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Landtagswahlen und Bundespolitik 1970-1972 | APuZ 13/1974 | bpb.de

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APuZ 13/1974 Artikel 1 Landtagswahlen und Bundespolitik 1970-1972

Landtagswahlen und Bundespolitik 1970-1972

Heino Kaack

/ 107 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Immer wieder steht die bundespolitische Funktion bei Landtagswahlen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Die Landtagswahlen sind längst zu einem politischen Barometer für die Kräfteverhältnisse zwischen Regierung und Opposition auf Bundesebene geworden. Eine besondere Funktion aber nahmen die Landtagswahlen 1970 bis 1972 ein: Sie dienten der CDU/CSU-Opposition als Hebel zur Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Die erste sozialliberale Koalition verfügte nur über eine Mehrheit von 12 Mandaten (ohne Berliner Abgeordnete). Da die FDP-Bundestagsfraktion von Anfang an nicht geschlossen hinter dem Bündnis mit der SPD stand, hing die Stabilität der Koalition in außerordentlich hohem Maße vom Abschneiden der FDP bei den Landtagswahlen ab. Dabei schienen der Parteiwechsel einzelner FDP-Abgeordneter sowie eine erneute politische Kursänderung der Gesamtpartei um so wahrscheinlicher, je ungünstiger die FDP-Wahlergebnisse ausfielen. Auf der anderen Seite ging es darum, ob es der sozial-liberalen Koalition gelingen würde, in einem Bundesland eine CDU-oder CSU-geführte Landesregierung abzulösen und so auch die Mehrheit im Bundesrat zu gewinnen. Die Kräfteverhältnisse im Bundesrat blieben konstant, aber der CDU/CSU gelang es in fast allen Landtagswahlen, zu Lasten der Koalitionsparteien Stimmen zu gewinnen. Parallel dazu verschoben sich durch Übertritte einzelner Abgeordneter die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag, so daß die CDU/CSU unmittelbar nach der letzten Landtagswahl dieser Periode, der Wahl in Baden-Württemberg, den Sturz des Bundeskanzlers mittels konstruktivem Mißtrauensvotum wagen konnte. Aufgrund bisher ungeklärter Zufälle gelang dieser Versuch der CDU/CSU, die politische Macht in Bonn zurückzugewinnen, nicht. Die Formen und Mittel der Auseinandersetzung in dieser Wahlperiode zeigten aber deutlich grundsätzliche Strukturprobleme des politischen Systems der Bundesrepublik auf. Die Landtagswahlen wurden weitgehend bundespolitisch „umfunktioniert" — eine Entwicklung, die nur vor dem Hintergrund kontinuierlichen Funktionsverlustes der Länder verständlich ist. In Zeiten starker Polarisierung des Parteiensystems und bei knappen Mehrheitsverhältnissen kann der zeitliche Raster der Landtagswahlen zur intervenierenden Variablen für die Bundespolitik werden, die eine kontinuierliche Politik unmöglich macht und zu kurzfristigem Taktieren sowie allerlei Zufallskonstellationen führt. Daher stellt sich die Frage nach den Alternativen, die bisher zumeist nur mit dem Hinweis auf die Möglichkeit beantwortet wurde, durch Einführung eines mehrheitsbildenden Wahlrechts ein stabiles Zweiparteiensystem mit (überwiegend) eindeutigen Mehrheitsverhältnissen zu schaffen. Dies führt aber nicht auf allen Ebenen des politischen Systems zur angestrebten Problemlösung, die nur über eine Neubestimmung der Funktionen des föderativen Systems, insbesondere die Schaffung funktionsspezifischer Untergliederungen von der Landes-bis zur Gemeindeebene, erfolgen kann.

I. Landtagswahlen und Stabilität der Bundesregierung

Land Hamburg Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Saarland Hessen Bayern Berlin (West) Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Bremen Baden-Württemberg LTW LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW LTW'LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW LTW LTW BTW BTW Datum 22. 27. 28. 19. 14.

4. 28. 19. 14. 10. 28. 19. 14. 27. 28. 19. 14. 12. 21. 23. 28. 19. 25. 23. 28. 19. 23. 28. 28. 19. 3. 1970 3. 1966 9. 1969 9. 1965 6. 1970 6. 1967 9. 1969 9. 1965 6. 1970 7. 1966발ሮ⬘ޯȎ

Es ist in der Bundesrepublik inzwischen ein oft zitierter Allgemeinplatz, daß die Landtagswahlen mehr oder weniger auch bundespolitische Funktionen haben. Immer wieder tauchte vor einer Landtagswahl das Stichwort „Testwahl" für die Bundespolitik auf. Als die Sozialdemokraten Anfang der fünfziger Jahre günstigere Ergebnisse in den Landtagswahlen erzielten als bei der Bundestagswahl 1949, forderten sie den Bundeskanzler auf, vorzeitig zurückzutreten und sich einer Neuwahl zu stellen, zumal mit der Wiederbewaffnungsfrage inzwischen ein Problem aufgetaucht sei, über das die Wähler 1949 noch nicht hätten befinden können. Adenauer lehnte diesen Vorschlag verständlicherweise ab, aber seitdem haben Regierung und Opposition nicht aufgehört, in Landtagswahlergebnissen Legitimationsbeweise bzw. -mängel für die Politik der Bundesregierung zu sehen

1. Wählerentscheidung und Legitimation der Bundesregierung Laut Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist der Wähler im Regelfall alle vier Jahre aufgerufen, über die Zusammensetzung des Bundestages zu entscheiden. Durch ein Votum für eine der kandidierenden Parteien — aber auch durch Nichtbeteiligung an der Wahl — bestimmt er die jeweiligen Mandatsanteile der Parteien. Durch ein Votum für einen der Direktkandidaten bestimmt er — ohne Einfluß auf die Stärkeverhältnisse im Bundestag, wenn man vom Sonderfall Überhangmandat absieht —, welcher Kandidat seinen Wahlkreis in Bonn vertritt. Damit übt er einen (allerdings mit einigen Überraschungseffekten) begrenzten Einfluß auf die personelle Zusammensetzung des Parlamentes aus Mehr entscheidet der Wähler unmittelbar nicht.

Sein Votum impliziert aber weitere Entscheidungen, die sich aus dem Kontext von Parteiensystem, Führungsauslese der Parteien und Wahlaussagen sowie Wahlkampfverlauf ergeben. Je nach Parteienkonstellation kann der Wähler auch über die Verteilung von Re-gierungs-und Oppositionsrolle befinden, und zwar dann, wenn alle relevanten Parteien ihre Koalitionspräferenzen im Wahlkampf offengelegt haben. Da dies meist mit einem unterschiedlichen Grad an Eindeutigkeit bzw. mit mehr oder weniger versteckten Vorbehalten geschieht und nicht zuletzt auch vom Wahlergebnis abhängig gemacht wird, kann der Wähler sich praktisch nur an einem offenen Prozeß beteiligen. Wenn in diesem Zusammenhang vom sogenannten Wählerwillen gesprochen wird, ist häufig stillschweigend impliziert, daß die Koalitionspräferenz des Wählers eindeutiger ist als die der Parteien. In der Realität kann sie letztlich nur einer von mehreren entscheidungsbildenden Faktoren sein. Dessen Einschätzung unterliegt — nahezu ohne Einfluß des Wählers — vor allem der Interpretation seitens der führenden Organe öffentlicher Meinung und damit faktisch der Manipulation, zumal der wissenschaftlichen Analyse im Bereich der Isolierung einzelner Faktoren des Wählerverhaltens Grenzen gesetzt sind Die Interpretation der Wähler-entscheidung geht unmittelbar wieder in die Wählerentscheidung ein. Der sogenannte Wählerwille ist als einheitlich existent nicht feststellbar; die Summe der individuellen Wählerentscheidungen wird je nach Vorurteil und Interessenlage auf der Basis des durch die prinzipielle Ungewißheit gegebenen Spielraums als quasi organisch einheitlicher Wäh-lerwille „verkauft". Das Wählerverhalten ist aber Teil eines offenen politischen Prozesses, der für alle Beteiligten nicht voll kalkulierbar und damit dem Gesetz wechselseitiger Manipulation ausgesetzt ist.

Das Zweiparteienkonkurrenzsystem der Bundesrepublik bedingt, daß nur die beiden großen Parteien einen Kanzlerkandidaten präsentieren. An dessen Nominierung sind sie im Falle eines Wahlsieges zwar nicht formell, aber faktisch doch gebunden, je mehr die Wahlkämpfe zu einem Plebiszit über die Spitzenkandidaten stilisiert werden. Wahlsystem und Parteiensystem implizieren aber, daß die Bundestagswahl nicht zu einem unmittelbaren Plebiszit über den Bundeskanzler werden kann. Befürworter des Mehrheitswahlrechts sehen in dieser Tatsache einen Strukturmangel und eine Gefahr für die Stabilität des politischen Systems. Der dabei zugrunde gelegte Stabilitätsbegriff wird allerdings nicht eindeutig definiert und infolgedessen als ideologie-bedingtes Postulat verabsolutiert Auch die Einführung der Mehrheitswahl muß nicht automatisch zu einem eindeutigen Plebiszit über den Kanzler führen. Davon abgesehen, läßt sich durchaus darüber streiten, ob die Wahl des Kanzlers durch die Wahlberechtigten mehr Demokratie bedeutet. Die bei den Wahlen zur Entscheidung anstehende Problematik ist zu komplex, als daß sie noch stärker auf personelle Alternativen reduziert Werden sölkte.

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Das parlamentarische System der Bundesrepublik impliziert die Wahl des Regierungschefs durch das Parlament, in der Theorie basierend auf der unabhängigen Entscheidung des einzelnen Abgeordneten. Die Realität des Parteienstaates funktioniert das theoretische Postulat in der Praxis um zur Entscheidung durch die Parteiführungen bzw. die — perso-nell weitgehend identischen — Fraktionsspitzen Da der Kanzlerkandidat mit zur Wahl-aussage der Parteien gehört, kann der Wähler ihn in seine Entscheidung mit einbeziehen. In welchem Ausmaß dies geschieht, bleibt letztlich unkontrollierbar, so wie generell in der Politik personelle und materielle Aspekte nicht zu trennen sind.

Das steigende Ausmaß des Splittings zwischen Erst-und Zweitstimmen zeigt eindeutig, daß bei weiten Teilen der Wählerschaft das Koalitionsprinzip internalisiert ist Allerdings muß bei der Frage nach der Legitimation einer Regierung — ganz abgesehen von der Legalität, um die es hier nicht geht — unter den gegenwärtigen Rechtsnormen davon ausgegangen werden, daß der Wähler nur über die Mandatsanteile der Parteien im Bundestag befindet. Wenn zum Beispiel für die stärkste Partei auch bei relativer Mehrheit ein Vorrecht der Regierungsbildung gefordert wird, so ist diese Forderung systemwidrig und nur erklärbar aus Normen, die von anderen Modellen als dem in der Bundesrepublik zur Zeit gültigen hergeleitet werden. Die Regierung bildet laut Grundgesetz und politischer Praxis in Bund und Ländern derjenige Kandidat für das Amt des Regierungschefs, der die absolute Mehrheit der Stimmen aller Parlamentsmitglieder erhält, unabhängig von der Zahl der Parteien, aus deren Vertretern sich diese Mehrheit zusammensetzt. In der Mehrzahl der Fälle wird es sich dabei um den Kandidaten der stärksten Partei handem, aber aus den geltenden Rechtsnormen kann keinesfalls auf eine geringere Legitimation geschlossen werden, wenn ein anderer Kandidat die Mehrheit auf sich vereinigt. Insofern gingen die Versuche der CDU/CSU nach der Bundestagswahl 1969, der sozial-liberalen Koalition die Legitimation abzusprechen, an der Sache vorbei. 2. Landtagswahlen als Kräftebarometer für Regierung und Opposition Auf einer qualitativ anderen Ebene liegen die Zweifel, ob eine Regierung in allen Phasen der Legislaturperiode und bei allen Entscheidungen nicht nur die Mehrheit der Abgeord-neten, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite hat. Es ist selbstverständlich Aufgabe der Opposition, dies im Prinzip stets in Zweifel zu ziehen. Dabei wird sie mit Meinungsumfragen, vor allem aber mit Ergebnissen von Landtags-und Kommunalwahlen als Beweismittel arbeiten. Die Regierung wird unter Bezug auf gleiche oder parallele Ergebnisse ihre Gegenargumentation begründen. Da Meinungsumfragen für die Öffentlichkeit wenig kontrollierbar sind und zudem häufig auf Aufträgen der Betroffenen beruhen, eignen sie sich nur bedingt als Kräfte-barometer. Außerdem bewirken sie keine unmittelbaren Veränderungen in der Kräfterelation von Regierung und Opposition. Das gilt weitgehend auch für Kommunalwahlen, zumal in zahlreichen Kommunen immer noch Wählergruppen eine erhebliche Rolle spielen und selbst bei einem mit der Bundesebene übereinstimmenden Parteiensystem zahlreiche, insbesondere personale, Faktoren zu eindeutigen Abweichungen führen können Diese Tatsache hat dennoch die Bundestagsparteien kaum jemals daran gehindert, wann immer es von Vorteil war, auch Kommunalwahlen bundespolitisch zu interpretieren. Allerdings sind solchen Bemühungen durch die relativ geringe Publizität von Kommunalwahlen enge Grenzen gesetzt.

Die Landtagswahlen nehmen hingegen unter den Barometern für das Kräfteverhältnis von Regierung und Opposition auf Bundesebene eine Sonderstellung ein, einmal weil sie über Mehrheitsverschiebungen im Bundesrat direkt auf dieses Kräfteverhältnis wirken können und zum anderen, weil sie wegen der weitgehenden Übereinstimmung der Parteiensysteme auf Bundes-und Länderebene sowie hinsichtlich der Größenrelation und der relativen strukturellen Vielfalt — vielleicht abgesehen von den Stadtstaaten — durchaus vergleichbar sind. Dem entspricht auch das Verhalten der Parteien, die die Landtagswahlkämpfe stets in starkem Maße mit bundespolitischen Themen und unter erheblichem Einsatz von bundespolitischer Prominenz führen

Die bundespolitischen Funktionen von Landtagswahlen sind infolgedessen ganz eindeutig:

Da die meisten Bundeskabinette Koalitionsregierungen waren und auch innerhalb der Parteien ständig heterogene Kräfte um ihren Einfluß kämpften, haben Landtagswahlen nicht nur die Konstellation von Regierung und Opposition in Bonn, sondern auch interne Entwicklungen maßgeblich beeinflußt.

So haben hervorragende Landtagswahlergebnisse den Einfluß einzelner „Landesfürsten" auf die Bundespolitik ihrer Partei sowie ihre Position in der Hierarchie der Parteiführung maßgeblich mitbestimmt.

So glaubte insbesondere der kleinere Koalitionspartner zumeist, an den Landtagswahlergebnissen ablesen zu können, ob sich die Koalition in Bonn für ihn „lohne" oder ob er sich noch stärker gegenüber der führenden Regierungspartei profilieren müsse.

Schließlich brachten Landtagswahlen auch Personalveränderungen auf Bundesebene mit sich, wenn zum Beispiel Landesminister aus dem Kreis der Bonner Parlamentarier rekrutiert wurden. Und nicht zuletzt konnten Landtagswahlen über die Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene mitentscheiden, wenn sie eine Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat mit sich brachten. 3. Historische Beispiele bundespolitischer Funktion von Landtagswahlen Infolge der Konzentration des Parteiensystems nahm die Verzahnung von Bundespolitik und Landtagswahlen in den sechziger Jahren tendenziell zu. Während in den fünfziger Jahren kleinere Parteien auf Landesebene auch dann noch eine erhebliche Rolle spielten, als sie für die Bundespolitik bereits weitgehend bedeutungslos geworden waren, glichen sich mit dem Trend zum Parteienoligopol Landtags-und Bundestagswahlergebnisse immer mehr an. Die Kräfteverhältnisse auf beiden Ebenen wurden dadurch besser vergleichbar. Gleichzeitig näherten sich die Stimmenanteile der SPD immer mehr an die der CDU/CSU an Der Zweikampf der großen Parteien aber lief zugleich auf Bundes-und auf Landesebene, zumal die Bonner Opposition gerade über ihre Vertreter in Landes-regierungen in die Bundespolitik hineinwirken konnte.

Diese Einflußmöglichkeit gewann eine zunehmende Bedeutung, nachdem die SPD An-fang der sechziger Jahre ihre Oppositionsstrategie geändert hatte. An die Stelle eines prinzipiellen Antagonismus trat der Versuch, über einen Minimumkonsens in Grundsatzfragen bis hin zur Forderung einer „gemeinsamen Außenpolitik" die Koalitionsfähigkeit mit allen Bundestagsparteien, insbesondere aber mit der CDU/CSU, zu erreichen und über verstärkte Konsultation, mindestens aber Information, und partielles Mitentscheiden das Regierungshandeln zu beeinflussen. Die soge-nannte Entideologisierung der SPD führte zu einer Öffnung über die traditionellen Wähler-schichten hinaus und verschärfte den Wettbewerb zwischen den großen Parteien.

Bei der Bundestagswahl 1965 blieb die SPD zwar noch um 8, 3 Prozentpunkte hinter der CDU/CSU zurück, aber im Juli 1966 gewann sie mit 49, 5 Prozent der Stimmen eindeutig die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland, Nordrhein-Westfalen Diese Wahl war allgemein als Testwahl für die Einschätzung der Regierung Erhard verstanden worden, die seit Herbst 1965 starken internen Konflikten ausgesetzt war. Erhard selbst hatte erklärt, die Bundestagswahl sei erst gewonnen, wenn die CDU auch aus der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen siegreich hervorgehen würde. Die Wahlniederlage fiel daher voll auf Erhard zurück und gab das Startsignal für den Verfallsprozeß seines Kabinetts. Das Wahlergebnis war zwar nicht Ursache des Sturzes der Regierung Erhard, aber Anlaß und Begründungsgegenstand und vor allem Legitimationsmittel für schon seit längerem bestehende Anti-Erhard-Tendenzen

Die Landtagswahlen in Hessen und Bayern fielen im Herbst 1966 mitten in die Phase zwischen dem Austritt der FDP aus dem Kabinett Erhard und der Bildung der Großen Koalition. Der Entscheidungsprozeß, insbesondere die Terminierung der Koalitionsverhandlungen, wurde wesentlich von den Wahlterminen bestimmt. Die Wahlergebnisse wurden vor allem daraufhin interpretiert, ob die Verhandlungsposition der einen oder anderen Partei in Bonn gestärkt oder geschwächt werde

Diese Beispiele für die Verzahnung bundespolitischer Entscheidungen mit Landtagswahlen ließen sich beliebig vermehren und für alle Legislaturperioden seit 1949 nachweisen. In der sechsten Wahlperiode des deutschen Bundestages aber gewannen die Landtagswahlen eine besondere Bedeutung, die weit über das hinausgeht, was bis zu diesem Zeitpunkt an Wechselwirkungen zu verzeichnen war.

II. Landtagswahlen als Hebel der Mehrheitsverschiebung auf Bundesebene

1. Die Ausgangslage 1969/70 Bis 1969 waren Landtagswahlergebnisse lediglich ein Barometer für die Einstufung von Regierung und Opposition in der Gunst der Wählerschaft. Die bundespolitischen Auswirkungen waren in der Regel indirekt; sie verstärkten oder bremsten bereits auf Bundesebene bestehende Trends. So hat die nordrhein-westfälische Landtagswahl 1966 nicht direkt den Sturz Erhards bewirkt; die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag änderten sich mit dieser Wahl nicht, sogar im Düsseldorfer Landtag wurde das bisherige Bündnis von CDU und FDP verlängert; allerdings war dabei die Stützungsfunktion für die Bundesregierung unverkennbar. Die Wahlniederlage gab aber den innerparteilichen Gegnern Erhards gewichtige Argumente für die Anti-Erhard-Kampagne; sie war insofern eine wichtige Voraussetzung für den Sturz Erhards, aber nicht der unmittelbare Hebel.

Eine Hebelfunktion zur Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sollten die Landtagswahlen hingegen in den Jahren 1970 bis 1972 gewinnen. In Kombination mit Übertritten einzelner Abgeordneter aus den Regierungsfraktionen zur CDU/CSU stellten die Landtagswahlen das wichtigste Instrument zur Realisierung der Oppositionsstrategie dar, die — von zeitweilig abweichenden Tendenzen einzelner CDU-Politiker abgesehen —-auf eine vorzeitige Ablösung der sozial-liberalen Koalition hinzielte. Die Strategie der vorzeitigen Ablösung war nur sinnvoll, wenn man voraussetzte, daß durch Parteiwechsel eine Verschiebung der Stärkeverhältnisse im Bundestag zugunsten der CDU/CSU zu erreichen sei. Entweder mußte man auf einen Zerfall der FDP oder auf Übertritte aus dem nationalliberalen Lager der Freien Demokraten hoffen. Dabei konnte man davon ausgehen, daß die Landtagswahlen zum entscheidenden Prüfstein für den inneren Zusammenhalt der FDP werden würden. Der Erdrutsch der Liberalen von 9, 5 Prozent (Bundestagswahl 1965) auf 5, 8 Prozent bei der Bundestagswahl 1969 stellte für den linksliberalen Kurs der Parteiführung unter Walter Scheel eine erhebliche Belastung dar; der Untergang der FDP schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein für die FDP-Bundestagsabgeordneten schien es nur noch darum zu gehen, bei welcher der anderen Parteien sie eine optimale politische Überlebenschance finden könnten. Ein Abrutschen der FDP unter die Fünf-Prozent-Grenze bei mehreren Landtagswahlen bedeutete wahrscheinlich das Ende dieser Partei und damit auch das vorzeitige Ende der sozial-liberalen Koalition.

Die auf diesen Perspektiven aufbauende Oppositionsstrategie fand ihren wirkungsvollsten Ausdruck im Wort des damals noch amtierenden Bundeskanzlers und CDU-Vorsitzenden Kiesinger vom „Hinauskatapultieren" der FDP aus den Landtagen. Am 16. Oktober 1969, also noch einige Tage vor dem Zusammentreten des 6. Deutschen Bundestages und der Konstituierung des Kabinetts Brandt/Scheel, erklärte Kiesinger vor der Fraktion, der Bonner Presse und auf einer Parteiveranstaltung in Mülheim/Ruhr, es müsse das Ziel der Union sein, „die F. D. P. aus den Landesregierungen hinauszukatapultieren" Wenn schon das Zwei-Parteien-System nicht durch eine Wahlrechtsänderung zu erreichen sei, müsse man sie eben in offener Feldschlacht erzwingen. Seine Kampfansage gelte allerdings nicht jenen Leuten in der F. D. P., die zwar mit dem Scheel-Kurs nicht einverstanden seien, aber aus Nibelungentreue gleich-wohl weiter F. D. P. gewählt hätten; diese Leute gelte es für die Union zu gewinnen Kiesinger wollte also mit einem scharfen Anti-F. D. P. -Wahlkampf die Stellung der Liberalen in den Bundesländern erschüttern, die F. D. P. nach Möglichkeit unter die Fünf-Prozent-Grenze „drücken" und auf diese Weise der Bonner FDP-Fraktion die Basis entziehen. Diese Kampfansage erhielt später im Zusammenhang mit den Parteiwechsler-Affären einen nahezu zynischen Inhalt und war Ausgangspunkt einer langfristigen Entfremdung zwischen CDU/CSU und FDP. a) Grundlagen der CDU/CSU-Oppositionsstra-

tegie Die ihr zugrunde liegende Konzeption einer vorzeitigen Ablösung der sozial-liberalen Koalition war nach dem Selbstverständnis der Union, dem Verlauf des Machtwechsels und den politischen Kräfterelationen hingegen durchaus plausibel.

Vor allem war sie psychologisch verständlich aus dem Verlauf des Wahlabends Noch bis etwa 20 Uhr konnten am Abend des 28. September 1969 die CDU/CSU-Politiker davon ausgehen, daß ihnen die Regierungsführung zufallen würde. Zeitweilig wurden 248 Mandate für die CDU/CSU vorausgesagt. Gleichzeitig wurde deutlich, daß die NPD den Sprung in den Bundestag knapp verfehlen würde. Der Zwang zur Großen Koalition entfiel somit, die CDU/CSU schien sich den Partner aussuchen zu können. Zwar hatten im Verlauf des Wahlkampfes Brandt und Scheel in steigendem Maße ihre Präferenz für ein sozial-liberales Bündnis zu erkennen gegeben, aber das Ausmaß der FDP-Wahlniederlage legte für Außenstehende mit entsprechender Interessenlage durchaus die These nahe, dem von Scheel angeführten sozial-liberalen Kurs der F. D. P.sei durch die Wählerschaft eine Absage erteilt worden; dies müsse zu innerparteilichen Konsequenzen führen, die man nur in einer Stärkung des überwiegend der CDU/CSU zugewandten Flügels der Freien Demokraten zu sehen vermochte — eine Überlegung, die nicht zuletzt auch dadurch bestärkt wurde, daß der Rückgang der FDP auf 31 Mandate bei nur sechs Parlamentsneulingen eine — gemessen am Vorstandskurs — relativ konservative Fraktion hatte entstehen las-sen Man konnte daher vermuten, daß in dieser Fraktion hart und vor allem längere Zeit über die Koalitionspräferenz gestritten würde, somit also ausreichend Gelegenheit zum Eingreifen seitens der CDU/CSU und zum Gegeneinanderausspielen von SPD und FDP aus der Position der stärksten Fraktion heraus gegeben sei.

Im Laufe des Wahlabends verbesserte sich in den Hochrechnungen wiederholt die Position der SPD, so daß schließlich eine Mehrheit von 12 Mandaten für eine sozial-liberale Koalition zustande kam. Diese Entwicklung wurde von der CDU-Führung zu spät perzipiert, so daß sie der Anspruch auf das Kanzleramt, den der SPD-Vorsitzende gegen Mitternacht vor den Fernsehkameras zum Ausdruck brachte offensichtlich völlig unvorbereitet traf. Walter Scheel hatte zuvor, nach den Koalitionsabsichten seiner Partei befragt, in Anbetracht der Wahlniederlage der F. D. P. geantwortet, die Initiative müsse von den anderen Parteien ausgehen. Die Sozialdemokraten handelten — teilweise aufgrund vor der Wahl verabredeter Kontaktabsprachen — unverzüglich und versuchten mit Erfolg, die Parteiführung der Liberalen davon zu überzeugen, daß unabhängig von deren Wahlergebnis oder gerade deshalb an der Absicht festgehalten werden müsse, den sogenannten Machtwechsel herbeizuführen. Das Tempo, in dem SPD-und FDP-Führung die Koalitionsgespräche aufnahmen und abschlossen engte nicht nur den Spielraum der Opponenten vom nationalliberalen Flügel der FDP ein, sondern verstärkte auch die psychologisch verständliche Bereitschaft der CDU/CSU, sich als geprellt und um den Wahlsieg betrogen zu betrachten

Für die CDU/CSU-Führung war es ein völlig neues Erlebnis, bei einer Bonner Regierungsbildung nicht die dominierende Rolle zu spielen. Als sie bemerkte, daß die Entwicklung an der CDU/CSU vorbeilief, versuchte sie, durch ein übertrieben großzügiges und zugleich generelles Angebot an die FDP in die Entscheidung einzugreifen. Der F. D. P. fiel es nicht schwer, dieses Angebot als Störmanöver abzuwerten. Die CDU/CSU befand sich plötzlich für alle sichtbar in der politischen Isolation

Dennoch gab zumindest Kurt Georg Kiesinger bis zur Kanzlerwahl die Hoffnung nicht auf, die sozial-liberale Koalition würde nicht die notwendige Mehrheit finden. Diese Hoffnung gründete sich darauf, daß einige Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion, vor allem der frühere Parteivorsitzende Erich Mende, öffentlich ihre Abneigung gegen ein Bündnis mit den Sozialdemokraten bekundet hatten Von Anfang an war also damit zu rechnen, daß nicht alle 254 stimmberechtigten Abgeordneten der Koalitionspartner für Willy Brandt votieren würden. Das Ergebnis der Kanzlerwahl am 21. Oktober 1969 bestätigte zwar die Behauptung, nicht alle FDP-Abge-ordneten stünden hinter der sozial-liberalen: Koalition, fiel mit 251 Stimmen aber deutlicher aus, als von manchem CDU-Politiker erwartet worden war Immerhin schrumpfte) damit der Vorsprung der Regierungsparteien: vor der Opposition von zwölf auf sechs Mandate zusammen, wenn man davon ausging,: daß diejenigen Freien Demokraten, die Brandt ihre Stimme verweigert hatten, auch bei anderen Abstimmungen gegen die Regierung und damit zugunsten der CDU/CSU votieren würden. Außerdem war bekannt, daß einige weitere FDP-Abgeordnete zwar für Brandt ge-: stimmt hatten, aber der Zusammenarbeit mit: den Sozialdemokraten doch mit einiger Skepsis und mit kritischer Distanz gegenüberstan-t den und sich um die Aufrechterhaltung ihrer zumeist bisher guten Kontakte zur CDU/CSU bemühten. Sie übten Solidarität mit ihrer Parteiführung, schienen jedoch auf die ersten Konflikte mit der SPD zu warten.

Nach konsensualer Auffassung der führenden Presseorgane und zahlreicher politischer Akteure aller Parteien war die Stabilität der sozial-liberalen Koalition vor allem von der in-neren Stabilität der F. D. P. abhängig. Jede Strategie einer vorzeitigen Ablösung der sozial-liberalen Regierung hatte also hier anzusetzen. Sie konnte von drei Alternativmög-'lichkeiten ausgehen, die CDU/CSU wieder an die Regierung zu bringen:

x 1. durch „Umkoalieren" das heißt, Rückorientierung der FDP auf ein Bündnis mit der CDU/CSU infolge politischer Schwierigkeiten mit den Sozialdemokraten, verstärkt durch ungünstige Landtagswahlergebnisse und bewirkt durch eine Ablösung Scheels als Parteivorsitzenden und Wahl eines konservativeren Parteivorstandes auf dem nächsten ordentlichen Parteitag der Liberalen, 2. durch Zerfall der FDP infolge verlorener Landtagswahlen und Wechsel der Mehrzahl der FDP-Bundestagsabgeordneten zu einer der beiden großen Fraktionen, und 3. durch Parteiwechsel einzelner FDP-Abge-ordneter zur CDU/CSU.

Außer den genannten situationsbedingten Faktoren waren selbstverständlich auch personelle und strukturelle Probleme konstitutiv für die Oppositionsstrategie. Bekanntlich hatte die CDU als „geborene" Kanzlerpartei den Aufbau des Parteiapparats auf Bundesebene stark vernachlässigt. Zentrale Schaltstelle ihrer Politik war stets das Bundeskanzleramt und nicht die Bundesgeschäftsstelle gewesen. Um so stärker vermißte die CDU in der Opposition die Vorteile, die die Verfügung über den Regierungsapparat auch für die Parteiarbeit und vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit bedeutete. Die geringeren Publizitätsmöglichkeiten und Profilierungschancen einer Oppositionspartei bekam die CDU-Führung sehr bald in aller Deutlichkeit zu spüren. Diese Tatsache führte zu der Überzeugung, daß man nach Möglichkeit vermeiden sollte, im nächsten Bundestagswahlkampf aus der Position der armen Opposition antreten zu müssen. Man wollte verhindern, daß sich die SPD mit dem Ressourcenvorsprung der Regierung and dem Popularitätsvorsprung des Bundestanzlers langfristig etablierte. Das Wissen um lie strukturellen Vorteile einer Regierungs-

partei schwächte offenbar in hohem Maße das Selbstvertrauen der CDU/CSU-Führung

Wie keine andere Partei vereinigt die CDU in sich Gruppen aller Bevölkerungsschichten mit höchst unterschiedlichen, ja sogar gegensätzlichen sozialen Interessen. Diese Gruppen hat die CDU mehr zusammengefaßt als integriert; den Ausgleich zwischen ihnen hat sie über die Mechanismen des sozialen Verteilungsstaates herbeigeführt; statt des Prioritäten-prinzips dominierte das Proporzprinzip. Derartige Mechanismen funktionieren, wenn man sie als Regierungspartei über ein Investitionsund Subventionssystem steuern kann, sie funktionieren hingegen kaum, wenn man als Oppositionspartei darauf beschränkt ist, sie auf die programmatische Ebene transferieren zu müssen. Daher konnte die innerparteiliche Reform-und Programmdiskussion bisher zu keinem greifbaren Ergebnis kommen. Zumindest war sie in der ersten Phase nicht dazu angetan, die Funktionsfähigkeit der Partei zu stärken. Sie erzeugte vermutlich überwiegend Unlustgefühle, die direkt auf die „Patentlösung" des vorzeitigen Wiedergewinns der Macht wiesen.

Die CDU/CSU hatte immer wieder behauptet, eine SPD-Regierung bedeute den Untergang der Bundesrepublik Deutschland, hatte immer wieder versucht, die Sozialdemokraten in die Nähe der Kommunisten zu rücken. Zwar wurden derartige Ressentiments durch die Große Koalition verschüttet, kamen aber in modifizierter Form sofort nach dem Machtwechsel wieder zum Vorschein, zum Beispiel in dem Vorwurf, Brandt betreibe mit einer Ostpolitik den Ausverkauf Deutschlands. Derartige verbale Überhöhungen der politischen Gegensätze haben eine gewisse Eigendynamik; sie fordern von dem, der sie vertritt, konsequentes und rigoroses Handeln. Und was war konsequenter, als eine Regierung, die den Untergang bedeutet, lieber heute als morgen abzulösen? Damit aber wird eine langfristige Oppositionsstrategie obsolet, sofortiges Handeln, sprich: aktive Veränderung der Mehrheitsver-hältnisse, wird zum Gebot der Stunde.

Da die CDU/CSU bei der Bundestagswahl 1969 eindeutig stärkste Partei geblieben war und lediglich drei Mandate verloren hatte, fühlte sie sich — wie bereits erwähnt — als betrogener Wa'hlsieger. So lehnte Oppositionsführer Barzel eine Schonfrist für die Bundesregierung ab, da die Existenz der sozialliberalen Regierung „rein rechnerisch und nicht auf ein Mandat durch einen Wahlsieg begründet" sei Die Betonung des Wahlsieges der CDU/CSU, die mit dem Motto „Auf den Kanzler kommt es an!" angetreten war, blockierte im Endeffekt nach verlorener Wahl den notwendigen Führungswechsel, zumal der Parteitag bereits wenige Wochen nach der Bundestagswahl stattfand. Kurt Georg Kiesin-ger mußte also wiedergewählt werden, obwohl Integration und Erneuerung der CDU gerade aufgrund der heterogenen Gruppenstruktur eher auf personalem als auf programmatischem Wege erreichbar scheinen. Mit der Wiederwahl Kiesingers zum Parteivorsitzenden auf dem Mainzer Parteitag im November 1969 aber war das Führungsproblem ungelöst geblieben; die Positionskämpfe um den nächsten Kanzlerkandidaten zunächst zwischen Kiesinger und Barzel sowie danach zwischen Barzel und Kohl haben die Oppositionsstrategie nachhaltig beeinflußt und zu zahlreichen taktischen Operationen geführt, die scheinbar nach außen adressiert waren, aber doch in erheblichem Maße innerparteilich motiviert gewesen sein dürften.

Letztlich hat sich die Konzeption der vorzeitigen Regierungablösung aber durchgesetzt, weil die Landtagswahlergebnisse dieses Konzept zu bestätigen schienen. Und es darf schließlich bei der Bewertung der Oppositionsstrategie nicht vergessen werden, daß nur einige Zufälle ihren Erfolg verhinderten.

Die Grundlagen der CDU/CSU-Oppositionsstrategie einer vorzeitigen Ablösung der sozial-liberalen Koalition lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Situationsbedingte Faktoren 1. Der Verlauf des Wahlabends, der die Entwicklung vom vermeintlichen Wahlsieger zum koalitionspolitischen Außenseiter brachte. 2. Das Selbstverständnis, der „betrogene Wahlsieger" zu sein aufgrund der Tatsache, daß die CDU/CSU stärkste Fraktion geblieben war.

3. Die hohe Wahlniederlage der FDP und die daraus sich ergebenden innerparteilichen Auseinandersetzungen der Liberalen.

4. Die Tatsache, daß ein Teil der FDP-Bun-destagsfraktion von Anfang an nicht mit der sozial-liberalen Koalition einverstanden war. 5. Die Bundesratsmehrheit der von der CDU/CSU geführten Länder.

Strukturelle Faktoren 6. Das Wissen um die strukturellen Vorteile einer Regierungspartei und die daraus hergeleitete Skepsis, aus der Oppositionsrolle die nächste Bundestagswahl gewinnen zu können. 7. Der Verlust innerparteilicher mechanismen infolge des Verlustes der Regi rungsfunktion. 8. Die Eigendynamik der verbalen Rigorosi tät der Oppositionsvorwürfe gegen die Bun desregierung. 9. Das ungelöste Führungsproblem der CDU CSU, das eine Abhängigkeit der Spitzenkan didaten für das Amt des Bundeskanzlers von Termin einer Regierungsübernahme zur Folg« hatte.

b) Ebenen und zeitlicher Rahmen der Ausein andersetzungen

Für die tendenziell permanenten Auseinan dersetzungen um die parlamentarische Mehr heit im sechsten Deutschen Bundestag warer gleichzeitig mehrere Bereiche von zentrale! Bedeutung, die eng miteinander verzahn sind, aber aus analytischen Gründen hier teil weise getrennt betrachtet werden müssen 1. Die Auseinandersetzungen im Bundestag die unmittelbare parlamentarische Konfrontation von Regierung und Opposition. 2. Die Auseinandersetzungen im Bundesrat dem zweiten Schauplatz der parlamentarischen Konfrontation von Regierung und Opposition. 3. Die außenpolitischen Aktivitäten der Bun desregierung. 4. Die wirtschajts-und gesellschaftspolitischen Aktivitäten der Bundesregierung.

5. Konflikte innerhalb des Bundeskabinetts.

6. Interne Konflikte der F. D. P.

7. Interne Konflikte der SPD.

8. Interne Konflikte der CDU/CSU.

9. Konflikte und Kräfteverschiebungen in Bundesländern. 10. Kräfteverschiebungen, durch Landtagswahlen. 11. Kräfteverschiebungen durch Parteiwechsler im Bundestag.

Der zeitliche Raster der Landtagswahlen war durch den bisherigen Rhythmus vorgegeben. Die Bundesregierung konnte im Oktober 1969 bei Amtsantritt von folgenden Landtagswahl-terminen ausgehen:

März 1970 Hamburg Juni/Juli 1970 Nordrhein-Westfalen November 1970 Saarland März 1971 Hessen Bayern Berlin April 1971 Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Juni 1971 Niedersachsen Oktober 1971 Bremen April 1972 Baden-Württemberg Die Stellung der FDP schien vor allem in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gefährdet. Hier hatte sie mit 5, 4, mit 5, 2 und mit 5, 6 Prozent bei der Bundestagswahl 1969 ihre niedrigsten Stimmenanteile erhalten, wenn man einmal von Bayern (4, 1 Prozent) absieht, da sie dort schon seit 1966 nicht mehr im Landtag vertreten war. Mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mußte — aus dieser Perspektive gesehen — zumindest die Vorentscheidung, wenn nicht sogar die definitive Entscheidung über das Schicksal der sozial-liberalen Koalition fallen. Nordrhein-Westfalen bot nicht nur den frühesten Termin für den FDP-Test, sondern hatte -— wie oben bereits erwähnt — schon früher über die Stabilität von Bundesregierungen entschieden. Die Übereinstimmung der Koalitionen von Bonn und Düsseldorf gilt allgemein als eine Grundregel der bundesdeutschen Koalitionspolitik, vor allem dann, wenn die Position der Bundesregierung nicht allzu stark ist. Diese Regel galt 1969/70 um so mehr, als gerade die Prätendenten der sozialliberalen Koalition in Düsseldorf, Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) und sein Stellvertreter Willi Weyer (FDP), immer wieder als „Geburtshelfer" des Bonner Bündnisses von Sozialdemokraten und Liberalen apostrophiert worden waren.

Die Bundesregierung mußte die Landtagswahlen unter drei Gesichtspunkten sehen: 1.dem Prestige der Koalitionsparteien, die in Anbetracht der Legitimationszweifel an der sozial-liberalen Koalition fortgesetzt den Nachweis führen mußten, daß die Mehrheit der Wählerschaft hinter ihnen stehe; für diesen Nachweis war der Gesamtstimmenanteil beider Parteien maßgebend; er stand bei jeder Landtagswahl zur Disposition, 2.dem Stimmentrend der Freien Demokraten, deren Führung aus innerparteilichen Gründen den Nachweis erbringen mußte, daß das Tief der Bundestagswahl 1969 überwunden sei und der neue Kurs von der Wählerschaft honoriert werde; für diesen Erfolgsnachweis war ebenfalls jede Landtagswahl entscheidend, vor allem abef die Wahlen in den Bundesländern, in denen die Gefahr bestand, daß die F. D. P. die Fünf-Prozent-Grenze nicht mehr überschreiten würde, 3.der Möglichkeit einer Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Unter diesem Gesichtspunkt waren die Wahlen in Hamburg, Hessen, Bayern, Berlin und Bremen relativ uninteressant. c) Mehrheitsverhältnisse in den Bundesländern Die von der CDU oder der CSU geführten Länder besaßen im Bundesrat bei Regierungsantritt des ersten Kabinetts Brandt/Scheel eine Mehrheit von 21 : 20 Stimmen, wenn man die Berliner Stimmen nicht berücksichtigt. Allerdings bestand nur in Bayern eine Regierung, die ausschließlich von einer Bonner Oppositionspartei getragen wurde. In Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und im Saarland regierten CDU-FDP-Koalitionen; in allen drei Fällen besaß die CDU nicht die absolute Mehrheit; in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein verfügten die Bonner Koalitionsparteien nicht über eine rechnerische Mehrheit, da in den Landtagen dieser Länder auch die NPD vertreten war. Im Saarland wäre hingegen eine SPD-FDP-Koalition rechnerisch möglich gewesen, hätte allerdings eine abrupte Veränderung der politischen Präferenzen der saarländischen FDP bedeutet, deren Führung dem politischen Kurs des Bundesvorstands skeptisch und zurückhaltend gegenüberstand. Dies galt partiell auch für die Landesverbände Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Andererseits konnte die CDU wegen dieser Koalitionen im Bundesrat keine unbegrenzte Konfliktstrategie betreiben. Diese Tatsache wurde zumeist außer acht gelassen, wenn der Bundesrat als Instrument der Bonner Opposition allzu sehr herausgestellt wurde

In Baden-Württemberg regierte eine Große Koalition unter Führung der Christlichen Demokraten. Hier war wegen der 12 Mann starken NPD-Fraktion rechnerisch nur eine CDU-FDP-Alternative möglich, als Folge von Konflikten zwischen CDU und SPD wegen der Bundesratspolitik aber undenkbar. In Niedersachsen bestand ein Vier-Parteien-Landtag mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen, die Große Koalition stand aber unter der Führung der SPD. In Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin stellten SPD und FDP die Regierung, in Hessen und Hamburg regierte die SPD allein.

Da im Bundesrat die geschlossene Abgabe der Stimmen eines Landes erforderlich ist, kam es in den „gemischten" — aus Bonner Regie-rungsund Oppositionsparteien bestehenden — Koalitionsregierungen immer wieder zu Konflikten. Als Konsequenz des permanenten Machtkampfes um die Regierungsmehrheit in Bonn und die dadurch bedingte Polarisierung von CDU/CSU einerseits und den Bonner Koalitionsparteien SPD und FDP andererseits erfolgte während der sechsten Legislaturperiode des Bundestages die Ablösung sämtlicher „gemischter" Koalitionen.

Die Koalitionspolitik auf Länderebene wurde nicht nur von der CDU/CSU für die Bundes-Politik mobilisiert. Ähnliche Überlegungen gab es auch auf Seiten der SPD: So sprach sich Ministerpräsident Heinz Kühn im Oktober 1969 dafür aus, in weiteren Bundesländern sozial-liberale Koalitionen gewissermaßen als Flankenschutz für die Bonner Regierung zu bilden Die FDP erklärte hingegen, daß sie an den mit der CDU eingegangenen Bündnissen festhalten wolle d) Zur Ausgangsposition der Bundesregierung vor der ersten Landtagswahl Fünf Monate hatte die Regierung von der Kanzlerwahl bis zur ersten Testwahl, der Bürgerschaftswahl in Hamburg, für ihren politischen Start zur Verfügung. Während die CDU sich zunächst einmal intern mit den Folgen des Wechsels auf die Oppositionsbänke auseinandersetzen mußte, konnte die Regierung versuchen, durch forcierte Aktivitäten Tatsachen zu schaffen und trotz knapper die Opposition in die Defensive zu zwingen.

Für eine derartige Strategie eignete sich be sonders der außenpolitische Bereich, weil die Kompetenzen und Informationsvorsprünge gegenüber dem Parlament in außenpolitischen Fragen generell größer sind als in innenpolitischen Problembereichen Abgesehen von diesem institutionell bedingten Vorteil wirkte sich für einen derartigen Ansatz der Regierungsaktivitäten die Tatsache besonders günstig aus, daß SPD und FDP gerade in ostpolitischen Fragen am stärksten übereinstimmten. Ferner beruhte die unmittelbare Handlungsfähigkeit der Regierung im Bereich der Außenpolitik darauf, daß der Bundeskanzler zuvor Außenminister gewesen war und mit seinem Planungschef Egon Bahr schon während der Großen Koalition diejenige Politik wenn nicht durchführen, so doch — weitgehend ohne Beachtung der CDU/CSU — entwerfen und vorbereiten konnte, die nunmehr die sozial-liberale Koalition zu realisieren versuchte

Noch im November 1969 bot die Bundesregierung der Sowjetunion und Polen Verhandlungen über einen Gewaltverzicht bzw. alle anstehenden Fragen an, im Dezember 1969 begannen die ersten Vorgespräche zu den deutsch-sowjetischen Verhandlungen. Im Januar 1970 folgte das Angebot von Verhandlungen an die DDR, verbunden mit der faktischen Anerkennung der Existenz dieses Staates. Ende Januar bzw. Anfang Februar 1970 nahmen Egon Bahr in Moskau und Staatssekretär Duckwitz in Warschau die Gespräche: auf. Und am 19. März 1970 kam es zur ersten: Begegnung Willy Brandts mit dem Minister-• Präsidenten der DDR, Willi Stoph, in Erfurt..

Diesen Aktivitäten konnte die Opposition nur die Beharrung auf den traditionellen Standpunkten deutscher Ostpolitik entgegensetzen; sie war sichtlich irritiert durch den raschen Informationsverlust, dem sie durch den Machtwechsel gerade in der Außenpolitik ausgesetzt war. Daher wurden Fortschritte in der Ostpolitik — und als solche galten schon das zügige Verhandeln sowie jede erzielte Einigung selbst hinsichtlich der Präliminarien — zum entscheidenden Aktivposten der Regierung, weil sie die Opposition in die Defensive zwangen. Die Stabilität des Regierungspartners F. D. P. wurde durch eine Reihe von Ereignissen permanent in Zweifel gezogen Schon in der Phase zwischen Bundestagswahl und Regierungsantritt wurden erneut Austritte aus der FDP gemeldet: Zwei der insgesamt vier Landtagsabgeordneten der FDP in Schleswig-Holstein gingen zur CDU über; die Koalition der FDP mit der CDU wurde dennoch fortgesetzt, aber die Liberalen gerieten im nördlichsten Bundesland in eine schwere innerparteiliche Krise Die Austritte wurden — wie zu erwarten war — mit dem sozial-liberalen Kurs der Parteiführung begründet. Heftige Auseinandersetzungen zwischen Parteiführung und innerparteilicher Opposition wurden vor allem auf dem Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart am 6. Januar 1970 erwartet, aber es kam zu einer — scheinbaren — Entschärfung der Gegensätze Gleichzeitig fiel die Entscheidung, den nächsten ordentlichen Parteitag auf einen Termin nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu verschieben

Ganz offensichtlich stellte die innerparteiliche Opposition, nachdem es ihr nicht gelungen war, die Koalitionsverhandlungen entscheidend zu beeinflussen, und nachdem sie infolge geschickter Personalentscheidungen geschwächt worden war, ihre Strategie darauf ab, nach — erwarteten — Niederlagen bei den nächsten Landtagswahlen personelle und sachliche Konsequenzen zu fordern, die es ihr erlaubt hätten, ihren innerparteilichen Einfluß wieder zu verstärken. Diese Strategie basierte allerdings auf der Verkennung der Tatsache, daß der neue Kurs der Parteiführung in zunehmendem Maße eine Veränderung der Mitgliederbasis mit sich brachte, die ansatzweise schon auf dem nächsten Parteitag sichtbar werden sollte Die Regierungsparteien konnten also relativ geschlossen und mit einem eher positiven als negativen Image in den ersten Landtagswahlkampf gehen. e) Die Hamburger Bürgerschaftswahl vom 22. März 1970

Die Hamburger Bürgerschaftswahl erregte während der Wahlkampfphase wenig bundes-politisches Interesse, zumal die Bonner Szenerie von den Ereignissen um das Erfurter Treffen zwischen Brandt und Stoph in Anspruch genommen wurde. Hamburg konnte mit seinen nur 1, 3 Millionen Wahlberechtigten und als reiner Stadtstaat sowieso nicht als . repräsentatives Barometer'für die Bonner Politik gelten. Außerdem waren durch die Hamburger Wahl keine Veränderungen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zu erwarten, da die Mehrheitsposition der SPD hier zu eindeutig war, als daß man ernsthaft an die Ablösung durch eine CDU-geführte Regierung denken konnte.

Dennoch wurde nach der Wahl entsprechend der jeweiligen Interessenlage von den einzelnen Parteien versucht, das Ergebnis teils landespolitisch teils bundespolitisch zu interpretieren. Die Hamburger SPD führte den Verlust von 3, 7 Prozentpunkten auf einen Wiedergutmachungseffekt für die Bonner Ostpolitik zurück andere erklärten die rückläufige Tendenz der SPD-Wählerschaft mit Verschleiß-erscheinungen der seit 1957 in Hamburg regierenden Sozialdemokraten Die Frankfurter Allgemeine stellte einen generellen Trend fest: „Damit bestätigt sich, was sich bereits bei der letzten Bundestagswahl abzeichnete: die bisher auseinanderklaffenden Ergebnisse von Bundestags-und Bürgerschaftswahlen gleichen sich an, nunmehr sogar fast bis zur Deckungsgleichheit."

Für die CDU blieb das Ergebnis trotz der SPD-Verluste hinter ihren zum Teil höher gespannten Erwartungen zurück; es ließ sich schon deshalb bundespolitisch für sie nicht ummünzen, weil sie um 1, 2 Prozentpunkte hinter dem bei der Bundestagswahl 1969 erzielten Anteil zurücklag. Das bedeutete zwar eine Steigerung um 2, 8 Prozentpunkte gegenüber der Bürgerschaftswahl 1966, aber dieser Stimmengewinn war in Anbetracht der Hoffnungen, die die CDU auf ihre stark verjüngte Führungsmannschaft für die Bürgerschaft gesetzt hatte, eine herbe Enttäuschung. Gerade unter den Jungwählern — zum ersten Male galt bei einer Wahl die Herabsetzung des Mindestwahlalters auf 18 Jahre — konnten SPD und FDP überdurchschnittliche Stimmen-anteile verzeichnen — ein Ergebnis, das in der Tendenz bei den folgenden Landtagswahlen bestätigt wurde

Die gewiß nicht regierungsfreundliche Tageszeitung DIE WELT betonte zwar auch, daß „Hamburg . . . kein Test für die Bonner Politik" sei, gelangte aber dennoch zu der Feststellung, . daß vom Hamburger Wahlergebnis ein stabilisierender innenpolitischer Impuls für die Bonner Koalition ausgeht“ Anlaß zu dieser Interpretation gab vor allem die Tatsache, daß die F. D. P. mit 7, 1 Prozent der Stimmen sowohl ihr Ergebnis der vorausgegangenen Bundestagswahl wie der vorausgegangenen Bürgerschaftswahl übertroffen hatte. Der stellvertretende F. D. P. -Bundesvor-sitzende und Bundesinnenminister, Hans-Diet-rich Genscher, folgerte aus diesem Wahlergebnis, die F. D. P. habe ihren Tiefpunkt vom Herbst vergangenen Jahres überwunden. Der aufsteigende Trend honoriere die Bonner Regierungsbildung i) Innerparteiliche Heterogenität und Erfolgs-zwang der F. D. P.

Die gespannte innerparteiliche Situation zwang Genscher zu dieser Auswertung, selbst wenn er Zweifel an der Eindeutigkeit des von ihm erkannten Trends gehabt haben sollte. Eine vorsichtigere Analyse hätte vermutlich zu dem Resultat führen müssen, daß aus dem Hamburger Wahlergebnis noch keine Schlußfolgerung auf eine Stabilisierung der F. D. P. gezogen werden konnte, zumal der F. D. P. -Stimmenanteil bei der Bürgerschaftswahl 1966 mit 6, 8 Prozent extrem niedrig gewesen war und ein Plus von 0, 8 Prozentpunkten gegenüber der Bundestagswahl 1969 zu gering ist, als daß es bundesweite Schlußfolgerungen zugelassen hätte. Die Bundesparteiführung der F. D. P. war aber um nahezu jeden Preis zum Optimismus gezwungen, wenn sie die zahlreichen latenten Bestrebungen national-konservativer Kreise, den sozial-liberalen Kurs zu korrigieren, bremsen wollte. Austritte, Austrittsdrohungen und Gegengruppenbildungen bestimmten seit der Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten mit den Stimmen der F. D. P. die innerparteiliche Szenerie

Da die erklärte Absicht der CDU/CSU, die sozial-liberale Koalition vorzeitig abzulösen, direkt auf die innere Labilität der F. D. P. zielte, waren die Liberalen gezwungen, alle landespolitischen Kräfteverschiebungen unter bundespolitischen Gesichtspunkten zu sehen. Die einzelnen Landesverbände der F. D. P. besaßen aber ein höchst unterschiedliches Verhältnis zur CDU/CSU; im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz dominierte die Zusammenarbeit mit den Christlichen Demokraten, in Hamburg, Bremen und — seit 1966 — in Nordrhein-Westfalen die Kooperation mit den Sozialdemokraten. In Berlin und Hessen schien die F. D. P. stärker zur SPD hin zu tendieren; die Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg mußten als indifferent, zeitweise auch als überwiegend CDU/CSU-freundlich angesehen werden. Partiell bestanden also landespolitische Präferenzen, die mit der bundespolitischen Orientierung der F. D. P. nicht in Einklang standen.

Diese landespolitischen Präferenzen wirkten sich aber auch auf die bundespolitische Option aus und umgekehrt, selbst wenn das —• im Regelfall — geleugnet wurde. Die Landes-verbände der F. D. P. hatten immer ein starkes Eigenleben geführt und nahezu autonom über ihre jeweiligen Koalitionspräferenzen entschieden. Stets bestanden gleichzeitig Koalitionen mit der SPD und mit der CDU/CSU. Die Polarisierung der beiden großen Parteien und die erklärte Absicht der CDU/CSU, die sozial-liberale Koalition vorzeitig abzulösen, zwangen aber die F. D. P. -Führungsspitze in Bonn, bei Koalitionsproblemen in den Ländern einzugreifen und auf die Wahrung der bundespolitischen Interessen zu dringen. Hier stieß das Parteipräsidium nicht selten auf Gegner des Bündnisses mit den Sozialdemokraten, die ihre landespolitische Position für die Bildung eines Gegengewichts gegen den sozial-liberalen Kurs des Parteivorsitzenden Scheel nutzen wollten und begrenzte Wahl-niederlagen als Voraussetzung eines — gewünschten — Führungswechsels ansahen. Das Parteipräsidium konnte in der Regel zwar die Landesverbände disziplinieren mit dem Hinweis auf den Existenz-kämpf der F. D. P. knapp oberhalb der Fünf-Prozent-Grenze, war dann aber um so stärker dem Erfolgszwang ausgesetzt, ohne dabei oppositionelle Kräfte in den eigenen Reihen vom Austritt oder von öffentlichen Bekundungen der innerparteilichen Dissens abhalten zu können.

Auf diese Weise wurde für die F. D. P. und damit für die sozial-liberale Koalition jedes Landtagswahlergebnis zur Voraussetzung der nächsten Landtagswahl. Derartige Kettenreaktionen bildeten einen selbständigen Prozeß und führten bei allen Parteien zur Bevorzugung kurzatmiger Strategien und zu zahlreichen taktischen Gefechten. So wurden Ereignisse und Entwicklungstendenzen in einem Bundesland zum Anlaß oder Ansatzpunkt für Entscheidungen in einem anderen Bundesland, selbst wenn kein direkter kausaler Zusammenhang bestand und die vermuteten Analogien nicht nachgeprüft werden konnten. Typisch ist in dieser Hinsicht die Wirkung der Hamburger Bürgerschaftswahl auf die Entwicklung in Niedersachsen. g) Hamburger Bürgerschaftswahl und Niedersachsen-Krise Bei Regierungsantritt der sozial-liberalen Koalition schien sich in Niedersachsen für die CDU die größte Chance zu einer Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse zu bieten. Noch vor der Bundestagswahl waren drei Abgeordnete von der FDP zur CDU übergetreten, so daß SPD und CDU jeweils über 66 von insgesamt 149 Landtagsabgeordneten verfügten In den Monaten Oktober 1969 bis Februar 1970 erreichte die CDU durch weitere Übertritte die Position der stärksten Partei. Dabei führte die Aufnahme eines ehemaligen NPD-Abgeordneten als Hospitant der CDU-Fraktion zum endgültigen Bruch mit der SPD. So stellte sich die Frage, ob der CDU eine Mehrheitsbildung unter ihrer Führung und damit eine Gewichtsverschiebung im Bundesrat zu ihren Gunsten gelingen würde. Vom 17. Februar bis zum 3. März 1970 wäre die Bildung einer Mehrheitsregierung aus CDU und FDP möglich gewesen; danach hätte sich eine CDU-FDP-Minderheitsregierung mit 74 von 149 Sitzen bei Duldung durch die NPD etablieren können.

Auf die Einzelheiten der zahlreichen Kräfte-verschiebungen im Niedersächsischen Landtag kann hier nicht näher eingegangen werden. Im Zusammenhang von Bundespolitik und Landtagswahlen gilt es aber festzuhalten: Die FDP wurde vor die Alternative gestellt, entweder eine dem Bonner Muster zuwiderlaufende Koalition mit der CDU zu bilden oder vorgezogenen Neuwahlen zuzustimmen, weil eine andere Mehrheitsbildung im Niedersächsischen Landtag offenbar nicht mehr möglich war. Der Landesvorstand der FDP tendierte mehrheitlich stärker zur CDU als zur SPD, scheute aber doch vor der NPD-Hy-pothek zurück, mit der ein CDU-FDP-Minder-heitskabinett behaftet gewesen wäre.

In diese Situation fiel die Hamburger Bürgerschaftswahl, über deren Zusammenhang mit der Entwicklung in Niedersachsen Gerhard Ziegler in der Frankfurter Rundschau schrieb: „Am meisten am Wahlausgang interessiert waren offenbar die Freien Demokraten in Niedersachsen. In Hannover hatte die FDP ihre Entscheidung über die nächsten landespolitischen Schritte mit dem Wahlsonntag in Hamburg synchronisiert. Die sich abzeichnende Stabilisierung der Verhältnisse hat ganz offensichtlich den Landeshauptausschuß der FDP ermutigt, sich nunmehr für die Beendigung der Regierungskrise durch Neuwahlen auszusprechen. Damit dürfte der CDU-Traum von einer Koalition mit der FDP in Hannover ausgeträumt sein."

Die Folge der Entscheidung für die Auflösung des Niedersächsischen Landtages war das Zustandekommen der sogenannten Drei-Länder-Wahl, denn der Wahltermin wurde in Hannover auf den 14. Juni 1970 festgesetzt, den Tag, auf den bereits die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland angesetzt waren. Selbst DIE WELT vertrat die These, daß die Parlamentskrise in Niedersachsen Teil eines CDU-Konzepts im Kampf um die Vormachtstellung auf Bundesebene war: „Ohne die komplette Pleite, in die massive bundes-politische Einflußnahmen auf die Krise in Niedersachsen — sowohl von Seiten der CDU als auch der FDP und SPD — geführt haben, hätte der Wahltag des 14. Juni nicht diese außergewöhnliche Bedeutung erhalten. Alle drei Parteien haben Grund, sich Rechenschaft über ihre niedersächsischen Abenteuer zu geben. Ausgangspunkt war die Sorge der CDU in Bonn, an der Saar die Landtagswahl und damit auch die Mehrheit im Bundestag zu verlieren. Der Versuch, in Hannover mit Hilfe der FDP den sozialdemokratischen Regierungschef zu stürzen und an seine Stelle einen CDU-Ministerpräsidenten zu setzen, sollte der Union* die Mehrheit im Bundesrat auch dann sichern, wenn sie die Wahl im Saarland verlöre. Dieses Manöver haben die Bonner Regierungsparteien, voran die FDP, mit allen Mitteln zu durchkreuzen getrachtet. Man behauptet nicht zuviel, wenn man sagt, es sei die bundespolitische Konfrontation im Lande Niedersachsen gewesen, die den Landespolitikern alle Auswege verstellt habe.“ 51) 2. Die Drei-Länder-Wahl Erst durch das zeitliche Zusammentreffen der Wahlen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erhielt die Drei-Länder-Wahl die Bedeutung einer „halben Bundestagswahl", die ihr von der gesamten Presse und schließlich auch von den Parteien zugesprochen wurde. Beide Länder stellten zusammen etwa 40 Prozent aller Wahlberechtigten in der Bundesrepublik. Aber auch die Wahl im Saarland war trotz der geringen Bevölkerungszahl von großer 2. Die Drei-Länder-Wahl Erst durch das zeitliche Zusammentreffen der Wahlen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erhielt die Drei-Länder-Wahl die Bedeutung einer „halben Bundestagswahl", die ihr von der gesamten Presse und schließlich auch von den Parteien zugesprochen wurde. Beide Länder stellten zusammen etwa 40 Prozent aller Wahlberechtigten in der Bundesrepublik. Aber auch die Wahl im Saarland war trotz der geringen Bevölkerungszahl von großer Bedeutung, weil hier wie in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine Umgewichtung der Mehrheitsverhältnisse möglich war. In den beiden letztgenannten Ländern konnte sie zugunsten der CDU, im Saarland zugunsten der SPD erfolgen. Den Testwahlcharakter mit Tendenz zur Ersatz-Bundestagswahl betonten — aus der Interessenlage eindeutig zu verstehen — insbesondere wieder die CDU/CSU-Politiker: „Barzel gab bei der offiziellen Wahlkampferöffnung seiner Partei in Hannover die Parole aus, nun habe jeder enttäuschte SPD-oder FDP-Wähler der Bundestagswahl die Gelegenheit, seine Stimme zurückzubekommen und die Entscheidung des letzten Jahres zu korrigieren."

Carl Christian Kaiser kommentierte in der ZEIT die bundespolitischen Folgen der Drei-Länder-Wahl: „Drei Entscheidungen am gleichen Tag; das muß die Neigung verstärken, das Gewicht der Juni-Wahlen für die Bundesrepublik noch höher zu veranschlagen, als dies wegen Nordrhein-Westfalen ohnehin schon geschehen ist. Umgekehrt zeigt sich am Beispiel der FDP immer deutlicher, daß sich die Bonner Konstellation auch auf die Länder auswirkt. In Hamburg sind die Freien Demokraten eine Koalition mit der SPD eingegangen, obwohl sie sonst nicht viel davon halten, im Schatten einer absoluten Mehrheit, wie sie ihr Bündnispartner abermals errungen hat, mitzuregieren. In Hannover ist es der CDU nicht gelungen, auch nur einen Teil der FDP Abgeordneten zum Sturz des sozialdemokrati sehen Ministerpräsidenten zu gewinnen, ob wohl die niedersächsische FDP keinesweg: auf die SPD eingeschworen ist. Und in Nord rhein-Westfalen hat der FDP-Landesvorsit zende Weyer dieser Tage jeder Koalition mi der CDU eine klare Absage erteilt. In dej FDP-Theorie gilt immer noch der Grundsatz daß die Partei nach beiden Seiten offen seir solle. In der politischen Praxis freilich erweist sich der Sog des Bonner Bündnisses ah stärker." 53) a) Koalitionsaussagen der Parteien In keinem der drei Bundesländer traf die FDP eine Koalitionsaussage für die CDU. Auf die frühzeitige Festlegung Weyers für die Fortsetzung der SPD/FDP-Koalition, die er mit erhöhten Forderungen 54) an den Koalitionspartner verband, reagierte der nordrhein-westfälische Spitzenkandidat Koppler mit der Feststellung, daß die FDP sich als „Erfüllungsgehilfe" der SPD verstehe und offenbar entschlossen sei, unabhängig vom Wahlausgang ihre „Steigbügelhalterrolle" für die SPD fortzuführen. Auf diese Haltung der Liberalen werde die CDU die Wähler besonders hinweisen. Die Polarisierung war also bereits im Wahlkampf so eindeutig, daß die CDU sich nur im Falle einer absoluten Mehrheit Hoffnungen auf die Regierungsübernahme machen konnte 55). In Niedersachsen fand sich hingegen die FDP nicht zu einer eindeutigen Koalitionsaussage bereit, während die SPD der FDP selbst im Falle einer absoluten SPD-Mehrheit ein Koalitionsangebot machen wollte 56). Die Endphase des niedersächsischen Landtagswahlkämpfes wurde mit einer Erklärung des niedersächsischen CDU-Generalsekretärs Haaßengier eröffnet, zwischen SPD und FDP habe es vermutlich schon Vor-Koalitionsgespräche gegeben. Diese Behauptung provozierte — wie wahrscheinlich beabsichtigt — ein Dementi des FDP-Fraktionsvorsitzenden Hedergott 57). Gleichermaßen scheint sie aber auch an die Adresse der Wähler, insbesondere bisheriger FDP-Wähler konservativer Provenienz, gerichtet worden zu sein, um die Assoziation zu erwecken, es sei wohl sicherer, gleich CDU zu wählen, da die FDP sich letztlich doch mit der SPD einlasse. Mit dieser häufig angewandten Stimmenmaximierungsstrategie wurde übrigens die Polarisierung des Parteiensystems erheblich forciert, wie die weitere Entwicklung bis 1972 zeigt.

Die interne Situation der FDP war vor dem Landesparteitag kaum überschaubar und forderte Vorstöße wie den des CDU-Generalsekretärs geradezu heraus. Die WELT interpretierte diesen Vorgang folgendermaßen: „Sie (die CDU) glaubt, der fortschreitende Strukturwandel der FDP-Mitgliedschaft in Niedersachsen mache eine CDU-FDP-Koalition in Niedersachsen praktisch unmöglich. Geringfügige Kräfteverschiebungen bei den Vorstandswahlen des kommenden FDP-Landes-parteitages könnten in dieser gespannten Lage ausreichen, die Wahlkampf-und Koalitionsfronten plötzlich zu verändern."

Der Landesparteitag legte sich in der Koalitionsfrage jedoch nicht fest. Die indifferente Haltung des niedersächsischen FDP-Landes-verbandes besaß offenbar die Unterstützung des Bundesvorstandes: „Von einer möglichen Beteiligung der FDP an der Bildung einer neuen niedersächsischen Landesregierung, sagte Genscher, es gebe für die Landesverbände seiner Partei keine Gleichschaltung. Der Entschluß über eine Koalition mit der CDU oder der SPD müsse von der niedersächsischen FDP selbst je nach Tragfähigkeit eines solchen Regierungsbündnisses auf Grund der Wahlergebnisse entschieden werden. Der Minister fügte allerdings hinzu, Koalitionen in den Ländern dürften nicht dazu führen, daß der Bundesrat eine . Tribüne der CDU-Opposition'werde."

Ähnlich indifferent wie die Liberalen in Niedersachsen verhielt sich auch die saarländische FDP. Auch ihr bisheriger Koalitionspartner, die CDU, wollte sich nicht eindeutig auf ein erneutes Bündnis mit den Freien Demokraten festlegen, sondern erklärte als Wahl-ziel die absolute Mehrheit, unterließ allerdings nicht den Hinweis, daß sich die CDU/FDP-Koalition im Saarland bewährt habe In der Schlußphase des Wahlkampfes zog Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Franz Josef Röder aus der indifferenten Haltung der FDP die Konsequenz, die Wähler vor einem Votum für die FDP zu warnen, da der Wähler dann nicht wissen könne, welcher Regierung er seine Stimme gebe

Insgesamt verhielt sich die FDP nach der Formel Genschers, bewährte Bündnisse fortzusetzen, im übrigen aber danach zu entscheiden, mit welchem Partner man die liberalen Zielvorstellungen am besten durchsetzen könne Offen blieb bei dieser Formel freilich, inwieweit der Zwang, die Bundesregierung durch eine Bundesratsmehrheit absichern zu müssen, landespolitisch bestimmte Präferenzen in den Hintergrund stellen würde. b) Spekulationen über die FDP-Wählerschait Koalitionsaussagen stehen in einem direkten Zusammenhang mit den Erwartungen, die die einzelnen Parteien an den Wahlausgang knüpfen. In allen drei Ländern ging man von einem knappen Wahlausgang aus; CDU und SPD lagen in der Einschätzung des Stimmen-anteils dicht beieinander, so daß der Einzug der FDP in die Landtage jeweils ebenso entscheidend wie fraglich war.

Alle Parteien waren entsprechend der wenig kalkulierbaren Situation mit der Äußerung ihrer Wahlerwartungen sehr zurückhaltend. Hans-Dietrich Genscher erwartete, daß die FDP am 14. Juni ihren bei den vorausgegangenen Wahlen erreichten Stimmenanteil halten oder sogar verbessern könne. Diesen Optimismus rechtfertigte er mit dem Hinweis auf das FDP-Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl Direkter artikulierte der Vorsitzende der Jungdemokraten in Nordrhein-Westfalen, Günther Verheugen, laut Frankfurter Rundschau den Erfolgszwang, in dem sich die FDP befand: „Erst ab sechs Prozent, wenn der Stimmenanteil der Bundestagswahl 1969 (5, 4 Prozent) klar übertroffen sei, könne man von einem Wahlerfolg reden. Dann erst sei die Gefahr gebannt, daß Exponenten des rechten Flügels der FDP-Bundestagsfraktion der Partei den Rücken kehren." Während die Frankfurter Allgemeine spekulierte: „Profitiert der kleine Dritte vom Zweikampf der Großen?" ließen die Umfragen der Meinungsforschungs-Institute nicht klar erken-nen, ob die FDP in allen Bundesländern die Fünf-Prozent-Grenze überschreiten würde

In diesem Zusammenhang tauchte verstärkt — allerdings zunächst nur in der Springer-

Presse — die „Leihstimmentheorie“ auf. Sie besagt, daß ein Teil der FDP-Stimmen von „eigentlichen" SPD-Wählern stamme, die mit einem Votum für die Liberalen die Existenz der sozial-liberalen Koalition in Bonn sichern wollten. So wurde schon Anfang April 1970 Bundesminister Egon Franke in der WELT zitiert: „Wir müssen uns bewußt sein, daß unser Bonner Partner FDP schwer um seine Existenz zu ringen hat." Daran anschließend fuhr die WELT in indirekter Rede Frankes Äußerungen wiedergebend fort: „Es gelte, die Basis der Bonner Regierungskoalition nun in den Ländern zu festigen", um daran unmittelbar den Satz anzuschließen: „Handfeste Hilfsmaßnahmen für die FDP werden aber vorerst nur in örtlichen SPD-Gliederungen diskutiert."

Vier Tage vor dem Wahltermin berichtete die WELT ausführlich über eine Begebenheit, die unmittelbar darauf — wie auch in dem gleichen Artikel erwähnt wird — von den betroffenen Parteien dementiert wurde: „Das Ergebnis interner Meinungsumfragen, wonach die Wahlchancen der FDP in NRW zurzeit weniger als vier Prozent betragen sollen, hat offenbar im Düsseldorfer Regierungslager zu Nervosität geführt. In dieser Atmosphäre sind in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt auch Spekulationen darüber angestellt worden, daß die SPD den Freien Demokraten für die Landtagswahl am kommenden Sonntag „Leihstimmen" angeboten habe. Wie es in Berichten aus Düsseldorf heißt, soll Ministerpräsident Heinz Kühn dem FDP-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Heinz Lange, bei einem . Korridorgespräch'im Landtagsgebäude vor mehreren Zeugen angekündigt haben, Tausende von . zuverlässigen SPD-Wählern'hätten die Weisung bekommen, bei den Wahlen am kommenden Sonntag der FDP ihre Stimme zu geben."

Die Leihstimmentheorie, die später bei der Analyse der hessischen Landtagswahl von zentraler Bedeutung war, erfüllte — unabhängig von der noch zu diskutierenden Frage, inwieweit sie zutraf — eine doppelte Funktion für die Oppositionsstrategie: Sie sollte beim Wähler den Eindruck erwecken, daß die FD völlig in die Abhängigkeit von der SPD ger: ten sei und außerdem den Beweis erbringet daß die FDP aus eigener Kraft nicht wieder i die Parlamente gelangen könne. In der Praxi war sie eine Variante der These vom Untel gang der FDP. c) Die Ausgangslage der Parteien vor de Drei-Länder-Wahl Insgesamt wurde die Ausgangsposition de Parteien vor der Drei-Länder-Wahl folgender maßen eingeschätzt:

In Nordrhein-Westfalen:

SPD — leichter Rückgang des Stimmenanteil (im Vergleich zu 1966), aber wie bisher stärk ste Partei CDU — leichte Gewinne FDP — überspringen der Fünf-Prozent-Grenze fraglich In Niedersachsen:

SPD/CDU — leichter Vorsprung der SPD voi der CDU, beide jeweils etwa 45 Prozent det Stimmen FDP — überspringen der Fünf-Prozent-Grenze fraglich, aber mindestens so aussichtsreich wie in Nordrhein-Westfalen Im Saarland:

CDU/SPD — CDU vor SPD, aber eventuell nur mit knappem Vorsprung FDP — überspringen der Fünf-Prozent-Grenze ziemlich sicher

Somit schien die Position der Bundesregierunc nicht mehr ganz so günstig wie vor der Ham burger Bürgerschaftswahl zu sein. Zwar domi nierte nach wie vor die Ostpolitik in den öf fentlichen und parlamentarischen Auseinan dersetzungen, aber die relative Euphorie de ersten Monate nach der Bundestagswahl wa der Erkenntnis gewichen, daß mit schnelle] Erfolgen nicht zu rechnen sei. Die deutsch deutschen Gespräche auf höchster Ebene ka men im Mai 1970 nach dem Kasseler Treffei zwischen Brandt und Stoph zunächst zum Still stand.

Die deutsch-sowjetischen und die deutsch polnischen Verhandlungen erreichten hinge gen im Juni 1970 die Phase der Ausarbeitun von Vertragsformulierungen. Zwei Tage vo der Drei-Länder-Wahl fand die Polemik gege die Ostpolitik der Bundesregierung mit der Veröffentlichung angeblicher deutsch-sowjetischer Vertragstexte ihren ersten Höhepunkt. In Anbetracht des generellen Perzeptionsrückstandes der Wählerschaft ist allerdings fraglich, ob diese Zuspitzung des in die Massenmedien verlagerten Kampfes zwischen Regierung und Opposition noch das Wahlverhalten am 14. Juni 1970 wesentlich beeinflußte. Wichtiger waren in diesem Zusammenhang sicherlich die parlamentarischen Debatten vom Mai 1970 und erstmals sichtbar werdende ostpolitische Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition, die schließlich auch bewirkten, daß die Kabinettsentscheidung über die Verträge auf einen Termin nach der Drei-Länder-Wahl verschoben wurde

Außenminister Walter Scheel hatte in den Monaten vor der Wahl eine ausgesprochen schlechte Presse, die in dem Vorwurf gipfelte, er sei nur ein „Frühstücksdirektor", während die Ostpolitik im Kanzleramt von Brandt und Bahr gemacht werde. Außerdem würde sein Ministeramt ihn daran hindern, sich genügend um seine Partei zu kümmern. Insbesondere das Ausscheiden Ralf Dahrendorfs als Parlamentarischer Staatssekretär des Außenministers wurde mit ostpolitischen Differenzen innerhalb der Koalition und innerhalb der F. D. P. erklärt und von der Opposition zum Signal für eine „unsolide" Ostpolitik hochstilisiert. Unterdessen formierte sich die innerparteiliche Opposition der Liberalen vor allem im nordrhein-westfälischen Landesverband mit dem Hohensyburger Kreis

In gleicher Weise wurden innerparteiliche Auseinandersetzungen der Sozialdemokraten, die auf dem Saarbrücker Parteitag im Mai 1970 sichtbar wurden, als Belastungen für die Koalition gewertet. Die Jungsozialisten hatten auf ihrem Kongreß im Dezember 1969 erstmals einen vom Parteivorstand deutlich abweichenden Kurs eingeschlagen und eine konsequente Verwirklichung sozialistischer Politik, wie sie ihrer Meinung nach das Godesberger Programm verlangte, von der Parteiführung gefordert. Ihr demonstrativer Gegenkandidat für das Amt eines der beiden stellvertretenden Parteivorsitzenden unterlag zwar eindeutig gegen Helmut Schmidt, aber „die Linke in der SPD" hatte mit dieser Kandidatur ihren Anspruch auf innerparteiliche Mitsprache signalisiert.

Sie konnte den Parteivorstand immerhin dazu bringen, daß eine intensive innerparteiliche Programmdiskussion begann, die über das hin-ausführen sollte, was Grundlage des Regierungsprogramms war

Die CDU/CSU schien sich allmählich in die Oppositionsrolle hineinzufinden und entfaltete, angetrieben vom Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Rainer Barzel, vielfältige parlamentarische Aktivitäten die das ungeklärte Führungsproblem zunächst in den Hintergrund drängten. Allerdings waren unterschiedliche Akzentsetzungen von CDU und CSU stets unverkennbar. In Nordrhein-Westfalen präsentierte die CDU nach einer Reihe von personellen Auseinandersetzungen mit Heinrich Koppler einen Gegenkandidaten zu Ministerpräsident Heinz Kühn, der seinen geringeren Bekanntheitsgrad mit einem intensiv geführten Wahlkampf offenbar kompensieren konnte.

Die Situation war vor der Drei-Länder-Wahl also völlig offen und bot Anlaß zu den verschiedensten Spekulationen. Eine dieser Spekulationen, die des WELT-Chefredakteurs Herbert Kremp, sei hier zur Illustration der Hoffnungen, die sich die Opponenten gegen die sozial-liberale Koalition machten, ausführlich zitiert: „Im Wesen dieses Tests liegt es, daß selbst ein Wahlergebnis, das die Kräfteverhältnisse in den drei Bundesländern auf Zehntelprozent bestätigt würde, in Bonn Veränderungen nach sich ziehen müßte. Die FDP wäre gerettet, der Bestand der Bonner Koalition gesichert, die SPD Sieger in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, der großangelegte Angriff der CDU abgewehrt . .. Die Diskussion um Neuwahlen würde sich beleben, wenn ein Gleichstand oder ein Rückgang der FDP-Stimmen mit signifikanten Fortschritten der SPD einher-ginge. Die kalkulierte Höflichkeit gegenüber dem kleinen Koalitionspartner könnte aufge-gegeben werden, sie verlöre den politischen Sinn angesichts einer Entwicklung, die der SPD die Palme der absoluten Mehrheit in Aussicht stellte. Die Rücksichten würden rasch fallen. Fatal für die Regierung wäre eine Ergebnis-kombination aus lebensgefährlichen Verlusten für die FDP und eine Stagnation oder gar Rückläufigkeit des sozialdemokratischen Stimmen-anteils ... Genscher könnte seine Partei dann nur retten durch einen markanten Trennungsstrich gegenüber den nach links ausgebrochenen Jungdemokraten und eine konsequente Orientierung der Partei nach rechts, wie es ohnehin seiner prinzipiellen Einstellung und langfristigen Strategie entspricht. Der glücklose Außenminister Scheel hätte als Vorsitzender der Partei und als Mitglied des Klubs der Ministrablen glücklicherweise ausgespielt. Die Regierung wäre wahrscheinlich am Ende, sie wäre querschnittgelähmt ... Die Koalitionsparteien können bestenfalls mit einer Bestätigung ihrer gegenwärtigen Positionen rechnen ... (Sie) müssen sich bewußt sein, daß ein Wähleranteil, dessen Stärke zwischen einer massiven Minderheit und einer knappen Mehrheit schwanken mag, der Ost-und Deutschlandpolitik, der Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik dieser Regierung kein Vertrauen entgegenbringt. — ... Um schweren Schaden von der Republik abzuwenden und um den notwendigen Konsensus zu erhalten, muß daher eine Frage wieder aufgeworfen werden, die freilich mit Herbert Wehner, den Jungsozialisten und Jungdemokraten, den , Altlinken', den pubertären . Eroberern'der Institutionen und Herrn Mahler (Damaskus) nicht erörtert werden kann — nämlich die Frage der Wiederbelebung der Großen Koalition ..." 74)

Die zentrale Bedeutung der Drei-Länder-Wahl für Regierung und Opposition unter

Die zentrale Bedeutung der Drei-Länder-Wahl für Regierung und Opposition unterstreicht — neben vielen anderen entsprechenden Artikeln — die Bilanz, die Kurt Becker in der ZEIT zwei Tage vor der Wahl zu ziehen versuchte : „Nimmt man jedes Wort der Parteiführer nur halbwegs für bare Münze, dann steht am kommenden Sonntag so gut wie alles in der Bundesrepublik zur Disposition. Kämpferischer Elan und Unsicherheit über die eigene künftige Stellung haben Regierung und Opposition in eine eskalierende machtpolitische Auseinandersetzung hineingetrieben, wie wir sie seit den fünfziger Jahren nicht mehr erlebt haben.

Die drei Landtagswahlen . .. erhalten dadurch einen Rang, der weit über den einer Testwahl hinausgeht. Zur Wahl stehen zwar allein die künftigen Landtagsmehrheiten unnd Landesfürsten. Doch für die drei Bundestagsparteien geht es allein darum, ob das Publikum ihnen einen Denkzettel erteilen oder Sukkurs geben will. Der Sonntag wird jedenfalls tiefe Spuren in Bonn hinterlassen.

Die Bedeutung des Tages ist noch potenziert worden, seit zunächst Herbert Wehner und jetzt auch Willy Brandt im Zusammenhang mit der Bonner Ostpolitik die Möglichkeit von Bundestagsauflösung und Neuwahl in die öffentliche Diskussion eingeführt haben — sei es, um unsicheren Kantonisten bei der FDP das volle Ausmaß ihres Risikos vor Augen zu führen, sei es, um dem Gemunkel in der Opposition über einen Kanzlersturz ein abschrekkendes Gegenmodell entgegenzusetzen und auf einen Schelm anderthalbe zu setzen.

Der Kanzler erwartet von den Landtagswahlen ein Signal für seine Regierung, die von ihm begonnene Politik fortzusetzen. Der Opposition stellt sich die Frage nicht weniger grundsätzlich. Für sie steht alles auf der Kippe: Fortdauer des vehementen Ansturms gegen die Bundesregierung oder Zusammenbruch des Kraftaktes mit einer dann unvermeidbar einsetzenden Generalrevision ihrer Politik. Für die Freien Demokraten schließlich geht es um die Behauptung des Existenzminimums, samt allen sich daraus ergebenden Profilierungszwängen bis hin zu der nicht auszuschließenden Gefahr von Abspaltungen." 75) d) Das " Wahlergebnis vom 14. Juni 1970 Die Drei-Länder-Wahl beantwortete die Frage, wer sich auf die Mehrheit der Bevölkerung stützen könne, nicht eindeutig. Sie bestätigte, was die Bonner Situation bereits seit einigen Monaten widerspiegelte, daß nämlich Regierungskoalition und Opposition etwa gleich stark seien. Sie stabilisierte daher weder die Koalition, noch zwang sie die Opposition zu einer „Generalrevision" ihrer Strategie. Sie gab der Opposition keine unmittelbare Chance, den Bundeskanzler zu stürzen, und erlaubte der sozial-liberalen Koalition eine Fortführung der Regierungsgeschäfte.

Dieses Resultat basierte nicht nur auf den einzelnen Stimmenverschiebungen, sondern hing vor allem von der Differenz zwischen Erwartungen und Ergebnis ab. Die FDP zog zwar nicht wieder in die Landtage Niedersachsens und des Saarlandes ein, aber ausgerechnet dort, wo man sie am stärksten gefährdet gesehen hatte, glückte ihr der Sprung über die Fünf-Prozent-Grenze, in Nordrhein-Westfalen. Diese Tatsache war von zweifacher Bedeutung: Sie ermöglichte den Fortbestand der sozial-liberalen Koalition in Düsseldorf und stärkte den Parteivorstand gerade in dem Lan-desverband, in dem die innerparteiliche Opposition sich zuerst formiert hatte.

Die CDU konnte in allen drei Bundesländern sowohl gegenüber den vorausgegangenen Landtagswahlen als auch der Bundestagswahl 1969 eine Steigerung ihres Stimmenanteils erzielen. In Nordrhein-Westfalen wurde sie wider Erwarten sogar stärkste Partei; sie verbesserte sich von 42, 8 Prozent (1966) auf 46, 3 Prozent der Stimmen und lag damit um 2, 7 Prozentpunkte über ihrem bei der Bundestagswahl 1969 erzielten Annteil. Die SPD fiel hingegen im Vergleich zur Bundestagswahl 1969 um 0, 8 Prozentpunkte und im Vergleich zur Landtagswahl 1966 um 3, 4 Prozentpunkte auf nur noch 46, 1 Prozent ab. Statt 99 erhielt sie damit nur noch 94 der 200 Mandate, während die CDU mit 95 Abgeordneten (statt bisher 86) stärkste Fraktion im Düsseldorfer Landtag wurde. Die FDP büßte vier Mandate ein und brachte nur noch 11 Abgeordnete in das Lan-

desparlament, da sie gegenüber der Landtagswahl 1966 fast zwei Prozentpunkte verloren hatte (bei nur noch 5, 5 statt 7, 4 Prozent). Sie hatte ihr Bundestagswahlergebnis von 1969 ziemlich genau wiederholt (5, 5 statt 5, 4 Prozent).

Ausgerechnet die Niedersächsische Landtagswahl deren Vorverlegung überwiegend als zusätzliche Belastung der sozial-liberalen Koalition interpretiert worden war, garantierte der Bundesregierung den Status quo im Bundesrat: Die Sozialdemokraten gewannen mit 46, 3 Prozent der Stimmen, ihrem bis zu diesem Zeitpunkt besten Wahlergebnis in Niedersachsen, äußerst knapp vor der CDU, die sich von 41, 7 Prozent im Jahre 1967 auf 45, 7 Prozent steigern konnte, die absolute Mehrheit der Mandate. 75 sozialdemokratische Abgeordnete standen im niedersächsischen Zweiparteienparlament fortan 74 Christlichen Demokraten gegenüber. Die FDP hatte nur noch 4, 4 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können und wies damit seit 1965 eine ständige Abwärtsbilanz auf (1965: 10, 9 Prozent, 1967: 6, 9 Prozent, 1969: 5, 6 Prozent). Die NPD erreichte (1967: 7, 0 Prozent) nur noch 3, 2 Prozent und wie ebenfalls damit, erwartet, aus dem Niedersächsischen Landtag aus.

Die saarländische Landtagswahl brachte einen eindeutigen Wahlsieg der CDU. Sie konnte sich von 42, 7 Prozent (Landtagswahl 1965) auf 47, 8 Prozent verbessern und über-traf damit auch ihr Bundestagswahlergebnis 1969 (46, 8 Prozent), während die SPD weiterhin stagnierte (40, 8 Prozent statt 40, 7 Prozent bei der Landtagswahl 1965 bzw. 39, 8 Prozent bei der Bundestagswahl 1969). Die größte Überraschung war der Rückgang des FDP-Stimmenanteils von 8, 3 Prozent (Landtagswahl 1965) auf nur noch 4, 4 Prozent, zumal sie damit um 2, 3 Prozentpunkte im Vergleich zur Bundestagswahl 1969 abfiel. Auch der Saarländische Landtag wurde damit zum Zweiparteienparlament, in dem die CDU mit 27 Mandaten deutlich vor der SPD, die 23 Mandate erhielt, dominierte.

Eindeutig waren somit die aufsteigende Tendenz der CDU und die absteigende Tendenz der FDP, während bei der SPD kein einheitlicher Trend sichtbar wurde. Die Verluste der FDP entsprachen allerdings nicht ganz der Maxime vom „Hinauskatapultieren", da sie in den wichtigsten der drei Landtage hatte zurückkehren können. Die Bundesratsmehrheit von 21 : 20 Stimmen für die von der CDU/CSU geführten Länder blieb unverändert. In die Boxkampfsprache übertragen: Die CDU/CSU hatte einen Punktsieg gelandet, zum k. o. reichte es nicht.

Gesamtergebnis und Einzelresultate waren allerdings so zwiespältig, daß die weitere Entwicklung in hohem Maße davon abhing, wie die einzelnen Parteien und die führenden Presseorgane auf die Wahl reagierten. Das Wahlergebnis wurde überwiegend als Niederlage der Koalition und Sieg der CDU gedeutet, abgesehen von einigen Rechtfertigungsversuchen der SPD. Diese stützten sich auf die Tatsache, daß die Koalitionsparteien in den drei Ländern zusammen etwa 51 Prozent der Stimmen erhalten hatten eine höchst vordergründige Rechnung, wenn man bedenkt, daß alle drei Länder bei der Bundestagswahl 1969 unterdurchschnittliche CDU/CSU-Stimmenanteile erbracht hatten. Gemessen am bundespolitischen Wahlziel der CDU/CSU konnte die regierungsfreundliche FRANKFURTER RUNDSCHAU immerhin zutreffend Wahlergebnis das sei für SPD und FDP nicht so katastrophal, wie zum Teil vor dem 14. Juni angenom-men worden war Das gelte besonders deshalb, weil die CDU aus personellen Gründen — gemeint ist die damals noch ungeklärte Kanzlerkandidatenfrage — nicht in der Lage sei, unmittelbar Konsequenzen zu ziehen, und weil der FDP durch den strikten Kollisionskurs zwischen Regierungsparteien und Opposition, der sogenannten Polarisierung, die vor allem der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner, forciert habe, der Weg zurück zur CDU/CSU blockiert sei. Bundeskanzler Brandt ließ sich durch das Wahlergebnis nicht von der Behauptung abhalten, „daß es in der Bevölkerung eine breite Zustimmung zur Außen-und Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung" gebe obwohl gerade er versucht hatte, die Landtagswahlen zu einem Plebiszit über die Ostpolitik umzufunktionieren. Immerhin wurde seine Interpretation durch Meinungsumfragen gestützt

Der ehemalige Bundesvertriebenenminister, Heinrich Windelen, betonte hingegen als Sprecher der CDU, daß die Ostpolitik der Bundesregierung nach dem Wahlausgang keine Mehrheit mehr habe, und meinte, man könne in dieser Frage nicht mehr ohne Berücksichtigung der Opposition verhandeln und solle sich deshalb wieder auf die frühere Gemeinsamkeit besinnen, die Herbert Wehner aufgekündigt habe Auch die der CDU/CSU nahestehende Presse empfahl immer wieder die Kooperation der beiden großen Parteien, so der RHEINISCHE MERKUR: „Die Regierung gegen die stärkste Fraktion in Bonn droht alle Kräfte des SPD/FDP-Bündnisses zu verzehren. Es ist daher zu wünschen, daß noch existiente Fäden zwischen Union und SPD nicht reißen. Das zersplitterte Zünglein FDP darf diesem Land nicht zur Kompaßnadel werden." Hinter derartigen Überlegungen stand zum Teil auch die Perspektive einer Erneuerung der Großen Koalition, um anschließend nach Einführung eines Mehrheitswahlsystems Neuwahlen auszuschreiben und so zu einem Zweiparteienstaat und klaren Mehrheitsverhältnissen zu gelangen.

Wie die Koalitionsparteien reklamierte auch die CDU/CSU die Mehrheit für sich. Sie argumentierte vor allem mit einer Hochrechnung des Ergebnisses der Drei-Länder-Wahl auf Bundesebene, die das ihr nahestehende Wikas-Institut durchgeführt hatte. Diese hatte für die CDU/CSU eine Mehrheit von 250 Mandaten im Bundestag ergeben, während auf die SPD 220 und auf die FDP nur 26 Mandate entfallen sollten

Entsprechend wurde der CDU/CSU auch eine Fortsetzung ihrer bisherigen Oppositionsstrategie empfohlen, so in PUBLIK: „Der kaum erwartete Stimmenzuwachs der CDU in den Ländern läßt die Bundespartei ebenfalls ihre Chance wittern, wenn auch der erträumte Sieg über den politischen Gegner, die Bildung einer CDU-geführten Bundesregierung, nach Lage der Dinge kaum denkbar erscheint. . . Es besteht kein Zweifel, die CDU kann ihre Chance in der nächsten Zukunft nur in einer durch Landtagswahl gestärkten, in der Sache verbesserten Opposition suchen."

Gewarnt wurde allerdings davor, diese Chance aus innerparteilichen Gründen zu verspielen: „Da eine Opposition von der Art und der Stärke der jetzigen auf allen Wechselfälle — von der Auflösung des Bundestages bis zur Übernahme der Macht aus dem Stand — vorbereitet sein muß, schadet ihr jedes, auch hinter der vorgehaltenen Hand getuscheltes Gezänk um einen Kanzlerkandidaten. Will die FDP — was so gut wie ausgeschlossen ist — die Front wechseln, so kommt sie zu jedem Mann der Union, der Format hat. Wird aber der Wähler zur Entscheidung gerufen, dann . zieht'nur der Kandidat, der ohne Wenn und Aber um die Mehrheit kämpft."

Die These vom Untergang der F. D. P. schien im Wahlergebnis vom 14. Juni 1970 eine hervorragende Bestätigung zu finden. Entsprechend triumphierte die BILD-Zeitung: „Seit gestern werden wir von einer Koalition regiert, deren einer Partner zum Tode verurteilt ist und nur noch auf den Zeitpunkt seiner Hinrichtung wartet." Und Gerhard Reddemann, späterer CDU-Bundestagsabgeordneter, mochte im BAYERN-KURIER die Liberalen nicht mehr ernst nehmen: „Am 14. Juni haben Deutschlands Freie Demokraten jene Stufe des Schrumpfund Zersetzungsprozesses erreicht, an der sich ihre Gegner zu genieren beginnen, die Partei noch zu attackieren." Dem Triumphieren der CDU stand auf der anderen Seite eine gewisse Nervosität und Unsicherheit der Koalitionsparteien, insbesondere der Liberalen, gegenüber. So erklärte der nordrhein-westfälische FDP-Landesvorsitzende, Willi Weyer, trotz der für die Aufrechterhaltung des sozial-liberalen Kurses prekären innerparteilichen Situation am Tage nach der Wahl, er habe für die Koalitionsverhandlungen „Zeit in Hülle und Fülle" Offenbar sah er sich gezwungen, Rücksicht auf einige Mitglieder seiner nehmen, die neuen Fraktion zu — wie der bisherige Fraktionsvorsitzende Lange — dem Bündnis mit der SPD äußerst skeptisch gegenüberstanden. Dennoch fiel schon eine Woche nach der Wahl die Entscheidung für die Fortsetzung der sozial-liberalen Koalition in Düsseldorf. erwarten war, Wie zu wurde sie vor allem bundespolitisch begründet: „Die neue Koalition vereinbarte, keine Maßnahmen zuzulassen, die die Zielsetzung der sozialliberalen Koalition in Bonn gefährden könnten."

Wie nach der Bundestagswahl 1969 in Bonn wurde auch nach der Landtagswahl relativ schnell gehandelt. Voraussetzung dafür war erstens die Stellungnahme des FDP-Präsidiums zur Drei-Länder-Wahl, über die die FRANKFURTER RUNDSCHAU am 17. Juni berichtete: „In einer ersten Stellungnahme zu dem Ausgang der drei Landtagswahlen erklärte das FDP-Präsidium am Dienstag in Bonn, die FDP wolle , trotz des Rückschlages'an ihren in der Wahlplattform von 1969 niedergelegten Prinzipien , moderner liberaler Politik'festhalten. Gleichzeitig wird betont, daß die FDP das Regierungsbündnis mit der SPD fortsetzen will, da ein , zurück zu den politischen Vorstellungen der CDU/CSU der fünfziger und sechziger Jahre den nationalen Interessen des deutschen Volkes nicht dienen und die europäische Friedenspolitik blockieren’ würde. Allerdings gab das FDP-Präsidium zu verstehen, daß die Partei . stärker als bisher'in der Koalition zur Geltung kommen wolle."

Zweite Voraussetzung für die rasche Erneuerung des Bündnisses in Düsseldorf war sicherlich die Tatsache, daß der sozialdemokratische Ministerpräsident Heinz Kühn auf das anfängliche Zögern der Liberalen hart reagierte: „Zur gleichen Zeit warnte ... Kühn ...seinen zögernden Koalitionspartner unmißverständlich. Nach Kühns Auffassung schädigten diejenigen FDP-Politiker, die mit der CDU zusammengehen wollen, das Ansehen ihrer Partei. Wenn es gelänge, über eine CDU/FDP-Landesregie-rung in Nordrhein-Westfalen die Kräfteverteilung im Bundesrat zu sprengen, werde es . zwingend'zu Neuwahlen kommen müssen. Er müsse fragen, was sich die FDP von einer solchen Bundestagswahl versprechen könne, fügte Kühn mit Schärfe hinzu."

Drittens forderte vermutlich die Gründung der National-Liberalen Aktion, die nur drei Tage nach den Landtagswahlen in Wuppertal erfolgte, die Mehrheit der bisher indifferenten Funktionäre zur Solidarisierung mit der Parteiführung heraus. In Düsseldorf jedenfalls die Anhänger dieser Aktion keinen Einfluß auf die Regierungsbildung mehr gewinnen. Daher stieß auch das Koalitionsangebot des CDU-Spitzenkandidaten Koppler ins Leere, obwohl er die Nominierung eines FDP-Kandidaten für das Kultusministerium in Aussicht stellte

Viertens bekundete bereits wenige Tage nach den Wahlen die überwiegende Zahl der Landesverbände ihre Zustimmung zur Politik des Parteivorstandes, zumeist unter gleichzeitiger Ablehnung der National-Liberalen Aktion.

Der Landeshauptausschuß der saarländischen FDP, deren Vorsitzender die überraschende Niederlage im Saarland auf die Bundespolitik zurückgeführt hatte, erklärte nach mehrstündiger Sitzung mit — einer offenbar nicht allzu großen — Mehrheit, daß die FDP-Saar „ungeachtet des bedauerlichen Wahlergebnisses voll und ganz hinter der Politik der Bundespartei stehe"

Der Landesvorsitzende der niedersächsischen FDP, Röttger Gross, betonte zwar im Zusammenhang mit dem SPD-Angebot eines Staatssekretärsposten an die FDP, die Freien Demokraten hätten keine Veranlassung, sich an die SPD in Niedersachsen zu binden. Auch erklärte Gross die Verluste der FDP vor allem damit, daß sie „ihre , Mittelrolle'zwischen den beiden großen Parteien nicht deutlich genug gemacht habe" Aber der ehemalige Fraktionsvorsitzende Hedergott distanzierte sich als Sprecher des Landesverbandes immerhin von der NLA; er „meinte, er halte nichts von der Gründung einer solchen Organisation, doch über die Argumente der Gründer könne man reden" Damit hatten die beiden von der Wahlniederlage am stärksten betroffenen Landesverbände auf eine aktive Opposition gegen die Bundespolitik ihrer Partei verzichtet. e) Der F. D. P. -Bundesparteitag 1970 Der 21. Ordentliche Bundesparteitag der F. D. P., der nur acht Tage nach den Landtagswahlen am 22. Juni in Bonn begann, wurde von allen Seiten mit großer Spannung erwartet Die innerparteiliche Situation schien weitgehend ungeklärt. Die Wiederwahl des Parteivorsitzenden Walter Scheel wurde in Frage gestellt. Der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern, Dietrich Bahner, forderte die Ablösung Scheels durch Hans-Dietrich Genscher und nährte damit unmittelbar vor dem Parteitag schon seit längerem kursierende Gerüchte Die Präferenzen der 400 Delegierten waren kaum ein-schätzbar. Nicht nur Erich Mende kalkulierte mit Anhängern des rechten Flügels, 100 Anhängern des Kurses der Jungdemokraten und 200 Delegierten, die eine mittlere Position einnehmen würden 100).

Die National-Liberalen wandten sich vor dem Parteitag gegen den Vorwurf der Spaltung und den Überläufer-Verdacht; sie schienen in der Tat zunächst versuchen zu wollen, die Partei zu einer Kursänderung in ihrem Sinne oder zumindest zu einer deutlicheren Abgrenzung nach links zu bewegen. Der Parteitag mußte zeigen, ob eine solche Strategie Erfolg haben würde und ob sie in absehbarer Zeit eine Rückkehr zu den traditionellen Koalitionspräferenzen bewirken könnte, vorausgesetzt, der Trend der Wahlergebnisse des Sommers 1970 setze sich fort. Die Strategie entsprach durchaus auch dem Interesse der CDU/CSU, die nach den negativen Erfahrungen mit Mehrheitsverschiebungen durch Parteiwechsler, die in Niedersachsen gemacht worden waren, eine Umorientierung der gesamten FDP für die günstigere Lösung halten mußte. Da Informationen über die Entwicklung an der politischen Basis nur schwer einen Gesamtüberblick gaben und die Parteiführungen kaum erreichten, beruhte die Einschätzung der Chance des „Umkoalierens" vor allem auf der Kenntnis der Struktur der Bundestagsfraktion; und bei Betrachtung dieser Ebene war die optimistische

Einschätzung eines Erfolgs dieser Strategie gar nicht so abwegig.

Von den prominenten Vertretern der National-Liberalen führte insbesondere Erich Mende in zahlreichen Interviews eine scharfe Klinge. So zitierte ihn die WELT AM SONNTAG noch am Tage vor Beginn des Parteitages: „Wenn die Partei nicht zurückfindet zur liberalen Mitte, die offen ist nach beiden Seiten, SPD und CDU/CSU, dann wird es möglicherweise bald keine FDP mehr oder aber eine zweite liberale Partei geben ..." Die National-Liberalen verlangten vom Parteitag also in erster Linie eine Klärung des Standortes mit dem Minimal-ziel einer deutlichen Distanzierung von der SPD und dem Maximalziel eines erneuten Bündnisses mit der CDU/CSU, vielleicht zunächst praktiziert auf Länderebene.

Der damalige Bundesvorsitzende der Jung-demokraten, Heiner Bremer, artikulierte am gleichen Tag im STERN die Vorstellungen des linken Flügels in der F. D. P.: „Die Partei, ohne die Heinemann nicht Präsident und Brandt nicht Kanzler geworden wäre, hat die vom Linksschwenk verprellten alten Wähler nicht zurückgewinnen können. Und neue Wähler von links blieben aus, weil die FDP in den letzten Wochen immer lauter von Bremsen und Bewahren, dafür aber immer leiser von Fortschritt und Veränderung sprach .... Die FDP als Regierungspartner erscheint im Verhältnis zum Koalitionspartner SPD vorwiegend als besitzbürgerliches Korrektiv, als Kontrollinstrument des Establishments, dessen Aufgabe sich darin erschöpft, innere Reformen entweder zu blockieren oder abzuschwächen .... Fortschrittliche Liberale und Jung-demokraten empfehlen die Taktik des Ring-tausches: Die Volkspartei SPD muß die Volkspartei CDU schröpfen; dann kann die FDP, ohne das Bonner Regierungslager zu schwächen, von der SPD kritische Individualisten und Intelligenzler übernehmen .... Dieser Optimismus fußt auf der Analyse der FDP-Wahl-schlappe von 1969, die Düsseldorfer Marktforscher verfaßt haben und deren Diskussion der Parteivorstand bisher unterdrückt hat. Danach sind neue Wähler vor allem bei den linksorientierten sozialen Aufsteigern zu holen, nicht aber beim frustrierten Mittelstand; die scharfe Frontstellung zwischen CDU und SPD macht es der FDP künftig unmöglich, rechts, links und in der Mitte zugleich nach Wählern zu fischen." Während die Konservativen die Wahlniederlage auf den — relativ — progressiven Kurs des Parteivorstandes unter Scheel zurückführten, sahen die Progressiven die Ursache darin, daß dieser Kurs nicht konsequent genug durchgehalten und weiterentwickelt worden sei. Bei derart diametralen Konzeptionen schien eine Einigung nahezu unmöglich und ein Konflikt im Bereich des Wahrscheinlichen zu liegen, der zu einer Spaltung der Partei eskalieren konnte. diskreditiert, daß er auch bei zahlreichen Delegierten keine Unterstützung mehr fand, die mit dem Vorstandskurs nicht ganz einverstanden waren. Jedenfalls gewann ein Antrag die Mehrheit der Delegierten, in dem Erich Mende die Mißbilligung des Parteitages für seine öffentlichen Stellungnahmen in den vergangenen Monaten ausgesprochen wurde. 7. Aufgrund des Mitte-Links-Bündnisses ergab sich eine deutliche Verschiebung in der personellen Zusammensetzung des Parteivorstandes, die die Position der Anhänger des sozialliberalen Kurses wesentlich stärkte. Unter anderen schieden Erich Mende, Siegfried Zoglmann unnd Heinz Starke aus dem Bundesvorstand aus 3. Die Landtagswahlen in Hessen und Bayern a) Der Parteiwechsel der Gruppe Zoglmann, Mende, Starke

Die personellen Entscheidungen des Partei-tages führten zu einer eindeutigen Stärkung der Führungsgruppe um Scheel, Genscher und Mischnick. Mindestens 20 der 33 Mitglieder des neuen Bundesvorstandes waren zweifelsfrei Befürworter der sozial-liberalen Koalition; profilierte Gegner dieses Bündnisses waren im neuen Vorstand nicht mehr vertreten. Aus dieser Entwicklung mußte jeder aufmerksame Beobachter der F. D. P. die Schlußfolgerung ziehen, daß die Chancen einer Strategie des „Umkoalierens" auf den Nullpunkt gesunken waren. Nach diesem Parteitag der Liberalen war nicht mehr zu erwarten, daß die F. D. P. in absehbarer Zeit eine Wiederannäherung an die CDU/CSU realisieren wollte und konnte.

Aus der Sicht der CDU/CSU konnte nunmehr die Strategie der vorzeitigen Ablösung der sozial-liberalen Koalition nur noch über den Zerfall der F. D. P. und/oder den Parteiwechsel einzelner FDP-Abgeordneter zum Erfolg geführt werden. Spätere Aussagen von CDU-Politikern, sie würden einer geschlossenen Umkehr der FDP den Vorzug geben und diese auch für* wahrscheinlich halten müssen vor dem Hintergrund der Tatsache gesehen werden, daß das Eingeständnis, auf einen der beiden anderen Wege zu hoffen, publizistisch kaum positiv „verkauft“ werden konnte.

Die Bundestagsabgeordneten Mende, Starke und Zoglmann waren die einzigen als Gegner der sozial-liberalen Koalition profilierten Fraktionsmitglieder mit Sitz im Bundesvorstand gewesen Mende und Zoglmann hatten bereits bei der Aufstellung als Bundestagskandidaten im Jahre 1969 erhebliche Schwierigkeiten. Ihren 2. bzw. 5. Landeslistenplatz in Nordrhein-Westfalen hatten sie vor allem der Unterstützung von Willi Weyer zu verdanken, während starke Gruppen in der Landesdelegiertenversammlung ihre Abwahl forderten Gerade Weyer sah sich aber durch den hinhaltenden Widerstand Mendes und Zoglmanns gegen die von ihm forcierte sozial-liberale Koalition erheblich getäuscht, so daß nach dem Verlauf des Parteitages unzweifelhaft feststand, daß weder Mende noch Zoglmann mit einer politischen Zukunft in der F. D. P. rechnen konnten. Selbst wenn sie versucht hätten, unauffällig in der Fraktion zu „überwintern", wäre bei fortschreitender Veränderung der innerparteilichen Basis ihre Karriere als Bundestagsabgeordneter spätestens 1973 beendet gewesen. Und die Tatsache, daß ihre politischen Grundhaltungen mehr denen der CDU/CSU entsprachen als dem sich abzeichnenden sozial-liberalen Selbstverständnis der innerparteilichen Mehrheit, hätte sie zunehmend isoliert und politisch zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Eine Taktik des begrenzten innerparteilichen Konflikts unter Ausnutzen der knappen Mehrheitsverhältnisse mit dem Ziel innerparteilichen Richtungswechsels aber mußte nach dem Bonner Parteitag, also spätestens seit Ende Juni 1970, sinnlos erscheinen. Ähnlich war die Situation im Fall Starke, der nach der Ernennung Josef Ertls zum Bundesminister ohnehin nicht mehr damit rechnen konnte, 1973 erneut die bayerische Landesliste der F. D. P. anzuführen. Nach dem Ausscheiden des konservativen Landesvörsitzenden Bahner mußte er zudem innerparteiliche Umgewichtungen im bayerischen Landesverband befürchten Auch er konnte sich selbst bei relativem Wohlverhalten im Sinne der Parteivorstandsmehrheit wenig Hoffnung auf eine politische Karriere über 1973 hinaus machen.

In allen Fällen dürfte vermutlich auch die Tatsache eine Rolle gespielt haben, daß die politischen Uberlebenschancen der F. D. P. allgemein im Sommer 1970 geringer denn je eingeschätzt wurden. Sowohl das der CDU nahe-stehende demoskopische Institut in Allensbach wie auch das der SPD nahestehende Infas-Institut ermittelten im September 1970 FDP-Stimmenanteile von weniger als fünf Prozent

Entscheidend für die Eskalation des Konfliktes war aber sicherlich, daß die Versuche, die Dissidenten doch noch zu integrieren, nach dem Bonner Parteitag auch allmählich vom Partei-und vom Fraktionsvorstand aufgegeben wurden, ungeachtet der knappen parlamentarischen Mehrheit. Der „Casus belli" war die aus dem Hohensyburger Kreis hervorgegangene National-Liberale Aktion (NLA). Durch zunehmende Institutionalisierung dieser Gruppe die Spaltung der Parteiorganisation befürchtend, beschlossen die Landesverbände von Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg die Unvereinbarkeit von Mitgliedschaften in F. D. P. und NLA. Am 5. September stellte der Bundesvorstand den Antrag auf Ausschluß des NLA-Vorsitzenden Zoglmann aus der FDP. Am 22. September wurde das Ausschlußverfahren auf den 14. Oktober angesetzt

Diesem Verfahren kam Zoglmann dadurch zuvor, daß er am 6. Oktober die Gründung einer neuen Partei ankündigte, aus der FDP-Bundes-tagsfraktion austrat und sich am 9. Oktober als Hospitant der CDU/CSU-Fraktion anschloß. Gleichzeitig traten Mende und Starke zur CDU bzw. CSU über. Zoglmann stellte den Parteiwechsel als Antwort auf die „Vertreibungsaktion durch die FDP-Landesverbände in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg" dar, also auf die Be-Schlüsse der Unvereinbarkeit von NLAund FDP-Mitgliedschaft

Die Übertritte waren letztlich Resultat einer Entwicklung, die ihren Höhepunkt in der Oppositionsphase der FDP von 1966 bis 1969 hatte Die Parteiwechsler waren Opfer der Kursänderung ihrer Parteiführung, die vor allem im Wechsel der Koalitionspräferenz zum Ausdruck kam. Sie hatten bei dieser Kursänderung teils den „Anschluß" verpaßt, teils den Wandel nicht mitvollziehen wollen, weil er ihren Grundüberzeugungen widersprach. Die politische Umorientierung der FDP aber war ein innerparteilicher Kraftakt, der vom Kern der 1968 gewählten Parteispitze, unterstützt durch einige Landesverbände und Gruppen vor allem jüngerer Parteimitglieder, vollzogen und mittels der Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten der Öffentlichkeit und dem zukünftigen Koalitionspartner signalisiert wurde. Ein relativ geschlossenes Votum der FDP für Heinemann war im Vorfeld der Bundestagswahl 1969 offenbar aber nur zu erreichen durch Kompromisse bei der Kandidatenaufstellung zum Bundestag. So zogen auch einige FDP-Abgeordnete 1969 wieder in den Bundestag ein, obwohl bekannt war, daß sie den neuen Vorstandskurs nicht billigten. Diese Abgeordneten gewannen durch das Zusammenschrumpfen der FDP-Fraktion und durch die knappen Mehrheitsverhältnisse eine Bedeutung, die ihrer innerparteilichen Basis aber nicht mehr entsprach.

Der Parteiwechsel der Gruppe Zoglmann, Mende, Starke warf in erster Linie folgende Probleme auf:

1. Welche Chancen bestanden für die Umstrukturierung des Parteiensystems durch die Gründung einer neuen national-konservativen oder national-liberalen Partei? 2. Inwieweit war diese Neugründung im Zusammenhang mit Intentionen von Franz Josef Strauß zu sehen, die CSU möglicherweise bundesweit zu konstituieren?

3. Welche weiteren FDP-Bundestagsabgeord-neten könnten sich der Gruppe Zoglmann, Mende, Starke anschließen?

4. Wie würde sich der Parteiwechsel der drei Abgeordneten auf die Landtagswahlen und die Stabilität der Bundesregierung auswirken? einem Zusammenhang Uber diese in engen stehenden Fragen wurde in der öffentlichen Diskussion ausgiebig spekuliert. Während die ZEIT unter Hinweis auf bisherige Erfahrungen in der Bundesrepublik einer von Zoglmann neugegründeten Partei wenig Chancen einräumte erschien die BILD-Zeitung mit der Überschrift „FDP spaltet sich" und artikulierte damit die Erwartung, daß diese Parteiwechsel der Anfang eines weitergreifenden Erosionsprozesses der FDP seien, der das Schicksal der sozial-liberalen Koalition besiegele. Die FDP-Führung räumte indirekt ein, daß der Erfolgszwang für die bevorstehenden Landtagswahlen durch die Übertritte stärker geworden sei; die Hessische Landtagswahl wurde als Test für den Liberalismus in Deutschland bezeichnet. Walter Scheel gab zu, daß die Übertritte Verunsicherungseffekte in der Partei erzeugen würden, betonte aber gleichzeitig, daß mit ihnen ein Klärungsprozeß eingeleitet worden sei, der die Partei in naher Zukunft wieder aktionsfähiger mache SPD und FDP zeigten sich — offenbar gestützt auf entsprechende Umfrageergebnisse — hinsichtlich des hessischen Wahlergebnisses recht optimistisch; so meinte Brandt, die FDP werde ihren Weg „ganz gut finden"

Andererseits sahen sich Scheel und Weyer wenige Tage nach dem Parteiwechsel der drei Abgeordneten veranlaßt, allen einen harten Kampf anzusagen, die die F. D. P. zu einer Linkspartei machen wollten Und Hans-Dietrich Genscher betonte — wohl auch nicht zufällig in dieser Situation — erneut, daß die FDP „Garant der marktwirtschaftlichen Ordnung und des Eigentums" bleibe Offenbar war die Parteiführung bestrebt, auf dem linken Flügel keine Euphorie aufkommen zu lassen, die noch mehr konservative Abgeordnete zum Verlassen der Partei bewegen könnte. Innerparteilich und im Kreis jüngerer FDP-Sympa-thisanten erzeugten die Austritte vermutlich einen gewissen Solidarisierungs-und Konzentrationseffekt.

Nahezu einheitlich wurden in der Presse die Überlebenschancen der F. D. P. in düsteren Farben gemalt. So sinnierte Rolf Zundel in der ZEIT: „Vielleicht haben die Freien Demokraten tatsächlich nur noch die Wahl zwischen Guillotine und Gift — zwischen dem raschen Ende durch Spaltung oder Neuwahl und dem langsamen Sterben am Gift der Koalition. Da sich aber in der Regel von der Guillotine niemand erholt, sind die Chancen beim Gift immer noch besser; vielleicht ist noch Genesung möglich...."

Die SPD-Führung reagierte auf die Übertritte mit der Taktik des Herunterspielens: Die Basis der Regierung sei nicht schwächer geworden, denn Zoglmann, Mende und Starke seien niemals zur Regierungsmehrheit zu zählen gewesen, und die Regierung verfüge mit 251 gegen 245 Mandate der Opposition immer , noch über eine ausreichende Mehrheit. Dennoch wurde durch die Übertritte die parlamentarische Arbeit der Regierung erschwert. Sie verlor die Mehrheit in einigen Ausschüssen und mußte mit der CDU/CSU über ein neues Berechnungsverfahren verhandeln, das ihr wieder die Mehrheit in allen Ausschüssen sicherte

Ansonsten aber sah die Regierung keinen Zwang zu einer stärkeren Kooperation mit der Opposition, denn der Grad der Polarisierung hatte kurz zuvor gerade einen Höhepunkt erreicht. Am 23. September 1970 hatte Bundes-finanzminister Alex Möller (SPD) in einer erregten Debatte der CDU/CSU zugerufen: „Diejenigen, die diese beiden Weltkriege und die darauffolgenden Inflationen zu verantworten haben, stehen Ihnen geistig näher als der SPD.“ Die CDU/CSU reagierte darauf mit dem Auszug aus dem Bundestag und einer Verschärfung ihrer Angriffe gegen die Koalition in den folgenden Wochen. Eine Wiederaufnahme der Großen Koalition zwecks Über-windung der instabilen parlamentarischen Situation stand weniger denn je zur Debatte

Hauptpunkt der Spekulationen war die Frage nach den politischen Absichten der CDU/CSU-Führung: Würde sie in absehbarer Zeit ein konstruktives Mißtrauensvotum gegen Brandt wagen oder zielte sie darauf ab, die Regierung langsam aber sicher zu zermürben? Könnte sie in Anbetracht ihrer ungeklärten Verhältnisse an der Führungsspitze überhaupt unverzüglich handeln? Lohnte es sich für die CDU/CSU zu diesem Zeitpunkt, besonders in Anbetracht der zunehmenden wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten überhaupt, die Regierung zu übernehmen? Würde eine um einige Parteiwechsler verstärkte CDU/CSU-Fraktion bei vermutlich knapper Mehrheit stabiler sein als die sozialliberale Koalition?

Diese Fragen ließen sich zum damaligen Zeitpunkt schon deshalb kaum beantworten, weil die führenden Politiker der CDU/CSU uneinheitliche und zum Teil widersprüchliche Stellungnahmen abgaben oder nicht eindeutig Position bezogen. Damit nährten sie aber in erheblichem Maße den weit verbreiteten Verdacht, die CDU/CSU habe bei den Übertritten in dubioser Weise ihre Finger im Spiel gehabt. CDU-bzw. CSU-Wahlkreise wurden für Mende und Starke am Tage des Übertritts genannt, der CSU-Vorsitzende Strauß als Ziehvater der Parteigründung Zoglmanns verdächtigt Der F. D. P. -Bundestagsabgeordnete William Borm legte in der FRANKFURTER RUNDSCHAU Verbindungen zwischen CSU, NLA, CSU-Freundeskreisen, Witikobund und NPD offen; die Reaktion der CSU bestand in allzu pauschalen Dementis Brandt prägte in einem Kommunique des SPD-Parteivorstandes den Begriff der „rechten apO", indem er von einem „großangelegten Versuch einer rechten außerparlamentarischen Opposition" sprach, die versuche „das Rad der Entwicklung zurück-zudrehen, die Entspannungspolitik zu stören und in die Konjunkturpolitik so einzugreifen, daß die Bemühungen um mehr Stabilität zunichte gemacht werden"

Man rechnete allgemein mit Übertritten weiterer FDP-Abgeordneter, die Erich Mende prophezeite, und war davon überzeugt, daß die drei Parteiwechsel als Auftakt für die Landtagswahlen in Hessen und Bayern gedacht seien So formulierte zum Beispiel Rolf Zundel in der ZEIT über die Parteiwechsler genüßlich: „Das Gewissen hat ihnen in einem für die CDU ungewöhnlich günstigen Augenblick geschlagen." Die Zukunftsaussichten der F. D. P. schienen nach dem Übertritt der Gruppe Zoglmann, Mende, Starke ungünstiger denn je zu sein. b) Die Einschätzung der Parteien vor der Landtagswahl in Hessen Die umfangreiche publizistische Auswertung der Parteiwechsler-Affäre drei bis vier Wochen vor der hessischen Landtagswahl bestimmte übermäßig stark die Erwartungen, die an diese Wahl geknüpft wurden. Die Ausgangspositionen der Parteien lassen sich aber nur zutreffend einschätzen, wenn die wichtigsten politischen Vorgänge seit der Drei-Länder-Wahl im Zusammenhang erfaßt werden.

Die Überraschung, die das hessische Landtags-wahlergebnis der F. D. P. in Höhe von 10, 1 Prozent (gegenüber nur 6, 7 Prozent bei der Bundestagswahl 1969) auslöste, ist wahrscheinlich nicht zuletzt auf eine Überschätzung und Fehlinterpretation der Auswirkungen der Parteiwechsler-Affäre zurückzuführen. Einmal wurde der Solidarisierungseffekt mit der „verratenen" Partei unterschätzt, zum anderen die positive Signalwirkung, die der Austritt Mendes auf F. D. P. -Sympathisanten im Grenzbereich zur sozialdemokratischen Wählerschaft haben mußte. Vor allem aber wurde die politische Entwicklung in anderen Bereichen, insbesondere der Außenpolitik, zu wenig beachtet.

Werner Kaltefleiter hat die „Frage, welche Veränderungen zwischen dem Juni und dem November 1970 eingetreten sind, die diese Stabilisierung der F. D. P. bewirkt haben, ..." mit der Feststellung beantwortet: „Hinweise für eine große Veränderung können weder aus der politischen Entwicklung noch aus den Ergebnissen der Meinungsforschung gezogen werden." In diesem Punkte vermag ich Kaltefleiter nicht ganz zu folgen.

Bekanntlich wird eine Partei vom Wähler in hohem Maße mit ihren politischen Führungspersönlichkeiten identifiziert Vergleicht man in dieser Hinsicht die Einschätzung der F. D. P. vor der Drei-Länder-Wahl und vor der hessischen Landtagswahl, so zeigt sich ein deutlicher Unterschied. Der Parteivorsitzende der F. D. P., Walter Scheel, stand bis zum Juni 1970 als Außenminister eindeutig im Schatten des Bundeskanzlers sowie des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Egon Bahr. Der Kanzler führte im Frühjahr 1970 die spektakulärsten Gespräche, die Verhandlungen mit dem DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph, selbst und entsandte zu den Verhandlungen mit der UdSSR bzw. Polen seine wichtigsten Mitarbeiter während der Regierungstätigkeit in der Großen Koalition, die Staatssekretäre Bahr und Duckwitz. Duckwitz war zwar als Staatssekretär im Auswärtigen Amt nunmehr Untergebener des Außenministers Scheel, hatte aber unmittelbaren Zugang zum Bundeskanzler. Diese konfliktträchtige Konstellation wurde am 1. Juni 1970 mit der Ernennung von zwei neuen Staatssekretären im Auswärtigen Amt beseitigt Drei Wochen später brachte die eindeutige Bestätigung als Parteivorsitzender dem Außenminister innerparteiliche Entlastung und vor Hintergrund Ab dem des ungünstigen -schneidens der F. D. P. bei der Drei-Länder-Wahl erreichte er eine stärkere Rücksichtnahme des großen Koalitionspartners auf die Profilierungsnotwendigkeiten der Liberalen

Scheel übernahm auf ausdrücklichen Beschluß des Bundeskabinetts im Juli 1970 die Fortführung der von Bahr bisher geführten Moskauer Verhandlungen, deklariert als Übergang von Vorgesprächen zu Verhandlungen. Scheel mußte sich anfangs von der oppositionellen Presse sagen lassen, im Grunde sei sein Auftreten nur Formsache, in Wirklichkeit habe Egon Bahr bereits alles geregelt. Derartige Stimmen verstummten allerdings mit zunehmender Verhandlungsdauer. Scheel trat ab Mitte Juli kontinuierlich als deutscher Unterhändler auf den bundesdeutschen Bildschirmen in Erscheinung Die nahezu ununterbrochene Kette von Kontaktgesprächen mit Bündnispartnern und Verhandlungen mit osteuropäischen Staaten erhöhte offenbar die Popularität Scheels. Die „Zustimmung zu seiner Politik" stieg laut einer im STERN veröffentlichten Allensbacher Untersuchung von Juli bis September 1970 von 33 auf 44 Prozent

Die Ostpolitik wurde nach der Drei-Länder-Wahl in noch stärkerem Maße als zuvor zum Aktivposten der Bundesregierung. Das relativ schlechte Abschneiden von SPD und F. D. P. am 14. Juni führte zwar einerseits zu einem erneuten Kooperationsangebot an die Opposition hinderte die Regierung aber nicht, die Verhandlungen konsequent voranzutreiben und die Opposition vor immer neue Tatsachen zu stellen. Die der Opposition nahestehende Presse versuchte zwar mehrfach, durch Veröffentlichung geheimer Papiere und vorzeitige Bekanntgabe von Vertragstexten die Verhandlungen zu stören und die Regierung der Bundesrepublik zu diskreditieren konnte damit aber auch nur marginale Wirkungen erzielen. Die Verhandlungen mit der Sowjetunion wurden Anfang August abgeschlossen, die Verträge von Brandt und Scheel am 12. August 1970 in Moskau unterzeichnet. Die Ratifizierung sollte allerdings erst nach Erreichen einer befriedigenden Berlin-Lösung in den Vier-Mächte-Gesprächen eingeleitet werden. Der Abschluß der Moskauer Verhandlungen forcierte die Gespräche auf den anderen Ebenen, vor allem die Verhandlungen in Warschau und die Vier-Mächte-Verhandlungen in Berlin, und führte zu einer Wiederaufnahme der Gespräche mit der DDR.

Eine Woche vor der hessischen Landtagswahl fand in Kronberg/Taunus ein Treffen der Außenminister Gromyko und Scheel statt, das von der Opposition als „Wahlhilfe" für die sozial-liberale Koalition, insbesondere aber für Walter Scheel und die F. D. P., apostrophiert wurde In der Tat dürfte im Rahmen der permanenten Regierungsdarstellung der Ost-politik der Gromyko-Besuch eine besondere Rolle gespielt haben, zumal er das andere zentrale Wahlkampfthema, die Stabilitätspolitik, aus den Schlagzeilen verdrängte. Abgesehen vom sicherlich nicht zufälligen Tagungsort ist dieses Treffen außenpolitisch vor allem im Zusammenhang mit den Warschauer Verhandlungen zu sehen, zu denen der deutsche Außenminister anschließend fuhr.

Zusammenfassend ist zu diesem Themenkomplex zu sagen: Verhandlungsverlauf und Termingestaltung erlaubten Walter Scheel in den Monaten Juli bis November 1970 eine optimale Selbstdarstellung, der die Opposition aufgrund ihres Informationsrückstandes, aber auch mangels innerparteilicher Geschlossenheit und infolge selbstgewählter Isolation •— zum Beispiel durch die Weigerung, einen CDU/CSU-Politiker im August in die Moskauer Delegation zu entsenden — nichts entgegenzusetzen hatte.

Alle anderen Problembereiche traten hinter der Ostpolitik eindeutig zurück. Das gilt auch für die wirtschaftspolitischen Fragen, obwohl die Stabilitätspolitik der Regierung zunehmend fragwürdiger wurde. Im Kabinett wurden zwar die ersten internen Auseinandersetzungen sichtbar, vor allem zwischen den sozialdemokratischen Ministern Schiller und Möller, aber sie kamen noch nicht zum offenen Ausbruch Der Bundesrat spielte als Forum der Auseinandersetzung noch eine untergeordnete Rolle. Innerparteiliche Spannungen hatten im Jahre 1970 alle Parteien etwa gleichermaßen zu verzeichnen, wenn man das Parteiwechsler-Problem als Sonderfall ansieht, der nicht nur einer Partei zugeordnet werden kann, sondern sowohl hinsichtlich der verlassenen wie der aufnehmenden Partei zu ambivalenten Einschätzungen führte. Parteiwechsler-Affäre und Ostpolitik aber waren die dominanten Problembereiche, hinter die wirtschaftpolitische Fragen zurücktraten. Aus dieser Gewichtung ergibt sich eine relativ vorteilhafte Konstellation für die sozial-liberale Koalition.

Die hessische Landtagswahl erhielt nicht zuletzt auch dadurch einen dominierenden bundespolitischen Akzent, daß von vornherein landes-und bundespolitische Parteienkonstellation weitgehend identisch waren. Die F. D. P. stand zwar vor der Wahl wie die CDU im Wiesbadener Landtag in der Opposition, hatte sich aber bereits unmittelbar nach der Drei-Länder-Wahl und dem FDP-Bundesparteitag auf ein Bündnis mit den Sozialdemokraten festgelegt Der hessische CDU-Vorsitzende Alfred Dregger konnte mit seinen Koalitionsangeboten bei den Freien Demokraten nichts ausrichten Der hessische F. D. P. -Landes-B verband stand unter der Führung Mischnicks eindeutig hinter der sozial-liberalen Koalition und hatte kaum Probleme mit der NLA Nur ansatzweise versuchten die Liberalen, Distanz zur SPD zu halten; selbstverständlich war es ihr Ziel, die absolute Mehrheit der SPD zu brechen und Linkstendenzen in der hessischen SPD einzudämmen. Dem Bremserimage versuchten sie mit dem Bild vom unbeweglichen Goliath und dynamischen David entgegenzutreten, so wie bereits die Hamburger F. D. P. mit dem Bild vom „dicken Dampfer" und dem kleinen beweglichen Lotsen gearbeitet hatte. Die Werbung war also eindeutig auf die Korrektivfunktion zur SPD ausgerichtet, mit dem Ziel, vor allem unzufriedene SPD-Sympathisanten und -Anhänger für die F. D. P. zu gewinnen und damit der Koalition zu erhalten.

Die Bevölkerung teilte offenbar den Optimismus der hessischen FDP-Landespolitiker nicht: Während Heinz Herbert Karry mit 10 Prozent der Stimmen rechnete und Wolfgang Mischnick an eine Verbesserung des Bundestags-wahlergebnisses (6, 7 Prozent) glaubte, meinten 71 Prozent der Befragten in der Woche nach dem Austritt Zoglmanns, Mendes und Starkes, die FDP würde in Hessen und Bayern nicht wieder in den Landtag einziehen Selbst wenn dieses Ergebnis nicht als repräsentativ eingestuft werden kann, so gibt es doch sicherlich zutreffend die Tendenz wieder, die auch die Presse beherrschte: Bei der hessischen Landtagswahl geht es um die Existenz der F. D. P. und der sozial-liberalen Koalition. Überschriften wie: „Die F. D. P. kämpft um das überleben“ — „Die F. D. P. spricht von verzweifeltem Kampf in Hessen" waren typische Schlagzeilen, deren Wirkung durch andere Schlagzeilen wie: „Strauß: Ich brauche nur zwölf Stunden für eine Regierung" sowie durch CDU-Kabinettslisten verstärkt wurde.

Die Bekanntgabe von Meinungsumfragen seitens der SPD die CDU-Gewinne von über 10 Prozent im Vergleich zur vorausgegangenen Landtagswahl vorhersagte, und Meldungen über Bürgerkomitees zugunsten der F. D. P. kennzeichneten die mit Blick auf Bonn nach der Parteiwechsler-Affäre verschärfte Polarisierung. Die Situation der F. D. P. schien sich in der Endphase des Wahlkampfes zunehmend zu stabilisieren, zumal auch in der Sozialdemokratie immer mehr darauf hingewiesen wurde, daß die Stabilität der Bonner Koalition nahezu ausschließlich vom F. D. P. -Wahlergebnis abhänge Kiesingers Reiz-wort „Hinauskatapultieren" schuf eine koali-tionsinterne Solidarität, die in dieser Form in der Bundesrepublik bisher unbekannt war und wohl auch nur bei derart knappen Mehrheitsverhältnissen denkbar ist. c) Das Ergebnis der hessischen Landtagswahl vom 8. November 1970 Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses fragte sich allerdings mancher Sozialdemokrat, ob die Solidarität nicht zu weit gegangen sei. Die SPD erzielte statt 51, 0 Prozent (1966) nur noch 45, 9 Prozent der Stimmen und verlor damit die absolute Mehrheit im Landtag; sie blieb um 2, 3 Prozentpunkte hinter ihrem Bundestagswahlergebnis von 1969 zurück. Die F. D. P. verfehlte um nur 0, 3 Prozentpunkte ihr Resultat von 1966 (10, 4 Prozent) und verbesserte sich gegenüber der Bundestagswahl 1969 um 3, 4 Prozentpunkte. Dies war der erste deutliche F. D. P. -Gewinn bei einer Landtagswahl nach Bildung der sozial-liberalen Koalition, denn in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen hatte die F. D. P. ihren Stand von 1969 nur in etwa halten können, im Saarland und in Niedersachsen sogar weitere Verluste hinnehmen müssen. Die CDU konnte das bei der Bundestagswahl 1969 erreichte Wahlergebnis von 38, 4 Prozent noch um 1, 3 Prozentpunkte auf 39, 7 Prozent steigern; damit erzielte sie im Vergleich zu 1966 einen Zuwachs von 13, 3 Prozentpunkten.

Der etwas über den allgemeinen Erwartungen liegende CDU-Gewinn, der nicht nur auf die erheblichen Verluste der NPD und den Zulauf von früheren BHE-Wählern zurückgefuhrt werden konnte, sondern in erheblichem Maße auch auf SPD-CDU-Wechslern und FDP-CDU-Wechslern beruhte, verblaßte in seiner poli-tischen Wirkung hinter dem überraschenden zweistelligen Erfolg der Liberalen.

Dieser wurde in seiner langfristigen politischen Bedeutung allerdings durch die Leihstimmentheorie in Frage gestellt. Die Ergebnisse auf Wahlkreis-und Gemeindeebene ließen eine eindeutige Korrelation von SPD-Verlusten und F. D. P. -Gewinnen erkennen; offenbar hatten — wie zum Teil bereits im Wahlkampfverlauf erkennbar — zahlreiche Sozialdemokraten, SPD-Stammwähler und SPD-Sympathisanten aus Gründen der Koalitionsstabilisierung in Bonn der F. D. P. ihre Stimme gegeben, zumal die landespolitische Übermacht der SPD ungefährdet und ein Mehrheitsgewinn der CDU undenkbar schien. Da die SPD vor allem im südhessischen Ballungsraum zugunsten der F. D. P. Stimmen verloren hatte, wurde insbesondere von der Opposition die These dahin gehend spezifiziert, daß „linke Kader" eine Hilfsaktion für die F. D. P.organisiert hätten 150). Diese These ließe sich bestenfalls mit dem Hinweis auf Einzelinitiativen stützen und hat zudem das plausible Argument gegen sich, daß gerade den „Linken" in der SPD an einer absoluten Mehrheit ihrer Partei gelegen sein mußte, um in der Landtagsfraktion eine linke Sperrminorität bilden zu können.

Mit Sicherheit läßt sich hingegen behaupten, daß die Koalitionsstabilisierung ein bestimmendes Moment für den SPD-F. D. P. -Wechsel war 151). Fraglich bleibt aber, welcher Typ bisheriger SPD-Wähler Diese These ließe sich bestenfalls mit dem Hinweis auf Einzelinitiativen stützen und hat zudem das plausible Argument gegen sich, daß gerade den „Linken" in der SPD an einer absoluten Mehrheit ihrer Partei gelegen sein mußte, um in der Landtagsfraktion eine linke Sperrminorität bilden zu können.

Mit Sicherheit läßt sich hingegen behaupten, daß die Koalitionsstabilisierung ein bestimmendes Moment für den SPD-F. D. P. -Wechsel war Fraglich bleibt aber, welcher Typ bisheriger SPD-Wähler vor allem den Wechsel vollzogen hat. In der Opposition und auf dem rechten Flügel der SPD wurde die Abwanderung von den Sozialdemokraten zu den Liberalen überwiegend als Absage an den linken Parteiflügel der SPD gewertet Die These schien einen sichtbaren Beweis in der Tatsache zu finden, daß gerade zahlreiche Jungsozialisten, die in sogenannten sicheren SPD-Wahlkreisen kandidierten, von CDU-Außenseitern geschlagen wurden. Diese Erscheinung beruhte aber in erster Linie darauf, daß die Jungsozialisten — der Partei Struktur entsprechend — fast ausnahmslos in städtischen Wahlkreisen des südhessischen Ballungsraumes kandidierten. Vergleicht man ihre Verluste mit den Ergebnissen „rechter" oder „gemäßigter" Sozialdemokraten in entsprechend strukturierten

Wahlkreisen, so ergibt sich kein signifikanter Unterschied.

Daher dürfte eine Erklärung tragfähiger sein, die bei der Umstrukturierung der F. D. P. -Wählerschaft ansetzt. Schon die Bundestagswahl 1969 hatte gezeigt, daß die Liberalen ihre Stammwählerschaft in ländlichen Wahlkreisen, und zwar gerade in bisherigen FDP-Hochbur-gen, am wenigsten halten konnten und — überwiegend an die CDU — abgeben mußten 153). In städtischen Bereichen, insbesondere bei Überrepräsentation des tertiären Sektors, konnten sie sich hingegen relativ gut behaupten. Diese Tendenz wurde auch durch die folgenden Landtagswahlen, vor allem in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen, bestätigt. Deutlicher denn je aber zeigte sich diese Umschichtung der FDP-Wählerschaft in der hessischen Landtagswahl. Während die F. D. P. in bisherigen ländlichen Hochburgen wie den nordhessischen Wahlkreisen Waldeck und Frankenberg/Ziegenhain Verluste bis zu 12 Prozentpunkten (im Vergleich zu 1966) hinnehmen mußte, verzeichnete sie in Frankfurt und Darmstadt Gewinne von nahezu 4 Prozentpunkten sowie in Kassel von über 2 Punkten und verbesserte ihren Stimmenanteil in Wiesbaden, Offenbach, Marburg, Gießen, Hanau und sogar in Fulda 154).

Die F. D. P. verlor offensichtlich den größeren Teil ihrer zum traditionellen Mittelstand (selbständige Landwirte, Kaufleute, Gewerbetreibende) zählenden Anhängerschaft; das Schwergewicht ihrer Wählerschaft verlagerte sich offenbar in den Bereich des „neuen Mittelstandes", zu dem in erster Linie Beamte und leitende Angestellte bzw. Angestellte in gehobenen und mittleren Positionen zu zählen sind. Hier dominiert der Typ des sozialen Auf-steigers; jüngere Jahrgänge sind stärker vertreten als die älteren. Dieser Trend stellte sich allerdings eindeutig erst bei der Bundestagswahl 1972 heraus 155), begann aber spätestens 1969 und führte bei der hessischen Landtagswahl erstmals zu einer sichtbaren Stabilisierung der FDP. Dennoch blieb wegen des überaus hohen Anteils potentieller Wechselwähler eine weitgehende Unsicherheit in der Einschät-zung der Zukunftsaussichten für eine dritte Kraft im deutschen Parteiensystem. d) Bundespolitische Situation vor der Landtagswahl in Bayern Abgesehen vom Bedauern einiger SPD-Politiker, die F. D. P. im hessischen Landtagswahlkampf zu sehr geschont zu haben bestand in der Koalition weitgehend Einigkeit in der Einschätzung des Wahlergebnisses als Stabilisationsfaktor für die Bonner Regierung, ja sogar für die Düsseldorfer Regierung, die nach dem Austritt von drei FDP-Landtagsabgeord-neten nur noch über 102 von 200 Mandaten verfügte Das Wahlergebnis konnte gemessen an der Wahlkampfargumentation sowie der Gesamtsituation nahezu ohne Einschränkung bundespolitisch verstanden werden.

Die seit dem Frühjahr ununterbrochen geführte Diskussion um Neuwahlen schien nach dieser Landtagswahl nicht mehr sinnvoll. Weitere Erosionserscheinungen in der F. D. P. wurden kaum noch für wahrscheinlich gehalten, da vom raschen Untergang der Liberalen nicht mehr die Rede sein konnte und potentiellen Parteiwechslern das Argument nicht mehr so eindeutig zur Verfügung stand, der Wähler honoriere den neuen Kurs der F. D. P. nicht.

Alfred Rapp brachte — repräsentativ für zahlreiche Pressestimmen — in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN die Auswirkungen auf folgenden Nenner: „Kanzlersturz ist in Bonn vor der Wahl in Bayern und nach der Wahl in Hessen kein aktuelles Thema mehr. Im Blick auf die Bayernwahl wird nicht wie vor der Hessenwahl gerätselt, gehofft, gefürchtet, daß ein CDU-Kanzler in naher Sicht sei. Die Akte . Regierungswechsel’ ist abgelegt, bis auf Wiedervorlage, die durchaus den Jahresstempel 1973 tragen kann." Wie sich allerdings im Laufe des nächsten Jahres zeigen sollte, hatte die Bundesregierung mit dieser Wahl nicht mehr als eine Atempause gewonnen.

Da von einer unmittelbaren Gefährdung der Bundesregierung aber nicht mehr die Rede sein konnte, konzentrierten sich die Spekulationen auf die innerparteilichen Auswirkungen der Wahl. Weithin konsensual wurde die Auffassung vertreten, daß innerhalb des Kabinetts vor allem die Position der F. D. P. gestärkt worden sei Unterschiedlich waren die Interpretationen hingegen in der Frage, welche Parteiflügel das Wahlergebnis in erster Linie positiv für sich in Anspruch nehmen könnten. Konservative Pressestimmen legten das Wahlergebnis als Votum gegen die „Linken" in F. D. P. und SPD aus: „Die politischen Gewichte in der Bundesrepublik sind seit der hessischen Landtagswahl am vergangenen Sonntag verschoben. Zwar haben die Unionsparteien ihr strategisches Ziel, die sozial-liberale Koalition auf dem Umweg über Wiesbaden aus den Angeln zu heben, eindeutig verfehlt. Innerhalb der Bonner Koalition wurden jedoch diejenigen gestärkt, die für liberale Reformen und gegen sozialistische Experimente sind. Das trifft nicht nur auf die Freien Demokraten zu, die sich in Hessen überraschend als stabiler Faktor erwiesen haben. Auch Sozialdemokraten wie Helmut Schmidt, Karl Schiller und Georg Leber können nun in der SPD energischer als bisher gegen den linken Flügel und seine jungsozialistischen Protagonisten auftreten. — Im Grunde heißt der Sieger von Hessen Hans-Dietrich Genscher. Ohne den Anteil seiner Partei-freunde am Erfolg der FDP schmälern zu wollen und ohne den unbestreitbaren Ruck nach vorn, den die Christlichen Demokraten unter ihrem Landesvorsitzenden Alfred Dregger gemacht haben, gering zu schätzen, kann man feststellen, daß sich das Werben des Bundesinnenministers mit der liberalen Garantie für Marktwirtschaft und Eigentum ausgezahlt hat. Das ist denjenigen in der FDP bereits zugute gekommen, die seit langem vor dem Eindruck gewarnt haben, den beispielsweise die radikalen Töne der Jungdemokraten in der Öffentlichkeit erweckt haben — wie der als Rückzug getarnte Ausschluß des Jungdemokratenchefs Heiner Bremer aus dem FDP-Bundesvorstand demonstriert. Gleichzeitig sind damit die Hoffnungen der Bonner Opposition geringer geworden, durch weitere Überläufer aus den Reihen der Freien Demokraten die Mehrheitsverhältnisse im sechsten Bundestag zu ihren Gunsten zu verändern."

Dieser Interpretation steht die Analyse von Max Kaase und Uwe Schleth entgegen, die in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG andere Schlußfolgerungen zogen: „Die Behauptung, daß der relative Wahlerfolg der FDP in Hessen eine Stärkung des . Genscher-Flügels'in der FDP-Führung oder eine stärkere Betonung der sogenannten sozialpolitischen Bremser-funktion der FDP in Bonn rechtfertige, läßt sich durch das Wahlergebnis nicht beweisen. Im Gegenteil, die starke Verschiebung inner-halb der FDP-Wählerschaft vom ländlich-mittelständischen und tendenziell konservativen Milieu zu den politisch vergleichsweise stärker informierten, interessierten und mobileren Gruppen der Angestellten und Beamten in den großen Städten, ist am ehesten dahingehend auszulegen, daß eine auf eine derartige Wählerschaft angewiesene FDP-Führung unter den gegenwärtigen Bedingungen auf Gedeih und Verderb an den Brandt-Scheel-Kurs gebunden ist. Es ist schwer vorstellbar, daß die FDP eine erneute Annäherung an die CDU/CSU überleben würde.“

Hans-Dietrich Genscher ließ sich in einem Interview des STERN zu diesem Fragenkomplex auf keine Aussage hinsichtlich der innerparteilichen Gruppenkonstellation festlegen. Dem Versuch der Journalisten, die hessische Landtagswahl als Beleg der These anzubieten, die F. D. P. könne nur bei Koalitionspräferenz für die SPD zu einem Erfolg kommen und die CDU sei für die F. D. P. nicht mehr koalitionsfähig, begegnete er mit dem Hinweis auf die (seinerzeit noch) bestehende CDU-FDP Koalition in Rheinland-Pfalz und die Entscheidung des dortigen FDP-Landesverbandes, diese Koalition auch nach dem März 1971 fortzusetzen. Als einzige koalitionspolitische Erkenntnis aus den bisherigen Wahlergebnissen ließ Genscher gelten: „Eindeutig richtig ist nur, daß die FDP dann besser fährt, wenn sie dem Wähler vorher sagt, mit wem sie koaliert."

Während die Spekulationen über innerparteiliche Konsequenzen in der SPD zu keinem eindeutigen Bild führten, waren die Folgen für die Oppositionsstrategie und die Führungsproblematik der CDU/CSU relativ deutlich abzusehen. „Für die Opposition ist der Traum (oder auch die Befürchtung) eines schnellen Bonner Machtwechsels auf der Basis einer neuen Stimmenmehrheit (durch Übertritte von der FDP) vorerst ausgeträumt. Damit muß vor allem Rainer Barzel seine Position in der Phalanx möglicher Kanzlerkandidaten der CDU/CSU (Kohl, Stoltenberg, Kiesinger, Schröder) neu überdenken."

Die kurzfristige Machtwechselstrategie wurde einige Tage später mit der sogenannten Geld-ner-Affäre noch heftiger in Frage gestellt. Ohne in diesem Zusammenhang auf die Einzelheiten dieser Affäre eingehen zu können, sei nur das für die weitere Entwicklung Wichtigste festgehalten: Die CSU-Führungsspitze gab am 13. November 1970 den Übertritt Geldners zur CSU bekannt. Kurz darauf dementierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Mischnick diese Meldung, indem er bekanntgab, es habe sich nur um einen Scheinübertritt gehandelt. Geldner habe ihn unmittelbar nach seinem ersten Übertrittsgespräch informiert und man habe beschlossen, Geldner solle die Verhandlungen zum Schein weiterführen, damit die Koalition einen Beweis für die „Abwerbemethoden" der CDU/CSU erhalte. Später sei auch Herbert Wehner von diesen Vorgängen informiert worden

Nicht ganz geklärt werden konnte in diesem Fall, welche Rolle Beraterverträge im Verhältnis Geldner/CSU gespielt haben. Die Existenz von Beraterverträgen mit dem NLA-Schatzmeister und Fabrikanten Beyer war hingegen unbestritten, ebenso die Tatsache, daß der Kontakt Geldner/Strauß über NLA-Politiker zustande gekommen war. Darüber hinaus war einwandfrei erwiesen, daß Strauß dem Abgeordneten Geldner ein Mandatsversprechen für 1973 gegeben und eine Verlängerung des Mandats über 1977 hinaus in Aussicht gestellt hatte.

Die Wirkungen dieser Affäre lassen sich nur schwer einschätzen. Negative Einstellungen zum parlamentarischen System wurden in der Bevölkerung sicherlich verstärkt; konkrete Auswirkungen auf die bayerische Landtagswahl lassen sich von dieser Erkenntnis aber nicht eindeutig ableiten, zumal in den sich aus der Affäre ergebenden Auseinandersetzungen keine Klärung dieses Falles sowie der demokratischen Normen erfolgte. Allerdings kann man zwei Ergebnisse als gesichert ansehen: 1. Die negativsten Folgen hatte der Fall für die NLA, die nach dieser „Panne" kaum noch Geldgeber gefunden haben dürfte 2. Die reichlich unbefangene Art, mit (potentiellen) Parteiwechslern als Instrument der Mehrheitsbildung zu operieren, wich differenzierteren Methoden. e) Die Bayerische Landtagswahl vom 22. November 1970

So stand unmittelbar vor der Landtagswahl in Bayern die Stabilität der Bundesregierung kaum noch zur Diskussion. Diese Konstellation entsprach ganz und gar nicht den Erwartungen, die insbesondere die CSU im Frühjahr und Sommer 1970 gehegt hatte. Der CSU-Vorsit-zende Strauß hatte noch im August, sich durch den Ausgang der Drei-Länder-Wahl bestätigt fühlend, Bayern als den „Hauptherd des Widerstandes" gegen eine Politik der Unterwerfung unter sowjetische Ansprüche herausgestellt. Anklänge an Vorstellungen der zwanziger Jahre von der „Ordnungszelle Bayern" waren unverkennbar

Auf dem CSU-Parteitag wurde am 18. Oktober 1970 als eines der zentralen Wahlziele formuliert: „Wir werden alles tun, um zu verhindern, daß die FDP wieder in den Landtag kommt" Kurz nach dem Übertritt der Gruppe Zoglmann, Mende und Starke schien die Rechnung der CSU aufzugehen, daß die bayerischen Landtagswahlen der Bonner Koalition den Rest geben', nachdem dieses Ziel mit der Drei-Län-der-Wahl noch nicht erreicht worden war

Das besonders eindrucksvolle Engagement der liberalen Kulturpolitikerin Hildegard Hamm-Brücher schien noch Mitte Oktober 1970 der FDP kaum eine Chance zu eröffnen, in den bayerischen Landtag wieder zurückzukehren Nach der Hessischen Landtagswahl aber schlug das Klima deutlich zugunsten der FDP um Man war nunmehr sicher, daß die NPD die 10-Prozent-Hürde in Mittelfranken nicht wieder überspringen würde, fragte sich aber, ob die NPD dort nicht immerhin noch so viele Wähler an sich binden könne, daß die FDP ihr Ziel ebenfalls nicht würde erreichen können Mit „Leihstimmen" konnte die FDP nicht rechnen, da die SPD in Bayern selbst in einer schwierigen Situation war und keine Stimme zu „verschenken" hatte, aber die FDP meldete so viele Zugänge an Mitgliedern und Sympathisanten, daß das „Rennen" zumindest für „offen" gehalten wurde

Die Regierung setzte ihre außenpolitischen Aktivitäten unvermindert fort, mußte sich aber, den Vorwurf machen lassen — sogar auch von polnischer Seite —, daß sie wegen der bayerischen Landtagswähl die deutsch-polnischen Verhandlungen verzögere. Eine Woche vor der Wahl wurden die Verhandlungen schließlich abgeschlossen und am 18. November konnten die Verträge paraphiert werden — im Hinblick auf die Wahlen sicher eine optimale Termin-planung Am 19. November begann unter dem Vorsitz Walter Scheels in München die erste EG-Außenministerkonferenz. Gleichzeitig wurden auch die Kontakte mit der DDR wieder aufgenommen Die Bedeutung dieser außen-politischen Aktivitäten muß im Hinblick auf die Wahlen vor allem darin gesehen werden, daß die nahezu permanenten internationalen Verhandlungen — jenseits der Einschätzung der einzelnen Verhandlungsergebnisse, soweit sie überhaupt bekannt wurden — als Signum der außenpolitischen Kompetenz der Regierung wirkten und ihr eine optimale Selbstdarstellungsmöglichkeit in den Massenmedien gaben.

Dennoch wurden die Chancen der SPD in Bayern sehr ungünstig eingeschätzt, weil man die Partei sehr stark durch innere Auseinandersetzungen zwischen Jungsozialisten’ und Parteiestablishment belastet sah und den SPD-Spitzenkandidaten Volkmar Gabert nicht sehr hoch einschätzte. An eine Ablösung der CSU als Re-gierungspartei glaubte nach den vorangegangenen CDU-Landtagswahlergebnissen ohnehin niemand mehr. Da mit dem weiteren Niedergang der NPD gerechnet wurde, erwartete man von der CSU, daß sie zumindest ihr Bundestagswahlergebnis von 1969 erreichen werde und nach der absoluten Mehrheit der Mandate nunmehr auch die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich ziehen könnte

Bundespolitisch war die bayerische Landtagswahl vor allem hinsichtlich ihres Einflusses auf innerparteiliche Gewichtungen von Interesse. Das Wahlergebnis der CSU schien für die Position von Franz Josef Strauß innerhalb der Opposition von Bedeutung, das der SPD im Hinblick auf die Auseinandersetzungen mit den Jungsozialisten und das der FDP für die regierungsinterne Konstellation, vor allem den Einfluß des kleineren Koalitionspartners im Kabinett

Das Wahlergebnis entsprach in der Tendenz den vorherrschenden Erwartungen. Der Wahlsieg der CSU fiel mit 56, 4 Prozent etwas eindeutiger aus, als zumeist prognostiziert worden war. Damit lag die CSU um 2, 0 Prozentpunkte über ihrem Bundestagswahlergebnis von 1969. Dieses Resultat wurde allgemein als eine Stärkung der bundespolitischen Stellung des CSU-Vorsitzenden gewertet, die nicht ohne Rückwirkungen auf das Verhältnis von CDU und CSU bleiben würde und neue Schwierigkeiten für die Diskussion um Kanzlerkandidatur und ostpolitischen Kurs der CDU/CSU-Bun-destagsfraktion bringen müsse

Die SPD blieb wie in Nordrhein-Westfalen und Hessen hinter ihren bei der Bundestagswahl 1969 und bei der vorausgegangenen Landtagswahl erzielten Ergebnissen zurück, indem sie nur 33, 3 Prozent der Stimmen errang. Unmittelbare Folge dieses Ergebnisses waren heftige innerparteiliche Auseinandersetzungen zwi-sehen Jungsozialisten und Landesvorstand Auch hier war es wie in Hessen nicht möglich, die Wahlniederlage eindeutig den Jungsozialisten zuzuschreiben, zumal die Verluste'der Münchener SPD — in der die Jungsozialisten besonders aktiv gewesen waren — geringer waren als die zahlreicher anderer Gebietseinheiten Entgegen der zuvor beobachtbaren Tendenz des Hochburgenabbaus hatte die SPD gerade in den von der CSU beherrschten niederbayerischen und oberpfälzischen Wahlkreisen hohe Verluste hinzunehmen.

Die FDP nahm in Mittelfranken mit 12, 4 Prozent überraschend eindeutig die 10-Prozent-Hürde. Dabei zeigten sich in dieser traditionellen Hochburg der Liberalen dieselben Strukturwandlungen, die schon bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Hessen festzustellen waren: In den ländlichen Stimmkreisen Mittelfrankens waren nur geringe Gewinne zu verzeichnen — in einem Fall sogar Verluste —, in den Städten hingegen Zuwachsraten von mindestens fünf Prozentpunkten, in der Universitätsstadt Erlangen sogar eine Steigerung von 13, 4 auf 24, 9 Prozent

Der Wahlerfolg der FDP blieb nicht ohne Rückwirkungen auf die innere Stabilität der Partei und stärkte die Position der Liberalen innerhalb der Koalition. Das Wahlergebnis bestätigte aber die aus dem hessischen Wahlergebnis gewonnene Erkenntnis, daß die beiden Koalitionsparteien sich in zunehmendem Maße Konkurrenz machten. Daraus wurde vielfach auf den Beginn steigender koalitionsinterner Spannungen geschlossen f) Relative Stabilisierung der sozial-liberalen Koalition „ , Viel Lärm um nichts'— das ist für Bonn das Ergebnis von fünf Landtagswahlen. Im Bundesrat hat sich nichts geändert. In Nordrhein-Westfalen regiert die liberal-soziale Koalition weiter, in Niedersachsen stellen die Sozialdemokraten den Regierungschef und konnten auf die Mithilfe der Liberalen verzichten, auf die sie dafür in Hessen angewiesen sind. Die Unionsparteien wiederum verteidigten ihre Hochburgen an der Saar und an der Isar. Und wenn die Freien Demokraten im ersten Durchgang im Juni in Niedersachsen und im Saarland ihre Landtagsfraktionen verloren, so erzielten sie dafür einen überraschenden Erfolg in Hessen, und in Bayern kamen sie trotz aller Unkenrufe wieder in den Landtag zurück . . .

Wenn oben gesagt wurde, es habe sich durch die fünf Landtagswahlen nichts verändert, so gilt dies für die Machtverhältnisse im Bundesrat, wo die Unionsparteien weiterhin eine Mehrheit halten. Doch das, was sich nicht mit Zahlen belegen läßt, das psychologische Klima, hat sich verändert. Die Koalitionsparteien haben ihre Stellung zu verteidigen gewußt, der große Einbruch ist nicht erfolgt. Die Unionsparteien haben den spektakulären Erfolg nicht zu erzielen vermocht. So merkwürdig es klingt: trotz dem Stimmengewinn der CSU geht die Regierung in Bonn gestärkt aus der bayerischen Landtagswahl hervor"

Dieser Interpretation der Wahlen wird man im großen und ganzen zustimmen müssen, denn die Parteien werden nicht nur an ihren Ergebnissen gemessen, sondern vielmehr an der Relation von Zielsetzung und Ergebnis. Daher muß als wichtigstes Resultat der Wahlen des Jahres 1970 festgehalten werden, daß es der CDU/CSU trotz erheblicher Stimmengewinne nicht gelang, die Regierung in Bonn zu stürzen. Rechnet man die fünf Landtagswahlergebnisse auf Bundesebene hoch, so ergibt sich für die CDU/CSU ein 48, 2 Prozent, Stimmenanteil von für die SPD 42, 1 Prozent und für die FDP 6, 4 Prozent sowie für die sonstigen Parteien 3, 3 Prozent Diese Zahlen bedeuten im Vergleich zur Bundestagswahl 1969 ein Plus von 2, 1 Prozentpunkten für die CDU/CSU, ein Minus von 0, 6 Prozentpunkten für die SPD, ein Plus von 0, 6 für die FDP sowie ein Minus von 2, 1 für die sonstigen Parteien. Eine Mandatsverteilung aufgrund dieser Stimmenanteile hätte im Bundestag ein Patt, vielleicht auch eine Mehrheit von zwei Mandaten für die Koalition ergeben.

Für die weitere Entwicklung des Parteien-systems schien vor allem folgendes von Bedeutung: 1. Die NPD war in kein Landesparlament wieder hineingelangt; es war abzusehen, daß sie auch in den anderen Bundesländern von der politischen Bühne verschwinden würde. 2. Für die Nationalliberalen bestanden nach dem überraschend guten Abschneiden der FDP in Hessen und Bayern kaum noch Aussichten auf einen Platz im Bonner Parteienoligopol. Es war fraglicher denn je, ob sie sich überhaupt jemals als eigenständige Partei an den Landtagswahlen beteiligen würden. 3. Die weitere Entwicklung des Verhältnisses von Regierung und Opposition mußte entscheidend davon abhängen, inwieweit die CDU/CSU ihre Oppositionsstrategie revidierte und welche Politiker die Position des Parteivorsitzenden sowie des Kanzlerkandidaten übernehmen würden. 4. Die weitere Entwicklung des Kräfteverhältnisses von Regierung und Opposition war völlig offen. Sie war vor allem abhängig von — der Geschlossenheit der Koalitionsfraktionen, — den Ergebnissen der noch ausstehenden Landtagswahlen, obwohl diese der CDU/CSU keine Möglichkeit mehr boten, ihre Position im Bundesrat auszubauen, — dem sozialstrukturellen Trend in der Wählerschaft, der bisher eine eindeutige Über-repräsentation der Koalitionsparteien bei den Jungwählern sowie die Existenz eines neuen Wählerpotentials für die FDP ergeben hatte. 4. Die Landtagswahlen 1971/72 und das vorzeitige Ende der sozial-liberalen Koalition a) Die Wahlergebnisse 1971 Bereits vier Monate nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern wurde in zwei weiteren Bundesländern gewählt: am 14. März 1971 in Berlin und am 21. 3. 1971 in Rheinland-Pfalz.

Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus war für die Bundespolitik von untergeordnetem Interesse, da hier keine Chance zum Regierungswechsel von SPD auf CDU bestand und es in Berlin keine Bundestagswahlen gibt. Dennoch wurde auch in der Berliner Wahl ein Signum für das Kräfteverhältnis der Parteien auf Bundesebene gesehen, zumal die Entscheidung der Berliner Wähler im Zusammenhang mit der Ostpolitik interpretiert werden konnte. Erwartungsgemäß konnte die SPD ihren Stimmenanteil von 56, 9 Prozent (1967) nicht behaupten, aber der Rückgang auf nur 50, 4 Prozent wurde als deutliche „Wahlschlappe" der Sozialdemokraten gesehen, die nicht allein mit den Problemen der Berliner SPD und der Senatspolitik zu erklären sei. Ein etwas freundlicheres Gesamtbild für die Koalitionsparteien dem resultierte aus Stimmenanstieg der FDP von 7, 1 auf 8, 4 Prozent. Dennoch wurde die SPD/FDP-Koalition aus internen Gründen der beiden Landesverbände nicht fortgesetzt, sondern durch eine SPD-Alleinregierung abgelöst. Die CDU konnte sich von 32, 9 auf 38, 2 Prozent steigern — ein beachtliches Ergebnis ohne direkte politische Folgen

Ein stärkeres bundespolitisches Gewicht wurde von vornherein der rheinland-pfälzischen Landtagswahl zugewiesen, obwohl wegen der frühzeitigen Festlegung der FDP auf die Fortsetzung des Bündnisses mit der CDU Auswirkungen auf die Bundesratsmehrheit undenkbar schienen. So dominierten in bundespolitischer Hinsicht auch hier innerparteiliche Aspekte: die Frage nach dem Zusammenhang von CDU-Ergebnis und den Chancen von Ministerpräsident Helmut Kohl, Vorsitzender der CDU zu werden, sowie die Frage nach dem Abschneiden der FDP bei Koalitionspräferenz für die CDU.

Helmut Kohl konnte einen in dieser Höhe nicht erwarteten Erfolg buchen; seine Partei erhielt mit 50, 0 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im Mainzer Landtag Hinter dieser Tatsache verblaßte das gute Ergebnis der SPD, die sich von 36, 8 auf 40, 5 Prozent um 3, 7 Prozentpunkte steigern und damit die Zuwachsquote der CDU (3, 3 Punkte) noch übertreffen konnte. Bedeutsam war für die SPD vor allem im Hinblick auf die Bundespolitik, daß ihr mit diesem Ergebnis die Durchbrechung des negativen Trends, der sich — mit Ausnahme von Niedersachsen — seit 1969 deutlich gezeigt hatte, wieder gelungen schien.

Die FDP konnte nicht an die Erfolge vom November 1970 anknüpfen; von 8, 3 Prozent (1967) fiel sie auf 5, 9 Prozent zurück und erreichte damit nicht einmal das Ergebnis der Bundestagswahl 1969 (in Rheinland-Pfalz 6, 3 Prozent). Dieses Resultat mußte dem linken Flügel in der FDP Auftrieb geben, denn es schien zu beweisen, daß bei CDU-Koalitionspräferenz keine neuen Wähler zu gewinnen seien, da die potentiellen neuen FDP-Wählergruppen in einem solchen Fall die SPD bevorzugen würden. Ein besonders bemerkenswertes Faktum ergab sich aus der Repräsentativstatistik: Während die FDP in allen anderen Bundesländern — in denen Votum für ein der kein Bündnis mit CDU abgegeben hatte, sondern entweder für die Koalition mit der SPD plädiert oder aber keine Entscheidung gefällt hatte — höhere Anteile bei den jüngeren als bei den älteren Wählern erhielt, galt für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz die traditionelle Korrelation: je älter, desto mehr FDP

Daher konnte man erwarten, daß die schleswig-holsteinische FDP, die sich in einer Kampfabstimmung mit knapper Mehrheit gegen die Empfehlung des Parteivorsitzenden Anfang Oktober 1970 für ein Bündnis mit der SPD entschieden hatte bei der Landttagswahl am 25. April 1971 besser abschneiden würde. Aber sie erlitt mit nur 3, 8 statt 5, 9 Prozent (1967) eine vernichtende Niederlage und kehrte nicht wieder in den Schleswig-Holsteinischen Landtag zurück. Zwecks zutreffender Einschätzung dieses Wahlergebnisses muß man auf den desolaten Zustand des FDP-Landesverbandes hinweisen. Alle Landtagsabgeordneten und Landesminister hatten die Partei inzwischen verlassen oder sich zurückgezogen, der neue Landesvorsitzende Ronneburger war noch weitgehend unbekannt und als Repräsentant der Landwirtschaft weniger geeignet, gerade die städtischen Mittelschichten anzusprechen. des Ein besonderes Problem Wahlkampfes stellte die harte persönliche Auseinandersetzung um den SPD-Spitzenkandidaten Joachim Steffen, einem führenden Repräsentanten des linken Flügels in der SPD, dar. Aufgrund des Kommunalwahlergebnisses vom Frühjahr 1970, bei dem die SPD nur um 1, 9 Prozentpunkte hinter der CDU zurücklag, hatte sie geglaubt, sich berechtigte Hoffnungen auf die Übernahme der Regierung gemeinsam mit der FDP machen zu können. Dieser Regierungswechsel hätte der sozial-liberalen Koalition in Bonn auch die Bundesratsmehrheit gebracht.

Um so enttäuschender war für die SPD das Resultat der Landtagswahl. Sie konnte zwar das Landtagswahlergebnis von 1967 um 1, 6 Prozentpunkte verbessern, verfehlte mit 41, 0 Prozent aber ihr Bundestagswahlergebnis von 1969 um 2, 5 Prozentpunkte.

Die CDU konnte sich hingegen von 46, 0 auf 51, 9 Prozent steigern und übertraf damit ihr Bundestagswahlergebnis (46, 2 Prozent) deutlich um 5, 7 Punkte. Ministerpräsident Stoltenberg konnte mit diesem Resultat seine Position in der Bundespartei wesentlich festigen.

Für die sozial-liberale Koalition hatten diese Wahlniederlagen keine unmittelbaren Folgen; für die CDU erleichterten sie nicht die Lösung ihrer innerparteilichen und oppositionsstrategischen Probleme.

Dergleichen war von der Wahl im kleinsten Bundesland Bremen, die am 10. Oktober 1971 stattfand, ohnehin nicht zu erwarten. Das Bremer Wahlergebnis konnte noch weniger als alle anderen als bundespolitisches Indiz gelten. Die SPD — 1967 in einer besonders ungünstigen Situation — steigerte ihren Stimmenanteil von 46, 0 auf 55, 3 Prozent und erreichte damit wieder ihre „normal vote" in Bremen; die CDU verbesserte sich geringfügig von 29, 5 auf 31, 6 Prozent und die FDP fiel von 10, 5 auf 7, 1 Prozent zurück.

Eine Umrechnung sämtlicher Wahlergebnisse bis zum Oktober 1971 auf Bundesebene konnte — wie die Bilanz Ende 1970 — das ausgeglichene Kräfteverhältnis von Regierung und Opposition, d. h. die Pattsituation, die sich später auch im Bonner Parlament einstellte, nur bestätigen b) Zur politischen. Entwicklung bis Anfang 1972 Das Jahr 1971 war für die drei Bundestagsparteien CDU, SPD und FDP ein Jahr relativ starker innerparteilicher Diskussionen, mit allerdings in den einzelnen Parteien unterschiedlichen Akzentsetzungen. In der CDU begann gleichzeitig mit einer Verstärkung der Programmdiskussion ein systematischeres überdenken der Oppositionsstrategie. Zentraler Punkt der innerparteilichen Auseinandersetzungen aber blieb bis zum Parteitag am 4. und 5. Oktober 1971 in Saarbrücken das Führungsproblem. Der Parteitag wählte in einer Kampfabstimmung gegen Helmut Kohl den Vorsitzenden der Bundesfraktion und sogenannten Oppositionsführer, Rainer Barzel, mit großer Mehrheit zum Parteivorsitzenden. Damit stand Barzel faktisch auch als Kanzlerkandidat fest, obwohl sich die CSU zwecks Darstellung ihrer Eigenständigkeit noch einige Zeit zierte, Barzel als gemeinsamen Kandidaten zu inthronisieren

In der SPD standen gesellschaftspolitische Grundsatzfragen wie Steuerreform und Vermögensbildung, Medienpolitik und vor allem das sogenannte Langzeitprogramm, aber auch Fragen der Parteiorganisation im Mittelpunkt des außerordentlichen Parteitages im November und Dezember 1971

Auch die F. D. P. wandte sich mit den Freiburger Thesen, die auf dem Freiburger Parteitag vom 25. bis 27. Oktober 1971 beschlossen wurden, in erster Linie der Gesellschaftspolitik zu Die Annahme dieser Thesen festigte die Stellung der Parteiführung unter Walter Scheel und schuf eine Integrationsbasis für die weitere Entwicklung der Partei, die allerdings immer noch traditionelle Liberale und Linksliberale gleichermaßen zufriedenstellen mußte. Der progressive Flügel der Partei wurde wesentlich durch die Wahl Karl Hermann Flachs zum Generalsekretär gestärkt, während der konservative Flügel sich in der Mitbestimmungsfrage noch knapp behaupten konnte

Während das Verhältnis der Koalitionsparteien zueinander dank der engen Zusammenarbeit von Kanzler und Vizekanzler sowie der beiden Fraktionsvorsitzenden besser war als in jeder vorherigen Koalitionsregierung, gab es insbesondere durch Rivalitäten der SPD-Minister zahlreiche kabinettsinterne Konflikte, die auch in einer relativ starken Personalfluktuation zum Ausdruck kamen Mittelpunkt oder Auslöser dieser Konflikte war in der Mehrzahl der Fälle der Wirtschaftsminister Schiller, seit dem Ausscheiden Alex Möllers aus dem Kabinett Wirtschafts-und Finanzminister, in der Presse meist Superminister genannt.

Schiller war als Garant wirtschaftspolitischer Stabilität in Anbetracht zunehmender Währungs-und Konjunkturkrisen längst nicht mehr so unumstritten wie zu Zeiten der Großen Koalition, obwohl die internationale Ursache dieser Krisen und insbesondere der damit verbundenen Preissteigerungen kaum bestritten werden konnte.

Nach Abschluß der Verträge mit Moskau und Warschau erwartete die Öffentlichkeit von der Regierung eine stärkere Konzentration auf die in der Regierungserklärung besonders hervorgehobenen inneren Reformen Die konjunkturelle Lage sowie Gegensätze zwischen den Koalitionspartnern aber lähmten die Aktivitäten gerade in diesem Bereich; das stärkte die Unzufriedenheit mit der Regierung und führte dazu, daß der CDU/CSU in wirtschaftlichen Fragen eine höhere Kompetenz zugeordnet wurde. Dies galt auch für den Bereich „Ruhe und Ordnung", zumal es dem Bundeskriminal-amt erst nach langwierigen Bemühungen ge-gang, die Aktivitäten anarchistischer Gruppen einzudämmen

So blieb die Außenpolitik nach wie vor der wichtigste Aktivposten der Bundesregierung. Nach Unterzeichnung der Warschauer Verträge im Dezember 1970 lag der Schwerpunkt wieder auf den Verhandlungen mit der DDR, die von Staatssekretär Egon Bahr und DDR-Staatssekretär Kohl während des gesamten Jahres 1971 nahezu ununterbrochen geführt wurden. Im Mittelpunkt der deutschlandpolitischen Entwicklung standen ferner die Vier-Mächte-Verhandlungen in Berlin, die am 3. September 1971 zum Abschluß gebracht werden konnten. In der Berlin-Frage war es zeitweilig zu einer bedingten Kooperation zwischen Regierung und Opposition gekommen. Aber die Opposition blieb in ihrer Grundhaltung zu den Ostverträgen in sich zerstritten:

Während Rainer Barzel stärker zu einer Kooperation mit der Regierung neigte und offenbar auch nicht unbeeindruckt von der Zustimmung der Bündnispartner zur Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition blieb, bestand die CSU unter Franz Josef Strauß sowie ein Teil der CDU-Bundestagsabgeordneten nach wie vor auf einer strikten Ablehnung des Vertrags-werkes.

In der Zwischenzeit brachten die Verhandlungen mit der DDR in konkreten Teilbereichen einige Fortschritte, im Dezember 1971 konnte das Transit-Abkommen paraphiert werden und im Januar 1972 begannen die Verhandlungen über den Verkehrsvertrag. Die Beziehungen mit der UdSSR, Polen und anderen Ostblockstaaten wurden intensiviert, wenngleich die Folgewirkungen der Verträge erst nach der Ratifizierung voll wirksam werden konnten. Die Bundesregierung leitete die Ratifizierung der Verträge im Dezember 1971 ein. Am 9. Februar 1972 fand im Bundesrat die 1. Lesung statt, vom 23. bis 25. Februar 1972 die 1. Lesung im Bundestag c) Die Baden-Württembergische Landtagswahl und die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag

Damit stellte sich die Frage der Regierungsstabilität erstmals direkt im Zusammenhang mit der Ostpolitik. Würde die Regierung ohne Unterstützung durch die Opposition die Ratifizierung der Ostverträge durchsetzen können? Nach dem Scheinübertritt des Abgeordneten Geldner im November 1970 hatte es zunächst lange Zeit keine Parteiwechslerprobleme im Bundestag mehr gegeben. Erst ein Jahr später war wieder ein Parteiwechsel zu verzeichnen: Am 14. Oktober 1971 trat der Berliner SPD-Abgeordnete Klaus-Peter Schulz aus Protest gegen die Europapolitik der Koalition zur CDU über. Dieser Parteiwechsel erregte kein allzu großes Aufsehen, weil er offensichtlich ein Einzelfall zu sein schien und sich das Verhältnis der voll stimmberechtigten Abgeordneten nicht verschob. Die Koalition verfügte nach wie vor über eine Mehrheit von sechs Mandaten und unter Einschluß der Berliner Abgeordneten sogar von zehn Mandaten

Unmittelbar nach der 1. Lesung der Ostverträge im Bundestag aber zeichnete sich ein Abbröckeln der Regierungsmehrheit ab. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vertriebenenfunktionär Herbert Hupka zog nach langwierigen innerparteilichen Auseinandersetzungen endlich die schon aus seiner strikt ablehnenden Haltung gegenüber den Ostverträgen erwartete Konsequenz und trat am 29. Februar 1972 zur CDU über. Am 2. März folgte ihm der Berliner SPD-Abgeordnete Seume, während ein anderer ostpolitischer Dissident, der Berliner SPD-Abgeordnete Bartsch, in Partei und Fraktion verblieb. Damit verfügte die Koalition nur noch über 250 gegen 246 voll stimmberechtigte Abgeordnete der Opposition und hatte selbst unter Einschluß der Berliner Abgeordneten nur noch eine Mehrheit von 6 Mandaten Bei Übertritt von lediglich zwei weiteren Abgeordneten mußte sich somit ein parlamentarisches Patt und bei drei weiteren Übertritten voll stimmberechtigter Abgeordneter sogar eine Oppositionsmehrheit ergeben.

Diese Mehrheit schien sich anzubahnen, als einige Tage später die FDP-Abgeordneten von Kühlmann-Stumm, Helms und Kienbaum sich kritisch zu den Verträgen äußerten Gleichzeitig tauchten Meldungen über die Bildung eines Schattenkabinetts des Oppositionsführers und Kanzlerkandidaten Barzel auf; CDU und CSU betonten wieder — wie im Herbst 1970 — ihre Bereitschaft, die Regierung unverzüglich zu übernehmen und am 10. März 1972 stellte Barzel Franz Josef Strauß als Finanzminister und Karl Heinz Narjes als Wirtschaftsminister seines zukünftigen Kabinetts auf einer Pressekonferenz vor Meldungen über Neuwahlen und konstruktives Mißtrauensvotum beherrschten die Presseberichterstattung. Da ein Antrag auf Parlamentsauflösung und Ausschreibung von Neuwahlen nur vom Bundeskanzler gestellt, aber von der Opposition durch ein konstruktives Mißtrauensvotum und Neuwahl eines CDU-Kanzlers unterlaufen werden konnte, ergab sich eine völlig verworrene Situation.

Obwohl die Erosion der Koalitionsmehrheit diesmal zunächst nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Landtagswahl stand, sondern aus ostpolitischer Opposition einzelner Abgeordneter der Regierungsparteien resultierte — wenn auch die Motive in den einzelnen Fällen vielschichtiger und zuweilen nicht ganz einsichtig waren —, ereignete sich der Zusammenbruch der Regierungsmehrheit aber letztlich doch in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Landtagswahl.

Am 23. April 1972 fand in Baden-Württemberg die letzte Landtagswahl während der 6. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages statt Sie endte mit einem eindrucksvollen Sieg der CDU, die sich von 44, 2 (1968) auf 52, 9 Prozent der Stimmen steigern konnte und damit eindeutig die absolute Mehrheit im Stuttgarter Landtag auf sich vereinigte. Dieser Stimmenzuwachs war in erheblichem Maße darauf zurückzuführen, daß die NPD, die 1968 noch 9, 8 Prozent der Stimmen erhalten hatte, auf die Teilnahme an der Wahl verzichtet hatte. Die SPD hatte nahezu die gleiche Steigerungsrate zu verzeichnen wie die CDU. Ihr Ergebnis von 37, 6 Prozent mußte aber daran gemessen werden, daß sie 1968 mit 29, 0 Prozent ein extrem ungünstiges Resultat hatte hinnehmen müssen. Aussagekräftiger als der Vergleich mit der . Krisenwahl'1968 aber ist der Vergleich mit der Bundestagswahl 1969, bei dem sich ein Zuwachs von 2, 2 Punkten für die CDU, hingegen nur von 1, 1 Punkten für die SPD herausstellt. Von der F. D. P. war ohnehin nicht erwartet worden, daß sie ihr Ergebnis von 1968 (14, 4 Prozent) wieder erreichen könne; sie wurde am Bundestagswahlergebnis von 1969 gemessen, das sie mit 8, 9 Prozent um 1, 4 Punkte deutlich übertraf.

Dieses Ergebnis war aber bereits bei seinem Bekanntwerden am Wahlabend für die bundespolitische Entwicklung nahezu irrelevant, als der Austritt des Abgeordneten Helms aus der F. D. P. gemeldet wurde. Auch dieser Übertrittstermin war im Hinblick auf Offentlichkeitswirkung und koalitionsinterne Rückwirkungen aus der Sicht der Oppositionsstrategie optimal. Für die Woche nach der Baden-Württembergischen Landtagswahl war im Bundestag die Lesung des Haushaltsplans 1972 angesetzt worden. Schon seit Anfang März wurde in zahlreichen Presseberichten vermutet, die Opposition wolle diese Beratungen zum Anlaß nehmen, den Bundeskanzler zu stürzen. Die CDU/CSU-Führung wirkte diesen Gerüchten kaum entgegen

Der Ausgang der Landtagswahl und der Übertritt des Abgeordneten Helms, der die Koalitionsmehrheit auf zwei voll stimmberechtigte Abgeordnete reduzierte, führte am 24. April 1972 zum einstimmigen Beschluß des CDU-CSU-Fraktionsvorstandes und anschließend der Fraktion, einen Mißtrauensantrag gegen den Bundeskanzler einzubringen, verbunden mit dem Vorschlag, Rainer Barzel zum Nachfolger zu wählen Die CDU/CSU benötigte für den Erfolg ihres Antrages mindestens 249 der insgesamt 496 Stimmen voll stimmberechtigter Abgeordneter. Einschließlich Helms konnte sich die CDU/CSU auf 247 Abgeordnete stützen, hinzu kamen die FDP-Abgeordneten von Kühlmann-Stumm und Kienbaum, die nach der Abstimmung öffentlich erklärten, für Barzel votiert zu haben Offensichtlich glaubte sich Barzel mindestens dieser 249 Stimmen sicher, vielleicht hatte er auch noch berechtigte Hoffnungen auf die Stimme des SPD-Abgeordneten Günther Müller (München), der schon am 15. März 1972 seinen Parteiaustritt wegen heftiger Differenzen mit dem linken Parteiflügel der Münchener SPD angedeutet hatte Darüber hinaus gab es zumindest Spekulationen auch über andere Abgeordnete der Regierungsparteien, die als . unsichere Kantonisten'galten. Man rechnete daher am 27. April 1972 überwiegend mit dem Sturz des Bundeskanzlers Brandt und seiner Ablösung durch Barzel.

Um so mehr überraschte das Wahlergebnis, das nur 247 Stimmen für das Mißtrauensvotum brachte. Damit war der Antrag abgelehnt und Brandt als Bundeskanzler bestätigt. Die Frage, welche zwei Abgeordneten der CDU/CSU nicht gegen Brandt bzw. für Barzel votiert hatten, konnte auch durch das spätere Bekenntnis des CDU-Abgeordneten Steiner, nicht für Barzel votiert zu haben, nicht hinreichend geklärt werden. Die Gesamtheit der Vorgänge um das konstruktive Mißtrauensvotum und die Parteiwechsleraffären harrt noch immer der Aufklärung.

Die Abstimmung über den Einzeletat des Kanzlerhaushalts am 28. April 1972 offenbarte das parlamentarische Patt: Der Haushalt wurde mit 247 zu 247 Stimmen abgelehnt Das folgende Krisenmanagement führte zunächst zu dem Versuch des Oppositionsführers, bei der Entscheidung um die Ostverträge, . mitzuregieren'. Der Versuch, über eine . gemeinsame Entschließung des Bundestages’ eine breitere Basis für die Ostverträge zu finden und wenigstens einem Teil der CDU/CSU-Frak-tion die Zustimmung zu erleichtern, scheiterte schließlich, indem Strauß gegen die Intentio-neu Barzels eine — von einigen strikten Vertragsgegnern abgesehen — einheitliche Stimmenthaltung der Fraktion durchsetzte. Am 17. Mai wurden die Ostverträge mit der einfachen Mehrheit von 248 Ja-Stimmen verabschiedet und unmittelbar darauf begannen die Versuche, zu einer Parteienvereinbarung über Neuwahlen zu gelangen. Ab Mitte Juni 1972 ergab sich — ohne kontrete Vereinbarungen — ein stillschweigendes Übereinkommen Neuwahlen herbeizuführen. Nachdem die Kandidatenaufstellungen schon begonnen hatten, stellte der Bundeskaznler am 20. September 1972 die Vertrauensfrage. Am 22. September wurde der Bundestag aufgelöst und für den 19. November 1972 die Wahl des 7. Deutschen Bundestages angesetzt

III. Landtagswahlen als bundespolitische Zwischenwahlen

Folgerungen für die Struktur des politischen Systems Die historische Analyse führt zu folgenden abschließenden Überlegungen: 1. Die politischen Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung werden weitgehend durch den zeitlichen Rhythmus der Landtagswahlen determiniert. Selbst für den Bereich der Außenpolitik ist die Regierung diesem Rhythmus zum Teil unterworfen. 2. Die Landtagswahlergebnisse werden überwiegend als Votum zur Bundespolitik interpretiert, obwohl bundes-und landespolitische Motivationen der Wählerschaft nicht scharf voneinander zu trennen sind.

Die Landespolitik weist aber für den Wähler noch weniger klare Konturen auf als die Bundespolitik. 3. Ein Teil der Wählerschaft wird für die Gesamtheit tätig als Richter über bundes-politische Leistungen der Parteien. Dabei wird das jeweilige Wahlergebnis mit den bisherigen Ergebnissen und Erwartungen verglichen und den Parteien schlicht als Plus oder Minus zugeordnet. Differenzierte Variablen wie Funktionsfähigkeit der Parteiorganisation und politisches Personal auf Landesebene sind faktisch bedeutungslos. 4. Situationsbedingte regionale Konstellationen werden damit zu intervenierenden Variablen für die Bundesrepublik, zufällige Korrelationen werden als Kausalität erklärt. 5. Die notwendigerweise manipulative Interpretation dieser Ergebnisse verselbständigt sich und führt in der Verbindung mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Wahlen zu Kettenreaktionen mit nahezu unbegrenzter Eigendynamik. 6. Die Aushöhlung der spezifischen Funktionen von Landtagswahlen zugunsten der bundespolitischen Probleme war bedingt a) durch die knappen Mehrheitsverhältnisse in Bonn, b) durch die weitgehende Polarisierung des Parteiensystems in den Bonner Koalitionsparteien (SPD und FDP) sowie der Bonner Opposition (CDU/CSU), die auch auf die Länderebene durchschlug, c) durch die Kombination von Konzentration und Polarisierung des Parteien-systems, die kaum einen Spielraum für landesspezifische Konstellationen läßt, d) durch den Verlust landespolitischer Funktionen, die eine unerläßliche Voraussetzung für landesspezifische Partei-konstellationen sind. 7. Die Entwicklung ist daher auch Ausdruck einer Krise des Föderalismus, dessen Existenzberechtigung mit der Aushöhlung der Landesfunktionen in Frage gestellt ist. 8. Der Föderalismus hat nur eine Chance, wenn er als durchgängiges Prinzip der vertikalen Gewaltenteilung von der Bundes-bis zur Gemeindeebene verstanden wird: 9. Dies bedingt Gebietsgliederungen, die räumlichen Struktureinheiten entsprechen und durch einheitliche besondere Aufgaben konstituiert und funktionsfähig gehalten werden können. Die gegenwärtige Diskussion um Länderneugliederung und Gebietsreform vermag dazu keinen Beitrag zu leisten, weil sie nicht bundeseinheitlich und auf den einzelnen Verwaltungsebenen getrennt voneinander vollzogen wird. Das Problem dysfunktionaler Übertragung der Ergebnisse von Landtagswahlen in die Bundespolitik ist bei den gegenwärtigen Strukturbedingungen nicht nur eine Frage der knappen Mehrheitsverhältnisse, son-dern auch der Polarisierung des Parteien-systems sowie der relativen Funktionslosigkeit der Länder.

Damit bleibt es auch weiterhin aktuell.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die vorliegende Untersuchung beruht vor allem auf der Analyse umfangreichen Pressematerials, das die wesentlichen politischen Themen in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1969 bis 1972 umfaßt. Die Sichtung und Selektion des Materials nach den im folgenden entwickelten Fragestellungen und thematischen Gesichtspunkten habe ich Ursula Kaack zu verdanken.

  2. Vgl. Heino Kaack, Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971, S. 613; ders., Personelle Mobilität des Deutschen Bundestages 1949— 1969, in: Zeitschrift für Parlaments-fragen (ZParl) 1971, Heft 4, S. 418.

  3. Hier ließe sich als Beleg nahezu die gesamte Literatur zum Thema Wählerverhalten anführen, die weitgehend — sofern sie überhaupt auf individuelles Wählerverhalten abhebt — mit notwendigerweise unzulänglichen (Teil-) Konzepten die Gründe individueller Entscheidung zu ermitteln versucht und zumeist nur deren Rahmenbedingungen sowie einzelne Korrelationen aufzeigen, aber keine umfassenden Kausalhypothesen verifizieren kann. Wäre sie dazu in der Lage, ergäbe sich politisch eine totale Manipulierbarkeit des Wählers.

  4. Der Begriff besagt, daß das Parteiensystem vor allem durch die Konkurrenz von zwei etwa gleich starken, großen Parteien gekennzeichnet ist, schließt aber die Wirksamkeit dritter Parteien keineswegs aus. Im Gegensatz dazu ist das Mehrparteienblocksystem (bürgerlicher Block contra sozialistische Parteien) der fünfziger Jahre zu sehen.

  5. Eine Ideologiekritik dieses Ansatzes steht noch aus und kann verständlicherweise in diesem Rahmen nicht geleistet werden; vgl. dazu u. a.: Rüdiger Bredthauer, Das Wahlsystem als Objekt von Politik und Wissenschaft (= Studien zum politischen System der BRD, Bd. 2), Meisenheim am Glan 1973, S. 73 f.

  6. Vgl. dazu die Parteienstaatsliteratur, zuletzt: Peter Haungs, Die Bundesrepublik — ein Parteien-staat?, in: ZParl 1973, H. 4, S. 502— 524 (dort auch die einschlägige Literatur).

  7. Siehe dazu die statistischen Angaben in: Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Fachserie A: Bevölkerung und Kultur, Reihe 8: Wahl zum 7. Deutschen Bundestag am 19. November 1972, Heft 8, Stuttgart und Mainz 1973, S. 20.

  8. Heino Kaack, Parteien und Wählergemeinschaften auf kommunaler Ebene, in: Heinz Rausch und Theo Stammen (Hrsg.), Aspekte und Probleme der Kommunalpolitik, München 1972, S. 135— 150.

  9. Siehe z. B. die beiden Wahlstudien über die nordrhein-westfälischen Landtagswahlen von 1962 bzw. 1966: Wolfgang Leirich, Politik in einem Bundesland, Köln und Opladen 1968; Dieter von Herz, Die Politik des verspäteten Machtwechsels (= Politik und Wähler, Bd. 6), Meisenheim am Glan 1970.

  10. Die Entwicklung ist im Überblick dargestellt bei: Thomas Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage, Opladen 1973, S. 211 ff; Heino Kaack, Parteiensystem, a. a. O., S. 199 ff.

  11. Siehe dazu generell: Reinhold Roth, Parteien-System und Außenpolitik. Zur Bedeutung des Parteiensystems für den außenpolitischen Entscheidungsprozeß in der BRD (= Studien zum politischen System der BRD, Bd. 1), Meisenheim am Glan 1973.

  12. Zu dieser Wahl: von Herz, a. a. O.; Erwin K. Scheuch, Zur Irrelevanz des Wählerwillens, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1966, S. 63 ff.

  13. Vgl. Kaack, Parteiensystem, a. a. O., S. 297 ff., insbes. S. 305.

  14. Ebenda, S. 311 ff.

  15. Vgl. Heino Kaack, Fraktionsund Parteiwechsler im Deutschen Bundestag, in: ZParl 1972, Heft 1, S. 3— 27; ders., Fraktionswechsel und Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag, in: ZParl, 1972, H. 2, S. 131— 139.

  16. Diese Beurteilung dominierte nicht nur in Pres-seberichten, auch in wissenschaftlichen Veröffentichungen wurde die Existenzgrundlage der FDP iußerst kritisch gesehen, siehe z. B.: Werner Kaltefleiter (u. a.), Im Wechselspiel der Koalitio-ien, Köln 1970, S. 165 ff.

  17. Kiesinger, zit. nach: Hartwig Suhrbier, „Kiesin-jer sagt FDP den Kampf an", in: Frankfurter Rundichau (FR), 17. 10. 1969.

  18. Ebd.

  19. Siehe dazu u. a.: Fernsehen in Deutschland. Die Bundestagswahl 1969 als journalistische Aufgabe, Mainz 1969.

  20. Vgl. Heino Kaack, Wer kommt in den Bundestag? Abgeordnete und Kandidaten 1969, Opladen 1969, S. 27 f. und (die FDP-Landeslisten) S. 145 ff.; ders., Parteiensystem, a. a. O., S. 360 f. und S. 658 ff.

  21. Damit legte Brandt auch vorzeitig die Koalitionspräferenz der SPD fest, die keineswegs unumstritten war.

  22. Vgl. Udo Bermbach, Stationen der Regierungsbildung, in: ZParl 1970, H. 1, S. 5 ff.

  23. Siehe z. B.: FR, 6. 10. 1969: „Heck spricht von . Konspiration" 1; Die Welt, 7. 10. 1969: „Strauß: SPD und FDP arbeiten mit Tricks"; Dirk Bavendamm, „Fruchtloser Streit um Sieger und Gewinner".

  24. Vgl. die gesamte Presseberichterstattung von) 29. 9. bis 6. 10. 1969, sowie Bermbach, a. a. O.; zun Angebot: Die Welt, 2. 10. 1969, Kiesinger macht FDP Koalitions-Angebot für „die 70er Jahre".

  25. Die Welt, 30. 9. 1969: „Mende spricht sich ent schieden für Koalition mit der CDU aus"; Die Weltl 2. 10. 1969: Mende: „Ich werde Willy Brandt meine Stimme nicht geben"; Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 17. 10. 1969: „Kiesinger mahnt dic Union zur Einheit".

  26. Siehe die Berichterstattung vom 22. 10. 1969 ii der überregionalen Tagespresse im Vergleich zs den vorher artikulierten Erwartungen.

  27. Vgl. Werner Kaltefleiter, Zwischen Konsens ind Krise. Eine Analyse der Bundestagswahl 1972, Köln 1973, S. 9; ders., Politik ohne Führung. Zur ituation des deutschen Parteiensystems nach den andtagswahlen von 1970 und 1971, in: Verfassung ind Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1972, Teil 1, 104.

  28. Die strukturellen Vorteile der Regierungsparteien) waren bereits Anfang der sechziger Jahre An-

  29. Die Welt, 22. 10. 1969: „Die CDU will der neuen Regierung keine Schonfrist geben."

  30. Die Phase von 1969 bis 1972 ist ein hervorragendes Beispiel für die Interdependenz aller politischen Fakten, auch solcher, die in der Regel nicht im Kontext zueinander gesehen werden. Die hier genannten Ebenen erfassen selbstverständlich auch nur einen Teil aller für die Auseinandersetzung um die politische Macht relevanten Bereiche. Trotz dieser Reduktion kann aber die Interdependenz nur punktuell dargestellt werden. Denn es ist in diesem Rahmen nicht möglich, alle Bereiche gleichermaßen kontinuierlich zu berücksichtigen, wenn auch die Materialgrundlage dies erlaubte. Die Ebenen werden daher hier nur zur Verdeutlichung des Bezugsrahmens genannt und in der Darstellung der Auseinandersetzungen nur von Fall zu Fall herangezogen. Ebenso wird nur ein kleiner Teil des zugrunde liegenden Pressematerials zitiert, obwohl sich in der Regel stets mehrere Belege nennen ließen.

  31. Die Auflösung des Niedersächsischen Landtages und die Vorverlegung der Wahl auf den Juni 1970 war erst im März 1970 absehbar.

  32. Zum Thema Bundesrat/Opposition u. a.: Heinz Laufer, Der Bundesrat als Instrument der Opposition?, in: ZParl 1970, H. 3, S. 318 ff.

  33. Hartwig Suhrbier, „Flankenschutz für Bonns Regierung?", in: Frankfurter Rundschau, 10. 10, 69.

  34. FAZ, 20. 10. 1969: „Die FDP in den Ländern weiter mit der CDU."

  35. Vgl. Heino Kaack, Opposition und Außenpolitik, in: Ernst-Otto Czempiel (Hrsg.), Die anachronistische Souveränität (= PVS-Sonderheft 1), Köln und Opladen 1969, S. 224— 249.

  36. Heino Kaack/Reinhold Roth, Die Außenpolitische Führungselite der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/72 vom 15. 1. 1972, S. 43 ff.

  37. Vgl. dazu: Rüdiger Bredthauer, Zur innerparteilichen Entwicklung der F. D. P., in: Heino Kaack (Hrsg.), Der unbewältigte Machtwechsel. Die erste sozial-liberale Koalition in Bonn und ihre Rückwirkung auf das Parteiensystem (= Studien zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Band 4), Meisenheim am Glan 1974.

  38. Diese Krise war auch im April 1971, zum Zeitpunkt der schleswig-holsteinischen Landtagswahl, noch nicht beigelegt und eine wesentliche Ursache für den Stimmenanteil von nur 3, 8 Prozent.

  39. Siehe u. a. Die Welt, 7. 1. 1970: „Streit zwischen FDP-Vorstand und Erich Mende entschärft".

  40. Die Welt, 8. 1. 1970: „Die FDP verschiebt überraschend Bundesparteitag um vier Wochen".

  41. Vgl. Heino Kaack, Die Liberalen. Die FDP im Parteiensystem der Bundesrepublik, in: Richard Löwenthal /Hans-Peter Schwarz, Die Zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1974.

  42. Die Welt, 23. 3. 1970: „SPD verliert Stimmen. Leichte Gewinne für CDU und FDP".

  43. W. Hertz-Eichenrode, „Ein Nasenstüber für die SPD", in: Die Welt, 24. 3. 1970.

  44. FAZ, 23. 3. 1970: „SPD in Hamburg behält absolute Mehrheit".

  45. Siehe dazu: Heino KaackkKlaus G. Troitzsch, Jungwählerverhalten in Hamburg. Ergebnisse einer Hamburger Umfrage und Repräsentativstatistiken aus anderen Bundesländern, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 50/70 vom 12. Dezember 1970; ferner: Werner Matti, Wahlatlas 1970. Das Wahl-verhalten der Hamburger Bevölkerung bei den Bür -gerschaftswahlen 1966 und 1970, Hamburg: Statistisches Landesamt 1972 (= Hamburg in Zahlen, 1972, Sonderheft 1).

  46. W. Hertz-Eichenrode, „Ein Nasenstüber für die SPD", in: Die Welt, 24. 3. 1970.

  47. FR, 24. 3. 1970: „Genugtuung über das Wahlergebnis".

  48. Vgl. Bredthauer, Zur innerparteilichen Entwicklung der F. D. P., a. a. O.

  49. Siehe dazu: Inge Wettig-Danielmeier, Die erste Selbstauflösung eines Parlaments. Die niedersächsische Koalitionskrise 1969/1970, in: ZParl, 1970, H. 3, S. 269— 284.

  50. Gerhard Ziegler, „Aus der Talsohle", in: FR, 24. 3. 1970.

  51. W. Hertz-Eichenrode, „Die Zwischenwahl am 14. Juni", in: Die Welt, 10. 4. 1970.

  52. Peter Weigert, „Für die CDU geht Hasselmann mit Stiefeln ohne Sporen voran", in: Die Welt, 5. 6. 1970.

  53. Peter Weigert, „Im niedersächsischen Wahlkampf ist Plakatpapier Mangelware", in: Die Welt, 14. 5. 1970.

  54. Die Welt, 25. 5. 1970: „Wechsel im Vorstand der niedersächsischen FDP".

  55. FAZ, 30. 5. 1970: „Wahlkampfargumente der CDU".

  56. Friedrich Kassebeer, „Landtagswahlen als Prüfstein der Bonner Koalition", in: Süddeutsche Zeitung (SZ), 13. 6. 1970.

  57. FAZ, 30. 5. 1970: „Genscher zuversichtlich".

  58. Ebd.

  59. FR, 5. 6. 1970: „Wahlerfolg erst ab sechs Prozent".

  60. Wolfgang Tersteegen, „Profitiert der kleine Dritte vom Zweikampf der Großen?", in: FAZ 30. 5. 1970.

  61. Detlef Sprickmann Kerkeninck, „über die FDP eine Nachuntersuchung", in: Publik, 12 6. 1970.

  62. Peter Weigert, „Niedersächsische Parteien beginnen den Wahlkampf wider Willen", in: Die Welt, 7. 4. 1970.

  63. Die Welt, 10. 6. 1970: „Spekulationen um Leih-stimmen für die FDP".

  64. Siehe z. B.: FAZ, 13. 6. 1970: „Alle Parteien ge spannt auf den Test am Sonntag".

  65. Vgl. Reinhold Roth, Die außenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen der sozialliberalen Koalition und der CDU/CSU-Opposition 1969— 1972, in: Heino Kaack, Der unbewältigte Machtwechsel, a. a. O., (s. o. Anm. 37).

  66. Vgl. Rüdiger Bredthauer, Zur innerparteilichen Entwicklung der F. D. P., a. a. O., (s. o. Anm. 37).

  67. Siehe: Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 11. bis 14. Mai 1970 in Saarbrücken. Protokoll Bonn 1971; ferner die Presseberichterstattung von Anfang bis Mitte Mai 1970.

  68. Siehe dazu: Hans-Joachim Veen, Die CDU/CSU-Opposition im parlamentarischen Entscheidungsprozeß, München 1973.

  69. Herbert Kremp, „Testwahl für Bonn", in: Die Welt, 13. 6. 1970.

  70. Zum Wahlergebnis: Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Landtagswahl am 14. 6. 1970, 5 Hefte, Düsseldorf 1970.

  71. Zum Wahlergebnis: Die Wahl zum 7. Niedersächsischen Landtag am 14. Juni 1970, 2 Teile (= Statistik von Niedersachsen, Bd. 140 u. 141), Hannover 1971.

  72. Analyse der Wahl: Jürgen W. Falter, Faktoren der Wahlentscheidung. Eine wahlsoziologische Analyse am Beispiel der Saarländischen Landtagswahl 1970, Köln 1973.

  73. Vorwärts, 18. 6. 1970: „Das Votum des 14. Juni". Ebenso der FDP-Pressedienst, siehe: FR, 17. 6. 1970: „Parteien fühlen sich bestätigt".

  74. Eghard Mörbitz, „Flucht nach vorn", in FR, 17. 6. 1970.

  75. FR, 17. 6. 1970: „Parteien fühlen sich bestätigt".

  76. Vgl. FR, 5. 8. 1970: „Breite Mehrheit für Ostgespräche''; Die Welt, 5. 8. 1970: „Umfrage zeigt starke Zustimmung zu Ostkontakten".

  77. S. o. Anm. 81.

  78. J. Wahl, „Mini-Koalition mit dem Rücken zur Wand", in: Rheinischer Merkur, 19. 6. 1970.

  79. Die Welt, 18. 6. 1970: „Mehrheit für CDU/CSU im Bundesgebiet errechnet".

  80. Friedhelm Merz, „Zum Regieren verurteilt", in: Publik, 19. 6. 1970.

  81. J. Wahl, a. a. O„ (Anm. 84).

  82. Klaus Blume, „Der Wähler trat auf die Bremse", in: Bild, 16. 6. 1970.

  83. Gerhard Reddemann, „Mit wehenden Fahnen dem Abgrund zu", in: Bayernkurier, 27. 6. 1970.

  84. Gerhard Malbeck, „FDP zögert mit der Zusage an Kühn”, in: Rheinische Post, 16. 6. 1970.

  85. SZ, 22. 6. 1970: „Koalition in Nordrhein-Westfalen perfekt".

  86. FR, 17. /18. 6. 1970, „FDP-Präsidium: Kein Zurück".

  87. S. o. Anm. 90.

  88. Ebd.

  89. S. o. Anm. 92.

  90. Hamburger Abendblatt, 15. 6. 1970: „Wahl gewonnen, aber nicht den Sieg errungen".

  91. FAZ, 19. 6. 1970: „Vor dem Parteitag formiert sich in der FDP die Opposition".

  92. Zu diesem Kapitel generell: Auftrag und Verantwortung der Liberalen. 21. Ordentlicher Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei 1970 in Bonn, (Bonn 1970).

  93. Vgl. oben, Anm. 97.

  94. Karl H. Schwarz, „Zoglmann: Wenn wir so jonglieren, wird das verheerende Folgen haben", in: Welt am Sonntag, 21. 6. 1970.

  95. Ebd.

  96. Heiner Bremer, „Geht die FDP kaputt?", in: Stern, Nr. 26 vom 21. 6. 1970.

  97. Zum Parteitag u. a. folgende Kommentare und Berichte: FAZ, 20. 6. 1970: „Bahners Kritik an der FDP"; Walter Henkels, „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", in: FAZ, 20. 6. 1970; Alfred Rapp, „Scheel vor schweren Stunden“, in: FAZ, 20. 6. 1970; SZ, 22. 6. 1970: „Richtungskämpfe um den Kurs der FDP"; Klaus Rudolf Dreher, „Wir stehen hier und wir müssen durch“, in: SZ, 23. 6. 1970; Thomas Meyer, „Die erste Runde geht an Scheel", in: FAZ, 23. 6. 1970; Werner Diederichs, „Mende kam, sah und verlor“, in: Die Welt, 24. 6. 1970; Rudolf Strauch, „Genscher: Koalition mit den Sozialdemokraten wird fortgesetzt", ebd.

  98. Zum Beispiel: Hartwig Suhrbier, „Koppler erwartet Koalitions-Bruch", in: FR, 24. 7. 1970.

  99. Ihr Ausscheiden im Juni 1970 ist nicht mit dem der ebenfalls dem konservativen Flügel zugerechneten Bundestagsabgeordneten Graaff und Achenbach zu vergleichen; Graaff hatte seine Mitgliedschaft im Bundesvorstand seinem Amt als Landes-vorsitzender in Niedersachsen zu verdanken, in dem er zwischenzeitlich durch Röttger Gross abgelöst worden war, und Achenbach hatte nie eine den drei oben genannten Politikern vergleichbare Position inne.

  100. Vgl. u. a. „Weyer besorgt über Mendes Suche nach einer Kandidatur", in: Die Welt, 19. 9. 1968; Peter Miska, „Nicht alle Zöpfe fallen", in: FR, 23. 6. 1969.

  101. Siehe auch Starkes Austrittsbegründung: Rheinischer Merkur, 16. 10. 1970: „Starkes Abschied", (Dokumentation).

  102. FR, 29. 9 1970: „Umfragen: FDP unter fünf Prozent".

  103. Volkmar Hoffmann, „FDP erwägt Zoglmanns Ausschluß", in: FR, 25. 8. 1970; Die Welt, 7. 9. 1970: „Zoglmann will Parteiausschluß auf keinen Fall hinnehmen"; FR, 22. 9. 1970: „Siegfried Zoglmann".

  104. R. Voelkel, „FDP spaltet sich", in: Bild, 7. 10. 1970.

  105. Vgl. Heino Kaack, Die Liberalen, a. a. O., (s. Anm. 41).

  106. Carl-Christian Kaiser, „Risse in der FDP", in: Die Zeit, 9. 10. 1970.

  107. S. o. Anm. 110.

  108. Die 10. „Scheel: Wahl Hessen Welt, 12. 1970: in ist ein Test für den Liberalismus"; vgl. auch: Eduard Neumaier, „Warum treten Sie nicht zurück, Herr Minister? Ein Publik-Gespräch mit Walter Scheel", in: Publik, 16. 10. 1970.

  109. S. o. Anm. 114, Die Welt, 12. 10. 1970.

  110. Rheinische Post, 12. 10. 1970: „SPD gegen Neuauflage der Großen Koalition".

  111. Günter Krems /Rudolf Strauch: „Genscher: FDP will an Eigentum und Marktwirtschaft festhalten", in; Die Welt, 13. 10. 1970.

  112. Rolf Zundel: „Gift, Guillotine oder Genesung'', in: Die Zeit, 16. 10. 1970.

  113. Vgl. Ingeborg Jahn: „Ausschüsse mit neuen Mehrheiten“, in: Frankfurter Rundschau, 10. 10. 1970; Süddeutsche Zeitung, 13. 10. 1970: „Parlamentarische Folgen der Übertritte"; ebenda: „Ausschüsse in Not"; Hans Lerchbacher, „Wehner sagt Kontroverse voraus", in: FR, 13. 10. 1970.

  114. Immanuel Geiss und Volker Ullrich (Hrsg.), Fünfzehn Millionen beleidigte Deutsche oder Woher kommt die CDU?, Reinbek 1970, S. 5.

  115. Zur Ablehnung durch Wehner und Helmut Schmidt siehe: Rheinische Post,. 12, 10. 1970, (s. o. Anm. 116).

  116. Rheinische Post, 9. 10. 1970: „Brandt's Mehrheit schmilzt zusammen" (vgl. aber auch: Volkmar Hoffmann, „Welchen Wahlkreis erhält Mende", in: FR, 22, 10. 1970.

  117. William Borm, „Von rechts werden alle Register gezogen", in: FR, 14. 10. 1970; Heinz Schweden, „Strauß ruft die Nationalen und Liberalen", in: Rheinische Post 17. 10. 1970 (Dementi).

  118. Maria Stein, „Eine Regierung auf Abruf", in: Christ und Welt (CuW), 16. 10. 1970; vgl. ferner: Volkmar Hoffmann, „Die einstigen Partner verbindet nicht mehr viel", in: FR, 15. 10. 1970; Günter Gaus, „Harzburger Front in Bonn“, in: Der Spiegel, Nr. 43 v. 19. 10. 1970, S. 30; ebenda, S. 31: „Jede Stimme recht".

  119. Zum Beispiel: s. o. Anm. 116.

  120. S. o. Anm. 116.

  121. Werner Kaltefleiter, Politik ohne Führung, a. a. O. (s. o. Anm. 27), S. 91.

  122. Das galt in dieser Phase insbesondere für die FDP; vgl. die IPK-Analyse: Die Bundestagswahl 1972, S. 51.

  123. Vgl. Kaack/Roth, a. a. O., (s. o. Anm. 36), S. 48.

  124. Vgl. u. a. Eduard Neumaier, Die Chancen der Koalition, in: Publik, 16. 10. 1970.

  125. Am 3. /4. 7. 1970 mit Pompidou in Bonn, am 16. /17. 7. 1970 in London, am 17. /18. 7. 1970 in Washington, am 20. 7. 1970 in Brüssel, vom 26. 7. bis 7. 8. 1970 in Moskau, am 12. 8. 1970 mit Brandt zur Unterzeichnung in Moskau, 9. bis 12. 9. 1970 mit Heinemann in Norwegen, 25. 9. 1970 auf der UNO-Jubiläumstagung in New York, 11. 10. 1970 mit dem jugoslawischen Außenminister in Bonn, 12. 10. 1970 mit dem USA-Außenminister in Bonn, 26-/27. 10. 1970 auf der EG-Ratstagung in Luxemburg, 30. 10. 1970 mit Gromyko in Kronberg/Taunus, 2. 11. 1970 in Paris, 2. bis 9. 11. 1970 in Warschau, 10. 11 1970 in Brüssel, 11. bis 14. 11. 1970 in Warschau, 18. 11. 1970 Paraphierung in Warschau, 19. 11. 1970 EG-Außenministerkonferenz in München (vgl Archiv der Gegenwart 1970 sowie Presseberichte).

  126. Stern Nr. 46 vom 8. 11. 1970: „Mit 5 Prozent sind sie dabei".

  127. Siehe z. B. Volkmar Hoffmann, „Brandt sucht breitere Basis für Ostpolitik“, in: FR, 8. 7. 1970.

  128. Vgl. Roth, Die außenpolitischen Auseinandersetzungen ... a. a. O. (s. o. Anm. 70 bzw. 37).

  129. FAZ, 31. io. 1970: „Auch CDU-Präsidium sieht im Kronberger Treffen , Wahlhilfe‘".

  130. Vgl. Roland Müller, „Zwischen Karl und Alex tickt eine Zeitbombe", in: FR, 16. 9. 1970.

  131. FAZ, 24. 6. 1970: „Hessens FDP will Koalition mit der SPD".

  132. FR, 10. 6. 1970: „Dregger: FDP möglicher Partner"; Bernd Jasper, „Hessens FDP weist CDU zurück", in: FR, 2. 7. 1970.

  133. Vgl. Gerhard Ziegler, „Klein aber klar", in: FR, 8. 10. 1970.

  134. Die Welt, 27. 10. 1970: „Freien Demokraten werden nur wenige Chancen eingeräumt".

  135. Dieter Lau, in: Die Welt, 1. 10. 1970.

  136. FAZ, 26. 10. 1970.

  137. Rheinische Post, 27. 10. 1970.

  138. Vor allem in Illustrierten und in der Springer-Presse.

  139. FAZ, 27. 10. 1970: „SPD: Erhebliche Gewinne für die Union wahrscheinlich“.

  140. Zum Beispiel: Der Spiegel Nr. 45 vom 2. 11. 1970, S. 84 ff.: „David ohne".

  141. Vgl. zur Einschätzung vor der Wahl u. a.: Bernd Jasper, „Die umdirigierte Linke“, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 8. 11. 1970.

  142. Zum Wahlergebnis u. a.: FR, 10. 11. 1970: „Die Ergebnisse der Landtagswahl 1970 in Hessen" (mit Vergleichsdaten 1966 auf Wahlkreisebene).

  143. Die Gesamtdeutsche Partei, die 1966 noch 4, 3 Prozent erhalten hatte, kandidierte nicht mehr.

  144. Vgl. Werner Diederichs, „Drei Schwerpunkte für die Arbeit der Opposition", in: Die Welt, 11. 11. 1970.

  145. Vgl. SZ, 11. 11. 1970: „Die Wähler dachten an Bonn".

  146. Vgl. u. a. Alfred Rapp, „Vor der zweiten Wahl", in: FAZ, 19. 11. 1970; Maria Stein, „Pause für Bonn", in: CuW, 13. 11. 1970; sowie generell die Tageszeitungen vom 10. 11. 1970.

  147. Vgl. z. B.: FR vom 10. 11. 1970.

  148. Rheinische Post, 10. 11. 1970: „SPD und FDP für Koalition in Hessen".

  149. Alfred Rapp, a. a. O., s. o. Anm. 152.

  150. Vgl. z. B. Georg Schröder, „Stellung der FDP im Bundeskabinett wird stärker", in: Die Welt, 11. 11. 1970.

  151. Maria Stein, a. a. O., (s. o. Anm. 152).

  152. Max Kaase und Uwe Schleth, „Politische Flurbereinigung in Hessen", in: SZ, 11. 11. 1970.

  153. „Jetzt gibt es für Neuwahlen keinen Anlaß mehr“, in: Stern, Nr. 47 vom 15. 11. 1970.

  154. Heinz Schweden, „Alle Parteien beanspruchen den Sieg für sich“, in: Rheinische Post, 10. 11. 1970.

  155. Vgl.den in diesen Punkten mit den verschiedensten Zeitungen übereinstimmenden Bericht in: Der Spiegel, Nr. 48 vom 23. 11. 1970, S. 27 ff.

  156. Ebd„ S. 34.

  157. Vgl. Rudolf Grosskopf, „Strauß: Bayern gibt Gegnern der Bundesregierung einen Rückhalt", in: Die Welt, 4. 8. 1970.

  158. Martin Rehm, „Die CSU sieht sich als Heimat der Liberalen", in: SZ, 19. 10. 1970.

  159. Vgl. Eckard Budewig, „Zu früh für den Umsturz, meinen die Bayern in Bonn", in: FR, 17. 6. 1970.

  160. Roswin Finkenzeller, „Auch Frau Hamm-Brücher hat es schwer", in: FAZ, 15. 10. 1970; Rudolf Grosskopff, „Chancen haben nur die Großen", in: Die Welt, 26. 10. 1970.

  161. Rudolf Grosskopff, „Mit Rückenwind der Hessenwahl die Zehn-Prozent-Hürde anvisiert", in: Die Welt, 16. 11. 1970.

  162. Vgl. Heinz Schweden, „Ein Bayer wählt zu-nächst mal bayerisch", in: Rheinische Post, 11. 11 1970.

  163. Siehe u. a. Nina Grunenberg, „Hildegard ist unser Mann", in: Die Zeit, 20. 11. 1970; Die Welt, 14. 11. 1970: „Bayerische FDP meldet zahlreiche Zugänge", Die Zeit, 20. 11. 1970: „Ein Triumph der CSU?"; Heinrich Meyer, „Mit Mut und Charme zehn aus neun", in: SZ, 14. /15. 11. 1970.

  164. FAZ, 14. 11. 1970: „Stimmen der Anderen"; Heinz Schweden, „Der Warschauer Vertrag und die Wahl in Bayern", in: Rheinische Post, 13. 11. 1970, FAZ, 16. 11. 1970; „Döpfner will nach Polen reisen"; laut FR, 18. 719. 11. 1970 begrüßt Deutsches Industrie-Institut den Vertrag; . FAZ’, IfL II. 1970: „Union: Wahlkampf mit. Warschauer . Vertrag":

  165. Vgl. SZ, 19. 11. 1970, „Zur. Münchener Konfe-renz"; Eghard Mörbitz,. „Brandt schickt Bahr nach Ost-Berlin", in: FR, 20 11. 1970. “ '-

  166. Vgl. Rudolf Grosskopff, „Sozialdemokraten glauben nicht an politischen Durchbruch", in: Die Welt, 21. 11. 1970.

  167. Vgl. u. a. FAZ, 21. 11. 1970: „München nicht Bonn".

  168. Siehe u. a. Volkmar Hoffmann, „Nur gequälte Freude" der CDU?", in: FR, 24. 11. 1970; ebenda, „Kohl sieht nur Wahlsieg der CSU, (nicht Strauß’ persönlicher Erfolg)"; Ulrich Schwarz, „Zahlt die SPD die Zeche?", in: Publik, 27. 11. 1970; Heinz Schweden, „CSU-Sieg stellt Frage nach dem Kanzlerkandidaten", in: Rheinische Post, 25. 11. 1970.

  169. FR, 26. 11. 1970: „Proteste gegen Münchener Jusos"; Eckart Spoo, „Diskussion über Gabert begann", in: FR, 25. 11. 1970; Rudolf Grosskopff, „Max Streibl soll in Bayern neuer Kultusminister werden", in: Die Welt, 27. 11. 1970.

  170. Siehe u. a. Kilian Gassner, „So wählten die Bayern“, in: Die Zeit, 27. 11. 1970; Eckart Spoo, „Wo sich die Füchse gute Nacht sagen, siegte die CSU", in: FR, 24. 11. 1970.

  171. Siehe dazu speziell: Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung,, jeweils vom 24. 11. 1970.

  172. Vgl. u. a. Ulrich Schwarz, a. a. O., (s. o. Anm. 177).

  173. Fritz Richert, „Wahl in Bayern", in'Stuttgarter Zeitung, 23. 11. 1970.

  174. Klaus G. Troitzsch, Die Landtagswahlen des Jahres 1970, in: ZParl 1971, H. 2, S. 185.

  175. Siehe u. a.: SZ, 15. 3. 1971: „SPD behauptet knapp die absolute Mehrheit. Erhebliche Stimmengewinne der CDU"; ebenda, „Erste Stimmen aus Bonn"; Hans Ulrich Kempski, „Eine Wahl, die niemand glücklich macht", in: SZ, 16. 3. 1971. — Zum Wählerverhalten: Berliner Statistik, Sonderheft 210, Juni 1973: Die Wahlen am 14. März 1971 in Berlin (West).

  176. Zum Wahlergebnis siehe: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Die Wahl zum 7. Landtag in Rheinland-Pfalz am 21. März 1971 (= Statistik von Rheinland-Pfalz, Bd. 245), Bad Ems 1971.

  177. Ebd., S. 17.

  178. Vgl. u. a. FR, 11. 9. 1970: „CDU/FDP-Koalition soll bleiben"; Loren Lorenzen, „FDP-Bundesvor-stand greift ein", in: FR, 19. 9. 1970; dies., „FDP in Kiel will weg von der CDU", in: FR, 5. 10. 1970; W. Hertz-Eichenrode, „Die FDP versteht sich nicht mehr als die Partei der Mitte“, in: Die Welt, 5. 10. 1970; Carl-Christian Kaiser, „Risse in der FDP", in: Die Zeit, 9. 10. 1970; Joachim Steffen, „Mutige Entscheidung der FDP", in: Nordwoche, 9. 10. 1970.

  179. Zum Wahlergebnis u. a.: Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein — Wahlbeteiligung nach Alter und Geschlecht, in: Statistische Berichte des Statistischen Landesamtes Schleswig-Holstein, B III 2— 7/71 vom 8. Juli 1971.

  180. Klaus G. Troitzsch, Die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Landtagen von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein (mit Nachtrag: Bremen), in: ZParl 1971, H. 4, S. 436.

  181. Vgl. Martin Schumacher, CDU und CSU als Oppositionsparteien, in: Heino Kaack (Hrsg.), Der un-bewältigte Machtwechsel, a. a. O. (s. o. Anm. 37).

  182. Siehe dazu die Parteitagsprotokolle, die Diskussion in „Die neue Gesellschaft" und „Vorwärts" sowie die Presseberichterstattung von Mitte bis Ende November und Mitte Dezember bis Weihnachten 1971.

  183. Karl-Hermann Flach /Werner Maihofer /Walter Scheel, Die Freiburger Thesen der Liberalen, Reinbek 1972 (rororo 1545).

  184. Vgl. Heino Kaack, Die Liberalen, a. a. O. (s. o. Anm. 41).

  185. Vgl. Peter Schindler, Bundesminister und Staatssekretäre während der 6. Wahlperiode. Rotationen und Rücktritte, in: ZParl 1973, H. 1, S. 111 bis 114.

  186. Vgl. Klaus G. Troitzsch, Die Auseinandersetzungen um die inneren Reformen, in: Heino Kaack (Hrsg.), Der unbewältigte Machtwechsel, a. a. O. (s. o. Anm. 37).

  187. Vgl. die Wahlanalysen zur Bundestagswahl 1972, insbes. Werner Kaltefleiter, Zwischen Konsens und Krise, Köln 1973.

  188. Vgl. Reinhold Roth, Die außenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen der sozialliberalen Koalition und der CDU/CSU-Opposition 1969— 1972, in: Kaack (Hrsg.), Der unbewältigte Machtwechsel, a. a. O. (s. o. Anm 37)

  189. Siehe: Heino Kaack, Fraktionswechsel und Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag, in: ZParl, 1972, H. 2, S. 139.

  190. Ebd..

  191. Martin Müller, Das konstruktive Mißtrauensvotum, in: ZParl 1972, H. 3, S. 276.

  192. Ebd. S. 277.

  193. Hans-Peter Biege /Hans-Joachim Mann /Hans-Georg Wehling, Die Landtagswahl vom 23. April 1972 in Baden-Württemberg, in: ZParl 1972, H. 3, S. 331— 342.

  194. Vgl. Martin Müller, a. a. O., S. 277— 283.

  195. Ebd., S. 278 f.

  196. Ebd, S. 281.

  197. Rolf Lange /Gerhard Richter, Erste vorzeitige Auflösung des Bundestages. Stationen vom konstruktiven Mißtrauensvotum bis zur Vereidigung der zweiten Regierung Brandt/Scheel, in: ZParl, 1973, H. 1, S. 38.

  198. Ebd., S. 43.

  199. Vgl. die ausführliche Dokumentation der Entwicklung bei: Lange /Richter, a. a. O.

Weitere Inhalte

Heino Kaack, Dr, phil., Professor für Politikwissenschaft an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Rheinland-Pfalz, Abt. Koblenz; geb. 1940 in Kiel; 1964 wiss. Angestellter Univ. Kiel. 1965 Promotion (mit einer Arbeit über Kurt Schumacher), 1965 Verlagslektor, 1967 Wiss. Assistent Univ. Hamburg, 1971 Habilitation, 1972 außerord. Prof., 1973 ord. Prof. Koblenz. Veröffentlichungen: Die Parteien in der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik (19642); Zwischen Verhältniswahl und Mehrheitswahl (1967); Wahlkreisgeographie und Kandidatenauslese (1969); Wer kommt in den Bundestag? (1969); Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems (1971); Der unbewältigte Machtwechsel (Hg., 1974), Die Bundestagswahl als politischer Prozeß (1974). Aufsätze u. a. in: Zeitschrift für Parlamentsfragen; Politische Vierteljahresschrift; Aus Politik und Zeitgeschichte; Die Zeit; Löwenthal/Schwarz, Die zweite Republik (1974); Schwarz, Handbuch der deutschen Außenpolitik (1974). Herausgeber der Schriftenreihe: Studien zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland (ab 1973).