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Politische Wissenschaft und politische Praxis | APuZ 39/1977 | bpb.de

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APuZ 39/1977 Politische Wissenschaft und politische Praxis Reformpolitik und Sozialwissenschaften Wo entstehen staatliche Innovationsprogramme und wie können die Sozialwissenschaften zu ihrer Entwicklung beitragen? Ideenpolitische Grundlagen der Christlich Sozialen Union

Politische Wissenschaft und politische Praxis

Michael Buse /Siegfried Pabst

/ 32 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag stellt die Praxis der wissenschaftlichen Beratung aus der Sicht der von ihr »Betroffenen" dar. Es werden die verschiedenen Bereiche, in denen sich die F. D. P. in der Vergangenheit wissenschaftlicher Beratung bedient hat, und die Formen, in denen sich diese vollzogen hat, dargestellt. Anhand konkreter Beispiele aus der Praxis werden überdies einige Probleme wissenschaftlicher Beratung diskutiert, bei denen mangelnde Praxisorientierung der Wissenschaft, zu schlechte Kontakte zwischen den Bereichen Wissenschaft und Politik, die „Langzeitdauer“ wissenschaftlicher Forschung und die Produktion von Gefälligkeitsgutachten für innerparteiliche oder parlamentarische Auseinandersetzungen im Vordergrund stehen. Im Schlußkapitel wird eines der zentralen Probleme, die unterschiedlichen professionellen Rollen der an diesem Prozeß Beteiligten und das mangelhafte gegenseitige Verständnis, nochmals aufgegriffen und daraus die Schlußfolgerung gezogen, daß die Organisation des Prozesses der Zusammenarbeit zwischen Politikern und Wissenschaftlern eine neue Berufsrolle mit hohen Anforderungen aus beiden Bereichen notwendig macht, die die Unversitäten in ihren (hoffentlich bald erstellten) berufsbildbezogenen Curricula berücksichtigen sollten.

I. Praxis und Probleme wissenschaftlicher Beratung politischer Parteien am Beispiel der FDP

Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft hat sich mit ihrem diesjährigen Kongreß zum Thema . Politische Wissenschaft und Politische Praxis“ in die . Höhle des Löwen'gewagt: die Tagung findet in Bonn statt. So brisant auch die längst überfällige Begegnung zwischen wissenschaftlicher und praktischer Politik werden dürfte — beide Seiten pflegen hier hartnäckige Vorurteile —, so notwendig erschien es der Bundeszentrale für politische Bildung, sich an dieser Begegnung aktiv zu beteiligen: Neben der Sonderausgabe ihrer Wochenzeitung DAS PARLAMENT zum Kongreßthema sind auch die Beiträge dieser Ausgabe der „Beilage“ auf die Thematik abgestimmt. Die Redaktion versuchte dabei, unterschiedliche Aktionsebenen für die Umsetzung von politischer Theorie in die politische Praxis vorzustellen und zugleich etwas von dem — ebenialls unterschiedlichen — beruflichen Rollenverständnis der in den verschiedenen Gremien und Institutionen arbeitenden Sozialwissenschaftler sichtbar werden zu lassen. Das von CDU-Seite erbetene Manuskript lag wegen der plötzlichen Erkrankung des Autors nicht rechtzeitig vor-, die Redaktion wird um eine Veröffentlichung zu einem späteren Termin bemüht sein.

Die bisherige Orientierung der Diskussion über die wissenschaftliche Beratung der Politik ist überwiegend aus dem Blickwinkel der Wissenschaftler erfolgt. Diese Diskussion war in der Regel geprägt durch einen hohen ethischen Anspruch in bezug auf die Rolle einer vom Grundgesetz in ihrer Freiheit geschützten Wissenschaft in einer demokratischen Gesellschaft. Bei Politologen und Soziologen wurde dies noch durch ein Wissenschaftsverständnis ergänzt, das Politikwissenschaft und politische Soziologie als Wissenschaft von der und für die Demokratie 1) verstand und sich somit als kritische oder zumindest doch von dem Staat und seinen Institutionen kritisch distanzierte Wissenschaft verstand.

Wichtigster Problembereich dieser Diskussion war dann im wesentlichen auch die Angst davor, in einer allzu engen Kooperation mit der Politik korrumpiert zu werden, nur nachträglich „quasi wissenschaftliche" Legitimation schon vorgefaßter Entscheidungen liefern zu müssen. Der Gutachterstreit vor dem Bundesverfassungsgericht über die Errichtung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und der deutsche Beitrag dazu mag Mitte der fünfziger Jahre ein interessantes Beispiel für eine solche Rolle wissenschaftlicher Politikberatung gewesen sein, wenn auch gerade die Rechtswissenschaft immer ein sehr viel unkomplizierteres Verhältnis zur Zusammenarbeit mit staatlichen Organen gehabt hat. Ein weiteres Problem schien in der Schubladenproduktion von Gutachten zu liegen, die, soweit sie den Interessen des Auftraggebers nicht in vollem Umfang entsprachen, einfach in den Archiven und Stahlschränken der Bürokratie verschwanden. Eine solche „Auslese" hatte ebenfalls zur Folge, daß wissenschaftliche Beratung im we-sentlichen als Stützung in der Administration schon fertig vorgefaßter Meinungen diente. Eine der wesentlichsten Forderungen, die im Zusammenhang mit diesem Problem gestellt wurden, war die nach einer verstärkten Offent3

INHALT I. Praxis und Probleme wissenschaftlicher Beratung politischer Parteien am Beispiel der FDP II. Beispiele wissenschaftlicher Beratung 1. Öffentlichkeitsarbeit 2. Wahl-und Wählerforschung 3. Programmarbeit 4. Aktuelle Entscheidungsprozesse 5. Parteinahe politische Bildung 6. Parteiorganisation und Schulungsprogramm III. Formen wissenschaftlicher Beratung 1. Die internen Berater 2. Auftragsforschung, Gutachter und Berater 3. Förderung relevanter Forschungsprojekte 4. Mitwirkung von Wissenschaftlern in Fachausschüssen und anderen Gremien 5. Liberale Politik als Gegenstand wissenschaftlicher Kritik IV. Praxisprobleme wissenschaftlicher Beratung V. Wissenschaftliche Politikberatung: ein neues Berufsbild? lichkeit des Kooperationsprozesses zwischen Wissenschaft und Politik: Veröffentlichung der Beratungsergebnisse und eine verbesserte Transparenz bei der Auswahl der Berater.

Neben der schon erwähnten Gutachtertätigkeit bezog sich diese Diskussion vor allem gegen Ende der sechziger Jahre auf die von ihrer Zahl und von ihrem Auftrag her erheblich an Bedeutung angewachsenen Beratungsgremien und Beratungsinstitutionen wie z. B.den Sachverständigenrat nach dem Stabilitätsgesetz, die unzähligen Kommissionen und Gremien verschiedenster Art, von denen allein das Innenministerium im Jahre 1969 270 auswies (betrifft: Bundesministerium des Innern, Bonn 1973, S. 35). In diesem Bereich handelte es sich vor allem um die Organisation des wissenschaftlichen Beratungsprozesses für die Ministerialbürokratie in den verschiedensten Sachbereichen durch externe Wissenschaftler. Darüber hinaus war jedoch auch innerhalb der Ministerialbürokratie ein wachsender Arbeitsmarkt für Wissenschaftlicher verschiedenster Fachrichtungen festzustellen, die dort in den einzelnen Fachabteilungen, den Planungsstäben und Grundsatzabteilungen als wissenschaftliche Berater der Politik fungierten.

Vom Ansatz wie vom Problembezug her ist festzuhalten, daß die bisher geführte Diskussion über wissenschaftliche Politikberatung im wesentlichen eine Selbstverständnis-Diskussion im Bereich der Wissenschaften und hier insbesondere in den politikrelevanten Gesellschaftswissenschaften gewesen ist. Diese Diskussion ist dabei vorwiegend auf den akademischen Bereich beschränkt geblieben. Ob sie tatsächlich zu einer konkreten Normierung des Gruppenverhaltens von Wissenschaftlern im Bereich wissenschaftlicher Politik-beratung geführt hat, mag bei dem hohen theoretischen Niveau, dem hohen moralischen Anspruch und dem mangelnden Praxisbezug dieser Diskussion bezweifelt werden.

Die politische Praxis kann auf der anderen Seite erwarten, daß sie bei der Lösung dringender Probleme — wie etwa bei der Beseitigung der Arbeitslosigkeit oder dem Komplex Energiepolitik/Kernkraftwerke — von der Wissenschaft, die ja fast ausschließlich von den Steuergeldern der von eben diesen Problemen betroffenen Bürgern finanziert wird, nicht im Stich gelassen wird. Dieser Bedarf an wissen schaftlicher Beratung bei der Vorbereitung vo politischen Entscheidungen und bei der übet Prüfung der Wirksamkeit von politischen Pro grammen besteht jedoch nicht nur bei de Ministerialbürokratie und bei den Parlamen ten, sondern auch bei den politischen Parteier Bei der Entscheidung über politische Einzel Probleme und bei der Entwicklung von lang und mittelfristigen Programmen sind die poli tischen Parteien auf den sachverständigen Bei trag der Wissenschaft ebenso angewiesen wi bei der Analyse ihrer Parteiorganisation ode bei der Motivation und Mobilisierung ihre Mitglieder und ihres Potentials während de Wahlkämpfe. Der mangelnde Praxisbezug un damit natürlich auch die mangelnde Praxis relevanz der bisher geführten Diskussion übe die wissenschaftliche Beratung der Politik he jedoch keineswegs dazu geführt, daß diese Be ratung in der Praxis nun eingeschränkt worde wäre. Sie hat aber dazu geführt, daß das Vei hältnis zwischen Wissenschaftlern und Pra tikern im Prozeß der wissenschaftlichen Ber tung der Politik durch ein mangelndes Ve: ständnis von Arbeitsmethoden und Leistung: fähigkeit einerseits und den Ansprüchen un Leistungserwartungen andererseits geprägt is Der nun folgende Beitrag, dessen Autoren a der Nahtstelle zwischen praktischer Politik un wissenschaftlicher Beratung tätig sind, soll a Beispiel der FDP eine Übersicht über Prax und Probleme der wissenschaftlichen Politikbe ratung bei politischen Parteien aus der Sid der Praxis liefern. Dabei wird es zunächst da um gehen, die einzelnen Arbeitsbereiche un die Aufgabenfelder wissenschaftlicher Ben tung, ihre Organisationsformen und Umse zungsmechanismen darzustellen, um dann al hand von konkreten Einzelerfahrungen Prob! me zu schildern. Ausgeklammert wird in diese Zusammenhang der gesamte Bereich wisse: schaftlicher Beratung in den Ministerien w auch in der Fraktion der Freien Demokrate im Bundestag, obwohl von diesen Gremie und Institutionen zum Teil recht erheblic Einflüsse auf die Programmarbeit und die a! tuellen politischen Entscheidungen in der Pa tei ausgehen. Ihre Organisationsformen ur Probleme sind jedoch nicht spezifisch für d wissenschaftliche Beratung der politischen Pa teien.

II. Beispiele wissenschaftlicher Beratung

Vorwegzuschicken ist, daß die FDP in Bund und Ländern von einer beinahe schon traditionellen Schwäche des hauptamtlichen Apparates geprägt ist Dies mag einerseits auf eine einge-fleischte Abneigung der Liberalen zurückz führen sein, überhaupt irgendeine Art VI Bürokratie aufzubauen — und schon gar nie in der eigenen Partei —, andererseits sind n türlich die Mittel der FDP wegen ihrer relativ geringen Mitgliederzahl von ca. 80 000 und ihrer geringen Geldeinnahmen aus der Wahlkampfkostenerstattung begrenzt und in jedem Fall um ein Vielfaches geringer als bei der SPD und CDU/CSU. Die Bundesgeschäftsstelle der FDP beschäftigt — je nachdem, ob ein Bundestagswahlkampf zu führen ist oder nicht — zwischen 15 und 20 Mitarbeiter auf Referenrenten-und Sachbearbeiterebene. Was man als „politischen Stab“, „politische Abteilung"

oder ähnlich zu bezeichnen pflegt, schwankte hinsichtlich der personellen Ausstattung in der Vergangenheit zwischen einer und zehn Personen. In diesem Bereich pflegten sich Wechsel der finanziellen Wetterlage der Partei am ehesten auszuwirken, einfach deshalb, weil man „die Politik“ zur Not auch der Bundestagsfraktion mit ihren Mitarbeitern oder auch den FDP-Mitgliedern in der Bundesregierung überlassen zu können glaubte, und es wichtiger schien, diejenigen Mitarbeiter zu behalten, welche die Parteiarbeit und Parteiorganisation im eher technischen Sinne aufrechterhalten konnten.

Wo so wenig eigene „man power" vorhanden ist, ist ein besonders großer Bedarf an Beratung von außen und insbesondere an wissenschaftlicher Beratung für alle Bereiche der Parteiarbeit zu vermuten. Und in der Tat hat die FDP in der Vergangenheit regelmäßig auf die Zuarbeit von Außenstehenden zurückgegriffen und ist zur Zeit dabei, diese Praxis zu intensivieren und zu systematisieren.

In ihrer gegenwärtigen Organisation verfügt das Thomas-Dehler-Haus in Bonn über zwei Arbeitsbereiche, in denen wissenschaftliche Beratung der Politik vor allem stattfindet: über einen direkt dem Bundesgeschäftsführer zugeordneten zentralen Planungsstab, der sowohl politisch-programmatische Planungen als auch operative Planungen — d. h. die Umsetzung der Programmatik in die politische Realität — zu leisten hat, und über einen neu eingerichteten wissenschaftlichen Dienst, der die wissenschaftliche Hilfe bis hin zur Dokumentation und Archivierung übernimmt.

Im folgenden einige Beispiele aus der aktuellen praktischen Planungs-und Beratungstätigkeit:

1. Öffentlichkeitsarbeit

Bei der Planung der Öffentlichkeitsarbeit der Partei muß zwischen der internen und externen Öffentlichkeitsarbeit unterschieden werden. Die interne Öffentlichkeit besteht aus den Mitgliedern der Partei und in eingeschränktem Maße aus den erklärten Symphatisanten und kann Interessenten; bei ihr ein positiver Grundkonsens mit der Partei erwartet werden.

Die externe Öffentlichkeit sind „alle anderen";

es ist notwendig, im externen Feld möglichst klar definierte Zielgruppen für die Öffentlichkeitsarbeit zu suchen und deren Einstellungen zu ermitteln.

In Nicht-Wahlkampfzeiten wie im Jahr 1977 hat die Partei Gelegenheit zur Selbstbesinnung und, daraus resultierend, zur Regeneration. So steht zwangsläufig die Informationsarbeit nach innen mehr im Vordergrund als in Wahlkampf-zeiten. Für die im August 1977 dem Bundesvorstand der FDP vorgelegten Vorschläge zur Organisationsreform und zur Reform der Parteiarbeit wurde vom Institut für Kommunikationsforschung (IfK), Wuppertal, eine Mitgliederbefragung bei 1 850 Parteimitgliedern durchgeführt, deren wichtigste Ergebnisse inzwischen auch veröffentlicht sind und Grundlage für die strategische Schwerpunktbildung für die Organisationsreform waren. Bei der Auswahl des zu beauftragenden Instituts spielte eine ausschlaggebende Rolle, daß dieses neben der Durchführung und Auswertung der eigentlichen Umfrageaktion eine weiterführende Beratung für die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in die politische Praxis, d. h. vor allem die interne Offentlichkeitsarbeit, anbieten konnte. Dieser Praxisbezug hatte seine positiven Auswirkungen bereits im Ansatz der Untersuchung, bei der gemeinsamen Formulierung der wissenschaftlichen Fragestellung, die sich am Erkenntnisbedarf der Parteizentrale und nicht an einem wie immer gearteten eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse der Auftragnehmer zu orientieren hatte. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in einer Klausurtagung ausgewertet und einem größeren Kreis von Funktionsträgern aller Ebenen vorgetragen; gleichzeitig erfolgte der Versand der Ergebnisse an die Mitglieder des Bundes-vorstandes und an die Hauptgeschäftsführer der FDP-Landesverbände. Wegen der Brisanz der Ergebnisse für die liberale Jugendarbeit war die Umfrage Gegenstand häufiger Diskussionen bei den Deutschen Jungdemokraten. Die Mitarbeiter des Instituts für Kommunikationsforschung wurden über die Arbeit der Projektgruppe im Thomas-Dehler-Haus regelmäßig unterrichtet: der Institutsleiter nahm an Klausursitzungen zur Formulierung von Vorlagen als Berater und Moderator teil. Auf diese Weise war ein umfassender Informationsaustausch zwischen wissenschaftlichen Beratern und Parteizentrale ständig gewährleistet; der Auftraggeber wird nicht mit den Umfrageergebnissen allein gelassen, sondern der Wissenschaftler fühlt sich auch für die Vorbereitung der praktischen Umsetzung mitverantwortlich. Inhaltlich parallel, aber zeitlich nachgeschaltet, war das Institut für Kommunikationsforschung mit der Durchführung einer Umfrage im Sympathisantenfeld der FDP beauftragt. Eine Reihe von Fragen, die der Mitgliederumfrage zugrunde lagen (insbesondere soziodemographische Daten und Interessenschwerpunkte) wurden auch an die Sympathisanten gestellt. Wie eine erste Auswertung zeigt, ergaben sich daraus interessante Vergleichsmöglichkeiten. Die Auswertung der Befragung wird wiederum von den Institutsmitarbeitern begleitet; sie wird in die gemeinsame Entwicklung von auf spezielle Zielgruppen gerichteten Konzeptionen und Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit münden.

Neben der oben beschriebenen direkten Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern werden in die Faktenplattform zur Konzipierung von Öffentlichkeitsarbeit alle verfügbaren Daten über Einstellungen in der Bevölkerung und in der Parteibasis, über die konkurrierenden Parteien, über Entwicklungen in den Medien, über politische Phänomene wie z. B. die Bürgerinitiativen etc. einbezogen, die aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder aus Informationsquellen von Regierung, Parlament und Wirtschaft zugänglich sind. Das Einholen, das Filtern, Auswerten, Aufbereiten und Dokumentieren all dieser Materialien ist eine Arbeit, die nur von Mitarbeitern geleistet werden kann, die sowohl wissenschaftlich qualifiziert als auch mit deutlichem Praxishintergrund aus der Parteiarbeit versehen sind. 2. Wahl-und Wählerforschung In diesem Bereich arbeitet für die Liberalen seit 1973 das Institut für praxisorientierte Sozialforschung (IPOS) in Mannheim mit Vor-und Nachwahlanalysen der Landtagswahlen 1974 bis 1976 und der Bundestagswahl 1976. Die Fragenkataloge wurden nach gemeinsamen Vorgesprächen vom Institut formuliert und dann wieder im Team der Bonner Zentrale diskutiert, ergänzt und korrigiert. Große Teile des Fragenkataloges wurden um der Vergleichbarkeit im Zeitablauf willen für alle Länderumfragen beibehalten, so daß sich Entwicklungen im FDP-Potential ablesen lassen.

Wählerforschung für die FDP leidet naturgemäß unter dem Handicap, daß wegen des geringen prozentualen Anteils der FDP-Wähler schäft in der Wahlbevölkerung die Samplesfi repräsentative Umfragen sehr groß gewäh werden müssen, will man die so ermittelte FDP-Wähler noch weiter untergruppieren un analysieren. Deshalb bietet es sich an, einma ermittelte Wähleradressen mehrfach zu ve wenden, wenn auch gewisse Risiken hinsich lieh der Aussagequalität damit in Kauf genon men werden müssen.

3. Programmarbeit

Die Formulierung von progammatischen Vor! gen, die dem Bundesparteitag — oder zwische den Parteitagen dem Bundeshauptausschuß . zur Beratung und Beschlußfassung zugeleit werden, ist auf Bundesebene der FDP de kontinuierlich arbeitenden Bundesfachau Schüssen, Arbeitsgruppen und Kommission — alles Hilfsorgane des Bundesvorstandesübertragen. Jüngste Beispiele sind etwa d Vorlagen der „Perspektivkommission" ui der „Wirtschaftskommission“ zum Bundespe teitag im November 1977.

Bei der Formulierung von Programmen g schieht wissenschaftliche Beratung in vielt tigster Form. Am Beispiel der genannten Ko missionen: Beide Kommissionen wurden v wissenschaftlich qualifizierten Mitarbeitern der Bundesgeschäftsstelle der FDP betreut; beiden Kommissionen wurden über den c wählten Kreis der eigentlichen Kommissiol mitglieder hinaus wissenschaftliche Expert hinzugezogen; beiden Kommissionen gehört Wissenschaftler als gewählte Mitgliederbeide Kommissionen konnten auf die wisst schaftliche Zuarbeit von Experten aus Minis rien und der Bundestagsfraktion zurückgreif Auch die Bundesfachausschüsse haben c Recht, über den Kreis der von den Landesv bänden der FDP delegierten ordentlichen N glieder hinaus Experten hinzuzuziehen — u machen von dieser Möglichkeit regen Gebräu wissensche Die Praxis der Heranziehung der liehen Beratung in diesem Bereich der Pari arbeit im einzelnen zu Schilden, würde c Rahmen dieser Darstellung sprengen. Hin weisen ist jedoch darauf, daß bei dem grol Aufgebot von wissenschaftlicher Kapazität der Bundesrepublik nach unserer Erfahrung mer dann, wenn konkrete Probleme aktuell raten werden müssen, überraschend wenig A gebot an wissenschaftlichen Hilfestellungen finden ist. In die „Niederungen“ konkre politischer Entscheidungen pflegen Wiss schaftler nur selten herabzusteigen — 1 wenn, dann hinterlassen sie oft mehr Frag als Antworten, vorausgesetzt, sie sind in ih Ausführungen überhaupt verstanden Word Wie immer bestätigen Ausnahmen, für die wir sehr dankbar sind, leider auch hier nur die Regel. Aktuelle Entscheidungsprozesse Mehr noch als auf die Beratung der meist längerfristig angelegten Programmarbeit trifft die eben geäußerte Kritik auf die wissenschaftliche Hilfestellung bei aktuellen politischen EntScheidungsprozessen zu. Hier halten sich unsere Wissenschaftler gern zurück. Wenn man als Beispiel die gegenwärtige Diskussion um die Konjunktur-und Steuerpolitik heranzieht, wird man feststellen müssen, daß die Politiker bei ihrer Entscheidung, welche Maßnahmen getroffen, welche Instrumente aus den gesetzlich vorgegebenen Steuerungsmöglichkeiten ausgewählt und eingesetzt werden sollen, ziemlich allein gelassen sind. Wer die Zeitungen nach Äußerungen zur aktuellen Entscheidungssituation durchforstet, findet eine Fülle von Aussagen einzelner Politiker und naturgemäß der Interessenverbände bis hin zu den Gewerkschaften, vermißte aber lange die wissenschaftliche Meinungsäußerung. Bei ihrer Aufgabe, für die Führungsgremien der Partei Entscheidungsvorlagen vorzubereiten, ist es den Mitarbeitern der Parteizentrale kaum möglich, Stellungnahmen aus den Wirtschaftswissenschaften mit einzubeziehen. Zum Teil wird die Verantwortung für diese Zurückhaltung der Wissenschaft sicherlich auch bei den Parteien selbst liegen, die nicht immer ermutigend auf den wissenschaftlichen Meinungsbildungsprozeß eingewirkt haben. Eine Rolle spielt wohl auch das Vorhandensein von gesetzlich bestellten wissenschaftlichen Beratungsgremien (hier: der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung), die den wissenschaftlichen Part bei aktuellen Entscheidungsprozessen übernehmen könnten. Ganz sicher bliebe aber noch genügend Raum für Vorschläge aus dem gesamten sozialwissenschaftlichen Bereich; der Erfolg der Vorschläge zur Strafrechtsreform, die von einer unabhängigen Gruppe liberaler Strafrechtsprofessoren gemacht worden waren, könnte hier als positives Beispiel angeführt werden. Oder:

was hinderte einen wirtschaftspolitisch orientierten Hochschullehrer daran, mit einer Gruppe von Studenten eine Stellungnahme zur aktuellen Entscheidungssituation in der Konjunktur-und Beschäftigungspolitik zu erarbeiten und diese den politisch Verantwortlichen zuzustellen? Die FDP jedenfalls würde solche Meinungsäußerung begrüßen und in ihre Arbeit einbeziehen.

Vielleicht liegt hier auch eine Aufgabe für die politischen Stiftungen: Die Friedrich-Naumann-Stiftungbeispielsweise wäre gut genug ausgestattet, einen wissenschaftlichen Meinungsbildungsprozeß in Gestalt von Aufforderungen an einzelne Wissenschaftler oder auch durch die Ausrichtung wissenschaftlicher Hearings zu bestimmten aktuellen Problemen zu organisieren.

5. Parteinahe politische Bildung

Politische Bildung „vor liberalem Hintergrund" zu vermitteln, ist die erklärte Aufgabe der Friedrich-Naumann-Stiftung. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wird die Stiftung — wie die drei anderen politischen Stiftungen — mit öffentlichen Mitteln gefördert 4). Neben ihrer Auslandstätigkeit, die vorrangig im Feld der Bildungs-und Ausbildungstätigkeit angesiedelt ist, hat die Stiftung in ihrer Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach und in ihren 17 Landes-und Regionalbüros ein breit gefächertes Angebot der liberalen politischen Bildung entwickelt. Die wissenschaftliche Beratung bei der Erstellung des Bildungsangebots der Stiftung ist in verschiedenen Gremien institutionalisiert.

An erster Stelle ist der Programmausschuß der Stiftung zu nennen (Vorsitz Dr. Barthold C. Witte, Bonn). Ihm gehört eine Reihe von vom Vorstand der Stiftung berufenen Wissenschaftlern und Experten an, die mehrmals im Jahr zusammentreten, um die Stiftung bei Planungen der Geschäftsbereiche zu beraten und Stellungnahmen für den Stiftungsvorstand zu erarbeiten. Insbesondere auf die Erstellung des Jahresprogramms der Friedrich-Naumann-Stiftung übt der Programmausschuß großen Einfluß aus.

Im Beirat der Friedrich-Naumann-Stiftung (Vorsitz: Prof. Dr. Karl Holl, Bremen) finden sich etliche dem Liberalismus verbundene Wissenschaftler, denen auf diesem Wege Möglichkeiten eröffnet werden, auf die Arbeit der Stiftung einzuwirken. Dies geschieht nicht nur auf den jährlichen Sitzungen des Beirats, sondern häufig auch durch Einzelberatung und durch Teilnahme oder Mitwirkung von Beiratsmitgliedern bei Veranstaltungen und Seminaren der Stiftung.

Eine dritte und sehr direkte Form der Zusammenarbeit von Stiftung und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen besteht im Rahmen des Stipendienprogramms der Friedrich-Naumann-Stiftung. Für die Auswahl der Stipendiaten sorgt ein mit Wissenschaftlern besetzter Auswahlausschuß. Die Stiftung verfügt dar-über hinaus über ein Netz von Vertrauensdozenten, die zum einen mögliche Stipendiaten der Stiftung benennen und entsprechende Gutachten abgeben und die zum anderen die an ihrer Universität studierenden Stipendiaten betreuen, ihnen als Gesprächspartner zur Verfügung stehen.

Zuletzt sei der Projektbeirat erwähnt, den die Stiftung für die Begleitung ihres Curriculum-Projekts zu bürgernahen Formen politischer Bildung im Zusammenwirken mit der Bundeszentrale für politische Bildung eingerichtet hat.

Bei der Auswahl von Wissenschaftlern für die Beratungsgremien und Einzelberatungen stehen bei der Friedrich-Naumann-Stiftung die fachliche Orientierung und Qualifikation im Vordergrund. Daneben spielt die politische Orientierung eine Rolle; es ist legitim, wenn eine erklärtermaßen liberale Stiftung liberal orientierte, d. h.der FDP zugehörige oder ihr nahestehende Wissenschaftler bevorzugt. Die überproportional gute Position der Liberalen im Hochschulbereich erleichtert der Stiftung hierbei die Arbeit. 6. Parteiorganisation und Schulungsprogramm Bei der jüngsten Erarbeitung von Vorschlägen zur Reform der Parteiarbeit und Parteiorgani-

III. Formen wissenschaftlicher Beratung

Wenn man versucht, die verschiedenen Formen der wissenschaftlichen Beratung der Politik zu systematisieren, wird man zunächst zwischen externen und internen Formen zu unterscheiden haben. Auf der einen Seite ist es die Arbeit Von Wissenschaftlern, die als Angestellte tätig sind oder die als Gutachter und Berater mit Honorarvertrag bestimmte Einzelprobleme lösen helfen, auf der anderen Seite sind es Wissenschaftler an Universitäten und freien Forschungsinstituten, die den Gegenstand, die Fragestellungen und den Zeitpunkt ihrer Forschungsarbeit selbst bestimmen — oder aber nicht von den Prioritäten der Partei bestimmen lassen. Wenn sich auch zwischen diesen beiden Polen von extern und intern die unterschiedlichen Formen wissenschaftlicher Beratung einordnen lassen, so reicht diese Unterscheidung allein doch nicht aus. Innerhalb des jeweiligen Spektrums und in den Grenzbereichen von externer und interner Beratung muß eine weitergehende Bestimmung vorgenommen werden, wenn man einen systematischen Überblick'über die Formen wissenschaftlicher Beratung einer politischen Partei geben will. sation der FDP haben neben dem oben e wähnten Institut für Kommunikationsforschun (IfK) wissenschaftliche Berater mitgewirkt di ihren fachlichen Schwerpunkt im Feld der Pa teienforschung setzen. Bei zwei Problembere chen erwies sich wissenschaftliche Beratun als besonders notwendig: Erstens bei der Ui tersuchung der Wechselwirkungen von Org nisation der FDP einerseits und politisch Willensbildung bzw. Programmarbeit in d FDP andererseits; zweitens bei der Bearbe tung der Frage, wie sich die FDP auf d Phänomen der Bürgerinitiativen einstell sollte. Zwar ist es für Liberale unproblema scher, die Einstellung ihrer Partei gegenüb Bürgerinitiativen zu definieren als für die a deren Parteien, dennoch erwies es sich a nützlich, Außenstehende, deren Blick nicht vt „Partei-Scheuklappen" behindert ist, zu Ra zu ziehen.

Für die Erarbeitung des Schulungsprogramn das den Funktionsträgern der Partei verstär angeboten werden soll, wurden wissenscha liehe Experten herangezogen; man legte Wt darauf, neue Methoden der Didaktik in c Schulungsseminare einzubringen, sowohl w den Einsatz neuer audio-visueller Technik betrifft als auch die Beachtung moderner I kenntnisse für die Seminararbeit in Gruppe; 1. Die internen Berater Alle politischen Parteien beschäftigen in ihr zentralen Stäben eine Vielzahl von Mitarb fern mit unterschiedlichster wissenschaftlich Ausbildung. Der Grund hierfür ist zunäd nicht allein darin zu sehen, daß die Leitung funktionen der mittleren und höheren Ebe wie auch im öffentlichen Dienst oder in c Wirtschaft traditionell mit Akademikern l setzt sind. Die Funktion dieser wissenscha lieh vorgebildeten Mitarbeiter ist zum T auch darin zu sehen, daß sie ihr Fachwiss und ihre methodischen Kenntnisse aus den weiligen Fachgebieten einbringen, um Inf mationen für die jeweiligen Sachbereiche (Politik zu erfassen und für den politisch Entscheidungsträger aufzubereiten. In dies Zusammenhang ist sicherlich von Interes daß bei den Referenten und Sachbearbeit im Thomas-Dehler-Haus in Bonn das im höl ren Dienst der öffentlichen Verwaltung imn noch vorherrschende „Juristenmonopol“ ni aufzufinden ist. Das Spektrum der vertretet Fachdisziplinen reicht von Historikern ül Diplom-Volkswirte und -Betriebswirte, Poli logen, Soziologen und Pädagogen bis hin auch zu den Juristen, die hier jedoch als Einzel-gruppe keineswegs die Mehrheit bilden.

Uber die wissenschaftliche Arbeit der einzelnen Referenten hinaus ist die wissenschaftliche Beratung der Politik im engeren Sinne bei den Liberalen in dem im Juni 1977 eingerichteten Wissenschaftlichen Dienst zusammengefaßt. Zu den Aufgaben dieses Wissenschaftlichen Dienstes gehört neben dem Archiv und der Bibliothek zunächst der Bereich der aktuellen Information und Dokumentation. Die Erfassung, Speicherung, Systematisierung und die Sicherstellung eines möglichst kurzfristigen Zugriffs zu den für die politischen Entscheidungsgremien relevanten Informationen kann heute ohne Zweifel als eine der vorrangigsten Aufgaben der wissenschaftlichen Politikberatung angesehen werden. Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen und die Differenziertheit und der Spezialisierungsgrad wissenschaftlicher Erkenntnisse haben inzwischen einen Umfang erreicht, daß für den einzelnen der Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nur noch in kleinen Bereichen einer Teildisziplin möglich ist. Auch und gerade für eine finanziell wie personell relativ schwach ausgestattete Zentrale kann eine befriedigende Lösung dieser Aufgaben im Bereich von Information und Dokumentation nur durch den Einsatz von rechnergestützten Informationssystemen und vor allem durch den Zugang zu bestehenden oder im Aufbau befindlichen Dokumentationssystemen im Bereich von Parlament, Regierung und Verwaltung erreicht werden.

2. Auftragsforschung, Gutachter und Berater

Neben einer solchen Erfassung und Erschließung bereits vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse liegt der zweite wesentliche Aufgabenbereich des Wissenschaftlichen Dienstes in der Vorbereitung und der Auswertung von eigenen Forschungsprojekten, vorwiegend im Bereich der Wahl-, Meinungs-und Kommunikationsforschung. Diese Forschungsvorhaben werden jedoch nicht von eigenen Mitarbeitern, sondern in der Form von Auftragsforschung durch Markt-und Meinungsforschungsinstitute durchgeführt. Dieser Auftragsforschung kommt im Gesamtspektrum wissenschaftlicher Beratung nicht nur wegen der relativ hohen Kosten empirischer Sozial-forschung ein erheblicher Stellenwert zu, sondern vor allem deshalb, weil die Liberalen genausowenig wie die anderen politischen Richtungen auf aktuelle Ergebnisse der Wahl-und Meinungsforschung verzichten können. In der politischen Praxis dienen diese Ergebnisse als Orientierungshilfen bei der Entwick-Sung von Konzeptionen und Aktionen wie auch als Grundlage systematischer Öffentlichkeitsarbeit; sie liefern auch wichtige Hintergrundinformationen für eine systematische und an den Bedürfnissen relevanter Zielgruppen orientierte Arbeit der politischen Erwachsenenbildung. über diesen Bereich der Wahl-, Meinungs-und Kommunikationsforschung hinaus hat die Auftragsforschung kaum eine Bedeutung für die wissenschaftliche Beratuhg der Liberalen. Zwar gibt es eine Reihe von Beispielen, in denen auch in anderen Bereichen Auftragsforschung eine Rolle gespielt hat, wie z. B. bei der Analyse der Parteiorganisation. Vor allem in bezug auf die einzelnen politischen Sachbereiche und Detailfragen jedoch, wie etwa Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum oder Kernenergie, hat Auftragsforschung keine Rolle bei der wissenschaftlichen Beratung der Partei gespielt. Sowohl die Tätigkeit solcher Forschungsinstitute als auch die Mitarbeit von wissenschaftlichen Gutachtern und Beratern soll hier noch unter , dem Aspekt der „internen" wissenschaftlichen Beratung gefaßt werden, obwohl diese Institute und Einzelpersonen organisatorisch nicht den Liberalen zugeordnet sind.

Entscheidendes Kriterium ist hierbei, daß mit diesen Beratern ein Vertragsverhältnis besteht und über die Auftragsvergabe Einfluß auf Fragestellung, Umfang, Methodik und Zeitpunkt der wissenschaftlichen Arbeit genommen wird. Die Möglichkeit, Auftragsforschung und wissenschaftliche Einzelberatung durch Gutachter und Berater organisatorisch zu binden, indem die Liberalen ein eigenes Forschungsinstitut unterhalten, dessen Mitarbeiter solche Forschungsaufgaben selbst durchführen, hat es auch schon gegeben. In den Jahren von 1967 bis 1973 wurden diese Aufgaben vom Institut für Planung und Kybernetik (IPK) wahrgenommen, wobei die Aufgabenstellung nicht allein auf die Wahl-und Meinungsforschung begrenzt war, sondern in ganz erheblichem Maße auch eine Mitwirkung an der inhaltlichen Entwicklung der Programmarbeit umfaßte. Die hohen Kosten für die Unterhaltung dieses Instituts und auch die Probleme, die sich aus der formal unabhängigen Rechts-konstruktion dieses Instituts ergaben, haben jedoch dazu führen, daß sich die Liberalen im Juni 1973 aus der Zusammenarbeit mit dem IPK zurückzogen und das IPK somit in seiner ursprünglichen Form und Funktion praktisch aufgelöst wurde. Neben diesem Kostenargument, das als Hauptursache anzusprechen ist, gab es noch eine Reihe anderer Faktoren, die für die Einstellung der Zusammenarbeit mit dem IPK und letztlich für den Verkauf des Instituts maßgeblich waren. Von besonderem Interesse in bezug auf die Thematik dieses Aufsatzes ist dabei wohl, daß das Institut für Planung und Kybernetik Ende 1967 zur Zeit der Grßen Koalition gegründet wurde, d. h„ zu einer Zeit, als sich die FDP in der parlamentarischen Opposition und innerparteilich nach dem Wechsel von Mende zu Scheel in einer Phase der politischen Neuorientierung und der programmatischen Erneuerung befand. In einer solchen spezifischen Konstellation war der Bedarf an wissenschaftlicher Beratung und auch konzeptioneller Zuarbeit in der Programmarbeit sehr groß und die Bereitschaft, ein solches Institut für eben diese Aufgaben zu gründen und zu unterstützen, entsprechend breit abgesichert. Dies änderte sich jedoch in dem Moment, als die FDP gemeinsam mit der SPD 1969 die Regierung bildete und somit auch wieder Zugang zu den weitaus umfangreicheren und stärker professionalisierten Beratungsgremien der Verwaltung erhielt. Unabhängig davon, daß diese letztere Form der „wissenschaftlichen Beratung“ durchaus andere Qualität hat und — wie noch zu zeigen ist — auch negative Auswirkungen auf die Ausrichtung der Programmarbeit einer politischen Partei haben kann, verringerte sich mit der Zugriffsmöglichkeit auf solche verwaltungsinternen Beratungsstäbe das Interesse an der Arbeit des Instituts und die Unterstützung für das IPK war in Konfliktfällen nicht mehr in gleichem Maße gegeben wie zu Beginn.

Die seit Juni 1977 mit der Einrichtung des Wissenschaftlichen Dienstes gefundene organisatorische Lösung für die interne wissenschaftliche Beratung der Liberalen ist nicht einfach als Vereinnahmung der Aufgaben des IPK zu sehen. Nach einer längeren Phase sehr lockerer Kooperation mit freien Forschungsinstituten, Gutachtern und Beratern war man zu der Auffassung gelangt, daß es einer Synthese zwischen den beiden Organisationsmodellen der wissenschaftlichen Beratung, IPK und reine Auftragsforschung, bedürfe, wenn die Ergebnisse dieses wissenschaftlichen Beratungsprozesses stärker auf die Praxisbedürfnisse bezogen werden sollten. Während daher der Wissenschaftliche Dienst keine eigenen Forschungsvorhaben durchführt und Gutachten nur in begrenzten Einzelfällen anfertigt, liegt seine Aufgabe im wesentlichen in der Vorbereitung, der Koordination und der Auswertung von Forschungsprojekten, Gutachten und zum Teil auch der wissenschaftlichen Einzel-beratung, wobei einer der Schwerpunkte der Arpent aucn in uer umsetzung ner Ergebniss wissenschaftlicher Beratung für praktisc Aufgaben zu sehen ist. 3. Förderung relevanter Forschungsprojekte Im Grenzbereich zwischen interner und exte ner wissenschaftlicher Beratung liegt die Fi derung relevanter wissenschaftlicher F schungsprojekte. Uneingeweihte mögen hi vorrangig an das Stipendienprogramm d FNS denken, da ja auch eine Auswahl c Stipendiaten — etwa bei Diplom-, Magist oder Doktorarbeiten — nach der Relevanz c Themas und der zu erwartenden Ergebnis für die politische Bildungsarbeit oder die P xis der Parteiarbeit noch als legitim angeseb werden und somit eine gute Verbindung t sehen wissenschaftlicher Nachwuchsförder und den Bedürfnissen der Liberalen nspezifischer wissenschaftlicher Beratung schaffen werden könnte. Diese Möglichk ten sind bisher nicht genutzt worden, und Zahl der geförderten Arbeiten, bei denen praktisches Verwertungsinteresse oder V Wertungsmöglichkeiten bestanden, ist im R men des Stipendienprogramms bisher geri Größere Bedeutung hat . dagegen die gezit Förderung bzw. die Beteiligung an der Fin zierung von wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnissen die liberalen Organisa nen Interesse haben. Zum Teil handelt sich hierbei um historisch-politische Arbei die auf die Geschichte oder die Programmi der FDP und die historische Entwicklung Liberalismus in Deutschland gerichtet sind gibt aber auch wissenschaftliche Arbeiten, relevanten Aspekten der Wahl-und nungsforschung, der Mitgliederanalyse, As ten der innerparteilichen Demokratie (auch bestimmten sachpolitischen Themenbe chen gewidmet sind und die aufgrund de erwartenden Verwertbarkeit ihrer Ergebn gefördert werden können. Diese Form Zusammenarbeit zwischen wissenschaftli Forschung und politischer Praxis soll in kunft erheblich verstärkt werden — nicht weil solcherart betriebene Forschung bill ist, sondern auch weil sich hiermit die psehe Zielsetzung der Förderung wissensd liehen Nachwuchses gut verbinden läßt.

I 4. Mitwirkung von Wissenschaftlern in ausschüssen und anderen Gremien Von erheblicher Bedeutung für die wis schaftliche Beratung bei der Programma und der Auseinandersetzung mit politis Sachproblemen ist die ehrenamtliche Mi’ kung von Wissenschaftlern in den Fad Schüssen, Programmkommissionen und ä dien Beratungsgremien auf den verschiedenen Ebenen der Partei. Diese Wissenschaftler werden entweder aufgrund ihres SachVerstandes als Mitglieder gewählt, oder aber sie ordentliche nehmen als Sachverständige oder als Experten für Einzelfragen als Gäste an den Beratungen teil. Im Idealfall sind solche Gremien z. T. aus interessierten Laien, aus Praktikern (aus dem Bereich der Ministerien) und aus Wissenschaftlern zusammengesetzt.

Die Liste von Sachverständigen und Experten für die einzelnen Bundesfachausschüsse der FDP zeigt deutlich, welche quantitative Bedeutung diese Mitarbeit hat. Die Kennzeichnung dieser Form wissenschaftlicher Beratung der Parteiarbeit als „externe“ ist jedoch insoweit fragwürdig, als diese Wissenschaftler zwar nicht als Angestellte oder Auftragnehmer der Partei arbeiten, in der Regel jedoch Parteimitglieder sind. 5. Liberale Politik als Gegenstand wissenschaftlicher Kritik Externe wissenschaftliche Beratung der Partei-arbeit im engeren Sinne läßt sich eigentlich nur so verstehen, daß Wissenschaftler an Universitäten oder Forschungseinrichtungen sich mit Programmatik, politischen Sachentscheidungen der Öffentlichkeitsarbeit der FDP oder anderen Aspekten auseinandersetzen, ohne dazu einen Auftrag der Partei erhalten zu haben, möglicherweise aber auf Anregung der Partei. Dieser Bereich der Zusammenarbeit zwischen der Partei und der Wissenschaft ist bisher noch nicht in systematischer Weise bearbeitet worden. Bei dem relativ hohen Potential der FDP an den Universitäten ist anzunehmen, daß hier noch erhebliche Reserven für eine Intensivierung der wissenschaftlichen Beratung der Parteiarbeit auf den verschiedensten Sachbereichen verfügbar sind.

IV. Praxisprobleme wissenschaftlicher Beratung

Recht häufig schon wurden die Probleme wissenschaftlicher Beratung der Politik so dargestellt, wie sie aus der Sicht der beratenden Wissenschaftler aussehen. In diesem Zusammenhang ist dann oft von Gewissenskonflikten die Rede, die sich in der Konfrontation mit der politischen Realität ergeben. Wenn im folgenden die Probleme ein wenig überzeichnet geschildert werden, soll das der plastischen Darstellung dienen; vielleicht kann eine Prise Provokation auch Denkanstöße vermitteln. Die Reihenfolge der Problemaufzählung orientiert sich daran, wie sich für eine Parteizentrale der wissenschaftliche „Input" von der ganz externen bis zur internen wissenschaftlichen Beratung gestaltet.

Das erste Problem ist die unüberschaubare Menge wissenschaftlicher Publikationen und Materialien. Sie stellt die Mitarbeiter der Partei vor die Aufgabe, erstens das Material überhaupt zu erreichen und es zweitens zu sortieren, das heißt nur die für Programmarbeit und aktuelle politische Arbeit wirklich relevanten Informationen an die richtigen Stellen weiterzuleiten. Der größte Teil der wissenschaftlichen Materialien, die auch für die Partei(en) interessant und nützlich sein könnten, kommt dort nicht an. Das liegt nicht zuletzt daran, daß sich die Autoren zwar manchmal über die praktische Verwertbarkeit ihrer Arbeiten Gedanken machen, nur selten aber auch noch die Mühe, die in Frage kommenden Adressaten — z. B. in den Parteien — zu ermitteln und Forschungsergebnisse diesen zuzüstellen. Man überläßt es den Parteien, sich solche Arbeiten selber „an Land zu ziehen“, soweit die Nachricht von ihrem Vorhandensein mehr oder weniger zufällig dort angekommen ist. Dies gilt auch für die Arbeiten und Projekte, die im öffentlichen Auftrag (selbstverständlich aus öffentlichen Mitteln finanziert) angefertigt werden und für Gutachten und Auftragsarbeiten von staatlichen und halb-staatlichen Institutionen wie z. B.der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Regierungsparteien besitzen zwar den Vorteil, daß die in den von ihnen besetzten Ressorts arbeitenden Stäbe in der Regel mit wissenschaftlichen Unterlagen besser versorgt sind, ganz abgesehen von den dort arbeitenden eigenen Experten; dies birgt aber auch die Gefahr, daß die in den entsprechenden Ministerien „ressortierenden“ Sachpolitiken über Gebühr in die Parteiarbeit und Parteiprogramme der betreffenden Partei einfließen.

Eine andere Sache ist, daß von den Parteien die in den konkreten politischen Problemen verborgenen wissenschaftlichen Fragestellungen oft nicht erkannt werden — oder noch schlimmer: daß die wissenschaftlichen Antworten auf diese Fragestellungen zwar längst vorliegen, in der Partei aber keiner davon weiß. Vielleicht wäre es wert, darüber nachzudenken, ob Wissenschaftler, die Fragestellungen bearbeiten, welche im weiteren Sinn politisch relevant werden können, sich mehr als bisher an Adressaten im außeruniversitären Bereich wenden (auch bei Arbeiten, deren Hauptzweck die Anhebung des eigenen wissenschaftlichen Renommees ist, kann dies förderlich sein!) oder, noch weitergehend, sie sich bemühen sollten, ihre Erkenntnisse in konkrete politische Empfehlungen (so etwas kann man ja als „unwissenschaftlichen Anhang" formulieren) einfließen zu lassen.

Ein weiteres Problem ist die in der Regel ziemlich lange Dauer wissenschaftlicher Forschungsvorhaben, die um der wissenschaftlichen Seriosität willen, manchmal aber wohl auch zur Verbesserung der Beschäftigungslage von Instituten bzw.deren Mitarbeitern, unumgänglich scheint. Dies kann dazu führen, daß wissenschaftliche Fragestellungen bei den Parteien wohl erkannt, aber nicht an außenstehende Wissenschaftler gerichtet werden, weil man an einer schnellen Problemlösung interessiert ist. Man begnügt sich lieber mit einem „handgestrickten“ Eigenprodukt, statt Ergebnisse zu einem Zeitpunkt geliefert zu bekommen, wo alle Entscheidungen längst getroffen, die Probleme schon gelöst sind oder aber sich wieder ganz anders darstellen.

Ein konstruiertes Beispiel, das aber recht realitätsnah sein könnte: Für das Verhalten von Politikern und Parteien gegenüber Bürgerinitiativen wäre es wichtig und interessant, sowohl die Einstellung der Bevölkerung zu Bürgerinitiativen, zu Parteien und beider Verhältnis zueinander als auch die Einstellung der Mitglieder von Bürgerinitiativen und von Parteien genauer zu untersuchen. Dies ist allerdings eine sehr aktuelle Frage und bedarf einer schnellen Beantwortung. Für die Beauftragung eines wissenschaftlichen Instituts, die Formulierung der wissenschaftlichen Fragestellung, des Interviewer-Fragebogens, für die Durchführung der Feldforschung und schließlich die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse wird man aber nach aller Erfahrung nicht unter einem Jahr, bei üblichem Vorgehen wenigstens das Doppelte, ansetzen müssen. Fraglich ist, ob dann die Ergebnisse noch in die Praxis der Parteien und der Regierungen einfließen können oder sich die politische Landschaft soweit verändert hat, daß der ursprüngliche Untersuchungsansatz längst überholt ist. Sie dienen dann, wenn sie sich mit der getroffenen Entscheidung decken, der nachträglichen Untermauerung — dies ist der günstige Fall — oder verschwinden, wenn sie in eine andere Richtung laufen, in Schubladen und Archiven.

In diesen Zusammenhang gehört auch der Mißbrauch wissenschaftlicher Gutachten zur Rückversicherung längst getroffener politischer Entscheidungen, was heißt, daß das Ergebnis des Gutachtens bei Auftragserteilung in seinen Grundzügen schon festliegt. Dies kann bis zum Einsatz gegenläufiger Gutachten in der direkten politischen Tagesauseinandersetzung führen. So beispielsweise bei der Auseinan dersetzung um die Koalitionsaussage der FD! zu den Landtagswahlen in Baden-Württember im Frühjahr 1976, als der Landesvorsitzendi der baden-württembergischen FDP sich mi einem bei Wickert bestellten Gutachten fü das Unterlassen einer klaren Koalitionsaussa ge gegen die Linie der Bundesführung ein setzte, die — gegenteilige — auf eigene Um frageergebnisse hätte verweisen können. Hier spielt eine große Rolle, daß die Grenze zwischen wissenschaftlicher Beratungstätigkei und kommerzieller (und das heißt: mehr al den Interessen der Auftraggeber orientierte! Beratertätigkeit fließend sind. Universitätsin stitute oder im universitären Bereich arbei tende Wissenschaftler sind oft von der Herein nähme von Aufträgen kaum weniger abhängi als kommerzielle Institute oder auch freie PR Agenturen oder Berater. Das bringt zwangs läufig eine gewisse „Flexibilität“ mit sich. Wa man freien Beratern oft nachsagt, nämlich si würden lediglich die vorgefaßte Meinung i! rer Auftraggeber mit anderen Worten wiede: geben, schon um eventuelle Anschlußaufträg nicht zu gefährden, könnte mit einigen Mod fizierungen manchem wissenschaftlichen Au tragnehmer auch unterstellt werden.

Ein anderes Problem, vor dem speziell die Pal teien stehen können, ergibt sich, wenn wisser schaftliche Berater ihre Position dazu benu zen, eigene dezidierte politische Meinungen i die Entscheidungen der Partei einzubringei noch verstärkt dann, wenn die beauftragte Wissenschaftler eigenen politischen Ehrgei entfalten oder gar eine politische Karriere ar streben. Die FDP hat solche Erfahrungen kaui zu beklagen, aus anderen Parteien sind si aber hinlänglich bekannt. Der beste Auswe aus dieser Problematik, wenn sie rechtzeiti erkannt wird, dürfte wohl darin bestehen, di betreffenden Wissenschaftler nicht in ihn beruflichen Funktion zu beauftragen, sonder sie als Parteipolitiker in die mit dem jeweil gen Problem befaßten Gremien der Parti ehrenamtlich hineinzuwählen.

Dort, wo Wissenschaftler bei der aktuelle Entscheidungsfindung und internen Programn formulierung hinzugezogen werden, könne auch Probleme der Vertraulichkeit entstehei Die FDP ist in jüngster Zeit mit solchen Prc blemen nicht konfrontiert gewesen. Sie sin jedoch denkbar und werden bei der Zusan menarbeit mit Wissenschaftlern schon bei di ren Auswahl beachtet. Dies dürfte mit e Grund dafür sein, daß alle Parteien un da machen die Liberalen keine Ausnahme -sich am liebsten von der eigenen Partei zug hörigen Wissenschaftlern beraten lassen. die FDP großen Wert auf die Transparenz ihrer politischen Beratungen in allen Phasen und auf allen Ebenen legt, entstehen hier Probleme der Vertraulichkeit allerdings seltener als anderswo.

Ein Problem, dessen Ursachen bei beiden an der wissenschaftlichen Beratung beteiligten Seiten zu suchen sind, soll nicht unerwähnt bleiben, und zwar die Umsetzungs-oder auch Übersetzungsproblematik: Auf selten der Partei wird oft geklagt, die beauftragten Wissenschaftler seien an der praktischen Verwendung ihrer Forschungsergebnisse zu wenig interessiert; schon bei der Formulierung der Fragestellung würden praxisfremde, für die Partei irrelevante Problemstellungen von den Wissenschaftlern eingebracht, die Formulierung und Vorstellung der Forschungsergebnisse schließlich erfolge in einer akademisierten und elitären Sprache, die den Praktikern den Zugang verwehre, und auf die methodische Absicherung der Forschungsarbeit werde mehr Wert gelegt als auf die Vorbereitung der Umsetzung in die politische Praxis der Partei. Unterschiedliche Interessenlagen sind hier nicht zu leugnen. Die Parteimitarbeiter, die in der Regel die Auftraggeber sind, sind ihrerseits oft allzu praxisnah eingestellt. Aus Zeitmangel, aber auch aus mangelndem wissenschaftlichen Verständnis fehlt bisweilen die Geduld, sich systematische Analysen oder lange Erläuterungen des wissenschaftlichen Vorgehens anzuhören. Man wartet auf die Vorschläge zur Realisierung des Erforschten, auf die „Beschlußvorlagen", die aber nie kommen. Hier liegt sicherlich ein prinzipielles Problem, das nicht nur die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Parteien oder — allgemeiner — Wissenschaft und Politik angeht, sondern bei jeder wissenschaftlichen Beratertätigkeit auftauchen dürfte. Oft wird es genügen, wenn sich beide Seiten mehr Mühe geben, die Bedürfnisse des anderen zu respektieren; manchmal wird es aber unumgänglich sein, eine Phase der regelrechten . Übersetzer-Aktivität" zwischenzuschalten und von vornherein einzuplanen. Jedenfalls lohnt sich die Mühe, die man hier verwendet, um zu vermeiden, daß teure und mit viel Aufwand an Zeit und Engagement erstellte Forschungsergebnisse bei den Akten landen oder allenfalls als Dissertationen oder Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften Verwendung finden.

Wir hatten schon zu Anfang darauf hingewiesen, daß ein ganz erheblicher Teil der Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und den Praktikern der Parteiarbeit darauf zurückzuführen ist, daß beide Partner ein mangelhaftes gegenseitiges Verständnis von Arbeitsstil und Arbeitsmethodik, von Zeit-budget und Informationsbedürfnissen haben. Während der Parteipolitiker aufgrund seiner Einbindung in Termine von Parlamentsberatungen, Regierungsvorlagen, den Tagungen wichtiger Parteigremien und auch Wahlterminen eine äußerst kurzfristige Zeitperspektive hat, braucht der Wissenschaftler für seine Arbeit Geduld. Die Lektüre und der Vergleich wissenschaftlicher Veröffentlichungen, die sorgfältige Überprüfung von wissenschaftlichen Konzepten und Methoden und die differenzierte, auch alternative Interpretationsmöglichkeiten erfassende Analyse der Daten ist zeitaufwendig, macht aber gerade den Kern wissenschaftlichen Arbeitens aus. Läßt man dem Wissenschaftler diese für seine Arbeit notwendige Zeit nicht — und diese Gefahr ist m der Praxis ständig gegeben —, kann er den spezifischen Anspruch, die praktische Politik als Wissenschaftler zu beraten, nicht einlösen. Darüber hinaus ist zu beachten, daß der Wissenschaftler in seiner Arbeit langfristig vor

V. Wissenschaftliche Politikberatung — Ein neues Berufsbild?

wiegend methodisch orientiert ist. Unabhängig von seinem eigenen, an bestimmten gesellschaftlichen Werten ausgerichteten Forschungsinteresse an den Ergebnissen seiner Arbeit bestimmt sich die Qualität seiner Forschung gerade auch im Urteil seiner Sachkollegen im wesentlichen durch ihre Methodik. Fragestellungen und Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit mögen peripher oder gar irrelevant sein, ohne daß hierdurch die wissenschaftliche Reputation des Forschers beeinträchtigt werden könnte. Wehe aber, wenn ihm einer methodische Fehler oder Unsauberkeiten verwerfen kann!

Auf Seiten der Praktiker der Parteiarbeit stößt diese Beschäftigung mit methodischen Fragen jedoch auf völliges Unverständnis und zuweilen auch auf Unmut. Dies liegt nicht allein daran, daß sie aufgrund einer auf andere Bereiche ausgerichteten Vorbildung oft den methodologischen Vor-und Nachbemerkungen und professionellen Kautelen der Wissenschaftler nicht folgen könnten. Sie sind vielmehr ausschließlich an den Ergebnissen interessiert — mehr noch daran, was diese Ergebnisse für ihre praktische politische Arbeit bedeuten. Politiker sind sich in ihrer Arbeit meist sehr bewußt, daß sie vielfach Entscheidungen treffen müssen, bei denen sie nur über unzureichende In-13 formationen verfügen. Aus ihrer Sicht liegt der spezifische Beitrag wissenschaftlicher Beratung darin, in bezug auf solche Entscheidungssituationen wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern, die diese mangelnde Informationsbasis und die damit verbundene Unsicherheit abbauen und die Entscheidungsfindung erleichtern. Wenn man aber davon ausgeht, daß Wissenschaft in der Regel mehr neue Fragen als Antworten hervorbringt, so ist der Fall keineswegs unwahrscheinlich oder ungewöhnlich, daß als Ergebnis der wissenschaftlichen Beschäftigung mit einer Frage zuvor noch klare Lösungen und Alternativen wieder relativiert werden. So sinnvoll und notwendig auch dieser Beitrag der Wissenschaft in der Praxis ist, so wenig dankbar sind Politiker aber für solche Art wissenschaftlicher Hilfestellung, da ihre Arbeit durch das »mehr* an Informationen vordergründig zunächst erschwert wird.

Der größte Vorwurf, der den Wissenschaftlern seitens der Praktiker jedoch immer wieder gemacht wird, ist der eines fehlenden Praxisbezugs ihrer Arbeiten. Unabhängig davon, daß hieran ein tiefschürfender Beitrag zum Problem von Wissenschaft und Praxis angeschlossen werden könnte, läßt sich bei diesem Befund die Frage stellen, ob dieser Vorwurf nicht gleichzeitig das größte Mißverständnis in bezug auf Rollenverständnis und Rollenverteilung im Prozeß der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und politischer Praxis, insbesondere im Bereich der politischen Parteien, darstellt. Es steht außer Frage, daß der Politiker allein schon aufgrund seines begrenzten Zeitbudgets überfordert ist, wenn von ihm verlangt wird, sich durch die methodischen Vorbemerkungen hindurch zum Kern der Ergebnisse vorzuarbeiten, um dann daraus den praxisrelevanten Teil herauszufiltern. Dochauch der Wissenschaftler ist überfordert, wenn man von ihm über die methodisch einwandfreie Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen hinaus auch noch einen Beitrag dazu erwartet, ob und gegebenenfalls wie die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit in die parteipolitische Praxis eingebracht werden können. Hierzu fehlt ihm in der Regel nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die konkrete politische Erfahrung.

Aus dieser Analyse praktischer Erfahrungen in der wissenschaftlichen Beratung bei den Liberalen wird deutlich, daß der Prozeß der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die politische Praxis als eigentliche Schwachstelle der Zusammenarbeit besonderer Aufmerksamkeit und auch einer besonderen Organisationsform bedarf. Wenn es richtig ist, daß weder der beratende Wissenschaftler noch der politische Praktiker von sich aus diese Umsetzungsleistung erbringen können, dann ergibt sich hieraus, daß an dieser Nahtstelle zwischen Wissenschaft und politischer Praxis Bedarf für eine neue Berufsrolle besteht, die allgemein zunächst als „Organisation des wissenschaftlichen Beratungsprozesses in der Politik“ bezeichnet werden könnte. Als Aufgabenfelder für diesen Bereich lassen sich folgende Komplexe bestimmen:

— Die rechtzeitige Wahrnehmung von Praxis problemen der Politik und deren Umsetzung, Umformulierung in wissenschaftliche Fragestellungen; — die Mitwirkung an der Entwicklung von Forschungskonzeptionen zur Beantwortung solcher Fragestellungen;

— die ständige begleitende Kontrolle von Forschungsvorhaben;

— die Analyse von Forschungsergebnissen hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz;

— die Umsetzung von wissenschaftlichen Er gebnissen in die Systematik von entschei dungsrelevanten Informationen.

Diese Aufgaben stellen ein neues Berufsfeld für Politikwissenschaftler dar, die jedoch vor der Qualifikation her sowohl im Bereich dei Wissenschaft wie auch im Bereich der politi sehen Praxis zuhause sein müssen. Von der Universitäten allen wird man nicht erwar ten können, daß sie diese spezifische Dop pelqualifikation vermitteln; es müßten neber einer breiten gesellschaftswissenschaftlicher Fundierung ebenso Kenntnisse und praktische Erfahrungen im Bereich empirischer Sozialfor schung erwartet werden, wie Erfahrungen in Bereich der Planung und Durchführung vor Forschungsvorhaben. Gerade hierzu haben die Universitäten in ihrem Lehrangebot nur wenig zu bieten gehabt, obwohl solche Kenntnisse sicherlich auch für die Planung und Durchfüh rung von Magister-und Diplomarbeiten sowie Dissertationen von nicht unerheblicher Be deutung wären.

Hier wie auch im Bereich der Hochschuldidak tik und der interdisziplinären Teamarbeit irr Forschungsprozeß verläßt man sich jedoch of fensichtlich darauf, daß der wissenschaftliche Nachwuchs die persönlichen Erfahrungen be der eigenen Arbeit schon in positiver Weise verarbeiten wird. Es zeigt sich aber insbeson dere für den Bereich der Politikwissenschaft daß eine Diskussion über Berufsbilder und be rufsbildbezogene Curricula seit langem über fällig ist. In ein solches Berufsbild müßte dam auch die Funktion eines Mittlers und Organ: sators im Prozeß der wissenschaftlichen Po 11 tikberatung einbezogen werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Situationsanalyse zur Ermittlung der Voraussetzungen für methodische Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Mitgliederstruktur der FDP/Meinungsumfrage bei FDP-Mitgliedern, Institut für Kommunikationsforschung e. V., Wuppertal.

  2. Siegfried Pabst, Liberale Infrastruktur, liberal, Heft 5, Mai 1977.

  3. Vgl. Hennig von Vieregge, Zur politischen Bildungsarbeit der parteinahen Stiftungen, in: Aus Politik und Zeitgeschehen, B 7/77.

Weitere Inhalte

Michael J. Buse, Dr. phil., B. A., geb. 1944; Studium der Politikwissenschaft, Geschichte, Volkswirtschaft und Staatsrecht in Mainz, Toronto und Bonn; 1973 bis 1976 Lehrbeauftragter am Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn; seit 1977 wissenschaftlicher Referent und Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Friedrich-Naumann-Stiftung, Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Bibliographie zur Politischen Planung, Baden-Baden 1974 (mit Dina v. Dewitz); Integrierte Systeme staatlicher Planung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen im internationalen Vergleich, Baden-Baden 1974; Einführung in die Politische Verwaltung, Stuttgart 1975; mit Wilfried Nelles und Reinhard Oppermann: Determinanten politischer Partizipation, Meisenheim 1977 (i. E.).