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Kompetenz für politische Bildung Zur Frage, wer kompetent sei und warum, Ziele für das politische Lernen festzulegen | APuZ 10/1976 | bpb.de

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APuZ 10/1976 Artikel 1 Kompetenz für politische Bildung Zur Frage, wer kompetent sei und warum, Ziele für das politische Lernen festzulegen Versuch über den Schein und die Angst Blick zurück in Trauer auf die Rahmenrichtliniendiskussion Die „Emanzipationspädagogik" angesichts der „Tendenzwende". Zur Kontroverse zwischen Hermann Boventer und den Brüdern Hartmut und Thilo Castner

Kompetenz für politische Bildung Zur Frage, wer kompetent sei und warum, Ziele für das politische Lernen festzulegen

Paul-Ludwig Weinacht

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Zusammenfassung

1. Lernziele politischer Bildung können nur dann und insoweit innere Verbindlichkeit beanspruchen, als sie an den Verbindlichkeiten des politischen Gemeinwesens teilnehmen. Dies ist das Grundproblem aller Curriculum-Konstruktion in der Bundesrepublik. 2. Teilhabe an diesen Verbindlichkeiten ist ein inhaltliches und verfahrensmäßiges Problem. Die doppelte Gefahr der inhaltlichen Fehlbestimmung durch partikulären bzw. maßlosen Zugriff und der prozeduralen Fehlleitung durch Ausschließung legitimierender bzw. kompetenter Kräfte muß vermieden werden. 3. Um die Bedingungen nach 1 und 2 zu erfüllen, muß man zunächst den Sinn politischer Erziehung und Bildung wieder auf das politische Gemeinwesen orientieren, wo er als . Einbürgerung“ erfaßbar wird. Der Begriff wird zunächst funktional in bezug auf jedes existierende, Identifikation beanspruchende politische Gemeinwesen verwandt, kann aber material — im Blick auf die Bundesrepublik Deutschland — bestimmt werden als Bedingung der Möglichkeit freiheitlich-demokratischer Ordnung. Einbürgerung ist insoweit Verinnerlicherung und Habitualisierung fundamentaler Überzeugungen und Verhaltensstandards des westlich-demokratischen Kulturkreises, auf denen das politische Mit-und Gegeneinander auch in unserem Lande beruht. 4. Ferner müssen die in einer politischen Gesellschaft vorhandenen und am Konsens beteiligten Gruppen und Kräfte bei der Legitimierung politischer Lernziele möglichst gut ins Spiel gebracht werden. Um dies zustande zu bringen, wird eine Kompetenzvermutung in vier Richtungen ausgesprochen: in Richtung einer sozialen, einer politischen, einer administrativen und einer professionellen Kompetenz. Während die professionelle, politische und administrative Kompetenz in spezielle Verfahren eingebunden werden können, kann hier nur ein kleiner Teil sozialer Kompetenz gebunden werden; der größere und wichtigere Teil vermag sich nur über das politische System als Ganzes bei der Lernzielfestlegung Einfluß zu verschaffen (Gerichte, Wahlen, öffentliche Meinung usw.). 5. Bei der Abwägung, welche Art der Berücksichtigung aller vier Kompetenzen die angemessene sei, treten zwei Kriterien hervor: einmal das Kriterium der Sache, um die es politischer Erziehung zutiefst geht: die Einbürgerung (von daher: Nähe zur Einbürgerungsfunktion als Vorrangvermutung zugunsten einer jeweiligen Kompetenz); zum andern das Kriterium des Amtes, das repräsentativ und verantwortlich vor der politischen Gesellschaft zu entscheiden hat (von daher: Vorrangvermutung zugunsten der politischen und ggf. administrativen Kompetenz des Ministers). Bliebe der Kompetenzen-konflikt offen, so riskierte man eine Überwucherung und schließliche Außerkraftsetzung der Grundfunktion politischer Bildung.

So wie Savigny am Beruf seiner Zeit zur Gesetzgebung, so zweifeln wir am Beruf unserer Zeit zur Erziehung. Und das Ergebnis dieses Zweifels ist, wie gewöhnlich, eine Wissenschaft, hier: die Didaktik. Offenbar ist der Zweifel an verbindlichen politischen Orientierungen nirgendwo tiefsitzender oder größer als bei uns, denn nirgendwo anders sind Problembewußtsein und Reflexionsniveau in der politischen Bildung größer als in der Bundesrepublik Unsere Stärke ist also unsere Schwäche. Der Glanz der Disziplin gleicht dem Perlmuttglanz der Perle, mit der die Auster in ihrer Schale Krankheitskeime überzieht.

Da wir im Zweifel sind, wozu erzogen werden soll fragen wir nach den bestallten Erziehern: Reicht es aus, sein Vertrauen in die Redlichkeit und Fähigkeit des Amtes zu setzen, das die öffentliche Erziehung jeweils wahrnimmt? Genügt es, dem Spruch der Richter zu vertrauen, die die Frage nach dem Recht des Erziehers beantworten aus der Vereinbarkeit seines Handelns mit jeweils geltenden Rechtsnormen? Reicht es aus, Zweifler durch Beherztheit zu überfahren und spätbürgerliche Verzagtheit (F. Vilmar) durch revolutionären Eifer aus dem Weg zu räumen? Gibt es nicht doch einsehbare Kriterien, an denen ein angemeldeter Erziehungsanspruch geprüft werden kann und die geeignet wären, den geltenden Rechtsnormen innere Festigkeit und denjenigen, die sie respektieren, ein gutes Gewissen zu verleihen?

Zunächst wird die curriculare Aufgabe bestimmt, um die es politischem Lernen zu tun ist (Abschnitt I), alsdann werden Momente des gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustands erörtert, die für politisches Lernen bestimmend sind oder sein können (Abschnitt II), schließlich werden organisatorische Probleme der Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung dieser Bestimmungs-Momente diskutiert (Abschnitt III). .

I. Einbürgerung als curriculare Aufgabe

Inhalt I. II. III. Einbürgerung als curriculare Aufgabe Politische Erziehung heißt Einbürgerung Schule als gesellschaftliche Erziehungsinstanz Determinanten für Schulgestaltungsmacht Vier Kompetenzen für politische Erziehung 1. 2. 3. 4. Einbürgerung kraft verschiedenartiger Kompetenz 1. Die Leistung der professionellen Kompetenz 2. Die Leistung der administrativen Kompetenz 3. Die Leistung der politischen Kompetenz 4. Zum Problem der Kompetenzenordnung Kriterien eines angemessenen Verfahrens der Lernzielbes‚

1. Politische Erziehung heißt Einbürgerung Politische Erziehung ist Teil des streithaften und dynamischen Lebensprozesses einer Gesellschaft, die ein politisches Gemeinwesen bildet, also einer Gesellschaft, die politische Institutionen (Ämter, Normen usw.) ausgeprägt und über Fragen des Gebotenen, des Erlaubten, des Vorrangigen, vielleicht auch des Heiligen einen Konsens entwickelt hat, der ihren Institutionen innere Verbindlichkeit gibt. Wo ein solcher Konsens fehlt — wie weithin in unserer bundesdeutschen »Gesellschaft —, da wird man versuchen, an die Stelle eines inhaltlichen einen Verfahrenskonsens zu stellen; man wird das politische Gemeinwesen also über anerkannte „demokratische" und „rechtsstaatliche" Verfahren zu begründen suchen und politische Streitfragen (beispielsweise über Art und Ausmaß der „Sozialstaatlichkeit") nach diesen Verfahren entscheiden. Dabei müssen freilich die Grenzpunkte verläßlich bestimmt sein, über die ein Konflikt nicht hinaustreiben darf. Bestimmte Leistungen oder Beiträge der einzelnen an die Gesellschaft oder den Staat dürfen nicht ohne weiteres in die Konfliktstrategie einbezogen werden: so etwa Wahlteilnahme, Steuerleistung, Wehr-und Zivildienst, Mithilfe bei Verbrechensaufklärung usw. Es dürfte in der Bundesrepublik weithin anerkannt sein, daß die Propagierung der Verweigerung bzw. die Verächtlichmachung solcher Leistungen keinen Anspruch erheben darf auf Toleranz oder gar öffentliche Förderung. „Gesellschaftsbejahung" und „Leistungsbereitschaft" müssen in einem ausreichenden Maß vorhanden sein; „jede Gesellschaftsordnung ist ... darauf angewiesen, daß beide geweckt bzw. gefestigt werden"

Politische Erziehung und Bildung hat es mit der Weckung und Festigung dieser bürger-schaftlichen, d. h. auf das Gemeinwesen bezogenen Einstellungen und Handlungsbereitschaften zu tun; denn erst solche Einstellungen und Bereitschaften geben Konflikten eine „politische" Qualität Wo ein Gemeinwesen nicht mehr existiert, fehlt die sinnstiftende Grundlage politischer Erziehung, und wo die Weckung bzw. Sicherung bürgerschaftlicher Einstellungen und Handlungsbereitschaften fehlt, da ist das politische Gemeinwesen in Gefahr. Diese Wechselseitigkeit der in einer Gesellschaft veranstalteten politischen Erziehung und des in ihr existierenden politischen Gemeinwesens kann in einer Formel ausgedrückt werden, die politische Erziehung als Bedingung der Möglichkeit des Gemeinwesens und das bürgerschaftliche Gemeinwesen als Bedingung politischer Erziehung verdeutlicht: Politische Erziehung ist Einbürgerung. Die nachwachsenden Generationen — überhaupt alle Hinzukommenden — sollen im Staat heimisch, in ihm eingebürgert werden und gleichzeitig soll der Staat (d. h. hier: die politisch artikulierte Gesellschaft) auf der Grundlage des gesellschaftlich möglichen Konsens erhalten und erneuert werden.

Die Kategorie der Einbürgerung steht nicht im Widerspruch zu den vielgenannten obersten Lernzielen politischer Bildung wie Mündigkeit, Kritikfähigkeit, Emanzipation; vielmehr stellt sie diese Begriffe allererst in einen überprüfbaren politischen Bezug. Gerade darauf aber kommt es entscheidend an, da ja nicht irgendein Verhalten zur Politik debattiert wird, sondern politisches Verhalten der Bürger gegenüber ihrem Gemeinwesen und seinen politischen Aufgaben. B. Sutor, dem wir darin folgen, hat dieses durch politische Bildung und Erziehung zu formende, zu belehrende und zu motivierende Verhalten als „kritische Loyalität" bestimmt

Nach ihrer Grundfunktion soll politische Erziehung und Bildung Gelegenheiten zur Identifikation mit den inhaltlichen und (bzw. oder) Verfahrenselementen des politischen Konsens der Gesellschaft bieten, zur Übernahme der oben erwähnten sozialen Pflichten anhalten und damit verhindern, daß die nachwachsenden Generationen den Staat und seine Verfassung als Sache „der anderen" betrachten und aus Unverstand oder Übereifer ruinieren. Innerhalb dieser Grundfunktion müssen dann weitere Funktionen ausdifferenziert und mittels ihrer die Grundfunktion konkretisiert werden: — Die Funktion der Orientierung („Aufklärung") als Befähigung zu rationalem Umgang mit den Erscheinungsformen und Problemen der politisch-sozialen Umwelt — die Funktion der Persönlichkeitsentfaltung im Sinne eines auf „Mündigkeit" angelegten Typus politischer Sozialisation, — die Funktion der Handlungsermächtigung im Sinne „verantwortlicher" oder „emanzipatorischer" politischer Praxis

Der Grund, warum diese Funktionen zwar unverzichtbar für eine erfolgreiche „Einbürgerung“, ihr gegenüber aber nachrangig sind, ist dieser: sie lassen sich allesamt auf beliebige soziale Felder (Gruppen, Klassen, übernationale Einheiten) verrechnen. So sehr sie zumeist auf bestimmte anthropologische Standards bezogen sind (z. B. Kritikfähigkeit und Selbstbestimmungsrecht des Individuums), so blind sind sie andererseits gegenüber der Verpflichtung des konkreten politischen Gemeinwesens, in dem sie wirksam werden sollen und das ihre Wirksamkeit bedingt. Verbindlichkeiten aber, die nicht aus dem politischen Gemeinwesen stammen, sind innerhalb einer Theorie politischer Bildung rechenschaftspflichtig und müssen sich auf ihre Vereinbarkeit mit dem politischen Gemeinwesen befragen lassen Anders gewendet: Die kollektive Identität der verfaßten politischen Gesellschaft gewährleistet den Rahmen für Erhaltung, Weitergabe und fortschreitende Ausprägung anderer Identitäten — so auch der individuellen oder Ich-Identität des einzubürgernden Subjekts.

Politische Erziehung und Bildung ist aus diesen Gründen unlösbar mit dem politischen Gemeinwesen verbunden: Sie ist nicht etwa „zugelassene Privatveranstaltung" von Gruppen unter gewissen Auflagen und staatlichen Sanktionen, sondern Ausdruck der Selbstachtung der politischen Gesellschaft, Prozeß ihrer Selbstverständigung, Mittel ihrer Selbst-weitergabe und ein Forum ihrer Selbstverteidigung. Sie steht darum im Verantwortungsbereich nicht nur staatlicher Institutionen, sondern auch der Bürger, ihrer Organisationen und der öffentlichen Meinung. 2. Schule als gesellschaftliche Erziehungsinstanz

Für die vorgenannten Sinn-Merkmale politischer Bildung ist es nicht gleichgültig, wo diese stattfindet, in welchem Zusammenhang, in welcher Institution, nach welchen Regeln, unter wessen Aufsicht sie vermittelt wird. Die Konflikte, die im Feld der vermittelnden Institution („Schule") angelegt sind und aufflackern, müssen sich auf Prozeß und Ergebnis der vermittelten Bildung notwendig auswirken; umgekehrt wird der ggf. streitige politische Bezug des zu Vermittelnden auf die Umstände der Vermittlung (d. h. ihre „Institutionalisierung") zurückschlagen: — Im schulischen Sektor der Bundesrepublik nimmt politische Bildung eine beachtliche Stellung ein: zunächst im Rahmen des allgemeinen Bildungsauftrags öffentlicher Schulen (vgl. die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen), dann als Aspekt oder Prinzip einer Reihe von Fächern und Lernbereichen, schließlich in Form eines selbständigen Pflichtfaches. — Im schulischen Bereich ist — zumindest in der Bundesrepublik — die Theoretisierung der politischen Bildung, d. h. ihre Herauslösung aus dem Lebensprozeß der sie tragenden politischen Gesellschaft und ihre reflektierte, zielgerichtete und planmäßige Behandlung stark fortgeschritten. Dies hat zur Folge, daß der Bedarf an gesellschaftlichem Konsens im schulischen Bereich sehr groß ist. Die Theoretisierung und Verwissenschaftlichung der po-litischen Bildung („Didaktik") erzeugen zugleich ihre Legitimierungsnot

Im schulischen Bereich schließlich kommt es angesichts der faktisch weitreichenden Schulgestaltungsmacht der Kultusverwaltung zu erheblichen Kompetenzproblemen, in denen sich der Reigen konkurrierender Ansprüche auf Erziehung geradezu modellhaft darstellen läßt. Die aus Art. 7 GG abgeleitete Befugnis der Kultusverwaltungen zum Erlaß von Richtlinien, Lehrplänen und ihrer Kontrolle wird von mindestens vier Seiten bestritten: sie sei rechtsstaatlich bedenklich (das Verordnungswesen müsse zugunsten verstärkter gesetzlicher Regelung eingeschränkt werden), demokratisch fragwürdig (die obrigkeitliche Anweisungspraxis müsse gesellschaftlicher Mitbestimmung weichen), gesellschaftspolitisch naiv (es fehle ihr an systemkritischer Potenz), wissenschaftlich überholt (es fehle an fachwissenschaftlichen Kenntnissen und didaktischer Reflexion).

Hinter diesen, die Kultusverwaltungen als tradierter Schulgestaltungsmacht kritisierenden Negativ-Merkmalen steht ein gewandeltes Bild von der Rolle der Schule in der Gesellschaft, von den Aufgaben des Staates und seiner Verwaltung, von den Möglichkeiten von Wissenschaft und Didaktik und eine tiefe Irritation über die weiteren Entwicklungspfade unseres Gemeinwesens. 3. Determinanten für Schulgestaltungsmacht Trotz zahlreicher Versuche zur Beschränkung behördlicher Schulgestaltungsmacht dauert diese fort und bestimmt über die Praxis der Lehrplan-und Rahmenrichtlinienverordnung das Schulleben. Da man inzwischen erkannt hat, daß Lehrpläne von den Entscheidungsadressaten nicht mehr einfach „motivlos" akzeptiert werden, hat die Schulverwaltung damit begonnen, das Verordnungsverfahren auszuweiten und anzureichern und dabei auch näher an die Motivlage der Schüler und Lehrer heranzuführen. Und dies sind die Punkte, um die man die rein administrative Verord-nungsgebung über die Lernund Erziehungsziele erweitert hat:

1. Diese müssen konsensfähig formuliert werden, d. h. sie werden an allgemeinen (speziell: an Verfassungsrechts-JNormen gemessen und unter Begründungszwang gestellt;

2. an der Auswahl der Voraussetzungen für ein „gutes Leben in Gesellschaft" werden ge-

sjllschaftliche Gruppen beteiligt, d. h. es besteht Partizipationsgebot;

3. schulisches Lernen soll wissenschaftsorientiert sein, d. h. unter anderem, daß bei der Lehrplanerstellung wissenschaftliche Beratungspflicht anerkannt wird;

4. das Lernen der Schüler soll auf freier Einsicht und unter Ausschluß von Überwältigung und Manipulation erfolgen, d. h. Indoktrinierung ist geächtet.

Die Umsetzung dieser vier Punkte in ein lehrplan-erzeugendes Verfahren ist das Grundproblem aller Curriculum-Konstruktion. Verwaltungen binden sich, um die Chancen der Abnahme ihrer Lehrpläne durch die Entscheidungsadressaten zu wahren, zunehmend — wenn auch unterschiedlich — an die hier genannten Erzeugungsregeln für Curricula. Was bedeutet dieses Verfahren für die Frage der Verbindlichmachung von Lernzielen? Gewinnen sie ihre Verbindlichkeit aus den Erzeugungsregeln oder aus der abschließenden Entscheidung des Verordnungsgebers? Mit dem alten Hobbes zu reden: bezieht die Norm ihre Geltung aus der Wahrheit oder der Autorität (des Gesetzgebers)? F. Minssen hat vor einiger Zeit empfohlen, verfahrensmäßige und inhaltliche Momente gemeinsam zu berücksichtigen Andere wiederum sehen Verbindlichkeit nur aus einer einzelnen Erzeugungsregel hervorgehen: aus der Konsensfähigkeit der Lernziele aus wissenschaftlicher Selbstbestimmung aus freier Bedürf nis-Artikulation der Schüler bzw.den politisierbaren Folgen, die man sich daraus erhofft

Wir sind der Meinung, daß das erweiternde Verfahren nur unter der Bedingung den Akt der Verordnungsgebung sichern und abschir-men kann, wenn in ihm die Sache der Einbürgerung getroffen und nicht etwa verfehlt wird.

Was bedeutet das? Es heißt, daß Träger bzw. Beteiligter am Verfahren nicht irgendeine Gruppe, sondern entsprechend dem Ziel der Einbürgerung die politische Gesellschaft als ganze sein muß. Erst wenn dies feststeht, beginnt das Problem der Aufgliederung und Differenzierung Als Gliederungsprinzipien der politischen Gesellschaft für die Zwecke ihrer Verfahrensbeteiligung an der Bestimmung politischer Lernziele bieten sich u. a. folgende Möglichkeiten an:

— die Beteiligungsstufen in curricularen Arbeitsverfahren, wie sie heute üblicherweise genutzt werden (Ministerium Expertenberatung, Versuchsschulen usw.)

— die Träger von Sozialisation, unterschieden nach Gesichtspunkten, die die politische Sozialisationsforschung bisher entwickelt hat (Früh-/Dauerwirkung, Nähe zum Individuum, latent/manifest usw.) — inhaltlich bestimmte Bildungs-und Lernziele (etwa unterschieden nach Bevorzugung radikaldemokratischer und/oder sozialistischer Ziele oder nach pluralistischen und/oder marktwirtschaftlich-sozialstaatlichen Ordnungsmustern) ;

— Typen möglicher Bestimmungsgründe für die Verbindlichkeit von Bildungsund Lernzielen, die durch die Frage nach der „Kompetenz" der potentiellen Beiträger geklärt werden könnten.

Wir wählen das Gliederungsprinzip nach der Kompetenz, da es weder sektoriell (also auf den Bildungsbereich) noch statutenmäßig (also positivrechtlich) begrenzt ist, auch keine parteiliche Vorentscheidung zugunsten unions-naher oder sozialistischer Programmatik enthält, sondern an den Konsensbedingungen für das politische Gemeinwesen orientiert ist, dessen Verbindlichkeit zugleich die Verbindlichkeit der politischen Bildungs-und Lernziele verbürgt. Freilich verschiebt sich dabei die Fragestellung ein wenig: Wir fragen nicht mehr nur nach dem die Verordnungsgebung erweiternden und ihre Wirkung schützenden Partizipationsverfahren („Curriculumkonstruktion"), sondern nach den Determinanten für Schulgestaltungsmacht überhaupt einschließlich der kritisierten Praxis der Lehrplanverordnung. Die Frage heißt: Wer ist kompetent und warum, Lernziele in der politischen Bildung festzulegen? 4. Vier Kompetenzen für politische Erziehung Wenn man mit Kompetenz nicht nur etwas Rechtliches, etwas Faktisches oder etwas Fachlich-Expertenhaftes, sondern jedes dieser drei Momente, und zwar unter möglichst vielen gesellschaftlichen Verhältnissen, verstehen will, empfiehlt es sich, den Begriff rollen-theoretisch zu bestimmen. Er bezeichnet dann die durchschnittlich „erwartete Fähigkeit" von Personen bzw. Institutionen, zum Thema (hier:der Einbürgerung) etwas beizutragen und durch diesen Beitrag die jeweilige Gestaltung des Themas oder seine weitere Ausgestaltung zu beglaubigen (zu „legitimieren").

Solche „erwarteten Fähigkeiten" („Kompetenzen") gibt es zum Thema politischer Bildung und Erziehung in unserer Gesellschaft mindestens vier:

1. Die soziale Kompetenz 19) (zugleich eine Art „Mutterkompetenz"), die politische Lern-und Bildungsziele aus der Verantwortung der Bürger, ihrer Organisationen und der Öffentlichkeit (Massenmedien) legitimiert;

2. die politische Kompetenz, die politische Bildungs-und Lernziele auf der Grundlage öffentlichen Vertrauens und im Hinblick auf ein repräsentatives Gemeinwohlverständnis legitimiert; 3. die administrative Kompetenz, die politische Bildungsund Lernziele situativ legitimiert, d. h. durch Bereitstellung angemessener Umweltbedingungen ermöglicht;

4. die professionelle Kompetenz, die politische Bildungsund Lernziele fachwissenschaftlich, pädagogisch und didaktisch legitimiert.

Diese vier Kompetenzen können einzeln ode (zugleich eine Art „Mutterkompetenz"), die politische Lern-und Bildungsziele aus der Verantwortung der Bürger, ihrer Organisationen und der Öffentlichkeit (Massenmedien) legitimiert;

2. die politische Kompetenz, die politische Bildungs-und Lernziele auf der Grundlage öffentlichen Vertrauens und im Hinblick auf ein repräsentatives Gemeinwohlverständnis legitimiert; 3. die administrative Kompetenz, die politische Bildungsund Lernziele situativ legitimiert, d. h. durch Bereitstellung angemessener Umweltbedingungen ermöglicht;

4. die professionelle Kompetenz, die politische Bildungsund Lernziele fachwissenschaftlich, pädagogisch und didaktisch legitimiert.

Diese vier Kompetenzen können einzeln oder kombiniert, schwächer oder stärker zur Geltung kommen. Da ihnen nicht in jedem Fall feste Bezugs-oder Trägergruppen in der Gesellschaft entsprechen, also die „Inhaber" der Kompetenz nicht immer scharf voneinander 19 geschieden sind, ist ihr Wert für die Ausweisung von Teilhabe-Ansprüchen höher als ihr Wert für die Auflösung von Kompetenz-Konflikten. Und da die Kompetenzenreihe auch nicht vollständig ist, vielmehr bei entsprechender sozialer Konstellation neuerlich aufgebrochen werden kann, scheint ihr Wert für die Analyse sozialer Strukturen und Prozesse im Vergleich mit axiomatisch bestimmten Analyse-Kategorien gering.

Was den ersten Mangel betrifft, so ließe er sich nur durch extreme Problemvereinfachung — etwa durch Rekurs auf positive Normen — abstellen; dies ist das Problemlösungs-Rezept der Jurisprudenz, die Kompetenzkonflikte verfahrensmäßig entscheidbar macht und im Zweifel auf den Träger der „Kompetenzkompetenz" verweisen darf. Dabei bleiben jedoch wesentliche Merkmale einer offenen, pluralistischen und dynamischen Gesellschaft unberücksichtigt, die gerade im Legitimierungsprozeß politischer Bildungsund Lernziele von einiger Wichtigkeit sind 20). Und was den Mangel an Axiomatik angeht, so dürfte der heuristisch orientierte Bearbeiter des Problems der Lernzielbestimmung durch-aus auch in der Reihe der vier Kompetenzen Vorteile erkennen: — sie ist geeignet, kompakte Bestimmungsgründe, wie z. B. „Betroffenheit“, aufzuspalten und unter wenigstens vier Perspektiven zu qualifizieren;

— sie verbindet formale Zuständigkeiten mit inhaltlichen Leistungen, so daß eine nachträgliche und abstrakte Rückbindung von Legiti-mitätsund Effizienzkriterien überflüssig wird;

— sie ist nicht darauf angelegt, Abweichungen faktischer von rechtlich und institutionell fixierten Entscheidungsfolgen zu erfassen und zu kritisieren (nach dem Muster Verfassungswirklichkeit gegen Verfassungsnorm), dem darauf, entscheidungsrelevante Handlungsmerkmale aufzuspüren und Möglichkeiten ihrer Einbringung in den je vorherrschenden Typus einer Entscheidungsfolge zu suchen (gleichgültig, ob er rechtlich/institutio-nell fixiert ist oder nicht);

— sie ist nach keiner apriorischen Rangordnung (etwa nach dem problematischen Höchstwert der „Emanzipation") aufgebaut, sondern kann vom jeweiligen Handlungsbezug her gewichtet werden. Wenn Einbürgerung thematisch ist, treten diejenigen Kompetenzen hervor, die die größte Vereinbarkeit mit diesem Thema erwarten lassen;

— sie vermeidet das Vexierspiel mit den Begriffen Selbst-und Fremdbestimmung, indem sie von vornherein über absichtsvoll begrenzte Kooperationsfelder hinausgreift (z. B. über das Feld „Lehrer — Schüler — Eltern"); sie erinnert daran, daß solche Handlungsausschnitte in einer komplexen und interdependenten Gesellschaft nur insoweit zulässig sind, als soziale Belange und politische Verantwortlichkeit im Spiel bleiben, deren Träger oder Bezugsgruppen außerhalb dieser Begrenzung angesiedelt sind (Problem der „vergessenen Kompetenz" bzw.der „Kompetenz-Anmaßung"); — sie erinnert daran, daß nicht alle entscheidungsrelevanten Handlungsmerkmale nach dem gleichen Muster abgerufen werden können, so daß von der Frage der Kompetenz her immer auch die Frage der angemessenen Verfahrensform (für die Berücksichtigung jeder einzelnen Kompetenz) zu stellen ist.

II. Einbürgerung kraft verschiedenartiger Kompetenzen

1. Die Leistung der professionellen Kompetenz Die professionelle Kompetenz zu erörtern, heißt die Rolle des Sachverstands bei der Lemzielbestimmung vor dem Hintergrund einer sich verwissenschaftlichenden Erziehungspraxis und -theorie zu bestimmen. Traditionell liegt der Sachverstand in Angelegenheiten der Schule bei den Spitzen der Fach-verwaltung, wurde dort aber im Verlauf der Bedeutungszunahme, Produktivität und Innovationsgeschwindigkeit von Wissenschaft und Forschung mehr und mehr eingeschränkt. Die Verwaltungen suchen sich durch Beratung von Experten (Beiräten) und die Einrichtung von Stabsstellen (Staatsinstitute für Bildungsforschung bzw. Schulpädagogik) zu helfen, da andernfalls die bürokratische Befehls-kette abreißen könnte und die traditionelle Einheit von fachlicher und administrativer Verantwortung aufgegeben werden müßte.

Trotz solcher Versuche wird die Kultusbürokratie im Verhältnis zur Schule nicht mehr als einziger Träger professioneller Kompetenz auftreten können, denn einerseits ist der Unterricht im Klassenzimmer nur sehr beschränkt als Vollzug einer amtlichen Verordnung zu begreifen, zum anderen verlangen neuere Curricula die eigenverantwortliche Planung der Lehrer, und nicht zuletzt entwikkelten sich inzwischen auch bei Volksschullehrern Ansätze für ein professionelles Selbstverständnis der Lehrerrolle, in deren Folge eine subalterne Dienstrolle entschieden abgelehnt wird.

Wir haben also den Fall, daß eine ursprünglich in der Bürokratie beheimatete Kompetenz sich auf weitere Träger ausdehnt und verlagert: einerseits auf wissenschaftliche Experten, andererseits auf fachwissenschaftlich vorgebildete, sog. professionalisierte Lehrer.

Es ist ein Zeichen dieser Verlagerung, wenn Lehrpläne heute die Gestalt von Curricula annehmen, d. h. an Regeln der Wissenschaft orientiert werden, wobei die Grenzen des Anspruchs wissenschaftlichen Denkens von Wissenschaftlern definiert werden und andere Vorgaben, Begrenzungen, Einwirkungen entweder unberücksichtigt bleiben oder — falls unabwendbar — als Fremdkörper verfemt werden.

Unter solchen Vorzeichen kann sich professionelle Kompetenz außerhalb der zentralen Schulverwaltung verselbständigen und beginnen, mit dieser um Herrschaftspositionen zu konkurrieren. Die Ausschaltung der staatlichen Verwaltungen aus dem Binnenbereich der Hochschulen liefert dafür ein Exempel.

Legitimationsformeln für solche Ansprüche sind die Rede vom herrschaftsfreien Dialog, vom gesellschaftlichen Auftrag der Wissenschaften, von der Kraft des Arguments, von der Überlegenheit des Sachverstands usw. Angesichts der Gefahr einer unkontrollierten politischen Rolle des Sachverstands, also der Expertokratie, muß deutlich gemacht werden, wo die Grenzen zwischen der professionellen Kompetenz einerseits und der intellektuellen Erschleichung eines politischen Mandats andererseits liegen. Diese Grenze ist politisch und administrativ zu befestigen und sozial zu differenzieren, d. h., man wird etwa für die Beratung der politischen Entscheidungsstellen durch Fachleute ein technokratisches gegenüber einem sog. pragmatischen Kooperationsmodell vorziehen (Lübbe gegen Habermas) und man wird Beiräte in gemischter Besetzung neben reine Fachbeiräte stellen. 2. Die Leistung der administrativen Kompetenz Die administrative Kompetenz zur Lernzielbestimmung entspringt aus der Verantwortung der Schulverwaltung für den laufenden Schulbetrieb und aus der Verpflichtung dieses Betriebs auf gesetzliche und sonstige Standards. Diese Verantwortlichkeit deckt sich mit der in Art. 7 GG festgestellten staatlichen Schulhoheit, die als das Recht zur Unterhaltung, Leitung, Planung und Kontrolle des Schulwesens verstanden wird.

Es ist dies eine weitreichende Verantwortung, die wenigstens vier Elemente in sich enthält: einmal ein rechtliches Moment, das in einer Reihe von Merkmalen erscheint: öffentliches Dienstrecht, verwaltungsrechtliche Kontrolle, rechtsaufsichtliche Eigenzuständigkeiten usw., dann ein fachmännisches oder „professionelles" Moment, das zwar umstritten ist, aber noch immer den Charakter der Schulverwaltung prägt dann ein instrumentelles oder Vollzugsmoment, das auf die politische Kompetenz des Ministers zurückverweist, und schließlich ein treuhänderisches Moment, das entweder mehr vom Publikum, d. h.den jeweiligen Klientengruppen, oder mehr vom allgemeinen Staatsdienerbewußtsein der leitenden Beamtenschaft her, d. h. ihrem Ethos, definiert werden muß. Dieses vierte Moment trägt mit dem zuerst genannten rechtlichen Moment viel dazu bei, daß staatliche Schulherrschaft nicht allzu drückend wird. Bekanntlich neigt der Schulherr Staat in einer Parteiendemokratie leicht dazu, das Schulwesen stärker unter Parteiziele zu stellen, als es mit der Respektierung einer Institution der Allgemeinheit verträglich ist. Hier kann sich das mäßigende, auf Ausgleich bedachte, sachliche Lösungen favorisierende treuhänderische Moment an administrativer Kompetenz als ein willkommenes Korrektiv erweisen.

Freilich ist auch das treuhänderische Moment nicht unbestritten: Ergeben sich doch immer wieder Spannungszustände gegenüber den Erwartungen des Ministers und seiner Fraktion, wenn parteipolitisch auffällige Entscheidungen vorbereitet oder durchgeführt werden sollen. Zuweilen erweist sich der Widerstand der Bürokratie als so stark, daß der Minister es vorzieht, einen Entwurf außerhalb des Hauses in Auftrag zu geben. Das hessische Beispiel der Rahmenrichtlinien ist nicht das erste seiner Art. Oder es ergeben sich Span-nungszustände zwischen Kultusverwaltung und Elternschaft, wenn im Verfolgen bestimmter — möglicherweise breit akzeptierter — politischer Lernziele die situativen Randbedingungen ihrer Konkretisierung bestritten werden: Leistungsforderungen und Prüfungsformen (z. B. Aktion Anwalt des Kindes in Baden-Württemberg) oder Klassengrößen (z. B. Aktion kleine Klassen in mehreren Ländern der Bundesrepublik) oder anderes.

Angefochten wird administrative Kompetenz auch seitens der Lehrerschaft, die nicht selten ihre curricularen Erwartungen enttäuscht sieht Werden doch wichtige Nebenbedingungen, unter denen Curricula verwirklicht werden müssen, aus administrativer Kompetenz bestimmt: Wochenstundenzahl, Klassengröße, Gruppierung, Anforderungen an das Lehrer-verhalten, Aufsicht, Lernmittelfreiheit u. a. m. Wie, wenn derartige Nebenumstände die professionell mitbestimmten Lernziele vereiteln?

Machen wir ein Beispiel. Nehmen wir an, der amtliche Auftrag an den politischen Unterricht lautet: Befähigung der Schüler zu politischer Mündigkeit. Mündigkeit ist verschieden interpretierbar, doch nicht in allen möglichen Auslegungsweisen zugelassen. Insbesondere wird zu fragen sein, ob Ausgewogenheit und Sachlichkeit der Darstellung erfolgreich praktiziert werden, das Gewissen und die Persönlichkeit der Schüler geachtet werden, ein kooperatives Verhältnis zwischen Schule und Elternschaft besteht sowie die funktionalen Anforderungen an den Unterricht in der Groß-organisation Schule gewahrt werden usw. Solche Forderungen scheinen billig. Sie werden aus administrativer Kompetenz erhoben und durchgesetzt. Und eben hier beginnt der Konflikt. Denn keineswegs alle Konzepte von politischer Mündigkeit sind gleich nah oder gleich weit entfernt von den administrativen Schranken. Wenn es etwa darum geht, Mündigkeit im überlieferten Sinn als Verantwortungsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft zu verstehen, werden wenig Probleme entstehen. Passabel erscheint auch das Verständnis von Mündigkeit als Fähigkeit und Bereitschaft zu Kritik und Aufklärung, also vornehmlich kognitiv erfahrene Emanzipation von Vorurteilen, gesellschaftlichen Irrtümern und Fehlern. Schwierig wird es, wenn man Mündigkeit aus erlebten Konflikten, die notfalls zu provozieren sind, erwartet; wenn man diese Konflikte innerhalb der Schule bzw. zwischen Teilen der Schülerschaft und der Lehrerschaft organisiert, wenn man Eltern miteinbezieht, wenn man in die Öffentlichkeit drängt und zu guter Letzt versucht, seinen Beitrag zum Klassenkampf als Meisterstück echter Mündigkeit zu liefern, dann bekommt man mit einiger Sicherheit Ärger. Aus administrativer Kompetenz kann Schulverwaltung solche Exerzitien nicht zulassen: sie hat auf geregelten Schulbetrieb, Ausgewogenheit und Sachlichkeit der Darstellung im Unterricht, die Respektierung der Schülerpersönlichkeit durch den Lehrer im Einvernehmen mit den Eltern zu achten. Sie ist auf diese Weise Garant der Schulordnung, der verfassungsmäßigen Grundordnung und damit der Verbindlichkeit politischer Bildung gegenüber dem Gemeinwesen, das nicht Gegenstand der Verfremdung, sondern Ziel der Einbürgerung sein soll. Als Ziel der Einbürgerung verdankt sich das Gemeinwesen freilich nicht mehr administrativer, sondern sozialer und politischer Kompetenz, deren Ergebnisse von der Schulverwaltung gesichert und schulmäßig umgesetzt werden müssen. 3.

Die Leistung der politischen Kompetenz Politische Kompetenz ist die Zuständigkeit des Volkes (pbpulus), in politischen Fragen selbst zu entscheiden, d. h. über sich selbst zu bestimmen. Soweit dies in repräsentativer Absicht geschieht, begründet politische Kompetenz legitime Herrschaft und den Zwang ihrer legalen Nutzung. Politische Kompetenz ist in Demokratien den Regeln der Verfassung unterworfen, d. h. sie tritt nicht als diffuse Machtquelle auf, schwemmt nicht alles hinweg, was ihr in den Weg tritt, sondern gliedert sich in Sachbereiche, die zumeist von Organen nach kontrollierbaren Regeln und auf der Grundlage von Prinzipien, denen mehrheitlich zugestimmt wird, bearbeitet werden. Diese Struktur wird im Grundgesetz als freiheitliche demokratische Grundordnung bezeichnet und vom Bundesverfassungsgericht dahin gehend bestimmt, daß sie „unter Ausschluß jeglicher Gewalt-und Willkür-herrschaft eine rechtsstaatliche Herrschafts-Ordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volks nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit" sei Man hat darin nicht nur eine formale Auflage zu sehen, an die politische Kompetenz gebunden ist, sondern auch den geistigen und sittlichen Rahmen, in dem politische Kompetenz sich über sich selbst verständigen kann.

Politische Kompetenz zur Lernzielbestimmung ist danach kein Factum brutum politischer Macht oder Ausdruck des nackten Willens einer Parlamentsmehrheit, sondern ein vielfältig bedingter, spannungsreicher, der Politik und dem Recht, insbesondere den Persönlichkeitsrechten und dem Elternrecht verpflichteter Amtsbereich. Nach dem Willen der Verfassung ist der Staat, näherhin der Kultusminister, mit diesem Bereich betraut. Er darf darin nicht schalten und walten nach Partei-meinung, sondern als Gewährsmann des Gemeinwesens und seiner definierten Grundordnung.

Diese Umstände haben dazu geführt, daß in praxi nicht der Kultusminister, sondern seine Fachbeamtenschaft dieses Amt verwalten, und zwar so, daß die politische Kompetenz zur Lernzielbestimmung mehr in Form von Mindestanforderungen oder Mißbrauchsausschließungen als in Form positiver Verpflichtung und Tendenzbestimmung gebraucht wird. Schule kann damit zu einem guten Teil aus professioneller Kompetenz leben, vorausgesetzt, diese hält sich innerhalb des administrativ Erforderlichen und unterhalb der Reiz-schwelle des sozialen Unfriedens.

Eine mit diesen Bedingungen vereinbarliche Auffassung von der Aufgabe politischer Bildung ist es beispielsweise, daß dem Schüler politische Einsichten vermittelt, die ihn bewegenden Fragen diskutiert und'seine Rechte und Pflichten in der Gemeinschaft behandelt werden Unvereinbar damit wäre eine* Auffassung, wonach der Schüler im Unterricht zur politischen Betätigung angehalten werden soll, der Lehrer sich parteipolitisch betätigen darf und es möglich oder gar geboten sei, Schüler von Anfang an in einer bestimmten politischen Richtung zu beeinflussen

Wie aber, wenn die Vereinbarkeitsfrage sich in dieser Weise gar nicht stellt? Wenn der Kultusminister die Politisierung des Sachverhaltes nicht nur für unvermeidbar, sondern sogar für wünschenswert hält? Wenn er Lernziele verbindlich setzt, die irgendwo im Grenzbereich bzw. Umfeld der demokratischen Parteien zu orten sind und bei denen „ein Einschlag von Sektierertum unverkennbar" ist? Unsere einleitenden Erläuterungen zur Fundamentalnorm politischer Kompetenz in unserem Staat, nämlich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, legen dafür eine negative Antwort nahe. Sie wird durch eine Reihe von Argumenten gestützt: etwa, daß Institutionen und Organisationen, die für alle da sind und durch ihren formellen Zwangs-charakter (Schulpflicht) oder ihre faktische Monopolstellung (staatliches Schulmonopol) Lehrern, Eltern und Schülern keine Alternative lassen, freibleiben müssen von einseitiger parteipolitischer oder ideologischer Zweckbestimmung. Andernfalls würde nicht nur die professionelle Kompetenz derjenigen Wissenschaftler und Lehrer, die die parteipolitische und ideologische Richtung des jeweiligen Ministers nicht teilen, ausgehöhlt, es würde auch der soziale Friede im Umfeld der Schule Schaden nehmen. Auch könnte es nicht ausbleiben, daß ein neuer Kulturkampf entstünde, in dem die Frage: Wer bestimmt für vier Jahre die Lernzielkataloge? den Parteienwettbewerb maßgeblich bestimmt. Das wiederum könnte dazu führen, daß dieser Kampf sich veralltäglicht, so wie der Jungsozialistenkongreß in München es zu Anfang 1974 bereits ins Auge gefaßt hat: Als „Durchsetzungsstrategie für antikapitalistische Bildungsinhalte“ sollen an möglichst vielen Schulen linke Schülergruppen gebildet werden, die in einer „Art Unterrichtsbegleitung" ein entsprechendes Agitationsfeld aufbauen. Gegen die hier geschilderte Form der Politisierung stehen derzeit noch die Garanten eines allgemeinen und im Grundsatz unbestrittenen Verfas-* sungs-und Amtsverständnisses. Wie aber, wenn diese Garanten selbst im Prozeß der Politisierung zu wanken beginnen? Wenn der Minister sein der Allgemeinheit geschuldetes Amt neu definierte und als strategischen Punkt in einem kultursubversiven Prozeß begriffe? Dann wäre der alte Konsens hinfällig geworden, der die Gesellschaft in einem politischen Gemeinwesen zusammenhielt: Freund und Feind würden neu bestimmt werden, Recht und Unrecht verließen ihre Plätze und die Grundsätze und Verfahren verfassungsmäßiger Demokratie enthielten keine Einigungsmöglichkeiten mehr für streitende Parteien, da sie selbst zu parteipolitischen Losungen geworden wären. Einen Hinweis darauf, daß derartige Entwicklungen in manchen Gruppen durchaus erwartet, ja sogar aktiv betrieben werden, gibt der enthüllende Aufsatz F. Vilmars über „gesamtgesellschaftliche Demokratisierung", wo der Trennungsstrich zwischen demokratisch und undemokratisch am Bekenntnis zum Sozialismus festgemacht wird

Ist es erst einmal dahin gekommen, daß die Garanten des politischen Konsens auszufallen beginnen, tritt der Kampf um die Verfassung in ein akutes Stadium. In ihm konkurriert die politische Kompetenz der Amtsträger mit derjenigen der Bürger selbst, die im Notfall ihre und des Staates Angelegenheit in die eigenen Hände nehmen und sich dabei neu über den Sinn ihrer gemeinsamen politischen Existenz vergewissern müssen. Damit dieses Stadium, das eine Sinn-Krise des gesellschaftlichen Zusammenlebens andeutet, nicht erreicht wird, müssen die Verbindungslinien zwischen der Gesellschaft und ihren Repräsentanten intakt gehalten werden und muß der Prozeß gesellschaftlicher Infragestellung und Selbstbestimmung möglichst freiheitlich normiert sein: Wir wenden uns darum wieder jener Normal-lage zu, die im Verfassungssystem einer repräsentativen Demokratie vorgesehen ist und in der eine Funktionentrennung stattfinden kann, derzufolge die öffentlichen Ämter in „politischer Kompetenz" ausgeübt werden, die vielfältigen Lebensformen, Erwartungen, Wünsche, Interessen und Wertvorstellungen aber, die teils den Inhalt oder das Ziel, teils den Rahmen oder die Basis amtmäßigen politischen Handelns bilden, in sozialer Kompetenz liegen, artikuliert und vollzogen werden. 4, Die Leistung der sozialen Kompetenz Der Begriff der sozialen Kompetenz meint etwas sehr Schlichtes und zugleich Definitions-Bedürftiges. Er erinnert an den Grundsachverhalt politischer Erziehung, daß sie sich aus dem Lebensprozeß der Gesellschaft bestimmt und nicht abschließend legitimierbar ist, solange sie nur aus administrativer, politischer und professioneller Bestimmungskompetenz abgeleitet ist Denn vor diesen liegt das gesellschaftliche Leben selbst in seinen mannigfaltigen Formen und Bereichen von den Familien über das Berufs-und Arbeitssystem, die Gesellschaftsformen der Jugendlichen, die Sozial- und Freizeitorganisationen, die Massenmedien, der Kulturbereich bis hin zu den Kirchen.

Jeder dieser Bereiche hat Einfluß auf die politisch-soziale Bildung der Jugendlichen, ist auf politische Bildung angewiesen oder von ihren Auswirkungen abhängig. Wenn — wie wir dies vorausgesetzt haben — das Heimisch-werden der Jungen in der Welt der Erwachsenen, politisch formuliert: ihre Einbürgerung, Ziel politischer Bildung ist, dann gibt es allerdings eine unverzichtbare Kompetenz dieser Sozialbereiche zur Mitsprache. Fragt sich nur, wie diese Kompetenz organisierbar ist, welche Funktion sie im curricularen Bestimmungsprozeß übernehmen kann und muß. Denn die Ausgrenzung solcher Ziele und ihre planmäßige Inkraftsetzung ist zu analytisch und zu professionell, als daß sie sozialer Kompetenz unmittelbar zugänglich wäre. Diese richtet sich eher auf typische Verlaufsmu-ster politischer Erziehung, bei denen das Nichtzugehörige, Anstößige, Fremde oft das einzige ist, was unterscheidenden Charakter bekommt. Soziale Kompetenz zur Lernzielbe-Stimmung drückt sich darum nicht in der Definition solcher Ziele und in förmlicher Abstimmung über sie aus, sondern in mehr oder weniger deutlicher Resonanz auf ihre Nebenfolgen und Begleiterscheinungen — wobei dann gleichgültig ist, ob diese ausdrücklich gewollt waren oder nicht.

Wegen dieser Eigenart ist es problematisch, soziale Kompetenz zur Lernzielbestimmung ausschließlich in Kommissionen zu organisieren. Allzurasch werden dabei professionelle oder politische Kompetenzen dominant. Die Eltern, die für ihre eigenen Kinder sprechen wollen, bleiben unberücksichtigt. Die Träger sozialer Kompetenz, die nicht zum engeren Kreis der „Betroffenen" gerechnet werden, kommen nicht zu Gehör. Die Organisation sozialer Kompetenz muß daher vielgestaltig bleiben, um sachadäquate und person-und bereichsspezifische Chancen der Einflußnahme zu eröffnen und Mitspracherechte zu garantieren: Dies reicht von den persönlich wahrzunehmenden Elternrechten zugunsten des jeweiligen Kindes, den sozialen Ansprüchen der Familien auf Sicherung ihres Status bzw. auf sozialen Aufstieg, den Forderungen weiterführender Bildungseinrichtungen an die Qualität der aufzunehmenden Bewerber, den arbeitsmarkt-und beschäftigungspolitischen Interessen der Wirtschaft und des Staates, dem religionspädagogischen und sittlichen Auftrag der Kirchen, den kulturellen, sportlichen, hygienischen, ökologischen Ambitionen von Non-profit-Organisationen und Vereinen bis hin zu gewissen Ansprüchen von Parteien und staatsbürgerlichen Vereinigungen, bei den Zielen der politischen Bildung mitzusprechen. Dieser ganze Bereich von sozialen Ansprüchen, Forderungen, Bedürfnissen, Interessen, Pflichten und Rechten kann auf keine denkbare Weise über eine Strategie „gesamtgesellschaftlicher Demokratisierung" erfaßt und zur Mitwirkung angehalten werden. Erfreulich offen gibt denn auch der bereits erwähnte F. Vilmar den Trägerkreis der Demokratisierungsstrategie wie folgt bekannt: „Theorie der Demokratisierung ist ... systematische Handlungsanleitung antiautoritärer, demokratisierungswilliger aktiver Minderheiten"

Soziale Kompetenz verlangt darum zunächst nach Anerkennung ihrer spezifischen Struktur. Sie verlangt zum andern Anerkennung ihrer spezifischen Funktion. Als Funktion haben wir bereits das Moment der Resonanz aufgeführt. Tatsächlich bietet sich dieses Moment unter Bedingungen des Parteienwettbewerbs bei Parlamentswahlen als jene Leistung sozialer Kompetenz an, mit der sie den Prozeß der Lernzielbestimmung beeinflussen kann. (Der amerikanische Soziologe A. Etzioni mißt die Entscheidungsstrukturen in demokratischen und aktiven Gesellschaften daran, ob sie zu den gesellschaftlichen Bedarfsmeldungen genügend gut rückgekoppelt sind, d. h. über responsiveness verfügen Responsi-veness ist nur die Rückseite der Medaille, die wir als Resonanz bezeichnen.)

Neben der Resonanzfunktion hat soziale Kompetenz die Funktion der Bekräftigung, Erwei-terung und Fortentwicklung des gesellschaftlichen Konsens, auf dem Demokratie allererst möglich wird. Konsens, so sagt F. Messerschmid zu Recht, sei „Übereinkunft über Grundhaltungen und Grundwerte, die von den gesellschaftlichen Gruppen und den politischen Parteien gegenseitig vorausgesetzt werden müssen, wenn demokratische freie Ordnung und demokratische Verfahrensweise gesichert sein sollen". Es gehe dabei um „extrakonstitutionelle Grundlagen der politischen Ordnung", die „der Gesellschaft selbst anvertraut" seien In diesem Zusammenhang ist auch die Funktion kirchlicher Verkündigung und Mitgestaltung zu sehen: Sie soll aus ihrer Verpflichtung vor Gott und aus ihrer geschichtlichen Erfahrung heraus menschliches Dasein deuten helfen und sittliche Verhaltensweisen im Zusammenleben der Menschen in Erinnerung halten.

Wenn wir sagten, soziale Kompetenz sei etwas sehr Schlichtes, dann bedeutet das, daß sie im curricularen Entwicklungsprozeß unmittelbar kaum in Erscheinung tritt. Wenn wir sagten, sie sei etwas Definitionsbedürftiges, so deshalb, weil ihre Wirkung, die ganz unbezweifelbar ist, eine Erklärung verlangt. Sie wäre zu erklären aus den Rahmenbedin-gungen politischer Bildung überhaupt. Das Recht und die Macht zur Setzung solcher Rahmenbedingungen im gesellschaftlichen Bereich ist Gegenstand sozialer Kompetenz. Sie geht insoweit allen übrigen Kompetenzen voraus, wird jedoch von diesen präzisiert und konkretisiert. Umgekehrt darf sie seitens der curricularen Entscheidungs-und Vollzugsinstanzen Berücksichtigung („responsiveness") verlangen. Es sollte selbstverständlich sein, daß Familien sich nicht um ihre prinzipielle Wertschätzung im Unterricht zu sorgen haben. Kommt es dazu, dann müssen Väter und Mütter ihre soziale, sprich elterliche Kompetenz mit derjenigen der Öffentlichkeit verbinden und für ihre Rechte sowie ein angemessenes Verständnis der Institution Familie eintreten. Nur so können sie den geltenden Rechtsnormen in Art. 6 GG innere Festigkeit geben und denen, die sie respektieren, den Rücken stärken.

III. Zum Problem der Kompetenzen-Ordnung

1. Kriterien eines „angemessenen Verfahrens"

der Lernzielbestimmung Um Entscheidungen über ein angemessenes Verfahren der Bestimmung politischer Lern-und Erziehungsziele treffen zu können, bedarf es weitaus mehr Annahmen, als wir bisher in unsere Erörterung eingeführt haben. Wir können daher an dieser Stelle nur erste und vorläufige Anhaltspunkte formulieren, die weiterer Präzisierung und Vervollständigung bedürfen (zum Gewichtungsproblem vgl. III. 3). Aus der bisherigen Diskussion lassen sich drei Aussagen gewinnen und zu einem Kriterium für Angemessenheit verdichten:

1. Der Prozeß politischer Lernzielbestimmung, der im öffentlichen Schulwesen heute vorherrscht, ist nicht einlinig gerichtet und bürokratisch geschlossen, sondern läuft in Rückkoppelungen, ist verschachtelt, wird stufen-bzw. fallweise begrenzt und ist zum gesellschaftlichen Umfeld hin teilweise durchlässig. Er reicht von den Eltern bis zum zuständigen Fachminister und ist von unterschiedlichen Kompetenzen her beeinflußbar. In seiner heutigen Verfaßtheit diskriminiert das öffentliche Schulwesen keine der vier Kompetenzen von vornherein, sondern bietet jeder von ihnen teils mittelbar, teils unmittel bar Ansatzpunkte zur Geltendmachung. 2. Würde man die wesentlichen Bestim mungsphasen dieses Prozesses von der Re gierungsebene auf die Ebene der Einzelschu len absenken („Autonomisierung der Schulen"), so stünde zu erwarten, daß zwar die Kooperation zwischen „Lehrer-Eltern-Schülern" intensiviert und die dort vorhandenen Kompetenzen verstärkt berücksichtigt würden, gleichzeitig aber eine Reihe gesellschaftlicher Kompetenzen ausgesperrt und für die Lernzielbestimmung außer Ansatz bliebe. Um sie dennoch zu berücksichtigen, müßte man ein zweites Verfahren nachschalten (etwa über einen ministeriellen Genehmigungsvorbehalt), dessen Stellung zum ersten völlig ungeklärt wäre. 3. Würde man andererseits eine thematische und prozedurale Straffung und Homogenisie-rung des Gesamtverfahrens der Lernzielbestimmung betreiben, so könnte zwar der Knick zwischen verschiedenartig organisierten Bestimmungsphasen vermieden werden, doch käme die Frage der verfahrensbestimmenden Kompetenz auf die Tagesordnung. Ein Verdrängungswettbewerb zwischen den vier Kompetenzen fände statt, da jede Kompetenz versuchen würde, den anderen eine dienende Rolie zuzuweisen. Um den hieraus resultierenden Schaden zu vermeiden, müßten so viele Sonderbestimmungen, Vorbehalte und Schranken verfügt werden, daß die Nützlichkeit eines abschließend definierten Verfahrens der Lernzielbestimmung zweifelhaft würde.

Aus diesen drei Aussagen läßt sich folgendes Kriterium der Angemessenheit gewinnen: Eine Reorganisation des Lernzielbestimmungs-Verfahrens hat vom gegebenen faktischen Stand der Kompetenz-Berücksichtigung auszugehen und darf nicht hinter ihn zurückfallen. Ein Weniger an Kompetenz-Berücksichtigung wäre um so gefährlicher, je stärker es in dem Bereich anfiele, der die Grundfunktion politischer Bildung und Erziehung, die „Einbürgerung", zu tragen hat (vgl. dazu III. 3).

Dieses Kriterium gibt eine Untergrenze an; es bezeichnet einen minimal zu gewährleistenden Standard. Ein oberes Ziel-Kriterium hingegen könnte weder prozedural noch inhaltlich bestimmt werden, ja es dürfte dies nicht einmal, sollte unsere freiheitliche Verfassungsordnung keinen Schaden nehmen. Dafür zwei Argumente: Man kann zwar unter dem Motto der Partizipationsmaximierung („Demokratisierung") neue Gruppen in das Verfahren einzubinden versuchen, man riskiert dabei allerdings, anstatt die Zahl der Partizipanten zu vermehren, nur einen Austausch der bestimmenden Eliten und — falls dies vermieden würde — einen Verlust an „Fähigkeit etwas beizutragen" (also die Preisgabe des Kompetenz-Gesichtspunkts). Inhaltlich könnte man gewiß Lernziele allein dadurch rechtfertigen wollen, daß man sie auf „emanzipatorische Wirkung“ verpflichtet. Doch dann müßte man sofort eine Reihe von Grundfreiheiten einschränken und Toleranz solange als „repressiv" kritisieren, als sie nicht für Emanzipation in Dienst genommen werden kann. Eine Art von Emanzipations-Philosophie würde so zum Kriterium für das rechtlich (und moralisch) Gebotene, zu einer Super-Legalität, an der alles zu messen wäre. Die Folge des hier angedeuteten Maximai-Standards wäre also die, daß die Offenheit des Prozesses der Vergewisserung und des Wandels kollektiver Identität eingeschränkt wäre und wegen des Ziels maximalen (inhaltlich definierten) Konsens’ die Stabilität des unsere pluralistische Gesellschaft tragenden minimalen (und vor allem verfahrensorientierten) Konsens'aufs Spiel gesetzt würde 2. Ein Beispiel falsch gewichteter Kompetenzen Wir haben bei der Erörterung der politischen Kompetenz den Begriff Kultusminister in der Einzahl gebraucht; nach der Verfassungslage der Bundesrepublik Deutschland ist jedoch von einer Mehrzahl auszugehen. Das kann im Konfliktfall, wo ein Kultusminister sein Amt zur Beute eines Parteiwillens macht, bedeutsam werden: Denn in einem solchen Fall mag es zwar in anderen Bundesländern zu Beunruhigungen und Irritationen kommen, der akute Verfassungskonflikt aber bliebe zunächst lokalisiert.

Unterscheidet man unter dem Gesichtspunkt des Verfassungskonsens Normal-und Konflikt-lage, so kann man für föderalistische Verfassungsverhältnisse sagen, daß eine auf einen Gliedstaat beschränkte Konfliktlage noch keinesfalls die gesamtstaatliche Normallage beendigen muß, wenngleich zuzugeben ist, daß die öffentliche Meinung des Gesamtstaats auf den gliedstaatlichen Vorgang stark reagieren wird. Immerhin kann man die Diskussion um die hessischen Rahmenrichtlinien unter dem Gesichtspunkt sehen, daß die sozialdemokratische Parteilinke erproben wollte, wieweit sie ihre bildungspolitischen und gesellschaftspolitischen Vorstellungen bereits amtlich werden lassen kann. Die im Wahlkampf mobilisierte soziale Kompetenz hat den akuten Konflikt um die erste Fassung der Rahmen-richtlinien für Politik erfolgreich beendet und ein Maß erzwungen, innerhalb dessen ein von den am Grundgesetz orientierten Parteien gemeinsam zu verfolgendes Ziel angesteuert werden kann

Nun gibt es Stimmen, die in solchen Vorgängen etwas sehen, das mit Separatismus einer-30) seits, Verwirrung und Unsicherheit andererseits zu tun habe und vermittels einer konzertierten Aktion der demokratischen Parteien und vermittels eines Bundesbildungsgesetzes für das Allgemeinbildende Schulwesen beendet werden müsse. R. Ulshöfer etwa warnt: „Verschreiben sich nun aber die Lehrplan-richtlinien einzelner Länder gegensätzlichen parteipolitischen Zielen, so entsteht dadurch ein verhängnisvoller Separatismus innerhalb der Länder der BRD." Mir scheint, hier würden weder die Kompetenzen erfaßt, die bei Lernzielbestimmungen in Frage kommen, noch würde die Praxis der kulturföderalistischen Ordnung der Bundesrepublik in Rechnung gestellt. Um mit dem zweiten zu beginnen: Was würde ein Bundesbildungsgesetz anderes sein können, als der faltenreiche Mantel über allen in Länderzuständigkeit verbleibenden Lehrplänen-, ein Bedarf an Leerformeln und verbalen Kompromissen dürfte aber zur Lösung des aufgeworfenen Problems wenig dienlich sein.

Es darf angenommen werden, daß der zitierte Autor dies weiß. Schlägt er doch — auf der Einbahnstraße professioneller Kompetenz fahrend — vor, die erforderliche Einheit und Systematik dieses Gesetzes durch ein „didaktisch geschlossenes System" zu erreichen also durch die Inkraftsetzung einer didaktischen Konzeption, die verhindern kann, „daß die Kinder und Jugendlichen in der BRD in den verschiedenen Ländern, Schularten und Fächern nach unvereinbaren gegensätzlichen didaktischen Theorien unterrichtet werden"

Würde der professionelle Anspruch hier eng begrenzt, nämlich auf die Vermittlungstechnik hin, wäre Ulshöfers Vorschlag nur eine Herausforderung gegenüber Berufskollegen mit abweichender Lehrmeinung. Aber er ist natürlich mehr: Didaktik wird erfaßt als Bereichsstrategie der Gesellschaftsreform, als „Theorie, die den Istzustand verbessert" Damit ist es aber ein — wenngleich verhüllt formulierter — Vormundschaftsanspruch der professionellen über alle übrigen gesellschaftlichen Kompetenzen zur Lernzielbestimmung in der politischen Bildung.

Das aufgeworfene Problem der „Richtungslo-sigkeit" von Schule und Lehrerschaft auf dem „wichtigen Gebiet demokratischer Erziehung" * rührt nicht von fehlender verfassungsrechtlicher Generalisierungsfähigkeit („Bundesbildungsgesetz"), auch nicht nur von mangelhafter Kooperation der demokratischen Parteien, sondern von tiefgreifenden Wandlungen unserer Kultur. Im Verlauf dieses Wandels kam es zu Prozessen funktionaler Differenzierung („Arbeitsteilung") und normativer Pluralisie-rung („Pluralismus der Weltanschauungsgruppen"), die das Subjekt der Bestimmung über die Ziele politischer Erziehung und Bildung, nämlich die politische Gesellschaft als ganze, in ein komplexes und kompliziertes System konkurrierender Erziehungsansprüche transformiert haben. Von dieser Lage ist auszugehen. Die Reduktion auf Parteiensoziologie verengt den Blick unnötigerweise. 3. Gewichtung nach den Kriterien „Leistung für Einbürgerung" und „Amt"

Ob ein Verfahren der Lernzielbestimmung für angemessen gelten kann oder nicht, erweist sich an seiner Offenheit für die Berücksichtigung aller vier Kompetenzen. Das Problem, das bleibt, lautet: woran aber erweist sich die angemessene Berücksichtigung der vier Kompetenzen? Mit dieser Frage überschreiten wir den in unserer Kompetenz-Reihe angelegten „heuristischen" Anspruch und suchen nach einem außerhalb dieser Reihe liegenden Grund, Anspruchskonflikte zu schlichten und Widersprüche zwischen Kompetenzen aufzulösen.

Die Antwort ist alles andere als einfach: Man hat zu wählen zwischen dem Fundament in der Sache, d. h.der durchschnittlichen Erwartung und nachweislichen Fähigkeit, zur Einbürgerung etwas beizutragen (also: diese zu wollen und anzustreben und die Intention gediegen zu realisieren), und der rechtlich-politischen Maßgeblichkeit, Meinungsunterschiede und Streitfragen „von Amts wegen" zu entscheiden. In der politischen Normallage dürften beide Kriterien übereinstimmen; in Krisensituationen können sie auseinander-treten. In diesem Falle ist es eine Frage der Macht, ob die repräsentative politische Kompetenz (also die Politik der Amtsinhaber) auf die eine oder die andere der antagonistischen Parteien und deren gesellschaftliche Konsens-formel rückverpflichtet werden kann.

Was das Fundament in der Sache angeht, so ergibt sich derzeit in der Bundesrepublik ein verwirrendes Bild. Nicht wenige der im Vordergrund wissenschaftlicher und di16 daktischer Aufmerksamkeit liegenden Versuche wollen gar nicht in Richtung Einbürgerung wirksam werden. Der hinter ihnen stehenden professionellen Kompetenz geht es gewiß um die Befähigung zu kritischem, gesellschaftsveränderndem Engagement, jedoch ohne daß sie sich auf das Ziel der Einbürgerung verpflichtet hätte — mit der Folge, daß die Ziele dieses Engagements und seine Praxis nicht in die Gesellschaft hinein, sondern an ihren Rand führen. Teilweise bleibt auch die Absicht der Einbürgerung formal bestehen, doch wird das Identifikations-Objekt anders bestimmt: Marxistische Geschichtslehrer etwa definieren als Identifikationsbasis allein die „Klassenzugehörigkeit", individualistisch orientierte Didaktiker versuchen, der Alternative „Nation oder Klasse" dadurch zu entgehen, daß sie dem Schüler „ein Recht auf eigene Identifikationen" zusprechen und so tun, als würde dieses Recht bestritten, wo es doch tatsächlich um Einbürgerung in eine gesellschaftliche und staatliche Ordnung geht, die dieses Recht allererst verleiht und garantiert.

Solchen Versuchen gegenüber wäre also daran festzuhalten, daß politische Lernziele nur aus solcher Kompetenz zureichend begründet werden, die zur Identifikation des jungen Menschen mit seiner Gesellschaft führen will und kann. Identifikation bedeutet in unserer kulturellen und politischen Situation nicht dasselbe wie unkritische Anpassung an je dominierende Sozialverhältnisse, sondern innere Bejahung der Ordnung, unter der wir heute leben und innerhalb deren einer durch Aufklärung, Persönlichkeitsentfaltung und politische Praxis im Widerspruch zu oder in Wiederaufnahme von sozialen und kulturellen Traditionen seine Identität selbst finden und bestimmen darf (und — wie anders sollte politische Praxis denkbar sein — auf die Aus-prägung und Gestaltung dieser Ordnung Einfluß gewinnt).

Was die Vorrangigkeit der Entscheidung „von Amts wegen" angeht, so spricht außer der Rechtslage guch die Vermutung für sie, daß in ihr die politische Gesellschaft als ganze (d. h. als Ziel-Bereich der Einbürgerung) verantwortlich repräsentiert wird Sinn und Möglichkeit von Einbürgerung müssen daher, solange ein politisches Gemeinwesen existiert und der Staat intakt ist, vom zuständigen Minister und seinem Ministerium gegen Manipulationen geschützt werden; insoweit gilt, daß die politische und administrative Kompetenz im Streitfälle anderen Kompetenzen voransteht bzw. ihnen den Rahmen ihres Wirkens zumessen darf. Dies gilt insbesondere dann, wenn soziale Kompetenz, die nur partiell organisierbar ist, widersprüchlich in Anspruch genommen wird oder wenn professionelle Kompetenz ihre spezifischen Leistungen der Aufgeschlossenheit für utopische Gehalte, für ein hohes Konfliktniveau und experimentelle Bedingungen unter Verzicht auf die Grundfunktion politischer Erziehung zu verwirklichen sucht.

Wem dies zu sehr nach „Option" schmeckt, der sei noch einmal auf Vilmars Aufsatz hingewiesen, wo zur Überwindung „spätbürgerlicher Verzagtheit" aufgerufen wird, einer Verzagtheit, die nicht wage, „in der politischen Aktionsbildung einen entschieden . normativen Prozeß'revolutionärer . . . Sozialisation in Gang zu setzen", der zu einer „neuen radikaldemokratischen, d. h. sozialistischen Verhaltenslehre" führe. Ich glaube, daß in unserer Gesellschaft genügend Kompetenz da ist, um Alternativen zu solcher Verzagtheit auszumachen und für die Ziele politischer Bildung verbindlich zu setzen. *

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl.den Bericht über das deutsch-amerikanische Expertengespräch über political education in Bloomington/Indiana: D. Schmidt-Sinns, Politische Bildung in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland, in: Das Parlament v. 18. Okt. 1975, S. 6 f.

  2. Vgl. Lernziele und Stoffauswahl im politischen Unterricht (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für polit. Bildung, Heft 93), Bonn 1972; hier vor allem das Diskussionsprotokoll im Anschluß an das Referat v. Cubes (S. 14 f.).

  3. Vgl.den informativen Sammelband: Der Streit “ m die politische Bildung. Was man von Staat und Gesellschaft wissen und verstehen sollte U Berichte und Studien der H. -Seidel-Stiftung e. V. München, Bd. 7), hrsg. v. P. Gutjahr-Löser und HH. Knütter, München/Wien 1975. Hier besonders die Beiträge von Hornung (S. 15 ff.) und Sutor

  4. Vgl. die „krisenhaften" gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Empfehlung des Deutschen Bildungsrates „Zur Förderung praxisnaher Curriculum-Entwicklung", dort unter II. 1. 1.

  5. Vgl. K. M. Bolte, Bundesrepublik wohin?, Bad Harzburg 1974, S. 134.

  6. Zu dem hier vorausgesetzten Politik-Verständnis vgl. B. Crick, Eine Lanze für die Politik, München 1966, kurzgefaßt; S. 206— 208.

  7. Vgl. B. Sutor, Didaktik des politischen Unterrichts, Paderborn 1973, S. 147 f.

  8. Vgl. J. Weber, Politischer Idyllismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 26/73 v. 30. Juni 1973,

  9. Vgl. dazu auch die gängige, etwas überreizte Ziel-Reihe bei R. Schmiederer, Schule und Gesellschäft I, Frankfurt/M. 1974, S. 13 ff., und die „das Kognitive, das Methodische und die auch ins Emotionale reichende Werthaltung" umgreifende Ziel-Formel Sutors, die er jüngst publizierte: „Fähigkeit und Bereitschaft zu politischer Beteiligung durch unvoreingenommene Information, gewissenhafte Urteilsbildung und verantwortliche Entscheidung", m: Der Streit um die politische Bldung, a. a. O.,

  10. Regierungssystem-bezogen richtet sich die Frage der Vereinbarlichkeit nach der „Funktionsfähigkeit, Belastbarkeit (bei Wirtschaftskrisen z. B.), Stabilität und Wandlungsfähigkeit einer parlamentarischen Demokratie". Vgl., z. B. J. Weber, Politischer dyllismus, a. a. O., S. 28.

  11. Mit etwas anderer Akzentuierung J. Habermas, Legitimationsprobleme in Spätkapitalismus, Frank-furt/M. 1973, S. 101: „Die administrative Planung erzeugt einen universalen Rechtfertigungszwang gegenüber einer Sphäre, die sich gerade durch die Kraft der Selbstregulierung ausgezeichnet hatte." Kritisch zur Hypothese vom gestiegenen Legitimationsbedarf neuerdings W. Hennis, Legitimationsprobleme im modernen Staat, Vortrag vor dem Plenum des Wiss. Kongresses 1975 der DVPW in Duisburg, am 7. 10. 1975.

  12. F. Minssen, Legitimationsprobleme in der Gesellschaftslehre — Zum Streit um die hessischen . Rahmenrichtlinien', in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 41/73 v. 13. Okt. 1973.

  13. W. Hilligen, Ziele des politischen Unterrichts — noch konsensfähig?, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 15/75 v. 12. 4. 1975.

  14. R. -R. Grauhan, W. -D. Narr, Studium der Sozialwissenschaft — demonstriert an der Politikwissenschaft, in: Leviathan 1/73, S. 90 ff., wo auf S. 93 als „zentrale These" verkündet wird, daß „das, was ein Studiengang im Hinblick auf bestimmte Berufe zu leisten hat, . . . prinzipiell und primär in den Bestimmungsbereich der Wissenschaften" ge-höre. „Nur so kann der herrschende . . . Konventionalismus überwunden werden; nur so — und nicht durch beliebige Beteiligung herrschender Gruppen — kann auch angepeilt werden, was . gesellschaftlicher Bedarf sein könnte."

  15. Vgl. H. -J. Gamm, Kritische Schule. Eine Streitschrift für die Emanzipation von Lehrern und Schülern, München 1970.

  16. Mit der Festlegung der Grundfunktion ist auch der Träger dieser Funktion bestimmt: die Gemeinschaft der Bürger. Näherhin entstehen jedoch drei Pobleme: a) Welche Teile diese Gemeinschaft sind handlungsfähig und interessiert genug, um die politische Bildung, soweit sie in Schulen vermittelt wird, zu kontrollieren?, b) welche Bestimmungsmomente müssen auf die Festlegung des Ziels Einbürgerung zu dessen optimaler Fassung einwir-ken? und c) welches Verfahren ist angemessen, um die politische Gesellschaft nach ihren handlungsfähigen und interessierten Gliedern und ihren relevanten Bestimmungsmomenten auf die Lernziel-festlegung Einfluß nehmen zu lassen? Alle drei Probleme: das Funktionsproblem (b), das Trägerproblem (a) und das Verfahrensproblem (c) hängen voneinander ab, sind aber nicht stellvertretend füreinander beantwortbar. Wir legen das Hauptaugenmerk auf das Funktionsproblem; zum Trägerproblem vgl. Kap. 1. 5 (Kritik an den von einigen Partizipationstheoretikern immer wieder unterstellten „sozialen Profile von Interessiertheit oder Zu-gehörigkeit", also gegen die Annahme von repräsentativ organisierbaren Subsystemen, vgl. M. Zöller, Erwiderung auf F. Vilmars Demokratisierungs-konzept, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/75 v 27. Sept. 1975, S. 34 f.) und zum Verfahrensproblem vgl. Kap. III.

  17. Vgl. W. Plößl, Auf breiter Basis erarbeitet — Curriculare Lehrpläne für die Orientierungsstufe, in: schulreport, hrsg. v. Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 1975, Heft 5, S. 20 f. Ebd. G. Knauss, Alleingänge finden nicht statt— Bayerns System der Lehrplanentwicklung, S. 22 f. Knauss weist darauf hin, daß Bayern bisher das einzige Land der Bundesrepublik sei, das für die Zwecke der Curriculum-Entwicklung in Lehrplankommissionen eine ministeriell erlassene und veröffentlichte Verfahrensordnung besitze.

  18. Vgl. G. C. Behrmann, Politische Sozialisation, in: Handlexikon zur Politikwissenschaft, hrsg. v. A. Görlitz, München 1970, S. 329 ff.

  19. Die Begrifflichkeit, die wir hier gesellschafts-analytisch anwenden, darf nicht mit jener anderen verwechselt werden, die curriculumanalytisch verwandt wird. „Soziale Kompetenz" in der Curriculumtheorie ist die vom Lehrer erwartete und von dem Lernenden zu erwerbende Fähigkeit, gesellschaftliche Herausforderungen annehmen und verarbeiten zu können, „Soziale Kompetenz" in unserer gesellschaftsanalytischen Verwendung ist demgegenüber die durchschnittlich erwartete Fähigkeit, etwas zum Thema (hier der Einbürgerung) beizutragen, aufgrund der gesellschaftlichen Mitbetroffenheit oder der gesellschaftlichen Mitverantwortlichkeit eines jeden Bürgers. Es handelt sich bei der sozialen Kompetenz sowohl um die „Mutterkompetenz" aller vier von uns unterschiedenen Kompetenzen, zugleich aber um eine Restkategorie, die übrigbleibt, wenn man die anderen Kompetenzen (also die politische, administrative, professionelle) definiert und abgesondert hat. Da die Begrifflichkeit gesellschaftsanalytisch verwendet wird, kann sie nicht personentypisch angewandt werden; es ist sinnlos, eine einzelne Person als Träger einer einzelnen Kompetenz darzustellen; vielmehr überlagern sich die Kompetenzen im einzelnen je nach Ämtern oder Aufgaben, die er wahmimmt („Rollen-Set").

  20. Verfassungsrechtlich ist dieses Moment etwa von der Bayerischen Verfassung in Art. 153 gefordert, wo „fachmännisch vorgebildete Beamte" für die Schulaufsicht verlangt werden.

  21. Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 1, S. 12 f. (BVerfGE vom 23. 10. 1952).

  22. Vgl. Anordnung des Kultusministers in Bayern vom 18. 3. 1974 in: Bulletin der Bayer. Staatsregierung v. 20. 3. 1974, S. 12.

  23. Ebenda.

  24. Diese treffende Formulierung bei F. Minssen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41/73 v. 13. Oktober 1973, S. 35.

  25. Fritz Vilmar, Systemveränderung auf dem Boden des Grundgesetzes, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 18/74 v. 4. Mai 1974.

  26. Ebenda, S. 6.

  27. A. Etzioni, The Active Society, New York 1968, S. 313 ff.

  28. Ders., in: Fragen der Freiheit, hrsg. v. Seminar für freiheitliche Ordnung, Mai 1972, S. 11.

  29. Zum Problem’ des „minimalen Konsens“ und der „Minimallegitimität“ als Erfordernisse freiheitlicher politischer Ordnung vgl. Paul-L. Weinacht, Grenzen der Gleichheit, Grenzen des Konflikts, hrsg. v.der Nieders. Landeszentrale für Politische Bildung, 1974, S. 35 ff.

  30. Vgl. R. Ulshöfer, Politische Bildung usw., in: ders., T. Götz (Hrsg.), Politische Bildung — ein Auftrag aller Fächer, Herdertaschenbuch Nr. 9023, S. 13.

  31. A. a. O., S. 13.

  32. A. a. O„ S. 12.

  33. A. a. O„ S. 264

  34. A. a. O., S. 18.

  35. Vgl. K. Bergmann, Geschichtsunterricht und Identität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/75 v. 27. 9. 1975, S. 23.

  36. Zum Begriff des öffentlichen Amtes, der Vertrauensbeziehung zu denjenigen, die den Amtsinhaber in sein Amt berufen haben und den Pflichten eines Amtsinhabers vgl. W. Hennis, Amtsgedanke und Demokratiebegriff, in: ders., Politik als praktische Wissenschaft, München 1968, S. 48 ff.

  37. Fr. Vilmar, Systemveränderung . . ., a. a. O.

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Paul-Ludwig Weinacht, Dr. phil., Professor für Politikwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Freiburg; geb. am 28. Mai 1938 in Freiburg i. Br.; nach dem Staatsexamen (1961) und Tätigkeit im höheren Schuldienst (Ass. d. L.) 1967 Promotion an der Philosophischen Fakultät der Universität München. Tätigkeiten als wissenschaftlicher Assistent von Prof. Dr. Hans Maier im Deutschen Bildungsrat und am Geschwister-Scholl-Institut für Polit, Wiss, in München. 1972 Ruf an die Pädagogische Hochsdiule Freiburg. Veröffentlichungen u. a.: Staat, Studien zur Bedeutungsgeschichte des Wortes von den Anfängen bis ins 19. Jh. (= Schriften zur Politischen Wissenschaft, Bd. 2), Berlin 1968; Mitherausgeber v.: Politiker des 20. Jahrhunderts, Bd. I, München 1970, Bd. II, München 1971; Grenzen der Gleichheit, Grenzen des Konflikts, Hannover 1974; Leo Wohleb — Der andere politische Kurs, Freiburg 1975.