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Wege zu einem modernen Volksgruppenrecht | APuZ 18/1975 | bpb.de

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APuZ 18/1975 Die Wiederentdeckung der nationalen Minderheiten in Westeuropa*). Streben nach Mitsprache und Selbstbestimmung Das Rätoromanische in den Alpentälern Graubündens Euzkadi -Das Land der Basken und seine Probleme Wege zu einem modernen Volksgruppenrecht

Wege zu einem modernen Volksgruppenrecht

Theodor Veiter

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In diesem Beitrag werden die überraschenden Aspekte untersucht, die Nationalitätenrecht und Nationalitätenpolitik in den letzten Jahren weltweit angenommen haben. Hatte man 1945 als das Jahr Null jeglichen Schutzes nationaler Minderheiten — herkömmlicherweise Nationalitäten genannt —• angesehen und wohl auch ansehen müssen, so hat sich inzwischen herausgestellt, daß auch heute noch das Volk über dem Staat ist (der Satz stammt von dem österreichischen Bundeskanzler und Nationalitätenrechtler Ignaz Seipel und wurde von Karl Renner in einem großartigen posthumen, erst nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichten Werk [Die Nation — Mythos und Wirklichkeit] bestätigt). Die Staats-Nation (Etat-nation) wie auch der Nationalstaat haben einen 1945 nicht erwarteten Schiffbruch erlitten. Es ist weder durch Potsdam noch durch die Vereinten „Nationen" (d. h. „Staaten") noch durch völkerrechtliche Pakte aller Art gelungen, die Staaten als die Träger der menschlichen Gemeinschaft zu etablieren, wohl aber sind es die Völker und Volksgruppen (einschließlich der nationalen Minderheiten), die sich als diese Träger verstehen. In wachsendem Maße bemühen sich internationale Organisationen und Gemeinschaften um einen modernen Volksgruppenschutz, also ein Minderheitenrecht, welches die einzelnen nationalen Minderheiten gegenüber den Assimilierungstendenzen ihrer Herbergsstaaten ebenso schützt wie ihre kulturelle Eigenständigkeit achtet und entwickelt. Das ging, wie man weiß, nicht ohne Gewaltakte und ohne Kämpfe ab, Kämpfe, die zum Teil heute noch erbittert ausgetragen werden: Nordirland, Kurden im Irak und in der Türkei, Südtiroler in Italien, Slowenen in Kärnten, Basken und Katalanen in Spanien, Korsen und Bretonen in Frankreich, Jurassier im schweizerischen Kanton Bern, Slowaken in der CSSR, Rusini in der Slowakei, Albaner in Jugoslawien, Esten in der UdSSR — die Zahl der Beispiele ist übergroß, allein in Europa. Die Vereinten Nationen haben die Vordringlichkeit der Aufgabe eines modernen Minderheitenschutzes erkannt. Sie haben im Juli 1974 in Ohrid ein Seminar über den Schutz der Menschenrechte der ethnischen und sprachlichen Minderheiten durchgeführt, worauf anschließend in Triest die erste Internationale Konferenz über die Minderheiten stattfand. Nationalitätenrecht ist eine weithin in der Völkerrechtsgemeinschaft als solche gesehene Aufgabe. Sie wahrzunehmen, ist in hohem Maß aber auch eine deutsche Aufgabe, denn es gibt nun einmal ein deutsches Volk, eine deutsche Nation, und alle Abkapselungsversuche der DDR müssen an diesen Realitäten scheitern.

Es ist sehr erstaunlich, daß sich in rasch zunehmendem Umfang weltweit Bemühungen abzeichnen, zu einem modernen Minderheitenrecht zu gelangen. Unter Minderheiten-recht ist hierbei im allgemeinen ein Rechtsschutzsystem für den Schutz und die Entfaltung von ethnischen und sprachlichen Gruppen zu verstehen, die in dem Staat, auf dessen Hoheitsgebiet sie leben, eine entweder zahlenmäßige oder jedenfalls gesellschaftlich mi-noritäre Stellung einnehmen. Zwar geht die moderne Theorie zum Recht nationaler, ethnischer und linguistischer Minderheiten davon aus, daß es sich stets um eine rein zahlenmä-ßige Minderheit handeln muß, wenn von Minderheiten oder — auch — von Volksgruppen die Rede ist. Volksgruppen in multinationalen bzw. polyethnischen Staaten (altes Osterreich-Ungarn, Belgien, Schweiz, Jugoslawien, UdSSR) wurden früher ausnahmslos und werden auch heute noch vielfach als „Nationalitäten" angesprochen, dies nicht nur in der deutschen Sprache, sondern ebenso auch, falls im Plural gebraucht, in der heute recht maßgebenden französischen, englischen, italienischen, serbokroatischen, slowenischen und russischen Literatur zu diesem Thema

Dabei werden unter Nationalitäten die am Staat teilnehmenden ethnischen Gemeinschaften verstanden, die aber im Staat zahlenmäßig oder in ihrer rechtlichen und gesellschaftswirklichen Stellung eine Minderheit sind. Es kann sich hierbei um ganze Völker handeln, die geschlossen in dem betreffenden Staat siedeln, wie z. B. die Rätoromanen der Schweiz, oder um Volksteile (Volksgruppen), die auch in anderen Staaten leben und dort das staatstragende Volk darstellen (z. B. die Niederländer, die in Belgien zwar eine zahlenmäßige Mehrheit, aber gesellschaftswirklich und sprachprestigemäßig vorerst noch minoritär und am Staat jedenfalls nur teilnehmend und somit eine „Nationalität" im polyethnischen Staat sind, deren Muttervolk aber in den Niederlanden das allein staatstragende Volk darstellt). Zweifellos wird aber im heutigen internationalen Minderheiten-recht, wie es vor allem von den Vereinten Nationen systematisch schon seit langem ausgebaut wird, das Problem der Rechtsstellung von Völkern und Volksgruppen im plurinationalen (multinationalen, polyethnischen) Staat, die dort zu den staatstragenden ethnischen Gemeinschaften gehören, kaum als vordringlich angesehen, weil diese Gruppen („Nationalitäten") zumeist keines besonderen Schutzes bedürfen. Wohl aber haben die Vereinten Nationen, insbesondere im Subkomitee des Wirtschafts-und Sozialrates (für Minderheitenschutz und gegen Rassendiskriminierung) umfassende Arbeit auf der Basis der Menschenrechte geleistet

1. Der Begriff der nationalen Minderheit

Wenn heute vor allem die Vereinten Nationen versuchen, sich um einen Begriff der nationalen Minderheit zu bemühen, so tun sie das zugleich auch im Sinne einer Klärung des Begriffes Volksgruppe. Es ist daher eher gleichgültig geworden, ob konkret „nationale Minderheit“ gesagt wird oder „ethnische Gruppe" (ethnic bzw. ethnical group, gruppo etnico, groupe ethnique, etnitscheska gruppa bei Tsa-merjan, etnicna skupnost im Slowenischen), denn es besteht kaum noch ein Zweifel darüber, daß nicht reine Zahlenminderheiten geschützt werden sollen, sondern ausgegliederte Gemeinschaften. Von sehr großer Bedeutung ist hierbei der Begriff, den der General Rapporteur der Vereinten Nationen für das UNO-Seminar on the Promotion and Protection of Human Rights of National, Ethnic and Other Minorities in Ohrid (Jugoslawien) vom Jimi/Juli 1974, Francesco Capotorti, ausgearbeitet hat (sog. Capotorti-Bericht) Dieser Bericht wurde von der Subkommission zur Vermeidung der Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten (Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities) in ihrer 25. Session gutgeheißen. Unter Ausbau von Definitionen, die die Subkommission schon früher gefunden hatte, heißt es in dem Bericht: „ 1. Der Begriff Minderheit schließt nur jene nichtherrschenden Gruppen in einer Bevölkerung ein, die stabile ethnische, religiöse oder sprachliche Traditionen oder Kennzeichen besitzen und zu bewahren wünschen, die sich von jenen der übrigen Bevölkerung unterscheiden; 2.derartige Minderheiten sollten auf jeden Fall eine genügende Zahl von Personen umfassen, die ausreichen, um selbst derartige Traditionen oder Charakteristika zu bewahren; 3. solche Minderheiten müssen dem Staat gegenüber, dessen Angehörigkeit sie besitzen, loyal sein."

Und dann knüpft Capotorti in Punkt 64 Interpretations-Schlußfolgerungen hier an mit dem Vorschlag: „Für Zwecke dieser Studie ist eine ethnische, religiöse oder sprachliche Minderheit eine zahlenmäßig gegenüber der übrigen Bevölkerung des Staates, zu dem sie gehört, kleinere Gruppe, die kulturelle, physische oder geschichtliche Charakteristika aufweist bzw. eine von der übrigen Bevölkerung verschiedene Religion oder Sprache besitzt. Eine Gruppe kann eine Minderheit darstellen, auch wenn sie niemals in der Gesetzgebung oder von der Öffentlichkeit des Staates, zu dem sie gehört, als solche erwähnt worden ist.“

Zwar können im allgemeinen religiöse Minderheiten hier außer Betracht bleiben, obzwar immer wieder ethnische und religiöse Kennzeichnungen für eine Minderheit unlösbar miteinander verbunden sind (Franco-Kanadier, katholische Nordiren, Wiedertäufer im Berner Jura, Siebenbürger Sachsen usw.), hingegen ist Capotortis Definition für ethnische und sprachliche Minderheiten durchaus brauchbar.

Der Verfasser dieses Beitrages vertritt schon seit langem wissenschaftlich die Auffassung daß Volksgruppe ein Volksteil oder ein Volk in einem von einem anderen oder mehreren anderen staatstragenden Völkern beherrschten Staat ist, wobei Volk eine ethnische Gemeinschaft mit einer geistigen Komponente (Zielsetzungsgemeinschaft.) und einer Reihe anderer Komponenten wie Abstammung, gemeinsame Sprache, gemeinsame Geschichte, eigene Kultur ist, von welchen Komponenten aber die eine oder andere auch fehlen kann. Ebenso bedarf es einer Ausgliederung in soziologischem Sinne, also eines gesellschaftlichen Verbandes. Es ist bemerkenswert, daß im Rahmen der Vereinten Nationen dies heute auch erkannt wird.

gibt Zweifellos es auch „echte“ nationale Minderheiten, also die Summe von in einem andersethnisch beherrschten Staat als Minderheit lebenden Menschen, die sich von der Mehrheit durch die objektiven Merkmale etwa der Sprache oder auch anderer ethnischer Kennzeichnungen unterscheiden, denen aber das Gemeinschaftsbewußtsein fehlt, die keine im soziologischen Sinn bilden, Gruppe also keine Zielsetzungsgemeinschaft. Der soziologische Begriff „Gruppe" hat heute entscheidende Bedeutung für das Recht der nationalen Minderheiten Ethnische Minder-Hier ist jedenfalls nur auf die Volksgruppe im Sinne der vorhin gegebenen Definition von Volk abzustellen. Nur auf diese bezieht sich der moderne Minderheitenschutz, so daß . nationale Minderheit“ und „Volksgruppe" synonym gebraucht werden kann und in der internationalen Lehre zum Minderheitenrecht auch gebraucht wird, dies einschließlich der Sprachgruppen, denn gerade die Sprache ist eminent gemeinschaftsbildend, ihr kommt geradezu eine Schlüsselstellung für die Kennzeichnung „Gruppe“ zu heiten in einem Staat, die kein Volksbewußtsein haben, also nur als Summe von einzelnen gezählt werden, scheiden für ein modernes Minderheitenrecht, auch im Sinne von Capotorti, aus. Sie sind allerdings, wenn es um die Frage einer Volksgruppenfeststellung geht, der Zahl der Volksgruppenzugehörigen hinzuzurechnen, denn z. B. wird kein Südschleswiger sich der Sprache nach als Däne bezeichnen, wenn er dem deutschen Volk zugerechnet werden will.

Als besonders wichtig muß die zunehmende Erkenntnis angesehen werden, daß das für den Begriff „Volk" und daher auch „Volksgruppe" so entscheidende Gemeinschaftsbewußtsein (Gruppe), zu welchem freilich auch eines der demonstrativ aufgezählten objektiven Merkmale, die nur ein Volk, nicht auch der Staat haben kann, das Volk und die Volksgruppe vom Staat klar scheidet. Immer wieder versuchen sich Staaten als Nationalstaaten zu etablieren (Etat-Nation) und behaupten dann, daß das im Staat maßgebende Volk als Nation, d. h. auf Staat bezogenes Volk, mit dem Staat identisch sei, wodurch ein falscher Nations-Mythos entsteht, wie er früher besonders in den romanischen Staaten geradezu in den Rang eines Glaubensartikels erhoben wurde und heute immer noch in Frankreich in Blüte steht Dabei ist vor allem in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, daß der extreme Nationalstaat zur Störung, wenn nicht Zerstörung auch der Völker-und Staatengemeinschaft führt. In diesem Zusammenhang ist auf die posthum — und zwar erst nach dem Zweiten Weltkrieg — erschienenen, viel beachteten grundlegenden Werke der anerkannten Nationalitätenrechtsfachleute und Volkswissenschaftler Karl Renner Ignaz Seipel und Guido Zematto hinzuweisen. Dazu kommt das grundlegende Forschungsergebnis von Eugen Lemberg der dem Nationalstaatsdenken das gerüttelte Maß an beiden Weltkriegen und am Leid so vieler Völker auch nach dem Zweiten Weltkrieg zumißt. Wo in neuen Staaten das extreme Nationalstaatsdenken an die Spitze gestellt und nur einem Volk oder Stamm dieser Staat als Tummelplatz zugewiesen wird, entsteht auch, wie im heutigen Schwarzafrika, das Elend und die Not der Massenzwangswanderung und der Flüchtlinge Das extreme Nationalstaatsdenken hat schließlich während des und in der ersten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Millionen Flüchtlingen und Massenzwangswanderern geführt (bis Ende 1974 wurden etwa 28 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene gezählt) Das Nationalstaatsdenken hat ganze Völker (Armenier, Krimtataren, Wolgadeutsche, Petschenegen, Ambonesen) oder ganze Volks-gruppen (Sudentendeutsche und andere deutsche Volksgruppen in Ost-und Südostmitteleuropa, Italiener aus den adriatischen Küstengebieten, Biharis) auf den Weg der Flucht oder erzwungenen Umsiedlung gezwungen. Nicht zuletzt in der Erkenntnis, daß dadurch der Weltfrieden ernstlich gefährdet wird, vor allem dann, wenn nationale Minderheiten diskriminiert werden, hat sich in der Weltöffentlichkeit der Gedanke durchgesetzt, daß ein ausreichender Volksgruppenschutz gewährt werden muß.

In neuester Zeit wird auch viel von reinen Wanderungsminderheiten, vor allem der ausländischen Arbeitskräfte, die aus weniger entwickelten Ländern in Industriestaaten zuwandern, gesprochen, doch handelt es sich dabei um „Utilitäts-Zuwanderer“, d. h. Menschen, die des besseren Fortkommens willen, also aus Nützlichkeits-(Utilitäts-) Erwägungen und somit freiwillig wandern. Sie können eines Tages, wenn sie im Zuwanderungsgebiet sich verwurzeln, auch zu nationalen Minderheiten im Sinne von Volksgruppen werden, doch ist hierfür üblicherweise ein Aufenthalt im Zuwanderungsgebiet in der Dauer von drei Generationen (90 Jahren) erforderlich. Diese Frage bleibt hier ununtersucht, ebenso jene des Massentourismus, der auch schon zu Quasi-Minderheiten, die jedoch mehr einem modernen Nomadentum verhaftet sind und die geradezu eine Atomisierung von „Volk" und »Volksgruppe“ begünstigen, geführt hat

Um jeden Irrtum auszuschließen, sei aber hier klargestellt, daß die Abkehr vom Volk und vom Nationalen (Volksbewußtheit), wie sie heute nicht zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten ist, ein ebenso friedensgefährdendes Verhalten bedeutet wie der extreme Nationalismus im Nationalstaat, der nur die herrschende sog. Staatsnation kennt und Minderheiten diskriminiert. Denn wenn einem Staat die Wahrnehmung des Schicksals und der Interessen eines Volkes anvertraut ist, das in ihm seinen Staat sieht, muß im Interesse der Friedenssicherung dieser Staat auch die Erhaltung der ethnischen Substanz dieses Volkes pflegen und sich auch um das Geschick der aus welchen Gründen auch immer außerhalb seiner Grenzen — gegen ihren Willen — lebenden Volksteile bekümmern. Beispiele hierfür aus der jüngsten Geschichte sind das Eintreten der Republik Österreich für die Südtiroler als Quasi-Schutzmacht. Dieses Eintreten war übrigens erfolgreich und in hohem Maße friedenssichernd zu vermerken ist auch das Eintreten Jugoslawiens als Quasi-Schutzmacht für die Slowenen in Kärnten gegen wirkliche oder nur behauptete Diskriminierung dieser Volksgruppe (mit Regierungsnote an die österreichische Regierung vom Oktober 1974) und als vertragsvölkerrechtliche Schutzmacht der Slowenen in Italien nach dem Londoner Memoradum von 1954, das Eintreten Dänemarks für die dänischen Südschleswiger und der Bundesrepublik Deutschland für die deutsche Volksgruppe im dänischen Nordschleswig mit dem friedenssichernden Ergebnis der Kieler Erklärungen Vor allem aber zeigt sich deutlich die Verpflichtung eines Staates, für den bei zwei-und mehrgeteilten Staaten nicht selten aus politischen Gründen zum Schweigen verurteilten Teil des staatstragenden Volkes in einem anderen Staat die Obhut zu übernehmen. Hier ist an die Teilung Deutschlands, die Teilung Koreas und an die Teilung Vietnams gedacht, wobei jeweils besondere juristische Fragen auftreten

2. Die Sprachminderheit

Wie schon aufgezeigt, ist die Sprache sehr häufig, ja weitaus überwiegend Kennzeichen, also objektives Merkmal für ein Volk bzw. eine Volksgruppe (nationale Minderheit). Sie gehört zugleich zum Gemeinschaftsbereich eines Volkes und besonders einer Volksgruppe. Der Angehörige eines staatstragenden Volkes wird sich solcher Umstände oft nicht bewußt sein, denn sonst wäre es kaum möglich, daß z. B. in Deutschland, Österreich und der alemannischen Schweiz Amerikanismen (in der Schweiz auch französische Lehnwörter) in großem Ausmaß die deutsche Sprache pervertieren. Nationale Minderheiten empfinden aber die Sprache oft genug als das wichtigste Element ihrer Volkstumserhaltung, um dessen Bewahrung es geht, wobei nicht unbedingt die Hochsprache angesteuert wird, sondern oft auch eher archaische Formen mit eine Rolle spielen können Ja, mit dem Begriff «Minderheit“ ist sehr oft jener der Sprach-minderheit verbunden, und der Schutz der nationalen Minderheiten wurde früher (Völkerbundära) und wird heute erst recht vor allem als Schutz des Gebrauches der Sprache einer Volksgruppe, ihrer Gleichberechtigung im privaten und öffentlichen Leben und des Schulunterrichts in dieser Sprache (auf höherer Schulstufe freilich stark zurückgedrängt zugunsten dieser Sprache nur als Lehrgegenstand) gesehen. In der Völkerbundära wurde sogar vor allem von einem Schutz der mino-rites de langue (linguistic minorities) gesprochen, und die Minderheitenbeschwerden an den Völkerbund sind überwiegend auf den (Schul) -Sprachenschutz gerichtet gewesen

Auch die Vereinten Nationen haben ihre Bemühungen um den Schutz der nationalen Minderheiten zunächst einmal sehr stark auf den menschenrechtlichen Schutz der Minderheitssprachen hin orientiert. Dies kann man deutlich in unter der Ägide der UN oder — wie im Fall des Londoner Triest-Memorandums von 1954 — des Weltsicherheitsrates zustande gekommenen Minderheitenschutz-verträgen sehen, etwa im Gruber-Degasperi-Abkommen über Südtirol, das nur scheinbar eine Territorialautonomie der Südtiroler schafft (diese gibt es erst seit dem sog. Südtirol-Paket von 1969), sondern vielmehr sich ausdrücklich vor allem in Bestimmungen zum Schutz der Minderheitssprache(n) und des Volks-und Mittelschulunterrichts in der Muttersprache ausdrückt Allmählich wurde der Schutzanspruch (das Schutzobjekt), soweit die Vereinten Nationen überhaupt sich für einen Minderheitenschutz aussprachen, was nach einigen wenigen Anläufen zunächst (unter vorwiegend amerikanischem Einfluß) gar nicht der Fall war, vom Schutz der sprachlichen und rassischen Minderheiten ausgedehnt auf den ethnischer Gruppen, also Volksgruppen im eingangs definierten Sinn. Dabei mag die Entwicklung des französischen Ethnie-Begriffes (Belgien, Kanada, Westschweiz) mit eine Rolle gespielt haben, der auch 1946 in einer amtlichen französischen Regierungspublikation entwickelt wurde Vor allem ist im Zuge der Vorbereitung der beiden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen vom Jahre 1966 (UN-Doc. 2200) der Schutz vor Diskriminierung aus Volkszugehörigkeitsgründen (pour l'origine ethnique) in den internationalen Menschenrechtsschutz eingeführt worden und seither dort verblieben. Das schloß nicht aus, daß unverändert der Sprachenschutz im Vordergrund stand. Vor allem wurde im Minderheitenschutzartikel 27 des Weltpaktes über zivile und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 festgelegt, daß alle Menschen das Recht haben, ihre eigene Sprache (their own language) in Gemeinschaft mit den Angehörigen ihrer Gruppe (in community with the other members of their group) zu gebrauchen. Der damit anerkannte Gruppen-und Gemeinschaftscharakter stellt die erforderliche Verbindung zwischen Volks-und Sprachengruppe her

In immer stärkerem Umfang wenden sich internationale Organisationen wie auch Forscher und Forschungsinstitute vor allem dem Erhaltungsund Entfaltungsschutz kleiner Sprachgruppen zu, da diese besonders gefährdet und von Assimilierung bedroht sind, ihre Erhaltung aber entscheidende Beiträge zur kulturellen Vielfalt vor allem Europas leistet, wie ja überhaupt der kulturelle, geistige Reichtum Europas auf seiner ethnisch-sprachlichen Vielfalt mit beruht

Die bereits erwähnten Fälle, in welchen sich Sprachgruppe und Volksgruppe nicht decken, sind selten: Bretonen in Frankreich, Iren in der Republik Irland und in Nordirland (Ulster) sind gewissermaßen Paradebeispiele. Allerdings gibt es eine irische (gälische) Sprache, die auch Amtssprache in der Republik Irland (neben dem Englischen sogar an erster Stelle) ist, aber praktisch nur im Gebiet des Gaeltacht (an der Westküste) gesprochen wird, und es gibt auch eine heute eher im Vordringen begriffene bretonische Sprache (mit Lehrstühlen für Bretonisch an den Universitäten Rennes und Brest), vorerst aber spricht und versteht die Mehrzahl der volksbewußten Bretonen nur Französisch, vor allem im „Pays Gallois" (St. Malo). Dazu müssen auch Fälle erwähnt werden, in welchen sich Angehörige einer Minderheitssprachgruppe nicht zugleich auch als solche einer volksbewußten nationalen Minderheit (Volksgruppe) erklären. Ein Beispiel hierfür sind die im raschen Verschwinden begriffenen sog. Windischen in Kärnten, Sprachslowenen, die nicht als „Nationalslowenen“ gelten wollen fast alle Friauler sowie ein Teil der Elsässer,

3. Nationalitätenrecht als Aufgabe

Ein modernes Volksgruppenrecht (Nationalitätenrecht) hat nicht nur die Aufgabe, den Angehörigen ethnischer Gruppen individuellen Menschenrechtsschutz zu gewährleisten (duldendes Nationalitätenrecht), sondern vor allem, diese ethnischen Gruppen in ihrer Entwicklung einschließlich der Minderheitsschule zu fördern (förderndes Nationalitätenrecht im Sinne von Kloss) Es hat sich immer mehr gezeigt, daß Volksgruppen (nationale Minderheiten) und selbst Nationalitäten (also am Staat teilhabende ethnische Gemeinschaften im polyethnischen bzw. plurinationalen Staat) nur dann zu ihrem Selbstverständnis, ihrer Selbstverwirklichung und zur Entfaltung gelangen und nicht im Mehrheitsvolk untergehen, wenn ihnen materielle und nicht nur formelle Gleichberechtigung zuteil wird, wenn sie also gegenüber der Mehrheitsgruppe privilegiert sind. In der formaldemokratischen Staatsordnung mit ihrem heute meist gegebenen menschenrechtlichen Mindeststandard sind sie ja eine institutionelle Minderheit und können niemals wie etwa politische Minderheitsparteien die parlamentarische Mehrheit von Morgen sein. Gewiß kann auch die Entsendung von Abgeordneten einer Volksgruppe in das Parlament, wenn es sich um von der Volksgruppe selbst in Freiheit gewählte Abgeordnete handelt, ein Schutz-und Sicherungselement für die Erhaltung und Entfaltung der Volksgruppe sein, sofern es sich um eine beträchtliche Zahl solcher Abgeordneter handelt, denen nach der Geschäftsordnung des Parlaments entsprechende Initiativrechte zukommen. Wenn, wie das im Landtag von Schleswig-Holstein der Fall ist, entgegen den Vorschriften über eine Sperrklausel (5°/oKlausel) der dänischen Volksgruppe ein Abgeordneter gesichert ist, gehört dies zweifellos zum fördernden Nationalitätenrecht und bedeutet materielle Gleichheit, wo die formelle versagt. Aber immer wieder wurden und werden auch frei gewählte Abgeordnete einer nationalen Minderheit von der nationalen Mehrheit in jenen Fragen überstimmt, in denen es um das Schicksal der Minderheit geht. Das steht dann im Widerspruch zur materiellen Gleichheit.

Ziel eines modernen Volksgruppenrechts muß daher sein, den Volksgruppen auch in ansonsten einnationalen Staaten Teilhabe am Staat, der ja auch ihr Staat ist bzw.sein soll (Loyalitätspflicht, sofern auch der Staat bzw.seine ethnische Mehrheit gegenüber der Volksgruppe sich loyal verhält), ebenso zu sichern wie entsprechenden Anteil an den öffentlichen Haushaltsmitteln für Kultur-und Sprachpflege, geförderte Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern (mit Zweisprachigkeits-Gehaltszulagen), Sperrveto gegenüber die Volksgruppe in wesentlichen Lebensinteressen berührenden Gesetzen, materielle Gleichberechtigung statt formeller Gleichberechtigung. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Sicherung des Unterrichts in der Muttersprache in den Elementarschulen und sonstigen Pflichtschulen, je nach Größe der Zahl der Volksgruppenangehörigen auch an Mittel-schulen und höheren Schulen.

Im übrigen können keine allgemein gültigen Rezepte für Minderheitenschutz gegeben werden, da sich bei jeder Gruppe andere vordringliche Probleme stellen. Das kam mit größter Deutlichkeit bei der Internationalen Konferenz über die Minderheiten in Triest (vom 10. bis 15. Juli 1974) zum Ausdruck, die von der Provinz Triest veranstaltet wurde und an der über 500 Vertreter europäischer, aber auch einiger außereuropäischer Minderheiten teilnahmen, die ihre Sorgen vortrugen, an der aber auch viele führende Fachleute für Nationalitätenfragen aus West und Ost mitwirkten Maßgebend ist nur, daß den Min-derheiten ein solches Maß an Rechten, also über die formale Gleichberechtigung mit dem Mehrheitsvolk oder den Mehrheitsvölkern hinaus, eingeräumt wird, daß sie sich im Staat, in dem sie leben, zuhause fühlen und in ihrer Erhaltung und Entfaltung gefördert, also weder durch gesetzliche Maßnahmen noch in der Gesellschaftswirklichkeit gegen ihren Willen assimiliert werden. Manchmal mag das auf Schwierigkeiten stoßen, wenn eine nationale Minderheit in Streusiedlung lebt und gegenüber dem Mehrheitsvolk sich in extrem minoritärer Lage befindet. So sind die Rätoromanen und die Bündner Italiener trotz großzügigster Förderung durch die Eidgenossenschaft in einer solch bedrohlichen Lage. Das hat nun den Schweizer Nationalrat 1974 veranlaßt, eine Nationalratskommission unter Leitung von Pierre Gassmann (der als Jurassier aus dem Kanton Bern selbst einer minoritären ethnischen Gruppe angehört) nach Graubünden zu entsenden, um Vorschläge über wirksame Maßnahmen des Bundes zugunsten der Rätoromanen auszuarbeiten. Der diesbezügliche sehr detaillierte Bericht liegt seit Ende 1974 vor

Ein Katalog möglicher Forderungen im Sinne fördernden Nationalitätenrechts kann folgendermaßen aussehen, wobei manche dieser Forderungen für die eine oder andere Volksgruppe entbehrlich sind:

a) Schulautonomie mit eigener oder staatlicher Schulerhaltung, stets mit der Minderheitssprache als Unterrichtssprache (nur auf höheren Stufen zugunsten der Mehrheitssprache als Unterrichtssprache absinkend);

b) Territorialprinzip bezüglich Unterrichts-sprache in allen Schulen und Verwaltungsamtssprache (Beispiel: Schweiz, Belgien);

c) personelle allgemeine Autonomie (Schaffung eines rechtspersönlichen Selbstverwaltungskörpers der Volksgruppe. Beispiele: Mähren, Bukowina und Galizien im alten Österreich; estländische Kulturautonomie zwischen den beiden Weltkriegen; in etwa heute Friesen in Leeuwarden bzw. Westfriesland, Sorben in der DDR);

d) territoriale Autonomie (Beispiele: Südtirol, Quebec, kommender Kanton Jura in der Schweiz infolge des Plebiszits vom 23. 6. 1974, Färöer, Älandinseln, Puertorica). Die territoriale Autonomie darf nicht mit dem Territorialprinzip verwechselt werden, denn sie bedeutet Selbstverwaltung (und oft auch autonome Gesetzgebung); e) Sperrveto der Minderheit gegen Gesetze und Rechtsverordnungen, die ihre Lebensrechte berühren; f) Beteiligung der Volksgruppe an öffentlichen Förderungsmitteln, vor allem für kulturelle Zwecke, in einem den Prozentsatz der Volksgruppe erheblich übersteigenden Ausmaß (Beispiel: Rätoromanen in der Schweiz); g) Abschluß von gegenseitigen Schutzverträgen mit Nachbarstaaten, in welchen das Minderheitsvolk des einen Staates das Mehrheitsvolk ist: reziprokes Nationalitätenrecht (Beispiel: Londoner Triest-Memorandum mit den nachfolgenden Dichiarazioni congiunte der Dachverbände der Slowenen in Italien und der Italiener in Jugoslawien); h) Verfassungsgarantien eines Volksgruppenschutzes, einschließlich der Zuständigkeit eines eigenen Gerichtshofes zum Schutz autonomer und anderer Volksgruppeneinrichtungen (Beispiel: die Autonomie der Färöer von 1948);

i) Gewährung der Wahl von Abgeordneten der Volksgruppe in das staatliche oder — im Bundesstaat — gliedstaatliche Parlament ohne Rücksicht auf eine Sperrklausel oder sonstige Bestimmungen zur Ausschaltung kleiner Wahlparteien (Beispiel: die dänische SSW im Landtag von Schleswig-Holstein). Hierher gehört auch die Virilstimme von Minderheiten in solchen Vertretungskörpern (Sorben in der Volkskammer der DDR);

j) die nationale Kurie (Teilung von parlamentarischen Vertretungskörpern, auch auf Gemeindestufe, nach ethnischen Gesichtspunkten mit entsprechenden Eigenzuständigkeiten; dies gehört in etwa zur nationalen Autonomie. Beispiel: der mährische Ausgleich von 1905 im alten Österreich);

k) der ethnische Proporz bei der Besetzung von Beamtenposten und vergleichbaren anderen Dienstposten (Beispiel: Belgien; Südtirol); 1) Entmilitarisierung eines Minderheitsgebietes mit Befreiung der Minderheitsangehörigen vom Wehrdienst (Beispiele: Färöer, Älandinseln); m) Gewährung der Finanz-und Steuerhoheit an die Volksgruppe auf dem Gebiet direkter Steuern und anderer Abgaben (einschließlich Erlös aus dem Verkauf von Postwertzeichen), was meist aber territoriale Autonomie zur Voraussetzung hat (Beispiel: bezüglich Briefmarken die Färöer seit 1974);

n) Bestellung eines Ombudsman für Minderheitenschutz (Beispiel: Mauritius, Reunion. Vorschläge: Österreich).

4. Erfolgte Befriedung durch förderndes Nationalitätenrecht

Während man 1945 als das Jahr Null eines internationalen wie auch nationalen (innerstaatlichen) Minderheitenschutzes und auch den Minderheitenschutz der Völkerbundära für gänzlich überholt und erledigt ansah, zumal die Massenvertreibungen und Zwangsumsiedlungen sowohl während des Zweiten Weltkrieges als auch nach dessen Ende eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber Volksgruppen (nationalen Minderheiten) und sogar ganzen Völkern offenbarten, erkannte man immer mehr, daß es ein vergebliches Bemühen sei, den Nationalstaat in Reinkultur (also den einnationalen oder monoethnischen Staat) schaffen zu wollen, daß es also Volksgruppen (nationale Minderheiten) notwendigerweise in weitaus der Mehrzahl der europäischen wie auch außereuropäischen Staaten gibt und geben wird, daß deren Diskriminierung dem internationalen Standard der Menschenrechte und Grundfreiheiten widerspricht und zu argen Friedensbedrohungen führt, wie sich etwa in Südtirol, Nordirland, auf Zypern, im Berner Jura, in Spanien, in Frankreich, in Bangla Desch bzw. vorher Ostpakistan, Kanada, Südafrika, im Sudan, in Tschad und auch in einer Reihe kommunistisch regierter Staaten zeigte oder teilweise noch zeigt, und daß hier Abhilfe geschaffen werden muß. Denn die Friedenssicherung geht selbstverständlich jeglichem anderen völker-rechtlichen Gebot vor, da Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden sollen, vielmehr versucht werden muß, Volksgruppen loyal zu behandeln, damit auch sie dem Staat gegenüber loyal sind Diese Bemühungen haben tatsächlich zu erfolgreichen Versuchen auf internationaler und auch innerstaatlicher Ebene geführt, ebenso aber auch zur Gründung einer großen Zahl teilweise ernst zu nehmender Gremien, Volksgruppenorganisationen und auch Forschungsinstituten, die sich die Schaffung eines weltweiten Minderheitenschutzes (förderndes Nationalitätenrecht) zum Ziel gesetzt haben.

Hier können nur kurz erwähnt werden (weil das ein Thema ist, welches eine viel umfassendere Abhandlung rechtfertigt): a) Internationale Bemühungen: 1. Die 3. Kommission des Wirtschaftsund Sozialrates der Vereinten Nationen — Menschenrechtskommission — Subkommission betreffend die Verhinderung der Diskriminierung und den Schutz von Minderheiten.

2. Die jeweiligen Artikel 1 der beiden Men-schenrechts-Weltpakte der Vereinten Nationen vom 16. 12. 1966 (mit Festlegung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, wobei Selbstbestimmungsrecht keineswegs nur oder in erster Linie das Recht auf Gebietsübergang oder Souveränität bedeutet, ausgenommen im Entkolonialisierungsprozeß, sondern auch das Recht auf autonome Einrichtungen zum Schutz von Völkern und Volksgruppen).

3. Der Minderheitenschutzartikel 27 des Weltpaktes über zivile und politische Rechte (die-ser ist einer der beiden vorerwähnten Welt-pakte, die übrigens auch — 1973 — von der Sowjetunion und — 1974 — von der DDR ratifiziert worden sind, auf deren Einhaltung dort freilich kein klagbarer Anspruch besteht, zumal die sowjetische Souveränitätslehre die Anrufung überstaatlicher Instanzen ausschließt). 4. Die verschiedenen UNO-Seminare wie das in Ljubljana über die multinationale Gesellschaft und das in Ohrid über den Schutz der Menschenrechte ethnischer und sprachlicher Minderheiten.

5. Die europäische Menschenrechtskonvention mit der Anrufbarkeit der Menschenrechtskommission. Minderheitenschutz spielt dort zwar keine sehr große Rolle, beginnt aber allmählich an Bedeutung zu gewinnen. 6. Die interamerikanische Menschenrechtskonvention.

7. Die {von den Vereinten Nationen geförderten) Bellagio-Kolloquien der Carnegie-Stif-. tung für internationalen Frieden (über Menschenrechte, über eine neue Asylrechtskonvention und über Naturrecht).

8. Die Gründung und bisherige Arbeit der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (F. U. E. V.). Ihr ist vor allem die Beschlußfassung der „Hauptgrundsätze eines Volksgruppenrechts" zu verdanken.

9. Die Gründung und bisherige Arbeit der Association internationale pour la Defense des Langues et Cultures Menacees (A. I. D. L. C. M.), die nach anfänglich nicht sehr erfolgreichem Start auf ihrem 5. Kongreß in Ustaritz (Frankreich) 1974 den Durchbruch zu breiter Basis gefunden und auch eine Charta der nationalen Minderheiten entworfen hat.

10. Die Minority Rights Group, London, die sich mit Spezial-Reports über Minderheiten-fragen in aller Welt beschäftigt (unter Ben Whitaker).

11. Die Conferenza internazionale sulle mino-ranze, Triest. Bisher hat diese Konferenz — nach einer Vorkonferenz 1973 — einmal, 1974, als Vollkonferenz getagt und wertvolle Erkenntnisse gebracht, auch wenn organisatorische und andere Mängel deutlich in Erscheinung traten. Ihre Wiederholung ist vorgesehen. b) Bemühungen innerstaatlicher Art Hier sind zunächst minderheitenschutzrechtliche Regelungen einzelner Staaten zu nennen, die sich befriedend ausgewirkt haben und ein mehr oder minder vorbildliches Volksgruppenrecht darstellen, so die Autonomie der Färöer (1948), die Autonomie der Älandinseln, das finnische Sprachen-und Nationalitätenrecht, die Sicherung der Rechte der deutschen Volksgruppe in Dänemark und der dänischen Volksgruppe in Schleswig-Holstein auf Grund der Kieler (Bonner, Kopenhagener) Erklärungen, das Jura-Plebiszit vom 23. Juni 1974 mit zusätzlichem Teilplebiszit vom 16. März 1975 im Berner Jura, die Südtirol-Autonomie nach dem Südtirol-Pakt von 1969, das neue Minderheitenrecht in Jugoslawien gemäß der Bundesverfassung und den Republikverfassungen von 1974, die Fortbildung des Schutzes der slowenischen Volksgruppe in Triest, in der Provinz Görz und seit kurzem auch in der Provinz Udine, die Neuregelung der Stellung der französischen Sprache und der franco-canadischen Volksgruppe in Kanada 1974, die Lösung der Nationalitätenprobleme in Belgien, die Autonomie von Puertorico, das amerikanische Nationalitätengesetz, das indische Sprachengesetz u. a. m.

Dazu kommt, daß sich in zunehmendem Maße wissenschaftliche Institute mit der Lösung von Volksgruppenfragen und der Probleme der Sprachgruppen beschäftigen. Hier seien genannt das C. I. F. E. (Centre International de Formation Europeenne, Nizza, vormals Paris, seit neuestem mit Zweiginstituten in anderen Staaten, z. B.seit Mai 1975 in Innsbruck), das European Institute of Applied Linguistics der Universität Limburg in Diepenbeck bei Hasselt, Belgien; TEJO in Amsterdam (eine Esperanto-Organisation, die eine Zeitschrift „Etnismo" herausbringt und sehr beachtliche Arbeit leistet), das Institut za narodnostna vprasanja (Institut für Volksgruppenfragen), Ljubljana, das Institute of International Sociology (I. S. I. G.), Gorizia/Görz, Italien (es befaßt sich vor allem mit den Grenzlandvolksgruppen), das CIRB (Centre International de Recherches sur le Bilinguisme), Quebec, das Institut für deutsche Sprache, Mannheim, das Institut für Sprachenwissenschaft an der Universität Wien (das seit 1974 sich dem Schutz von Minderheitssprachen zuwendet) und dazu noch eine Reihe erst in jüngster Zeit im Entstehen begriffene weitere Institute, die sich vorwiegend mit den Minderheitensprachen beschäftigen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Maßgebliche Literatur: Karl Gottfried Hugeimann Hrsg.), Das Nationalitätenrecht des alten Oster-reich, Wien 1934; Robert A. Kann, Das Nationalitätenproblem in der Habsburger Monarchie, 2 Bde., Graz-Köln-Wien 1964; Wilhelm Schließleder, Die Rechte der Nationalitäten in Österreich und Ungarn 1848— 1918, Salzburg 1974 (Reprint); Albert Ver-doodt, La protection des droits de l'homme dans les Etats plurilingues, Paris und Brüssel 1973; Albert Verdoodt, Les problemes des groupes linguistiques enBelgique, Louvain /Leuven 1973; The Austrian History Yearbook, hrsg. v. John Rath u. a., bisher »Bde., Houston, Texas, 1967— 1974; S. Calogeropoulos-Stratis, Le droit des peuples ä disposer “ eux-memes, Brüssel 1973; Jacques Droz, L’Europe centrale, Paris 1960; Branko Miljus, Les Habswgs, l’Eglise et les Slaves du Sud, Paris 1970 spricht von Nationalitäten, ist aber unwissenschaftdi und unobjektiv); Alessandro Pizzorusso, Le mnoranze nel diritto internazionale pubblico, Mlano 1969, 2 Bde.; Koda Joni (Hrsg.), Nations “ Nationalities of Yugoslavia, Beograd 1974; I.

  2. Definition et Classification des minorits, Doc. E/CN. 4/Sub. 2/85; Etüde sur la validite juridique des engagements relatifs aux minorites, Doc. E/CN. 4/367 et Add. 1); Traites et instruments inter-nationaux relatifs ä la protection des minorites (1919— 1951), E/CN. 4/Sub. 2/133; Activites de l'Organisation des Nations Unies concernant la protection des minorites, Doc. E/CN. 4/Sub. 2/194; Compilation des textes d’instruments internationaux et de mesures analoges de caractere international qui ont un intrt actuel et qui prevoient des mesures speciales de protection pour des groupes ethniques, religieux ou linguistiques, Döc. E/CN. 4/Sub. 2/214; Protection des minorites, Doc. E/CN. 4/Sub. 2/214/Rev. 1 und 221/Rev. 1.

  3. UN-Doc. E/CN. 4/Sub. 2/L. 564 v. 21. 6. 1972.

  4. Theodor Veiter, in: System eines internationalen Volksgruppenrechts, Bd. I: Grundlagen und Begriffe, Wien 1970; ders., a. a. O. (Das Recht der Volksgruppen und Sprachminderheiten in Österreich); ders., Das Volksgruppenrecht — Element einer föderalen Ordnung Europas, in: Festschr. f Dimitrios S. Constantopoulos, Thessaloniki 1975.

  5. Harald Haarmann, Soziologie der kleinen Sprachen Europas, Hamburg 1972; Anton Burghardt Lehrbuch der Soziologie, Frankfurt-München 1974 J. J. Lador-Lederer, International Group Protection, Leyden 1968; Heinz Kloss, Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert, Wien-Bad Godesberg

  6. Vgl. Wilhelm Arnold, Welche Folgerungen lassen sich aus den Erfahrungen der doppelsprachigen Erziehung von Kindern ziehen?, in: A. W. R. -Bulletin, Wien Jg.

  7. Yves Person (Hrsg.), Minorites nationales en France, Paris (Sonderband von „Les Temps Modernes) 1973; Sergio Salvi, Le nazioni proibite, Firenze 1973.

  8. Karl Renner, Die Nation: Mythos und Wirklichkeit, Wien 1964; Ignaz Seipel, Österreich wie es wirklich ist, Wien 1953 (wobei Seipel aber, der mitteleuropäischen Praxis der Zwischenkriegszeit folgend, das, was man heute allgemein als „Volk" bezeichnet, als die rein ethnische, den Staat überschneidende „Nation“ hinstellt); Guido Zernatto, Vom Wesen der Nation, Wien 1966.

  9. Eugen Lemberg, Nationalismus, 2 Bde., Stuttgart 1964, ist unter den vielen einschlägigen Werken Lembergs zu nennen.

  10. Issa Ben Yacine Diallo, Les refugies en Afrique. De la conception ä l'application d’un Instrument juridique de protection, Wien 1974. Dieses Werk eines Schwarzafrikaners stellt so ziemlich die erste analytische Darstellung zu diesem Thema in der Welt dar.

  11. Nach einer im November 1974 fortgeführten neuen Statistik des Ente nazionale per lavoratori rimpatriati e profughi (italienische A. W. R. -Sektion), Rom (Piazzale di Porta Pia, 121). Auf die äußerst umfangreiche Literatur zum Weltflüchtlingsproblem braucht hier im einzelnen nicht eingegangen zu werden. Sie kommt aber ziemlich einhellig zum Ergebnis, daß das Nationalstaatsdenken die Flüchtlingsströme und Massenaustreibungen entscheidend mit herbeigeführt hat. Weltbekannte Autoren sind hierbei: Jacques Vernant, Bolesta-Kodziebrodski, A. Grahl-Madsen, Göran Melander, Paul Weis, Otto Kimminich, Elisabeth Pfeil, L. Holborn (s. hier-zu die regelmäßig im „A. W. R. -Bulletin“, Wien, erschienene Bibliographie zum Flüchtlingsproblem von Gertrud Krallert).

  12. Vgl. die geistvolle Studie des ethnopolitischen Wissenschaftlers und Entdeckers der Ethnolyse: Michel Rimet, Le tourisme contemporain — un Probleme ethnique, in: Europa Ethnica, Wien, Jg. 1974.

  13. Vgl. hierzu die grundlegenden Werke von Alain Fenet, La question du Tyrol du Sud — un Probleme de droit international, Paris 1968, mit Nachtrag, Amiens 1972; Anthony Evelyn Alcock, The History of the South Tyrol Question, London 1972; La Question du Tyrol du Sud. Le reglement du diffrend italo-autrichien, Sondernummer der Documentation Frangaise, 8. — 15. September 1972; Luigi Giovenco-Francesco Cannata, Codice Regionale. Norme Statali, Milano Bd. I 1971, Bd. II 1973 (nur Bd. II ist für die Frage Südtirol von Bedeutung).

  14. S. Theodor Veiter, Die Volksgruppen und Sprachminderheiten in der Bundesrepublik Deutschland, in: Europa Ethnica, Wien, Jg. 1970.

  15. Vgl. Gilbert Cathy, La structure juridique des Etats divises, Paris 1969; Theodor Veiter, Deutschland, deutsche Nation und deutsches Volk. Volks-theorie und Rechtsbegriffe, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 11/73; Fritz Faust, Potsdamer Abkommen, Frankfurt/M. 19694, Boris Meissner Friedrich Klein (Hrsg.), Das Potsdamer Abkommen, Wien 1975 (im Erscheinen); Edvard Kardelj, Die Vierteilung,'Wien 1970 (gemeint: Slowenien); für das geteilte China s. Erich Röper, Geteiltes China. Eine völkerrechtliche Studie, Mainz 1967.

  16. So z. B. bei den Burgenland-Kroaten, um deren sprachliche Erhaltung und Rettung ein Kampf ent-brannnt ist: J. Palkovits (Hrsg.), Symposion Croaticon, Wien 1974 (die erste wirklich umfassende wissenschaftliche Forschungsarbeit zur volks-politischen Lage der Burgenlandkroaten heute); neueste Studien über die Burgenlandkroaten sind aber auch Fritz Zimmermann sowie Josef Breu und verschiedenen anderen Autoren, letzteren auch in Bd. VIII des Austrian History Yearbook, Houston 1972, zu verdanken.

  17. The League of Nations and the Protection of Minorities of Race, Language and Religion, Genf 19271 Jacob Robinson, International Protection of Minorities, in: Israel Yearbook on Human Rights, Bd-I, Tel Aviv 1971; Erwin Viefhaus, Die Minderheitenfrage und die Entstehung der Minderheiten-Schutzverträge auf der Pariser Friedenskonferenz 1919, Würzburg 1960.

  18. Vgl. Theodor Veiter, Die Südtiroler Autonomie im Lichte des Völkerrechts der Gegenwart, in: Festschrift f. K. G. Hugeimann, Aalen 1959; Guy Heraud, LÄutonomie du Tyrol du Sud, in: Rev. Gen.de dr. international public 1956, 336; Wilhelm Wengler, Die Neuregelung der Südtiroler Frage, in: 3 Archiv des VR, Jg. 1952, H. 3; dazu die in Anm. 13 angeführte Literatur.

  19. In der Völkerbundzeit wurde überhaupt nur von „minorites de race et de langue* (neben religiösen Minderheiten) gesprochen, d. h., daß von ethnischen Minderheiten nirgends die Rede ist, allerdings wohl von nationalen Minderheiten (minorites nationales, national minorities), womit zweifellos dasselbe verstanden war wie heute unter Volkgruppen oder ethnische Minderheiten. „Race" konnte wohl auch Rasse in der deutschen Wortbedeutung heißen, wobei besonders in Osteuropa die jüdischen Minderheiten als rassische Minderheiten in Erscheinung traten, im großen und ganzen war aber »race* mit Volksgruppe identisch und auch so gemeint: Fran-Coise Branchu, Le probleme des minoritös en droit international depuis la Seconde Guerre Mondiale, these Lyon 1959.

  20. Les minorites nationales en Europe Centrale et Balkanique, Paris 1946. In rascher Folge haben Heraud, Lavenir, Lafont, Fontan, Bologne, Beguelin, de Rougemont diesen ethnie-Begriff in der francophonen Welt tragfähig gemacht Versuche, das Wort in Deutschland einzuführen (Ethnie bei W. Mühlmann) oder in Italien durchzusetzen (etnia in. einem ins Italienische übersetzten Buch von Hraud) sind allerdings gescheitert.

  21. Zu Art. 27 des Weltpaktes über zivile und politische Rechte gibt es noch sehr wenig Literatur. Hier kann nur erwähnt werden: Fritz Münch, Der Minderheitenartikel im Menschenrechtstext der Vereinten Nationen, in: Th. Vetter (Hrsg.), System eines internationalen Volksgruppenrechts. Bd. 2, Wien 1972. Münch beurteilt die Tragweite des Art. 27 ziemlich pessimistisch, doch dürfte ein solcher Pessimismus heute nicht mehr gerechtfertigt sein, vor allem nicht nach dem UNO-Seminar von Ohrid 1974 und der Internationalen Konferenz über die Minderheiten Triest 1974.

  22. Vgl. Harald Haarmann, Soziologie und Politik der Sprachen Europas, München 1975; Guy Hraud, Pour un droit llnguistique compar, in: Rev. int.de droit compar, 1971, no. 2; Leo Welsgerber, Sprachenrecht und europäische Einheit, Köln und Opladen 1959; die enge Verbindung zwischen Volksgruppe und Sprachgruppe kommt in den Einzeldarstellungen im . Handbuch der europäischen Volks

  23. Die vom österreichischen Bundeskanzler vor zwei Jahren eingesetzte Studienkommission für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten kam zum Ergebnis, daß die sog. Windischen jedenfalls kein eigenes Volk sind und daß es auch keine windische Sprache gibt, sondern Windisch nur eine der vielen Mundarten des Slowenischen ist. S. hierzu auch das Stichwort „Windische" in der Großen Brockhaus-Enzyklopädie 1973. Allerdings spielt hier auch die Frage des sog. schwebenden Volkstums mit herein. Darunter versteht man Erscheinungsformen der Umsprachung und Umvolkung, vor allem im Entnationalisierungs-und Assimilierungsprozeß, der meist nicht auf behördlichen Zwang, wohl aber auf gesellschaftliche Prestige-Verhältnisse und Zwänge zurückgeht. Schwebendes Volkstum lag vor allem im alten Ungarn (bis 1918) durch Magyarisierung vor; viele sehen auch in dem Teil der Kärntner Slowenen, die sich nicht als volksbewußte Slowenen mehr bekennen, sondern als Windische, den Fall schwebenden Volkstums (das je nach politischer Lage wieder renationalisiert werden kann) verwirklicht, so Johann Wilhelm Mannhardt, Die Windischen, in: Bausteine zur Volkswissenschaft, Stuttgart 1965. In der slowenischen Sprache gibt es das Wort . Windische“ nicht, sondern nur Slowenen (slovenici).

  24. Die Unterscheidung zwischen duldendem und förderndem Nationalitätenrecht wurde von Heinz Kloss, einem anerkannten Fachmann für Sprachen-fragen, in „Europa Ethnica", Wien, Jg. 1963, 20, entwickelt und sodann von Fritz Münch wie auch von Friedrich Klein in ihren Abhandlungen in Bd. I des „System eines internationalen Volksgruppenrechts“ mit dem Band-Titel „Grundlagen und Begriffe“ (hrsg. v. Th. Veiter), Wien 1970, S. 89, 100 und 146, übernommen und ist heute weitestgehend anerkannt. Dazu sei noch auf folgende Publikationen hingewiesen: Felix Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte, Wien 1962; Guy Heraud, Philosophie de l’ethnisme, Nalinnes-lez-Charleroi 1969; Hu Chou-Young, Das Selbstbestim-

  25. Informierende Berichte darüber schrieben Franz H. Riedl in „Europa Ethnica", H. 4/1974, und in „DAS PARLAMENT“, Bonn v. 24. 8. 1974, und Th. Veiter in „Der Donauraum", Wien, H. 3- 4/1974.

  26. Rapport sur les besoins de la minorit rhetoromanche. Text in „Le Jura Libre", Delemont, v. 27. 11. 1974.

  27. Wichtigstes Werk ist die amtliche französische Les transfers internationaux Regierungspublikation:

  28. Die Literatur hierzu ist sozusagen Legion. Sie " ird und wurde sorgsam verzeichnet im „A. W. R. -Bulletin", das im Jahre 1975 im 22. Jahr in Wien erscheint, und in „International Migration", Genf, redigiert in Den Haag, das im Jahre 1975 im 13. Jahr herauskommt. Zur Frage der Vertreibung von 8ta 14 Millionen Deutschen kann auf das neue bunh des früheren Direktors der Lastenausgleichs-bank in Bonn, Gerhard Ziemer, aufmerksam getackt werden: Deutscher Exodus — Vertreibung M Eingliederung von 15 Millionen Deutschen, Stuttgart 1973.

  29. Die von Capotorti, wie oben erwähnt, aufgestellte Forderung nach Loyalität von Volksgruppen gegenüber dem Staat mit einem anderen Volk als Mehrheitsvolk oder im Nationalitätenstaat, beherrschte vor allem die Doktrin und Minderheiten-politik des Völkerbundes, kann aber ohne gründliche Untersuchung nicht zu einem absoluten Gebot erhoben werden. Vgl. Kurt Rabl, Staatsbürgerliche Loyalität im Nationalitätenstaat, München 1965.

  30. Vgl. V. S. Shvetskov, National Sovereignty and the Soviet State, Moskau 1974. Robert R. King, Minorities under Communism, Cambridge, Mass., 1973.

Weitere Inhalte

Theodor Veiter, Dr. jur., geb. 1907 in München; Studium in München, Grenoble und Wien; Sekretär im österreichischen Bundesrat 1930 bis 1934, sodann Assistent an der Universität Wien; 1938 bis 1945 politisch verfolgt und zeitweilig auch in Gestapo-Haft; nach 1945 in Feldkirch Chefredakteur einer lokalen Zeitung, dann Rechtsanwalt (bis heute); seit 1966 Honorarprofessor für Nationalitätenrecht, Gesellschaftslehre und Völkerrecht an der Phil. -theol. Hochschule Königstein/Ts.; wissenschaftlicher Generalsekretär der AWR (Association for the Study of the World Refugee Problem), Vaduz; Mitglied des Advisory Board der International League of Human Rights, New York; Mitglied der Studienkommission für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten beim Bundeskanzleramt in Wien; Völkerrechtsberater mehrerer internationaler Minderheitenorganisationen (FUEV; AIDLCM). Veröffentlichungen u. a.: Das Volksgruppenrecht — ein elementarer Baustein Europas, 1964; Die Slowenen in Kärnten, 1936; Nationale Autonomie, 1938; Gesetz als Unrecht, 1949; Südtirol im Lichte des Völkerrechts der Gegenwart, 1959; Le droit d'autodisposition du peuple jurassien, 1971; Das Recht der Volksgruppen und Sprachminderheiten in Österreich, 1970; System eines internationalen Volksgruppenrechts, 1970 und 1972; Volk, Volksgruppe, Nation, 1966; Die Rechtsstellung des fremden, insbesondere des deutschen Privateigentums in Österreich, 1959.