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Zur Lage im Südlichen Afrika | APuZ 21/1977 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 21/1977 Zur Lage im Südlichen Afrika Zwischen Gartenlaube und Genozid. Kolonialistische Jugendbücher im Kaiserreich „Der Afrikaner arbeitet nicht". Die Dritte Welt in deutschen Schulbüchern

Zur Lage im Südlichen Afrika

Rolf Niemann

/ 33 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Südlichen Afrika bahnt sich ein weltweiter Konflikt an, da sich hier die Linien der Konfrontation zwischen West und Ost sowie zwischen Nord und Süd überschneiden. Die Konflikte in dieser Region werden auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Methoden ausgetragen: Zunächst gibt es die Dimension des politischen und wirtschaftlichen Druckes in internationalen Gremien, um die Ungerechtigkeit der Apartheid-Gesellschaften zu überwinden. Dann wird seitens der afrikanischen Mehrheiten versucht, durch Guerilla-Aktionen den Unterdrückten die Herrschaft zu erkämpfen. Andere oppositionelle Kräfte wollen Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung mit gewaltfreien Aktionen erreichen. Schließlich finden Verfassungsgespräche statt, die eine Übertragung der Regierungsgewalt auf die afrikanische Mehrheit ebenfalls mit friedlichen Mitteln anstreben. In Rhodesien wurde das weiße Minderheitsregime von der afrikanischen Mehrheit innenpolitisch durch gewaltfreien Druck sowie durch die militärischen Aktionen der Guerillas, außenpolitisch durch massiven politischen, wirtschaftlichen und militärischen Druck vor allem der USA gezwungen, durch eine Verfassungskonferenz die Übertragung der Macht an die afrikanische Mehrheit zu gewährleisten. Mit einer völkerrechtlichen Anerkennung des jüngst unabhängig gewordenen „Heimatlandes" Transkei würde international legitimiert werden, daß sich die Weißen Südafrikas durch „Ausverlelbung" der Verantwortung für die Afrikaner in ihrem Lande entziehen. In Namibia hat internationaler Druck zu Verfassungsverhandlungen geführt. Unter Ausschluß der SWAPO wird in der ehemaligen Turnhalle in Windhuk über ein Teilen, weniger über eine Übergabe der Macht an die afrikanische Mehrheit verhandelt.

I. Einleitung

African National Congress -ANC (1934; 1957-Nkomo, Chikerema) National Democratic Party-NDP (Jan. 1960-Nkomo, Sithole, Mugabe) Entwicklung der afrikanischen Parteien in Rhodesien/Zimbabwe Zimbabwe African People’s Union-ZAPU (Dez. 1961 -Nkomo, Sithole, Chikerema, Mugabe) ANC-interner Flügel Joshua Nkomo Zimbabwe People’s Army-ZIPA Robert Mugabe Patriotische Front (Lusaka, Dez. 1974 ) ANC (Salisbury, Sept.

1975) ANC-externer Flügel Abel Muzorewa Ndabaningi Sithole James Chikerema

Im Jahre 1960 sprach der britische Ministerpräsident Harold Macmillan in Kapstadt vom „Wind des Wandels", der die Landkarte Afrikas mit dem Entstehen unabhängiger Staaten verändere Vierzehn Jahre lang schien es, als ob das südliche Afrika von diesen Veränderungen ausgenommen wäre. Erst mit dem Militärputsch in Portugal im April 1974 wurde den ehemaligen portugiesischen Kolonien Angola und Mozambique der Weg in die Unabhängigkeit gewährleistet. Doch in den weiß-beherrschten Territorien, die von den eingewanderten Europäern Rhodesien, Südafrika und Südwestafrika genannt werden, für die afrikanischen Mehrheiten Zimbabwe, Azania und Namibia heißen, wurde die Selbstbestimmung der autochthonen Bevölkerung blockiert. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete dazu im November 1976 mit über hundert Ja-Stimmen die folgende -Reso lution: „Angesichts der fortgesetzten brutalen Unterdrückung durch die Regierung der weißen Minderheit bliebe dem . . . Volk von Südafrika keine andere Wahl, als zum bewaffneten Kampf Zuflucht zu nehmen, um seine legitimen Rechte zu verwirklichen." Gegen diese Formulierung stimmten die neun Staaten der Europäischen Gemeinschaft, sowie Kanada und die USA (dazu 22 Enthaltungen).

Das Jahr 1977 wird entscheidend dafür sein, zu welcher weltpolitischen Gruppierung sich der Großteil der afrikanischen Staaten wen-det. Ein Rassenkrieg bahnt sich an, in dem der Westen wegen seiner engen wirtschaftlichen Verflechtungen auf Seiten der Apartheid — und damit der weißen Vorherrschaft — gesehen wird. Der vormalige schwedische Regierungschef Olof Palme befürchtete: „Die Rohstoffquellen des Landes und seine strategische Lage könnten einen Vorwand dafür liefern, daß die weiße Diktatur auch fernerhin unterstützt wird. Zugleich jedoch würde solche Unterstützung die andere Supermacht ermutigen, noch aktiver in diesem Gebiet zu werden. So besteht ein ernsthaftes Risiko, daß Afrika zum neuen Schlachtfeld zwischen Ost und West wird. Das kann nicht im Interesse auch der Afrikaner selbst liegen."

Die Diplomatie der westlichen Mächte bemüht sich um eine Lösung des Rassenkonfliktes auf dem Verhandlungswege. Die östliche Seite schürt den Konflikt durch massive Waffenlieferungen an die Exil-Organisationen der Afrikaner. Und die betroffene afrikanische Opposition in den weißbeherrschten Territorien befindet sich in der Spannung von Kollaboration mit den weißen Regimen und der politischen Verfolgung durch diese. Dennoch behaupten der rhodesische wie der südafrikanische Ministerpräsident, daß beide für die Bewahrung der westlichen Demokratie kämpfen und sich „für die Erhaltung von Gerechtigkeit, Zivilisation und Christentum" einsetzen

II. Die Genfer Verfassungskonferenz über Rhodesien

Bis 1888 konnten die afrikanischen Stämme zwischen Sambesi und Limpopo ihre Angelegenheiten selbst bestimmen. Als weiße Einwanderer sich ihres Landes bemächtigten, versuchten die Stämme der Matabele (1892/1893) und der Mashona (1896/97) die Eindringlinge zu vertreiben; sie unterlagen der starken Polizeimacht Fast zwei Jahrzehnte später Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, Berliner Freiheit 7, 5300 Bonn/Rhein.

Leitender Redakteur: Dr. Enno Bartels. Redaktionsmitglieder:

Paul Lang, Dr. Gerd Renken, Dr. Klaus W. Wippermann.

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Die Veröffentlichungen in der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte" stellen keine Meinungsäußerung des Herausgebers dar; sie dienen lediglich der Unterrichtung und Urteilsbildung. begannen gebildete Afrikaner, sich in Wähler-vereinigungen zu organisieren, die sich in den vierziger und fünfziger Jahren zu einer machtvollen afrikanischen Bewegung entwikkelten. Anfang 1961 wollte die britische Kolonialmacht auf dem Verhandlungswege die afrikanischen Nationalisten an der Regierung der weißen Minderheit beteiligen. Als die afrikanischen Vertreter in Verkennung ihrer tatsächlichen Möglichkeiten diese minimale Teilhabe ablehnten wurden sie aus der Legalität in den Untergrund gedrängt und verfolgt. Die Führer der nationalistischen Bewegung wurden in Lagern interniert; einigen gelang die Flucht ins Ausland.

Vom Exil aus wurde seit 1962 der bewaffnete Kampf eingeleitet, doch führten die Kommando-Aktionen zehn Jahre lang eher zur Verschärfung der innenpolitischen Situation als zur Befreiung von dem weißen Minderheitsregime unter Ian Smith, der im November 1965 einseitig die Unabhängigkeit Rhodesiens ausgerufen hatte Erst mit dem ansteigenden zivilen Widerstand innerhalb des Landes gegen britisch-rhodesische Kompromiß-Versuche im Laufe des Jahres 1972 und einer mit Hilfe der Freiimo vom angrenzenden Mozambique aus geführten Guerilla-Offensive, sowie durch verschärfte wirtschaftliche Sanktionen wurde die afrikanische Opposition innerhalb des Landes — der Afrikanische Nationalrat unter des Methodistenbischofs ANC Führung Abel Muzorewa — wieder zum Verhandlungspartner für das Smith-Regime. Der Machtwechsel in Portugal und Schritte der schwarzafrikanischen Nachbarstaaten führten Ende 1974 zur Freilassung der afrikanischen Führer Joshua Nkomo und Ndabaningi Sithole und zu einer Konferenz mit rhodesischen und südafrikanischen Regierungsvertretern in Lusaka

Den entscheidenden Durchbruch dieser Verhandlungsbemühungen, die schon Ende August 1975 in einem Eisenbahnwagen auf der Grenz-brücke zwischen Zambia und Rhodesien über dem Sambesi an den Victoria-Wasserfällen zu der einleitenden Phase einer Verfassungskonferenz geführt hatten erreichte der amerikanische Außenminister Henry Kissinger im Jahre 1976 durch zwei Zusammenkünfte mit dem südafrikanischen Ministerpräsidenten Johannes Vorster, weitere Treffen mit schwarz-afrikanischen Staatsmännern sowie einem Treffen im September mit Ian Smith.

Gemäß einem geheimen Memorandum über politische Alternativen einer amerikanischen Südafrika-Politik vom April 1969 hatte Kissinger die Variante gewählt, die eine engere Zusammenarbeit mit den weißen und den schwarzen Regierungen im südlichen Afrika empfahl, um im Sinne einer Verminderung der Spannungen die weißen Regierungen zu größerer Liberalisierung ihrer Rassenpolitik und die schwarzen Regierungen zu stärkerer Kooperation mit den weißbeherrschten Staaten zu drängen. Die Vorteile dieser Politik sind nach den Worten Kissingers: „Sie sichert die ökonomischen, wissenschaftlichen und strategischen Interessen der Vereinigten Staaten in den weißen Staaten und würde unsere Möglichkeiten zu gewinnbringendem Handel und zu Investitionen vergrößern."

Den widerstrebenden Smith setzte er bei seinem Treffen in Pretoria unter massiven politischen, wirtschaftlichen und militärischen Druck, um von ihm die Annahme seines Verhandlungspaketes zu erreichen: 1. Smith akzeptiert eine afrikanische Mehrheitsregierung innerhalb von zwei Jahren; 2. Smith wird genuine Vertreter der Afrikaner zur Bildung einer Ubergangsregierung einladen, die zur Mehrheit aus Afrikanern besteht (die Weißen fordern die Kontrolle der Ministerien für Verteidigung sowie für Recht und Ordnung); 3. es wird ein paritätisch besetzter Staatsrat gebildet, der die Ausarbeitung einer Verfassung überwacht; für auswanderungswillige Weiße 4. wird ein Entschädigungsfonds geschaffen; 5. mit der Annahme dieses Verhandlungspaketes werden die wirtschaftlichen Sanktionen aufgehoben und die Guerilla-Aktivitäten eingestellt; 6.dem Land wird wirtschaftliche Hilfe gewährt

Bei seiner Erklärung, die Smith am 24. September 1976 im rhodesischen Fernsehen abgab, modifizierte er den Kissinger-Vorschlag in wichtigen Punkten: — Zu den Aufgaben des Staatsrats gehören die Gesetzgebung sowie die Ausarbeitung einer neuen Verfassung; — die Ministerien für Verteidigung sowie für Recht und Ordnung sollen in den Händen der Weißen bleiben

Die Präsidenten der afrikanischen Frontstaaten lehnten die Einzelheiten des Verhandlungspaketes ab und riefen die koloniale Autorität — die britische Regierung — auf, unverzüglich eine Konferenz außerhalb von Zimbabwe mit den wirklichen und rechtmäßigen Vertretern des Volkes einzuberufen: — um die Zusammensetzung und Funktionen der Übergangsregierung zu erörtern;

— um eine Übergangsregierung einzusetzen;

— um die Modalitäten der Einberufung einer eigentlichen Verfassungskonferenz zur Ausarbeitung der Unabhängigkeitsverfassung zu erörtern

Was waren nun die aktuellen Gründe für diese Entwicklung zu einer Verhandlungslösung?

Zunächst ist hier die staatliche Unabhängigkeit von Mozambique (am 25. Juni 1975) und Angolas (am 11. November 1975) nach dem Zusammenbruch der portugiesischen Kolonialherrschaft zu nennen; sodann das bewaffnete Eingreifen südafrikanischer Truppen in den angolanischen Bürgerkrieg. Der zu Beginn des Jahres 1976 erfolgte Rückzug markierte das Scheitern dieser Interventionspolitik Südafrikas. Damit war südafrikanischen Politikern deutlich geworden, daß jede militärische Aktion Südafrikas außerhalb der eigenen Grenzen verheerende außenpolitische Folgen nach sich ziehen würde; daher schied eine offene militärische Unterstützung Rhodesiens aus.

Demgemäß waren die südafrikanischen Polizeikräfte seit September 1975 aus Rhodesien abgezogen worden. Es lag im staatspolitischen Interesse Südafrikas, auf eine afrikanische Mehrheitsregierung in Rhodesien hinzuarbeiten

Eine weitere Begründung für das rhodesische Einlenken waren die wirtschaftlichen Probleme, die sich aus den verschärften Sanktionen ergaben. Seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung hatte Großbritannien und dann der Weltsicherheitsrat verbindliche wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen verhängt, die zwar laufend verschärft wurden, jedoch immer wieder durchbrochen wurden. Schließlich schloß auch die Volksrepublik Mozambique am 3. März 1976 ihre Grenzen und ließ alle Verbindungen zu Rhodesien unterbrechen. Das überlastete südafrikanische Verkehrsnetz aber konnte einen zusätzlichen hohen Anteil des rhodesischen Außenhandels nicht übernehmen

Der militante Druck der Guerillas innerhalb des Landes — nach Angaben eines rhodesischen Regierungssprechers im November 1976 mindestens 2 000 — und von außerhalb — wo sich 12 000— 15 000 Freiwillige einer Guerilla-Ausbildung unterziehen — wächst, seitdem Zambia und Mozambique verstärkt Operationen über ihre gemeinsamen Grenzen mit Rhodesien zulassen

Politischer Druck geht aus von der steigenden Unruhe der afrikanischen Bevölkerung in den Vorstädten (Townships) und den Stammesländern (Tribal Trust Lands) in Rhodesien. Auch die zunehmenden Rassenunruhen, die sich seit dem 16. Juni 1976 in den Afrikaner-Gettos vor den Toren der südafrikanischen Wirtschaftszentren ereigneten und über 350 — vornehmlich schwarze — Opfer kosteten, förderten eine realistische Einschätzung der spannungsgeladenen Atmosphäre in der Apartheids-Gesellschaft.

Schließlich ist zu verweisen auf das weltpolitische Kräfteverhältnis, das die schwarzafrikanischen Interessen langfristig vor die kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen der west-liehen Industriestaaten stellt. Hier ist auch die weltpolitische Dimension eines möglichen bewaffneten Konfliktes in der Region des Südlichen Afrikas zu berücksichtigen

Aus allen diesen Gründen ist es dazu gekommen, daß seit dem 28. Oktober 1976 auf neutralem Boden in Genf eine Konferenz über die verfassungsmäßige Zukunft Rhodesiens stattfindet: Die Delegationen der afrikanischen Führer Joshua Nkomo und Robert Mugabe (vereinigt zu einer Patriotischen Front) sowie von Bischof Abel Muzorewa und Pfarrer Ndabaningi Sithole (die den externen Flügel des Afrikanischen Nationalrats ANC vertreten) verhandeln über den britischen Konferenzvorsitzenden Ivor Richard mit der Delegation des weißen Minderheitsregime von Ian Smith über die Modalitäten der friedlichen Machtübergabe an die Bevölkerungsmehrheit. Die Zersplitterung der nationalistischen Kräfte hat allerdings dem Anliegen der afrikanischen Mehrheit sehr geschadet

Bis zum 26. November 1976 hatten sich alle Delegationen darauf geeinigt, daß spätestens zum 1. März 1978 das Land unter einer afrikanischen Mehrheitsregierung unabhängig werden sollte. Eine weitere Aufgabe der Verfassungskonferenz war die Beratung und Festlegung der Struktur einer Übergangsregierung.

Doch schon bei der Diskussion über die Modalitäten der Einsetzung dieser Ubergangsre-Exkurs zur Entwicklung der afrikanischen Parteien — Erläuterung der Grafik Die Wurzeln der nationalistischen Bewegung der Afrikaner in Rhodesien reichen zurück bis 1934, als ein Afrikanischer Nationalkongreß geschaffen wurde. Dieser ANC wurde 1957 neu gegründet. Durch Verbot und neuerliche Organisierung entstanden 1960 die NDP und im Dezember 1961 die ZAPU, die beide bereits die heute führenden afrikanischen Nationalisten umfaßten. Die zentrale Forderung war: „ein Mann — eine Stimme", also gleiches Wahlrecht für alle Bürger, unabhängig von der Hautfarbe. Mit der demonstrativen Namensgebung Zimbabwe machten die Afrikaner klar, daß sie sich auf eigene Traditionen besannen und die kolonialistische Herrschaft der Weißen ablehnten.

Nach dem im September 1962 erfolgten Verbot der ZAPU gab es unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der einzuschlagenden Strategie und auch persönliche Gegensätze zwischen den beiden Parteiführern Joshua Nkomo und Ndabaningi Sithole. Letzterer trat für eine radikale Konfrontationsstrategie ein; diese führte im August 1963 zur Spaltung der nationalistischen Bewegung in ZANU (Führung: Pfarrer Ndabaningi Sithole und Robert Mugabe) und PCC — im Exil weiterhin ZAPU (Führung: Joshua Nkomo und James Chikerema). Doch ein Jahr später wurden beide Bewegungen, die sich auch intern auf das bitterste bekämpften, verboten und existieren seitdem nur noch im Exil. Dort gab es — mit Unterstützung der OAU — eine Reihe von Bemühungen zur Vereinigung, die jedoch am starren Festhalten der jeweiligen Parteipositionen scheiterten. Beide Parteien hatten auf bewaffnete Einfälle nach Rhodesien gesetzt, doch acht Jahre lang ohne wirksamen Erfolg. Deshalb gründeten im Oktober 1971 unzufriedene Mitglieder beider Parteien die FROLIZI (James Chikerema), die zur Einheitsfront werden sollte, im Ergebnis jedoch eine neue Abspaltung darstellte.

In der Zwischenzeit hatte sich aus dem kirchlichen Widerstand sowie aus gewalt-freien Aktivitäten innerhalb des Landes als Reaktion auf einen britisch-rhodesischen Befriedungsversuch im Dezember 1971 der Afrikanische Nationalrat (Bischof Abel Muzorewa) gebildet. Dieser neue ANC wurde als Stimme der afrikanischen Mehrheit zum einzig wichtigen Gesprächspartner des weißen Minderheitsregimes. Doch erst durch die neue machtpolitische Konstellation nach dem Fall der portugiesischen Kolonialmacht im Südlichen Afrika und durch zunehmend erfolgreiche Guerilla-Aktionen kam es gegen Ende des Jahres 1974 in Lusaka zu der Konferenz zwischen rhodesischen Regierungsvertretern und den Führern der inzwischen in vier Fraktionen aufgesplitterten nationalistischen Bewegung unter der Obhut Zambias und Südafrikas. Aufgrund starken Druckes der schwarzafrika-nischen Nachbarstaaten wurde im Dezember 1974 eine enheitliche Organisation aller Parteien unter dem Schirm des ANC verabredet; Präsident wurde Bischof Muzorewa. Diese Präsidentschaft wurde ihm 9 Monate später von Joshua Nkomo, dem langjährigen Nationalistenführer, durch dessen eigene Wahl von einem Rumpfkongreß (mit ZAPU-Anhängern) streitig gemacht: der sog. interne Flügel des ANC. Auch die ehemalige ZANU erwachte wieder zu eigenständigem Leben; dort gab es einen Führungskampf zwischen dem langjährigen Präsidenten N. Sithole und seinem Generalsekretär Mugabe, die letzterer wegen seines starken Rückhalts bei den inzwischen erfolgreich operierenden Guerillakämpfern (Zimbabwe Volksarmee ZIPA) für sich entscheiden konnte.

Für die Genfer Verfassungskonferenz verband sich der traditionell orientierte Führer Nkomo aus taktischen Gründen mit dem anerkannten Sprecher der Guerillas, Mugabe, zur Patriotischen Front. Bischof Muzorewa, der Vertreter des sog. externen ANC-Flügels (auch Vereinigter Afrikanischer Nationalrat genannt), hat innerhalb Rhodesiens offensichtlich den zahlenmäßig stärksten Anhang, aber er ist machtlos, wie sich auch darin zeigt, daß die gescheiterten Nationalistehführer Sithole und Chikerema sich seiner Fraktion anschlossen. Dem Kirchenführer war es nicht gelungen, das gewaltfreie Konzept seiner Organisation in konkrete Gegenmacht umzusetzen. *) Vgl Rolf Niemann, Von Rhodesien zu Zimbabwe. Emanzipation der Afrikaner durch Guerillakampf oder Verfassungskonferenz, Frankfurt 1976, S. 76— 162. gierung erreichten die Verhandlungen ihren toten Punkt Die Konferenz wurde vertagt, ohne daß über die Ausarbeitung der Unabhängigkeits-Verfassung oder das Problem der Wahlen gesprochen wurde

Nun bemüht sich der Chef der weißen Minderheitsregierung, in Gesprächen mit gemäßigten Afrikanern eine „eigene Regelung" für ein Übergangskabinett zu finden. Inzwischen aber geht der Guerillakampf weiter; die Opfer sind meistens unschuldige schwarze oder weiße Zivilisten in letzter Zeit auch eine Reihe weißer Missionare Die Gefahr einer Ausweitung der Kämpfe ergibt sich in steigendem Maße durch Übergriffe der rhodesischen Sicherheitskräfte gegen die Nachbar-staaten Botswana und Mozambique, von denen aus die Guerillas operieren

III. Die Bedeutung der Kap-Route

Eine Bedrohung des international stark frequentierten Seeweges um das Kap der Guten Hoffnung war bei der instabilen Situation im weißbeherrschten Südlichen Afrika immer gegeben Eine Krise wurde dann befürchtet, wenn die Herrschaftsstrukturen der weißen Minderheiten in Frage gestellt schienen. Denn diese Minderheitsherrschaft war Garant einer stabilen Beziehung mit voraussehbaren Entwicklungen. So war es das Hauptinteresse der westlichen Staaten, die NATO-Mächte und das weiße Regime in Südafrika näher zusammenzubringen. Interessierte Kreise im Westen gaben vor, über Marine-Angelegenheiten zu sprechen, meinten jedoch die weltpolitischen Interessensphären und eine Veränderung des internationalen Machtgleichgewichts. Dabei ging es um Hilfe an die potentiellen Alliierten im südlichen Afrika

Die Oifenhaltung und Sicherung des Seeweges ums Kap hat für die westlichen Staaten vor allem für den Handelsverkehr eine entscheidende Bedeutung: — 57 % von Westeuropas Bedarf an O 1 kommt vom Persichen Golf um das Kap nach Europa; — über 25 % der Lebensmittel-Einfuhren Westeuropas passieren die Kap-Route;

— von 40 lebenswichtigen Importgütern für die amerikanische Industrie kommt ungefähr die Hälfte mit Schiffen aus Ländern, die an den Indischen Ozean grenzen;

— Westeuropa erhält seinen Nachschub von Asbest, Chrom, Gummi, Talkum, Zinn und anderen wichtigen Mineralien auf Routen um das Kap der Guten Hoffnung;

— auf den gleichen Routen gehen Westeuropas verarbeitete Produkte nach Asien und Afrika.

Als wichtigstes Argument aber wird die militärische Bedeutung der Kap-Route herausgestellt Dabei spielt die Gefahr einer Blokkierung der Kap-Route eine herausragende Rolle. Eine solche Blockade würde sich gegen vitale Interessen der westlichen Staaten richten. Dies wäre im Sinne der sowjetischen Globalstrategie; so bestände z. B. die Gefahr, daß sowjetische Marine-Einheiten den Seeweg um das Kap sperren oder daß eine afrikanische Mehrheitsregierung die südafrikanischen Häfen schließen könnte. Durch die von sowjetischer Seite bestimmte Interventionspolitik in Angola und zahlreiche Waffenlieferungen an Guerilla-Bewegungen im Südlichen Afrika erhält diese Befürchtung ständig neues Gewicht

Die Gegenargumente sind strategischer und politischer Art:

1. Der Aufbau einer sowjetischen Seemacht im Indischen Ozean entwickelt sich stetig; je-doch ist die Stärke gegenüber westlichen See-streitkräften immer noch gering. Außerdem gestaltet sich der Nachschub für die sowjetischen Einheiten — zumal im Konfliktfalle — außerordentlich schwierig. Auch die Weite des Seeraumes zwischen dem Kap und der Eisgrenze im Süden ist viel zu groß, als daß sie gestört oder gar unterbrochen werden könnte Selbst der Abstand bis zum 40. Breitengrad, wo die ununterbrochenen Stürme der Antarktis herrschen, beträgt immer noch knapp 300 Seemeilen. Es ist undenkbar, diese Breite der Kap-Route mit den vorhandenen sowjetischen Einheiten zu blockieren; ganz abgesehen davon, daß die NATO-Mächte dem nicht tatenlos zuschauen würden. 2. Die unabhängig gewordenen ehemaligen portugiesischen Kolonien, deren führende Parteien wesentliche Waffenhilfen aus dem östlichen Lager erhalten haben, reagieren sehr empfindlich, wenn sie in neuerliche Abhängigkeit kommen sollten Mozambique und Angola bauen eine sozialistische Gesellschaft eigener Prägung auf und sind nicht gewillt, sich politische Entscheidungen von östlicher Seite vorschreiben zu lassen

IV. Die Unabhängigkeit der Transkei

Am 26. Oktober 1976 wurde das „Heimatland" Transkei von der Südafrikanischen Zentralregierung formell in die staatliche Unabhängigkeit entlassen. Die grundsätzliche Bedeutung dieses Aktes ergibt sich daraus, daß die Entlassung eines der neugeschaffenen „Heimatländer" (Homelands) in die völkerrechtliche Unabhängigkeit das Schicksal aller Afrikaner in Südafrika vorbestimmen und daß eine eventuelle diplomatische Anerkennung ein solches Vorgehen international legitimieren könnte. Damit wäre nämlich das Konzept der „getrennten Entwicklung" (Apartheid) international akzeptiert

Der Charakter einer Anerkennung kann politisch, rechtlich oder ideologisch abgeleitet werden — je nach Interessenlage des Staates, der die Beziehungen aufnimmt. Für die Transkei würde sich die international anerkannte Unabhängigkeit in der völkerrechtlichen Aufwertung auswirken: Als eigenes Subjekt des Völkerrechts wäre die Transkei in der Lage, Entwicklungshilfeabkommen sowie politische, wirtschaftliche, kulturelle oder sogar militärische Kooperationsverträge mit anderen Staaten abzuschließen. Damit würde sich die übermächtige Abhängigkeit von der Republik Südafrika vermindern und eigene Interessen ließen sich durch die Vielfalt der Partner besser verwirklichen. Schließlich besteht mit der Erlangung der Unabhängigkeit die — zumindest theoretische — Möglichkeit, die eigene Gesellschaftsordnung und das menschliche Zusammenleben der Rassen autonom zu bestimmen und alle Diskriminierungen aufzuheben. Dabei sind allerdings die Auswirkungen auf die Republik Südafrika mit zu berücksichtigen.

Eine ganz andere Frage ist die der Gerechtigkeit: Ist es gerecht, den Xhosas die Ausübung politischer Rechte und damit die Ausübung wirtschaftlicher Macht und die Aneignung wirtschaftlichen Reichtums ausschließlich im Territorium der Transkei zu gestatten und sie damit zu Ausländern in den anderen Gebieten Südafrikas zu machen, die ihnen früher gehörten? Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich alle wirtschaftlich erschlossenen Gebiete, alle Industriezentren und fast alle Bodenschätze in den „weißen" Gebieten befinden. Den Afrikanern — 70 °/o der Gesamtbevölkerung Südafrikas — werden 13% des Bodens als sog. „Heimatländer" zugewiesen; den Xhosas, die 14% der Gesamtbevölkerung ausmachen, werden 3 % des Bodens zugeteilt. Für viele, die seit Generationen in den „weißen" Gebieten leben, bedeutet das die faktische Ausweisung aus den übrigen Gebieten Südafrikas. Eine solche territoriale Aufteilung des Landes ist ungerecht im Sinne der von der Erklärung der Menschenrechte geforderten Gleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen. Da die Afrikaner am wirtschaftlichen Aufbau Südafrikas durch ihre billige und reichlich vorhandene Arbeitskraft entscheidend mitbeteiligt sind, haben sie ein unabsprechbares Recht auf Mitbeteiligung an den Erträgen und an dem wirtschaftlichen Reichtum des Landes. Dieses Recht würde den Xhosas sowie den übrigen Afrikanern verlo-rengehen bzw. genommen, wenn ihre in den unterentwickelten Randzonen Südafrikas gelegenen „Heimatländer" zu unabhängigen Staaten geworden sind.

Eine weitere Frage betrifft das Selbstbestimmungsrecht. Die „getrennte Entwicklung" bietet die Möglichkeit zur eigenständigen Entwicklung aller Völker Südafrikas und schließt in der Logik ihrer Perspektive die Beherrschung eines Volkes durch ein anderes aus.

Als Beweis für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes wird auf den Ausgang verschiedener Wahlen in den „Heimatländern" hingewiesen, die in wachsendem Maße auf eine Unterstützung der „getrennten Entwicklung" hinzudeuten scheinen. Dabei ist allerdings nicht berücksichtigt, daß keine echten Alternativen bestanden und daß nur ein Teil der Bevölkerung wählte, nämlich hauptsächlich Frauen, weil die abwesenden Männer sich kaum beteiligten. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß das Konzept der „getrennten Entwicklung" ohne Mitarbeit der Afrikaner und gegen ihren Widerstand ausgearbeitet und vom Zentralparlament verabschiedet wurde, in dem „Nicht-Weiße" nicht vertreten sind. Es gab auch keine freie Entscheidungsmöglichkeit zwischen dem Regierungskonzept und anderen Alternativen, wie z. B. einer Integration oder einer Föderation. Damit ist die Mehrheitsentscheidung des Abgeordnetenhauses in Umtata — die Unabhängigkeit der Transkei zu beantragen — hinfällig, weil es nicht die Anforderungen erfüllt, die an eine echte Volksvertretung zu stellen sind: 65 Abgeordnete sind ernannte Häuptlinge und nur 45 Abgeordnete wurden gewählt — wobei die Oppositionspartei durch Verhaftungen erheblich benachteiligt war. Außerdem sind die Machtbefugnisse des Abgeordnetenhauses der Transkei vom südafrikanischen Gesetzgeber übertragen worden — und nicht vom freien Willen der Bevölkerung.

Mit der staatlichen Unabhängigkeit eines Teilstaates gehen die wirtschaftlichen Rechte der Afrikaner, die sie sich durch ihre Arbeit in Südafrika erworben haben, verloren. Der mächtige und reiche Staat Südafrika spaltet mehrere kleine und arme Staaten zum Nachteil der politisch schwächeren Bevölkerung als unabhängige „Heimatländer" ab und möchte sich damit der Verantwortung für die Mehrheit der Bevölkerung entheben.

Was bedeutet diese Entwicklung nun für Afrikaner außerhalb der Transkei? Zunächst ist festzustellen, daß die städtische Bevölkerung (ca. 9 Millionen Afrikaner) in den weißen Gebieten bleiben möchte. Diese lehnen auch eine Zusammenarbeit mit Politikern der „Heimatländer“ ab, weil mögliche Vorteile für die Bewohner der „Heimatländer" sich zum Nachteil des Geburtsrechtes von Millionen Afrikanern auswirken, deren Heimat Südafrika ist. Politisch aktive afrikanische Gruppen, insbesondere in den weißen Stadtgebieten, engagieren sich für die Wiederentdekkung der Werte einer afrikanischen Kultur im Sinne von „Black Consciousness" (Schwarzes Bewußtsein), „Black Theology“ (Schwarze Theologie) und „Black Power" (Schwarze Macht); sie erstreben eine multirassische, integrierte Gesellschaft auf dem gesamten Territorium Südafrikas.

Obwohl die Führer der „Heimatländer" auf einer Gipfelkonferenz im November 1973 beschlossen hatten, gemeinsam eine föderative Lösung anzustreben und eine eventuelle Unabhängigkeit gemeinsam abzusprechen, scherte die Transkei mit ihrem Antrag auf Unabhängigkeit aus. Die Stärke eines gemeinsamen Vorgehens wurde vergeben — und die Einheitsfront ist zerbrochen. Eine gemeinsame Verweigerung der Unabhängigkeit bzw. ein gemeinsames Paket politischer und wirtschaftlicher Forderungen hätte die weiße Regierung vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt. Jetzt bleibt den Chefministern der anderen „Heimatländer" nichts anderes übrig, als ebenfalls die Unabhängigkeit zu beantragen. Als zweites wird Bophutatswana am 6. Dezember 1977 unabhängig. Eine gemeinsame Durchsetzung der afrikanischen Rechte ist gescheitert.

Mit einer diplomatischen Anerkennung der Transkei und anderer Heimatländer wird die Apartheidpolitik Südafrikas international legitimiert und dadurch eine präjudizierende Entscheidung für das Schicksal aller afrikanischen Bewohner gefällt. Die weiße Regierung wird aus der Verantwortung für zunächst drei Millionen Afrikaner und später potentiell für alle Afrikaner der Republik Südafrikas entlassen. Es wird anerkannt, daß die Weißen Südafrikas sich durch „Ausverleibung" der Verantwortung für die Mehrheit der eigenen Bevölkerung entziehen

V. Die Turnhallenkonferenz über Namibia

Das Land, das in Übereinstimmung mit der Praxis der Vereinten Nationen Namibia genannt wird, wurde 1884 als „Deutsch-Südwest" Schutzgebiet des Kaiserreiches. Im Ersten Weltkrieg besetzten südafrikanische Streitkräfte das Gebiet, das 1920 der Republik Südafrika als Mandat übergeben wurde. Weil Südafrika sein Apartheid-System auch auf „Südwestafrika“ übertragen hatte, entzog die Vollversammlung der Vereinten Nationen 1966 Südafrika das Mandat und errichtete 1967 einen UNO-Rat für Namibia. Im Jahre 1970 unterstrich der UN-Sicherheitsrat den Entzug des Mandates und 1971 bestätigte dies der Internationale Gerichtshof im Haag Zunächst begannen die Vereinten Nationen Anfang 1972 einen Dialog mit der südafrikanischen Regierung, in deren Verlauf der Generalsekretär Kurt Waldheim und sein Beauftragter Escher auch Gespräche in Namibia führten. Die weitere Entwicklung wurde allerdings durch andere Ereignisse innerhalb und außerhalb Namibias bestimmt: — Im Dezember 1972 gingen militante Streik-aktionen von afrikanischen Wanderarbeitern aus, die im Februar 1973 zur Einsetzung eines mehrrassischen beratenden Gremiums führten.

Die Befreiungsbewegung SWAPO, die den — bewaffneten Kampf gegen die südafrikanische Besetzung führt, wurde 1973 von der UNO als rechtmäßige Vertreterin der Bevölkerung von Namibia anerkannt. — Mit dem Militärputsch in Portugal wurde der Weg frei für die staatliche Unabhängigkeit des Nachbarn Angola

Dies alles führte zu der Bereitschaft der südafrikanischen Regierung, eine Verfassungskonferenz zur Regelung der Zukunft Namibias einzuberufen. Am 1. September 1975 traten in der ehemaligen deutschen Turnhalle in Windhuk Vertreter aller ethnischen Gruppen (unter Ausschluß der SWAPO) zu der Verfassungskonferenz — der „Turnhallenkonferenz“ — über Namibia zusammen. Gemäß einer Empfehlung der Odendaal-Kommission von 1964 war das Territorium Namibias in elf „nationale Gruppen“ aufgeteilt worden, deren weitgehend ernannte Repräsentanten ihre Volksgruppen bei der Konferenz in Windhuk vertraten. In der ersten Phase der Verhandlungen taten sich alle Beteiligten sehr schwer, ihrem Auftrag gemäß einen Verfassungsentwurf vorzubereiten Aber das vom UN-Sicherheitsrat zum 31. August 1976 gesetzte Stichdatum für die Unabhängigkeit Namibias beschleunigte die Beratungen, die am 18. August zu folgenden Vorschlägen führten: 1. Es wird ein einheitlicher Bundesstaat geschaffen, der zum 31. Dezember 1978 unabhängig werden soll. 2. Eine gemischtrassische Übergangsregierung mit dem weißen Konferenzpräsidenten Dirk Mudge als Ministerpräsidenten und dem Herero-Häuptling Clemens Kapuuo als erstem Staatspräsidenten soll ernannt werden; die Ressorts Verteidigung und Äußeres behält sich Südafrika vor. 3. Die elf Bevölkerungsgruppen sollen in Wahlen — mit ausländischer Präsenz, jedoch keiner internationalen Kontrolle —-ein viel-rassisches Parlament beschicken. 4. Der Verfassungsausschuß arbeitet den Entwurf einer Verfassung aus

Januar 1977 haben sich die Vertreter der Im elf Volksgruppen über die Grundzüge einer Verfassung für Namibia geeinigt:

1. Bis Mai 1977 soll eine unabhängige, gemischtrassische Zentralregierung eingesetzt werden. 2. Darunter sollen starke Regionalräte und Lokalverwaltungen auf geographischer — und das bedeutet auf ethnischer — Grundlage gebildet werden. 3. Der Verfassung soll ein Grundrechtskatalog vorangestellt werden, der jedermann überall Grunderwerb gestattet. 4. Es ist noch ungeklärt, ob die vorgesehene Nationalversammlung proportional von der gesamten Einwohnerschaft gewählt wird oder ob alle ethnischen Gruppen die gleiche Anzahl von Abgeordneten entsenden

Die bisherigen Ergebnisse der Turnhallen-Konferenz erweisen den bestimmenden Einfluß der südafrikanischen Regierung, die den ultimativen Forderungen der Vereinten Nationen nach Durchführung freier Wahlen unter UN-Kontrolle, Rückzug aller südafrikanischen Sicherheitskräfte, Abschaffung der ethnisch begründeten Aufteilung des Landes und Freilassung aller politischen Gefangenen sowie Rückkehr aller Namibianer aus dem Exil stets ausgewichen ist. Diese Verfassungsgespräche lassen sich mit den Worten eines britischen Konservativen so einschätzen: „Was verhandelt wurde, ist ein Teilen, nicht ein Übergang der Macht.“

Wenn die 100 000 Weißen und die 750 000 farbigen Staatsangehörigen nicht bald in realistische Verhandlungen eintreten, erscheint der bewaffnete Kampf in Namibia unausweichlich.

VI. Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Südafrika

Bei dem wirtschaftlichen Engagement der USA, Westeuropas, Japans und neuerdings Israels sind folgende Persepktiven von Bedeutung: 1. Die Region ist eine der wichtigsten Rohstoffquellen der Industriestaaten in der Dritten Welt, wobei seltene Mineralien, die für die moderne Industrie-und Rüstungsproduktion notwendig sind (totale Abhängigkeit zu Stahlveredlern), und strategische Materialien — wie das Chrom Rhodesiens (zusammen mit dem Südafrikas 37 % des Weltmarktes) — eine entscheidende Rolle spielen 2. Als Außenhandelspartner stellt das südliche Afrika für die westlichen Industriestaaten den größten Markt für Konsum-und Investitionsgüter in Afrika dar. Allein die Exporte der Republik Südafrikas gingen zu 75 °/0 in die EG, die USA und nach Japan, die wiederum zusammen 64% der Importe (1971) Südafrikas bestritten 3. Das weiß-beherrschte Afrika ist zu einer bevorzugten Kapitalanlageregion geworden, weil das Herrschaftssystem als stabil und zuverlässig angesehen wird und die Lohn-und Sozialkosten niedriger sind als in anderen Ländern mit vergleichbar gut entwickelter ökonomischer Infrastruktur Das erlaubt ausländischen Investoren hohe Profitraten (12— 17 %) bei geringem Risiko. In Südafrika beliefen sich Ende 1968 die ausländischen Investitionen auf mehr als 6 Milliarden US-Dollar, an denen Großbritannien mit ca. 55 %, das übrige Westeuropa mit 19 % und die USA mit 15 % beteiligt waren

4. Die ständig zunehmende Entwicklung der Produktivität in den hochtechnisierten Industrienationen und die Steigerung der Kosten führen zu langfristigen Kapitalexporten und zum Aufbau von Industrien in der Dritten Welt. Das Weiße Afrika ist wegen des unerschöpflichen Reservoirs billiger Arbeitskräfte besonders attraktiv, wobei der hohe Entwicklungsstand der Produktivkräfte in der Republik Südafrika eine große Anziehungskraft für die Auslandsfertigung der internationalen Industriekonzerne darstellt

5. Die Sicherung dieser wirtschaftlichen Interessen erfordert eine enge militärische Zusammenarbeit von Rhodesien und Südafrika, deren Streitkräfte denen Schwarzafrikas weit überlegen sind. Hinzu kommt ihre günstige geopolitische Lage auf der südlichen Spitze des afrikanischen Kontinents, die ihnen eine bevorzugte Position hinsichtlich ihrer Verteidigung und Sicherheit gibt Auch für die globalen strategischen Überlegungen der west-liehen Welt kommt dem Südlichen Afrika eine zunehmende Bedeutung zu, denn die Sicherung des Seeweges um das Kap der Guten Hoffnung ist für Europas ’Ol und Lebensmittel wichtig. So ist es nicht verwunderlich, daß NATO-Staaten wesentlich zu den Rüstungsanstrengungen der weißen Minderheitsregime beitragen, dabei aber immer ihr strategisches Interesse der Flankensicherung im Süd-Atlantik und im Indischen Ozean hervorgehoben wird. Daß die gelieferten Waffen auch zur Unterdrückung, beziehungsweise Bekämpfung der autochthonen Völker benutzt werden, wird geleugnet oder verdrängt. 6. Der strategischen Absicherung der weißen Herrschaft dienen gigantische Industrieprojekte wie auch die Erschließung von Siedlungsland für weiße Einwanderer, „um eine menschliche Mauer gegen die schwarzen Befreiungsbewegungen zu bilden" 7. Die wirtschaftliche Kooperation wird ergänzt durch ein großes Verbundsystem im Verkehrswesen. Die Schaffung von neuen Eisenbahnverbindungen, von Kanälen und Kontinentalstraßen, die Schiffbarmachung des Sambesi und die Anlage von strategischen Flugplätzen dient sowohl der wirtschaftlichen Integration als auch der militärischen Kommunikation.

8. Schließlich ist die politische Flankendekkung der Politik der weißen Regime in internationalen Gremien durch die parlamentarischen Demokratien des Westens zu erwähnen. Alle internationalen Aktionen — vom Waffenembargo gegen Südafrika bis zu den wirtschaftlichen Sanktionen gegen die abtrünnige Kolonie Rhodesien — blieben erfolglos, weil ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sich nicht daran hielten oder wirksame Maßnahmen durch ihr Veto paralysierten

VII. Die Frontstaaten gegenüber dem Weißen Süden

Zur Unterstützung der Emanzipationsbestrebungen der Afrikaner gegen die weißen Minderheitsregime tragen in besonderem Maße die schwarzafrikanischen Nachbarstaaten bei, die in vorderster Front liegen. Die Argumente der Frontstaaten Botswana, Zambia, Tanzania und — seit der Beendigung der Kolonialherrschaft Portugals — von Mozambique und Angola lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen: 1. Im Lusaka-Manifest von 1969 — das nachträglich sowohl von der UN-Vollversammlung als auch von der OAU als politische Erklärung gebilligt wurde — formulierten 13 ost-und zentralafrikanische Regierungen ihre Einstellung zum Problem der Rassendiskriminierung im südlichen Afrika und die Bedingungen zur Emanzipation: „Unser Ziel läßt sich ableiten aus unserer Bindung an das Prinzip der Gleichheit aller Menschen. Wir stehen der Verwaltung dieser Staaten nicht deshalb feindlich gegenüber, weil sie sich aus Weißen zusammensetzt und von Weißen kontrolliert wird. Wir verhalten uns ihnen gegenüber vielmehr deshalb ablehnend, weil sie Systeme darstellen, in denen eine Minderheit die Macht ausübt, die wiederum auf Doktrinen basiert, in denen die Ungleichheit der Menschen Prinzip ist. Wir setzen uns für das Recht der Selbstbestimmung der Menschen dieser Territorien ein. Wir kämpfen für Gesetze in diesen Ländern, die dem Willen aller Menschen entspringen, und die die Gleichberechtigung jedes Bürgers anerkennen."

Seit 1963 besteht der Beschluß des unabhängigen Afrikas, weder diplomatische, wirtschaftliche noch soziale Beziehungen mit dem Weißen Süden zu pflegen. Moralisch begründet wird dieser Anspruch auf Isolierung damit, daß „das System eines jeden Landes, das wünscht, von der Gemeinschaft der Nationen anerkannt und in sie aufgenommen zu werden, auf der Anerkennung des Prinzips menschlicher Würde und Gleichberechtigung basieren muß"

Die Regierung Südafrikas weigert sich beharrlich, über die internen Angelegenheiten des Landes zu sprechen, obwohl gerade in ei-nem solchen echten „Dialog'mit seinen schwarzafrikanischen Nachbarn die Chance eines friedlichen Wandels läge und den militanten Befreiungsbewegungen somit der Boden entzogen würde. Statt dessen versucht das südafrikanische Apartheidsregime, sich mit der „Outward Looking Policy" — einer nach außen gerichteten Politik, auch „Detente-" oder „Dialog-Politik" genannt — an die unabhängigen afrikanischen Regierungen zu wenden und das geographische Hinterland wirtschaftlich, politisch und sogar militärisch zu durchdringen

Die Befürworter einer Politik des Dialogs mit Südafrika sehen darin einen hoffnungsvollen Weg, die Apartheid ohne Anwendung von Gewalt — als „Überredung durch Freundschaft" (Banda) wirksam zu bekämpfen. Auf der anderen Seite sieht die weiße Regierung Südafrikas den Dialog als ein Mittel, die gegenwärtige Herrschaftsstruktur in Südafrika zu festigen. Doch es hat sich gezeigt, daß den Befürwortern einer Politik des Dialogs hauptsächlich an Entwicklungskrediten und preiswerten Handelsgütern gelegen war. Auch Staaten, die offizielle Kontakte mit der südafrikanischen Regierung ablehnen, haben sich um private Investitionen aus Südafrika bemüht. Trotzdem gibt es insbesondere bei den Bevölkerungen im unabhängigen Afrika ein starkes Gefühl der Verbundenheit mit ihren „unterdrückten Brüdern" im Weißen Süden. 2. Darüber hinaus stellt die Kontaktaufnahme zu schwarzafrikanischen Staaten für die weißen Regime und Wirtschaftsführer den Versuch dar, über wirtschaftliche Angebote und infrastruktureile Investitionen neue Absatz-und Kapitalverwertungs-Märkte zu erschließen. Ihre steigenden Produktionskapazitäten, das technische „know-how" und die materiellen Ressourcen bedeuten für die unterentwikkelten Länder Schwarzafrikas einen starken Anreiz zur Kooperation mit den Minderheitsregimen. Für Südafrika geht es nicht nur um die Schaffung neuer Exportmärkte, sondern eine wirtschaftliche Durchdringung bezweckt auch die Willfährigkeit souveräner afrikanischer Staaten. Der Export von „know-how" und seine Vermittlung an Experten in Schwarzafrika hat auch die Funktion, kapitalistisch-technokratische Methoden zur Lösung wirtschaftlicher und sozialer Probleme in die unterentwickelten Staaten zu tragen und radikale alternative Modelle zu verhindern

Die wirtschaftliche Expansion stellt somit für die betroffenen Länder eine Bedrohung ihrer eigenen Entwicklungsplanung dar, weil sich die südafrikanischen Unternehmen — mit der Rückendeckung ihrer westlichen Investoren — nur von ihren eigenen Interessen, nicht aber von denen des Gastlandes leiten lassen und sich aggressiver Geschäftsmethoden bedienen, denen einheimische Industrien kaum gewachsen sind. Ferner ist davon auszugehen, daß diese südafrikanischen Firmen auch in den unabhängigen Staaten das System geringer Entlohnung nach rassischen Kriterien übertragen und somit ihre Apartheidsideologie exportieren werden. Eine solche wirtschaftliche Expansion kann nicht im Interesse der unterdrückten afrikanischen Mehrheiten im Südlichen Afrika liegen, weil die Strukturen zu ihrer Ausbeutung verfestigt und möglicherweise nach Norden über den Sambesi hinaus verbreitet würden 3. Die schwarzafrikanischen Staaten sind auf der Seite der unterdrückten afrikanischen Mehrheiten und lehnen die „Detente-Politik“ Südafrikas ab, weil sie nicht zur Emanzipation der Afrikaner beiträgt und weil sie die Absichten der Minderheitsregime durchschauen, mit dieser Kontaktsuche ihr geographisches Hinterland zu durchdringen. Sie haben erkannt, daß hinter wirtschaftlichen Hilfeleistungen die politisch-militärische Zielsetzung steht, die OAU-Mitgliedsstaaten zu spalten, um damit die Befreiungsbewegungen in den weiß-beherrschten Territorien zu schwächen

Da die Befreiungsbewegungen den bewaffneten Kampf von ihren Organisationsbasen in den schwarzafrikanischen Nachbarstaaten nach dem Weißen Süden tragen, sind es insbesondere diese „Frontstaaten" Schwarzafrikas, die einem militärischen Gegenschlag des Weißen Blocks ausgesetzt sind. In dem Maße, wie die Guerillaaktionen im südlichen Afrika erfolgreich sind, müssen Vergeltungsaktionen der Minderheitsregime gegen die Staaten* Schwarzafrikas erwartet werden, die den Guerillas Unterstützung gewähren. Insbesondere Zambia und Tanzania, seit einigen Monaten auch Mozambique, Angola und Botswana, sind Ziele aggressiver Handlungen südafrikanischer und rhodesischer Sicherheitskräfte geworden. Das hat die betroffenen Regierungen veranlaßt, ihre Verteidigungsanstrengungen zu verstärken, was nur auf Kosten anderer Entwicklungsvorhaben geschehen kann.

Die andere Antwort auf wirtschaftliche Erpressungsversuche und militärische Bedrohung ist das Bemühen Zambias, wirtschaftliche Kommunikationslinien zu schaffen, die nicht vom Weißen Süden kontrolliert werden können: Nach der Unabhängigkeitserklärung Rhodesiens bauten die Italiener für Zambia eine Ölleitung von Dar es Salaam nach dem Kupfergürtel (Copperbelt); die Straßenverbindungen von Lusaka nach Tanzania und nach Malawi wurden mit amerikanischen Geldern ausgebaut und asphaltiert; mit chinesischer Hilfe wurde mit Hochdruck an der Uhuru-Eisenbahnlinie gearbeitet, die von Dar es Salaam aus das zambische Kupfergebiet anschließt und am 22. Oktober 1975 offiziell eingeweiht wurde; in Lusaka wurde ein leistungsfähiger Flughafen fertiggestellt, der für Lieferungen per Luftbrücke genutzt werden kann. Auch der Bau der Kraftwerke bei Kafue und Kariba-Nord ist im Zusammenhang mit der Abhängigkeit von Stromlieferungen von der rhodesischen Seite des Kariba-Staudamms zu sehen. Schließlich ist die Beteiligung Zambias am Aufbau einer ostafrikanischen Handelsflotte zu erwähnen.

Die gefährdeten Frontstaaten haben ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, um weiterhin Operationsfeld für die in den Weißen Süden eindringenden Guerillas sein zu können Mit der Hilfe für die Befreiungsbewegungen, die das weiße Militär binden, verteidigen diese Staaten letztlich auch ihre eigene nationale Integrität. 4. Mit dem Südlichen Afrika direkt konfrontiert sehen die militanten Gegner der Minderheitsregime in deren Politik eine Herausforderung ihres angestrebten humanistisch-sozialistischen Entwicklungsweges. Kaundas „Philosophie des Humanismus", Nyereres „UjamaaSozialismus" und Machels „A — luta — continua-Sozialismus" stellen eine radikale Gegenkonzeption zur Doktrin der „Getrennten Entwicklung" bzw. „Apartheid" dar. Diese Konzeptionen geben für sie die Rechtfertigung ab für eine — auch gewaltsame — Einwirkung auf die inneren Verhältnisse rassistisch oder kolonialistisch regierter Länder. Gemäß diesen Partei-und Staatsideologien war es selbstverständlich, daß Kaunda und Nyerere, dann auch Machel und Neto, den Befreiungsbewegungen im Südlichen Afrika ihre Unterstützung gewährten. Der Sicherung ihrer Sozial-und Wirtschaftssysteme dienen die folgenden Zielvorstellungen: a) Politik der „Self-Reliance“ (Entwicklung aus eigener Kraft) und der Versuch einer politischen und wirtschaftlichen Abstimmung auf regionaler Ebene; b) Politik demokratischer Partizipation auf allen Ebenen und Ein-Parteien-Demokratie; c) dezentralisierte Entwicklung im Lande und regionale Entscheidungsgewalt; d) Politik der Blockfreiheit (non-alignment); e) Aktivierung der OAU und ihres Befreiungskomitees, wodurch die Staaten Schwarz-afrikas enger an den Befreiungskampf im Weißen Süden gebunden werden; f) Diplomatische Offensive zur Mobilisierung der Weltöffentlichkeit, die der politischen Isolierung der Feinde des unabhängigen Afrikas dient.

Eine solche Politik ist für die unterdrückten Afrikaner im Süden des Kontinents zugleich ein Beispiel dafür, wie eine selbstbestimmte Zukunft in den jetzt noch abhängigen Territorien aussehen kann. 5. Das weiße Südafrika wird als eine „Nebenmetropole des westlichen Imperialismus und Neokolonialismus" (Ferreira) gewertet, die den Staaten Schwarzafrikas vor der Haustür liegt Die panafrikanische Bewegung war ursprünglich auf Entkolonisierung gerichtet; doch dann hatte sich der Kurs gegen den Neokolonialismus in Afrika entwickelt.

Im weltpolitischen Kräftespiel stellt sich heute die Frage, welche Staatengruppe — beziehungsweise welcher Teil davon — zuerst den widerstreitenden Interessen anheimfällt: die schwarzen Frontstaaten oder die weißbeherrschten Territorien?

Die Entscheidung in diesem Konflikt hängt ab von der jeweiligen Unterstützung der beteiligten Parteien durch die Weltmächte: Woher stammen die wichtigsten Waffenlieferungen und wer leistet echte Entwicklungshilfe? Die Waffenlieferungen westlicher Staaten an Südafrika wurden bereits erwähnt, ebenso der Versuch einer neokolonialistischen Durchdringung vom Weißen Süden über den Sambesi nach Norden. Auf der anderen Seite erhalten die Befreiungsbewegungen ihre Waffen und Ausbildung hauptsächlich von der UdSSR und ihren europäischen Verbündeten, außerdem von der Volksrepublik China und von Kuba. Hiermit ist das Muster einer sich eskalierenden Auseinandersetzung im Süden Afrikas vorgezeichnet. Präsident Kaunda von Zambia sah schon 1965 „nicht nur den Konflikt der Rassen, sondern auch der Ideologien. Und ich fürchte, daß schließlich daraus ein Kampf wird, in dem, wie im vietnamesischen Krieg, die Westmächte Seite an Seite mit den Rassisten im Südlichen Afrika gegen die schwarze Bevölkerung kämpfen — unter dem Vorwand, daß es sich um eine kommunistische Invasion in Afrika handelt."

Zambia, Tanzania, Mozambique, Angola und Botswana betrachten sich selbst als Frontstaaten gegenüber dem weißbeherrschten Süden, den sie zu befreien trachten. Ihre wortradikalen Drohgebärden stehen allerdings in krassem Gegensatz zu ihrem tatsächlich geleisteten Einsatz. Alle diese Staaten haben die Guerillas, die von ihren Territorien operieren, mehr oder weniger behindert. Oftmals wurden deren Operationen überhaupt verboten und Guerillas interniert und gelegentlich auch ausgeliefert. Die geographische und wirtschaftliche Verzahnung aller Staaten des Südlichen Afrika lassen eine totale Konfrontation der Staaten dieser Region gar nicht zu. Die Detente-Politik seit Ende 1974 geht von diesen — oftmals aus der Kolonialzeit stammenden — Interdependenzen aus und versucht sie auf dem Wege einer Verhandlungslösung in mehreren langfristigen Schritten zu nutzen. Das ist auch im wohlverstandenen staatlichen Eigeninteresse der Frontstaaten zu erklären.

VIII. Ausblick

Im Südlichen Afrika finden zur Zeit bedeutende Veränderungen statt, die darüber entscheiden, wie sich die politische Ausrichtung der meisten Staaten des afrikanischen Kontinents entwickelt. Ein Rassenkrieg zieht herauf, in dem die westlichen Staaten nicht in der Lage sein werden, Südafrika politisch oder militärisch zu unterstützen; vom schwarzen Afrika werden die westlichen Industriegesellschaften wegen ihrer vielfältigen wirtschaftlichen Verbindungen zur südafrikanischen Apartheid-Gesellschaft jedoch an der Seite der weißen Rassisten gesehen. Für die praktische Politik der Bundesrepublik Deutschland muß das durchgesetzt werden, was Egon Bahr im Oktober 1976 als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit gesagt hat: „Wo Menschen die Teilhabe an wirtschaftlichen, politischen und technischen Errungenschaften vorenthalten wird, herrscht Unterdrückung; ... (und) Unterdrückung darf nicht gleichgesetzt werden mit der westlichen Welt und ihren Interessen . . . Wir stehen auch für das Südliche Afrika auf Seiten der Mehrheit, die um ihre Rechte kämpft . , . (und) setzen unser politisches Engagement und unsere Wirtschaftskraft dafür ein, daß es dort eine Lösung geben kann, bei der Gewalt möglichst vermieden wird." Und Botschafter Rüdiger von Wechmar sagte im März 1977 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: „Die Bundesregierung hat immer wieder erklärt, daß sie Südafrikas Politik der unterschiedlichen Behandlung von Menschen aus Gründen der Rasse und Farbe verurteilt. Südafrika ist gewiß nicht das einzige Land, gegen das der Vorwurf der Rassendiskriminierung oder Menschenrechts-Verletzungen erhoben werden muß. Die Situation in Südafrika ist aber dadurch besonders gekennzeichnet, daß die Rassendiskriminierung institutionalisiert worden ist. Apartheid ist ein ausgefeiltes System, das die gesamte staatliche Ordnung beherrscht und die Beziehungen zwischen Staat und Bevölkerung sowie zwischen den Bevölkerungsgruppen regeln will. Nicht das Recht der weißen Minderheit, Südafrika als Heimat zu betrachten und dort gleichberechtigt leben zu können, steht zur Dis-kussion. Niemand — auch nicht die verantwortungsbewußten Führer Schwarzafrikas — stellt dieses Recht in Frage. Es kann aber auch hier keinen inneren Frieden ohne wirkliche Anerkennung der Grundsätze von Gerechtigkeit und Menschlichkeit geben."

Die politisch-praktischen Konsequenzen dieser Einschätzung sind auf verschiedenen Ebenen der bundesdeutschen Politik zu ziehen: In erster Linie obliegt es staatlichen Instanzen, mit politischen und wirtschaftlichen Schritten auf die Überwindung der Rassendiskriminierung hinzuwirken. Weiterhin haben die Parteien, die Industrieunternehmen und Gewerkschaften mannigfache Möglichkeiten der Einwirkung. Schließlich sind auch die Kirchen als gesellschaftliche Kräfte angesprochen. Friedenspolitik für uns bedeutet, auf die Republik Südafrika einzuwirken, die Politik der Apartheid aufzugeben und der afrikanischen Mitbevölkerung die fundamentalsten Menschenrechte nicht länger zu verwehren

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Franz Ansprenger, Kolonisierung und Entkolonisierung in Afrika, Stuttgart 1970, S. 45 ff.

  2. Vgl. Zehn UNO-Resolutionen gegen Südafrika, in: Süddeutsche Zeitung, München, 11. 11. 1977, S. 5.

  3. Zit. nach: System der Gewalt und der Ausbeutung, in: Vorwärts, Bonn, 13. 1. 1977.

  4. So in der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Rhodesiens vom 11. November 1965.

  5. Siehe Terence O. Ranger, Revolt in Southern Rhodesia 1896- 97. A study in African resistance, London 1967.

  6. Ausführliche Darstellung bei John Day, Southern Rhodesian African Nationalists and the 1961 Constitution, in: Journal of Modern African Studies, Cambridge, Vol. 7, No. 2, July 1969, S. 221— 247.

  7. Robert C. Good, U. D. I. The International Politics of the Rhodesian Rebellion, London 1973 (UDI = Unilateral Declaration of Independance).

  8. Alan Baldwin, Token Sanctions or Total Economic Warfare?, London (Justice for Rhodesia Campaign) 1972.

  9. Colin Legum, Southern Africa. The Secret Diplomacy of Detente; South Africa at the Cross Roads, London 1975.

  10. Siehe W. R. Kirkman/C. Legum/H. D. Laß, Rhodesien 1975/76. Analyse und Dokumentation zum Konflikt um Rhodesien/Simbabwe, Hamburg (Institut für Afrika-Kunde) 1976.

  11. The Kissinger Study on Southern Africa; with an introduction by Barry Cohen and Mohammed A. El-Khawas, Nottingham 1975.

  12. A. a. O., S. 68. , .

  13. Rhodesia Conference: Mr. Smith will have his back to the wall, in: Times, London, 21. 10. 1976.

  14. Vgl. Afrika kämpft, Berlin (West), 5. Jg., Nr. 27, November/Dezember 1976, S. 11.

  15. Tagesspiegel, 29. 9. 1976, S. 6.

  16. Vgl. Südliches Afrika, in: Entwicklungspolitische Korrespondenz, Hamburg, 7. Jg., Heft 3— 4/1976, S. 3— 7 und 37— 40.

  17. Observer, London, 14. 3. 1976.

  18. Nach BBC, London, 12. 11. 1976.

  19. Vgl. Kees Maxey, The Fight for Zimbabwe. The armed conflict in Southern Rhodesia since UDI, London 1975.

  20. Siehe hierzu Basil Dividson/Joe Slovo/Anthony R. Wilkinson, Southern Africa — The New Politics of Revolution, Harmondsworth 1976.

  21. Inzwischen ist die Patriotische Front von der OAU als alleiniger Vertreter von Zimbabwe anerkannt worden.

  22. Neue Kontroversen auf der Genfer Rhodesien-Konferenz, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. 11. 1976, S. 3.

  23. Rhodesien-Konferenz wird vertagt, in: Tages-spiegel, 14. 12. 1976, S. 5.

  24. Catholic Commission for Justice and Peace in Rhodesia: Civil War in Rhodesia. Abduction, Torture and Death in the Counter-Insurgency Compaign. A Report, London (Catholic Institute) for International Relations), September 1976.

  25. Time, New York, 21. 2. 1977, S. 25 f.

  26. Invasion der Armee Ian Smiths in Mosambik, in: Informationsdienst Südliches Afrika, Bonn, Nr. 6, Dezember 1976, S. 16; und Rhodesien gibt Grenzübergriff zu, in: Rhein-Zeitung, Koblenz, 21. 2. 1977, S. 2.

  27. Vgl. Jack E. Spence, The Strategie Significance of Southern Africa, London (Royal United Service Institution) 1970.

  28. Sean Gervasi/L. W. Bowman/Ellen Frey-Wouters, Portugal, the Western Powers and Southern Africa. A Report to the Special Committee on Decolonization of the United Nations (Draft: Con-fidential), O. O., o. J. (1974?), S. 4 + 28.

  29. Nach Wehrreport, Bonn, Nr. 47, 16. 12. 1974, S. PL/8.

  30. The Security of the Southern Oceans - Southern Africa the Key. Report of a Seminar, 16. 2. 1972.

  31. S. Gervasi u. a., a. a. O., S. 26.

  32. Siehe hierzu Arbeitskreis Südliches Afrika (Hrsg.), Volksrepublik Mosambik, O. O., o. J. (1975?).

  33. The Rise of Socialist Man in Africa, in: Guardian, London, 3. 2. 1977.

  34. Vgl. Alexander Kirby, Welche Unabhängigkeit für die Transkei? Entwicklungspolitische Korrespondenz — Sonderheft 1976, Hamburg, Juni 1976.

  35. Die vorstehenden Ausführungen folgen der profunden Studie von Leonhard Harding, Unabhängigkeit der Transkei. Zur völkerrechtlichen und politischen Anerkennung der Transkei durch die Bundesrepublik Deutschland, Hamburg (Institut für Afrika-Kunde) 1976.

  36. Siehe: Namibia — Der Kampf um Freiheit, Genf (Ökumenischer Rat der Kirchen) 1971, und Eugen Fehr, Namibia — Befreiungskampf in Südwest-afrika, Freiburg 1973.

  37. Zum Hintergrund siehe Winfried Nachtwei, Namibia. Von der antikolonialen Revolte zum nationalen Befreiungskampf. Geschichte der ehemaligen deutschen Kolonie Südwestafrika, Mannheim 1976.

  38. All Options and None. The Constitutional Talks in Namibia. Fact Paper on Southern Africa, No. 3, London (International Defence and Aid Fund) August 1976.

  39. Nach Namibia 76. Menschenrechte außer Kraft. Eine Dokumentation, Stuttgart, Düsseldorf (AEJ, BDKJ) 1976.

  40. Südwestafrika soll „Republik Namibia“ werden. Weniger Macht für die Weißen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. 1. 1977, S. 2.

  41. Zit. nach Peter Temple-Morris, Britains choice in Southern Africa, in: Observer, 6. 3. 1977, S. 10.

  42. Barbara Schilling/Klaus Unger, Die Bundesrepublik und das südliche Afrika. Ökonomische und militärische Aspekte des westdeutschen Neokolonialismus, in: Kursbuch 21, S. 133 ff.

  43. Eduardo de Sousa Ferreira, Der „Dialog" oder Südafrika als Nebenmetropole, in: E.de Ferreira, Portogiesischer Kolonialismus zwischen Südafrika und Europa, Freiburg, Bonn (Aktion Dritte Welt/Informationsstelle Südliches Afrika) 1972, S. 161; in Verbindung mit Financial Times, London, 15. 12. 1972.

  44. Zur Situation der Arbeiter siehe Alex Hepple, South Africa — Workers under Apartheid, London (International Defence and Aid Fund) 1969.

  45. Ruth First/Jonathan Steel/Christabel Gurney, The South African Connection. Western Investment in Apartheid, London 1973.

  46. Rainer Tetzlaff, Zur kollektiven Imperialismus-strategie in Süd-Ost-Afrika, in: Sozialistische Politik, Berlin (West), 4. Jg., Nr. 17, April 1972, S. 31.

  47. Colin Legum, Machtstruktur im südlichen Afrika, Bonn (Informationsstelle Südliches Afrika) 1972, S. 21.

  48. Siehe ökumenischer Rat der Kirchen (Hrsg.), Cabora Bassa und der Kampf um das südliche Afrika, Genf (ORK-Programm zur Bekämpfung des Rassismus) 1972; und: White Power: The Cunene River Scheme, London (Committee for Freedom in Mozambique, Angola und Guine) 1972.

  49. Franz Ansprenger, Der Schwarz-Weiß-Konflikt in Afrika, München 1971.

  50. Zit. nach Informationsdienst Südliches Afrika: Machtstruktur und Befreiungskampf im südlichen Afrika, Bonn (ISSA) 1972, S. 26 f.

  51. A. a. O., S. 27.

  52. Siehe Leonhard Harding, Die Politik der Republik Südafrika. Eine Politik der regionalen Kooperation, München 1975.

  53. Bettina Decke, Industrialisierung und Herrschaft in Südafrika, Neuwied 1972, S. 119.

  54. Robert Molteno, South Africa’s Drive to the North. A study of the economic consequences for African States, in: Zambia and the World. Essays on Problems relating to Zambia’s Foreign Policy, Lusaka 1970, S. 30— 54.

  55. Leonhard Harding, Afrikanische Politik im Südlichen Afrika, München 1975.

  56. Rainer Tetzlaff, Transnationale und internationale Interessenpolitik in Süd-Ost-Afrika. Die Eskalation eines Konfliktes, in: Vierteljahresberichte der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hannover, Nr. 47, März 1972, S. 57 f.

  57. E.de Ferreira, Der „Dialog“ oder Südafrika als Nebenmetropole, S. 159 ff.

  58. Zit. nach dem Interview: „We habe lost control of the boat", in Newsweek, 30. 12. 1968.

  59. Zit nach: Gemeinsame Verantwortung von Staat und Kirche für eine friedliche Entwicklung, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Bonn, 8. 10. 1976.

  60. Zit. nach Erklärung zu den Problemen im Südlichen Afrika, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Bonn, 5. 4. 1977.

  61. Siehe die konkreten Anregungen von Ernst-Otto Czempiel, Friedenspolitik im Südlichen Afrika. Eine Strategie für die Bundesrepublik Deutschland, München 1976.

Weitere Inhalte

Rolf Niemann, Dr. phil., Dipl. -Politologe, geb. 1939 in Hamburg, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte, Soziologie und Völkerkunde; Basisarbeit in den Bereichen gewaltfreie Aktion, Menschenrechte, Dritte Welt; z. Z. Bildungsreferentan einer internationalen ökumenischen Tagungsstätte. Veröffentlichungen u. a.: Von Rhodesien zu Zimbabwe. Emanzipation der Afrikaner durch Guerillakampf oder Verfassungskonferenz, Frankfurt 1976; Beiträge in: Th. Ebert /H. J. Benedict (Hrsg.), Macht von unten. Bürgerrechtsbewegung, außerparlamentarische Opposition und Kirchenreform, Hamburg 1968; Th. Ebert (Hrsg.), Ziviler Widerstand. Fallstudien aus der innenpolitischen Friedens-und Konfliktforschung, Düsseldorf 1970; R. Italiaander (Hrsg.), Diktaturen im Nacken, München 1971; Th. Ebert u. a., Demokratische Sicherheitspolitik. Von der territorialen zur sozialen Verteidigung, München 1974; H. J. Schultz (Hrsg.), Politik ohne Gewalt? Beispiele von Gandhi bis Cämara, Frankfurt 1976.