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Zur Reform des Petitionswesens im Deutschen Bundestag. Ein Beitrag zur Diskussion | APuZ 4/1974 | bpb.de

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APuZ 4/1974 Konservatismus -Sand im Getriebe des Fortschritts? Eine Auseinandersetzung mit neuer Konservatismus-Literatur Zur Reform des Petitionswesens im Deutschen Bundestag. Ein Beitrag zur Diskussion Der Petitionsausschuß als ausreichendes Kontrollorgan? Erwiderung auf R. Tesches Diskussionsbeitrag

Zur Reform des Petitionswesens im Deutschen Bundestag. Ein Beitrag zur Diskussion

Renate Tesche

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Dem Petitionswesen auf Bundesebene obliegen gemäß dem Grundrecht der Petition nach Artikel 17 des Grundgesetzes zwei Aufgaben: es muß zum einen Rechtsbefriedung für den Bürger im Einzelfall herstellen und zum anderen als Kontrollinstanz gegenüber der Exekutive, also Regierung und Verwaltung, fungieren. In der Verfassungswirklichkeit zeigt sich seit langem, daß der für diese Aufgaben zuständige Petitionsausschuß des Bundestages aufgrund seiner geringen Wirkungsmöglichkeit dem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht nachzukommen in der Lage ist. Zur Verbesserung des Petitionswesens haben die drei Fraktionen in dieser Legislaturperiode Gesetzentwürfe vorgelegt, die eine Stärkung des Ausschusses vorsehen. Auf die Einführung eines Bürgerbeauftragten haben sie bewußt verzichtet, da auch die rechtlich umfassend ausgestatteten Institutionen eines solchen Beauftragten — die skandinavischen Ombudsmänner — die für unsere Reform gesteckten Ziele nicht ganz erfüllen können. Abgesehen von den Problemen einer Übertragbarkeit anderer Modelle auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland wird bei den Plädoyers für einen Bürgerbeauftragten meist übersehen, daß sich die derzeitigen Schwierigkeiten des Petitionswesens nicht durch ein Nebeneinanderstellen von Ausschuß und Bürgerbeauftragtem lösen lassen. Da konkrete Analysen der parlamentarischen Situation in diesem Zusammenhang fast immer fehlen, kommen die sich bei einer Koexistenz beider Institutionen ergebenden Überschneidungen und Kompetenzstreitigkeiten nicht zur Sprache. Für den Bürger, der Rat sucht, wäre damit wenig erreicht, zumal ein Bürgerbeauftragter mit einem notwendigerweise großen Apparat in einem 60-Millionen-Staat nicht die „persönliche" Anlaufstelle sein kann, wie das vielfach erwartet wird.

Niemand wird bestreiten können, daß das Petitionswesen auf Bundesebene dringend einer Reform bedarf. Es gehört zu einem der Problembereiche, in dem die Verfassungswirklichkeit dem Verfassungsrecht — ausgedrückt durch das Grundrecht der Petition in Artikel 17 des Grundgesetzes — bisher nicht entspricht. Das in der Verfassung der Bundesrepublik verankerte Grundrecht der Petition hat zum Ziel, „außerhalb des förmlichen Rechtsschutzes mit seinen komplizierten Zuständigkeits-und Zulässigkeitsvoraussetzungen ...dem Bürger eine parlamentarische Überprüfung von Akten der Staatsgewalt" zu gewahren, „mit der unrechtmäßiges oder unzweckmäßiges Handeln oder Unterlassen der Administration häufig zu seinen Gunsten korrigiert werden kann" Diese Aufgabe, Rechtsbefriedung im Einzelfall herbeizuführen, ist eine der beiden Funktionen unseres Petitionswesens. Sie würde inhaltlich auch für die Tätigkeit eines Bürgerbeauftragten Geltung ha-ben. Allerdings hebt das Grundgesetz auf eine parlamentarische Überprüfung ab und das Recht, sich an das Parlament wenden zu können, ist für die Forderung nach einem Bürgerbeauftragten nicht ohne Bedeutung.

Die zweite Funktion des Petitionswesens ist die einer Kontrollinstanz gegenüber der vollziehenden Gewalt im Hinblick auf die Auswirkungen der Gesetzgebung auf den Bürger und ihre Anwendung. Die Petitionsinstanz als ein „soziales Frühwarnsystem“ sollte dem Parlament einen Überblick verschaffen über die Probleme beim Gesetzesvollzug, Anregungen und Vorschläge zur Beseitigung von Gesetzes-und Vollzugsmängeln ins Parlament einbringen und damit „über die Einzelprüfung der Petitionen hinaus durch ihre Auswertung und Analyse sich der Möglichkeiten zur Verbesserung des Verhältnisses von Bürger und Staat“ bedienen

Plädiert man für Reformen, dann sollte man sie in jedem Fall unter der konkreten Zielsetzung analysieren, ob sie die oben genannten Funktionen erfüllen können. Es reicht aber zur Begründung einer Reform nicht aus, wenn unter dem alleinigen Vorzeichen der Beseitigung von „Staatsverdrossenheit“ die Institution des Petitionsausschusses ergänzt werden soll durch einen Bürgerbeauftragten, ohne daß für die damit beabsichtigte Verbesserung auch nur ein annähernd einsichtiger Beweis erbracht würde

Staatsverdrossenheit läßt sich nicht allein dadurch beseitigen, daß man dem Petitionsausschuß des Bundestages einen Bürgerbeauftragten zur Seite stellt, der als sozialpsychologische Auffangstelle für die Sorgen und Nöte der Bürger gedacht ist. Eine solche Instanz hat — unter Würdigung des damit verfolgten Ziels — nur dann Sinn, wenn sie auch Hilfe leisten kann. Der Bürgerbeauftragte müßte, um mehr zu sein als nur eine „zusätzliche, überflüssige Behörde unbedeutender Effizienz" dem Bürger einen Rechtsschutz gewähren können und eine Kontrolle gegenüber Regierung und Verwaltung darstellen, die über das Maß dessen hinausreicht, was der Petitionsausschuß selbst bei erheblicher Erweiterung seiner Rechte zu leisten imstande wäre.

Solange eine solche Mehrleistung auf der Grundlage verstärkter Ausschußrechte nicht nachgewiesen ist, solange eine Ausformulierung der Tätigkeitsfelder und -merkmale von Ausschuß und Bürgerbeauftragtem unter konkreten politischen Gegebenheiten nicht er-folgt, hat die Forderung nach Einsetzung eines Beauftragten wenig Gewicht in der politischen Diskussion über die Reform unseres Parlamentarismus. Fände eine Konkretisierung statt, dann könnte sich schnell herausstellen, daß die Mehrleistung nicht erreicht wird und daß eine Überschneidung der Tätigkeitsbereiche eintritt, die eine der beiden Petitionsinstanzen überflüssig macht.

Der Vergleich mit dem Ausland Die Heranziehung des Vergleichs mit anderen Staaten zur politischen Reform im eigenen Land ist immer dann problematisch, wenn dem Vergleich unterschiedliche Verfassungsgeschichte und -Strukturen zugrunde liegen.

Nur selten wird man dabei zu einem für die eigene Situation nachvollziehbaren Ergebnis kommen. Um so bedenklicher ist es, wenn bereits vor Beginn einer Analyse eine Gleichsetzung von Termini wie „Bürgerbeauftragter", „Ombudsman", „Zivilbeauftragter" und „Parlamentskommissar" erfolgt die für jedes Land, das sie verwendet, ihre jeweils eigene Bedeutung haben. Vollends unverständlich wird der Vergleich dann, wenn nach der Untersuchung nur dreier Länder (Schweden, Großbritannien und Frankreich) nur die schwedische Ombudsman-Institution von grundlegender Kritik verschont bleibt, dennoch aber zum Beweis für die Notwendigkeit der Einführung eines Bürgerbeauftragten bei uns von vermeintlich „weltweiten guten Erfahrungen“ mit dieser Institution gesprochen wird. Bei näherem Hinsehen sind die Erfahrungen offenbar doch nicht so gut.

Das englische und französische Beispiel zeigt bereits, daß aufgrund der unterschiedlichen politischen und auch historischen Voraussetzungen in bezug auf die Entwicklung und Ausgestaltung demokratischer Regierungsformen — die auch bei diesen Ländern wieder jeweils anders waren — das Petitionswesen keine skandinavischen Formen annehmen konnte. Die weitgehende Unberührtheit der skandinavischen Petitionsinstanzen vom politischen Parteienstreit und das dadurch gewonnene hohe Ansehen der skandinavischen Ombudsmänner gründet nicht zuletzt in der historisch gewachsenen und durch keine innenpolitischen Gegenströmungen zerstörten Achtung vor den Rechten des Bürgers — mag man auch an vielen Stellen in Skandinavien soziale Ungerechtigkeiten finden. Unter die-sem Aspekt stößt die Übertragbarkeit des Ombudsmans bereits auf Bedenken.

Doch tauchen auch in Skandinavien Probleme des Petitionswesens auf, die der inneren Struktur der Institution anzulasten sind und die eine Übernahme auf unsere Situation wenig erfolgversprechend erscheinen lassen. Sie betreffen das Arbeitsvermögen einer einzelnen Person als Petitionsinstanz.

Während Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland zusammen nur rund 22 Millionen Einwohner zählen bei insgesamt vier Ombudsmännern, hätte ein einziger Bürgerbeauftragter in der Bundesrepublik eine Bevölkerung von mehr als 60 Mio. zu . versorgen'. Hinzu kommt, daß Schweden als bevölkerungsreichstes Land Skandinaviens mit ca. 8 Mio. Bürgern inzwischen über 3 Ombudsmänner verfügt (Justitie Ombudsman, Militie Ombudsman und Konsument Ombudsman) mit einem Mitarbeiterstab von 50 Personen — darunter 20 Juristen. Dem gegenüber steht eine Zahl von nur rund 3 000 Eingaben zuzüglich 357 selbst aufgegriffener Fälle Dagegen liegt die Zahl der beim Petitionsausschuß des Bundestages eingehenden Petitionen derzeit schon bei rund 500 im Jahr und müßte zwangsläufig weiter steigen, wenn der Ausschuß in weiteren Kreisen der Bevölkerung erst einmal bekannt würde. Nicht eingerechnet sind hier die Eingaben, die jährlich an die Abgeordneten-büros gehen und von ihnen erledigt werden, obwohl sie der Sache nach auch Petitionen sind.

Trotz des Vorhandenseins von 3 Ombudsmännern klagt Schweden schon heute über Personalknappheit, so daß ein Teil der an sich zulässigen und in die Kompetenz des Ombudsmans fallenden Eingaben als sog. Bagatellsachen unbehandelt bleiben 7). Es steht außer Zweifel, daß die meisten Anliegen von einem anonym bleibenden Mitarbeiterstab erledigt werden müssen, wodurch starke Zweifel an der Realisierbarkeit einer . persönlichen'Anlaufstelle aufkommen.

Wie viele Ombudsmänner müßte es erst bei uns geben und wie groß sollte der Apparat der Mitarbeiter werden, um auch nur einigermaßen effektiv arbeiten zu können? Daß der Beauftragte die Entscheidungen selbst unterschreibt, bedeutet noch längst nicht, daß er sich auch mit ihnen beschäftigt hat. So gesehen ist unser jetziger Petitionsausschuß mit seinen geringen Rechten noch persönlicher, sind seine Entscheidungen noch transparenter, weil sie von je zwei Ausschußmitgliedern verschiedener Parteien als Berichterstatter bearbeitet werden und hier doch eine gewisse gegenseitige Einflußnahme und Kontrolle möglich ist. Auch der vielfach hervorgehobene Vorteil eines Bürgerbeauftragten, er sei gegenüber einem Kollegialorgan beweglicher und entscheidungsschneller, kann in der schwedischen Praxis angesichts der hohen Arbeitsbelastung nicht bestätigt werden

Entgegen der oft geäußerten Meinung, dem Ombudsman sei es eher und mit mehr Erfolg möglich, auf Gesetzesmängel hinzuweisen und Verbesserungsvorschläge zu machen behandeln weder die Ombudsmänner noch die Parlamente Skandinaviens direkt Anregungen, Bitten und Vorschläge von Bürgern zur Gesetzgebung — in geringem Maße überweist nur das norwegische Parlament Vorschläge an Regierung und Fachausschüsse Der Petitionsausschuß des Bundestages jedoch unterscheidet gemäß Artikel 17 des Grundgesetzes zwischen „Bitten", d. h. Anregungen zur Gesetzesverbesserung und -ergänzung einerseits und „Beschwerden" über die vom Petenten als rechtswidrig angesehenen Tatbestände und Verwaltungsakte andrerseits. Bitten erhalten dabei gleichberechtigte Behandlung durch den Ausschuß und führen in einer ganzen Reihe von Fällen zu Gesetzesanregungen durch seine Mitglieder. Ein Bürgerbeauftragter hätte — und hier wünschte ich mir doch eine weitgehend parlamentsunabhängige Institution — wenig direkte Möglichkeiten, auf Gesetzgebungsinitiativen inhaltlich so einzuwirken, wie dies Ausschußmitglieder können, sei es auf dem Wege des Gruppenantrags oder durch Anregungen zu Fraktionsentwürfen.

Hieran wird deutlich, daß „dem nordischen Ombudsman vorrangig — vor der Aufgabe, Beschwerden von einzelnen nachzugehen — die Verwaltungskontrolle obliegt" 11). Es muß in diesem Zusammenhang festgehalten werden, daß für unser Petitionswesen Verwaltungskontrolle und Rechtsbefriedung des einzelnen gleichrangige Funktionen haben.

Schwer durchsetzbar wird dagegen eines der wichtigsten Rechte der skandinavischen Ombudsmänner (mit Ausnahme des norwegischen) sein, das — wenn auch nur in sehr wenigen schwerwiegenden Fällen genutzt — eine erhebliche Druckwirkung auf die Behörden haben kann: das Anklagerecht Es wäre bei uns sowohl für den Ausschuß wie für den Bürgerbeauftragten nur dann denkbar, wenn die Vorschriften über die Rechtsverhältnisse der Beamten völlig umgestaltet würden. Mit einer solch umfassenden Verwaltungsreform kann unter den jetzigen Bedingungen und angesichts der vielfach noch traditionellen Strukturen des Beamtenwesens so bald nicht gerechnet werden.

Mehr Rechte für den Petitionsausschuß Bevor die Frage behandelt wird, wie denn ein Petitionsausschuß auszusehen habe, der die beiden eingangs genannten Funktionen — Rechtsschutz und Rechtsbefriedung des Bürgers sowie wirksame Kontrolle von Regierung und Verwaltung — erfüllen kann, muß zunächst eine bei Kempf vorhandene Fehleinschätzung geklärt werden. Sie liegt in der Annahme, daß der parlamentarische Unwille zum Einsatz eines Bürgerbeauftragten durch eine „falsch verstandene Statusbedrohung" begründet sei. Diese Behauptung ist in solcher Verallgemeinerung falsch. Sonst wäre nämlich nicht zu erklären, daß die Mitgliedschaft im Petitionsausschuß häufig nur eine Legislaturperiode dauert eine kontinuierliche Ausschußzusammenarbeit also fehlt und daß die Fraktionen ihre Mitglieder in den Petitionsausschuß quasi „hineindelegieren" müssen. Aus dem bisherigen geringen Ansehen und den unzureichenden Arbeits- und Einflußmöglichkeiten läßt sich eine Angst um den Verlust des eigenen Status wohl kaum herleiten; sie wäre eher in den klassischen Ausschüssen zu suchen, in denen auch tatsächlich ein Konkurrenzkampf um die Ausschußplätze stattfindet.

Im übrigen wird das Argument der Statusminderung meist im Zusammenhang mit der Alternative „Bürgerbeauftragter oder Petitionsausschuß"

gebracht und zwar mit der Konse-quenz, daß bei einer solchen Alternativentscheidung Statusminderung bedeuten würde: „Verzicht auf Informationsquellen bezüglich Leistungen der Exekutive und die geringeren Möglichkeiten der Kontrolle der Verwaltung" So verstanden ist der Wunsch nach Beibehaltung des Status nicht negativ zu werten, sondern von der Aufgabe eines Parlaments her durchaus gerechtfertigt.

Der Grund für die Ablehnung eines Bürgerbeauftragten liegt vielmehr in der Erkenntnis begründet, daß dieser nicht mehr leisten könnte als das, was dem Petitionsausschuß bei Stärkung seiner Rechte möglich wäre. Zu dieser Auffassung gelangte schließlich auch die Enquete-Kommission, in der ein Teil der Mitglieder zu Beginn der Untersuchung durchaus für den Bürgerbeauftragten eingetreten war. Insofern macht der wiederholte Hinweis auf die Ineffizienz der Ausschußarbeit die Forderung nach seiner Ergänzung durch einen Beauftragten noch nicht einsichtig, und es wäre zuvor einmal die Frage zu prüfen, ob die Schaffung besserer Voraussetzungen für den Ausschuß nicht auch zur Erfüllung der Aufgaben einer Petitionsinstanz führen kann

In der gegenwärtigen Ausgestaltung des Petitionswesens tritt — wie ganz zu Anfang festgestellt wurde — die fehlende Übereinstimmung von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit zutage. Während Artikel 17 GG das Recht des Bürgers konstituiert, sich „mit Bitten und Beschwerden an ... die Volksvertretung zu wenden" und die §§ 112 und 113 der Bundestagsgeschäftsordnung den Petitionsausschuß mit der Behandlung dieser Eingaben betrauen, steht dem auf der anderen Seite die Unfähigkeit des Ausschusses gegenüber, den Ansprüchen der Petenten nachzukommen. Der Grund ist nicht intellektuelle Unfähigkeit in der Ausschußzusammensetzung, ebensowenig seine kollegial-schwerfällige Arbeitsweise, sondern in der Hauptsache der Mangel an eigenen Rechten. „Die schwa-che Stelle des Überprüfungsverfahrens liegt darin", so stellte die Enquete-Kommission fest, „daß der Petitionsausschuß keine eigene Sachaufklärung betreiben darf, sondern nahezu ausschließlich auf die Gegenäußerung der Bundesregierung angewiesen ist" Die Bundesregierung ihrerseits muß erst im nachgeordneten Bereich rückfragen, bevor sie dem Ausschuß ihre Stellungnahme übermitteln kann. Der dabei entstehende Zeitaufwand von in der Regel mindestens 6 Monaten und die Filterwirkung des Dienstweges lassen mit Recht starke Zweifel an der Wirksamkeit der gewünschten Hilfe aufkommen.

Die Zweifel werden noch dadurch vermehrt, daß der Ausschuß die Eingaben nicht in eigener Zuständigkeit entscheiden kann Er kann gemäß den aus Artikel 17 GG hergeleiteten Annexrechten: dem Petitionsüberweisungsund dem Petitionsinformierungsrecht gegenüber der Bundesregierung dieser die Eingaben zur Kenntnisnahme, als Material, zur Erwägung oder zur Berücksichtigung überweisen Diese Uberweisungsformen gelten „in der Regel" und schließen nicht aus, daß dem Ausschuß die Möglichkeit gegeben ist, auch weitergehende, für das Petitum relevante Prüfungen und Stellungnahmen von der Regierung zu fordern. Allerdings beinhaltet der da-mit gegebene Druck weder weiterreichende Einzelanweisungen an die Regierung, weder erzwingbare Aktenvorlage noch direkten Druck auf untergeordnete Behörden. Eine „selbständige Abhilfekompetenz" ist dem Ausschuß nicht gegeben Die bloße Mitteilung an den Petenten, man habe die Eingabe mit einem bestimmten Votum an die Regierung weitergegeben, kann für den, der Recht sucht, keine Rechtsbefriedung bringen. Kein Petent wird in der Regel feststellen können, was die Regierung mit dem Ausschußvotum macht, und ändert sie Gesetze in seinem Sinn, dann ist es für den konkreten Fall oft zu spät.

Zu welchen kuriosen Auswirkungen ein sol-ches Dienstwegdenken führt, sei noch am Rande bemerkt. Obwohl der Ausschuß von den in der Geschäftsordnung bestimmten Regelvoten abweichen kann, geschieht dies in der Praxis verhältnismäßig selten. Der Grund liegt darin, daß das Büro des Petitionsausschusses zur Aufstellung einer Statistik über die vom Ausschuß getroffenen Entscheidungen verpflichtet ist, die dem Bundestag vorzulegen ist. In diese Statistik passen nun abweichende Voten nicht hinein, weil sie schlecht quantifizierbar sind. Es wäre deshalb zu wünschen, daß mit der Rechtserweiterung des Ausschusses auch eine Entformalisierung eintritt, die der Entscheidung über individuelle Anliegen gerecht wird.

Sinnvoll wäre in diesem Zusammenhang auch, statt der vierteljährlich erfolgenden mündlichen Berichterstattung vor dem Plenum entsprechend der Regelung für den Wehrbeauftragten eine jährliche schriftliche Berichterstattung einzuführen. Darin sollten „über die statistische Aufbereitung des angefallenen Materials hinaus Entwicklungen, Trends und Schwerpunkte des Verwaltungshandelns und im Verhältnis von Bürger und Staat" analysiert und somit eine inhaltliche Diskussion im Plenum ermöglicht werden

Um den oben skizzierten Mängeln abzuhelfen und das Petitionswesen neu zu gestalten, ha-ben die drei Fraktionen des Bundestages in der 7. Legislaturperiode zwei gemeinsame Gesetzentwürfe zur Beratung vorgelegt Durch Einfügung eines Artikel 45 c in das Grundgesetz soll der Petitionsausschuß verfassungsrechtlich verankert werden als ein Organ, „dem die Behandlung der gemäß Art. 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt" und der „bei der Überprüfung von Beschwerden ... als parlamentarisches Kontrollorgan" tätig wird Die Aufnahme des Ausschusses in die Verfassung ist notwendig, weil durch das zweite Gesetz neue Befugnisse für einen Ausschuß begründet werden, den die Verfassung bisher nicht kennt und dessen Tätigkeit nur geschäftsordnungsmäßig geregelt ist, dessen Befugnisse aber durch das geplante Auskunftsrecht gegenüber Dritten die dem Parlament selbst zukommenden Rechte übersteigen.

Im zweiten Gesetzentwurf werden die erweiterten Rechte des Petitionsausschusses näher bestimmt. Danach erhält der Ausschuß — das Recht auf Aktenvorlage, — das Recht auf Auskunfterteilung, — das Recht auf Zutritt zu den Einrichtungen — das Recht, Mitglieder der Bundesregierung und Bundesbedienstete zum Erscheinen und zur Äußerung vor dem Ausschuß zu verpflichten

Diese absoluten Rechte gelten ebenfalls gegenüber „bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und (den) sonstigen Verwaltungseinrichtungen des Bundes sowie ihren Bediensteten" in dem durch die Kontrollbefugnis bestehenden Umfang Werden Gesetze im Bundesauftrag ausgeführt, erstrecken sich die Ausschußbefugnisse darüber hinaus auch auf „Landesbehörden und die dem Landesrecht unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und ihre Bediensteten" Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Petitionsausschuß Amtshilfe zu leisten

Problematisch bleibt dabei allerdings, ob mit dem unter die Kontrolle fallenden Bereich die Kommunen hinreichend abgedeckt sind. Viele Petitionen betreffen den kommunalen Sektor, und aus der Kenntnis zahlreicher Fälle kann gesagt werden, daß gerade die Behörden in diesem Bereich oft ungenügend über Gesetzesänderungen informiert sind und in Unkenntnis nicht mehr geltendes Recht zuungunsten des Bürgers anwenden.

Ausnahmen in den neuen Kontrollrechten bestehen lediglich bei gesetzlich festgelegter Geheimhaltung von Vorgängen und bei sonstigen zwingenden Geheimhaltungsgründen Die Begründung der Kontrollverweigerung obliegt der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde von Bund und Ländern. Die Bundesregierung muß auf Verlangen des Petitionsausschusses diese Entscheidung nachprüfen

Neben diesen Befugnissen soll dem Ausschuß bei der Prüfung der Eingaben das Recht zustehen, „den Petenten, Zeugen und Sachverständige anzuhören" Er muß bei alldem nicht schwerfälliger sein als ein Bürgerbeauftragter, da er „nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages die Ausübung seiner Befugnisse ... im Einzelfall auf eines oder mehrere seiner Mitglieder übertragen" kann Für diese Regelung hatte sich auch die Enquete-Kommission ausgesprochen. Die im Gesetzentwurf über die Befugnisse des Petitionsausschusses vorgesehenen Erweiterungen zielen also genau auf die bisherigen schwachen Stellen: sie ermöglichen eine direkte, schnelle und in eigener Entscheidung durchführbare Sachaufklärung ohne den zeitraubenden und nicht immer zu gerechten Ergebnissen führenden Dienstweg über die Regierung.

Zusätzlich wird es notwendig sein — aber das wäre es auf Dauer auch bei der jetzigen Form — die Besetzung des Petitionsbüros zu vergrößern.

Die jetzige Zahl der Mitarbeiter reicht mit insgesamt 40 nicht aus, um eine künftig noch steigende Zahl von Petitionen umfassend zu betreuen. Eine bessere Personalausstattung könnte zudem „den Abschied von Formularbescheiden zugunsten einer substantiierten Würdigung der Petition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht" ermöglichen

Schließlich stellt sich die Frage nach einem Recht, daß in Skandinavien ein wichtiges Instrument des Ombudsman nicht aus, um eine künftig noch steigende Zahl von Petitionen umfassend zu betreuen. Eine bessere Personalausstattung könnte zudem „den Abschied von Formularbescheiden zugunsten einer substantiierten Würdigung der Petition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht" ermöglichen 37).

Schließlich stellt sich die Frage nach einem Recht, daß in Skandinavien ein wichtiges Instrument des Ombudsmans darstellt: nämlich nach einem Eigeninitiativrecht des Ausschusses, selbst aufgegriffenen Fällen außerhalb der Eingaben nachzugehen. Dieses Recht soll der Ausschuß — im Gegensatz etwa zu der für den Berliner Petitionsausschuß geltenden Recht — nach den vorliegenden Gesetzentwürfen nicht erhalten. Das Fehlen dieses Rechts berührt zunächst nicht den einen der beiden Aspekte für die Stärkung des Ausschusses, den Aspekt, daß der Ausschuß in die Lage versetzt werden muß, seiner in Artikel 17 GG begründeten Aufgabe des Rechtsschutzes der Bürger nachzukommen. Das Fehlen dieser Investigationsmöglichkeit berührt aber wohl den zweiten Aspekt. Es ist eine der Hauptaufgaben des Parlaments, Regierung und Verwaltung zu kontrollieren und sie an Handlungen zu hindern, die gegen den Sinn der von ihm verabschiedeten Gesetze laufen — dies soweit wie möglich, auch über die unmittelbaren Eingaben hinaus. Es wäre daher zu bedauern, würde der Bundestag freiwillig auf dieses Recht verzichten anstatt es voll für sich in Anspruch zu nehmen. Daher sollte erwogen werden, dem Petitionsausschuß auch das Recht zum selbständigen Aufgreifen von Mißständen zuzugestehen.

Das Petitionswesen der Bundesländer Die Frage, ob künftig auf Bundesebene neben dem Ausschuß ein Bürgerbeauftragter eingesetzt werden soll oder ob ein mit größeren Rechten ausgestatteter Petitionsausschuß allein ausreicht, wird interessant bei einem Vergleich der beiden Bundesländer Berlin und Rheinland-Pfalz, die sich hierbei jeweils anders entschieden haben.

Durch Änderung der Berliner Verfassung im Jahre 1969 38) wurden die Befugnisse des Petitionsausschusses beim Abgeordnetenhaus auf das Maß erweitert, daß die Gesetzentwürfe für den Bundestagsausschuß vorsehen; darüber hinaus besteht — wie schon erwähnt — ein Eigeninitiativrecht. Weitergehende Regelungen betreffen auch das Recht auf Antrag über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses 39), das Recht der erzwingbaren Zeugenanhörung 40) sowie die Regelung der Rückäußerungsfrist des Senats innerhalb von 3 Wochen im Regelfall Sie dürften bei einer Detailuntersuchung über die Ausgestaltung des Bundestagsausschusses nicht ohne Bedeutung sein.

Rechtlich gesehen sind dem Berliner Ausschuß alle Möglichkeiten gegeben, die ein Bürgerbeauftragter auch nur haben könnte. Im großen und ganzen hat sich diese Institution offenbar bewährt und der Mangel eines ausreichenden Mitarbeiterstabes trifft keine strukturimmanenten Schwächen der Ausschußlösung.

Im Jahre 1971 entschloß sich auch der Land-tag in Rheinland-Pfalz zu einer Erweiterung der Rechte seines Petitionsausschusses Die entscheidende Behinderung bei der Ausübung dieser Rechte ist jedoch die Beibehaltung des Dienstweges So ist es nicht erstaunlich, daß neben der Institution des Ausschusses ein Bürgerbeauftragter eingeführt werden soll Bei näherer Betrachtung der dazu vorliegenden Gesetzentwürfe stellen sich allerdings Zweifel ein, ob ein Zusammenwirken von Ausschuß und Bürgerbeauftragtem möglich ist und die hierbei erwartete Effizienz eintrifft. Dies wird deutlich bereits in der Frage des Weisungsrechts und der Kompetenzverteilung untereinander.

Neben dem Eigeninitiativrecht, das von beiden Fraktionen vorgesehen wird, sieht der SPD-Entwurf eine Weisung eines Fünftels der Landtagsmitglieder oder der Mehrheit der Petitionsausschußmitglieder vor, die den Beauftragten zum Tätigwerden veranlaßt Die CDU dagegen strebt eine noch größere Abhängigkeit und Verknüpfung mit dem Ausschuß an, wenn sie den Bürgerbeauftragten mit der Vorbereitung ihm vom Ausschuß übertragener Eingaben betraut und hierzu bestimmt: „In diesen Fällen führt der Bürgerbeauftragte im Rahmen der Weisungen des Petitionsausschusses die notwendigen Ermittlungen und trägt das Ergebnis seiner Nachforschungen dem Petitionsausschuß vor." Daß hier der Beauftragte nicht einmal mehr Hilfsorgan des ganzen Parlaments, sondern nur des Ausschusses sein soll, unterstreicht der in der Sitzung am 9. 5. 1973 gefällte Beschluß des Rechtsausschusses im rheinland-pfälzischen Landtag, der gegen die Stimmen von SPD und FDP ihn zum „ständigen Beauftragten des Petitionsausschusses" degradieren wollte Eine solche Funktion wäre in den Augen vieler Bürger weder eine Hilfe, noch könnte sie zu der persönlichen Vertrauensstelle führen, die von einem Bürgerbeauftragten erwartet wird. Ein Beamter als Leiter des Ausschußbüros wäre für eine solch reduzierte Aufgabe ebenso geeignet, ein Bürgerbeauftragter dagegen wäre in diesem Fall nur eine „zusätzliche, überflüssige Behörde unbedeutender Effizienz" Problematisch bleibt in den rheinland-pfälzischen Entwürfen auch die Frage, welche Art von Eingaben unter wessen Kompetenz fallen soll. Immerhin sieht die SPD vor, daß der Beauftragte Petitionen „von größerer Bedeutung oder grundsätzlicher Art" dem Petitionsausschuß überlassen muß Es fragt sich allerdings, wer darüber entscheidet, was alles unter diese inhaltlich vage Bestimmung gefaßt wird. Da der Ausschuß überdies das Recht erhält, „die Bearbeitung jeder Eingabe in jedem Verfahrensstand an sich zu ziehen" könnte dem Bürgerbeauftragten unter Umstanden auch hier eine nur zweitrangige Funktion bleiben.

In der letzten Zeit scheinen die Koexistenzschwierigkeiten wohl insoweit geklärt, als die Verankerung des Bürgerbeauftragten in der Landesverfassung vorgesehen ist. Damit wäre er dem Ausschuß gleichgestellt und würde nicht mehr nur die Rolle eines Ausschußsekretärs spielen. Fraglich ist, welche Rückwirkungen dies auf die Bestimmungen der jetzigen Fraktionsentwürfe haben wird. Angesichts der durch den Dienstweg eingeengten Befugnisse des Petitionsausschusses könnte allerdings folgen, daß der Bürgerbeauftragte den Ausschuß in seiner verfassungsrechtlichen Stellung unterhöhlen und nun wiederum ihn zum sekundären, überflüssigen Organ ma-chen würde.

Verzicht auf einen Bürgerbeauftragten Die oben nur angedeuteten offenkundigen Probleme bei der Einführung eines Bürgerbeauftragten sollten auch auf Bundesebene berücksichtigt werden. Der Hinweis auf die Erfahrungen mit dem Wehrbeauftragten ist insofern fehlgegriffen, als die Situation im Wehrbereich nicht vergleichbar ist mit dem normalen Petitionswesen.

Das Grundrecht der Petition nach Artikel 17 GG ist den Soldaten der Bundeswehr für die Zeit des Wehrdienstes insoweit eingeschränkt, als sie keine Sammelpetitionen an den Bundestag einreichen dürfen In der Regel aber sind die mit der Bundeswehrsituation auftretenden Probleme solche, die eine ganze Reihe von Wehrdienstleistenden gleichermaßen betreffen. Um hier eine Instanz zu schaffen, die den Soldaten Rechtsschutz gewährt, wurde der Wehrbeauftragte eingesetzt.

Abgesehen davon kann der Beitrag von Kempf auch sonst nicht einsichtig machen, wie das Problem der Koexistenz von Petitionsausschuß und Bürgerbeauftragtem gelöst werden soll. Man muß sich nämlich darüber im klaren sein, daß die Diskussion über die Kompetenzerweiterung des Ausschusses nicht mehr hinter den Stand zurückgehen kann, der mit der Vorlage der gemeinsamen Gesetzentwürfe im Bundestag festgelegt worden ist. Eine Beschneidung der geplanten Rechte wäre nicht wünschenswert unter dem Gesichtspunkt der dem Parlament — und in seiner Vertretung dem Ausschuß — zustehenden Kontrollrechte.

Einerseits soll nach Kempf der Bürgerbeauftragte eine Persönlichkeit sein, die nicht „nur als Hilfsorgan des Petitionsausschusses"

fungiert; andrerseits soll er jedoch ein „Hilfsorgan der Parlamentarier" werden, das diese aufgrund der bestehenden Überforderung „von Routinekontrollen entlastet". Kempf befürchtet selbst, daß sich für die erstgenannte Funktion keine qualifizierte Persönlichkeit finden werde Ich befürchte, daß sich auch für die mit Routinearbeit beauftragte parlamentarischer Hilfsinstitution kein fähiger Bürgerbeauftragter zur Verfügung stellt. Sollte dieser sowohl „ex officio" als auch auf Anweisung von Abgeordneten hin tätig werden, dann müßte er neben der zeitlichen und arbeitsmäßigen Belastung zumindest teilweise auch ein gespaltenes Verständnis seiner eigenen Funktion verkraften können. Als Einzelperson wäre er fachlich nicht kompetenter als ein Petitionsausschuß, der sich aus Mitgliedern verschiedenster Fachausschüsse zusammensetzt; mehr als diese noch müßte er sich auf seinen Apparat verlassen können. Wollte man beide Institutionen als gleichwertige Kontrollorgane einsetzen, dann käme es mit Sicherheit bald zu einer großen Zahl von Überschneidungen in den Arbeitsbereichen. Bestünde der Beauftragte auf der Priorität seiner ex officio-Tätigkeit, dann müßte sich der Ausschuß weiterhin der Routinefälle annehmen. Bestünde der Ausschuß auf der Vorrangigkeit der Bearbeitung politisch besonders wichtiger Fälle, dann wären die Routinesachen bald ganz ad acta gelegt. Und schließlich bleibt die Frage, wer hier die Verteiler-rolle übernehmen sollte, denn wer verteilt, wird in der Regel die größten Kompetenzen für sich behalten. Es scheint mir von daher unmöglich, die Koexistenzfrage zu lösen, da bei gleichen Kompetenzen das eine Organ immer versuchen würde, das andere zu verdrängen, wenn sich dies nicht im Wege einer Arbeitsaufteilung ohnehin von allein einstellen würde.

Darüber hinaus kann man sich kaum vorstellen, daß für die Beseitigung der Staatsverdrossenheit auch nur ein Schritt voran getan wäre, solange die Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt sind. Die Unsicherheit der Bürger über den richtigen Adressaten trüge zu einer Personalisierung und Humanisierung des Petitionswesens nicht bei. Ein Bürgerbeauftragter „würde zwangsläufig eine neue bürokratisch arbeitende Behörde mit größerem Verwaltungsapparat mit sich bringen, erhebliche Mehrkosten verursachen und im wesentlichen dieselben Aufgaben und Befugnisse wie ein mit zusätzlichen Rechten ausgestatteter Petitionsausschuß haben. Bei einer Häufung der Kontrollorgane mit gleichem Aufgabengebiet würde die Effektivität der Kontrolle nicht erhöht. Die in der Öffentlichkeit an die Errichtung eines solchen Amtes vermutlich geknüpften Erwartungen können kaum erfüllt werden."

Gegenüber Regierung und Verwaltung könnte die zu erwartende Konkurrenz beider Institutionen nur bedeuten, daß die Kontrollfähigkeit des Parlaments weiter geschwächt würde. Der Bürgerbeauftragte kann das Defizit an parlamentarischer Kontrolle nicht beseitigen; er soll es auch gar nicht, denn dies ist Aufgabe des Parlaments selbst. Ein Mehr an Information und Einsicht der gewählten und dem Bürger verantwortlichen Vertreter in die Arbeit der Exekutive ist nur zu erreichen, wenn man den Funktionen des Parlaments mehr Gewicht gibt. Deshalb muß auf einen Bürgerbeauftragten verzichtet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Enquete-Kommission für Fragen der Verfassungsreform, Zwischenbericht, Bundestagsdrucksadie VI/3829, S. 29.

  2. Vgl. Enquete-Kommission, a. a. O., S. 29.

  3. Diese Kritik bezieht sich auf den Beitrag von Udo Kempf, Der Bürgerbeauftragte als Kontrollorgan, in: aus politik und Zeitgeschichte, B 44/73. Kempf, der hier für eine Ergänzung des Petitionsausschusses durch einen Bürgerbeauftragten plädiert, läßt bedauerlicherweise eine konkrete Untersuchung der tatsächlichen Situation des Ausschusses vermissen, ebenso fehlt jeder Hinweis auf die Ausgestaltung der von ihm geforderten Erweiterung der Ausschußrechte.

  4. Vgl. Kempf, a. a. O., S. 27.

  5. Vgl. Kempf, a. a. O., S. 17, Anm. 1.

  6. Vgl. zu diesen für 1972 geltenden Zahlen Dt. Bundestag — Petitionsausschuß, Bericht über die Informationsreise einer Delegation des Petitionsausschusses zum Besuch der Parlamentsbeauftragten in Dänemark, Norwegen, Schweden und Finn-land vom 2. bis 9. September 1973, S. 2 und 5.

  7. Vgl. ebd., S. 5.

  8. Vgl. ebd., S. 4.

  9. So auch Kempf, a. a. O., S. 21.

  10. Vgl. Dt. Bundestag, Bericht Delegationsreise, a. a. O., S. 4.

  11. Audi Kempf zieht dies in Erwägung, a. a. O., S. 28.

  12. Vgl. Kempf, a. a. O., S. 25.

  13. Dies wird bei Kempf mißverständlich als „Personalrotation" bezeichnet, vgl. a. a. O., S. 25.

  14. Vgl. Anton Stark, Petitionsausschuß oder Ombudsman. Diskussionsprotokolle, in: Ztschr. f. Parlamentsfragen, Jg. 2, 1971, H. 1, S. 19.

  15. So auch Karl Thorwirth, Petitionsausschuß ..., in: Ztschr. f. Parlamentsfragen, a. a. O., S. 13.

  16. Bedauerlich ist das oberflächliche Herausgreifen von Negativkritiken an der jetzigen Ausschußarbeit wie etwa die Charakteristik „Kadettenschule", vgl. Hugo Brandt, zitiert bei Kempf, a. a. O., S. 25, wenn verschwiegen wird, daß Brandt einige Zeilen später für eine Erweiterung der Ausschußrechte eintritt und den Bürgerbeauftragten ablehnt; Vgl. Petitionsausschuß .. ., in: Ztschr. f. Parlamentsfragen, a. a. O., S. 22.

  17. Vgl. Enquete-Kommission, a. a. O., S. 30.

  18. Vgl. ebd.

  19. Vgl. Geschäftsordnung des Deutschen Bundes'tages, § 113 Abs. 2 Punkte a) bis e).

  20. Vgl. Enquete-Kommission, a. a. O., S. 30.

  21. Vgl. Bundestagsgeschäftsordnung, § 113 Abs. 1.

  22. Vgl. Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundestages vom 26. Juni 1957, BGBl. I, S. 625 ff., hier § 2 Abs. 3.

  23. Vgl. Enquete-Kommission, a. a. O., S. 30.

  24. Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45 c), BTagsDrs. 7/580 vom 17. 5. 1973 und Entwurf eines Gesetzes über die Befugnisse des Petitionsausschusses (Gesetz nach Art. 45 c des Grundgesetzes), BTagsDrs. 7/581 vom 17. 5. 1973.

  25. Vgl. BTagsDrs. 7/580, hier Art. 45 c Abs. 1 GG.

  26. Vgl. ebd. Art. 45 c Abs. 2.

  27. Vgl. BTagsDrs. 7/581, § 1 Abs. 1.

  28. Vgl. ebd., § 1 Abs. 2.

  29. Vgl. ebd., § 2.

  30. Vgl. ebd., § 3.

  31. Vgl. ebd., § 8.

  32. Vgl. ebd., § 4 Abs. 1.

  33. Vgl. ebd., § 4 Abs. 2.

  34. Vgl. ebd., § 5.

  35. Vgl. ebd., § 7.

  36. Vgl. Enquete-Kommission, a. a. O., S. 31.

  37. Vgl. ebd., § 6 Abs. 2.

  38. Vgl. ebd., § 7 Abs. 3.

  39. Vgl. Rudolf Luster, Petitionsausschuß ..., in: Ztschr. f. Parlamentsfragen, a. a. O., S. 17.

  40. Vgl. Art. 90 a der Landesverfassung Rheinland-Pfalz, eingefügt durch Gesetz vom 24. 2. 1971.

  41. Vgl. Geschäftsordnung des Landtags Rheinland-Pfalz i. d. F. vom 12. 7. 1971, geändert am 16. 12. 1971, § 102 Abs. 3.

  42. Vgl. die hierzu vorliegenden Entwürfe eines Landesgesetzes über den Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz: LTagsDrs 7/1320 der SPD vom 27. 11. 1972 und LTagsDrs. 7/1403 der CDU vom 11. 1. 1973.

  43. Vgl. LTagsDrs. 7/1320, a. a. O., § 4 Abs. 2.

  44. Vg! LTagsDrs. 7/1403, a. a. O„ § 7.

  45. Vgl. Kempf, a. a. O., S. 17 Anm. 7.

  46. Vgl. Kempf, a. a. O„ S. 27.

  47. Vgl. LTagsDrs. 7/1320, § 19 Abs. 2.

  48. Vgl. ebd., § 19 Abs. 3.

  49. Vgl. § 1 Abs. 4 der Wehrbeschwerdeordnung (WBO) vom 23 Dezember 1956, BGBl. I, S. 1066.

  50. Vgl. dazu Kempf, a. a. O., S. 27.

  51. Vgl. Kempf, ebd.

  52. Vgl. Werner Banse, Ein Hort für den Bürger? Die Bedeutung des Petitionswesens. Sonderdruck aus: Der Bundestag von innen gesehen, hgg. von E. Hübner, H. Oberreuter, H. Rausch, München 1969, S. 252 f.

Weitere Inhalte

Renate Tesche, geb. 1947 in Solingen, studierte in Bonn Politische Wissenschaft, Staatsrecht und Philosophie; freiberufliche Tätigkeit in der Erwachsenenbildung; seit 1971 wiss. Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag.