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Politische Psychologie und psychoanalytische Soziologie. Überlegungen zur Übertragung Freudscher Kategorien auf Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik | APuZ 28/1976 | bpb.de

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APuZ 28/1976 Artikel 1 Lernziel Freiheit. Das Erzieherische, herausgefordert durch die Emanzipationspädagogik Politische Psychologie und psychoanalytische Soziologie. Überlegungen zur Übertragung Freudscher Kategorien auf Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik

Politische Psychologie und psychoanalytische Soziologie. Überlegungen zur Übertragung Freudscher Kategorien auf Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik

Hermann Glaser

/ 46 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Wie der einzelne seine Biographie hat und diese „bewältigen" muß, so haben Kollektive ihre Vergangenheit, in die wiederum — als Textur sozioökonomischer, kultureller und geistiger Bedingtheiten —--das Individuum verwoben ist. Um Gegenwart zu verstehen und Zukunft gestalten zu können, bedarf es des „Kampfes um die Erinnerung", damit das, was erlebt, aber oft verdrängt oder nicht durchdacht wird, als heuristisches Prinzip sich erweisen kann. Um zu verhindern, daß wir als einzelne wie als Gesellschaftswesen über die eigenen Fehler stolpern, statt dessen mit Hilfe versuchsweiser Theorien aus ihnen Nutzen ziehen, wird man neben den historisch-faktischen Abläufen seelische Genesen (vor allem das kollektive Unterbewußtsein wie die triebdynamische Motorik betreffend) besonders beachten müssen. Wenn Sigmund Freud von der Gesellschaft als „umfangreichem Menschen" spricht, so verweist diese, wissenschaftsmethodisch zunächst naiv klingende Metapher auf ein in Wirklichkeit höchst komplexes wie kompliziertes System psychoanalytischer Soziologie hzw. soziologischer Psychoanalyse, zu der dieser Beitrag einige Überlegungen beisteuert. Die „Seelenbilder dieses Jahrhunderts machen dann deutlich, wie sehr Sigmund Freuds Instrumentarium geeignet ist, verborgene Triebschicksäle aufzuspüren, die — nehmen wir als Beispiel nur den Nationalsozialismus — sehr nachdrücklich geschichtlich manifest werden.

In der Einleitung zu seinem im August im Carl Hanser Verlag, München, erscheinenden Buch „Sigmund Freuds Zwanzigstes Jahrhundert. Seelenbilder einer Epoche. Materialien und Deutungen", das anhand der soziologischen Schriften Freuds ein umfassendes Psychogramm der deutschen Gesellschaft (in Form einer „Freud-Zeit-Biographie") zeichnet, behandelt Hermann Glaser u. a. auch die Relevanz der Psychoanalyse für die politische Psychologie. Einige Überlegungen daraus werden im nachfolgenden Beitrag vorgelegt. Sigmund Freud prägte dieses Jahrhundert, indem er es analysierte. Auf der Couch der Psychoanalyse wurde nicht nur die Seele des einzelnen entschleiert und der Blick in die Tiefen des individuellen Unterbewußtseins getan; die soziologischen Abhandlungen Freuds eröffnen inhaltliche und methodische Perspektiven, die innerhalb politischer Psychologie stärker als bislang beachtet und berücksichtigt werden sollten. „Novalis sagte: , Jeder Mensch jst eine kleine Gesellschaft.'Freud sagte: Jede Gesellschaft ist ein umfangreicher Mensch. Er hat daraus nie ein wissenschaftliches Dogma gemacht, wie man ihm vorwarf. Er hat nur zugesehen, ob diese Sicht nicht einiges Neue ins Gesichtsfeld bringt."

Das politologische Interesse an Freud lenkt die Aufmerksamkeit auf jene einzigartige „Kombination von Eigenschaften und Begabungen", die ihn zu seiner rigorosen Selbstexploration und zu seinen Entdeckungen disponiert hat; „auf die Intensität, Präzision und Geduld der Beobachtung bei gleichzeitigem Sichversagen jeder affektiven Parteinahme, die aggressive Neugier angesichts . unheimlicher'und, nach dem Zeitgeschmack, . anstößiger'Phänomene, die Detailwut, die noch die trivialsten psychischen Äußerungen für würdig befand, untersucht zu werden, die Konsequenz, Themen über lange Zeiträume festzuhalten und das zunächst wilde empirische Material theoretisch zu durchdringen."

Diese Fähigkeiten hat Freud vor allem in seinen soziologischen Abhandlungen entwikkelt, die erhellen helfen, warum Menschen, wie Karl Marx in der „Deutschen Ideologie" schreibt, zwar Geschichte machen, aber nicht wissen, daß und wie sie sie machen. Aufklärung über „Motivation" — Hebung ins Bewußtsein, was vom Unterbewußtsein her einwirkt („Wo ES war, soll ICH werden!" — fördert die Hoffnung, daß die Menschen, wenn sie eines Tages wissen, wie sie ihre Geschichte machen, sie diese anders und besser machen Solches Unterfangen läßt sich auch mit einem anderen Marx-Zitat anschaulich umreißen: Man müsse die „versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen bringen, daß man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt!" Dies hat Sigmund Freud getan. Die „eigene Melodie" seiner Zeit war eine verborgene Melodie; indem er ihre Partitur entdeckte bzw. entschlüsselte, sie zum Tönen brachte, hat er die erstarrte Gesellschaft zum Tanzen gebracht: sie durch Enttabuierung, Entideologisierung, Entmythologisierung zumindest „aufgelockert". Vor allem aber hat er erkannt, daß nicht „Geschichte" als solche Aufgaben stellt und löst (sie hat keine Vernunft „an sich", ist weder „Geist" noch Macht"), daß nicht „Geschichte" als Abstraktion, als einheitliche substantielle „Wesenheit" am Werke ist, sondern stets wirkliche Menschen handeln, Hindernisse erstellen oder überwinden, individuelles oder allgemeines Leid schaffen oder verringern Nicht ein hoch über den Köpfen der Menschen schwebendes objektives Bewußtsein interessiert eine materialistische Deutung (von einem solchen Desinteresse aus gesehen war Freud durchaus „Materialist"), sondern das Bewußtsein in den Köpfen wirklicher Menschen — wie es da hineingelangt und wodurch es bedingt ist. Damit die Deformationen des subjektiven Geistes, z. B.

durch bürgerliche Scheinmoral, nicht auf Dauer und „unwandelbar" vergesellschaftet werden, ist es notwendig, durch Aufklärungs-Strategien, zu denen die Psychoanalyse der Gesellschaft vorrangig gehört, die Versteinerung der Verhältnisse zu verhindern. Die Entwicklung des Individuums zum gesellschaftsfähigen Bürger wie die'soziale Phylogenese, die Entwicklung der Gesellschaft zu einem höheren Stadium von Aufgeklärtheit, bedarf „helfender" wissenschaftstheoretischer Verfahren. Diese müssen die Beziehungen zwischen individuellem und gesellschaftlichem Bewußtsein aufzeigen und dabei die Menschennatur mit ihrer gesellschaftlichen. Ausprägung sowie ihre gesellschaftliche Ausprägung mit den utopisch-heuristischen Vorstellungen von Menschennatur (aber auch mit den „überwundenen" Vorstellungen, auf die man stets zurückfallen kann) vergleichen. Dies macht die Dynamik der Psychoanalyse wie der psychoanalytischen Gesellschaftsdeutung aus.

So wie die Psychoanalyse des einzelnen muß auch die Analyse der kollektiven Psyche als Prozeß sich vollziehen. „Der psychoanalytische Prozeß ist durch einen besonders intensiven Austausch von Wahrnehmungen der äußeren und Wahrnehmungen der inneren Realität eines Menschen (wie der Gesellschaft) gekennzeichnet. Wahrnehmungskorrektur sowie Wahrnehmungserweiterung — nach innen wie nach außen — sind technische Grundleistungen der Analyse." Um die kritische Wahrnehmung der unbewußten Anteile unserer individuellen wie kollektiven Psyche dergestalt zu ermöglichen, bietet die Freudsche Analyse die Möglichkeit, die Abwehr gegen konfliktschaffende unbewußte Inhalte zu schwächen und sie damit durchlässi--ger zu machen.

In einem Brief an seine Verlobte schreibt Sigmund Freud 1882: „Die Gegenwart kann man nicht genießen, ohne sie zu verstehen, und nicht verstehen, ohne die Vergangenheit zu kennen." Ein solcher Satz kann das Motto jeglicher politischen Psychologie abgeben: Identität soll durch Einsicht in (Seelen-) Geschichte ermöglicht bzw., wenn diese zerstört oder gefährdet ist, wieder hergestellt werden. Freuds Feststellung, auf die individualpsychische Situation bezogen, wirft bei sozialpsychologischer Anwendung freilich das Problem des „Transfer" auf — inwieweit die Psychoanalyse des Individuums für die Psychoanalyse der Gesellschaft, die Deutung der Lebensläufe von Personen sowie ihrer Psychogramme für die Deutung der Psychostrukturen von Völkern, Kollektiven, Gesellschaften und Zeiten fruchtbar gemacht werden kann; Kernfrage der Methodenreflexion politischer Psychologie ist es somit, auf welche Weise und inwieweit der „Kampf um die Erinnerung" (als groß angelegter und großartiger Versuch, das versunkene oder verdrängte Erlebnis des einzelnen wieder ans Tageslicht aufklärenden Bewußtseins zu bringen) auch transponiert werden kann auf Vorgänge kollektiven Bewußtseins. Solche Übertragung ist um so wichtiger, als kollektives Bewußtsein in einem besonderen Maße die „Fähigkeit" des Vergessens besitzt und somit auch der psychoanalytischen Therapie im besonderen bedarf.

Die „Selbstreflexion" als die Verinnerlichung eines „therapeutischen Diskurses" die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich, seinen Beschädigungen und Hoffnungen, das Bemühen um Identität, wie sie durch den Ausfall von Erinnerung erschüttert und durch die Hereinnahme und Aufarbeitung von Erinnerung gefestigt wird — all dies ist, gesellschaftspolitisch gesehen, Vergangenheits-, Gegenwarts-und Zukunftsbewältigung; ein Ringen um Wahrheit, wie sie sich eben nicht aus dem Hinnehmen der Materialität von Geschichte, sondern aus der Bewußtmachung sozialpsychischer Genealogien ergibt. Der Heilungswunsch einer Gesellschaft bzw. kollektiver Gruppen ist allerdings meist schwach ausgeprägt oder verdrängt oder unterdrückt; der Widerstand der durch „Wahrheit" in ihrer Herrschaft gefährdeten Klasse(n) ist stark entwickelt. „Der revolutionäre Kampf ist keineswegs eine psychoanalytische Behandlung im großen Maßstab. Der Unterschied zwischen diesen beiden Formen emanzipatorischer Praxis ergibt sich schon daraus, daß dem Patienten geholfen wird, sich von dem ihm angetanen Zwang zu befreien, während der herrschenden Klasse der Versuch, sich vom gesellschaftlichen Zwangszusammenhang zu lösen, allein als eine Bedrohung der Herrschaft erscheinen muß, die sie über die anderen Klassen ausübt. Die Entgegensetzung stellt sich hier weitaus schärfer als im Fall der Psychoanalyse dar. Die unterdrückte Klasse zweifelt nicht nur die Gesprächsfähigkeit der herrschenden Klasse an, sondern hat auch gute Gründe für die Annahme, daß jeder ihrer Versuche, mit der herrschenden Klasse in einen Dialog einzutreten, dieser bloß als Gelegenheit dient, ihre Herrschaft abzusichern."

Doch so wie in der Individualanalyse ist auch bei psychoanalytischer Soziologie die Intensität des im Leiden oder aus dem Leiden erwachsenden Heilungswunsches (dann der Gesellschaft) maßgebend für das Gelingen der Selbstreflexion als eines therapeutischen Diskurses. Emanzipation bedeutet dabei Loslösung vom Verhaftetsein, in welcher Form es sich auch ausprägt; Durchbruch zu einer „offenen" Humanität. Zugespitzt stellt Josef Rattner, in Absage an die — seiner Meinung nach — elitäre, in ihrem Entstehungsgrund bourgeoise Psychoanalyse fest: „Nur als Sozial-und Kulturkritik ist die Psychoanalyse auch in Zukunft noch entwicklungsfähig." io)

Die Psychoanalyse Freuds hat sich auf drei Ebenen entwickelt: als diagnostisches Verfahren, als therapeutische Methode, als theoretische Disziplin. Alle drei Ebenen eignen sich für soziologische wie sozialpsychologische Übertragung. Psychoanalyse als Tiefenpsychologie bedeutet dementsprechend psychoanalytische Tiefensoziologie; sie ist der Versuch, zwar keine „Einheitlichkeit der Welterklärung" zu liefern, wohl aber eine gewisse Einheitlichkeit der jeweiligen Zeitseele zu postulieren (und in der Analyse zu verifizieren). Die bruchlose Rekonstruktion von Gesellschaft aus der Immanenz des Psychischen ist nicht beabsichtigt; die Bedingtheiten von Gesellschaft, etwa durch Arbeit, Organisation und Herrschaft, dürfen nicht gering geachtet werden; wohl aber ist es sinnvoll, die Einwirkungen des „Ober-" oder „Unter-" Baus des Seelischen auf die Entfaltung des Zeitgeschehens stärker als bislang in den Mittelpunkt der Beobachtung wie Beachtung zu rücken. „Die psychoanalytische Theorie hat von Anbeginn versucht, die Wechselwirkung von Psychischem und Gesellschaftlichem, wenngleich unter dem Primat der Psychologie, zu bestimmen. Auf den verschiedenen Stufen ihrer methodologischen, theoretischen und schließlich metatheoretischen Konsolidierung hat sie diesen Problemzusammenhang thematisiert, neu formuliert, neuen Versuchen der Bestimmung unterworfen. Grundthema ist immer, wie Gesellschaftliches im Verhältnis zu psychischen Faktoren gefaßt werden kann, ob Gesellschaftliches selbst nichts anderes ist als eine spezifische Konstellation psychischer Faktoren." 11)

Die Psychoanalyse, die die seelischen Krankheiten des Individuums als Folge von Verdrängungen deutet, verweist damit be

Die Psychoanalyse, die die seelischen Krankheiten des Individuums als Folge von Verdrängungen deutet, verweist damit bereits auf 10 sozialpathologische Tatbestände: nämlich auf die Unfähigkeit von Gesellschaft (Gruppen oder Klassen), das aus kollektiver Existenz Verdrängte wieder ins Bewußtsein zurückzuholen und in rationaler „Verarbeitung zu bewältigen. Indem die Psychoanalyse innere Zwänge aufzulösen versucht, ist sie eine Psychologie der Freiheit, die am Individuum die geistig-seelischen Voraussetzungen für Emanzipation schlechthin demonstriert. „Die Psychoanalyse nimmt am Individuum eine Demaskierung seines Bewußtseins vor, einen Abbau auf seine triebhatte Existenzbasis, die, an ihrer richtigen Auswirkung durch die Vorurteile der Gesellschaft verhindert, teils auf dem Wege der Neurose, teils auf dem der geistigen Umsetzung und Sublimierung, jedenfalls aber auf eine dem Individuum undurchsichtige Weise zur Herrschaft kommt. In der Wiederholung des einmal Verdrängten besteht die Kunst des Arztes. Denn das Eigentliche verbirgt sich in Symbolen. Das Bewußtsein redet eine indirekte, eine ideologische Sprache. Arzt und Patient müssen zugleich deuten und realisieren können." Dadurch kann auch die Gesellschaft lernen, die Brüchigkeit ihrer Oberflächenrationalität, im besonderen das Wesen von Herrschaft als rationalisierte Triebdynamik, zu durchschauen, überbau ist eben nicht nur das Produkt sozioökonomischer Bedingtheiten, sondern auch Produkt von seelischen Tiefenvorgängen, die sich als Ideologie präsentieren. Ideologiekritik bedarf entsprechend nicht nur der Analyse des ökonomischen Unterbaus, sondern auch der Analyse der „Tiefenschicht" des Zeitgeistes bzw.der Zeitseele und ihres vor-und unterbewußten Wurzel-grundes.

Wo ES war, soll ICH werden — Kategorien psychoanalytischer Soziologie

Die Psychoanalyse hat der politischen Psychologie Kategorien geliefert, mit deren Hilfe das kollektive Verhalten in seinen Strukturen wie Mechanismen transparenter und damit verständlicher gemacht werden kann: — sie hat die gewaltige Kraft des ES erkannt und aus dem Wissen ob solcher Gewalt die Forderung, daß wo ES war, ICH werden solle, erhoben; — sie hat im Geflecht menschlicher Motivationen die Ich-Triebe, vor allem den Sexual-trieb und den ihm entgegengesetzten Todes-trieb, als dominierende, für Destruktion anfällige oder a priori destruierende Prinzipien entdeckt; — sie hat dem Ich in seinem Bemühen, inmitten einer fremden und feindlichen Umwelt sich im Gleichgewicht zu erhalten, stabilisierende (wenn auch in sich selbst wiederum „gefährliche") Techniken wie Identifizierung, Projektion, Sublimierung, Reaktionsbildung, Rationalisierung, Isolierung, Regression erschlossen *

In seiner Sehnsucht nach Anlehnung, Sicherung und Unterstützung, in seiner Furcht vor Einsamkeit und Verlorenheit sowie vor den Anforderungen der Freiheit ist das Ich politischen Zwecken leicht gefügig zu machen, über seine Triebe und über anerzogenes Sozialverhalten leicht zu manipulieren. Politische Psychologie will durch die Stärkung sinnvoller Ordnungsvorstellungen ideologische Scheinordnungen zerstören helfen. Sinnvolle Ordnung von Kollektiven muß jedoch konvergieren mit dem Lebenssinn des einzelnen, der in seinen Grundrechten zu akzeptieren ist und der die Möglichkeit für humane Entfaltung zu erhalten hat.

Indem die Psychoanalyse die Tabus offenlegt, die menschliches Verhalten und Handeln bestimmen und meist beeinträchtigen, werden auch politische Zwänge offenbar, die sich zwar durch Rationalität zu legitimieren, in Wirklichkeit jedoch mit Hilfe irrationaler Repression vor kritischer Befragung abzuschirmen suchen. Gerade weil die vernünftigen Strebungen des Menschen nach Freiheit und Glück in unserer Zeit immer stärker werden, wird in Gegensteuerung dazu durch einseitige Herrschaftsinteressen der Versuch unternom-men, die Tabus und Triebverbote immer mehr auszuweiten. Nicht mehr Individuen, auch nicht mehr identifizierbare individuelle Gruppen sind dann die wirklichen Elemente der Politik, sondern vereinheitlichte bzw. gleich-geschaltete Totalitäten. „Diese technisch-administrative Kollektivierung erscheint als Ausdruck der objektiven Vernunft, das heißt als die Form, in der das Ganze sich reproduziert und erweitert. Alle Freiheiten sind durch sie vorbestimmt und vorgestaltet — unterworfen nicht so sehr der politischen Gewalt als den rationalen Forderungen des Apparats. Dieser umgreift die öffentliche und die private Existenz der Individuen, der Verfügenden sowohl wie der, über die verfügt wird, umgreift Arbeitszeit und Freizeit, Dienst und Erholung, Natur und Kultur. Damit aber greift der Apparat in das Innere der Person selbst ein, in ihre Triebe und in ihre Intelligenz, und zwar anders, als dies auf früheren Stufen der Entwicklung geschehen ist; nämlich nicht mehr primär als brutal-äußere, personale oder natürliche Gewalt, nicht einmal mehr als das freie Wirken der Konkurrenz, der Wirtschaft, sondern als die vollkommen vergegenständlichte technische Vernunft, die als technologische doppelt vernünftig und methodisch kontrolliert — und gerechtfertigt ist. — Deshalb sind die Massen nicht mehr einfach die Beherrschten, sondern die Beherrschten, die nicht mehr widersprechen, oder deren Widerspruch selbst wieder in die Positivität eingeordnet wird, als kalkulierbares und manipulierbares Korrektiv, das Verbesserungen im Apparat erfordert. Was früher einmal ein politisches Subjekt war, ist Objekt geworden, und die früher unversöhnbaren antagonistischen Interessen scheinen in ein wirkliches Kollektivinteresse übergegangen zu sein."

Politische Psychologie will solches Kollektiv-interesse als Schein-Interesse entlarven, den Subjekten die Fähigkeit des Widerspruchs, der Gesellschaft ihre Dialektik zurückgeben — also versuchen, Eindimensionalität aufzusprengen und die in unbefriedigender Arbeit „gefesselte" Triebenergie für eine dem Humanen dienende, das Unbehagen in der Kultur aufhebende libidinöse Kultur freizusetzen.

Mit Fred Weinstein und Gerald M. Platt kann man die Aufgaben einer psychoanalytischen . Soziologie bzw. einer soziologisch orientierten politischen Psychologie auf die Forderung bringen, daß sie — historisch zu verfahren und die Phänomene der äußeren Welt in einem „inneren" (psychogenetischen) Problemzusammenhang umfassend zu würdigen habe;

— die psychoanalytischen Kategorien in adäquater Form auf die Gesellschaft und deren Anal. -a übertragen müsse;

— die emotionalen individuellen Bedürfnisse in der richtigen Relation zu den sozialen Handlungen und Konstellationen sehen sollte.

E contrario formuliert: Die der Psychoanalyse eigene ahistorische Betrachtungsweise und die ihr inhärente Mißachtung wie Abwertung „äußerer" Phänomene, vor allem sozioökonomischen Ursprungs, ist in der politischen Psychologie zu überwinden. Nicht aufrechtzuerhalten ist auch der von Freud betonte unveränderliche Inhalt der menschlichen „Wünsche" gegenüber den offensichtlich wechselnden Gesellschaftsstrukturen und Institutionsformen. Vielmehr werden diese Wünsche vom jeweiligen Unterbau bzw. (nicht-marxistisch formuliert) vom jeweiligen „Zeitstil" mit geprägt. Die Gesetzmäßigkeiten von „Natur" können nicht als gleichbleibende Dominanten des „soziopsychischen Aggregats" herangezogen werden. Die Variabilität gesellschaftlich bestimmter seelischer Verhaltensweisen ist höher einzuschätzen als die biologische Konstante; die soziale Realität, auch außerhalb der Familie, ist von entscheidender Bedeutung. Die Reduktion sozialpsychologischer Vorgänge auf die Vorgänge der Kindheit und der Familie ist zu einseitig; notwendig ist die Ausweitung der Analyse auf andere Gruppen-und Kollektivbeziehungen.

Soziale Prozesse sind nicht nur Widerspiegelung innerer Vorgänge; die inneren Vorgänge sind häufig Internalisierung sozialer Prozesse. Das Funktionieren bzw. die Dysfunktionalität des „Regelkreises", der individuelles und kollektives Verhalten zusammenschließt, sollte im besonderen ein Thema politischer Psychologie sein

Solche Entgrenzung der Freudschen Psychoanalyse ist nicht als ihre Überwindung, sondern als ihre „Fortschreibung" zu betrachten; oder — wie Herbert Marcuse meint — lediglich eine Frage der „richtigen''Rezeption:

„Die Diskussion der Freudschen Theorie vom Standpunkt der politischen Wissenschaft und Philosophie bedarf der Rechtfertigung — um so mehr, als Freud immer wieder den naturwissenschaftlich-empirischen Charakter seiner Arbeit betont hat. Die Rechtfertigung muß eine zweifache sein: sie muß erstens zeigen, daß die Freudsche Theorie ihrer eigenen Begrifflichkeit nach der politischen Fragestellung offen ist und entgegenkommt — mit anderen Worten: daß ihre anscheinend rein biologische Konzeption im Grund eine gesellschaftlich-historische ist. . . Sie muß zweitens zeigen, inwiefern einerseits Psychologie heute ein wesentlicher Teil der politischen Wissenschaft ist und andererseits die Freudsche Trieblehre — und nur um sie handelt es sich hier — entscheidende Tendenzen der heutigen Politik auf ihren — verdeckten — Begriff bringt."

Kritik an der Psychoanalyse als Phänomen des Bürgertums

Die damit vorgetragene Behauptung, daß die Freudsche Psychoanalyse ihrer eigenen Begrifflichkeit nach die Fragestellungen politischer Psychologie entweder impliziere oder zumindest antizipiere, ihre biologische Konzeption nur eine scheinbare, in Wirklichkeit eine gesellschaftlich-historische sei, wird freilich in der Diskussion um das Freudsche Denken immer wieder entschieden bestritten.

Im extremsten Angriff wird die Freudsche Psychoanalyse als Phänomen des Bürgertums im Zeitalter imperialer Expansion und industrieller Revolution hingestellt und in Bausch und Bogen als Inventurstück jener Zeiten abgeschrieben. Da ihr Radius auf gesellschaftliche Eliten beschränkt bleibe, könne sie eine wirkliche Sozialanalyse überhaupt nicht leisten

Freud, der fast ausschließlich Leute der bürgerlichen Wiener Mittelklasse behandelt habe, versuche (wegen seiner einseitigen Verhaftung in der Bourgeosie: vergeblich!) Probleme des Menschlichen wie der Menschheit zu klären — unter völliger Mißachtung der Sozial-und Seelenprobleme der lohnabhängigen Klasse. Freuds Geschichtskonstruktion erweise sich als nichts anderes als eine gigantische Projektion der Weltanschauung und Lebenshaltung des frühen Bürgertums auf die Vor-und Urgeschichte der Menschheit. Freuds Bild des „Urvaters" trage in Wahrheit die Züge eines pater familias, dessen Macht im feudalen Familienverband noch nicht durch die soziale und ökonomische Entwicklung außerhalb des Verbandes angekränkelt sei; die Urhorde habe alle denkbare Ähnlichkeit mit dem äußeren (sozialen) und inneren (psychischen) Aufbauprinzip der feudalen Familie; der „Vatermord" finde nach dem klassischen Ablaufgesetz aller politischen Revolutionen statt, die das Bürgertum an die Macht gebracht haben Freuds Kulturtheorie spiegle die neurotisierenden Leiden des protestantischen Geistes auf dem Weg kapitalistischer Akkumulation. Seine Aggressionstheorie bringe das Wolfsgesetz der kapitalistischen Konkurrenz auf einen blinden anthropologischen Begriff. Nicht die Neurose als Abweichung von der unbewältigten Norm sei die eigentliche Krankheit; krank sei die Gesellschaft; die Neurose sei eine, wenn auch unvollkommene Form gesunder Verweigerung

Mit Blick auf die amerikanische Szene hat Th. W. Adorno schon 1955 vor der Indienstnähme der Psychoalanyse für eine utilitaristi-sehe Lebenspraxis, die sich unter gegebenen Umweltbedingungen häuslich einrichte und mit Hilfe der „Couch" an die jeweiligen gesellschaftlichen Normen anzupassen suche, gewarnt. Sie werfe die Subjekte auf ihr beschränktes Selbst zurück. „Der Kultus der Psychologie, die man der Menschheit auf-schwatzt, und der unterdessen aus Freud ein fades Volksnahrungsmittel bereitet hat, ist das Komplement der Entmenschlichung, die Illusion der Ohnmächtigen, ihr Schicksal hinge von ihrer Beschaffenheit ab."

Solche kritischen Einwände treten immer wieder verdichtet beim Vergleich der marxistischen Analyse mit der Psychoanalyse, als den herausragenden Theoriesystemen unserer Zeit, in Erscheinung. Marx wollte den äußeren, Freud den inneren Menschen befreien. Sind beide Denk-und Handlungsahsätze ohne den jeweils anderen möglich? Lassen sie sich verbinden? Sind sie unvereinbar? Ist die Entfremdung bei Marx ohne die Entpersönlichung bei Freud (und vice versa) denkbar? Ist die Zerstörung des Seelischen letztlich Folge sozioökonomischer Konstellation oder der gesellschaftliche Unterbau letztlich bedingt durch das Überich-Bewußtsein, das seinerseits dem archetypischen „Menschheitsdrama" zugehört und sich lediglich in unterschiedlicher historischer Form ausprägt?

Wenn Freud die „äußeren" Gründe seelischer Prozesse übersah, verkannte oder verdrängte — blieb ihm dann auch die sozialpsychologische Sprengkraft seiner individualpsychologisch entwickelten Kategorien fremd? Fehlt nicht Marx die Vorstellung der Internalisierung ebenso wie jedes andere Bewußtsein für psychische Prozesse? War er nicht blind dafür, daß materialistische Determiniertheit oft nur scheinbar, in Wirklichkeit Ausdruck seelischer Motorik oder seelenenergetischer Defizits ist? „Die Frage weitet sich, besonders unter dem Aspekt des Verhältnisses von historischem Materialismus und Psychoanalyse zu einer grundlegenden Kontroverse zweier Disziplinen aus, die sich nicht auf die Ambitionen einzelner Theoretiker reduzieren läßt. Vielmehr geht es um einen grundlegenden Sachverhalt: um den Primat sozioökonomischer oder psychischer Faktoren im Gesamtprozeß von Vergesellschaftung. Es geht um nichts geringeres als die Frage, ob Soziologie als angewandte Psychologie verstanden werden müsse, oder ob umgekehrt die Psychoanalyse als theoretische Disziplin im Rahmen einer umfassenden Theorie der Vergesellschaftung und der Konstitution von Gesellschaft zureichend bestimmt werden kann."

Sexpol — Der Versuch, Marxismus und Psychoanalyse zu analysieren

Die Diskussion über die Vereinbar-bzw. Unvereinbarkeit von Marxismus und Psychoanalyse — unter dem Kürzel „Sexpol": Sexualökonomie und Politik geführt — erstreckt sich über Jahrzehnte; sie erreichte in der Sexpol-Bewegung zwischen den beiden Weltkriegen ihren ersten Höhepunkt (mit dem Ziel, die verdinglichte, die konkreten Bedürfnisse der Massen verkennende Praxis der Kommunisten zu korrigieren) und in dem antiautoritären Aufstand der sechziger Jahre eine weitere Kulmination (hier als Vehikel linker Aufklärung mit praktisch-politischem Ziel verstanden)

Die Geschichte der Sexpol-Bewegung begann mit Erfahrungen an Wiener Sexualberatungsstellen in den Jahren 1926— 1930. Es entstand daraus die „Sozialistische Gesellschaft für Sexualberatung und -forschung in Wien" (1929/30). Ausgerichtet darauf, die „Sexualnot der Werktätigen" unter bürgerlicher Repression zu beseitigen, übte sie starke Kritik an der bürgerlichen Ehe als sexualideolögischer Institution; sie forderte die kostenlose Verteilung von Empfängnisverhütungsmitteln an Minderbemittelte, breite Propaganda der besten Geburtenregelungsmethoden, restlose Abschaffung des Abtreibungsparagraphen, umfassende Gewährung von Schwanger-Schaftsurlaub u. a. Die internationale Sexpol-Bewegung richtete ihren hoffnungsvollen Blick zunächst auf die gesellschaftspolitische Entwicklung in der Sowjetunion. In der Sexualpolitischen Plattform des „Deutschen Reichsverbandes für proletarische Sexualpolitik" 1931 hieß es z. B.: „Stellt man die innere Unfähigkeit des Kapitalismus, die Sexualfrage zu lösen, den enormen Fortschritten und Reformen der Sowjetunion gegenüber, so bleibt dem Sexualreformer, er mag politisch stehen wie er will, nichts anderes übrig, als sich auf den Boden der sowjetischen Sexualreform zu stellen. Das kann er nur unterlassen, wenn er entweder Tatsachen nicht sehen will, oder aber, wenn er sich dem Zwang des Kapitals unterwirft und opportunistisch wird."

In Rußland waren zwar bis 1927 alle wichtigen Arbeiten Sigmund Freuds übersetzt worden, doch wurde, je mehr die Revolution bürokratisch erstarrte, die Psychoanalyse zunehmend aus dem öffentlichen Bewußtsein, teilweise mit starker Polemik gegen Freud, verdrängt. Schon Lenin hatte Freuds Erkenntnisse eine „bürgerliche Grille" genannt, also den revolutionären Charakter der Psychoanalyse nicht erkannt. „Ich bin mißtrauisch gegen diese sexuellen Theorien der Artikel, Abhandlungen, Broschüren usw., kurz, gegen die Theorien jener spezifischen Literatur, die auf den Mistbeeten der bürgerlichen Gesellschaft üppig emporwächst. Ich bin mißtrauisch gegen jene, die stets nur auf die sexuelle Frage starren wie der indische Heilige auf seinen Nabel."

Als die stalinistische Reaktion den bürgerlichen Gesetzen wieder zur Geltung verhalf, im besonderen in bezug auf Familie, Erziehung, Heirat und Sexualmoral strenge Gebote einführte (was zur spezifischen Ausprägung der bolschewistischen „Roten-Plüsch-Mentalität" führte), war sie veranlaßt, die Beschäftigung mit den Theorien Freuds, die vor allem auch einen Schlüssel zur politischen Bedeutung der Sexualunterdrückung lieferten, zu verbieten

Im Lager der beiden Sexpol-Bewegungen lassen sich zwei stark voneinander abweichende Standorte feststellen:

— die radikalen Antifreudianer;

— die um Vermittlung zwischen Marxismus und Psychoanalyse bemühten „Gemäßigten" bzw. die marxistischen Freudianer, die die gesellschaftliche Dimension der Psychoanalyse von vorneherein als gegeben sehen.

Die Antiireudianer bejahen das Diktum von Karl Kraus, daß die Psychoanalyse die Krankheit sei, für deren Heilung sie sich halte — in dem Sinne nämlich, „daß die Psychoanalyse einen Mystifikationszusammenhang herstelle, der die bürgerliche Herrschaft und ihr Instrumentarium stabilisiere und die Anpassung an diese Herrschaft fördere. Sie bringe also keine Heilung der Anpassungsneurosen, sondern verstärke sie im Gegenteil" Für den Analytiker sei der Patient unmündig, nur Objekt der Behandlung Dieses Factum brutum gelte auch im übertragenen sozialpsychologischen Sinne. „Wie die meisten der kleinbürgerlichen Reformisten ist Freud nicht damit zufrieden, die Individuen an die bestehende Ordnung anzupassen, indem er sie so gesund und arbeitsfähig wie möglich macht; er geht sogar so weit, eine soziale Prophylaxe als Heilmittel für die augenblicklichen Schäden anzubieten, für — wie er sich ausdrückt — das . immense neurotische Elend, das über die Welt verbreitet ist'. Anders gesagt: Freud vollendet seine reformistische Demarche und schlägt konsequent vor, die Räder zu ölen, die das Individuum zermalmen." Eine radikal-linke Psychoanalyse müsse Freud vor sich selbst retten und die bürgerlich überlagerten Erkenntnisse Freuds für die proletarische Revolution wiederholen. Die „Anpassungsanstalt" für „falsche" gesellschaftliche Forderungen sei in eine Bewegung zu verwandeln, die das emanzipatorische Potential zu erwecken und für das „richtige" Bewußtsein einzusetzen vermöge.

Nach einem Besuch des Psychoanalytikers Igor A. Caruso in Brasilien schrieb eine Analysandin in ihrem Protokoll (und das Zitat kann die Sexpolkritik auch in Hinblick auf den europäischen Raum resümieren): „Ich fürchte, daß Caruso Brasilien verlassen wird, ohne bemerkt zu haben, welche mächtigen Kräfte in der brasilianischen Jugend verborgen sind. Er wird zu diesen Kräften keinen Zugang haben, weil er zu einer anderen Generation gehört . . . weil er mit seiner Wissenschaft nur jene Leute erreicht, die nicht in der Zukunft und in der sozialen Erneuerung engagiert sind"

Die „Vermittler“ betonen, daß die revolutionäre Methode Freuds eine Überwindung der herrschenden positivistischen und mechanistisch-materialistischen Ideologie bedeute und sein völlig neuer Versuch des Menschenverständnisses auch den Marxismus vor dogmatischer Unterbau-Überbau-Erstarrung zu bewahren vermöge Auch wenn das Gesellschaftliche weniger psychisch, sondern vielmehr das Psychische mehr gesellschaftlich zu erklären sei, so beachte Marx beim Gattungswesen Mensch dessen Seele zu wenig. Marx versuche nicht, Radikales oder Wesentliches in den psychoaffektiven Tiefen zu erkennen. „Folglich fehlt seinem Menschenbild: die Angst (ein Kardinalbegriff, der das moderne Denken durchzieht von Kierkegaard bis Freud und Heidegger), der Machtwille (immer implizit in der Marxschen Geschichtsinterpretation enthalten, niemals hervorgehoben), die Poesie, der Wahnsinn und das Mysterium."

Der Marxschen Betrachtungsweise des Menschen gehe entsprechend das Erstaunen über die Natur des Menschen ab — daß er nämlich eine Schimäre sei, nicht nur Produzent. „Der Mensch als Produzent sieht den genießenden, konsumierenden Menschen nur als verwirrten und entfremdeten Satelliten, desgleichen den homo ludens, den imaginativen oder mythologischen Menschen. Die Entfremdung, die Träume und Mythen entstehen läßt, wird als Verarmung begriffen; der Traum ist nichts weiter als Auflösung, niemals Wiederbelebung der Wirklichkeit. Entfremdung ist immer Abdrift, Abtreiben nach der gleichen Seite, niemals Austausch und Beteiligung. Sicherung von Macht und Entwicklung einer Technik erscheinen dem Marxschen Menschen immer als wahrer, authentischer und , wirklicher'als die Ekstase oder Verehrung."

Der Vorwurf gegen die Psychoanalyse, sie sei keine Gesellschaftstheorie, bedeute eine abstrakte Negation Werde nämlich das Subjekt — auch in Gestalt seiner ebenso biologisch wie gesellschaftlich vermittelten Zerstörtheit — über seine gesellschaftliche Vermittlung hinaus nicht zugleich auch als eigenständig, sondern nur als eine in dieser gesellschaftlichen Vermittlung aufgehende Größe betrachtet, gehe daraus praktisch eine Form theoretisch sanktionierter Unmenschlichkeit hervor. „Die Frage nun, was , vorher'da war, die ökonomische Entfremdung oder die anthropologische, ist eine Scheinfrage, denn die Wechselbeziehungen zwischen der endogenen psychischen Organisation des Menschen und seiner Ökonomie (im Unterschied zur bloßen Ökologie der Tiere!) sind wesentliche Kennzeichen seiner Gattung .. . Statt einen Gegensatz zwischen der historisch-materialistischen und der psychoanalytischen Erkenntnis dogmatisch zu behaupten, sollte man gerade an dieser Überschneidungsfläche die tiefe Verwandtschaft beider anthropologischen Entwürfe suchen. Freilich scheint (und vielleicht eben nur . scheint', mangels befriedigender Massenuntersuchungen) der Konflikt zwischen libidinösen Strebungen und sozialen Forderungen für den neokapitalistischen Bourgeois typischer zu sein als der Konflikt zwischen Hunger und Besitz, der vor allem das Los des Menschen in der unterentwickelten Welt sein könnte. Manche Daten aber sprechen dafür, daß diese Gegensätzlichkeit mehr in aprioristischen Erwartungen existiert als in der Wirklichkeit, weil alle zwischenmenschlichen Beziehungen, also auch die erotischen, an der wirtschaftlich-sozialen Repression schwer verkümmern. Jedenfalls berechtigt uns nichts zu der pauschalen Behauptung, die Bewohner der südamerikanischen Elendsguartiere seien weniger neurotisch als der österreichische Kleinbürger; wahr ist jedoch, daß man, bevor man in die Elendsguartiere psychoanalytische (oder andere) Missionare aussendet, für menschliche Lebensbedingungen sorgen muß. Soziale Umwälzungen und psychoanalytische Therapie können sich tatsächlich in gewissen sozialen Lagen ausschließen, doch sind sie beide Notwendigkeiten unserer Zeit, die durch die Entfremdung der menschlichen Person durch das herrschende System bedingt werden. Die Entfremdung — ob nur ökonomisch bedingt oder darüber hinaus auch anthropologisch — ist ein spezifisch humanes Merkmal, das mit der Unmöglichkeit der harmonischen Triebentwicklung durch Befriedigung des Bedürfnisses und noch mehr des Wunsches des schon bei seiner Geburt abhängigen Menschen einhergeht."

Wege der Neo-Psychoanalyse

Politische Psychologie, die sich nicht in fruchtlosen Antagonismen festlaufen will, müßte sowohl den dogmatischen Freudianismus als auch den dogmatischen Marxismus transzendieren, sich als „Prozeß" begreifen. In diesem Sinne zielt die „Neo-Psychoanalyse" auf eine Weiterentwicklung der Lehre Freuds, dessen bürgerliche Begrenzungen überwunden und dessen Erkenntnisse — teilweise (je nach „Schüler" oder „Schule") — mit marxistischem Denken verknüpft werden sollen Einer der ersten „Abweichler" von der Bahn der orthodoxen Psychoanalyse war Alfred Adler, der bei seinem Bruch mit Freud 1911 im Rahmen seiner „Individualpsychologie"

um einen, wenn auch nur andeutungsweise entwickelten Sozialhumanismus sich bemühte. Vor allem seine Lehre von den Minderwertigkeitsgefühlen, die als Folge unzulänglicher Erziehung in der gegenwärtigen Kultur neurotische Fehlentwicklungen (mit Macht-wahn als Kompensationserscheinung) bewirkten, wurde der Schlüssel für viele politische und sozialpsychologische Phänomene — etwa die Störungen des Gemeinschaftsgefühls oder autoritäre bzw. totalitäre Herrschaftsausübung betreffend

C. G. Jung ist im Zusammenhang politischer Psychologie nur am Rande zu erwähnen, da sein von Freud sich abhebender Denkansatz, im Seelischen einen ganzheitlich, polar geordneten Organismus mit mythischer bzw. archetypischer Bedeutungstiefe zu sehen und damit den Freudschen Sexualismus zu relativieren, bewußt oder unbewußt „unpolitisch" angelegt war. Jung interessierte sich mehr „für den einzelnen Menschen als für Politik im großen ganzen" Nicht aus der Rationalität, sondern gerade im Gegenteil: aus der „Einkehr zu den inneren irrationalen und schöpferischen Impulsen des Unbewußten" erhoffte er sich Rettung für den Massenmenschen der Zeit. „Im Brennpunkt dieser Wandlung steht ein neues archetypisches Menschenbild, das aus dem kollektiven Unbewußten aufsteigt, ein Symbol, welches das innerste Selbst des einzelnen mit dem der ganzen Menschheit zu vereinen glaubt, ein neues Anthroposbild."

Für die politische Psychologie ist jedoch von Wichtigkeit, daß Jung mit aller Deutlichkeit herauszustellen sucht, daß die Gesellschaft und der Staat von der geistigen-seelischen Verfassung derjenigen abhingen, aus denen sie sich zusammensetzten. Wenn in der Welt Verwirrung und Unordnung herrschten, dann müsse das, wie er sagt, „einen ähnlichen Zustand im Geist des Individuums widerspiegeln". Auch wenn das Individuum oft bewußt das Gefühl haben mag, daß es mehr oder weniger bedeutungslos und das Opfer unkontrollierbarer Kräfte sei, so „hat es einen gefährlichen Schatten und Gegenspieler in sich, der als unsichtbarer Helfer in die finsteren Machenschaften der politischen Ungeheuer verwickelt ist"

Das Individualpsychologische, auf das Freud seine Sozialpsychologie zurückführte, müsse freilich stets im Gattungswesen Mensch, im Archetypischen, verankert bleiben. Es sei nicht beweisbar, daß Leben und Welt rational seien. „Wir haben im Gegenteil begründete Vermutung, daß sie auch irrational sind, mit anderen Worten, daß sie in letzter Linie auch jenseits von menschlicher Vernunft begründet sind. . . Darum gelten die Ratio und der in ihr begründete Wille nur eine kurze Strekke."

Die primitiven Instinkte des Menschen seien dabei noch immer mächtig und drückend („äußerlich ist man quasi ein Kulturmensch und innerlich ein Primitiver") sie würden, wenn nicht durch Gesetz und Autorität in Schranken gehalten, das Individuum und die Gesellschaft schnell vernichten. In Jungs Augen sind jedoch Autorität und Gesetz auch innere Bedürfnisse der Psyche, die sich aus den Mustern und Ansprüchen ergeben, die diese ererbt hat.

Wilhelm Reichs Bemühen zielte auf eine neue universale Gesellschaftskritik. „Ich möchte ausdrücklich betonen, daß die Sexualökonomie kein Additionsprodukt aus Marxismus und Psychoanalyse ist." Die Sexualökono-mie als „dialektisch-materialistische Lehre von der Sexualität und ihrem Grundgesetz" (mit einer Orgasmuslehre im Mittelpunkt) hat freilich den Marxismus zum Vater und die Psychoanalyse zur Mutter.

Reich will im Rahmen seiner politischen Psychologie im besonderen die Beziehungen zwischen Charakter und Gesellschaft aufweisen: „Im größeren Zusammenhang der Frage nach der soziologischen Funktion der Charakterbildung müssen wir unser Interesse auf den zwar bekannten, aber in seinen Details noch wenig durchschauten Tatbestand richten, daß bestimmten gesellschaftlichen Ordnungen bestimmte durchschnittliche Strukturen der Menschen zugeordnet sind, oder anders ausgedrückt, daß jede Gesellschaftsordnung sich diejenigen Charaktere schafft, die sie zu ihrem Bestand benötigt. In der Klassengesellschaft ist sie die jeweils herrschende Klasse, die mit Hilfe der Erziehung und der Familien-situation ihre Position sichert, indem sie ihre Ideologien zu den herrschenden Ideologien aller Gesellschaftsmitglieder macht. Es bleibt aber nicht nur bei der Durchsetzung der Ideologien in allen Mitgliedern der Gesellschaft. Es handelt sich nicht um ein Übertünchen mit Einstellungen und Anschauungen, sondern um einen tiefgreifenden Prozeß jeder heranwachsenden Generation dieser Gesellschaft, um eine der Gesellschaftsordnung entsprechende Abänderung und Bildung psychischer Strukturen, und dies in allen Schichten der Bevölkerung." Da die unfreie repressive Gesellschaft die Entfaltung des genitalen, d. h. auf.sexuelle Entfaltung gerichteten Charakters verhindere, ergebe sich eine Deformation des Menschen, der in der kapitalistischen Kultur nur die Wahl zwischen starker Aggression und Selbsterniedrigung habe. Psychoanalyse böte die Möglichkeit von Ideologiekritik, da sie, kraft ihrer Methode, in der Lage sei, die triebhaften Wurzeln der gesellschaftlichen Tätigkeit der Individuen aufzudecken, und kraft ihrer dialektischen Trieb-lehre berufen sei, „die psychische Auswirkung der Produktivkräfte im Individuum, das heißt die Bildung der Ideologien im Menschenkopfe im Detail zu klären"

Die Neo-Psychoanalyse beanstandet am Menschenbild Freuds, daß dieser im Menschen von Natur aus ein bösartiges Wesen sehe; bei ihm sei das Leben ein erbarmungsloser Kampf aller gegen alle; die Frau dem Mann gegenüber minderwertig. Freud stelle fest: Kriege habe es immer gegeben; Triebe müßten unterdrückt, kontrolliert und bezwungen werden; das Wesentliche am Menschen werde mit seiner Anlage (in der Konstitution) bereits vorgegeben, das Leben von dunklen, unbegreifbaren Mächten gelenkt; eine Welt der Freiheit, der gegenseitigen Hilfe und der Solidarität erweise sich als Illusion; die Geschichte werde von großen Männern gemacht.

Andere Kulturen jedoch — die Neo-Psychoanalyse orientiert sich dabei an ethnischen Sudien, etwa von Margaret Mead und Ruth Benedict — zeigten einen ganz anderen Ausgang des ödipalen Konflikts: er werde dort gelöst durch Kommunikation, gerechte Güterverteilung, zwangfreie Herrschaft (vor allem unter dem Einfluß mütterlicher Herrschaft), Aggression ohne Gewalt.

Der Freudsche Determinismus sei Teil einer kapitalistischen bzw. spätkapitalistischen Gesellschaft, die „versteinerte Verhältnisse" benötige, um Herrschaft (die eigene nämlich) „unangreifbar" zu machen, d. h. durch die „Tabuisierung sogenannter Naturgesetzlichkeit" abzusichern. Die Neo-Psychoanalyse versucht, mit Hilfe der Ethnopsychologie sich die Freiheit revolutionären Denkens und Handelns zurückzugewinnen, die „Starrheit" des bourgeoisen kulturpessimistisch-determinierten Denkens in die Beweglichkeit eines (auf nicht-kapitalistische Kulturen und Gesellschaften sich beziehenden) Optimismus umschlagen zu lassen. „Unser Ansatz spaltet den überbau gleichsam in zwei Teile: den einen, den Inhalt bewußter und unbewußter Ziele, Normen und Ideale mögen wir als über-bau der Produktions-und der daraus resultierenden Herrschafts-Verhältnisse gelten lassen. Den anderen, den dynamisch wirksamen, genetisch ableitbaren, sozietätsspezifischen Teil des Überbaus werfen wir in den Strudel der Spirale, erkennen ihm im dialektischen Gang der Entwicklung den Rang eines Agens und Reagens zu."

Erich Fromm hält Karl Marx für einen tieferen und vielschichtigeren Denker als Sigmund Freud. Marx sei fähig gewesen, „ein geistiges Erbe des Aufklärungshumanismus und des deutschen Idealismus mit der Realität wirtschaftlicher und sozialer Tatsachen zu verbinden und damit die Fundamente für eine neue Wissenschaft vom Menschen und von der Gesellschaft zu legen, die empirisch und gleichzeitig vom Geist der westlichen humanistischen Tradition erfüllt ist." Doch wäre es naiv, Freuds Bedeutung zu ignorieren, weil er nicht die Höhen eines Marx erreichte. „Er ist der Gründer einer wahrhaft wissenschaftlichen Psychologie und seine Entdeckung unbewußter Prozesse und der dynamischen Natur charakterlicher Züge ist ein einzigartiger Beitrag zur Wissenschaft vom Menschen, die für alle künftige Zeit das Bild vom Menschen verändert hat."

So verschieden sie in ihrem „Psychogramm" auch waren — vereint habe sie der unnachgiebige Wille zur Befreiung des Menschen, der unbeugsame Glaube an die Wahrheit als dem Werkzeug solcher Befreiung und die Ansicht, daß die Bedingung für die Befreiung in der Fähigkeit des Menschen läge, die Ketten der Illusion zu zerbrechen.

Der gemeinsame Boden, dem das Denken von Marx und Freud entstammte, könne durch drei kurze Sätze ausgedrückt werden (wovon die beiden ersten von Marx als seine Lieblingsmaximen bezeichnet wurden): „ 1. De Omnibus est dubitandum (An allem ist zu zweifeln). 2. Nihil humanum a mihi alienum puto (Nichts Menschliches ist mir fremd). 3. Und die Wahrheit wird euch freimachen. Der erste Ausspruch bringt zum Ausdruck, was man , die kritische Stimmung" nennen könnte. Diese Stimmung ist für die moderne Wissenschaft charakteristisch. Aber während der Zweifel in den Naturwissenschaften hauptsächlich auf das Zeugnis der Sinne, des Hörensagens und der überlieferten Meinungen geht, bezieht sich der Zweifel im Denken von Marx und Freud besonders auf die Gedanken, die der Mensch von sich selbst und von anderen hegt... Er glaubte, daß unsere individuellen Gedanken nach den von einer jeweiligen Gesellschaft entwickelten Ideen geformt sind und diese Ideen durch die besondere Struktur und Funktionsweise der Gesellschaft be-stimmt werden. Eine wachsame, skeptische, zweiflerische Einstellung zu allen Ideologien, Ideen und Idealen ist für Marx charakteristisch. Er verdächtigt sie immer, daß sie wirtschaftliche und soziale Interessen verschleierten, und sein Skeptizismus war so stark, daß er es kaum je fertigbrachte, Worte wie Freiheit, Wahrheit, Gerechtigkeit zu benutzen — eben um der Tatsache willen, daß sie so leicht zu mißbrauchen sind, und nicht, weil Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrheit nicht die höchsten Werte für ihn waren."

Freud habe in derselben „kritischen Stimmung" gedacht. Seine ganze psychoanalytische Methode könne man als die Kunst des Zweifelns beschreiben. Beeindruckt von gewissen hypnotischen Experimenten, die zeigten, in welchem Umfang eine Person im Trancezustand an die Wirklichkeit des offenkundig Unwirklichen glauben könne, entdeckte er, daß die meisten Ideen von Personen, die sich nicht im Zustand der Trance befänden, ebenfalls nicht der Wirklichkeit entsprächen, und daß andererseits der größte Teil des Wirklichen nicht bewußt sei.. Marx hielt die gesellschaftlich-wirtschaftliche Struktur einer Gesellschaft für die Grundwirklichkeit, während Freud diese in der Libido-Organisation des Individuums erblickte. Aber beide hatten sie dasselbe unversöhnliche Mißtrauen gegenüber den Klischees, Ideen, Rationalisierungen und Ideologien, die in den Köpfen der Menschen steckten und die Grundlage dessen bildeten, was diese fälschlich für Realität hielten. „Dieser Skeptizismus gegenüber dem . gewöhnlichen Denken'ist unlösbar mit einem Glauben an die befreiende Kraft der Wahrheit verbunden. Marx wollte den Menschen von den Ketten der Abhängigkeit, der Entfremdung, der Versklavung an die Wirtschaft befreien. Was war seine Methode? Nicht, wie weithin geglaubt wird, Gewalt. Er wollte die Geister der Mehrheit der Menschen gewinnen. Er wollte nicht mit Hilfe demagogischer Überredung, indem er halbhypnotische Zustände erzeugte, hinter denen die Furcht vor dem Terror stand, sondern durch einen Appell an den Realitätssinn, durch die Wahrheit Einfluß ausüben. Die der . Waffe der Wahrheit'zugrunde liegende Annahme ist bei Marx dieselbe wie bei Freud: daß der Mensch mit Illusionen lebt, weil diese Illusionen das Elend des wirklichen Lebens ertragbar machen. Wenn er die Illusionen durchschauen kann, das heißt, wenn er aus seinem Zustand des Halbtraumes erwacht, kann er zu Ver-stand kommen, seiner eigenen Kräfte und Fähigkeiten bewußt werden und die Wirklichkeit auf eine solche Weise verändern, daß Illusionen nicht mehr notwendig sind. Das . falsche Bewußtsein', daß heißt, das entstellte Bild der Wirklichkeit, schwächt den Menschen. Befindet er sich in Berührung mit der Realität, hat er ein entsprechendes Bild von ihr, wird er stärker. Daher glaubte Marx, daß seine wichtigste Waffe die Wahrheit war, die Enthüllung der Wirklichkeit hinter den Illusionen und Ideologien, die sie verdecken.

Während die Wahrheit für Marx eine Waffe zur Herbeiführung einer gesellschaftlichen Veränderung war, diente sie Freud als Watfe zur Herbeiführung einer individuellen Veränderung; Bewußtheit war in Freuds Therapie das Hauptmittel. Wenn, nach Freud, der Patient in den fiktiven Charakter seiner bewußten Ideen Einsicht gewinnen kann, wenn er die Realität hinter diesen Ideen begreifen kann, wenn er das Unbewußte bewußt machen kann, wird er die Kraft gewinnen, sich von seinen irrationalen Haltungen zu befreien und sich zu wandeln. Freuds Ziel , Wo ES war, soll ICH sein'läßt sich nur durch die Bemühung der Vernunft lösen, die Fiktionen zu durchdringen und sich der Realität bewußt zu werden. Es ist genau diese Funktion von Vernunft und Wahrheit, die der psychoanalytischen Therapie ihre einzigartige Note unter allen Behandlungsweisen verleiht. Jede Analyse eines Patienten ist ein neues und originelles Forschungsabenteuer. Obgleich es natürlich stimmt, daß es allgemeine Theorien und Grundsätze gibt, die sich anwenden lassen, gibt es kein Modell, keine , Formel', die sich auf den einzelnen Patienten anwenden ließe oder ihm, wenn angewandt, von Nutzen wäre. Genauso wie für Marx der politische Führer Sozialwissenschaftler sein muß, muß für Freud der Therapeut ein Wissenschaftler sein, der Forschungsarbeit zu leisten vermag. Für beide ist Wahrheit das wesentliche Mittel zur Umwandlung der Gesellschaft beziehungsweise des Individuums; Bewußtheit ist der Schlüssel zur sozialen und individuellen Therapie. Die von Marx getroffene Feststellung Die Forderung, die Illusion über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf, hätte auch von Freud getroffen werden können. Beide wollten den Menschen von den Ketten seiner Illusionen befreien, um ihm die Möglichkeit zu geben, aufzuwachen und als freier Mensch zu handeln."

Das dritte, beiden Systemen gemeinsame Hauptelement, sei ihr Humanismus. Humanismus in dem Sinn, daß jeder Mensch die gesamte Menschheit repräsentiere; daraus folge, daß ihm nichts Menschliches fremd sein könne. Marx wurzle in dieser Tradition, für die Voltaire, Lessing, Herder, Hegel und Goethe einige der hervorragendsten Vertreter seien. Freud habe seinen Humanismus hauptsächlich in seiner Konzeption vom Unbewußten zum Ausdruck gebracht. „Er nahm an, daß alle Menschen dieselben unbewußten Bestrebungen teilten und sie einander daher verstehen könnten, wenn sie einmal wagten, in die Unterwelt des Unbewußten zu tauchen. So konnte er die unbewußten Phantasien seiner Patienten ohne Empörung, Richterlichkeit oder Überraschung untersuchen. Der . Stoff, aus dem Träume gemacht sind', aber auch die ganze Welt des Unbewußten, wurde genau deshalb Unterschungsobjekt, weil Freud ihre tief menschlichen und universalen Eigenschaften erkannte."

In Erich Fromms Denken spielt der Begriff des „Sozialcharakters" eine wichtige Rolle; er versteht darunter die gemeinsame Grundhaltung und -einstellung ganzer Gesellschaftsschichten, die durch den Kulturprozeß zustande kommen. Der individuelle Charakter sei nur eine persönliche Ausgestaltung des sozialen: Ähnliche Lebensbedingungen und spezifische Formungen, die von ökonomischen, politischen und allgemein-kulturellen Einflüssen ausgingen, erzeugten mit Nachdruck eine Abwandlung der menschlichen Natur, die als feste Struktur importiert und für kollektiv-psychologische Burteilungen als gültige Konstante eingesetzt werden könne. Während die Psychoanalyse den individuellen Charakter in seinen Gründen und Abgründen deute, müsse die Sozio-Psychoanalyse in Übernahme und Weiterentwicklung der individualpsychologischen Kategorien den Sozialcharakter beschreiben und verständlich machen. „Sozialcharakter" sei ein weiterer gemeinsamer Nenner, der das Marxsche und das Freudsche Denken integriere. Kulturen und Ideologien wurzelten im allgemeinen im Gesellschaftscharakter. Fromm nimmt an, „daß der Gesellschaftscharakter durch den Existenzmodus der betreffenden Gesellschaft geformt ist; daß seine dominierenden Charakterzüge zu produzierenden Kräften werden und formend auf den Gesellschaftsprozeß einwirken. .. Ökonomische Kräfte sind stark und wirksam, doch müssen wir sie als objektive Voraussetzungen, nicht als psychologische Begründungen betrachten. Psychologische Kräfte sind stark und wirksam, aber wir müssen sie in ihrer historischen Bedingtheit erkennen. Ideen sind stark und wirksam, doch muß man sehen, wie sie im ge-samten Charakter der Gruppenmitglieder -wurzeln. Trotz der wechselseitigen Abhängigkeit wirtschaftlicher, psychologischer und ideologischer Kräfte besitzt doch jede derselben auch eine gewisse Unabhängigkeit. Dies gilt vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung, die von objektiven Faktoren wie Technik, Rohstoffen, geographischer Lage abhängig, sich in weitem Umfang nach eigenen Gesetzen vollzieht. Die psychologischen Kräfte werden zwar von den äußeren Lebensbedingungen geformt, aber auch sie haben einen, nur ihnen eigenen Dynamismus; das heißt: sie sind Ausdruck menschlicher Bedürfnisse, die zwar umzuformen, aber nicht auszutreiben sind. In der ideologischen Sphäre finden wir eine ähnliche Autonomie; sie beruht auf den Gesetzen der Logik und dem im Verlauf der Menschheitsgeschichte erworbenen Wissen."

Der Sozialcharakter resultiere aus der dynamischen Anpassung der Menschennatur an die betreffende Gesellschaftsordnung; Veränderungen in der Gesellschaftslage hätten auch Veränderungen im Sozialcharakter zur Folge, und das bedeute neue Bedürfnisse, neue Besorgnisse. Neue Ideen erwachsen aus neuen Bedürfnissen; sie sind gewissermaßen die Abstraktionen dessen, was der Mensch — inmitten einer bestimmten gesellschaftlichen Situation — erwartet, erträumt, ersehnt; umgekehrt bewirkten die Ideen eine Verfestigung des weiter entwickelten Sozialcharakters sowie eine „Verstärkung" entsprechenden Handelns. „Charakter" ist also nicht nur das Produkt passiver Anpassung, sondern auch das Ergebnis übergreifenden, weiterwirkenden Denkens; solches Denken wiederum beeinflußt die Ausprägung des Sozialcharakters und die jeweils historisch in Erscheinung tretende Menschennatur.

In Fromms Theorie wird genauso das „überbaudenken" Freuds (daß nämlich das Bewußtsein bzw. Unterbewußtsein das menschliche Handeln und damit sein gesellschaftliches So-Sein bedinge) legitimiert wie die UnterbauÜberbau-Relation von Karl Marx (der, zumindest im überwiegenden Teil seines Werkes, der Gestaltung des Bewußtseins durch das Sein, d. h. durch die sozio-ökonomischen Gegebenheiten, eine dominante Bedeutung einräumte); die aus der Introspektion erwachsende revolutionäre Gesinnung genauso gerechtfertigt. wie die Sprengkraft gesellschaftlich-ökonomisch begründeter Befreiung; beide seien aufeinander angewiesen, verstärkten sich gegenseitig. Emanzipation bedeute, da der Mensch ein Geschöpf der Natur und der Gesellschaft sei, sowohl die Loslösung von den Repressionen „natürlicher" wie sozialer Art; der emanzipierte Mensch ist weder ans Gängelband seiner Triebe gebunden, die er mit Hilfe seiner Vernunft „durchschaut" und sublimiert, noch politisch-sozialer Gewalt unterworfen, da er diese, evtl, revolutionär, zu beseitigen, zu überwinden vermag. Zur Freiheit erwacht, sei der Mensch im Stande, vom biologischen wie gesellschaftlichen Umfeld sich abzuheben und dann, aus der Vereinzelung wie aus der Erfahrung der Angst heraus, zu sich selbst und zur Gemeinschaft zu finden. Damit aber zeichne sich auch die Gefahr ab, , daß der Mensch, in die Angst wie ins identitätslose Massen-Dasein „geworfen", sich Ideologien und darauf gründenden totalitären Bewegungen überantwortet. Fromm hat im besonderen den Sozialcharakter des Kleinbürgertums beschrieben, das durch eine reflexionslose Verehrung der Autorität und durch hybride Verachtung weiter unten stehender Volksschichten charakterisiert sei.

Die autoritäre Persönlichkeit und die Überwindung des Destruktionsprinzips

Auch Th. W. Adorno (der zusammen mit E. Frenkel-Brunswik, D. J. Levinson, R. N. San-ford die „autoritäre Persönlichkeit" analysierte) fußte auf der Beobachtung kleinbürgerlicher Charakterstrukturen; empirische Befunde ergaben ein Mentalitätsprofil, das zwar vor allem in der historischen Erscheinung des Faschismus zutage trat, aber darüber hinaus als latente Gefahr generell, nicht zuletzt in der westlich-demokratischen Gesellschaft, wenn sie kapitalistisch organisiert war, drohte. Das faschistische Syndrom setze sich aus folgenden Elementen zusammen: — Konventionalismus; das starre Gebunden-sein an die Werte mittelständischer Konvention, vor allem bürgerlicher Moral;

— autoritäre Untertänigkeit; unkritisches Verhalten gegenüber idealisierten moralischen Autoritäten der Eigengruppe; — aggressive Autoritätssucht; die Tendenz, überall Leute festzustellen, die konventionelle Werte verletzen, um sich über sie zu erregen, sie verurteilen und bestrafen zu können (das triebgeladene Es „entleiht" sich vom Über-Ich die hierfür notwendigen Moralschemata und entlastet sich, indem es als strenger Sittenrichter agiert und hohe Sozialwertigkeit sich suggeriert);

— Aberglaube und Stereotypie; der Glaube an das Bestimmtwerden des Einzelschicksals durch geheimnisvolle Mächte; das Disponiertsein des Ich zu einem Denken in starren Kategorien, das die Zuflucht zu phantastischen Erklärungen von ihm unlösbar erscheinenden Problemen nimmt;

— Macht und Robustheit; die Identifikation mit Figuren, die Stärke repräsentieren und die ihre Härte und Brutalität übertrieben zur Schau stellen;

— Destruktivität und Zynismus; eine verallgemeinerte Feindeinstellung; Verächtlichmachung des Menschen; Aggressivität, die sich, häufig kulturell, kaschiert;

— Projektion; die Übertragung unbewußter Triebimpulse auf die Außenwelt, die dort verurteilt werden — als Mittel, Es-Triebe ich-fremd zu erleben; auf besonders harte Bestrafung bei der Verletzung des Sexualkodes ausgerichtet, um so den eigenen sexuellen Neigungen, die vom Ich nicht akzeptiert, sondern verdrängt (bzw. beunruhigend erlebt) werden, in der Verfolgung des „Außenseiters" (Sündenbocks) doch noch nachgehen zu können

Insgesamt kann man feststellen, daß dem neopsychoanalytischen Denken die Beschreibung der psychopathologischen Misere unserer Zeit und Gesellschaft meist besser gelingt als die Vision einer repressions-und gewalt-freien Zukunft. Die Vorstellungen von einer Kultur ohne Unterdrückung, auf eine völlig andersartige Gesellschaftsstruktur und auf revolutionierte Beziehungen zwischen den Menschen untereinander und der Menschen zur Natur abzielend, wollte man in Auseinandersetzung mit Sigmund Freud entwickeln; verfiel dabei aber immer wieder selbst dessen wirklichem oder einem ihm unterstellten Kulturpessimismus.

Herbert Marcuse hat sich deshalb mit Nachdruck von den neofreudianischen Schulen distanziert; hätten diese doch den sogenannten Freudschen Biologismus, der in Wirklichkeit eine Gesellschaftstheorie mit Tiefendimension sei, unzulässig verflacht. Die neopsychoanalytische Kritik sei eine im strengen Sinne ideologische: sie verfüge über keine begriffliche Grundlage außerhalb des herrschenden Systems; die meisten ihrer kritischen Ideen und Werte stammten aus diesem System selbst. Idealistische Moral und Religion feierten glückliche Wiederauferstehung. Th. W. Adorno spricht davon, daß die neopsychoanalytische Kritik an Freud gerade mit dem Vokabular aufgetreten sei, das sie ursprünglich bekämpfen wollte; während sie Freud Anpassung an bourgeoise Mentalität vorgeworfen habe und dabei den in seiner Individualpsychologie gegebenen revolutionären Denkansatz für sozialpsychologische Phänomene übersah, „kann sie selbst ihre Identität mit den offiziell erwünschten und propagierten Handlungen nur schlecht verbergen"

Der Freudsche Skeptizismus, seine Auffassung von Glück und Freiheit, die eminent kritisch gewesen sei, protestiere gegen die Vergeistigung der Not. Die Neofreudianer würden diese innere Richtung von Freuds Theorie umkehren, indem sie die Betonung vom Organismus auf die Persönlichkeit, von den materiellen Grundlagen auf die ideellen Werte verlegten. Doch nur wer am materialistischen Weltbild Freuds anknüpfe, könne die reale Veränderung der Welt bewirken.

Nach einem Wort von James Joyce hat man allzu lange die Sterne studiert und die menschlichen „Eingeweide" vernachlässigt.

„Glückseligkeit" ist aber nicht ohne Realitätsprinzip — also nicht ohne Zuwendung zur Wirklichkeit (einschließlich der „Dreckarbeit der Reform") möglich; doch müßte es — damit das Fortschreiten zum Fortschritt wird — ein neues Realitätsprinzip sein. Marcuse spricht von der Notwendigkeit „libidinöser Moral", also einer Moral, die das Gute gerne tut, und nicht nur, weil es durch gesellschaftliche Normen und Tabus, Restriktionen und Repressionen erzwungen wird; dabei verknüpft er den marxistischen Freiheitsbegriff und den Freiheitsbegriff Freuds mit dem Schillerschen „Spieltrieb". Frei müsse der Mensch sein — von sozioökonomischen Zwängen; — von der sein Bewußtsein „besetzt" haltenden Triebdynamik;

— von niederziehender Schwerkraft. Für Marcuse hat Schiller, in Nachfolge Kants, Stofflichkeit und „Formalität" mit Hilfe des ästhetischen Prinzips „vermählt"; nach Schiller muß beim Menschen noch in seinem Leiden dessen Selbsttätigkeit, noch innerhalb seiner sinnlichen Schranken seine Vernunftfreiheit beginnen. Seinen Neigungen muß er das Gesetz seines Willens auflegen; er hat den „Krieg gegen die Materie" in ihren eignen Grenzen zu spielen, damit er überhoben sei, auf dem heiligen Boden der Freiheit gegen diesen furchtbaren Feind zu fechten; er muß lernen, edler zu begehren, damit er nicht nötig hat, erhaben sein zu wollen. Dies werde geleistet durch ästhetische Kultur, die durch die Form, die sie dem äußeren Leben gibt, das innere „eröffnet". In seinem physischen Zustand erleide der Mensch bloß die Macht der Natur, er entledige sich dieser Macht, in dem ästhetischen Zustand, und er beherrsche sie in dem moralischen.

Thanatos, der Todestrieb, könne ausgeschaltet werden (meint Marcuse), wenn seine Überwindung ihre Motivation nicht aus einem idealistischen Himmel abzuleiten versuche, sondern aus politischer und gesellschaftlicher Wirklichkeit bezöge. Bislang seien die „verlorenen Paradiese" die einzig wahren Paradiese gewesen, weil einzig die Erinnerung die Freude ohne Angst vor ihrem Schwinden verschaffe und ihr damit eine sonst unmögliche ). verleihe Solche „Erinnerung" müsse umgesetzt werden in das futurische Bemühen, Lust ohne Reue zu vermitteln, den Tag-traum nicht mehr zur Beute der Betrüger werden zu lassen. Die dazu notwendige „Erotisierung" des Daseins schließe ein: die Abschafhing von Mühsal, die Überwindung von Krankheiten und Verfall, die Beschaffung und gerechte Verteilung von Luxus; die Verminderung der Arbeitszeit, und die Humanisierung der Arbeitsweisen; Abbau überflüssiger Herrschafts-und Unterdrückungsmechanismen; Geburtenkontrolle und damit Bevölkerungsbegrenzung; Befreiung der Phantasie;

Achtung (Beachtung) der Natur im Sinne ökologischer Vernunft; Lebensverhältnisse, die Ordnung ohne Unterdrückung, Freiheit ohne Schuldgefühle und Angst, ermöglichten; ferner Ruhe, Nachsicht, Einsicht, Sinnlichkeit, Spiel.

„In diesem Kampf könnten sich Vernunft und Trieb verbünden. Unter wirklich menschlichen Daseinsbedingungen könnte der Unterschied zwischen einem Tod durch Krankheit mit zehn, dreißig, fünfzig oder siebzig Jahren oder einem . natürlichen'Ende nach einem erfüllten Leben wirklich ein Unterschied sein, der einen Kampf mit aller Triebenergie lohnte. Nicht die, die sterben, stellen die große Anklage gegen unsere Kultur dar, aber die, die sterben, ehe sie müssen und wollen, die, die in Todesqual und Schmerzen starben. Sie sind auch die Zeugen für die untilgbare Schuld der Menschheit. Ihr Tod erweckt das schmerzliche Bewußtsein, daß er unnötig war, daß es anders hätte sein können. Es bedarf aller Einrichtungen und Werke einer repressiven Ordnung, um das schlechte Gewissen über diese Schuld zur Ruhe zu bringen. Wieder wird die tiefe Bindung zwischen Todes-trieb und Schuldgefühl deutlich. Die stillschweigende . ärztliche Zustimmung'zu der Tatsache von Tod und Krankheit ist vielleicht der verbreitetste Ausdruck des Todestriebs — oder besser, seiner sozialen Brauchbarkeit. In einer repressiven Kultur wird der Tod selbst zu einem Instrument der Unterdrückung. Ob der Tod nun als ständige Bedrohung gefürchtet wird, ob er als höchstes Opfer verherrlicht, oder als Tatsache hingenommen wird, immer bringt die Erziehung zur Zustimmung zum Tod von Anfang an ein Element der Unterwerfung ins Leben — der Unterwerfung und der Preisgabe. Diese Erziehung erstickt alle als . utopisch'verworfenen Anstrengungen. Die herrschenden Mächte haben eine tiefe Atfinität zum Tode; der Tod ist ein Wahrzeichen der Unfreiheit, der Niederlage. Die Theologie und die Philosophie liegen heute in einem Wettstreit um die Verherrlichung des Todes als existentieller Kategorie; indem sie eine biologische Tatsache in eine ontologische Wesenheit verkehren, erteilen sie der Schuld der Menschheit, die sie zu vertuschen helfen, ihren transzendentalen Segen — sie verraten das Versprechen der Utopie. Eine Philosophie hingegen, die nicht als Handlangerin der Unterdrückung arbeitet, reagiert auf die Tatsache des Todes mit der . Großen Verweigerung'— der Weigerung Orpheus', des Befreiers. Der Tod kann zum Wahrzeichen der Freiheit werden. Die Unvermeidlichkeit des Todes widerlegt nicht die Möglichkeit einer schließlichen Befreiung. Gleich den anderen Notwendigkeiten kann er vernünftig gestaltet werden — schmerzlos. Die Menschen können ohne Angst sterben, wenn sie wissen, daß das, was sie lieben, vor Elend und Vergessen bewahrt ist. Nach einem erfüllten Leben können sie es auf sich nehmen, zu sterben — zu einem Zeitpunkt ihrer eigenen Wahl. Aber selbst der endliche Anbruch der Freiheit kann diejenigen nicht mehr erlösen, die unter Schmerzen gestorben sind. Die Erinnerung an sie und die aufgehäufte Schuld der Menschheit gegenüber ihren Opfern verdun-B kein die Aussichten einer Kultur ohne Unterdrückung."

Marcuse verschließt nicht die Augen vor dem, was dem Menschen als Naturwesen unabwendbar bevorsteht, in ihm angelegt ist, sobald er geboren wird; des Menschen Sein ist ein Sein zum Tode. Dieser Tod aber erhält seine schreckliche Gestalt erst durch die Bedingungen, unter denen die Menschen sterben müssen, bzw. durch die Formen, mit denen sie sich selbst und die anderen „zu Tode bringen". Die Schuld der Geschichte bestünde eben darin, daß der Mensch nicht „erfüllt" den Kreislauf seiner Existenz zu beschließen vermag, sondern erleiden müsse, was ihm nicht als Naturwesen inhärent sei, sondern als Gesellschaftswesen zugefügt werde.

Marcuses Utopie ist die des „befreiten" Menschen. Nach Jahrhunderten der Repression und Aggression, der reglementierten Anarchie, der kollektiven Psychosen und Neurosen, des Sadismus und Masochismus, nach Jahrhunderten einer trieb-und sozialpathologischen Verwirrung wäre „Eros in der Politik" gleichzusetzen mit dem Aufgang einer rational erleuchteten Freiheit auf dem Boden materialisierten und vergesellschafteten Glücks; „Eros in der Politik" würde bedeuten, daß der Mensch seine Chance, Mensch zu sein, wahrnimmt

Auf die von Sigmund Freud bang formulierte „Schicksalsfrage der Menschheit" — wie denn der Kampf zwischen Eros und Thanatos ausgehe, ob wirklich der „ewige Eros“ eine Anstrengung mache (und diese Anstrengung gelinge), sich im Kampf mit „seinem ebenso unsterblichen Gegner zu behaupten" („Wer kann den Erfolg und Ausgang voraussehen?") —, wäre dann eine beglückende Antwort gefunden.

Marcuses Idee einer „Gesellschaft ohne Unterdrückung", einer „Rationalität der Befriedigung" sowie einer „Befriedung des Daseins" sind Gegenstand einer geschichtlichen Erwartung, einer fortschrittlichen Vision. „In einem Verfahren, das dem filmischen überblenden analog ist, überführt Marcuse einen zerstörenden und entfremdenden Thanatos in die marxistische Vision der Entfremdung industrieller Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft. Dieser Übergang, den Marcuse für möglich halten will, besitzt einen bedeutenden strategischen Wert, da er ihm erlaubt, die Freudsche Konzeption der Gesellschaft einer Komplicenschaft mit den repressiven Strukturen anzuklagen." Marcuse übersieht dabei, was Freud als „Notwendigkeit" des freilich „gemäßigten und gebändigten" Destruktionsbetriebes herausstellte: daß dieser nämlich erst dem Ich die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse und die Herrschaft über die Natur zu verschaffen vermag. Marcuse ziele auf eine unterdrückungsfreie Gesellschaft, die jenseits des Leistungs-und des kapitalistischen Realitätsprinzips liegt, — ohne den konkreten Wege dorthin zu kennen, geschweige denn zu weisen. Damit ähnele er Rousseau, der auch mit appellativer Spekulation die Befreiung gefordert habe, ohne ihre Machbarkeit zu prüfen Marcuse sage wenig darüber aus, wie eigentlich das von ihm umrissene Ziel (Tilgung der Ursünde, Ordnung der Fülle, Befreiung des Eros, Freiheit von Angst) erreicht werde. Die „große Weigerung" markiere nur eine Position, aber keinen Weg. Sein Sozio-Psychologismus stelle eine drapierte Form des Individualismus dar

Der Disput der marxistischen Freudianer und marxistischen Antifreudianer, der Neopsychoanalytiker und Sozialpsychologen freudianischer Provenienz macht immerhin eines deutlich, daß nämlich eine Psychonalayse, die die Gesellschaft vernachlässigt, genauso „erfolglos" sein wird wie eine Soziologie, welche die Macht des triebdynamischen Potentials übersieht. Weder ist der Mensch „hoffnungslos" eingefügt ins Getriebe der Institutionen, noch ist es allein der einzelne, der die Zukunft bestimmt. Das dogmatische Entweder-Oder muß übergeleitet werden in ein Regelkreis-Denken, welches das Ineinandergreifen von Mentalität und Gesellschaftsstruktur, individuellem und kollektivem Bewußtsein, Charakter und Apparat zu vermitteln vermag und — als Auftrag und Aufgabe politischer Bildung — zu durchschauen verhilft. Wo ES ist, soll ICH werden — aber nicht ein Ich, das privatistisch sich abkapselt, eskapistisch in Form neuer Innerlichkeit sich genießt oder isoliert zugrunde geht, sondern ein Ich, das politische Erfahrung als die Notwendigkeit von Zusammengehörigkeit und dialektischem Zusammenleben in sich aufnimmt, solche Erfahrung zu „bestehen" und damit als Zoon politikon kraft seiner personalen Rationalität (der Triebwelt abgerungen) zu wirken vermag.

Fussnoten

Fußnoten

  1. L. Marcuse, Sigmund Freud. Sein Bild vom Menschen, Hamburg 1956, S. 69.

  2. I. Grubrich-Simitis (Hrsg.), Sigmund Freud. Selbstdarstellung. Schriften zur Geschichte der Psychoanalyse (Einleitung), Frankfurt/M. 1971, S. 15.

  3. Ausführlich über ES, ICH, UBER-ICH in „Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse", im besonderen 31. und 32. Vorlesung. (S. Freud, Studienausgsbe, Band I, hrsg. von A. Mitscherlich/A. Richards/J. Strachey, Frankfurt/M. 1969, S. 496 ff.) Absicht der Psychoanalyse sei es, das Ich zu stärken, „es vom Über-Ich unabhängiger zu machen, sein Wahrnehmungsfeld zu erweitern und seine Organisation auszubauen, so daß es sich neue Stücke des Es aneignen kann. Wo Es war, soll Ich werden. Es ist Kulturarbeit etwa wie die Trockenlegung der Zuydersee" (S. 516).

  4. „. Die Menschen machen ihre Geschichte', sagt Marx in der . Deutschen Ideologie', , sie wissen aber nicht, daß sie sie machen. ’ Dieser großenteils unbekannt bleibende Prozeß ist die ideologisch bedingte, auf ideologische Ziele gerichtete Geschichte. Die Menschen, die sie macen, wissen nicht, was sie tun, weil für das, was dabei herauskommt, nicht ihre bewußten Ziele und Absichten und die von ihnen gebilligten Grundsätze und Wertungen, sondern jene verborgenen und oft der Bemäntelung bedürftigen Motive verantwortlich sind, die sich in den inneren Widersprüchen der Gesellschaftsordnungen, den unauflöslichen Antinomien der Wirtschaftssysteme, den unterirdischen Klassengegensätzen und den zum Teil sublimierten Formen der Klassenkämpfe geltend machen. In dieser verborgenen Gestalt setzen sich zumeist die wirklichen Triebkräfte der Geschichte durch, so daß die Menschen gar nicht ahnen, in welchem Maße sie ihr Ursprung und ihr Instrument sind." (A. Hauser, Kunst und Gesellschaft, München 1973, S. 86.)

  5. K. Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: K. Marx, Werke — Schriften — Briefe, Stuttgart 1962, Band 1, S. 492. Vgl. M. Horkheimer, Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie, Stuttgart 1930. Hierzu K. Horn, Psychoanalyse — Anpassungslehre oder kritische Theorie des Subjekts? I.: Lukäcs'Theorie des Klassenbewußtseins, II.: Gegen den antipsychologischen Affekt der Marx-Epigonen, in: Frankfurter Hefte 7, 1971, S. 532 ff., und 8, 1971, S. 617 ff.

  6. A. Mitscherlich, Der Kampf um die Erinnerung. Psychoanalyse für fortgeschrittene Anfänger, München 1975, S. 101.

  7. Zit. nach E. Jones, Das Leben und Werk von Sigmund Freud, Bänd I — III, Bern und Stuttgart 1960 ff., Band I, S. 141.

  8. Vgl. J. Habermas, Theorie und Praxis. Sozial-philosophische Studien, Frankfurt/M. 1971, S. 33 f.

  9. H. J. Giegel, Reflexion und Emanzipation, in: Hermeneutik und Ideologiekritik (Sammelband), Frankfurt/M. 1971. Zit. nach Habermas, a. a. O., S. 35 f.

  10. B. W. Reimann, Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie, Darmstadt, Neuwied 1973, S. 18.

  11. H. Plessner, Die verspätete Nation, über die politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes, Stuttgart 1959, S. 127.

  12. Identifizierung: Aneigung von Umwelt; Projektion: »Ausspucken" dessen, was unangenehm ist; Sublimierung: Ziel oder Objekt eines Triebs verändern; Reaktionsbildung: sich einer übertriebenen Tendenz, einem unbewußten Wunsch entgegenstemmen; Rationalisierung: Triebbedürfnisse sozial akzeptabel machen; Isolierung: Vorstellungen von Emotionen oder Wirklichkeit abtrennen; Regression: durch Rückkehr auf eine frühere Phase mit Versagung sich abfinden. Vgl. A. C. MacIntyre, Das Unbewußte. Eine Begriffsanalyse, Frankfurl/M. 1968, S. 11 ff.

  13. H. Marcuse, Psychoanalyse und Politik, Frankfurt/M., Wien 1968, S. 22 f.

  14. Vgl. F. Weinstein/G. M. Platt, Psychoanalytische Soziologie, München 1975. Hierzu auch: L. Mann, Sozialpsychologie, Weinheim 1972; H. C. Lindgren, Einführung in die Sozialpsychologie, Weinheim 1973.

  15. über das „Wechselspiel" innerer und äußerer Bedingtheiten, „natürlicher" Konstanten und historischer Variablen vgl. auch H. Hartmann, Ich-Psychologie. Studien zur psychoanalytischen Theorie, Stuttgart 1972, S. 37 f.: „Der historische Aspekt des psychoanalytischen Denkens bewahrt die Analyse davor, nichts anderes als eine Lehre von , der Natur des Menschen'zu sein, in dem Sizn, in dem zum Beispiel die Philosophen des 18. Jahrhunderts dies Problem sahen. Die Psychoanalyse befaßt sich mit den Modifikationen, die wechselnde Bedingungen auf die allgemeinen menschlichen Situationen und Eigenschaften ausüben. Unter diesen Bedingungen spielen die sozialen Faktoren eine einzigartige Rolle. Obwohl wir das Vorhandensein aggressiver Triebimpulse bei allen Menschen voraussetzen, können wir nicht den Schluß ziehen, daß ein völlig umgrenzter Ausdruck dieses Impulses, Kriegführen zum Beispiel, in der menschlichen Geschichte unvermeidlich sei. Der Ausdruck grundlegender aggressiver Tendenzen wird durch Faktoren bestimmt, die sich im Laufe der Generationen verändern können. Andererseits wird natürlich die Negation aller konstanten Elemente unter denjenigen, von denen man nachweisen kann, daß sie den Prozeß der Menschwerdung beeinflussen, durch die Erfahrung widerlegt. Die Psychoanalyse kann noch weitergehen und nachweisen, daß das Es, das Ich und das Uber-Ich den Einflüssen der Außenwelt und ganz besonders den Einflüssen kultureller Faktoren Widerstände verschiedenen Ausmaßes entgegensetzen.“

  16. FI. Marcuse, Trieblehre und Freiheit, in: M. Horkheimer/Th. W. Adorno (Hrsg.), Freud in der Gegenwart. Ein Vortragszyklus der Universitäten Frankfurt und Heidelberg zum hundersten Geburtstag, Frankfurt/M. 1957, S. 401.

  17. Vgl. A. Mitscherlich, Der Kampf um die Erinnerung. Psychoanalyse für fortgeschrittene Anfänger, München 1975, S. 18.

  18. R. Reiche, Ist der Ödipuskomplex universell?, in: Kursbuch 29, 1972, S. 163.

  19. In diesem Sinne etwa M. Schneider, Neurose und Klassenkampf. Materialistische Kritik und Versuch einer emanzipatorischen Neubegründung der Psychoanalyse, Hamburg 1973.

  20. Th. W. Adorno, Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie, in: Aufsätze zur Gesellschaftstheorie und Methodologie, Frankfurt/M. 1970, S. 20. Hierzu auch H. Nolte, Der Beitrag der Psychoanalyse zur Verwissenschaftlichung der Erziehung, in: Frankfurter Hefte 12, 1974, S. 902.

  21. Vgl. zum Problemkreis Marx — Freud: D. Wyss, Marx und Freud, Göttingen 1969; H. G. Sandkuehler, Bernfeld, Reich, Jurinetz, Sapir, Stoljarov, Psychoanalyse und Marxismus. Dokumentation einer Kontroverse, Frankfurt/M. 1970; H. -P. Gente (Hrsg.), Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, Bd. 1: Frankfurt/M. 1970, Band 2: Frankfurt/M. 1972.

  22. B. W. Reimann, Psychoanalyse und Gesellschaftstheorie, Darmstadt und Neuwied 1973, S. 18.

  23. Vgl. hierzu H. Wieser/J. Beyer, Psychoanalyse, Kapitalmystifikation und Ideologie, in: Kursbuch 29, 1972 (Das Elend mit der Psyche. Psychoanalyse), S. 126.

  24. Zit. nach H. -P. Gente, Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, a. a. O„ S. 168 (1. Band).

  25. Zit. nach J. M. Brohm, Psychoanalyse und Revolution, in: H. -P. Gente, Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, a. a. O., S. 245 (2. Band).

  26. Vgl. J. -M. Brohm, a. a. O., S. 247.

  27. Vgl. Dossier, Auf der Couch (und dahinter), in: Kursbuch 29, 1972, S. 58.

  28. Vgl. Dossier, Auf der Couch (und dahinter), a. a. O., S. 44.

  29. J. -M. Brohm, Psychoanalyse und Revolution, a. a. O., S. 284.

  30. Zit. von I. A. Caruso, Psychoanalyse, Ideologie, Ideologiekritik, in: Marxismus, Psychoanalyse, Sex-pol, hrsg. v. H. -P. Gente (Band 2), Frankfurt/M. 1972, S. 73.

  31. Vgl. I. A. Caruso, Psychoanalyse, Ideologie, Ideologiekritik, a. a. O., S. 62 f.

  32. E. Morin, Der revolutionäre und der revolutionierte Mensch, in: Marxismus, Psychoanalyse, Sex-pol, a. a. O., S. 161 (2. Band).

  33. E. Morin, a. a. O., S. 160 f.

  34. Vgl. K. Horn, Psychoanalyse — Anpassungslehre oder kritische Theorie des Subjekts?, in: Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, a. a. O., S. 120.

  35. I. A. Caruso, Psychoanalyse, Ideologie, Ideologiekritik, a. a. O., S. 76 f.

  36. Zur Neopsychoanalyse ausführlich bei J. Rattner, Tiefenpsychologie und Politik. Einführung in die politische Psychologie, Freiburg 1970; ferner: J. Rattner, Selbsterkenntnis und Menschenkenntnis. Praxis und Theorie der neuen Psychoanalyse, München 1973; J. Rattner, Psychologie der zwischenmenschlichen Beziehungen. Eine Einführung in die neopsychoanalytische Sozialpsychologie von Harry Stack Sullivan, Freiburg 1969.

  37. Vgl. M. Sperber, Alfred Adler oder Das Elend der Psychologie, Wien, München, Zürich 1970.

  38. M. L. von Franz, Vorwort zu W. W. Odajnyk: C. G. Jung und die Politik, Stuttgart 1975, S. 11.

  39. M. L. von Franz, a. a. O. r S. 12.

  40. Zit. nach W. W. Odajnyk, a. a. O., S. 62.

  41. Zit. nach W. W. Odajnyk, a. a. O., S. 41.

  42. Zit. nach W. W. Odajnyk, a. a. O„ S. 23.

  43. Zit. nach H. Dahmer, Wilhelm Reich — Seine Stellung zu Freud und Marx, in: Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, a. a. O., S. 86 (2. Band).

  44. W. Reich, Charakteranalyse, Berlin 1933, S. 12. Zit. nach J. Rattner, a. a. O., S. 54.

  45. W. Reich, Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse, 1934. Zit. nach H. Weiser/J. Beyer, Psychoanalyse, Kapitalmystifikation und Ideologie, in: Kursbuch 29, 1972, S. 145 f.

  46. M. Mead, Geschlecht und Temperament in primitiven Gesellschaften, Hamburg 1959; M. Mead, Mann und Weib, Reinbek 1962; R. Benedict, Urformen der Kultur, Reinbek 1960.

  47. P. Parin, Der Ausgang des ödipalen Konflikts in drei verschiedenen Kulturen. Eine Anwendung der Psychoanalyse als Sozialwissenschaft, in: Kursbuch 29, 1972 S. 201.

  48. E-Fromm, Jenseits der Illusionen, Konstanz, Zürich 1967, S. 18 f. über die von Max Horkheimer im Auftrag des Instituts für Sozialforschung 1932 bis 1941 herausgegebene „Zeitschrift für Sozial-forschung" als besonderer „Ort“ der Auseinandersetzung mit dem Freudschen wie marxistischem Denken sowie entsprechender Integrationsversuche vgl. A. Schmidt, Die „Zeitschrift für Sozialforschung". Geschichte und gegenwärtige Bedeutung, in: A. Schmidt: Zur Idee der kritischen Theorie. Elemente der Philosophie Max Horkheimers, München 1974, S. 36 ff, (über Erich Fromms Arbeiten in der Zeitschrift S. 77 ff.).

  49. E. Fromm, Jenseits der Illusionen, Konstanz, Zürich 1967, S. 20 ff.

  50. E. Fromm, Die Furcht vor der Freiheit, Frankfurt/M. 1966, S. 287 ff.

  51. Th. W. Adorno/E. Frenkel-Brunswik/D. J. Levinson/R, N. Sanford, The Authoritarian Personality, New York 1950. Daraus Auszüge bei Th. W. Adorno, Studien zum autoritären Charakter, Frankfurt/M. 1973.

  52. H. Marcuse, Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, Frankfurt/M. 1965, S. 12.

  53. H. Marcuse, a. a. O., bes. S. 171 ff.

  54. H. Marcuse, a. a. O., S. 232 f.

  55. H. Glaser, Eros in der Politik. Eine sozial-pathologische Untersuchung, Köln 1967, S. 260.

  56. J. -M. Benoist, Marcuse — ein . Aufklärer'gegen die Aufklärung, in: H. -P. Gente (Hrsg.), Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, Frankfurt/M. 1972, S. 206.

  57. Vgl. J. -M. Benoist, a. a. O„ S. 221 ff.

  58. R. Steigerwald, Eine Kritik an Herbert Marcuses Schrift: „Triebstruktur und Gesellschaft", in: Marxismus, Psychoanalyse, Sexpol, a. a. O., S. 37 f.

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Hermann Glaser, Dr. phil., geboren 1928 in Nürnberg; Studium der Germanistik, Anglistik, Geschichte und Philosopie in Erlangen und Bristol; Lehramt; seit 1964 Schul-und Kulturdezernent der Stadt Nürnberg. Veröffentlichungen u. a.: Weltliteratur der Gegenwart, 19709; Spießer-Ideologie, 19732; Eros in der Politik — Eine sozialpathologische Untersuchung, 1967; Radikalität und Scheinradikalität. Zur Sozialpsychologie des jugendlichen Protests, 1970; Das öffentliche Deutsch, 1972; Jenseits von Parkinson — Ein kybernetisches Modell für Verwaltung und Wirtschaft, 1972; Die Wiedergewinnung des Ästhetischen. Perspektiven und Modelle einer neuen Soziokultur, 1974 (zus. mit K. H. Stahl); Urbanistik. Neue Aspekte der Stadtentwicklung (Hrsg.), 1974.