwischenstaatlicher Politik mit den osteuropäischen Ländern einem langanhaltenden Meinungstrend in der Bevölkerung der BRD. Die nationale Tradition des Deutschen Reiches ist bei der Masse der Bevölkerung entpolitisiert und hat einer noch wenig artikulierten Bi-nationalisierung im Sinne staats-gesellschaftlicher Integration der BRD (und langsamer auch der DDR) Platz gemacht. Die konkreten Bedürfnisse der Menschen, die besonders engen Kontakt zu Bürgern der DDR pflegen, weisen den Weg der kleinen Schritte. Ältere Vertriebene stehen jetzt jedoch teilweise in einer Bewußtseinskrise, weil die nationalen Illusionen zerronnen sind. Demgegenüber stellt sich auch für die BRD immer dringlicher eine neue — dem öffentlichen Bewußtsein bisher weitgehend entgangene — . nationale Frage': nämlich der Widerspruch zwischen der einzelstaatlichen Organisation politischer Vermittlung, ökonomischer Steuerung und demokratischer Teilnahme einerseits und der zunehmenden transnationalen Verflechtung der ökonomischen Leitsektoren anderseits, geballt im Kernbereich der Europäischen Gemeinschaft. Diese erleichtert unter der Bedingung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts die transnationale Kapitalkonzentration und Unternehmensorganisation. In den derzeitigen kapitalistischen Gesellschaften, die wesentlich durch die Optimierung des ökonomischen Wachstums integriert werden, ist dieser Prozeß zwanghaft und nur um einen hohen politischen und ökonomischen Preis umkehrbar geworden. Er ist soweit fortgeschritten, daß er die nationalstaatlichen Lenkungs-und Vermittlungssysteme in ihrer Wirksamkeit zunehmend einschränkt, zugleich damit auch die nur in diesem Rahmen gegebene parlamentarisch-demokratische Teilhabe.

Diese Studie beschäftigt sich in zwei aufeinanderfolgenden Teilen mit dem Prozeß der nationalen Integration in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sowie ihrer gleichzeitigen Infragestellung im Hinblick auf die sich ausbildende transnationale Ökonomie im Rahmen der EWG. Dieser letzte Aspekt wird in der gegenwärtigen Diskussion unter dem Stichwort „multinationale Konzerne" zumeist als ein primär ökonomisches Thema behandelt, wohingegen die Autoren nachdrücklich auf die vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen aufmerksam machen. Sie tun das in einer Weise, die sowohl in ihrer Diktion - die zugleich eine politische ist - als auch vor allem in ihrem theoretischen Ansatz und der sozioökonomischen Analyse, aber in ihren Schlußfolgerungen Widerspruch provozieren wird. Die Redaktion sieht es jedoch als eine ihrer Aufgaben an, auch über den Status quo der allgemeinen Übereinstimmung hinaus notwendige Perspektiven zu publizieren. Diese Auffassung schließt die Veröffentlichung kontroverser Stellungnahmen selbstverständlich mit ein.

I. Einleitung 1)

Tabelle 1: Meinungsprofile der BRD und der DDR in der Bevölkerung der BRD Quelle: Infratest 1970/Repräsentativerhebung.

Seit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation ist die nationale Frage ein fester Bestandteil des deutschen Bewußtseins. Angesichts der differenzierten staatlichen Voraussetzungen Deutschlands, seiner Mittellage und der Nationalitätenmischgebiete an allen Rändern Mitteleuropas meint sie die Kalamität, daß die Ansätze deutscher Nationalstaatlichkeit nie mit dem potentiellen Ausdehnungsbereich der deutschen Nation deckungsgleich waren. Die vornationalen deutschen Großmächte des 19. Jahrhunderts waren Nationalitätenstaaten; das spätere Reich aber war nie groß genug, die nationale

Selbstverständigung staatlich zu organisieren und alle Deutschen heim ins Reich zu holen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist diese deutsche Frage, die Nicht-Identität von Staat und Nation, die durch expansive Ansprüche überwunden werden soll, in der Wiedervereinigungsproblematik auf die Spitze getrieben worden. Aber je länger die Spaltung andauerte, desto deutlicher wurde es, daß die nationale Frage, wie Gesamtdeutschland wiederherzustellen sei, gar nicht das Thema Nr. 1 der westdeutschen Politik war, weil diese Spaltung international durch den Ost-West-Konflikt und innergesellscbaftlich durch die Etablierung verschiedener Sozial-und Verfassungsordnungen in den beiden deutschen Staaten stabilisiert wurde. Seit dem Bau der Berliner Mauer glaubt der überwiegende Teil sowohl der politischen Führungsschicht als auch der Bevölkerung in der BRD, daß die so gestellte deutsche Frage unbeantwortbar geworden ist. Seither ist die BRD auf dem Wege, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges hinzunehmen und die gesamtdeutsche Erbschaft als solche z . entprlitisieren.

Die Trennung von der Last im Osten, die Auflösung der deutsch 1 Frage in eine Reihe konkreter zwischenstaatlicher Probleme in den Beziehungen zwischen der BRD und den Ländern des Warschauer Paktes, bedeutet aber nicht zugleich, daß die BRD damit für einen Durchbruch im Westen, für eine Beschleunigung des westeuropäischen Integrationsprozesses frei würde. Des weiteren hat die einst, nicht zuletzt aus nationalen Rehabilitierungsgründen, deutscherseits betriebene Westintegrationspolitik mit der wachsenden Wirtschaftsmacht, der Geltung und der Handlungsfreiheit der BRD wesentliche politische Motive verloren Noch wenig artikuliert verstehen sich die Westdeutschen als eine Nation sui generis, sind sie auf dem Wege dazu, die Gesellschaft der BRD als eine Art Staatsnation anzunehmen und als einen eigenständigen politischen Handlungskörper zu verstehen. Die früher unterschwellige Neigung, die BRD als so etwas wie ein amerikanisches Mandatsgebiet und zugleich in gesamtdeutscher Perspektive als Provisorium zu relativieren, hat einer selbstverständlichen Identifikation mit diesem Staat Platz gemacht. Die Stabilität und Leistungskraft der sozioökonomischen Ordnung der BRD stärkt das Interesse an der Bewahrung und Förderung dieser besonderen Stellung in Europa. Anders als von vielen in der frühen Nachkriegszeit erhofft, sind alle wesentlichen Faktoren der staatlichen und politischen Organisation nicht supranational, sondern auf die BRD begrenzt. Sie leistet die politische Integration, in ihr sind die staatlichen Gewaltmittel zur Sicherung der inneren Ordnung konzentriert, alle politischen Organisationen von relevanter Größenordnung sind auf Bonn bezogen. Und in den Partnerstaaten der EWG ist dies nicht anders; vielmehr sind dort die national-staatlichen Traditionen und Apparate eher noch fester verankert Nichts spricht dafür, daß diese Nationalstaaten, die ihre Beziehungen bisher strikt und mit sehr wenigen Aus-nahmen auf der zwischenstaatlichen Koordinationsebene gehalten haben, nun — gerade nach der Einbeziehung Großbiitanniens — in eine regionale staatliche Organisation eingeschmolzen würden.

Im Widerspruch zu dieser Restabilisierung der nationalstaatlichen Organisation seit ihrer Infragestellung durch den Zweiten Weltkrieg steht jedoch die transnationale wirtschaftliche Verflechtung, die zwar sicher über den EWG-Raum hinausgreift, jedoch in ihm einen konzentrierten Kern und besonders günstige Bedingungen einer dynamischen Weiterentwicklung gebildet hat. Dieser Prozeß ist besonders von den europäischen und amerikanischen großindustriellen Interessen in Europa vorangetrieben worden. Selbst wenn es keine mächtigen multinationalen Unternehmen und keine supranational organisierten Kapitalinteressen gäbe, wären die Bewegungen des Kapitals, das industrielle Verhalten und die Mobilität der Arbeit im trans-nationalen Markt Faktoren, welche die Handlungsfähigkeit der einzelnen Nationalstaaten einengten und supranationale Institutionen zur gesamtwirtschaftlichen Steuerung notwendig machten. Darüber hinaus sind jedoch die Interessenorganisationen anderer wirtschaftlicher Bereiche und insbesondere die der Arbeiter und Angestellten nur im nationalen Rahmen wirksam, so daß sie (mit diesem) an Bedeutung verlieren. Daraus ergibt sich, daß nicht nur eine isolierte nationale Wirtschaftsteuerung und eine sog. Partnerschaftspolitik zwischen Kapital und Arbeit immer weniger möglich werden, sondern daß auch der liberal-demokratische Willensbildungsprozeß in den Nationalstaaten ausgehöhlt und ihre Verfassungsordnungen zu Größen zweiter Ordnung werden, ohne daß Ansätze sichtbar wären, leistungsfähige demokratische Organe auf supranationaler Ebene den großindustriellen Interessen entgegenzustellen. Die nationale Frage der BRD erscheint deshalb in der Form der innerdeutschen oder gar der Wiedervereinigungsproblematik falsch gestellt. Das auf sie fixierte Interesse lenkt von jener vitalen nationalen Frage ab, welche die BRD zunehmend mit den anderen Partnerstaaten der EWG verbindet: die Aushöhlung der nationalen Demokratie durch die wirtschaftliche Integration Westeuropas. Ihr Fortschritt fordert zur gewerkschaftlichen und politischen Organisation des Produktionsfaktors Arbeit, im weiteren Sinn der Demokratie und zentraler Teile der staatlichen Apparate auf der Höhe der Organisation der am weitesten entwickelten Produktivkräfte heraus. Noch immer meinen einige, daß die derzeitige Verbindung multilateraler Diplomatie und supranationaler Bürokratien eines Tages gemächlich in eine supranationale politische Organisation in Europa hinübergleiten werde

Andere glauben, die Nationalstaatlichkeit werde durch die wirtschaftliche Integration nicht angetastet, sondern im Gegenteil auf eine leistungsfähigere wirtschaftliche Basis gestellt. Dieser Beitrag wird zu zeigen versuchen, daß beide Hoffnungen wenig begründet sind. Er soll die wirkliche nationale Frage der BRD formulieren und eine Perspektive eröffnen, welche krisenhaften Prozesse aus dieser Herausforderung erwachsen könnten und wo die Kräfte für ihre demokratische Beeinflussung zu suchen sind.

II. Die Entpolitisierung der gesamtdeutschen Tradition

Tabelle 2: Identifikation deutscher Gruppen mit Eigenschaften, die früher als „typisch deutsch" angesehen wurden

Zunächst soll hier das Verblassen der gesamtdeutschen politischen Tradition im westdeutschen Meinungsbild an Hand von Meinungsumfragen aufgezeigt werden. Zwei Sonder-gruppen, für die sich aus der Anpassung an die Zweistaatlichkeit in Deutschland besondere Probleme ergeben, werden anschließend noch ausführlicher dargestellt.

Die Westdeutschen bekannten sich in der Nachkriegszeit stets zu dem Wunsch, Deutschland möge wiedervereinigt werden: In der Besatzungszeit waren es 96 v. H. und dieser Anteil ist nur sehr langsam gefallen; selbst 1971 verneinten erst 14 v. H. jegliches Interesse an diesem Ziel Auch in der klassischen Zeit der Westintegration war die Wiedervereinigung für mehr als die Hälfte, oft sogar mehr als zwei Drittel der Bevölkerung vorrangig gegenüber der europäischen Vereinigung, während deren Priorität nur von einem Viertel der Befragten gefordert wurde Die Gemeinverbindlichkeit des gesamt-deutschen Bekenntnisses darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß dahinter bei der Mehrheit kein wirkliches Bedürfnis stand. In der Konfrontation mit näherliegenden Wünschen bzw, für die Wiedervereinigung notwendigen Zugeständnissen verblaßte das nationale Bekenntnis zu einem „Schön-WetterZiel".

INHALT dieser Ausgabe I. Einleitung II. Die Entpolitisierung der gesamtdeutschen Tradition III. DDR-Kontaktgruppe und Vertriebene:

kein Kern eines nationalen Potentials IV. Die Bundesrepublik in der transnationalen Ökonomie Europas V. Die Perspektive der Wirtschafts-und Währungsunion Inhalt der nächsten Ausgabe VI. Der Nationalstaat als Steuerungs-und Vermittlungsapparat wird unwirksam VII. Ein gegenwärtiges Beispiel künftiger Gefahren: Import von Arbeit als politisches Problem VIII. Latente Einstellungen zur nationalen Integration und transnationalen Organisation

IX. Fazit Vorrang gegenüber wirtschaftlichen Problemen gewann die Wiedervereinigung erst nach dem Beginn der Konsolidierung in der Mitte der fünfziger Jahre, und je günstiger die wirtschaftlichen Verhältnisse wurden (1959 erschienen sie nur noch 15 /. H. als das dringendste politische Problem), desto häufiger wurde „Wiedervereinigung" an die oberste Stelle des bundesdeutschen Prioritätenkatalogs gestellt (18 v. FI. im Oktober 1951; 45 v. H. im Januar 1959). Sobald jedoch die Privatsphäre gefährdet schien, war es mit dem nationalen Bekenntnis vorbei. Schon als sich 1960 geringe Anzeichen wirtschaftlicher Stagnation bemerkbar machten, verkehrte sich der Trend, und während der Berlin-Krise 1961 hatten diese und die von ihr ausgelöste Kriegsfurcht alles Interesse an sich gezogen und das umfassendere nationale Problem verdrängt. Als das Vertrauen in die Sicherheit des Westens nach der Kuba-Krise zurückkehrte und die Tunnelbau-Illusion zunächst die Konfrontation mit der Wirklichkeit der Mauer verzögerte, zugleich der in der europäisch-atlantischen Krise wieder zu Ehren gekommene Nationalismus an der Formung der öffentlichen Einstellungen mitzuwirken begann, betonten 1964/65 noch einmal über 40 v. H.der Bevölkerung die Priorität des Wiedervereinigungsziels. Aber die Rezession beanspruchte unmittelbar darauf alle Aufmerksamkeit für sich; schon ein Jahr später ängstigten sich zwei Drittel der Bevölkerung vor allem um Arbeitsplatz und Preise, während kaum mehr ein Fünftel an der Wiedervereinigung als wichtigstem Ziel festhielt

Anders als in der Zwischenkriegszeit bewährte sich die Ablenkung wirtschaftlicher Krisenfurcht in nationalen Revisionismus nun nur noch sehr begrenzt. Während die damalige Starre, Rückständigkeit und nationalistische Ideologie der Gesellschaft die Umsetzung von Status-und Krisenangst in nationalen Protest zum epochalen Ereignis gemacht hatte, blieb diese Reaktion nunmehr auf rückständige und wirtschaftlich labile Randschichten — das „NPD-Potential" der Wahlforschung mit ungefähr 15 v. H. — begrenzt, während die Masse der Westdeutschen für wirtschaftliche Probleme wirtschaftliche Lösungen sehen wollte und diese honorierte Zwar sollte der geringe Umfang des wirtschaftlichen Einbruchs von 1966/67 vor einer Überschätzung dieser Pragmatisierung war-nen, zumal der etablierte Konservativismus damals noch keine oppositionelle Agitation entfaltete. Aber die grundsätzliche Einstellungsstruktur ist doch bei der Mehrheit verwandelt. Einst war es leicht, Versailles und die in den USA ausgelöste Wirtschaftskrise als zwei Ausdrucksformen derselben internationalen Diskriminierung anzuprangern. Nach der Erfahrung der deutschen Teilung als Phase eines beispiellosen Booms in der BRD haben gesamtdeutsche und soziale Ansprüche bei den Westdeutschen offenbar auch einen umgekehrt proportionalen Motivzusammenhang. Die Dynamik wirtschaftlicher Integration und die zunehmende Erkenntnis, daß eine friedliche Revision der Kriegsfolgen unmöglich ist erlaubte großen Teilen der Gesellschaft nur dann die Priorität auf die Wiedervereinigung zu legen, wenn unmittelbare Interessen wie Friede und Wohlstand derzeit keine besondere Aufmerksamkeit forderten. Nach der Rezession war dieser Zusammenhang klar. Es ist schwerlich vorstellbar, daß der Wiedervereinigungsanspruch in seiner traditionellen Form noch einmal zu einer größeren politischen Mobilisierung in der BRD dienen könnte

Eine andere Methode, den Wiedervereinigungswunsch auf seine Intensität und Konsistenz zu prüfen, führte schon 1964 zu demselben Ergebnis: „Wir wollen die Einheit. Viele , Realisten'glauben nicht mehr daran. Die Jugend hat sich am besten mit der Teilung abgefunden. Opfer für die Wiedervereinigung will nur eine Minderheit bringen — ob es sich um Sicherheit oder Geld handelt. Aber wir alle sind bereit, die Einheit hinzunehmen — als Geschenk." Durchgehend läßt sich feststellen, daß die Wiedervereinigung den Westdeutschen in ihrer Mehrheit keinen ernsthaften Preis wert war und daß sie dies gewöhnlich mit dem Alibi verschleierten, in Fragen wie Einheit und Freiheit könne es keine Kompromisse geben. Weil oder obwohl der Zweifel daran, daß die Besatzungsmächte die Einheit Deutschlands bewirken würden, von 15 v. H. (1946) auf 80 v. H. (1948) gewachsen war, s v. H. (1946) auf 80 v. H. (1948) gewachsen war, stimmten damals beinahe drei Viertel der Bewohner der US-Zone einer Staatsbildung nur im Westen zu 14). Zur selben Zeit zeigten Einzelerhebungen den überwältigenden Mißerfolg der von der SBZ ausgehenden Volkskongreßbewegung; vier Fünftel der Befragten lehnten eine Wiedervereinigung bei sowjetischem Einfluß überhaupt ab 15). In den fünfziger Jahren fand sich stets eine Mehrheit für „Sicherheit vor den Russen" als Alternative zur „Einheit Deutschlands" 1966 zeigte eine Befragung, daß zwar in der BRD nicht mehr (wie Mitte der fünfziger Jahre) die Revision der sozialen Reformen in der DDR zur Voraussetzung von Wiedervereinigung gemacht wurde, daß aber gleichwohl nur eine geringe Konzessionsbereitschaft für dieses Ziel bestand: 60 v. H. meinten, es sei mit finanziellen Hilfen an „Ostdeutschland" getan, wolle man der Wiedervereinigung näherkommen; 41 v. H. wollten nun immerhin die Beibehaltung der „ostdeutschen Errungenschaften auf dem sozialen Gebiet" konzedieren; bei der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze waren es jedoch nur noch 34 v. H. und der DDR selbst nur 26 v. H. Noch geringer war die Neigung, Änderungen in der BRD als Preis für die Wiedervereinigung vorzunehmen: Selbst für ein in diesem Rahmen nebensächliches Detail wie die Wiederzulassung der KPD erwärmten sich nur 37 v. H., 20 v. H. zogen eine Verstaatlichung der Grundstoffindustrie in Betracht, und 11 v. H. hielten eine Stationierung russischer Truppen in Westdeutschland im Falle der Wiedervereinigung für tragbar. Im Querschnitt waren nur 1, 5 v. H. (davon zwei Drittel SPD-Anhänger) in allen diesen Fragen konzessionsbereit und damit sehr wiedervereinigungswillig; dagegen lehnt v. H. zogen eine Verstaatlichung der Grundstoffindustrie in Betracht, und 11 v. H. hielten eine Stationierung russischer Truppen in Westdeutschland im Falle der Wiedervereinigung für tragbar. Im Querschnitt waren nur 1, 5 v. H. (davon zwei Drittel SPD-Anhänger) in allen diesen Fragen konzessionsbereit und damit sehr wiedervereinigungswillig; dagegen lehnten 12, 5 v. H. jede Konzession ab (davon über die Hälfte CDU/CSU-und NPD-Anhänger) 18).

Auf die hypothetische und durch realistischere Antwortmöglichkeiten erschwerte Frage, worauf wir „am ehesten verzichten (könnten), wenn uns das die Wiedervereinigung brächte", lehnten 14 v. H.der Befragten 1971 eine solche Erwägung bzw. das Ziel überhaupt ab, und 29 v. H. wollten sich nicht damit befassen; ein Viertel wollte am ehesten auf die NATO verzichten, ein Fünftel Abstriche am hohen Lebensstandard hinnehmen, während ein Austritt aus der EWG (9 v. H.) oder gar eine grundsätzliche Änderung der politischen (4 v. H.) bzw.der sozioökonomischen (2 v. H.) Ordnung der BRD nur noch von sehr kleinen Minderheiten am ehesten in Erwägung gezogen wurden 19). Der traditionelle Nationalstaat ist also kein Ziel, um dessentwillen diese Gesellschaft wesentliche Änderungen ihrer Struktur und ihrer wirtschaftlichen Integration in Europa hinnehmen würde.

Daß „Wiedervereinigung" als jenes abstrakte Ziel einer Restauration des Reiches „in Frieden und Freiheit" der Ernüchterung der sechziger Jahre nicht standhalten konnte, zeigte sich zunächst daran, daß es nicht nur in der publizistischen Diskussion 20) auseinanderdivi-diert wurde. Während sich zwischen 1956 und 1963 jenes Drittel der Befragten, die sich allmählich an die Teilung Deutschlands gewöhnt hatten, sie also nicht mehr als einen „unerträglichen Zustand" (zwischen 52 und 61 v. H.) empfanden, nur unwesentlich veränderte läßt sich ein ständiger Trend erkennen, sich mit der Oder-Neiße-Grenze abzufinden: Zustimmung fand dieser prinzipielle Einbruch in die deutschlandpolitische Position aller Bundestagsparteien 1956 nur bei 9 v. H., 1959 bei 12 v. H., 1962 bei 26 v. H. Hier stagnierte dieser Wert bis zur Großen Koalition, um dann zügig zuzunehmen und nach Bildung der sozialliberalen Regierung im November 1969 51 v. H. zu erreichen ein Jahr später waren selbst die unmittelbar betroffenen Vertriebenen in ihrer Mehrheit zu dieser Einstellung gekommen Wieder ein halbes Jahr später wurde der Warschauer Vertrag von der Hälfte der Bevölkerung gutgeheißen und nur von einem Viertel abgelehnt selbst bei den Vertriebenen scheint dies nur noch eine Generationsfrage zu sein (62 v. H.der Vertriebenen unter 50 Jahren votieren für die neue Ostpolitik) Schon 1965 bekannte die Mehrheit der Bevölkerung, daß sie sich unter Wiedervereinigung nicht die Wiederherstellung der Grenzen von 1937 (34 v. H.), sondern die Vereinigung der BRD mit der DDR (51 v. H.) vorstelle. Diese Entscheidung korrelierte mit den Merkmalen „Jugend" und „höhere Bildung", tendierte also zu weiterer Durchsetzung. Auch die Hälfte der Flüchtlinge und Vertriebenen hatte die Ostgebiete abgeschrieben, deren Provinzen nur noch ein starkes Drittel der Bevölkerung hatte aufzählen können Bei der erwähnten geringen Neigung, für die Wiedervereinigung Zugeständnisse zu machen, muß die Tatsache, daß es im Februar 1966 nur ein Viertel der Bevölkerung ablehnte, als Preis die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen, als Hinweis darauf verstanden werden, daß die Ostgebiete als Handelsobjekt nicht realistisch erschienen

Zwar ist es der Opposition im Bundestag in den Vertragsdebatten der letzten Jahre partiell gelungen, Argumente für ihre Zurückhaltung — insbesondere daß es sich bei den Ost-verträgen um Vorleistungen handele, die ohne gesicherte Gegenleistungen de facto die bisher erhobenen gesamtdeutschen Ansprüche wertlos machten — wenigstens bei ihren Wählern zu verdeutlichen. Der überwiegende Meinungstrend ging jedoch insbesondere nach dem Berlin-Abkommen dahin, die Ost-verträge und den Grundvertrag als Beitrag zur Friedenspolitik, als Aufstieg zur Normalisierung und als Ermöglichung menschlicher Erleichterungen zu betrachten Dies wäre sicher nicht möglich gewesen, wenn nicht Hand in Hand damit die zuvor geschürte Furcht vor einem militärischen Angriff der Sowjetunion dahingeschmolzen wäre

Die Gesellschaft der BRD ist auf dem Wege, die deutsche Frage als solche zu liquidieren und in einen Komplex konkreter Bedürfnisse, Interessen und Teilziele zu verwandeln, unter denen Frieden, gute Wirtschaftsbeziehungen (auch mit sozialistischen Ländern), die Sicherung West-Berlins und menschliche Erleichterungen für die Kommunikation in Deutschland, z. T. auch für deutsche Aussiedler aus Osteuropa, obenan stehen. Damit wird die gesamtdeutsche Tradition entpolitisiert. Bereits 1971 assoziierten Bundesbürger mit dem seit einigen Jahren von Politikern aller Parteien wieder verstärkt verwandten Begriff „unsere nationalen Interessen" eher die BRD allein als den Komplex beider deutscher Staaten (41 v. H. gegenüber 3. v. H.)

Als Anzeichen der Entschlackung und Konkretisierung der Beziehungen zwischen BRD und DDR springt zunächst ins Auge, daß das Bild der Westdeutschen von der DDR im ganzen differenzierter und wirklichkeitsnäher geworden ist. Während in den fünfziger Jahren geringe Kenntnis der dortigen Verhältnisse mit einer völlig pauschalen Abwertung der staatlichen Ordnung der DDR Hand in Hand ging und noch 1965 nur selten mehr als ein Drittel der Befragten allgemeine Sachfragen über die DDR („Wie hieß Karl-Marx-Stadt früher?") richtig beantworten und zum Beispiel nur 6 v. H. angeben konnten, wer Willi Stoph ist wächst — dank besserer Information — langsam die Kenntnis der Verhältnisse in der DDR und ihre differenzierende Beurteilung. In dem Maße, wie die DDR als etwas anderes, Fremdes beurteilt wird, tritt die Kluft zwischen der „Verbundenheit mit den Landsleuten drüben" und der Verurteilung ihrer Ordnung zurück, und es entsteht ein entlasteter Spielraum für konkrete Abwägung von Einzelinformationen. Allerdings kann diese Distanz auch den gegenteiligen Effekt pauschaler Vorurteile haben. So wächst sich unter weniger gebildeten Einheimischen, die keinen Kontakt mit Bürgern der DDR haben, der Antikommunismus zuweilen zu einer völlig abstrakten Frontstellung aus, hinter der man überhaupt kein mitmenschliches Gesicht mehr ahnen kann. In der nationalistisch-antikommunistischen Agitation, zum Beispiel im partikularistisch-antipreußischen Traditionsmilieu Bayerns, wird etwas von der Fremdheit als Vorbedingung für Verurteilung und Vereinnahmung greifbar Die Distanz kunn auch bei Gruppen, die der Entwicklung in der BRD sehr ablehnend gegenüberstehen, zu 'iner pauschalen Positivverzerrung der Lebens-wirklichkeit der DDR führen, weil dort hier angestrebte Grundreformen der Eigentums-ordnung bereits verwirklicht sind, die das tägliche Leben in der DDR prägende bürokratisch-provinzielle Praxis aber von hier aus nicht erfahren wird. Für sozialistische Jugendgruppen ist deshalb ihr erster DDR-Besuch zuweilen ein Schock.

Neben dieser Wirkung auf Randgruppen ist die Bedeutung der innerdeutschen Entfremdung jedoch in der Hauptsache darin zu sehen, daß sie die Bedingung der Möglichkeit ist, daß die Masse der Westdeutschen die DDR differenzierter und realistischer beurteilt. Dies — und nicht etwa eine Option — kommt auch darin zum Ausdruck, daß 1969 zwei Fünftel der Bevölkerung sich vorstellen konnten, unter Umständen euch in einem kommunistisch regierten Land zu leben, und zwar war diese Vorstellung unter Arbeitern sowie insbesondere unter den Gebildeten (Personen mit Abitur 57 v. H.) weiter verbreitet als bei weniger Gebildeten und Angehörigen der Mittelschicht. Zwar wird der Kommunismus „nach wie vor und auch für die Zukunft" von 57 v. H.der Bevölkerung (CDU-Anhänger 69 v. H., CSU-Anhänger 86 v. H.) als „die größte Gefahr für die westlichen Demokratien" angesehen, auf der anderen Seite aber erwarten 39 v. H. (SPD-Anhänger 50 v. H.) in 20 Jahren eine weitgehende Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West Die — wenn auch langsam — wachsende Neigung zu abwägender Beurteilung aufgrund eines verhältnismäßig hohen Informationsstandes ohne eine politische Option für die DDR enthüllt die Gegenüberstellung von Meinungsprofilen über BRD und DDR von 1969 Hinter der unveränderten Verurteilung totalitärer und militaristischer Herrschaftsformen werden positive Urteile teils über die soziale Leistungsfähigkeit, teils über die stärkere Kontinuität der nationalen Ordnungstradition in der DDR deutlich.

Im allgemeinen macht sich die Entlastung von der nationalen Verpflichtung auch in optimistischeren Einschätzungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und politischen Integration der DDR bemerkbar. Auf die 1971 gestellte Frage, wie sich der Abstand zwischen DDR und BRD auf wirtschaftlichem Gebiet in den siebziger Jahren entwickeln werde, vermuteten 34 v. H., er werde sich verringern, 2 v. H., er werde sogar verschwinden, während 32 v. H. erwarteten, er werde gleich-bleiben; nur 8. v. H. rechneten mit seiner Vergrößerung. Eine für die DDR günstige Beurteilung korrelierte wiederum mit höherer Bildung, Dienstleistungsberufen sowie positiver Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage. Nähere Bekanntschaft mit der DDR durch persönlichen Kontakt führte dagegen zur Polarisierung, das heißt einer entweder sehr günstigen oder sehr ungünstigen Einschätzung (dies insbesondere bei Befragten mit nahen Verwandten in der DDR) Auch die politische Stabilität der DDR wurde höher bewertet als noch vier Jahre zuvor, als v. H. sagten, die Bevölkerung der DDR wünsche nicht deren Anerkennung durch die BRD, und nur 21 v. H. diesen Wunsch unterstellten, 42 v. H. jedoch keine Angaben zu machen wußten 37). Nun glaubten nur noch 8 v. H., niemand in der DDR wolle die Anerkennung, 29 v. H. dagegen hielten sie für den Wunsch „sehr vieler" Mitteldeutscher, und von jenen 40 v. H., die diesen Wunsch immerhin „wenigen" DDR-Bürgern unterstellten, tendierte jeweils die Hälfte zu einer eher günstigen bzw. ungünstigen Einschätzung der ökonomischen Entwicklung der DDR im Verhältnis zur BRD In einiger Zeit wird die Mehrheit hierzulande der Meinung sein, daß ein beachtlicher Teil der DDR-Bürger die Anerkennung ihres Staates durch die BRD wünsche. Ein gewisses Maß unterstellter Selbstbestimmung aber ist, wie Klaus D. Eberlein aus anderen Erhebungen einsichtig gemacht hat, die wesentliche Voraussetzung dafür, daß die Westdeutschen die DDR als Sezession akzeptieren. Die Objektivierung der Betrachtungsweise, durch die den Mitteldeutschen eine eigene, von der unsrigen verschiedene Existenzform zugebilligt wird, gründet in der Entfremdung von denen „drüben". Erst das Abflauen eines gesamtdeutschen „Wir" -Gefühls als notwendige Folge der unterbrochenen Kommunikation und der andauernden Zweistaatlichkeit schafft die Möglichkeit, daß die DDR wie die anderen sozialistischen Staaten akzeptiert wird Zwar ist die heute schon faßbare, krasse Distanz westdeutscher Kinder und Jugendlicher von den Mitteldeutschen (und umgekehrt) noch nicht für die Bevölkerung repräsentativ und wird auch bei den heute Jungen später durch die Aufnahme von Information in ein differenzierteres Bild verwandelt werden, aber in der Grundtendenz, die Bewohner der DDR nicht mehr als einen Teil von „uns" zu empfinden, wird auch hier der Jugend die Zukunft gehören 1970 schrieben zum Beispiel zehnjährige Kölner Kinder Aufsätze über das Typische unserer Nachbarn in Ost und West, über die Holländer wußten sie aus den Ferien gut Bescheid, und die waren ihnen auch sehr sympathisch, weil sie so sauber seien. Häufig aus eigener Anschauung waren auch die Stereotype über Frankreich geprägt; immerhin klagten die Schüler hier über welschen Schmutz und den Mangel der Französin an Mutti-Eigenschaften. Schon die Engländer waren der eigenen Vorstellung entrückt und traten nur noch in drei männlichen Klischees auf: als Beatles, als englischer Entdeckungsreisender und in einer Mixtur aus Gentleman und Börsenjobber mit Schirm, Times und Melone. Die DDR hingegen war das schlechthin andere; hier beherrschten — die Kinder schrieben an einem drückend-heißen Junitag — Nebel und Schnee die Szene, wichtigstes Kleidungsstück der Mitteldeutschen war ein Lammfellmantel. Und selbst wo das ewige sibirische Eis schmolz, pfiff noch der Wind der Taiga durch die norddeutsche Tiefebene; die DDR erschien als ein Land ohne Kühlschrank und Fernseher, beherrscht von ständiger Angst und frühmorgendlicher Kehrwoche (mit der Schnee-schaufel), trist, doch ordentlich — „Sie sind halt von den Polen gefangengenommen" —, und jeder Anklang der Gemeinsamkeit war in Moll gesetzt: In der DDR „sind die meisten stur", „sehen sie streng aus", „einen aus der DDR könnte ich mir vorstellen wie einen Deutschen, aber er hat ein trauriges Gesicht"

Diese Kinder verliehen dem Zerfall des gesamtdeutschen Autostereotyps in zwei „Rumpfstereotype" ohne Bedenken Ausdruck. Erwachsene dagegen stehen noch häufig -un ter dem Eindruck, daß sie eigentlich die Mitteldeutschen nicht so abschreiben dürften, wie sie es in praxi tun. Als zum Beispiel Strauß 1966 kundtat, er glaube nicht, daß es noch einmal zum Deutschen Reich oder auch nur zur Wiedervereinigung von BRD und DDR komme, meinte zwar über ein Drittel der Befragten, er habe recht, aber von diesen stellte ein Sechstel zugleich fest, obschon er recht habe, hätte er dies nicht zum Ausdruck bringen dürfen Ähnliche Perplexität vor der gesamtdeutschen Wirklichkeit fanden wir 1971, als gefragt wurde, ob man eher mit der eigenen sozialen Schicht im Ausland oder mit anderen Schichten im Inland Gemeinsamkeit habe: Wurde statt Ausland DDR eingesetzt, verdoppelte sich die Zahl der Meinungslosen, die eine solche Präzisierung des Bezugspunkts ihrer nationalen Loyalität also verweigerten Versuchte man diese Hemmungsschwelle zu unterlaufen und durch Polaritätsprofile die emotionale Disposition gegenüber der BRD-und der DDR-Gesellschaft auszuloten, so ergab sich freilich auch für Heranwachsende und Erwachsene, daß Mitteldeutsche im Vergleich zu Westdeutschen erheblich schlechter abschnitten, weil auf sie die abfälligen Urteile der Bundesbürger über Kommunisten und Slawen ausstrahlten 1971 wurden die Befragten mit einer Liste von Eigenschaften konfrontiert, welche 1952 bei einer Umfrage als die für die Deutschen kennzeichnendsten ausgewählt worden waren Die Befragten sollten angeben, welche dieser traditionellen Autostereotype heute noch jeweils auf die Bundesrepublikaner, auf die Vertriebenen und Flüchtlinge sowie auf die Bevölkerung der DDR zuträfen. Eine Zusammenstellung dieser Einschätzungen ergibt, daß die Hierarchie dieser Eigenschaften für alle drei Bezugsgruppen sehr ähnlich und auch die Varianz isolierter Befragtengruppen wie Jugendliche, einheimische Bayern usw.

(trotz kennzeichnender Unterschiede im Detail) gering bleibt. Zugleich identifizieren sich die Westdeutschen aber mit diesen Traditionseigenschaften sehr viel mehr, als sie deren Gültigkeit auch für die Bevölkerung der DDR einschätzen. Ironischerweise trifft dies auch für diejenigen zu, die glauben, Nationaleigenschaften seien eine Sache des Blutes. Die größte Varianzbreite erreichen Werte der Innerlichkeit und des Gefühls (Treue, Gutmütigkeit), gefolgt von der Einschätzung des Nationalbewußtseins und der Intelligenz der Bezugsgruppen. Die negativen und positiven Extremwerte zeigen einmal die große Distanz der Jugend in der Identifikation der DDR-Bevölkerung mit deutschen Traditionseigenschaften, von deren werthafter Gültigkeit sich die Jüngeren jedoch kaum distanzieren: Auch für die Bundesrepublik und für die Vertriebenen und Flüchtlinge schätzen sie sie nur wenig geringer ein, als dies der Durchschnitt tut. Zweitens übersteigt die Geltung dieser Eigenschaften (abzüglich der als negativ angesehenen) bei den Vertriebenen in ihrer Selbsteinschätzung alle anderen Projektionen dieser Fragestellung, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß dieses Urteil das einzige Gruppenautostereotyp im engeren Sinne und insofern eine hohe Sympathieguote zu erwarten ist. Dies kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn die Daten in einen Indexwert umgerechnet werden, der die Beziehung zwischen Traditionsnormen und bestimmten Bezugsgruppen als werthafte Identifikation der Befragten quantifiziert. Darin wird zugleich die Distanz bzw. Sympathie zwischen Bezugs-und Befragtengruppen zumindest in der Form eines indirekten Hinweises greifbar.

Der Grundtrend der Haltung in der BRD zur „deutschen Frage" läßt sich insgesamt als ein zunehmendes Desinteresse kennzeichnen, dem eine wachsende Konzentration auf die inneren und äußeren Probleme der BRD korrespondiert. In der Lebenswirklichkeit der Westdeutschen spielen die DDR und ihre Bürger nur am Rande eine Rolle-, gefühlsmäßig werden diese kaum noch zur ingroup gerechnet. Diese Entwicklung entlastet jedoch zugleich von den Emotionen und Verpflichtungen aus der Zeit des Kalten Krieges und gibt bei den meisten einen nüchterneren Blick auf die Wirklichkeit der DDR frei. Die gemeinsame soziokulturelle Prägung wird durchaus noch als eine — wenn auch sich abschwächende — Tradition empfunden, allerdings bedeutet sie weniger eine politische Verpflichtung als einen Überhang paralleler privater Eigenschaften und Werte wie Fleiß, Zähigkeit und Ordnung. Der Bestand der DDR wird immer selbstverständlicher, die Oder-Neiße-Grenze ist es schon. Die gefühlsmäßige Entfremdung sowohl von der Reichstradition wie von den Bürgern der DDR weit über die Jugend hinaus läßt sich als Entwicklung einer Bi-Nationalisierung in Deutschland verstehen. Wenn eine Nation u. a. durch hohe Innenkommunikation auf allen Gebieten und als Folge davon durch gemeinsame Werte und Einstellungen sowie durch einen kollektiven Willen zur politischen Selbstgestaltung als Einheit ausgezeichnet wird, so entsprechen die Bevölkerungen der DDR und der BRD zusammen diesem Begriff nicht mehr, wohl aber in wachsendem Maße jede einzeln, wenn auch im Fall der DDR mit einer deutlichen Phasenverzögerung.

III. DDR-Kontaktgruppe und Vertriebene: kein Kern eines nationalen Potentials

Auf der Suche nach der Ursache für die zunehmend pragmatische Einstellung gegenüber der DDR stößt man auf ein Paradox: Auf der einen Seite wird die Sicht auf die DDR, die bisher von den gesamtdeutschen Dogmen verstellt war, in dem Maße freier (aber auch weniger interessant), wie die beiden deutschen Staatsgesellschaften auf dem Wege sind, je eigene Nationen zu werden, ohne sich dessen bewußt zu sein. Auf der anderen Seite konzentrieren sich jedoch Anwälte differenzierter und pragmatischer Betrachtungsweise besonders in jener immer kleiner werdenden Gruppe, deren verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Kontakt in die DDR im Widerspruch zur gesamtdeutschen Desintegration und Bi-Nationalisierung zu stehen scheint.

Zwei gegensätzliche Kommunikations-und Mobilitätstendenzen ergänzen sich zum nämlichen Effekt.

Zunehmend handelt es sich bei den menschlichen Beziehungen zwischen BRD und DDR um gefühlsmäßige Bindungen im engeren Sinne, auf die auch die getrennten Familien regredieren, weil ihre institutionellen und wirtschaftlichen Funktionen kaum noch wirksam werden können. Andere innerdeutsche Beziehungen, wie zum Beispiel der Handel, haben sich zwar im einzelnen als interessant, im ganzen aber als weit weniger lebenswichtig als der Austausch mit dem jeweiligen systemkonformen Ausland erwiesen Dennoch hat persönlicher Kon-takt in die DDR politische Bedeutung. Bei Untersuchungen des Informationsniveaus und der Einstellungen im Bereich der innerdeutschen Beziehungen zeigte sich nach dem Zusammenbruch der „Politik der Stärke" (Ende 1966 wurde sie nur noch von 19 v. H. unterstützt daß sich zwar im einzelnen für einen hohen Grad an Information über die DDR und für die Befürwortung der Politik der kleinen Schritte auch positive Korrelationen mit dem progressiven Merkmals-und Einstellungssyndrom (zum Beispiel „Beamte und Angestellte", „SPD-Anhänger", „höhere Ausbildung" usw.) ergaben, daß aber das durchgängigste Bestimmungselement die Pflege von Kontakten in die DDR war. Andere Korrelationen lassen sich darauf zurückführen: Größere 'obilität und bessere Ausbildung sind sehr oft die Voraussetzungen persönlicher Bindungen in die DDR; diese wiederum sind häufig ein Bestimmungsgrund für die Zuwendung zur SPD, was sich als Absage der besonders Interessierten an die gesamtdeutsche Politik der Union verstehen läßt. Nur in der Kontaktgruppe glaubten 1966 noch fast zwei Drittel (im Vergleich zu 19 v. H. in der Bevöl-kerung), daß die Wiedervereinigung für sie persönlich von Vorteil wäre; für mehr als drei Viertel der Bevölkerung war sie dagegen damals schon zu einem abstrakten, dem persönlichen Erfahrungsbereich entzogenen Ziel verblaßt

Die Motive der Kontaktgruppe liegen sowohl in ihrem Interesse für Menschen und Verhältnisse in der DDR als auch in ihrer persönlichen Betroffenheit von der deutschen Teilung durch erzwungene Mobilität und Familien-trennung. Wollte man nur das Motiv der „Betroffenheit“ von Teilung und Vertreibung berücksichtigen, ergäbe sich ein größerer Kreis (heute etwa 30 v. H.der Bevölkerung), dessen politisches Verhalten ambivalenter ist, weil hier bei einer Minderheit eine betont antikommunistische Reaktion auf Eigentums-und Statusverluste während der Vertreibungen aus Ostdeutschland und den Enteignungen in der SBZ/DDR politisches Urmotiv geblieben ist. Vergleicht man indessen die Einstellungen der „Betroffenen" zu unterschiedlichen politischen Problemen mit den Meinungen jener, welche die DDR für ökonomisch leistungsfähig und politisch relativ stabil halten, so zeigen sich dieselben Uberrepräsentationen, die auch die durch „Interesse" qualifizierte Kontaktgruppe charakterisieren, jedoch in abgeschwächter Form: „modernere" Sozial-merkmale wie erhöhte Mobilität, Urbanität, Tätigkeit im Tertiärsektor, positive Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage, progressivere politische Meinungen. Diese abgeschwächte Form bedeutet konkret, daß weniger mobile Vertriebene, die einst im Primär-sektor tätig waren, die fortschrittliche Grund-strömung der Gesamtgruppe „Betroffene" bremsen Während Spaßvögel zuweilen argumentieren, der Anteil der Vertriebenen und Flüchtlinge an der Bevölkerung vergrößere sich ständig durch Heirat und Vermehrung (aber kontinuierlich bekennen sich nur 10v. H.der Bevölkerung als Vertriebene), vermindert sich die Kontaktgruppe offenbar unabhängig von objektiven, zum Beispiel verwandtschaftlichen Kriterien. Der Anteil der Befragten, der angibt, Kontaktpersonen in der DDR zu haben, hat sich seit 1950 auf ein Viertel halbiert

Ein ganz anderes Problem als die westdeutsche „Kontaktgruppe" mit ihren mehrheitlich progressiv-realistischen Einstellungen und ihrem Interesse an konkreten Regelungen zwischen der BRD und der DDR stellen die Vertriebenen dar, deren soziale Ansprüche in der Vergangenheit teilweise in außenpolitische Fiktionen abgelenkt wurden und bei deren älteren Jahrgängen nun zum Teil die Gefahr eines regressiven Utopismus droht. Bei ihnen ist noch ein relikthaftes Sonderbewußtsein anzutreffen; zwischen ihnen und den Einheimischen gibt es noch immer Ressentiments; sie stehen in der Gefahr, „outgroup" zu werden. Sie identifizieren sich in außerordentlich hohem Ausmaß mit den traditionellen National-eigenschaften und verraten ein geringes Maß an Selbstkritik (vergleiche Tabelle?). Obwohl auch die Bundesrepublikaner im allgemeinen diese Eigenschaften, wie insbesondere Fleiß und Ausdauer, für sich als sehr kennzeichnend ansehen, wird ihnen von den Vertriebenen eine zu geringe Orientierung an der Tradition vorgeworfen. Während die Jugend eine gewisse Zurückhaltung gegenüber solchen Werten übt und Flüchtlinge sowie Personen mit DDR-Kontakt und Einheimische ohne DDR-Kontakt nicht merklich vom Durchschnitt abweichen, sind sie völlig unterschiedlicher Meinung über die Vertriebenen. Jugendliche und betont einheimische Gruppen unterstreichen am stärksten ihre Distanz zu den Vertriebenen; Flüchtlinge und Einheimische mit DDR-Kontakt zeigen mehr Sympathie für sie, erreichen aber bei weitem nicht die extreme Identifikation der Vertriebenen mit der Tradition. Nimmt man noch hinzu, daß die traditionelle Orientierung positiv mit einem Mangel an Beweglichkeit und Bildung korreliert, wie er sich in der Meinung, nationale Eigenschaften seien angeboren, und in der Entscheidung für Waren aus der BRD, auch wenn sie bei gleicher Qualität wesentlich teurer als ausländische sind ausspricht, so ist bei einem Teil der Vertriebenen ein besorgniserregendes Ausmaß an rückständigem Bewußtsein und regressiver Isolierung in der Gesellschaft festzustellen.

In einer neueren Umfrage kam bei älteren und weiblichen Vertriebenen ein erheblicher Realitätsverlust zum Vorschein. So sagten 55 v. H.der Vertriebenen, sie würden unter bestimmten Voraussetzungen in ihr Herkunftsland LIrückkehren, drei Viertel von ihnen fügten hinzu, daß die Ostgebiete in diesem Fall unter deutscher Regierung stehen müßten, fast alle verneinten die Rückkehr in die Gebiete unter polnischer Verwaltung — aber nur 13 v. H. aller Vertriebenen konnten sich in absehbarer Zeit überhaupt eine „politische Veränderung im osteuropäischen Raum" vorstellen. Im Ergebnis wollten nur 3 v. H.der Vertriebenen (oder zirka 0, 5 v. H.der Bevölkerung) unter den Bedingungen, welche auch sie als die gegebenen betrachten, in ihre alte Heimat zurückkehren. Gleichzeitig gaben mehr als die Hälfte der Vertriebenen an, sie fühlten sich nicht mehr als zum Beispiel Schlesier oder Ostpreußen (männliche und unter 50 Jahre alte Befragte je 72 v. H.) Aber sie fühlten sich noch als Vertriebene. Wie ist dieser Unterschied zu er-k"" ren?

Wiederum in grober Schematisierung ist dieser Tatbestand unseres Erachtens darauf zurückzuführen, daß die Vertriebenen nur sehr begrenzt als eine spezifisch außenpolitische Interessengruppe anzusprechen sind — und insofern die Agitation der Verbände und Landsmannschal ien nur noch eine kleine radikale Minderheit repräsentiert. Nur 9 v. H.der Vertriebenen (und 2 v. H.derer unter 50 Jahren) geben an, aktiv in den Landsmannschaften mitzuarbeiten, und nur von diesen sind 99 v. H. gegen die neue Ostpolitik, dafür sprechen sich jedoch 46 v. H.der Nichtmitglieder und 62 v. H.der Vertriebenen unter 50 Jahren aus Ihr Zusammengehörigkeitsbewußtsein als Gruppe — und dies gilt für die „echten" Vertriebenen besonders — ist weniger im Heimatgefühl verankert als in der Erfahrung, einer diskriminierten oder „unterprivilegierten" Gruppe anzugehören, auf welche die Einheimischen einen erheblichen Teil der Kriegsfolgelasten im Rahmen eines ungerechten Lastenausgleichs abgewälzt haben. Und diese Erfahrung ist nicht erfunden. Dazu ist ein Vergleich mit den SBZ-bzw. DDR-Flüchtlingen lehrreich. Die Isolierung und regressive Verbitterung gerade der älteren Vertriebenen und die pragmatische Anpassung der Flüchtlinge wird verständlicher, wenn man sich klarmacht, daß jene gegen ihren Willen aus ihrem Milieu herausgerissen worden sind und ihnen jeder Kontakt dorthin unmöglich war, diese jedoch überwiegend aus einer Güterabwägung heraus den Entschluß zum Verlassen ihrer Heimat gefaßt haben und noch Kontakte mit der Heimat unterhalten, zum größten Teil auch dorthin reisen können. Die Vertriebenen kamen in ihrer Mehrheit aus einem agrarisch geprägten'Traditionsmilieu, etwa ein Drittel von ihnen auch aus einer selbständigen Position in die frühe Notsituation der VIestzonen; in erwachsenem Alter machten sie einen tiefen Statusverfall und eine Zerrüttung aller persönlichen und dinglichen Umweltbezüge durch. Im Durchschnitt waren sie selbst dann, wenn sie einmal aus den Lagern herauskamen, einer schweren Diskriminierung durch die Einheimischen ausgesetzt, wurden herumgeschoben und beschimpft. Eine detaillierte Untersuchung der Beziehungen zwischen Vertriebenen und Einheimischen in einem süddeutschen Städtchen hat zum Beispiel die dabei auftretenden Spannungen im einzelnen dokumentiert und kam unter anderem zu dem beschämenden Ergebnis: „Es gab anfänglich ein gewisses Mitleid unter den Einheimischen für das Los der Flüchtlinge, das die grundsätzlichen Konflikte und Frustrationen größtenteils überwand, vorausgesetzt, daß der Flüchtling a) sich nicht beklagte, b) sich an die örtlichen Bräuche anpaßte und c) zu körperlicher Arbeit bereit war. Sogar protestantische oder städtische Herkunft schlossen als solche den Flüchtling nicht davon aus, von der Gemeinschaft akzeptiert zu werden, wenn er diese Bedingungen erfüllen konnte." Die SBZ/DDR-Flüchtlinge dagegen kamen überwiegend erst in den fünfziger Jahren, zu einer Zeit, als die westdeutsche Wirtschaft bereits Bedarf an Arbeitskräften hatte. Sie waren meist jung und anpassungsfähig (etwa die Hälfte der Flüchtlinge war zum Zeitpunkt ihrer Zuwanderung unter 25 Jahre alt) Sehr viele von ihnen hochqualifiziert oder qualifizierbar, aus mittleren und höheren Schichten des sekundären und tertiären Sektors, so daß ihre positiven Erwartungen an die westliche Konsumgesellschaft nur selten enttäuscht wurden, jedenfalls wirtschaftlich.

Wie Tabelle 3 zeigt, waren die Vertriebenen in einer ganz anderen Lage. Ältere Zahlen zeigen, daß der Anteil der Selbständigen unter ihnen zwischen der Kriegszeit und 1950 von 33 v. H. auf 7 v. H. sank, während derjenige der Arbeiter von 37, 5 v. H. auf 75 v. H. Tabelle 3:

Statusentwicklung der einheimischen (E), aus der SBZ/DDR zugezogenen (F) und vertriebenen (V) Erwerbspersonen der BRD (ohne Lehrlinge)

in Prozent je Jahr und Herkunftsgruppe

Selbständige und mithelfende Beamte und Arbeiter Familienangehörige Angestellte E F V E F V E F V Gesamtstatistik 1958 29, 2 18, 8 10, 2 24, 1 42, 8 25, 4 46, 7 38, 4 64, 4 1961 26, 1 15, 1 9, 7 26, 9 45, 8 28, 5 47, 0 39, 3 61, 8 1964 23, 8 15, 2 9, 7 29, 7 45, 8 31, 5 46, 5 • 38, 9 58, 9 1967 22, 4 14, 1 9, 4 32, 3 48, 7 33, 1 45, 3 37, 2 57, 6 1969 21, 0 14, 2 8, 9 33, 6 48, 4 34, 1 45, 4 37, 5 57, 0 Trend 1958 bis 1969 -8, 2 -4, 6 -1, 3 + 9, 5 + 5, 6 + 8, 7 -1, 3 -

0, 9 -7, 4 Disparitäten 1958 -10, 4 -19, 0 + 18, 7 + 1, 3 (9, 0) -8, 3 + 17, 7 (Abweichung v. E) 1969 -6, 8 -12, 1 + 14, 8 + 0, 5 -7, 9 + 11, 6 Disparität in der Landwirtschaft (Mikr 8 1964 23, 8 15, 2 9, 7 29, 7 45, 8 31, 5 46, 5 • 38, 9 58, 9 1967 22, 4 14, 1 9, 4 32, 3 48, 7 33, 1 45, 3 37, 2 57, 6 1969 21, 0 14, 2 8, 9 33, 6 48, 4 34, 1 45, 4 37, 5 57, 0 Trend 1958 bis 1969 -8, 2 -4, 6 -1, 3 + 9, 5 + 5, 6 + 8, 7 -1, 3 -

0, 9 -7, 4 Disparitäten 1958 -10, 4 -19, 0 + 18, 7 + 1, 3 (9, 0) -8, 3 + 17, 7 (Abweichung v. E) 1969 -6, 8 -12, 1 + 14, 8 + 0, 5 -7, 9 + 11, 6 Disparität in der Landwirtschaft (Mikrozensu 4 1961 26, 1 15, 1 9, 7 26, 9 45, 8 28, 5 47, 0 39, 3 61, 8 1964 23, 8 15, 2 9, 7 29, 7 45, 8 31, 5 46, 5 • 38, 9 58, 9 1967 22, 4 14, 1 9, 4 32, 3 48, 7 33, 1 45, 3 37, 2 57, 6 1969 21, 0 14, 2 8, 9 33, 6 48, 4 34, 1 45, 4 37, 5 57, 0 Trend 1958 bis 1969 -8, 2 -4, 6 -1, 3 + 9, 5 + 5, 6 + 8, 7 -1, 3 -

0, 9 -7, 4 Disparitäten 1958 -10, 4 -19, 0 + 18, 7 + 1, 3 (9, 0) -8, 3 + 17, 7 (Abweichung v. E) 1969 -6, 8 -12, 1 + 14, 8 + 0, 5 -7, 9 + 11, 6 Disparität in der Landwirtschaft (Mikrozensus) 1961 (89, 0) -53, 0 -46, 0 (2, 0) + 13, 0 + 5, 0 (9, 0) + 40, 0 + 41, 0 stieg 59). Gegenüber dieser Ausgangslage hat der Lastenausgleich nur eine sehr langsame und unvollständige Hilfe bedeutet; systematische Umschulungen fanden nicht statt 60). Und selbst die beschränkte Zahl wiedergewonnener selbständiger Existenzen trügt noch: Die selbständigen Landwirte Ostdeutschlands sind heute überwiegend kleine Ladenbesitzer und Kleingewerbetreibende. Soweit sie wieder in der Landwirtschaft angesiedelt wurden, sind sie nur in den seltensten Fällen über einen inferioren Status hinausgelangt: So waren von den bis 1965 an Vertriebene ausgegebenen etwa 167 000 landwirtschaftlichen Betrieben 73, 9 v. H. unter 2 ha groß (Bundesdurchschnitt 12, 1 ha); Vertriebene bewirtschafteten 1960 nur 54, 5 v. H.des Landes als ihr eigenes (Bundesdurchschnitt 85v. H.) 61). Angesichts dieser sozialen Erfahrungen sind die sozialen Spannungen zwi-sehen den älteren Vertriebenen und den Einheimischen noch verhältnismäßig gering; ihr Gefühl der Isolierung und Verbitterung kann nicht verwundern.

In der Ära Adenauer wurde der soziale Sprengstoff der Vertriebenen durch ihre Integration in eine folkloristische Subkultur und durch das Versprechen eines „Rechts auf Heimat" entschärft. Dies war die einfachste Lösung, denn wie hätte die Union die einheimischen Besitzschichten, auf die sie sich politisch stützte, zu einem wirklichen Lastenausgleich bewegen sollen 62)? Die Verbandsvertreter der Vertriebenen wurden integriert, ihre Interessen dort, wo kein unmittelbarer Konflikt mit Einheimischen drohte, wie zum Beispiel im Bundesdienst, überproportional berücksichtigt 63), die Ausgleichsämter wurden ihnen überlassen 64), damit sie sich selbst über die zu geringen und zu spät verfügbaren Lastenausgleichsmittel streiten konnten. Sie durften auch in der Außenpolitik mitreden, solange es dabei um nichts ging, was in Adenauers Prioritätenkatalog obenan stand, und zum Beispiel eine frühe Einleitung der Versöhnung mit Polen blockieren Aber in „bread and butter questions“ wurden sie abgedrängt: Es kam nicht in Frage, daß sie die Westintegration durch den Ruf nach Verhandlungen mit der UdSSR über die deutsche Einheit störten ihre Vorstellungen von Lastenausgleich konnten sie in der Union und ihren Koalitionsparteien nicht durchsetzen 67). Als sie merkten, daß ihr „Recht auf Heimat" eine Leerformel war, die gerne nachgebetet wurde, weil sie niemanden störte, und ihre Gebietsforderungen konkretisieren wollten, ließ sich auch ihre CDU-Schutzmacht nicht überzeugen und blieb beim Heimat-recht Kein Wunder, daß die Verbände nach all diesen Niederlagen in ihrer (in diesem Umfang nur durch Regierungsfinanzierung ermöglichten) Arbeit ihre Anhänger mit zunehmend regressiver und illusionärer Propaganda integrieren mußten Nach außen sprachen sie von Selbstbestimmungsrecht, aber nach innen summierten sich ihre Ansprüche ungefähr zu einem arrondierten Bismarckreich Ihre Verbandspresse blieb auf Beschwörungen der Heimatidylle und den Vereinsbetrieb konzentriert um von den sozialen Sorgen des Tages abzulenken. Wer sich über die großen Wiederbegegnungsfeiern der Heimattage hinaus in den Verbänden engagierte, ihre Ideologie aufnahm, die nationalen Versprechungen, die den schweren Alltag transzendierten, ernst nahm, der mußte allerdings — wie die Verbandsfunktionäre — bei der Einleitung der populären neuen Ostpolitik, als auch die Union nicht mehr von den „Grenzen von 1937", sondern nur noch von „Menschen in Deutschland" sprach, vor einem Scherbenhaufen stehen und sich betrogen fühlen.

An diese Erfahrungen der älteren Vertriebenen sollte man sich erinnern, bevor man sie immer häufiger als nationalen Bremsklotz abtut. Ihr Problem ist ein soziales, weil sie schwerere Kriegsfolgen als andere Teile der Gesellschaft ertragen mußten und die Lasten in der „sozialen Marktwirtschaft" nicht wirklich ausgeglichen wurden. Anstatt ihnen die nötigen zusätzlichen Anpassungshilfen zu verschaffen, die zu einer neuen Selbstidentifikation mit ihrer wirklichen Umwelt hätten führen können, wurden sie auf konservative Fiktionen abgelenkt, auf eine in die Zukunft projizierte Vergangenheit.

Wo die gesellschaftliche Anpassung mit der Zeit nicht nachgeholt werden konnte, blieben die nationalen Ansprüche ein notdürftiger Ersatz kollektiver Selbstidentifikation Das ist jetzt zusammengebrochen. Damit ist ihr Problem erneut als ein soziales gestellt und verdient Bemühungen um eine mitmenschlichere Lösung.

IV. Die Bundesrepublik in der transnationalen Ökonomie Europas

Nachdem der gesamtdeutsche Schleier gefallen ist, wird der Blick auf die Grundlagen des Verhältnisses der Menschen zum Staat, zur BRD freier. Was in den fünfziger Jahren mit kulturpessimistischer Wehmut registriert wurde, ist heute die unverblümte Voraussetzung des politischen Geschäfts: Die Einstellung der Menschen zum Staat lebt davon, was die „nationale" Wirtschaft insgesamt leistet und wie die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen eigenen Land beschaffen im sind. Nichts greift ja in der Regel tiefer in den Lebenszusammenhang jedes einzelnen und jeder Gruppe ein als die Gesamtleistung „der" Wirtschaft, als die gesellschaftliche Machtverteilung und die eigene Stellung im Produktions-und Verteilungsprozeß. Aber diese Stellung kann nur zum geringen Teil unmittelbar erfahren werden Der Wirtschaftsprozeß im ganzen bleibt undurchschaubar, und er ist so organisiert, daß die lebens-bestimmenden Strukturen und Vorgänge jen-seits der konkreten Erfahrung bleiben. Noch schwerer ist die Machtverteilung zu durchschauen. Daß die den eigenen Lebenszusammenhang bestimmenden Entscheidungen von einer kleinen Zahl von Unternehmensleitungen, Verbands-und Ministerialbürokratien gefällt werden und daß diese Entscheidungszentren zum großen Teil schon jenseits der Staatsgrenzen und über sie hinweg tätig werden, kann von den Betroffenen nicht unmittelbar erfahren werden, weil sie selber weder gestaltend noch kontrollierend darauf einzuwirken vermögen. Wieweit Vorgänge in der Weltwirtschaft die eigene Lage beeinflussen, kann bei solcher Verfassung schon gar nicht eingesehen werden. Äußerstenfalls wird in dem Rahmen, in dem politische Einwirkung, wie verdünnt auch immer, möglich ist — im nationalen Staat —, ein Zusammenhang der wirtschaftlichen Vorgänge faßbar, als „Nationalökonomie" und nationale Wirtschaftspolitik. Aber diese Nationalökonomie wird von Tag zu Tag mehr zu einer Fiktion — auch in der BRD. Einen ersten Hinweis darauf gibt die Außenhandelsverfleclitung.

Die Unternehmungen in der BRD tätigen mehr Außenhandel ils jene in den Nachbarländern vergleichbarer Größe über 10% der Welt-Einfuhren und 12 °/o der gesamten Weltausfuhren konzentrieren sich auf die BRD (1970: Einfuhren 29, 8 Milliarden, Ausfuhren:

34, 2 Milliarden Dollar). Im Vergleich zum EWG-Durchschnitt kaufen und verkaufen die Unternehmungen in der BRD in größerem Umfang außerhalb Europas. Sie sind überdurchschnittlich beteiligt an der Ausbeutung der südlichen schwach industrialisierten Länder vermittels Rohstoffkäufen zu nachteiligen Preisen und Perpetuierung abhängiger Wirtschaftsstrukturen Ein steigender Teil des Handels wird in Westeuropa und vor allem in der EWG getätigt. War der Anteil des EWG-Handels am gesamten Außenhandel der BRD 1960 noch unter 30 %, so kamen 1970 schon 44 % der Einfuhren aus der EWG und gingen 40 ‘ 'o der Ausfuhren in diesen Vorzugsraum. Mit der Erweiterung der EWG auf 9 Länder, ja praktisch dem Anschluß auch des restlichen Westeuropas wird der grenzüberschreitende Handel der BRD zu rund 60 % Vorzugsbedingungen unterstellt. Er wird nicht mehr national, sondern „gemeinschaftlich" reguliert, wobei die Handlungsfreiheit der Unternehmungen gegenüber den beteiligten Regierungen wächst, während umgekehrt die Eingriffsmöglichkeiten der Regierungen der BRD und der anderen Länder gegenüber den Unternehmen und dem gesamten Wirtschaftsprozeß erheblich eingeschränkt werden. Die wirtschaft’ichen Verflechtungen sind jedoch dichter und folgenschwerer, als die Globalzahlen des Außenhandels vermuten lassen.

Daß rund ein Fünftel des Bruttosozialprodukts auf die Ein-und Ausfuhren entfällt, würde für sich allein noch nicht gegen die Möglichkeit einer ausreichenden nationalstaatlichen Steuerung der Wirtschaft sprechen. Die tatsächliche Verflechtung wird etwas deutlicher bei einzelnen wichtigen Branchen und Sektoren. So werden über die Hälfte der von der deutschen Automobilindustrie gebauten Fahrzeuge exportiert Damit ist nicht nur ein massives Interesse der Unternehmungen an den Exportmärkten und einer für sie günstigen Außenhandels-und überhaupt Außenpolitik der BRD gegeben Vor allem ist einer der größten und für den Konjunkturverlauf im eigenen Land ausschlaggebenden Produktionssektoren mit Umsätzen von über 30 Milliarden DM und Hunderttausenden direkt oder indirekt von der Autoindustrie Beschäftigten überwiegend vom Außenhandel abhängig. Zwei der größten Unternehmungen, Opel und Ford, werden von den USA aus beherrscht und gesteuert; aber alle Produzenten planen gleichermaßen für einen größeren Markt und gegen Konkurrenten, die gleichfalls ohne wesentliche Behinderung durch Grenzen (vor allem in der EWG) großräumig investieren, produzieren und verkaufen.

Energie

Der Treibstoff für die Autos und für die nahe Zukunft die bei weitem wichtigste Energiequelle überhaupt (und ein wichtiger Industrierohstoff), das Erdöl, wird nicht in der BRD gefördert. Das gleiche gilt für Erdgas. Die Hälfte des in Westeuropa gebrauchten Erdöls kommt aus den Ländern des Nahen Ostens, ein wachsender Anteil aus Nordafrika, insgesamt fast 90 °/o aus Übersee

Erschließung, Förderung, Transport, Verarbeitung und Vermarktung werden von Unternehmen gesteuert, die von keiner politischen Instanz, weder von der BRD noch einem anderen Staat, kontrolliert und nachhaltig beeinflußt werden können. Die Kalkulation der Kosten, Preise und Gewinne bleibt einer kleinen Zahl von Großunternehmen überlassen, die untereinander nach Art eines Kartells weltweit Absatz und Produktion steuern. Auch in jenen westeuropäischen Ländern, die starke nationale Erdölgesellschaften aufgebaut und im Zusammenhang damit eine eigenständige, nationale Erdölpolitik versucht haben (Italien)

und noch versuchen (Frankreich), können sie doch nur die von den „Großen" diktierten Bedingungen modulieren, dabei freilich auch auslösend wirken für die Revision von Erzeugerpreisen und Abgaben an die Produzenten-länder und dem eigenen Land eine verläßlichere Beteiligung an der Erdölausbeutung gewinnen. Die BRD verfügt über keine solchen Stützpfeiler und Hebel einer nationalen Erdölpolitik.

Praktisch jede wirtschaftliche Tätigkeit in der BRD ist somit abhängig von den ökonomisehen Strategien einiger weniger, internationaler Unternehmungen. Dabei ist nicht allein an Versorgungsrisiken (etwa in Verbindung mit der Politik der Erdölkonzerne gegenüber den Förderländern in Nordafrika und im Nahen Osten) und die Auswirkung auf die gesamte Kostenstruktur, auf Arbeitsplätze und nicht zuletzt auf die Gewinnmöglichkeiten dieser Unternehmungen zu denken. Die Erdöl-industrie ist auch ein wichtiger Faktor der Kapitalbildung und des Geldmarktes. Die Kapitalaufwendung der gesamten Erdölindustrie wird für das Jahrzwölft 1968— 80 auf 295 Milliarden Dollar geschätzt. Weniger noch als Politikum eingeschätzt, aber zukunftsgestaltend ist der Beitrag der Erdölindustrie (samt Erdöltransport) zum Ruin der natürlichen Lebensbedingungen. Die Abfälle der Erdölverarbeitung tragen erheblich zur Verwandlung der Flüsse in Kloaken, der Weltmeere in die Hauptkloake bei. Auf diese Gefahren kann die BRD in wesentlichen Teilen nur mit den Verfahren der Diplomatie einwirken. Zwar können für Transport, Verarbeitung und Gebrauch im Inland Normen aufgestellt werden, aber da die ökonomischen Daten, mit denen solche Schutznormen stets in Konkurrenz stehen, jenseits der politischen Instanzen der BRD festgelegt werden und eine diskriminierende Behandlung der Erdölindustrie in der BRD zu Wettbewerbsstörungen führen könnte, werden politische Initiativen zur Umwelt-schonung sich als schwierig erweisen. Die übernationale Entscheidungsstruktur der Erdölindustrie macht nationalen Umweltschutz hilflos.

Die in einer ferneren Zukunft neben Erdöl wichtigste Energiequelle, Kernenergie, ist ebensowenig mit den in der BRD mobilisierbaren Mitteln anzuzapfen und auch nicht mit den nationalstaatlichen Institutionen allein kontrollierbar. Die kostengünstige Erzeugung von Nuklearenergie erfordert einen so hohen Entwicklungsaufwand an hochqualifizierter Arbeit und an Kapital, daß in Europa alle nur-nationalen Vorhaben schwerlich Erfolg haben könnten. Auch internationale Kooperation, etwa mit den Atommächten Frankreich und Großbritannien und/oder mit anderen EWG-Partnern, ist nur in Einzelfällen von beschränkter Bedeutung erfolgversprechend. Die beiden Atommächte betreiben ihre Nuklear-forschung und -industrie nicht losgelöst von der nationalen Militärpolitik, vor allem Frankreich nicht, was die zivile Zusammenarbeit erschwert. Darüber hinaus versucht jede der beteiligten Regierungen, als Gegenleistung für die nötige, massive staatliche Förderung eine entsprechende Begünstigung der Betriebe im eigenen Land durchzusetzen, was mit einer Kontrolle der Kosten unvereinbar ist, und die Zusammenarbeit kann von jeder Änderung der Regierungspolitik in einem der Partnerländer beeinträchtigt werden, so daß keine langfristige und rationelle Planung möglich ist

Schließlich ist fraglich, ob sogar eine funktionierende Zusammenarbeit der Nuklearindustrien in Europa noch ausreicht, den Vorsprung amerikanischer Unternehmungen einzuholen, der sich als Abhängigkeit, Kostenrisiko und als ökonomische Vergeblichkeit eigener, sei es auch wissenschaftlich-technisch zweckmäßiger Projekte auswirkt. Dieser Vorsprung amerikanischer Unternehmungen beruht auf der staatlichen Förderung dieser Unternehmungen, nicht zuletzt mittels Rüstungsaufträgen, sowie auf der oft massiven staatlichen Einflußnahme seitens der Welt-macht USA gegenüber Ansätzen zu eigenen Nuklearindustrien in Europa, wofür in Zukunft der Atomsperrvertrag in zumindest einer Nebenfunktion ein geschmeidigeres Mittel hergibt. Die Abhängigkeit manifestiert sich als Quasimonopol der USA für gewisse Brennstoffe und einer dadurch befestigten kommerziellen Überlegenheit der zugehörigen amerikanischen Reaktortypen. Mit dieser Abhängigkeit sind nur zwei Arten von Zusammenarbeit vereinbar: entweder der ohnehin teure und nach Kostenentwicklung und politischer Beeinflussung unkontrollierbare Import von Reaktoren und Brennstoffen aus den USA, was den Verzicht auf die industrielle Entfaltung von höchstqualifizierter Produktiv-kraft einschließt, oder die Beteiligung an den Entwicklungskapazitäten der privilegierten amerikanischen Unternehmungen durch deren Beteiligung an Management und Kapital der Unternehmungen in der BRD und Westeuropa, was die hier vorhandenen Produktivkräfte einer Entscheidungsstruktur unterstellt, auf die keine verfassungsgemäßen Instanzen ein. zuwirken vermögen.

Nachrichten-und Iniormationssysteme

Die Informatik ist der Sektor der Ökonomie, der vielleicht am stärksten die künftige Lebensweise und den industriellen Progreß bestimmt. Fast jedes neue Produkt wird einen hohen Anteil von Information gleichsam in sich schließen: als das vielfältig verzweigte und bearbeitete technologische Wissen, das in seine Produktion und Verteilung eingegangen ist. Die Herstellung von Informationsmitteln ist einer der raschest wachsenden Industriezweige mit jährlichen Zuwachsraten in der Größenordnung bis zu 35 0/0 8S).

Vor allem nimmt auch der Massenkonsum an Informationen, dem Fortschritt der Mittel folgend, rasch zu. Durch alle diese Entwicklungen wird das Geschäft der Politik direkt oder indirekt beeinflußt. Die Steuerung des wissenschaftlich-technologischen Wissens (Datenspeicherung und -Verarbeitung) wird von der Verfügung über die „Gedächtnis-und Kombinationsmuskeln" abhängig. Wie überall in der modernen Technologie sind auch hier politische Optionen nur zu beurteilen im Blick auf die Kontrolle der Forschungs-und Entwicklungsbetriebe. Beschränkt auf das Territorium des einzelnen Staates können diese Betriebe nicht optimal arbeiten, aus ähnlichen Gründen wie bei der Nuklearindustrie. 90 0/0 der in der Welt hergestellten Datenverarbeitungsanlagen sind amerikanischen Ursprungs, wobei ein einziges Unternehmen (IBM) allein 70% der amerikanischen Produktion in sich vereinigt und sich zugleich auch in vielen anderen Ländern durch Schaffung neuer oder Übernahme alter Betriebe einpflanzt.

Ein ökonomisch wie politisch wichtiges Instrument werden Nachrichtensatelliten sein. Hier hat eine amerikanische Unternehmung, aufbauend auf dem militärisch finanzierten Vorsprung der USA in Raketen-und Weltraumtechnik und gedeckt von der amerikanischen Regierung, ein Monopol inne. Der Langstreckenverkehr aller Informationen innerhalb der Bundesrepublik und nach außen wird in Zukunft wahrscheinlich von Anlagen geleistet werden, die weder hier entwickelt noch hier produziert worden sind.

Die Entscheidungsstruktur der Informatik-und Computerindustrie ist großteils übernational. Nationale Computerentwicklung, wie sie in Großbritannien durchgehalten, in Frankreich versucht wird, hat es schwer, den Rückstand aufzuholen. Nahezu die gesamte Informatikproduktion in Frankreich wird von zwei amerikanischen Unternehmen (IBM und Honneywell) kontrolliert. Für die BRD ist die transnationale Verflechtung der hier ansässigen Produzenten über den „point of no return" vorgeschritten. Mit den neuen Informationsmitteln ändern sich auch die technische Basis der Bewußtseinsindustrien und die Hauptmittel der politischen Vermittlung jeder Art. Es entstehen integrierte Systeme der Datenverarbeitung und Unternehmenssteuerung, die selber in Form von Großunternehmen organisiert sind und damit den Zwängen der Profitsteigerung unterliegen. Die Entscheidungsstruktur der Informatikindustrie (wer welche Innovationen in den Medienindustrien anstrebt, für welche Zwecke Datenverarbeitungssysteme entwikkelt und wem sie zu welchen Bedingungen zugänglich gemacht werden) wird von der Konzentration und den Wachstumsbedürfnissen der großen Unternehmen bestimmt, ökonomisch schwache Gruppen (kleine Unternehmen, politische Gruppen, etwa Bürgerinitiativen) und erst recht der in der Politischen Bildung stets als „Aktivbürger''beanspruchte Einzelne werden es zunehmend schwieriger finden, Zugang zu den für sie wichtigen, d. h. für ihre Zwecke aufbereiteten Informationen zu finden. In dieselbe Richtung geht die technologisch mögliche und nach den Prinzipien der Kapitalverwertung wahrscheinliche Konzentration der Massenmedien (elektronische Zeitung direkt ins Haus, Kassettenfernsehen). Alternative Strategien könnten nicht für die BRD allein durchgesetzt werden. Eine Art „Opposition in Sachen Information", die den Datenfluß so reguliert, daß die persönliche Sphäre eines jeden geschützt und die Geheimnisse der ökonomischen und sonstigen Machtzentren offengelegt werden, hätte es mit den Produzenten der großen Informationsmaschinen aufzunehmen, die jedoch zunehmend transnational operieren

Die Außenhandelsstatistik spiegelt also nur unvollständig die tatsächlichen wirtschaftlichen Verflechtungen wider. Wichtiger ist die Struktur der Produktion und Verteilung, des technisch-industriellen Progresses, der Unternehmungen und der in ihnen (zwecks Profit-gewinnung) organisierten produktiven Kräfte.

Diese Struktur kann nicht mehr als auf das Territorium der BRD beschränkt verstanden werden. Gerade die ergiebigsten Produktiv-kräfte, Forschung und Technologie, werden zunehmend großräumig organisiert.

Für das Ausmaß der Technologieübertragungen gibt es keine konkreten Meßergebnisse; wahrscheinlich werden jedoch jährlich auf nicht erfaßbaren Wegen Milliardenwerte transferiert, und zwar im Rahmen von Verflechtungen und Kooperationsverhältnissen innerhalb der BRD wie im grenzüberschreitenden Verkehr Allein die deklarierten Ausgaben deutscher Unternehmen für ausländische Patente, Verfahren und ähnliches betragen über eine Milliarde DM jährlich und steigen rasch an. Die deklarierten Einnahmen liegen, langsamer ansteigend, unter einer halben Milliarde, was ein beträchtliches und chronisches Defizit ergibt. Ein großer, schwer zu isolierender Teil des Exports von Technologie vollzieht sich in Form von Warenexporten. Dennoch gibt das hohe und wachsende Defizit der Lizenzbilanz einige Aufschlüsse über die Zwänge, unter denen die Kapitalverfüger sich konzentrieren. Die Ausgaben gehen derzeit zur Hälfte an Unternehmungen mit dem Sitz in den USA, zu einem weiteren hohen Teil an Unternehmen und Patentverwertungsgesellschaften, die, wenn auch mit Sitz in der Schweiz oder sonstwo in Westeuropa, doch unter überseeischer Kontrolle stehen. Das Defizit entsteht überwiegend in der Elektro-sowie in der chemischen Industrie, Branchen mit besonders ausgeprägter Forschungsund Entwicklungs-Intensität, und wird fast ganz von deutschen Unternehmungen mit maßgeblicher ausländischer Kapitalbeteiligung verursacht. Es ist damit in der Regel nur die Kehrseite der transnationalen Management-oder Kapitalverflechtung.

Multinationale Konzerne

Die ökonomische Verflechtung wird in der großräumigen Operationsweise der multi-oder transnationalen Unternehmungen am deutlichsten faßbar. Sie bestimmen durch ihre schiere Größe und ihre Spitzenstellung in den für den technologisch-industriellen Prozeß wichtigsten Sektoren den Charakter unserer Zivilisation und die Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderung. Die größten der Großen sind amerikanische Unternehmungen; freilich wird die Lokalisierung der Unternehmensspitze im einen oder anderen Land immer weniger wichtig für den Charakter seiner Operationen. Ein Vergleich der Umsätze der großen Unternehmungen mit dem Staatshaushalt mittlerer Länder bzw.dem gesamten Bruttosozialprodukt kleiner Länder zeigt nur wenige in Europa ansässige Unternehmungen in der Welt-Spitzenklasse. Der Umsatz von General Motors (rund 23 Milliarden Dollar) ist gleich oder höher als das Bruttosozialprodukt von Ländern wie Belgien oder die Niederlande, höher als das Staatsbudget Italiens und erreicht immerhin die Hälfte des Staatshaushalts der BRD. Esso, Ford und Royal Dutch/Shell mit 14 Milliarden Jahresumsatz übertreffen wesentlich die Staatsbudgets Schwedens oder der Niederlande, sind höher als das Gesamtprodukt Dänemarks oder Österreichs

Europa und vor allem die Europäische Gemeinschaft zieht amerikanische Investitionen großen Stils auf sich. Der Anteil der Gemeinschaftsländer an den amerikanischen Auslandsinvestitionen stieg seit der Gründung der Gemeinschaft von 5, 4 auf 13, 8 v. H. mit jährlichen Steigerungsraten von zeitweise 18, 2 v. H. (1958— 66)

Der Bilanzwert der amerikanischen Direktinvestitionen in der BRD allein betrug 1968 3, 7 Milliarden Dollar (oder 42 °/o der amerikanischen Investitionen in der EWG). Der Wert des tatsächlich kontrollierten Produktivvermögens ist etwa viermal so hoch. „Bis Ende 1968 hatten die amerikanischen Unternehmen im Ausland etwa 65 Milliarden Dollar investiert, davon 9 Milliarden in der EWG .. . Das tatsächliche Gewicht der amerikanischen Anlagen kann nicht allein nach ihrem Bilanz-wert geschätzt werden. Er stellt ohne Zweifel nur etwa die Hälfte des Markt-oder Tauschwerts dar. Andererseits erreicht der von den amerikanischen Niederlassungen in Europa kontrollierte Anlagenwert in etwa noch einmal das Doppelte von dem, was sie tat'sächlich besitzen. Man kann also annehmen, daß die 9 Milliarden Dollar, die von offiziellen amerikanischen Quellen allein für die Mitgliedsländer der EG für 1968 ermittelt wurden, einem wirklichen Wert von über 30 Milliarden Dollar entsprechen."

Diesen Investitionen entspricht nicht immer eine tatsächliche Übertragung von Leistungen und Werten. Immer werden Verfügungsrechte erworben, aber finanziert werden diese Investitionen überwiegend in Europa selbst: durch Reinvestierung von Gewinnen, Abschreibungen, staatliche Beihilfen und über den Euro-Geldmarkt. „Ein Unternehmen wie General Motors hat in den letzten 20 Jahren nicht einen einzigen Dollar aus den USA exportiert, um seine Auslandsinvestitionen zu finanzieren." Die amerikanischen Investitionen in Europa wurden 1967 nur zu 16°/o mit aus den USA stammenden Mitteln, im übrigen aus Gewinnen und Abschreibungen sowie Anleihen (46 °/o) finanziert

Schon Mitte der sechziger Jahre hat man die Auslandsproduktion amerikanischer Unternehmungen auf das Vierfache der gesamten Ausfuhren geschätzt Ein erheblicher Teil des Welthandels entfällt auf interne Lieferungen und Zahlungen multinationaler Unternehmungen, amerikanischer und anderer. In ihrem Planungsprozeß wird die Unterscheidung zwischen Inlands-und Auslandstätigkeit zu einem Kriterium zweiten Ranges. Die Tendenz geht dahin, Wettbewerbsvorteile aller Art (technologischer Vorsprung, Kapitalstärke) auszunützen, und zwar nicht in der klassischen Weise der Handelsausweitung, sondern durch Übernahme der Kontrolle über Unternehmungen in den Regionen und Sektoren mit relativ geringerer Großtechnologie und geringerer Kapitalstärke.

Häufig haben die amerikanischen Unternehmungen in Europa ihren Erfolg Produkten und Verfahren zu verdanken, die sie zuvor schon in den USA amortisiert hatten; so sind Jahresgewinne von 20 oder 30 v. H. keine Seltenheit. Hier liegt der entscheidende Beweggrund für die Konzentration der Unternehmungen. Ein Vergleich der (deklarierten) Gewinne von 187 großen multinationalen Unternehmungen mit dem Durchschnitt der amerikanischen Verarbeitungsunternehmen (einschließlich der großen) ergibt für die „multinationals" ein Verhältnis Gewinn/Umsatz von 7, 2 gegenüber 5, 2 und ein Verhältnis Gewinn/Investitionen von 13, 3 gegen 1 1, 6

Nicht in allen Fällen bewirkt die Konzentration von Unternehmungen (ob trans-atlantisch oder trans-europäisch) eine unmittelbare Steigerung der Gewinne. Das Kalkül der (relativen) Gewinnsteigerung ist langfristig. Marktanteile werden vergrößert, Produktionsstrukturen mit dem Blick auf künftige Ertragssteigerung verbessert. Dazu kommt die Ausnützung sekundärer Vorteile: Steuerbegünstigungen und staatliche Beihilfen etwa für die Errichtung von Betrieben in armen Regionen. Dabei können die großen Unternehmungen einen Staat gegen den anderen ausspielen und mit dem Versprechen, „Arbeitsplätze zu schaffen", die Finanzierung von 30, 50, ja 70 °/o der Projektkosten dem Staat anlasten

Die Übernahme der Kontrolle durch amerikanische Unternehmungen macht einen Großteil der Kapital-und Unternehmenskonzentration in den europäischen Ländern aus Die Addition aller transnationalen Niederlassungen, Beteiligungen, Fusionen von und mit Unternehmungen aller EWG-Länder ergibt schon für die Periode 1961— 1969 die Zahl 15 000; bei fast der Hälfte der Zusammenschlüsse waren Unternehmungen mit Sitz in Nicht-EWG-Ländern beteiligt

Neben die transnationale Verflechtung der großen Produktionsunternehmungen tritt neuestens auch eine organisierte Zusammenarbeit der wichtigsten Banken. Es entstanden vier Bankengruppen, zu denen je eine deutsche Großbank gehört (Dresdner Bank, Westdeutsche Landesbank, Deutsche Bank, Commerzbank Frankfurt). Die Einlagenbestände der vier Gruppen summiert entsprechen etwa 50 °/o des gesamten in der BRD in den letzten 20 Jahren gebildeten Sachvermögens

Allerdings überwiegt vorerst noch die Konzentration innerhalb der einzelnen Länder; auch wenn die großen Unternehmungen in der BRD (in Fahrzeugbau, Elektronik, Chemie, Maschinenbau) in erheblichem Ausmaß auslandsoiientiert sind bzw. tatsächlich multinational operieren, liegt doch das Schwergewicht noch in der BRD Verläßliche Unterlagen für Ausmaß und Art der Auslandsoperationen der deutschen Großunternehmungen fehlen. Die Summe der veröffentlichten Werte der Auslandsproduktion für 1970 ergibt knapp 19 Milliarden DM, davon etwa 5 Milliarden allein für die Elektroindustrie

Nicht alle Unternehmen und Wirtschaftszweige haben ein gleiches Interesse an transnationaler Verflechtung und Ausdehnung. Diese Interessenunterschiede zwischen den verschiedenen „Fraktionen" der Kapitalverfüger wirken sich in unterschiedlichen Unternehmensstrategien, aber auch in gegensätzlichem Verhalten gegenüber der Integrationspolitik und sonstigen Wirtschaftspolitik der Regierung aus. Vor allem die technologisch rückständigen oder zu kleinen Unternehmen können sich auf eine aggressive Strategie im Großraum nicht einlassen und suchen ihr Heil in der Verlangsamung der westeuropäischen Integration; ist doch der jeweilige Staat der Adressat für ihre Forderungen nach direkter (Subvention) oder indirekter Hilfe, und dort sind auch die gleichfalls national organisierten Gewerkschaften notfalls „zur Sicherung der Arbeitsplätze" zu mobilisieren. Ganze Industriezweige, die aus welchen Gründen immer (zu kleine Produktionsmengen und organisatorische Schwächen wie bei der Werft-Industrie; oder Lohnunterbietung wie bei Teilen der Textilindustrie) im internationalen Wettbewerb gefährdet sind, drängen auf staatlichen Schutz und Hilfe, den sie nur im eigenen Staat, in der BRD, finden. Sie hemmen daher die wirtschaftspolitische Integration in der EWG nachhaltig. Dabei finden sich Interessenlagen unterschiedlichster Art verbündet, Landwirtschaft neben Klein-und Mittelbetrieben aller Wirtschaftszweige, Textilerzeuger jeder Größe, Werften, aber auch Teile der forschungsintensivsten Zweige: der Rüstungsindustrie. Ein bedeutender Sektor der Ökonomie gedeiht ja von öffentlichen Käufen für zivile und besonders auch für mi-litärische Zwecke Diese Industrien sind daher an der Erhaltung des „künstlichen" nationalen Marktes interessiert. Das geschützte Jagdrevier soll nicht durch ausländische Konkurrenz gefährdet werden. Zugleich locken die Märkte oder vielmehr die staatlichen Aufträge in den Partnerländern. Der Ausweg sind multinationale Zusammenschlüsse, die erlauben, von öffentlichen Aufträgen in den Partnerländern zu naschen. Diese Unternehmungen hängen nicht mehr nur von einer Regierung ab, sie können die eine Regierung gegen die andere ausspielen, die — wie die Kommunen und Provinzen — durch Steuer-und sonstige Hilfen Investitionen ins eigene Land ziehen wollen.

In dem Zwiespalt zwischen integrationshemmenden, auf Bewahrung der nationalstaatlichen Schutz-und Hilfeeinrichtungen beharrenden Interessen und den aggressiven, auf Ausdehnung im Großraum und transnationalen Entfaltung orientierten Großunternehmungen kann kein Zweifel sein, welches Interesse auf Frist die Oberhand behält. Die Auslands-produktion der großen Unternehmungen wächst rascher als ihre Inlandsproduktion, und vor allem sind die Gewinne aus der Produktion im Ausland überdurchschnittlich hoch. Die transnational aggressiven Konzerne treiben mehr Aufwand für Forschung und industrielle Entwicklung; sie sind häufig die Spitzenreiter der Großtechnologie und Groß-forschung, sie halten die Trümpfe im Poker um Marktanteile, Produktivitätsvorsprung und Kapitalstärke. Schon jetzt kann man sie als die Urheber der Verschiebungen in den grenzüberschreitenden Bewegungen von Produktion und Kapital bezeichnen Ein steigender Teil der — aus staatlicher Sicht — internationalen Transaktionen ist tatsächlich — in der Praxis der Unternehmungen — Binnen-austausch. Die großen Unternehmungen können durch Verschieben ihrer freien Mittel von einem Land zum anderen, durch Verzögerung oder Beschleunigung von Zahlungen und durch Ausnützen von Krediten die Währungs-und Geldpolitik jedes Landes unterlaufen und unwirksam machen. Damit wandeln sich die Bedingungen für das Funktionieren der politischen Einrichtungen, aber zugleich auch die Bedingungen, unter denen die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen stehen.

Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Konzentration der Vermögen und mehr noch: der Verfügungsgewalt über Produktionsmittel weiter fortschreitet, zuungunsten der Lohnempfänger. Allerdings fehlen genaue Angaben Das kräftige Steigen der Nominallöhne gibt darüber keinen Aufschluß. Zwar ist die Lohnquote (Anteil der Einkommen unselbständiger Arbeit am Gesamteinkommen) von 1950 58 °/o auf 65 % 1965 gestiegen. Da zugleich der Anteil der Unselbständigen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen sich von 68 °/o auf 80 °/o und mehr erhöhte, ist der Pro-Kopf-Anteil der Lohnabhängigen jedoch gesunken Aber die Einkommensverteilung besagt wenig über die tatsächliche Konzentration der Vermögen. Schon für 1960 schätzte man, daß 1, 7% der Haushalte rund 70% des Kapitalvermögens in der BRD besaßen und dieser Anteil war schon 1966 auf 74 % gestiegen Die Vermögensstatistiken verkleinern übrigens die Ballung ökonomischer Macht: Sie rechnen neben den Milliardären auch die vielen Kleingewerbetreibenden zu den Selbständigen. Vor allem wird der Streubesitz an Aktien großer Unternehmungen praktisch von Großbanken vertreten, und die Großaktionäre können ihre Interessen gegen kleine Minderheiten unschwer durchsetzen. Gewiß arbeitet die große Mehrheit der Lohnabhängigen nicht unmittelbar in multinationalen Unternehmungen, und auch bei den großen, aggressiven Elektro-, Chemie-oder Maschinenbaukonzernen überwiegt meist noch die Inlandsproduktion. Aber die Kapital-und Unternehmensverflechtungen berühren unmittelbar die Interessen aller, weil damit die wichtigsten Produktivkräfte, Technik und Wissenschaft, überregional, überbetrieblich und übernational organisiert sind. Die multinationalen Unternehmungen sind die Spitzenreiter des technologischen Fortschritts, bestimmen damit gegenwärtig das Profil des Progresses in Wirtschaft und Gesellschaft

Die großräumige Verflechtung und Konzentrierung der wichtigsten Unternehmungen wirkt sich auf die verschiedenen Gruppen der Lohnabhängigen unterschiedlich aus. Die Umstrukturierung der Branchen und Betriebe, der schwer durchschaubare Vorgang der Rationalisierungen, „Modernisierungen", Stillegung und Verlagerung von Produktionen betrifft die höher qualifizierten Beschäftigten anders als die Arbeiter und Angestellten mit geringerer (oder weniger knapper) Qualifikation. Die großräumige Konzentration schafft eine doppelte Polarisierung: Einerseits verschärft sich mit ihr der Antagonismus von Kapital und Arbeit im allgemeinen, andererseits könnte sie aber auch zu vermehrter Schichtendifferenzierung innerhalb der Lohnabhängigen führen. Am einen Pol verschärft sich der Druck der „Überflüssigkeit": als Drohung des relativen Abstiegs in der Hierarchie der sozialen Wertung und des Einkommens. Angesichts rasch steigender Nominallöhne und des Zustroms von ausländischen Arbeitern könnte es übertrieben erscheinen, von drohender „Überflüssigkeit" von Arbeitern zu sprechen. Gewiß ist es äußerst unwahrscheinlich, daß es in absehbarer Frist in der BRD zur plötzlichen, massiven Freisetzung von Arbeitern kommt. Jedoch ist überflüssig nicht erst der tatsächlich Entlassene. Sobald die Ersetzung einer Arbeitsleistung durch höher-qualifizierte Arbeit in Verbindung mit geeigneten Maschinen kostenmäßig im Unternehmen und gesamtwirtschaftlich zu verkraften wäre, wird der betroffene Arbeiter tendenziell überflüssig. Er kann sich auf die Dauer nur behaupten durch relatives Senken seiner Ansprüche oder durch Aufstieg. Für den Umfang, in dem Arbeiter überflüssig werden, dürften die bisherigen Erfahrungen nicht verläßlich sein. Die Bedingungen dafür waren in der BRD nicht günstig: zu geringe Unternehmensgrößen, zu geringe Kapitaldecke usw.

Gesetzt den Fall, die Wirtschafts-und Währungsunion funktioniert, so wird mit wachsender Kapitalkonzentration und technologischem Fortschritt auch die Kapitalintensität rascher wachsen. Die Kostenrelation von arbeitssparenden Maschinen plus qualifizierter Arbeit gegenüber weniger qualifizierter Arbeit wird sich zu deren Nachteil verschieben. Die Entwicklung in den USA, die allenthalben als Vorbild dafür gilt, ist aufschlußreich. Hohe Löhne und hektische Nachfrage nach bestimmten Hochqualifizierten oder gewissen Dienstleistungsarbeitern gehen durchaus zusammen mit einer hohen Quote chronischer Arbeitslosigkeit. Sehr wohl kann in der BRD ein ähnlicher Zustand eintreten: hohe Löhne und Zustrom von ausländischen Arbeitern bei schleichender chronischer Arbeitslosigkeit — und einer rasch wachsenden Schicht von noch Beschäftigten, aber tendenziell überflüssigen. Am anderen Pol des sozialen Felds werden die wissenschaftlich-technische Intelligenz und die Organisationstechniker (Manager) durch erhöhte Prämien angereizt (Statuspropaganda, Gehälter, Kapitalanteile, die Optik einer Mitbestimmung auch für das höhere und mittlere Management). Diese Prämien und die sinnfällige Machtfülle des Progreßmanagements werden für die Mehrheit der Aufstiegsorientierten zur Werteskala und zum Maß der sozialen Distanz, Zuckerbrot und Peitsche zugleich. Die „ 200— 300 gigantischen Konzerne", die um 1980 den gesamten Markt der westlichen Industrieländer beherrschen dürften 5, werden modellhaft sein für das Verhältnis zwischen aufstiegsorientierten und tendenziell „überflüssigen" Lohnabhängigen überall in der Wirtschaft und damit für das Verhältnis von Arbeit und Kapital.

In der Epoche transnationaler Verflechtung und Konzentration ist daher mit einer Verschärfung sozialer Konflikte zu rechnen. Sowohl die Beziehungen zwischen den Beschäftigten bzw. ihren gewerkschaftlichen Organisationen und den Unternehmensleitungen als auch die Beziehungen zwischen den lohnabhängig Arbeitenden und ihren Gewerkschaften werden auf neue Proben gestellt, wenn die „soziale Symmetrie" zwischen den „Sozialpartnern" sich verschiebt. Waren früher etwa in Arbeitskämpfen oder bei Lohnverhandlungen beide Parteien auf dem gleichen Niveau organisiert, so stehen jetzt die weiterhin national organisierten und von den jeweiligen staatlichen Verfassungen (Betriebsverfassungsrecht, Parteiensystem) abhängigen Gewerkschaften Unternehmensleitungen gegenüber, die in mehreren Ländern zugleich operieren können. Sie können auf längere Frist Investitionen dorthin verlagern, wo die Gewerkschaften die geringeren Ansprüche stellen, wo die Arbeiter sich am willigsten den Leistungsanforderungen unterordnen. Die gesellschaftlichen Machtverhältnisse drohen sich daher zuungunsten der Gewerkschaften zu verschieben

Die Verschärfung innerbetrieblicher und innergewerkschaftlicher Spannungen folgt aus der beschleunigten Umstrukturierung der Branchen und Unternehmungen, die ja das unvermeidliche Gegenstück der Verflechtung und Konzentration ist. Betriebe werden geschlossen, Investitionen verlagert, neue Qualifikationen der Arbeiter verlangt, einem Teil der Beschäftigten droht Verlust von Arbeitsplatz und Einkommen. Der Konfliktstoff ist: Wer soll die Kosten der Umstrukturierung der Wirtschaft bezahlen? Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Betroffenen mit einer höheren Militanz reagieren und damit auch die gewerkschaftlichen Apparate einem höheren Druck von unten aussetzen

Bleibt diese erhöhte Militanz aus, so versprechen die Ansätze zu einer „gewerkschaftlichen Gegenwehr" gegen die transnationalen Unternehmungen wenig Erfolg. Mit großer Verspätung werden die organisatorischen Voraussetzungen für solche Gegenwehr in Angriff genommen: Verbindungsstellen für die Zusammenarbeit der Gewerkschaftsverbände und vor allem auch von Branchengewerkschaften. Ein europäischer Gewerkschaftsbund wurde gegründet. Aber da die organisatorische Kraft bei den nationalen Gewerkschaften oder Verbänden liegt und häufig noch nicht einmal da konsolidiert ist, die jeweiligen Operationsbedingungen und Zielsetzungen nach wie vor höchst unterschiedlich beschaffen sind, ist die Gewerkschaftsbewegung weit davon entfernt, den transnationalen Unternehmungen Paroli bieten zu können.

V. Die Perspektive der Wirtschafts-und Währungsunion (WWU)

Soziale Unruhe und verschärfte gesellschaftspolitische Spannungen, die als Folge der Kapitalkonzentration und transnationaler Verflechtung zu erwarten sind, werden neue Ansprüche an die staatlichen Einrichtungen stellen. Wie groß die Anforderungen sind, wie schwierig die Antwort für die Inhaber staatlicher und politischer Macht, wird klar, wenn man sich die Zwangslage vor Augen führt, in der die staatlichen Einrichtungen in einer transnationalen Ökonomie stehen. Die Aufgabe der inneren Beruhigung und Ordnung soll mit staatlichen Instrumenten bewältigt werden, die in ihren wichtigsten Funktionen, in der Währungs-und Konjunkturpolitik, durch die Wirksamkeit der transnationalen Wirtschaft beeinträchtigt werden.

Das Mißverhältnis von wirtschaftspolitischer Aufgabe und politischen Instrumenten wird oberflächlich, doch um so anschaulicher in den wiederholten Währungskrisen faßbar. Auf dem Euro-Geldmarkt sind rund 60— 80 Milliarden Dollar in Bewegung, gut doppelt soviel wie die gesamten Steuereinnahmen der BRD.

Im Jahre 1971 und wieder im Februar 1973 genügte ein Bruchteil dieser Geldmenge, um die Währungs-und Konjunkturpolitik der BRD ad absurdum zu führen. In wenigen Tagen mußte die Bundesbank über 6 Milliarden Dollar aufnehmen, wodurch entgegen den Stabilisierungsbemühungen das nachfragewirksame Geldvolumen aufgebläht wurde, ganz abgesehen von dem zusätzlichen Währungsverlust bei der unmittelbar folgenden Abwertung des Dollars in Höhe von rund 3 Milliarden DM 7. In diesen wiederkehrenden Wäh-rungskrisen ist nicht bloß die jeweilige Regierung in der Zwickmühle, sondern schlechthin die BRD als wirtschaftspolitisches Instrument. „Darüber, was man mit einer Deutschen Mark, Ausgabeort Frankfurt, kaufen kann, wird nicht in Frankfurt entschieden. Auch nicht in Bonn. Auch nicht in Brüssel ..."

Die Regierung der BRD — gleich welche — hat zwar die Wahl zwischen alternativen Reaktionsweisen: Freigabe des Wechselkurses, Devisenbewirtschaftung, einseitige Änderung der Parität, Druck auf andere Regierungen zur Herbeiführung eines gemeinsamen Vorgehens. Aber weder liegt das Gesetz des Handelns bei der BRD, noch sind die Auswirkungen hinreichend kontrollierbar. Vereinzelte Maßnahmen zur Devisenbewirtschaftung können leicht umgangen werden, vollständige Devisenkontrolle ist wenig praktikabel und auch mit dem Funktionieren des Wirtschaftssystems unvereinbar, denn der Euro-Geldmarkt ist ein unvermeidlicher Bestandteil des Auslandsgeschäfts der transnationalen Unternehmungen. Eine Freigabe des Wechselkurses, stets nur ein vorübergehendes Hilfsmittel auf dem Weg zur Festsetzung neuer Paritäten, hat nach allen Erfahrungen nur die eigene Geld-und Kreditpolitik behindert, ohne die Spekulation zu verhindern; obendrein wird die langfristige Kalkulation der Unternehmungen erschwert. Einseitige Änderung der Währungsparität schneidet nicht nur im eigenen Land in unterschiedliche Interessenlagen (exportierende Unternehmungen werden benachteiligt), sondern gerät in Konflikt mit der Währungspolitik anderer Staaten. Die BRD allein kann dabei, obwohl die führende Handelsmacht Europas, doch keinen zureichenden Druck auf ihre Partner ausüben, um ihr eigenes Modell von Stabilität und Wachstum durchzusetzen Die wiederholten Revisionen der Währungs-und Geldpolitik, zu denen die jeweiligen Regierungen der BRD in den vergangenen Jahren veranlaßt wurde, sprechen hier eine deutliche Sprache.

Das Funktionieren eines Währungssystems hängt weniger ab von der Effizienz der Zusammenarbeit der Notenbanken und internationaler Hilfseinrichtungen als von einer großräumig wirksamen Steuerung der Konjunktur. Ein Währungssystem ist so stabil wie die politische Autorität, die es gegen äußere und innere Störungen garantiert. Dieser Sachverhalt ist solange kaum zu Bewußtsein gekommen, als die militärisch und ökonomisch unangefochtene Führung durch die USA allen nichtsozialistischen Ländern ein funktionierendes Währungssystem bescherte.

Die wiederholten Währungskrisen zeigen das Ende dieser Epoche an. Die Gründe dafür sind vielfältig: die geringere Aktualität der militärischen Führung durch die USA wegen deren begrenzter Kooperation mit der Sowjetunion; die hohen Kosten ihrer selbstverschriebenen Rolle eines „Weltgendarmen"; die Geldentwertung als Folge des Vietnam-Kriegs; der wirtschaftliche Aufstieg Japans und westeuropäischer Länder, voran der BRD. Die wachsende Masse der großen, transnational operierenden Kapitalien und ihre erhöhte Bewegungsfreiheit gegenüber einer Vielzahl uneiniger Staaten, exemplifiziert durch die spekulativen Geldbewegungen am Euro-Dollar-Markt, verschärfen die Währungskrise.

Starken Interessen ist nach wie vor an einer atlantischen Orientierung der Außenwirtschaftspolitik gelegen Aber die „atlantische Option" meint den Inhalt einer Politik, nicht das Instrument zu ihrer Durchsetzung. Die USA bleiben, obwohl nicht länger Führungsmacht, durch ihre Größe und militärische Sonderstellung (als Vorzugspartner der SU) doch in einer anderen Gewichtsklasse: Die Einigung auf wirksame, rasche und insti-tutionalisierte Entscheidungsverfahren, in denen die USA nur ein Partner unter gleichen wären, ist nicht abzusehen. Kennzeichnend ist das einseitige Vorgehen der USA im Sommer 1971 (Lösung des Dollars vom Gold; Import-steuern) und Anfang 1973 (Dollarabwertung).

Es liegt nahe, in der vielberedeten WWU das geeignete Instrument zu sehen, mittels dessen die Bundesregierung eine transnational verursachte Konjunktur dennoch zu steuern vermag. Nicht zuletzt zu diesem Zweck ist ja die EG gegründet worden, und das Interesse, besonders der transnational aggressiven Unternehmungen, an einer Erweiterung des Rahmens politischer Intervention bietet wohl die Gewähr, daß die Initiativen zur Errichtung der WWU fortgesetzt werden. Denn in den großen Währungskrisen hat sich gezeigt, daß ein „gemeinsamer Markt" ohne verläßlich abgestimmte Konjunkturpolitik nicht funktionieren kann und daß ohne gleichsinnige Aktion der westeuropäischen Länder keine Reform des Weltwährungssystems möglich ist oder nur eine, die mit den Interessen der Europäer wenig übereinstimmt.

Jedoch, wie wird die WWU zum Beipiel bei unterschiedlichen Inflationsraten funktionieren, und was folgt daraus für die Funktionstüchtigkeit der politischen Institutionen der BRD? In der WWU wird die BRD mit ihren Partnern vereinbaren (was an sich noch nicht viel besagt), in der Währungs-und Wirtschaftspolitik, soweit sie konjunkturwirksam ist, nach festgelegten Regeln und mittels bestimmter Mechanismen vorzugehen. Praktisch bedeutsamer ist die inhaltliche Konkretisierung dieser Richtlinien und rasches Reagieren der Partnerregierungen in Krisenfällen. Für das Funktionieren der WWU sind daher das Entscheidungsverfahren und die Institutionen von allergrößter Wichtigkeit. Wie immer sie zugeschnitten werden, eine wesentliche Rolle wird dem spezifischen Entscheidungsorgan der Gemeinschaft, dem Ministerrat, zufallen (mit der Kommission als Initiativ-, Studien-und Hilfsorgan). Im Falle einer konjunkturellen Krise in einem Land werden die Regierungen vermittels des Ministerrats der WWU versuchen, die konjunkturwirksamen Politiken aller Partner zur Dämpfung der Krise synchron und harmonisch zu gestalten.

Für die Regierung der BRD bedeutet dies, daß sie nicht mehr nach dem Maß ihres Wahl-kalküls, mit Rücksicht auf politisch erhebliche Gruppen in der BRD Steuerbegünstigungen geben, über die Bundesbank Kredit und Geldumlauf beeinflussen, öffentliche Aufträge vermehren oder bremsen, kurz, daß sie als Mitglied der WWU so ungefähr nichts von dem mehr autonom wird tun können, was sie für den Erfolg bei den nächsten Wahlen eventuell braucht. Was sie tun kann, hängt von Beschlüssen ab, die nicht zuerst auf ihre innenpolitischen Bedürfnisse, sondern auf ein schwer errechenbares mittleres Bedürfnis aller Partnerregierungen Rücksicht nehmen. Was für die Gesamtkonjunktur nötig ist, mag auf kurze und auch auf Wahlfrist nicht mit den politischen Bedürfnissen der Machtorganisationen in der BRD übereinstimmen, überdies sind die Legislaturperioden und die inneren Schwierigkeiten jeder Regierung verschieden, von Differenzen der nationalen Interessen ganz abgesehen, und zuweilen ist ein Partner-land überhaupt ohne handlungsfähige Regierung. Die Regierung der BRD geht also in der WWU ein strukturell eingebautes, schwer kalkulierbares Risiko ein, im Dienste der transnationalen Konjunktur politisch Selbstmord zu begehen.

Da diese Eventualität schon in der Übergangszeit stets gegenwärtig sein dürfte, verschränkt mit dem unveränderten Zwang zu einer gemeinsamen Konjunktursteuerung, läßt sich ein stopp-go-Zyklus voraussehen: Versuche, den für ihren Erfolg unentbehrlichen, verbindlichen Charakter der WWU abzuschwächen, werden mit Sprüngen hin zur Übertragung von immer mehr Kompetenzen in die Sphäre gemeinschaftlicher Entscheidung und zur Straffung des Entscheidungsverfahrens abwechseln. Auf diesem Weg wird die BRD dahin gelangen, daß Parteien und eine Regierung zur Wahl stehen, die doch nicht für die Konjunktursteuerung haftbar gemacht werden können — ein für repräsentative Demokratien irregulärer Zustand, der extrakonstitutionellen Protest provozieren dürfte.

Mit dem Beginnen einer WWU wird das Dilemma staatlicher Einrichtungen in einer von den Anforderungen großräumig organisierter Kapitalverwertung geprägten Ökonomie akut. Denn der Widerspruch, dem sich Regierung, Opposition und jede andere politische Gruppe stellen müssen, ist nicht zuerst einer zwischen den Wünschen der großen Kapitalverfüger hier und einem Mehrheitsinteresse nach Bewahrung der nationalen Demokratie, wie immer sie eingeschätzt würde, dort; erschöpft sich auch nicht in dem Gegensatz zwischen expandierenden Großkonzernen und dem Selbstbehauptungswillen nationalstaatlicher Politiker, Beamten, Gewerkschaftsfunktionäre usw. Das Dilemma der staatlichen Einrichtungen und ihrer Inhaber hat seine entscheidende Ursache darin, daß beide Anforderungen— großräumige Konjunktursteuerung und innerstaatliche Friedenssicherung — systemimmanente Notwendigkeiten darstellen, die paradoxerweise beide im Interesse der Kapital-verwertung liegen. Das leuchtet unmittelbar ein, wo es um das Interesse einer großräumigen Konjunktur-und Währungspolitik geht. Aber auch die andere Staatsfunktion: die Loyalität der Mehrheit zu sichern, die Teilnahme am Wirtschaftsprozeß zu den in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung gegebenen Bedingungen anzuregen, ist für die Kapitalverwertung gleichermaßen unentbehrlich

(wird fortgesetzt)

Fussnoten

Fußnoten

  1. Rehabilitation und Emanzipation der deutschen Nation aus der Besatzungsherrschaft ist vielfach als ein wichtiger Motivstrang der Adenauerschen Westintegrationspolitik gezeigt worden. Diese Einstellungen und ihr Wandel in den sechziger Jahren lassen sich aber auch bei einer breiteren Öffentlichkeit erkennen: Vgl. z. B. Gallup International: Das Europa der Sechs im Blickfeld der öffentlichen Meinung, o. O. 1962 (hekt.), S. 15, 20, 60 f.; Richard L. Merrit/Donald J. Puchala (Hrsg,), Western European Perspectives on International Affairs, New York/Washington/London 1968, S. 283 ff.

  2. Vgl. Stanley Hoffmann, Obstinate or Obsolete? in: J. S. Nye Jr. (Hrsg.), International Regionalism, Boston 1968, S. 177 ff.; Karl W. Deutsch/Lewis J. Edinger/Roy C. Macridis/Richard L. Merritt, France, Germany and the Western Alliance, New York 1967, S. 218 ff.

  3. Solche Hoffnungen zerstört Hans-Peter Schwarz, Europa föderieren — aber wie?, in: G. Lehmbruch/K. v. Beyme/I. Fetscher (Hrsg.), Demokratisches System und politische Praxis der Bundesrepublik, München 1971, S. 377 ff. (Festschrift Th. Eschen-burg).

  4. Vgl. die allerdings nicht repräsentativen Ergebnisse bei Anna J. Merritt/Richard L. Merritt, Public Opinion in Occupied Germany, Urbana/Chicago/London 1970, S. 241.

  5. Wenn im folgenden auf die in Anm. 1 erwähnte eigene Umfrage Bezug genommen wird, erscheint nur der Verweis „U" und die Nummer der Frage im o. a. Fragebogen. Hier: U 24.

  6. Trend 1949— 1965 nach EMNID-Erhebungen bei Klaus D. Eberlein, Was die Deutschen möchten, Hamburg 1968, S. 112 f. Zugleich plädierten immer mehr, zuletzt die absolute Mehrheit, dafür, Deutschland nicht als selbständigen Nationalstaat wiederherzustellen, sondern in die europäische Vereinigung einzubringen. Daraus läßt sich schließen, daß für die größte Meinungsgruppe zwar die Westintegration weniger vordringlich als die Wiedervereinigung war, diese aber nicht als national-staatliche Restauration erschien. Vielmehr sollte Gesamtdeutschland idealiter in die europäische Integration eingebracht werden.

  7. Jahrbuch für öffentliche Meinung (IfD Jb. I) 1947— 1955, Allensbach 19562, S. 392; II (Allensbach 1957), S. 45; III (Allensbach 1965), S. 250 f„ 482; IV (Allensbach 1967), S. 387.

  8. Konservative Prädispositionen bei geringerer Verbindung zu Kirchen oder Gewerkschaften, hohe soziale Spannungsbereiche wie berufliche Tätigkeit in mittelständischen Betrieben oder Ansässigkeit in schwach industrialisierten Gebieten mit hohem Vertriebenenanteil sowie ökonomischen Pessimismus haben als Bestimmungselemente der NPD-Stimmabgabe herausgearbeitet: Erwin K. Scheuch und Hans D. Klingemann, Material zum Phänomen des Rechtsradikalismus in der BRD 1966, (verv.) Köln 1967, und Klaus Liepelt, Anhänger der neuen Rechtspartei, in: Politische Vierteljahresschrift 8 (1967), S. 237 ff.

  9. Vgl. Werner Kaltefleiter u. a., Im Wechselspiel der Koalitionen. Eine Analyse der Bundestagswahl 1969, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Köln 1970, S. 141 ff.

  10. Auch das relativ hohe Bekenntnis zur Wiedervereinigung Mitte der sechziger Jahre war ein Firnis, der den im Zeitalter der Entspannung und des Status quo gewachsenen Realismus nur noch übertünchte. An eine Wiedervereinigung auf friedlichem Wege glaubten 1955 19 v. H., 1960 32 v. H., 1961 45 v. H. nicht mehr. Noelle-Neumann, Urteile über Bonn, in: Die Zeit v. 26. März 1971, S. 3; IfD Jb III, S. 482. 1968 glaubten nur noch 25 v. H.der nichtakademischen und 18 v. H.der akademischen Jugend an eine Wiedervereinigung innerhalb der nächsten zwanzig Jahre (Max Kaase, Demokratische Einstellungen in der BRD, in: Sozialwissenschaftliches Jahrbuch für Politik, 2 [1971, ] S. 119 ff., hier: 295 f.).

  11. Auch E. Noelle-Neumann, a. a. O., glaubt, daß „Verrats" -und „Verzichts" -Parolen bei der Masse der Bevölkerung nicht mehr verfangen. Vgl. auch die bei Klingemann, a. a. O., S. 53, wiedergegebene Getas-Umfrage von 1968/69, wonach in der Prioritätenfolge der von den Wählern als die wichtigsten bezeichneten politischen Aufgaben Wiedervereinigung mit dem 10. Platz (nach 8 inneren Reformen bzw. Stabilitätsanliegen sowie der Ostpolitik auf Platz 6) das Schlußlicht war. Bei unkonkreten Pauschalfragen schneidet die Wiedervereinigung besser ab. Vgl. Kaase, a. a. O., S. 287 ff. Aber auch dabei wird deutlich: Je jünger und gebildeter die Befragten sind, desto weniger Gewicht messen sie heute dem Ziel Wiedervereinigung zu.

  12. Resümee bei Erich Weede, Zur Frage der Ost-West-Differenzierung des deutschen Autostereotyps, Psych. Vordipl. Arbeit (masch.), Universität Hamburg 1964, S. 51.

  13. Ebd., S. 241 f.

  14. HD Jb III, S. 484.

  15. IfD Jb F, S. 321.

  16. Die wichtigste Einzelleistung in diesem Bereich war gewiß: Hansjakob Stehle, Nachbar Polen, Frankfurt 1963, und ders., Deutschlands Osten - Polens Westen?, Frankfurt 1965; weitere Kreise erreichte dann: „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn. Eine evangelische Denkschrift" sowie der Briefwechsel der katholischen Bischöfe Polens und Deutschlands, in: Reinhard Henkys (Hrsg.), Deutschland und die östlichen Nachbarn, Stuttgart 1966, S. 176 ff., 218 ff.; später aus dem katholischen Bereich eindeutiger als das Episkopat: Bensberger Kreis (Hrsg.), Ein Memorandum deutscher Katholiken zu den polnisch-deutschen Fragen, Mainz 19682. Zugleich wurden die alten Illusionen der Deutschland-Politik zerstört: Karl Jaspers, Freiheit und Wiedervereinigung, in: ders. Lebensfragen der deutschen Politik, München 1963, S. 171 ff.; Peter Bender, Offensive Entspannung, Köln 19644; Erich Müller-Gangloff, Mit der Teilung leben, München 1965; Eberhard Schulz, An Ulbricht führt kein Weg mehr vorbei, Hamburg 1967; W. W. Schütz, Deutschland-Memorandum, Frankfurt 1968; Peter Bender, Zehn Gründe für die Anerkennung der DDR, Frankfurt 1968, bis hin zu L. Froese u. a. (Deutschlandpolitischer Arbeitskreis), 30 Thesen für eine neue Deutschlandpolitik, Hamburg 1969; eine Zwischenbilanz deutschlandpolitischer Publizistik in der Anthologie Theo Sommer (Hrsg.), Denken an Deutschland, Hamburg 1966.

  17. IfD Jb III, S. 491.

  18. Der Anteil jener, die glaubten, die Ostprovinzen seien für immer verloren, war indessen noch sehr viel steiler von 11 v. H. (1953) über 32 v. H. (1959) auf 45 v. H. (1962) angewachsen. Ebd., I, S. 313; II, S. 315; III, S. 504 f.; IV, S. 411.

  19. Der Spiegel, 4. Mai 1970, S. 32 (nicht abfinden wollten sich nur noch 32 v. H.).

  20. Nach einer Umfrage des Ifak-Instituts in Wiesbaden wollten im Herbst 1970 55 v. H.der Gesamtbevölkerung und 50 v. H.der Vertriebenen aus Ostdeutschland die Oder-Neiße-Grenze anerkennen, dagegen waren 40 bzw. 48 v. H., keine Angaben 5 bzw. 2 v. H. Die Entscheidung „pro" korrelierte mit Jugend, „kontra" mit Alter (Der Spiegel, 26. Oktober 1970, S. 124). Nach einer INFAS-Untersuchung ging unter Vertriebenen zwischen Oktober 1969 und Dezember 1970 der Anteil derer, die eine Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ablehnen, von 57 v. H. kontinuierlich auf 34 v. H. zurück (Der Spiegel, 26. Juli 1971).

  21. Nach Umfragen, die im Dezember 1970 für die Bundesregierung unternommen wurden, wird der Warschauer Vertrag von 49 v. H.der Bevölkerung unterstützt, 24 v. H. lehnten ihn ab (vgl. Frankfurter Rundschau und Süddeutsche Zeitung, 17. März 1971). Für eine mehr von der Opposition her gedachte Fragestellung, ob die Oder-Neiße-Grenze „zur endgültigen Grenze Polens" erklärt werden solle, ergaben sich entsprechend zurückhaltendere Werte durch eine hohe Weiß-nicht-Quote; offenbar waren viele der Meinung, daß dies nicht die zur Debatte stehende Frage sei. Vgl. Noelle-Neumann, Urteile über Bonn, a. a. O. (im September 1970 waren 35 v. H. dafür, 32 v. H. dagegen, 33 v. H. unentschieden).

  22. Umfrage der Wickert Institute Tübingen vom März 1971 (Stichprobe 1797 Vertriebene) für den Westdeutschen Rundfunk, Fernsehen.

  23. IfD Jb IV, S. 388, 408.

  24. Ebd.

  25. Nach einer EMNID-Umfrage vom März/April 1972 für die Bundesregierung. Auch die Anerkennung der Zweistaaten-Theorie im Grundvertrag konnte mit einer weitgehend in diese Richtung prädisponierten öffentlichen Meinung rechnen. Im Januar 1971 waren 44 v. H. dafür und 43 v. H. dagegen, die DDR als zweiten deutschen Staat anzuerkennen. Grundsätzlich dagegen sind jedoch nur 22 v. H.; für eine Anerkennung ohne Gegenleistung sind 14 v. H.; und weitere 57 v. H. wollen die DDR bei einem Entgegenkommen von dieser Seite anerkennen. Das heißt, 71 v. H.der Bevölkerung votierten im September 1970 für eine Anerkennung, wenn diese Fortschritte in Berlin oder in der Kommunikation zwischen der BRD und der DDR bringt. Klammert man also die interalliierten Bedingungen aus, so kann man feststellen, daß in der BRD ein außerordentlich hohes Potential für einen Ausgleich zwischen BRD und DDR auf deutscher Ebene vorhanden ist (vgl. Noelle-Neumann, Urteile über Bonn, a. a. O.). Ifak stellte 43 v. H. pro Anerkennung der DDR und 52 v. H. kontra fest, wobei erschwerend war, daß die Frage das Wort „völkerrechtlich" enthielt und nicht von daraus resultierenden Verbesserungen der Lage in Deutschland sprach. Pro korrelierte wieder mit Jugend, Kontra mit Alter (vgl. Anm. 24).

  26. Obwohl die Überzeugung, der Osten habe ein militärisches Übergewicht, von 27. v. H. (Mitte 1969) auf 36 v. H. (Mitte 1971) zu-und das Vertrauen auf die Stärke des Westens auf 13 v. H. abgenommen hatte, stieg der Anteil jener, die glaubten, die BRD werde weniger als früher vom Osten bedroht, von 33 v. H. auf 44 v. H., und die Annahme einer sehr oder ziemlich starken Bedrohung fiel auf v. H. Eine starke von 39 v. H. 32 absolute Mehrheit (auch der Flüchtlinge und Vertriebenen) sah nur eine ziemlich geringe oder überhaupt keine Bedrohung; nur vorgerücktes Alter, Bildungsmangel und antikommunistische Agitation konnten die Angst erhalten (über 65 Jahre 46 v. H.; Volksschüler ohne Lehre 48 v. H.; CDU/CSU-Anhänger 49 v. H.). INFAS-Untersuchung für die Bundesregierung v. Januar 1972.

  27. U 3.

  28. IfD Jb IV, S. 405 f.

  29. In verschiedenen Umfragen läßt sich durch Korrelationsanalysen bei einheimischen Bayern (bzw. bei CSU-Anhängern im Vergleich mit CDU-Anhängern) ein besonders militanter Antikommunismus, geringe Kenntnisse oder stereotype Urteile über die DDR, geringe Pflege des Kontakts in die DDR und nur eine geringe Neigung zur Wiedervereinigung feststellen.

  30. Infratest: Das Publikum der Sendereihe Kontraste, München 1970 (hekt.), S. 6 ff. (Die hier zitierten Ergebnisse sind repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.)

  31. Ebd., S. 14 f. Diese Stereotype waren dort konfrontiert mit parallelen Einschätzungen bezüglich der USA und der UdSSR bzw.des Westens und des Ostens im allgemeinen. Dabei ergibt sich, daß das Bild vom Osten oder Westen eher mit dem der beiden deutschen Staaten übereinstimmt als mit dem der Führungsmächte.

  32. U 23. Ökonomisch übertreffen die Zuwachsraten der BRD insbesondere im Konsumbereich nach wie vor die der DDR (vgl. Gert Leptin, Die deutsche Wirtschaft nach 1945. Ein Ost-West-Vergleich, Opladen 1970, S. 70, 78); insofern könnte der Meinungstrend als bloße Fehlinformation erscheinen. Wahrscheinlich geht die Bevölkerung nicht von solchen abstrakten Kriterien aus, sondern davon, ob es möglich ist, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Da aber die westdeutsche Wirtschaft zu einem beträchtlichen Teil ihren Zuwachs durch Befriedigung künstlich provozierter Konsumwünsche und Exporte erzielt, erscheint das Urteil der Bevölkerung weniger ein Zeichen ökonomischer Ignoranz als des gesunden Menschenverstands.

  33. HD Jb IV, S. 391.

  34. U 22.

  35. A. a. O„ S. 138.

  36. Skalometermessungen der Sympathie der Westdeutschen für die Sowjetunion, Polen und die CSSR 1967— 1971 (Infas Sept. 1971) lassen erkennen, daß diese Einstellungen in ihrer Grundtendenz weitgehend neutral geworden sind, jedoch deutliche Schwankungen durch politische aktuelle Ereignisse erfahren. Insbesondere wurde dies deutlich, als die CSSR im Prager Frühling plötzlich sehr erheblich in der Sympathie stieg, nach der Besetzung die anderen Staaten aber zeitweilig deutlich abfielen. Vor dem detachierten Betrach Hintergrund einer -tungsweise wird politisches Verhalten wichtiger als Systemunterschiede.

  37. Vgl. insbesondere die Untersuchung von Erich Weede, a. a. O., daneben P. Munkelt und E. Othmer, Die Jugend und die Wiedervereinigung Deutschlands, Berlin 1962, die auch den Unterschied der BRD einheimischen und in in die BRD aus der DDR geflohenen Jugendlichen untersuchten und selbst hier deutliche Distanzen der Einstellung und der politischen Meinung fanden, z. B. eine wesentlich positivere Einstellung der insbesondere An jungen Flüchtlinge zur DDR, ihre -erkennung. Die Distanz zum jeweils anderen System ist Sozialisationsinhalt, wobei sich z. B. die Schulbücher in der BRD und in der DDR in der Abgualifizierung und geringen Information bezüglich des jeweils anderen Teils Deutschlands nur wenig nachstehen; vgl. Horst Siebert, Der andere Teil Deutschlands in den Schulbüchern der DDR und der BRD, Hamburg 1970. Eine empirische Erhebung unter Leipziger Oberschülern zeigte, daß auch dort unter den Nationalstereotypen sich dasjenige der BRD von dem der DDR abgehoben hat, und zwar stärker bei Oberschülern als bei Berufsschülern, was auf den längeren schulischen Einfluß bzw. auf der anderen Seite auf den stärkeren Einfluß westlicher Massenmedien zurückgeführt wurde.

  38. Hans Conrad Zander, Von den noblen Engländern, den schmutzigen Franzosen und den frierenden Menschen in der DDR. Kölner Schüler urteilen über die Nachbarn der Bundesrepublik, Rundfunk-manuskript des WDR, 2. Programm, 2. Dezember 1970.

  39. IfD Jb IV. S. 156 f.

  40. U 12- 15.

  41. Weede, a. a. O., S. 22 ff., und Alois Hüser und Heinz E. Wolf, Empirische'Untersuchungen zum Problem der Regionalvorurteile bei deutschen Jugendlichen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 14 (1962), S. 155 ff. Der Zerfall des Bewußtseins nationaler Zusammengehörigkeit läßt sich auch auf anderen Gebieten nachweisen. Konstruiert man zum Beispiel eine moralische Belastungsprobe nationaler Verbundenheit und prüft, wieweit sich die gesamtdeutsche „Nation" als Haftungsgemeinschaft bewährt (U 2 und 21), so stimmen dreimal so viele der Meinung zu, die NS-Verbrechen an den Juden seien eine Schande für uns alle in Deutschland, wie der Ansicht, daß die Beteiligung von DDR-Truppen an der Besetzung der CSSR eine Schande auch für uns in der BRD sei (31 gegenüber 10 v. H.); 73 v. H. halten dies jedoch für eine Schande für die DDR.

  42. IfD Jb I, S. 126 und U 8— 10; vgl. Tabelle 2.

  43. Zusammenfassend Leptien, a. a. O., S. 57 ff.; allerdings hat der innerdeutsche Handel auf beiden Seiten recht unterschiedliche Bedeutung. 1969 betrugen die Ausfuhren der BRD in die DDR rund 2 v. H.des gesamten Exportvolumens der BRD, während diejenigen der DDR in die BRD rund 9 v. H.des gesamten Exportvolumens der DDR ausmachten, obwohl der absolute Wert der DDR-Lieferungen mehr als ein Viertel geringer war als derjenige der BRD-Lieferungen. Vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), Bericht der Bundesregierung und Materialien zur Lage der Nation 1971, o. O. 1971, Tabellen A 1, A 4, A 8. Erst in jüngster Zeit ist das Bedürfnis nach ost-west-Zusammenarbeit für beide Systeme zu einem zwingenden Gebot der politischen Ökonomie geworden, wobei allerdings die Kooperation qualitativ bedeutsamer ist als der Austausch.

  44. INFAS: Innerdeutsche Beziehungen, a. a. O., S. 35.

  45. Ebd., S. 3 ff., 24 und passim.

  46. Ergebnis von Korrelationsanalysen der Fragen U 4— 6, 22— 23 mit allen anderen Fragen U.

  47. IfD Jb I, S. 3, 313; U 4— 6; INFAS: Innerdeutsche Beziehungen, a. a. O., S. 4. Für Erwägungen über die korrespondierende Entwicklung in der DDR vgl. Niethammer/Borsdorf, a. a. O., S. 74 ff.

  48. Korrelationsanalysen zu U 1, 4, 8— 10, 15.

  49. Wickert-Umfrage, vgl. Anm. 26.

  50. Ebd.

  51. Georg Müller und Heinz Simon, Aufnahme und Unterbringung, in: Eugen Lemberg, Friedrich Edding u. a., Die Vertriebenen in Westdeutschland, Kiel 1959, Bd. 1, S. 300 ff.

  52. Delbert Barley, Refugees in Germany, Relationship between Refugees and the Indigenous Population of a rural Black Forest Community, Ph. D. Diss. (masch.), University of Pennsylvania 1957, S. 101 ff. (zit. S. 144).

  53. Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (Hrsg.), A bis Z, 11. Aufl., Bonn 1969, S. 211 ff.

  54. Quellen: Bundesministerium des Innern: Arbeitsunterlagen aus der Vertriebenen-und Flüchtlingsstatistik (hekt. o. O. u. J.) und Tab. 4/4 und 5 (beruht auf Erhebungen des Stat. Bundesamtes), umgrechnet, sowie U 4.

  55. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.), Tatsachen zum Problem der deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge, Bonn 1966, Tafel 17.

  56. Vgl. Manfred Max Wambach, Verbändestaat und Parteienoligopol, Stuttgart 1971, S. 60 ff.

  57. Ebd., S. 121 f.

  58. Ebd., S. 84 1.

  59. Ebd., S. 89 ff.; vgl. Schoenberg, a. a. O., S. 208 ff.

  60. Zur Ideologie vgl. Jolies, a. a. O., S. 360 ff.

  61. Schoenberg, a. a. O., S. 226 f.

  62. Ebd., S. 228.

  63. Vgl. Erik H. Erikson, Identität und Entwurzelung in Zeit, unserer in: ders., Einsicht und Verantwortung, Frankfurt 1971, S. 70 ff.

  64. Die Bezeichnung . transnational" wird im folgenden u. a. auch für die . multinationalen Unternehmen'verwandt, um damit deren grenzenmißachtende Operationsweise - nicht nur zwischen den Staaten, sondern durch sie hindurch - hervorzuheben. Vgl. Heinz Kuby/Erich Kitzmüller, Trans-nationale Wirtschaftspolitik, Hannover 1968. Dieser Begriff ist aber auch für die politische Forschung fruchtbar; vgl. Karl Kaiser, Transnationale Politik, in: Die anachronistische Souveränität, Sonderheft 1 der Politischen Vierteljahresschrift, 1969, S. 80 ff.

  65. Vgl. Oskar Negt/Alexander Kluge, Erfahrung und Öffentlichkeit, Frankfurt 1972.

  66. Außenhandel der BRD pro Kopf der Bevölkerung in Dollar 1970: Einfuhren 482, Ausfuhren 553. Frankreich: 371 und 348, Großbritannien: 390 und 347. (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften [STAEG]: Grundzahlen, 1971. Wenn nicht anders angegeben, sind Zahlenangaben im folgenden dieser Zusammenstellung entnommen.)

  67. Der Pearson-Bericht, Bericht der Kommission für internationale Beziehungen, Wien 1969; H. Magdoff, Das Zeitalter des Imperialismus, Frankfurt a. Main 1969, S. 138 ff.; Brigitte Heinrich, D-Mark Imperialismus, Voltaire-Handbuch 12/13 (o. O. u. J.); Bernd Schüngel, Zur Frage der Abhängigkeit der Industrieländer von den Rohstoffen der Dritten Welt I, in: Argument 51 (1969), S. 68. Dieses Problem stellt sich freilich nicht nur für die BRD, sondern in verstärktem Maße für die EG als ganzes. Vgl. jetzt Johan Galtung, The European Community. A Superpower in the Making, Oslo, London 1973, bes. S. 68 ff.

  68. Die Randländer sind durch Handelsabhängigkeit, Kapitalverflechtungen u. a. m. faktisch in die EWG einbezogen, ohne mitentscheiden zu können; es obliegen ihnen allerdings auch nicht die finanziellen Verpflichtungen.

  69. 1971 rund 2, 3 Mill. Autos (Jahresbericht des Verbandes des Automobilindustrie 1971/1972).

  70. Die Autoindustrie wie die anderen überwiegend exportierenden Industrien haben wiederholt gegen die Anpassung der Wechselkurse der DM opponiert, um eine Schmälerung ihrer Exportprofite zu verhindern. — Außer durch Exporte greift die Automobilindustrie auch durch Investitionen dauerhafter in die Wirtschaftsstruktur anderer Länder und Kontinente ein. In mehr als 40 Ländern wurden 117 Montage-und Produktionsbetriebe errichtet, in denen allein in Entwicklungsländern rund 400 000 Autos gebaut wurden (ebd.).

  71. EG-Kommission, Die Perspektiven für die Entwicklung des Primärenergiebedarfs in der Gemeinschaft, Brüssel 1972; EG-Kommission, Vorausschätzung und mittelfristige Orientierung für den Mineralölsektor in der Gemeinschaft, Brüssel 1972; Europäisches Parlament, Bericht 141/72; Burgbacher, Bericht über die Sicherung einer möglichst stets ausreichenden Energieversorgung der Gemeinschaft . . .; Die westdeutsche Mineralölwirtschaft im Jahre 1969, in: O 1 (April 1970), S. 116 ff.

  72. Kennzeichnend sind die Erfahrungen, die in der (Euratom) EAG gemacht wurden, ähnlich in den Projekten europäische Raumfahrt, Europa-Raketen, sowie Concorde, die allein den British Airways jährlich Milliardenverluste bringen wird.

  73. Um die zwangshaft sich beschleunigende Dynamik von technologischer Innovation, Wirtschaftswachstum und Kapitalkonzentration zu bezeichnen, verwenden wir hier verfremdend den Begriff Progreß als im Gegensatz zu Fortschritt, ein Wort, das mit positiven sozialen und ökologischen Bedeutungen zugleich besetzt ist, die jedoch keineswegs Hand in Hand mit dem , Progreß’ gehen müssen.

  74. Vwo, 30. 6. 1972.

  75. Vgl. Erich Kitzmüller, Information, Future is Tomorrow, Den Haag 1972, S. 509.

  76. Deutsche Bundesbank, Zur Entwicklung des Patent-und Lizenzverkehrs mit dem Ausland in den Jahren 1968 und 1969, in: Monatsberichte, Mai 1970; Klaus-Heinrich Standke, Europäische Forschungspolitik im europäischen Wettbewerb, Baden-Baden 1971.

  77. Vgl. mit Angaben zur neueren Literatur: Karl P. Sauvant, Multinationale Unternehmen und die Transformation des gegenwärtigen Staatensystems, in: Politische Vierteljahresschrift (1972), Sonderheft 4, S. 196 ff. David Blake (Hrsg.) The Multinational Corporation, The Annals, Heft 403 (Sept. 1972); Raymond Vernon, Sovereignty at Bay, The multinational spread of US enterprises, New York

  78. Financial Times Yearbook, nach: Internationaler Bund Freier Gewerkschaften: Die multinationalen Gesellschaften, Brüssel 1971.

  79. Diese und die folgenden Angaben nach: Die amerikanischen Investitionen in der Europäischen Gemeinschaft, in: Europäische Dokumentation, Brüssel 1970, S. 1.

  80. Ebd.

  81. Ebd., S. 3 (nach Survey of Current Business, US Dep. of Commerce).

  82. Niels Grosse, Amerikanische Direktinvestitionen in Europa, in: Europa Archiv 22 (1967), S. 23 ff.

  83. Vernon, a. a. O., Tab. 1. 1; vgl Rainer Hellmann, Amerika auf dem Europamarkt, Baden-Baden 1966; Ernest Mandel, Die Konkurrenz EWG—USA, Frankfurt 1969; Dietmar Goralczyk, Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Integration kapitalistischer Staaten, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 17 (1972), S. 1268 ff.

  84. Wie Anm. 88. Diese Praxis sich selbstverständlich nicht auf Unternehmen in amerikanischem Besitz.

  85. Die sehr zahlreichen Darstellungen der amerikanischen Kapitalimplantation in Europa verbinden damit meist den Alarmschrei, europäische Unternehmen durch staatliche Politiken gegenüber den Konkurrenten zu stärken (vgl.den Schrittmacher: Jean-Jacques Servan-Schreiber, Die amerikanische Herausforderung, Hamburg 19694). Tatsächlich sind die Auswirkungen für die Betroffenen kaum verschieden, wenn statt amerikanischer europäische Großunternehmen eine beherrschende Stellung im ganzen Wirtschaftsraum einnehmen.

  86. Kommission der EG, Die Industriepolitik der Gemeinschaft, Memorandum an den Rat, Brüssel 1970.

  87. Jung/Koubek/Piehl/Scheibe-Lange, Wirtschaftliche Konzentration und politische Integration als Herausforderung der Gewerkschaften, in: Mitteilungen des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften, Oktober 1971, S. 292 f.

  88. Die Zahl der Zusammenschlüsse in der BRD stieg 1958 bis 1971 um 1 500 °/o. Vgl. Berichte des Bundeskartellamts, Berlin. Allgemein: Jörg Huffschmid, Die Politik des Kapitals, Frankfurt 1970, sowie die oben in Anm. 86 genannte Literatur.

  89. Vgl. Rolf Jungnickel und Georg Koopmann, Wie multinational sind die deutschen Unternehmen? in: Wirtschaftsdienst, April 1972; Elmar Altvater, Die Weltwährungskrise, Frankfurt 1969, S. 95 ff.

  90. In der BRD tritt der Staat allerdings in geringerem Maße als Rüstungskäufer im Inland auf als etwa in Frankreich; der Hauptgrund dafür sind die Rüstungskäufe in den USA. Vgl. Fritz Vilmar, Rüstung und Abrüstung im Spätkapitalismus, Frankfurt a. Main 1969.

  91. Die großen Konzerne „produzieren, wo die Arbeitskräfte und Rohstoffe am billigsten — verkaufen, wo die kaufkräftige Nachfrage am größten — (lassen) Gewinne dort anfallen, wo die Steuer am niedrigsten ist." Hans Matthöfer, Internationale Kapitalkonzentration und Gewerkschaftsbewegung, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, August 1971, S. 473.

  92. „In der BRD gibt es nicht einmal exakte Angaben über den Umfang der Einkommens-und Vermögenskonzentrationen." Helmut Arndt, in: Dieter Grosser (Hrsg.), Konzentration ohne Kontrolle, Köln 1969, S. 76.

  93. ) Vgl. Dieter Grosser, Die Lohnpolitik der Gewerkschaften — Korrektiv der Einkommenskonzentration?, in: ebd., S. 241.

  94. Krelle/Schunk/Siebke, überbetriebliche Ertrags-beteiligung der Arbeitnehmer, Tübingen 1968.

  95. Siebke, Die Vermögensbildung der privaten Haushalte, unveröffentlichtes MS. 1971.

  96. Es ist eine unhaltbare Verkürzung, die widersprüchlichen Interessen von Kapital und Arbeit so voneinander zu trennen, als ob die Konzentration und Transnationalisierung ausschließlich nur das Kapital beträfe und nicht zugleich den . Produktionsfaktor Arbeit'. Der Konzentrationsvorgang wird angetrieben von dem Systemzwang zu Profit-steigerung und Wachstum, von den Bedürfnissen der Kapitalverwertung, aber im Konzentrationsprozeß verändern sich auch die Zusammensetzung (qualifiziertere Arbeit wird angereizt) und die Organisationsform der Arbeit. Damit werden Fakten geschaffen, von denen auch jede gesellschaftspolitische Veränderung ausgehen muß.

  97. Dieter Grosser, a. a. O., S. 9.

  98. Vgl. Erich Kitzmüller, Die Herausforderung der Gewerkschaften, in: Europa 1970, 16. Europäisches Gespräch, Köln 1968; Heinz Kuby, Machtverschiebung in Europa, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1972), S. 412— 422; sowie Charles Levinson. International Trade Unionism, London 1972.

  99. Vgl. Kurt P. Tudyka, Lohnarbeit und Kapital im Transnationalen Konzern, in: Politische Vierteljahresschrift 1972, Sonderheft 4, S. 243 ff.; Michael Schumann, Am Beispiel der Septemberstreiks — Anfang der Rekonstruktionsperiode der Arbeiterklasse?, in: K. H. Hörning (Hrsg.), Der , neue‘ Arbeiter, Frankfurt 1971; Otto Jacobi/Walther Müller-Jentsch/Eberhard Schmidt, Gewerkschaften und Klassenkampf, Frankfurt 1972. Ferner Horst Kern/Michael Schumann, Zum politischen Verhaltenspotential der Arbeiterklasse, in: Klaus Meschkat u. Oskar Negt (Hrsg.), Gesellschaftsstrukturen, Frankfurt 1973, S. 130 ff.

  100. Der häufig erhobene Vorwurf, diese Milliardengewinne aus der Währungspekulation seien gleichsam anrüchig, verfehlt den Gegenstand: Die Verfüger über große Kapitalien verhalten sich nur dem jetzt gültigen Wirtschaftssystem konform, wenn sie in Erwartung von Verzinsungs-oder Aufwertungsgewinnen Gelder von einem Land ins andere verschieben.

  101. So der Währungsexperte Wolfgang Stützel, in: Liberal, Aug. /Sept. 1972, S. 594. Er läßt allerdings offen, wo und wie denn tatsächlich über den Geldwert entschieden wird.

  102. „In weltoffener Wirtschaft kann Geldwertstabilität nicht mit autonom-nationalstaatlicher Politik erreicht werden," resümiert Stützel (ebd.) lapidar. Hinter der . weltoffenen Wirtschaft'verbirgt sich die kapitalistische Weltwirtschaft als Axiom aller „realistischen" Währungsexperten. Unter ihren Bedingungen kann auf absehbare Zeit Geldwertstabilität aber politisch überhaupt nicht hergestellt werden, da die Inflation aus der Kapitalstruktur der multinationalen Unternehmen (und nicht z. B. aus Lohnwachstum) resultiert. Dies zeigt: Charles Levinson, Capital, Inflation and the Multinationals, London 1971.

  103. Eine verläßliche Scheidung der vorwiegend auf Übersee orientierten Unternehmungen (besonders die rasche Ausdehnung von Chemie-und Fahrzeugbauinteressen in Südamerika) und stärker auf Westeuropa gerichteten Interessen ist nicht möglich (vgl. Anm. 98). Das gleiche gilt für die Interessen an verstärktem Ostgeschäft. Bei einem Anteil des Osthandels am deutschen Gesamthandel von unter 10 °/o sind jedoch einzelne Unternehmen bemüht, „gemeinsame Unternehmungen" in sozialistischen Ländern zu errichten und so den Vorteil billigerer Arbeitskräfte und unterbeschäftigter Produktionsfaktoren auszunutzen. Auf der anderen Seite verspricht man sich von dieser Zusammenarbeit mit kapitalistischen Konzernen eine Überwindung der bürokratischen Innovalionshemmungen in den sozialpolitischen Ländern.

  104. Vgl. allgemein Beate Kohler/Gert Schlaeger, Wirtschafts-und Währungsunion für Europa, Bonn 1971; sowie die diesbezüglichen Aufsätze in Teil 2 von Melvyn Krauss (Hrsg.), The Economics of Integration, London 1973, S. 155 ff.

  105. Die zunehmende Bedeutung der Staatsinterventionen für die Ökonomie wird in einer reichen, aber auch widersprüchlichen Literatur erörtert: Vgl. Maurice Dobb, Organisierter Kapitalismus, Frankfurt 1966; Michael Kidron, Rüstung und wirtschaftliches Wachstum, Frankfurt 1971 (zuerst engl. 1968); Andrew Shonfield, Geplanter Kapitalismus, Köln 1969; Joachim Hirsch, Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und politisches System, Frankfurt 1970, bes. S. 41— 64; Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972, bes. S. 436— 458; Urs Jaeggi, Macht und Herrschaft in der BRD, Frankfurt 1969; Ralph Miliband, Der Staat in der kapitalistischen Gesellschaft, Frankfurt 1972.

Weitere Inhalte

Lutz Niethammer, Dr. phil., geb. 1939 in Stuttgart, Studium der ev. Theologie, Geschichte, Politik und Soziologie, 1968— 72 wiss. Assistent an der Abt. Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität in Bochum; derzeit Research Fellow am St. Antony's College Oxford. Veröffentlichungen u. a.: Angepaßter Faschismus. Praktische Politik der NPD, Frankfurt 1969; Entnazifizierung in Bayern. Säuberung und Rehabilitierung unter amerikanischer Besatzung, Frankfurt 1972; (als Hrsg.) Walter L. Dorn, Inspektionsreisen in der US-Zone, Stuttgart 1973, sowie eine Reihe von Aufsätzen zur Zeitgeschichte.