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Anhaltende Kontroverse über einen gemeinsamen Rohstoff-Fonds | APuZ 44/1977 | bpb.de

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APuZ 44/1977 Artikel 1 Wirtschaftswachstum und Energieversorgung. Analysen und Alternativen Von der Schadstoffbeseitigung zur RisikoVerhinderung. Neue gesetzliche Regelungen für Umweltchemikalien Anhaltende Kontroverse über einen gemeinsamen Rohstoff-Fonds

Anhaltende Kontroverse über einen gemeinsamen Rohstoff-Fonds

Otto Matzke

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Rahmen der seit der 4. Session der Welthandels-und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen in Nairobi (UNCTAD IV) stark aktivierten Diskussion über die internationale Rohstoffpolitik nimmt die Erörterung des vom UNCTAD-Sekretariat konzipierten „Integrierten Rohstoffprogramms" weiterhin breiten Raum ein. Kernpunkt dieses Programms ist die Schaffung eines „Gemeinsamen Fonds“, welcher u. a. die Finanzierung von Rohstoffausgleichslagern übernehmen soll. Nach der UNCTAD-Philosophie ist der Mangel an Finanzmitteln eine der Hauptursachen für das Nichtzustandekommen funktionierender Rohstoffabkommen. Auf der UNCTAD IV wurde über die Errichtung des Fonds noch keine substantielle Entscheidung getroffen, im Herbst 1976 und im Frühjahr 1977 in Genf geführte Verhandlungen brachten keine sachlichen Fortschritte. Die Entwicklungsländer halten unverändert an der Forderung nach Eirichtung des Fonds fest, während die meisten Industrieländer diese Maßnahme ablehnen. Spätestens seit dem Londoner Treffen der Staats-und Regierungschefs im Mai und dem Abschluß der Konferenz über Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit im Juni zeichnet sich aber eine gewisse Veränderung in der Haltung wichtiger OECD-Länder ab. Den Gedanken eines Fonds im Sinne des UNCTAD-Konzepts lehnen die Industrieländer in ihrer Mehrheit zwar weiterhin ab, doch haben sie in den vergangenen Monaten Erwägungen darüber angestellt, ob die Bildung eines Gemeinsamen Fonds in Form einer Clearingstelle zwischen den einzelnen Rohstoffabkommen opportun ist. Die Varianten eines solchen Verfahrens werden mit dem Ergebnis diskutiert, daß die Industriestaaten eine umfassende entwicklungspolitische Alternativstrategie vorschlagen sollten, statt sich auf einen Gemeinsamen Fonds in irgendeiner Form einzulassen.

I. Der Hintergrund: UNCTAD IV

Das Rohstoffproblem stand im Vordergrund der Vierten Session der Welthandels-und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (United Nations Conference on Trade and Development — UNCTAD) in Nairobi im Mai 1976 Die Entwicklungsländer — zusammengefaßt in der „Gruppe der 77“ — sind in ihrer Mehrheit an steigenden, mindestens aber stabilen Exportpreisen interessiert. Dabei kommt es ihnen auch darauf an, daß sie — ausgedrückt in realer Kaufkraft — Preise erzielen, welche „lohnend und gerecht’ für die Produzenten und „angemessen“ für die Verbraucher sind. Die Entwicklungsländer wollen die Rohstoffpolitik zum „Angelpunkt der Handels-und Entwicklungspolitik“ (so der indische Chefdelegierte in Nairobi) ma-chen, oder, wie es der Industrieminister von Jamaika in Nairobi formulierte, zu einem . umfassenden Werkzeug der Entwicklungspolitik zur Unterstützung schnellen sozialen und wirtschaftlichen Wachstums in der Dritten Welt“. Diese Zielformel umreißt die Quintessenz des vom UNCTAD-Sekretariat konzipierten und von der „Gruppe der 77“ mit Enthusiasmus übernommenen „Integrierten Rohstoffprogramms” mit seinem „Gemeinsamen Fonds“. Die Entwicklungsländer sind nach wie vor starr auf dieses Programm fixiert und werten vor allem den Gemeinsamen Fonds als eine magische Formel zur Korrektur des von

Wesentlich erweiterte Fassung eines am 4. Oktober ig^ in Bonn gehaltenen Referats in der AR-BEITSGEMEINSCHAFT ENTWICKLUNGSLÄNDER (Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. — Deutscher Industrie-und Handelstag — Bundesverband deutscher Banken — Bundesverband des Deutschen Groß-und Außenhandels mit der Arbeitsgemeinschalt der Deutschen Exporteurvereine " Arbeitsgemeinschaft der Ländervereine).

ihnen für untauglich erachteten marktwirtschaftlichen Konzepts der Industrieländer. Die Kernpunkte des Rohstoffkonzepts des UNCTAD-Sekretariats sind bis heute unverändert die folgenden:

— Schaffung eines „Gemeinsamen Fonds“ zur Finanzierung von Rohstoff-Ausgleichslagern („Bufferstocks"). Finanzierung des Fonds durch die Produzentenund Verbraucherländer.

— Schaffung einer Anzahl internationaler Ausgleichslager im Rahmen internationaler Rohstoffabkommen Zweck dieser Lager:

INHALT I. Der Hintergrund: UNCTAD IV II. Grundsätzliche, „ideologische“ Ausgangspunkte

III. Das Problem eines gemeinsamen Rohstoff-Fonds

IV. öffentliche Anhörung im Bundestag V. Die offizielle Verhandlungsposition der Industrieländer VI. Eine Clearingstelle oder ein Pool als gemeinsamer Fonds?

VII. Ein Denkmodell der USA („Sandkastenspiel“)

VIII. Der Fall einer „extremen Situation“

im US-Modell IX. Pro und Kontra zum US-Modell X. Unterschiede zum UNCTAD-Konzept XL Ungelöste fundamentale Probleme XII. Zusammenfassende Würdigung des Konzepts einer Clearingstelle XIII. Heutige Position des UNCTAD-Sekretariats

XIV. Alternative: Eine über das Rohstoffproblem hinausgehende umfassende Gegenstrategie Stabilisierung der Preise und Sicherstellung von Lieferungen.

— Vereinbarung anderer Maßnahmen rohstoffpolitischer Art (z. B. betr. die Förderung der Diversifizierung der Erzeugung in den Entwicklungsländern und die Erweiterung der Verarbeitung von Rohstoffen mit dem Ziel, ihre Industrialisierung zu fördern und die Exporteinnahmen zu erhöhen).

In das „Integrierte Rohstoffprogramm'sollen 18 verschiedene Rohstoffe einbezogen werden: Bananen, Bauxit, Kakao, Kaffee, Kupfer, Baumwolle nebst Baumwollgarnen, Hartfasern und Produkte daraus, Eisenerz, Jute und Produkte daraus, Mangan, Fleisch, Phosphate, Kautschuk, Zucker, Tee, tropische Hölzer, Zinn, Pflanzenöle einschl. Olivenöl und Olsaaten. Für zehn der vorerwähnten Rohstoffe, die sogenannten „core Commodities", die als lagerfähig angesehen werden, sind seitens des UNCTAD-Sekretariats und der „Gruppe der 77" Ausgleichslager in Betracht gezogen: Kakao, Kaffee, Kupfer, Baumwolle, Jute, Kautschuk, Sisal, Zucker, Tee und Zinn.

Das integrierte Programm legt die Neue Internationale Wirtschaftsordnung, zu deren Verwirklichung es beitragen möchte, trotz verbaler Dementis, klar in dirigistischem Sinne aus, d. h., man will das Spiel der Marktkräfte weitgehend ausschalten. Wie einer der höchsten Funktionäre des UNCTAD-Sekretariats es einmal ganz hart formuliert hat, sollen nicht die durch den Markt gebildeten Preise die Produktion und den Absatz steuern, sondern maßgebend soll ein „neues Preisniveau sein, welches spezifisch ausgehandelt wird, um bestehenden Ungleichgewichten und Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken und die Exporterlöse der Entwicklungsländer anzuheben" Die Verfechter des UNCTAD-Konzepts sind fest davon überzeugt, daß die bisherige internationale Rohstoffpolitik an dem traditionellen „piece meal approach“ gescheitert ist, d. h. daran, daß man Rohstoff für Rohstoff an die Probleme herangegangen ist. Sie wollen das Problem nunmehr mit der geballten ideologischen Kraft der „Gruppe der 77“ auf „breiter Front" und integriert lösen

II. Grundsätzliche, „ideologische" Ausgangspunkte

Angesichts der anhaltend starken Ideologisierung des behandelten Themas erscheint es opportun, vorweg einige grundsätzliche Aspekte zu unterstreichen, die nach Auffassung des Verfassers Ausgangspunkt für die Erörterung und Lösung der sich stellenden Probleme bilden. In diesem Zusammenhang bietet sich eine Ziel-Formel an, welche Außenminister Genscher Ende Juni d. J. im Ministerrat der OECD gebrauchte: Weltwirtschaftliche Zusammenarbeit in Gleichberechtigung und gemeinsamer Verantwortung. Heute, wie vor dreißig Jahren, verdient die These von George Marshall Zustimmung, wonach es ohne gesunde wirtschaftliche Verhältnisse weder politische Stabilität noch einen sicheren Weltfrieden geben kann. Gleichberechtigung setzt einen Wandel der überkommenen Austauschstrukturen voraus. Aber bei allen im Sinne eines solchen Wandels zu treffenden Maßnahmen müssen die Industrie-und die Entwicklungsländer ihr gemeinsames Interesse an einer Funktionsfähigkeit der weltwirtschaftlichen Ordnung nicht nur erkennen, sondern sie müssen dafür auch die gemeinsame Mitverantwortung tragen. Ferner haben auch die sozialistischen Industrieländer für die Entwicklung der Weltwirtschaft einen Beitrag zu leisten, der ihrem Potential entspricht. Bisher wurde der Welthandel überwiegend durch den Marktmechanismus gesteuert, d. h. durch einen dezentralisierten Entscheidungsmechanismus. Dieser ist sicherlich nicht perfekt. Aber alle bisherigen zentralplanerischen Erfahrungen haben die Überlegenheit des Marktmechanismus für die Bewältigung der Steuerungsaufgabe erwiesen. Gewisse Eingriffe in den Marktmechanismus sind gewiß unerläßlich, wobei jedoch die Allokationsver luste, d. h. die Verluste durch einen anderen (zentralen) Steuererungsmechanismus, so gering wie möglich gehalten werden müssen. Entgegen den Thesen der Ideologen einer neuen Weltwirtschaftsordnung ist die Annahme irrig, daß die marktwirtschaftliche Ordnung einseitig nur die Industrieländer begünstige. In Wirklichkeit nützt sie, richtig verstanden, allen Staaten. Es gibt unzählige Beispiele dafür, daß Dirigismus auf nationaler und internationaler Ebene zu Fehlentwicklungen zum Schaden aller Beteiligten geführt hat. Diesen Thesen widerspricht es nicht, wenn man anerkennt, daß die Entwicklungs-länder überproportional am Wirtschaftswachstum beteiligt werden müssen, um das Wohlstandsgefälle zu vermindern.

Um dieses Ziel zu erreichen ist ein umfassendes Paket von Maßnahmen erforderlich, welche von einer wesentlichen Verstärkung der staatlichen Entwicklungshilfe über die Öffnung der Märkte und die Verstärkung der bilateralen privatwirtschaftlichen Zusammenarbeit bis zu spezifischen rohstoffpolitischen Maßnahmen reichen. Die zuletzt erwähnten Maßnahmen auf dem Rohstoffgebiet stellen im Rahmen des Gesamtpakets nur einen Teilausschnitt dar.

III. Das Problem eines gemeinsamen Rohstoff-Fonds

Hier wird nur ein Teilaspekt der spezifischen rohstoffpolitischen Maßnahmen, und zwar das besonders aktuelle und stark kontroverse Problem eines gemeinsamen Fonds behandelt. Der Begriff des Gemeinsamen Fonds ist im UNCTAD-Sekretariat geprägt und von der »Gruppe der 77“ übernommen worden. Der Fonds ist das Kernstück des sogenannten »Integrierten Rohstoffprogramms*. Die Grundphilosophie dieses Programms basiert insbesondere auf zwei Annahmen 7):

— Einerseits, daß das Nichtzustandekommen bzw. das unbefriedigende Funktionieren von Rohstoffabkommen darauf beruht, daß man isoliert Rohstoff für Rohstoff an die Probleme herangehe, statt in einer integrierten Weise, d. h. durch die gleichzeitige Aufnahme von Verhandlungen für eine größere Anzahl von Rohstoffen.

— Andererseits aber vertritt man vor allem die — durch die Erfahrung nicht bestätigte — These, daß der Mangel an Finanzmitteln einer der Hauptursachen für das Nichtzustandekommen funktionierender Rohstoffabkommen, insbesondere solchen, die Ausgleichs-lager vorsehen, darstelle. Auf dieser Hypothese beruht die Forderung nach einem Gemeinsamen Fonds, der als „Katalysator’ über das Finanzierungsproblem hinweghelfen soll.

Bei beiden Annahmen wird ignoriert, daß der Hauptgrund für das Nichtzustandekommen von Rohstoffabkommen mit und ohne Ausgleichslager das nach wie vor nicht gelöste — und unlösbare — Problem der Bestimmung der Preise bzw.der Preismargen ist. Kein „politischer Wille" oder der Appell an die Solidarität haben es bisher vermocht, eine überzeugende Formel für die Bestimmung des „richtigen“ oder des „gerechten" Preises zu finden. Und auch ein sogenanntes Integriertes Rohstoffprogramm vermindert nicht die altbekannte Problematik der Preisbestimmung. Ein multi-dimensionales Herangehen an das Problem des Abschlusses von Rohstoffabkommen — statt des traditionellen Vorgehens Rohstoff für Rohstoff — trägt in keiner Weise dazu bei, die Bestimmung der Preismarge bei den einzelnen Rohstoffen zu erleichtern. Jeder Rohstoff hat seine ganz spezifische Problematik hinsichtlich der Preisfestsetzung und der Schaffung von Ausgleichslagern.

Die auf der 4. Session der UNCTAD im Mai 1976 in Nairobi und die anschließend geführten monatelangen Verhandlungen haben den Eindruck nicht entkräftet, daß die Befürworter des Integrierten Rohstoffprogramms es bewußt hinnehmen, daß die überaus komplizierten Grundprobleme (von denen das der Preisbestimmung nur eines ist) gar nicht echt gelöst werden können, sondern daß sie entschlossen sind, die ungelösten Fragen durch massive finanzielle Injektionen zu überrollen, über deren Größenordnung nach wie vor völlig ungewisse Vorstellungen herrschen.

Der Gemeinsame Fonds im Sinne des nach wie vor auf dem Tisch liegenden UNCTAD-Konzepts soll über die Finanzierung bereits errichteter Ausgleichslager hinaus auch eine direkte Interventfonsbefugnis haben. Er soll für einen „beschränkten" Zeitraum auf Märkten intervenieren, für welche es (noch) keine Rohstoffabkommen gibt, um dadurch erforderlichenfalls „emergency price support" zu gewähren. In diesem Zusammenhang kann der Gemeinsame Fonds auch eigene Lagervorräte bilden. Die besondere Bedenklichkeit einer solchen „Notstands" -Kompetenz liegt auf der Hand. Das Hauptproblem stellt natürlich die Definition einer . kritischen Situation“ dar.

IV. Öffentliche Anhörung im Bundestag

Bei der Öffentlichen Anhörung zum Rohstoff-problem im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit des Bundestags im Mai d. J. fand das UNCTAD-Modell eines Gemeinsamen Fonds (GF) in seiner Gesamtheit nur einen Befürworter, nämlich den Vertreter des UNCTAD-Sekretariats. Wer gehofft hatte, in einer ins Detail gehenden Diskussion endlich einmal von maßgeblicher UNCTAD-Seite spezifische Gegenargumente zu ganz konkreten Einwänden zu erhalten, blieb enttäuscht. Die Ausführungen des UNC-TAD-Funktionärs waren eher oberflächlich und räumten keinen der gegen das Konzept erhobenen Einwände in überzeugender Weise aus. Typisch war, daß er das ernste Argument, wonach das UNCTAD-Konzept die Gefahr der Überschußproduktion mit sich bringe, durch eine Art Glaubensbekenntnis vom Tisch wischen wollte, indem er erklärte: „Ich versichere Ihnen, daß es keine Überproduktion geben wird. Das alles wird kein Anreiz zur Überproduktion sein. Der Fonds wird dann einfach keine Mittel mehr haben.“ Solche Simplifizierung und die häufige, stereotype Wiederholung der Behauptung, das UNCTAD-Konzept sei nicht dirigistisch, sondern grundsätzlich marktkonform, sind dem Gesundbeten ähnlich.

Alle anderen Sachverständigen lehnten in der Anhörung den UNCTAD-Vorschlag ab, zunächst den Gemeinsamen Fonds zu gründen und erst dann die Einzelabkommen abzuschließen. Der Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Industrie drückte die Meinung vieler aus, als er ausführte: „Wir müssen die Einzelrohstoffbereiche durchoperieren. Wir müssen die achtzehn Bereiche daraufhin prüfen, welche sich davon anbieten für eine klare vertragliche Vereinbarung, und müssen uns danach entsprechend den Finanzierungsbedürfnissen dieser Einzelabkommen über das unterhalten, was man zweckmäßigerweise unter GF zu verstehen hat..."

Es fällt schwer, den Gedankengängen zu folgen, die der Vertreter des HWWA-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hamburg, vortrug. Danach ist zwar der Gemeinsame Fonds als „absolut utopisch" abzulehnen. Gleichzeitig aber qualifizierte er das Integrierte Rohstoff-programm als „ausgesprochen sinnvoll“. Für das UNCTAD-Sekretariat und die Gruppe der „ 77“ ist die Errichtung des GF im Sinne ihres Konzepts eine politische Bedingungen sine qua non, und der Fonds ist ein Hauptelement, ja der Stützpfeiler des integrierten Programms. Dieses steht und fällt mit dem GF.

V. Die offizielle Verhandlungsposition der Industrieländer

Auf der UNCTAD-Session in Nairobi im Mai 1976 wurde in die Resolution (93-1V) betr. das „Integrierte Rohstoffprogramm" im Konsensverfahren die folgende Klausel aufgenommen: „Es wird vereinbart, daß Schritte in Richtung auf das Aushandeln eines Gemeinsamen Fonds unternommen werden.“ Damit war eine Verpflichtung zum Verhandeln eingegangen worden. Interpretierende, bei der Verabschiedung der Resolution abgegebene Erklärungen, insbesondere der USA-und der deutschen Delegation, stellten klar, daß die Verpflichtung zum Verhandeln noch keine Verpflichtung zur Errichtung des Fonds bedeute. Die von 1976 bis zum Frühjahr 1977 in Genf geführten Verhandlungen brachten keine bemerkenswerten Veränderungen der Positionen. Spätestens jedoch seit dem Londoner Treffen der Staats-und Regierungschefs im Mai und dem Abschluß der Pariser Nord-Süd-Konferenz (Konferenz über Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit — KIWZ) im Juni 1977 zeichnet sich eine Veränderung der Haltung wichtiger OECD-Länder zum Problem des Gemeinsamen Fonds ab. Inwieweit diese Veränderung substantiell oder nur taktisch-verbal ist, wird sich spätestens bei dem für die Zeit vom 7. November bis 2. Dezember d. J. angesetzten zweiten Teil der Verhandlungskonferenz über den GF zeigen. Auf der KIWZ wurde Einigung über eine vage Formel erzielt, nämlich über die „Errichtung eines GF, dessen Zweckbestimmungen, Ziele und sonstige Aspekte im Rahmen der UNCTAD ausgehandelt werden sollen’. In der „Zeit” verglich Rudolf Herlt diese Umschreibung eines GF mit einer Flasche, von der man nicht weiß, ob sie Speiseöl oder Salzsäure enthält und auf welche man das Etikett „Flüssigkeit“ geklebt hat.

Während sich die Entwicklungsländer weiterhin darauf beschränken, ihren spätestens seit der UNCTAD-Konferenz in Nairobi im Juni 1976 bekannten Standpunkt zu wiederholen und daran — trotz immer offensichtlicher werdender Diskrepanzen im eigenen Lager (Beispiele Kaffee und Kupfer) — starr festzuhalten, bemühen sich die Industrieländer um eine gegenseitige Abstimmung mit dem Ziele, dem Block der „ 77" eine geschlossenere Haltung als bisher entgegenzusetzen. In der OECD sucht eine Ad-hoc-Gruppe in der „High Level Group on Commodities“ hinter verschlossenen Türen im Sinne des Beschlusses der KIWZ nach einer brauchbaren Formel für einen GF. Dabei werden verschiedene Modelle bis in alle Einzelheiten diskutiert und simuliert.

VI. Eine Clearingstelle oder ein Pool als gemeinsamer Fonds?

Alle Überlegungen innerhalb der Gruppe der OECD-Länder unterstellen die Schaffung eines Gemeinsamen Fonds als Clearingstelle oder Pool einzelner Rohstoffabkommen mit Ausgleichslagern (Buffer-Stocks). Dabei werden zwei Grundmodelle in Betracht gezogen: 1. Das Modell einer reinen Clearingstelle bzw. Pools. Es würde sich dabei um eine nur kontenführende — im Gegensatz zum GF der UNCTAD —, nicht mit eigenen Mitteln ausgestattete Verrechnungsstelle zwischen einzelnen, über Kapital verfügenden Rohstoffabkommen handeln, mit dem Ziele des Kapital-ausgleichs zwischen den Abkommen.

2. Das Modell eines „fonds central’ in Anlehnung an einen Vorschlag, den der französische Minister Fourcade bereits im Mai 1976 in Nairobi unterbreitet hatte. Von dem der reinen Clearingstelle unterscheidet sich dieses Modell dadurch, daß der fonds central zusätzlich zu den Depots seiner Mitglieder über eigene Mittel verfügen würde, um sie im Bedarfsfall an die einzelnen Abkommen auszuleihen und damit deren Finanzkraft über ihr Eigenkapital hinaus zu stärken. Der Fourca-de-Plan ging seinerzeit von einer positiven Einstellung zur Finanzierung der Ausgleichs-lager gemeinsam durch Produzenten und Verbraucher im Rahmen jedes einzelnen Rohstoffabkommens aus. Aber er lehnte die Schaffung eines zentralen Fonds unabhängig von und vor dem Abschluß einzelner Rohstoffabkommen ab. In dem einschlägigen Papier wurde zu dieser speziellen Frage bemerkt, daß bei der vorherigen Schaffung eines Fonds alle Bemühungen zu stark auf die finanziellen Fragen gerichtet sein würden, statt auf die substantiellen Probleme. Nach dem ursprünglichen Konzept könnte der fonds central durch die erwarteten Liquiditätsüberschüsse („Ersparnisse") einzelner Ausgleichs-lager gespeist werden; ferner aber auch durch Beiträge . gewisser internationaler Organisationen, insbesondere der Weltbank'.

VII. Ein Denkmodell der USA („Sandkastenspiel")

la der öffentlichen Erörterung wird (im Gegensatz zu der Diskussion in vertraulichen Sitzungen) über die Stichworte reine Clearingstelle bzw. Clearingstelle mit Eigenmitteln bisher nur in ziemlich globaler Weise diskutiert. Die eigentliche Problematik eines Gemeinsamen Fonds als Clearingstelle wird damit nicht deutlich genug transparent. Es wird höchste Zeit, auch eine breitere Offentichkeit — vor allem aber die maßgeblichen Politiker — mit den Detailproblemen yertraut zu machen, um einer Bagatellisierung der Probleme vorzübeugen, die auch mit einem als Clearingstelle aufgezogenen gemeinsamen Fonds verbunden sind.

In diesem Zusammenhang lohnt es sich, ein Denkmodell näher zu betrachten, welches die US-Administration ausgearbeitet hat. Es handelt sich um ein Sandkastenspiel mit verschiedenen Optionen, welche bei jeder Form eines Clearinghouse-Modells eine Rolle spielen können, über die von den USA im November d. J. einzunehmende Haltung sagen die in dem Papier angestellten Erwägungen natürlich noch nichts Endgültiges aus. Das Denkmodell der USA geht davon aus, daß ein Pool, der die finanziellen Mittel mehrerer Rohstoffausgleichslager zusammenfaßt, als Kernstück des Gemeinsamen Fonds in Betracht kommt. Dabei wird eine Mindestzahl von drei Ausgleichslagern unterstellt. (Im OECD-Sekretariat wird mittelfristig die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß zu den bestehenden Abkommen mit Ausgleichslagern —z. Zt. Zinn und Kakao — noch Abkommen über Kautschuk und Zucker hinzukommen.) Das US-Denkmodell will die Teilnahme am GF den einzelnen Rohstoffabkommen völlig frei stellen. Wie andere Modelle beruhen auch die Erwägungen der USA darauf, daß der GF, in welchen die einzelnen Ausgleichs-lager nur bestimmte Anteile ihrer liquiden Mittel einzahlen sollen, Liquiditätsüberschüsse einiger Ausgleichslager zugunsten anderer Lager verwenden kann. Dabei spielt die Erwartung eine entscheidende Rolle, daß divergierende Preisbewegungen bei den einbezogenen Rohstoffen „Ersparnisse“ hinsichtlich des insgesamt benötigten Finanzvolumens bringen könnten. (In OECD-Untersuchungen wird zu Recht auf die beträchtliche Ungewißheit diesbezüglicher Schätzungen hingewiesen.) Im vollen Bewußtsein dieser Problematik geht das US-Modell von der Hypothese aus, daß ein Pool-System für alle beteiligten Ausgleichslager Ersparnisse ermöglichen würde. Es wird ferner unterstellt, daß die einzelnen Ausgleichslager im Hinblick auf das Bestehen des GF normalerweise nicht genötigt sein werden, die von ihren Mitgliedern zugesagten Beiträge von Anfang an voll abzurufen.

Noch eine andere, fundamentale Grundannahme steht hinter dem Denkmodell: Die Mitgliedsländer internationaler Rohstoffabkommen mit Ausgleichslagern werden — unabhängig von den Entscheidungen anderer Rohstoffabkommen — zwei entscheidende Werte durch Beschluß festsetzen: die mengenmäßige Größe des Ausgleichslagers und den daraus resultierenden Finanzbedarf. Je nach Rohstoff wird sich dabei eine stark verschiedene Größenordnung für den finanziellen Bedarf der einzelnen Ausgleichslager ergeben. Unterstellt man einmal, daß es bezüglich beider Punkte zu klaren Beschlüssen kommt, so läßt sich das US-Denkmodell an folgenden (hier willkürlich gewählten und daher völlig theoretischen) Beispielen illustrieren: Die Ausgleichslager für die Rohstoffe X, Y und Z haben entsprechend der Größe und dem Wert der geplanten Lager ihren Finanzbedarf auf 15, 10 bzw. 5 Milliarden US-Dollar festgelegt. Ohne einen Pool wären sie gezwungen, ihre Mitgliedsländer zur Einzahlung bzw. Bereitstellung (auf Abruf) der entsprechenden Mittel in Höhe von 100 Prozent zu veranlassen. Wenn man — wie das US-Denkmodell — von der Hypothese ausgeht, daß unter einem Pool-System 20 Prozent »gespart" werden können, d. h. praktisch nicht mobilisiert werden müssen, so brauchten in dem obigen Beispiel nicht insgesamt 30 Milliarden US-Dollar aufgebracht zu werden, sondern nur 24 Milliarden. Diesen Betrag hätten die drei Ausgleichs-lager entsprechend ihrer Größe aufzubringen (d. h. X = 12 Mrd. US-Dollar, Y = 8 Mrd. und Z = 4 Mrd.). Nach den amerikanischen Vorstellungen kann jedes Ausgleichslager bis zur Höhe seiner Einlage „automatisch" auf den Pool ziehen (Phase I). Soweit Mittel im Pool verfügbar sind (was das US-Papier als „Normalfall" ansieht!), sollen auch über die Eigeneinlage hinausgehende Ziehungen möglich sein, wodurch das einzelne Ausgleichslager den sofortigen Rückgriff auf die eigenen Abkommens-mitglieder hinsichtlich noch nicht eingezahlter Beiträge vermeiden kann (Phase II). Für solche Ziehungen wird eine Verzinsungspflicht erwogen.

Für den Fall einer Erschöpfung der finanziellen Mittel des Pools (Phase 11!) zieht das Denkmodell drei Alternativen in Betracht:

A. Jedes einzelne Ausgleichslager greift auf die eigenen Abkommensmitglieder in Höhe noch nicht eingezahlter Beiträge (im gewählten Beispiel 20 Prozent) zurück. Dabei besteht die Möglichkeit, daß einzelne Mitgliedsländer eine Ziehung auf die buffer-stock facility des Internationalen Währungsfonds vornehmen oder sich kreditsuchend an die Weltbank wenden. Auch eine direkte Kreditgewährung der Weltbank an das einzelne Rohstoffabkommen wird in Betracht gezogen.

B. Der GF (Pool) nimmt kommerzielle Kredite auf (abgesichert durch die in den einzelnen Ausgleichslagern gebildeten Vorräte). Die Maximalgrenze für solche Kreditaufnahmen soll nach dem Denkmodell den Wert der durch das Pool-System erwarteten „Ersparnisse” nicht überschreiten, d. h. im hier angenommenen Beispiel nicht die Summe von 6 Mrd. US-Dollar. Unter der Alternative B. würde der GF einen gewissen Einfluß auf das Management der einzelnen Rohstoff-Abkommen und ihrer Ausgleichslager erhalten. Den Vorteil dieser Alternative sieht man darin, daß sie noch keine Inanspruchnahme »äußerer“ Ressourcen beinhaltet, da die Kreditauf-B nähme auf kommerzieller Basis unter Absicherung gegen vorhandene Lagervorräte erfolgt. C. Bei der Weltbank wird eine ovetdrait iacility neu geschaffen, welche im Rahmen der in Aussicht genommenen Kapitalerhöhung der Bank abzudecken wäre (gegebenenfalls auch durch Sondereinzahlungen). Auch für diese Alternative soll die gleiche Maximalgrenze wie unter B. gelten. Sie trüge weitgehend . automatischen" Charakter. Ihren Hauptvor-teil sieht das US-Denkmodell darin, daß die Schaffung der overdraft facility „praktisch absolute Gewißheit" bezüglich der Verfügbarkeit von Mitteln geben würde, während die Aufnahme von Krediten nicht problemlos wäre. Als Nachteile der Alternative werden gewertet: die Einschränkung des Ermessensspielraums der Weltbank in der Gewährung von Krediten und die Notwendigkeit einer Änderung der Weltbank-Statuten.

VIII. Der Fall einer

„extremen Situation" im US-Modell

Der nicht nur rohstoffpolitisch, sondern auch politisch wichtigste Abschnitt des US-Modells behandelt die Frage einer „extremen'Situation (Phase IV), in welcher zusätzliche äußere Ressourcen benötigt werden, um die Ausgleichslager zu befähigen, die in den zugrunde liegenden Abkommen festgesetzten unteren Preisgrenzen durch Ankauf weiterer Rohstoffe zu verteidigen. In dem Modell wird eine . teste Begrenzung'der Beschallung . äußerer'Ressourcen als unerläßlich betrachtet. Beispielshalber und unter ausdrücklichem Hinweis auf den spekulativen Charakter aller Schätzwerte wird für den Extremfall eine Erhöhung des gesamten Ressourcenvolumens um 50 Prozent über den ursprünglich geschätzten Finanzbedarf hinaus erwogen. Das würde in dem oben gewählten Beispiel eines anfänglich festzugesagten Ressourcenvolumens von 30 Mrd. US-Dollar einem Höchst-limit von 45 Mrd. US-Dollar entsprechen. Der Extremfall wäre nach dem Modell dann gegeben, wenn einerseits die Ressourcen des Pools und seiner Mitglieder erschöpft sind und andererseits die „Rohstoffpreise allgemein auf breiter Front fallen und wenn diese Preisrückgänge auf die Nachfrage-im Gegensatz zu der Angebotslage" zurüdezuführen sind. Bei der Feststellung einer solchen Lage sollen insbesondere die laufenden Prognosen des Internationalen Währungsfonds und der OECD be-rücksichtigt werden.

Für die Aufbringung der zusätzlichen Finanzmittel werden alternativ Regierungsbeiträge, Weltbank-oder kommerzielle Kredite bzw. Kombinationen davon in Betracht gezogen. Die Kredite sollen durch die Rohstoffvorräte abgesichert werden. Für den Fall einer Einschaltung der Weltbank wird eine Statutenänderung dieses Instituts für erforderlich erachtet.

IX. Pro und Kontra zum US-Modell

Im Denkmodell werden Pro und Kontra der zusätzlichen Finanzierung abgewogen. Als problematisch wird dabei die objektive Feststellung sowohl einer . extremen'Situahon als auch der Dringlichkeit des Bedarfs der einzelnen Ausgleichslager angesehen. Es wird ferner hervorgehoben, daß der GF durch seine Mitwirkung bei der Herbeiführung der einschlägigen Entscheidungen einen unerwünschten Grad der Einflußnahme und Kontrolle auf das Management der einzelnen Ausgleichslager erhält. Besonders bemerkenswert ist der Hinweis auf die Gefahr, daß sich die einzelnen Ausgleichslager bei der anfänglichen Festsetzung ihres Finanzbedarfs durch >e Schaffung einer Sonderfazilität für Ex-tremfälle zu einer Unterfinanzierung ermutigt sehen könnten und daher von vornherein un-2ureichend große Ausgleichslager in Aussicht nehmen. Andererseits wird nicht ausgeschlossen, daß wegen der Möglichkeit der Zusatzfinanzierung zu große und unwirtschaftliche Ausgleichslager, insbesondere für landwirtschaftliche Produkte, entstehen könnten. Nicht unerwähnt bleibt, daß durch die Zusatz-finanzierung die ursprünglich festgelegte finanzielle Belastung der Mitglieder der einzelnen Rohstoff-Abkommen auf externe Quellen abgewälzt würde.

Gegenüber diesen gewichtigen Negativpunkten werden als positiv nur die folgenden gewertet: Das System der Vergrößerung der Ausgleichslager (dank der Zusatzfinanzierung) sei einem System von Export-oder Produktionskontrollen in einer Phase des Preisrückgangs vorzuziehen, da es zur Vermeidung etwaiger späterer Knappheitssitua49 tionen beitrage. Für die Inanspruchnahme der Zusatzfinanzierung würden im Hinblick auf die definitive Obergrenze „strenge" Kriterien gelten. Die Finanzierung dürfe nicht der Bildung „übergroßer" Ausgleichslager dienen, sondern solle dem Umstand Rechnung tragen, daß es bei der Errichtung der Ausgleichslager „unmöglich" sei, völlig korrekte Analysen und Projektionen (über die Größe) der Ausgleichslager vorzunehmen". Der GF müsse in die Lage versetzt werden, „extreme Situationen zu überleben, wie z. B. eine schwere Rezession, in der die meisten, wenn nicht alle Rohstoffpreise für eine lange Periode rückläufig wird". Sämtliche „Positiv" -Punkte beinhalten einen hohen Grad von Wunschdenken. Institutionell möchten die USA nach dem Denkmodell den GF mehr oder minder eng an die Weltbank anlehnen, hätten aber wohl auch gegen eine unabhängige neue Institution keine unüberwindlichen Bedenken.

X. Unterschiede zum UNCTAD-Konzept

Von dem UNCTAD-Konzept eines GF unterscheidet sich das US-Denkmodell vor allem in folgenden Punkten:

— Ablehnung der Errichtung eines GF vor dem Abschluß von Einzelabkommen mit Ausgleichslagern. Der GF soll erst nach dem Inkrafttreten von mehreren Einzelabkommen seine Tätigkeit aufnehmen. Die USA halten damit an der (zutreffenden) Auffassung fest, daß in erster Linie nicht der Mangel an finanziellen Mitteln ein Hindernis für den Abschluß solcher Abkommen darstellt, sondern die technische und politische Problematik. Die scharfe Linie zwischen „vorher" und „nachher" wird allerdings dadurch verwischt, daß die USA ihre Bereitschaft erklärt haben, gleichzeitig über die Errichtung des GF und über den Abschluß einzelner Abkommen zu verhandeln, wobei ausdrücklich hinzugefügt wird: „Wie believe that financial pooling can only be activated after individual agreements have come into effect."

— Die Ablehnung von Interventionen auf Rohstoffmärkten, für die (noch) keine Abkommen mit Ausgleichslagem in Kraft sind.

— Mengenmäßige Festlegung der Größe jedes einzelnen Ausgleichslagers. Eine solche Festlegung ist in der UNCTAD-Dokumen-tation nicht eindeutig vorgesehen. Das US-Denkmodell geht davon aus, daß bei der Errichtung von Ausgleichslagern ein mengenmäßiges Höchstlimit festgesetzt wird. Allerdings wird für den Fall einer „extremen" Situation (Phase IV) eine — genau zu fixierende — Überschreitung des Höchstlimits in Betracht gezogen. Damit erhält das ursprünglich vereinbarte Höchstlimit nur den Charakter eines ersten, vorläufigen Dammes.

— Keine Übertragung von Management-Aufgaben und Eingriffsbefugnissen gegenüber den Einzelabkommen. Dieses vernünftige Prinzip wird freilich eindeutig in der Phase der Zusatzfinanzierung in „extremen" Lagen durchbrochen, d. h. gerade dann, wenn ein Ausgleichslager über die Schönwetterlage hinaus seine Funktionsfähigkeit beweisen sollte — Ablehnung des Konzepts, wonach der GF als Instrument des Einkommenstransfers mittels Preiserhöhungen über den langfristigen Markttrend hinaus verwendet werden soll.

— Während nach dem'UNCTAD-Konzept der GF unter dem Stichwort „sonstige Maßnahmen" auch Maßnahmen der Diversifizierung, der Verarbeitung, des Marketing usw. finanziell fördern soll, gehören diese Aufgaben nach dem Denkmodell der USA nicht in den Zuständigkeitsbereich des GF. (Der von der Ford-Administration in Nairobi gemachte Vorschlag der Errichtung einer Internationalen Ressourcenbank wird von der Carter-Administration nicht mehr aufrechterhalten. Man ist sich zwar nach wie vor der Wichtigkeit massiver Investitionen bewußt, möchte es insofern aber bei der Zuständigkeit bestehender internationaler Institutionen — insbesondere der Weltbank — belassen. Der Unterschied zu dem von Kissinger vertretenen Konzept einer International Ressources Bank ist mehr verbaler bzw. institutioneller als substantieller Art.)

XI. Ungelöste fundamentale Probleme

Das US-Denkmodell illustriert in'drastischer Form die Problematik auch eines Clearingoder Pool-Systems. Soweit die Zuweisung äu-ßerer Ressourcen vorgesehen ist — wie in der im Denkmodell erwogenen Extremsituation , kann von einem wirklichen Clearing oder Pooling nicht mehr die Rede sein. Es handelt sich um einen zentralen dirigistischen Eingriff in die Rohstoffpolitik. Wenn dieser auch in einigen Punkten weniger Angriffsflächen als das UNCTAD-Konzept bietet, so fehlt es doch in diesem Zusammenhang an ausreichend klaren Antworten auf Dutzende von wichtigen Einzelfragen. Diese werden in den meisten Diskussionen unter den Tisch gekehrt; es stehen vor allem Fragen des taktischen Vorgehens im Vordergrund, als ob man mit Verhandlungstaktik ungelöste Probleme überspringen könnte. Hier können davon nur zwei fundamentale Probleme herausgegriffen werden: 1. Das Fehlen wirklich überzeugender Kriterien für die Bestimmung der Größe der einzelnen Rohstofflager und damit für den Finanzbedarf. 2. Die unverändert bestehende Problematik der Preisfestsetzung als entscheidender Grundlage für die Operation eines Ausgleichslagers. Zu 1. Was die Frage der Kriterien für die Bestimmung der Größe der einzelnen Ausgleichslager angeht, so gibt es dafür keine verläßlichen Anhaltspunkte. Die für alle Grundentscheidungen unerläßlichen Schätzungen und Prognosen sind in hohem Grade spekulativ, um nicht zu sagen abenteuerlich. Die . Experten“ widersprechen sich, zumal sie für ihre Schätzungen meist kaum bessere Anhaltspunkte haben als Astrologen bei ihrem Blick in die Zukunft.

Der Vertreter der EG-Kommission versuchte bei der Öffentlichen Anhörung im Bundestag die schlechten Erfahrungen, welche mit dem Ausgleichslager für Zinn gemacht worden sind, durch die Bemerkung zu bagatellisieren, daß dieser Bufferstock „viel zu klein“ angelegt worden sei. Als er daraufhin von einigen Abgeordneten bedrängt wurde, sich zu den Kriterien für die Größe eines funktionsfähigen Bufferstocks zu äußern, mußte auch der EG-Experte bekennen, daß er „auch nicht sagen (könne), wie groß die Bufferstocks für einzelne Produkte sein müssen". Für den Außenstehenden ist nicht ersichtlich, ob die EG inzwischen den Stein des Weisen gefunden hat. Mit allgemeinem Gerede ist nichts getan. Wenn ein Ausgleichslager auf sich selbst gestellt ist, wird man mit größter Vorsicht an die erforderlichen Schätzungen und Progno-sen herangehen. Man muß ja für falsche Schätzungen selbst einstehen. In einem Pool-Systemmit zusätzlichen äußeren Ressourcen wird dagegen manches Einzellager im Vertrauen auf den Pool weniger vorsichtig operieren, und falsche Prognosen bekommen damit einen Multiplikator-Effekt. In einer vertraulichen Bonner Studie wird zutreffend darauf hingewiesen, daß die Abkommen, welche ihren Preis am stärksten über dem Gleichgewichtspreis halten, die meisten Finanzmittel benötigen. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Die damit verbundene Subventionierung eines Teils der Abkommen durch einen anderen setzt bei den Beteiligten einen bisher nicht zu beobachtenden Grad von Solidarität voraus."

Zu 2. Wie einleitend bereits bemerkt worden ist, gibt es kein objektives Kriterium für die Bestimmung des im UNCTAD-Konzept angestrebten „gerechten“ Preises. Hier liegt der eigentliche Grund dafür, daß die Abkommen für Weizen, Zinn, Kakao, Kaffee und Zucker hinsichtlich der Preisstabilisierung gerade immer dann nicht funktionierten, wenn ein Ausgleich am dringendsten nötig gewesen wäre. Insbesondere sind starke Preisausschläge nach oben bisher von keinem Abkommen verhindert worden. Nach einer prägnanten Formulierung von Willy Zeller 9) gibt es ein Marktgleichgewicht stets nur zu einem Preis, nämlich dem marktgerechten: „Man kann zwar Preise aushandeln, wie es den Promotoren eines Netzes internationaler Roh-warenabkommen vorschwebt. Man kann aber ausgehandelte Preise normalerweise nur sichern, wenn man die Angebote mengenmäßig steuert.“ Hier fallen dann alternativ die ominösen Stichworte Export-und/oder Produktionsquoten einerseits oder die Finanzierung von Überschüssen andererseits.

Die Gefahr, daß auch neue oder zu erneuernde Abkommen — so wie die bisherigen — nur Schönwetterabkommen sein werden, kann auch durch das in der Öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit wieder einmal aufgewärmte sogenannte Konzept der . Stufenflexibilität’ nicht gebannt werden. Das aus der Wäh-rungstheorie entnommene Schlagwort von „stufenflexiblen" Abkommen, welche Preiskorrekturen nach oben und unten möglich machen sollen, nutzt praktisch kaum mehr als der üblicherweise für den gleichen Gedankengang verwendete Begriff der Bandbreite. In einem . stufenflexiblen“ Abkommen soll die Preismarge geändert werden, sobald sich der ’) Neue Zürcher Zeitung, Fernausgabe 28729. August 1976. Preis „längere Zeit" an der oberen oder unteren Interventionsgrenze bewegt. In diesem Zusammenhang bedarf es einerseits der Definition des Begriffs »längere Zeit“. Andererseits ist zu fragen, was wirklich gewonnen wird, wenn die Preisspanne immer nur dem sinkenden oder steigenden Marktpreis nachgezogen wird. Ein abschreckendes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das Zinn-Abkommen.

Setzt man die Bandbreite (d. h. die „Stufenflexibilität") zu weit an, so mindert man den Stabilisierungseffekt, wenn man ihn nicht so-gar praktisch aufhebt. Bemißt man sie zu eng, so trägt das Konzept keinen Deut zur Lösung des Preisproblems bei. Manfred Tietzel verdient mit seiner These Zustimmung, wonach das Konzept der Stufenflexibilität „das Verhandlungsproblem zwischen den Export-und Importländern nur auf eine andere Ebene (verschiebt): statt der Preise selbst ist ein Mechanismus zur Preisbestimmung Verhandlungsgegenstand.“ Bei der Anhörung im Bundestag wurde das Konzent ler Stufenflexibilität seitens der Ab-

geord--ten kommentarlos hingenommen, und es fällt schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, daß einige Hearing-Teilnehmer in diesem problematischen Konzept eine Chance sehen, um das zentral wichtige Preisproblem zu bagatellisieren. Anders ist es nicht zu erklären, daß es in der „Zusammenstellung der Ergebnisse" des Hearing heißt: „Durchweg wird das Modell der Stufenflexibilität vorgeschlagen ..." Es ist höchste Zeit, daß sich die Anhänger des Konzepts der Stufenflexibilität be-reit finden, auf die ernsten Einwände konkret und substantiell zu replizieren, statt das sachlich inhaltslose Schlagwort stereotyp zu wiederholen.

XII. Zusammenfassende Würdigung des Konzepts einer Clearingstelle

Eine zusammeniassende Würdigung des Konzepts eines Gemeinsamen Fonds in Form einer Clearingstelle muß zwischen den beiden Grundtypen unterscheiden: Clearingstelle mit oder ohne äußere Ressourcen.

Im Falle einer Clearingstelle ohne äußere Ressourcen, die Staatssekretär Hermes vom Auswärtigen Amt kürzlich in einem Zeitschriftenartikel als eine Möglichkeit in Betracht zieht, zumal sie seiner Auffassung nach marktkonform wäre, wird von der Annahme ausgegangen, daß die Mitgliedsabkommen der Clearingstelle ihre Mittel nicht gleichzeitig voll benötigen, so daß . Ersparnisse“ gemacht werden können. Man unterstellt dabei, daß die Preisentwicklung bei den einbezogenen Rohstoffen nicht parallel verläuft. Diese Hypothese ist allerdings umstritten. Sollten, wie es schon der Fall war, alle Preise gleichzeitig sinken, so kann eine Clearingstelle ohne äußere Ressourcen keinen, zum mindesten aber keinen vollen Ausgleich bringen. Bisher fehlt es an verläßlichen Untersuchungen, ob und welche »Ersparnisse“ bei diesem Modell realistischerweise erwartet werden können. Die Meinungen der Experten pendeln zwischen 0 und 60 Prozent. In OECD-Studien werden alle einschlägigen Schätzungen mit Skepsis beurteilt. Die Konklusion ist, daß eine Clearingstelle solcher Art kaum eine -große Attraktion für diejenigen darstellt, welche an die Notwendigkeit eines Gemeinsamen Fonds glauben.

Anders wäre die Sachlage für eine Clearingstelle mit äußeren Ressourcen, also einem fonds central. Aber für eine solche Institution gelten — wenn auch in abgeschwächter Form — die gegen das UNCTAD-Konzept des GF anzuführenden ernsten Bedenken. Sie gehen dahin, daß dieses Konzept die Gefahr der Fehlallokation von Ressourcen und sich kumulierender interventionistischer Maßnahmen beinhaltet. Auch diese Form eines GF würde den Marktmechanismus, insbesondere in kritischen Situationen, weitgehend durch einen dirigistischen Mechanismus ersetzen und da-mit die Steuerungsaufgabe komplizieren und bürokratisieren. Wer im Interesse der Industrie- und der Entwicklungsländer für die Stärkung der Funktionsiähigkeit der weltwirtschaftlichen Ordnung eintritt, muß bei sachbezogener und nüchterner Betrachtung das Konzept der Clearingstelle mit äußeren Ressourcen ablehnen. Auch der stärkste politische Wille würde nicht ausreichen, um unabsehbaren Schaden zu vermeiden.

XIII. Heutige Position des UNCTAD-Sekretariats

Die gegenwärtige Haltung des UNCTAD-Sekretariats bzw.der „Gruppe der 77" wurde kürzlich durch einen leitenden Beamten der UNCTAD, den Finnen Teuvo Lehti, in einem Artikel der außenpolitischen Zeitschrift „Ul-kopolitika", Helsinki, skizziert. Danach ist das Integrierte Rohstoffprogramm mit dem GF nach wie vor der „Eckstein der Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung“. Das Programm strebe keine künstlichen Preiserhöhung 611 an, sondern wolle nur eine größere Preisstabilität erreichen. Die in vielen UNC-TAD-Dokumenten bisher vertretene Forderung auf substantielle Preiserhöhungen als Mittel des Ressourcentransfers wird damit ignoriert. Lehti, welcher jahrelang in der Rohstoffabteilung der FAO Erfahrungen sammeln konnte, gibt zu, daß die Errichtung von Bufferstocks bei einer Anzahl von Rohstoffen . technische'Probleme aufwerfe (wobei er offenbar Fragen wie die der Lagerfähigkeit, der eindeutigen Bestimmbarkeit der Qualitätsgruppen, der Größe der Lager usw. meint). Diese seien ernst zu nehmen, dürften aber die Errichtung von Bufferstocks nicht behindern, schreibt Lehti, ohne auch nur anzudeuten, wie die sogenannten technischen Probleme zu lösen seien.

Die Hauptsäule des Integrierten Rohstoffprogramms, der Gemeinsame Fonds, müsse zur Erfüllung seiner Funktion als Katalysator vor dem Abschluß von Einzelabkommen geschaffen werden. Lehti erkennt aber ausdrücklich an. daß es wohl keinen Fall gebe, in welchem eindeutig nachweisbar sei, daß das Fehlen finanzieller Mittel den Abschluß eines Bufferstock-Abkommens verhindert habe. Er räumt die Möglichkeit ein, uaß die Durchführung des Integrierten Rohstoffprogramms den einzelnen Entwicklungsländer. ^hr unterschied- liehe Vorteile bringen werde. Wenn sich diese trotzdem als Einheitsfront präsentierten, so sei das die Folge einer Abwägung der politischen gegenüber den wirtschaftlichen Vorteilen. Der Nord-Süd-Dialog habe zwar das größte politische Hindernis für die Errichtung des GF beseitigt, jedoch die Frage offen gelassen, welche Ausgestaltung der Fonds erhalten solle. Die „Gruppe der 77“ halte weiterhin an dem in Nairobi vorgeschlagenen Konzept fest, und es gebe nur wenige Anzeichen für die Annahme, daß sie ihre Position in der nahen Zukunft drastisch ändern werde. Als unverzichtbare Punkte führt Lehti die folgenden an:

„Insbesondere die Schaffung einer im voraus verfügbaren Finanzierungsquelle; die Befugnis für den Fonds, Kapital auf dem Kreditwege zu beschaffen und die Einbeziehung eines , zweiten Fensters'.“ (Das zweite Fenster beinhaltet die Forderung auf Finanzierungsmöglichkeiten durch den GF für Maßnahmen der Diversifizierung, des Marketing, der Verarbeitung usw.)

Nach Meinung Lehtis entsprechen die seitens der Industrieländer bisher erwogenen Modelle eines GF den erwähnten „essentials" schon deswegen nicht, weil sie die Schaffung einer Finanzierungsquelle erst nach der Schaffung von Bufferstocks für einzelne Rohstoffe in Betracht ziehen. Der erfolgreiche Abschluß der im November erneut beginnenden Verhandlungen hänge wesentlich von einer Änderung der Haltung der Industrieländer in diesem Punkte ab. Ein System der kompensatorischen Finanzierung von Schwankungen der Exporterlöse wird seiner Meinung nach von den , 77“ weiterhin nur als eine komplementäre Maßnahme zur Preisstabilisierung gewertet, nicht aber als eine Alternative dazu.

XIV. Alternative: Eine über Rohstoffprobleme hinausgehende umfassende Gegenstrategie

Diejenigen Industrieländer, welche in den bevorstehenden Verhandlungen sowohl einen GF im Sinne der UNCTAD als auch einen GF in der Form eines fonds central ablehnen, könnten politisch in Bedrängnis geraten. Ihnen wird der — unberechtigte — Vorwurf weht erspart bleiben, daß sie einen GF hauptsächlich nur deswegen ablehnten, um Privile-9ien zu verteidigen, auch wenn sie in Wirklichkeit nur vermeiden wollen, ialsche Opfer zu bringen, die doch niemanden nützen. Man wird ihnen vorwerfen, auf Konfrontationskurs zu gehen. Aber auch wenn man der Meinung ist, daß in den Beziehungen zwischen Nord und Süd unbedingt Kooperation statt Konfrontation geboten ist, so verdient die im Bundestag ausgesprochene Mahnung eines so überzeugten Verfechters des Kooperationskurses wie Horst Ehmke Beachtung, wonach die Industrieländer „alle Vorschläge der Entwick-lungsländer darauf prüfen müssen, ob sie ihnen und der Stabilität der Weltwirtschaft überhaupt dienen"

Da die ernsten Bedenken gegen einen Gemeinsamen Fonds mit eigenen Ressourcen bisher nicht ausgeräumt werden konnten, bleiben den Ländern, welche Bedenken gegen einen gemeinsamen Fonds haben, der über eine reine Clearingstelle hinausgeht, im Grunde nur drei Möglichkeiten:

— Zustimmung gegen besseres Wissen aus „politischen" Erwägungen (gleichbedeutend mit dem Sichabfinden mit einem Zugzwang zu unabsehbaren — gegebenenfalls mit laufender Nachschußpflicht verbundenen — weiteren Schritten);

— Ablehnung eines Gemeinsamen Fonds mit eigenen Ressourcen;

— konstruktive Gegenvorschläge.

Alles spricht für die zuletzt erwähnte Option. Eine Gegenstrategie muß von der These ausgehen, daß eine internationale Rohstoffpolitik nur Teil einer zielbewußten entwicklungspolitischen Strategie sein kann Die Gesamtstrategie, welche auch die Knappheit der Ressourcen nicht außer acht lassen kann, hat insbesondere die folgenden Punkte zu umfassen: — Verstärkung der öffentlichen Entwicklungshilfe. (In der „Internationalen Strategie für die Zweite Entwicklungsdekade der Vereinten Nationen", welche von der UN-Vollversammlung 24. 1970 verabschiedet wurde, ist eine Anhebung der öffentlichen Entwicklungshilfe bis Mitte der siebziger Jahre auf mindestens 0, 7 ’/o des Bruttosozialprodukts in Aussicht genommen worden. Die öffentlichen Leistungen der Bundesrepublik Deutschland lagen im Jahre 1976 bei nur 0, 31 %.)

— Weitere Öffnung der Märkte der Industrieländer (und zwar auch — und gerade — für diejenigen Warengruppen, bezüglich derer die Entwicklungsländer besonders konkurrenzfähig sind) — Intensivierung der bilateralen privatwirtschaftlichen Zusammenarbeit.

— Spezifische rohstoffpolitische Maßnahmen. Was die spezifischen rohstoifpolitischen Maßnahmen angeht, so können dazu hier nur die folgenden Stichworte angeführt werden:

— Weitere Verbesserung des Systems der Exporterlösstabilisierung

— grundsätzlich positive Einstellung zum Abschluß von einzelnen Rohstoffabkommen mit und ohne Preisklauseln bzw. Rohstoffaus.

gleichslagern;

— Verbesserung der bestehenden Re-Finanzierungsmöglichkeiten für Rohstoff-Ausgleichslager beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank;

— horizontale und vertikale Diversifizierung

— Schaffung von Möglichkeiten für die Finanzierung von Investitionsvorhaben auf dem Rohstoffsektor (z. B. für Diversifizierung, Technologietransfer, Marketing).

Unter den spezifischen rohstoffpolitischen Maßnahmen wurde bewußt die Exporterlösstabilisierung an die erste Stelle gesetzt. Es besteht weitgehend Konsens darüber, daß damit am schnellsten und gezieltesten gerade den Bedürftigsten geholfen werden kann. Die Absicht der Bundesregierung — sie wurde auf der Nord-Süd-Konferenz insbesondere von den Entwicklungsländern vereitelt —, sich erneut für die Ausarbeitung einer internationalen Studie zu diesem besonders wichtigen Fragenkomplex einzusetzen, ist zu begrüßen

Auf die Problematik, die sich der Völkergemeinschaft in den kommenden Monaten und Jahren stellt und innerhalb derer die Roh-Stoff-Frage nicht mehr als einen wichtigen Ausschnitt darstellt, trifft der von Keynes vor über 50 Jahren geschriebene Satz zu:

„The political problem of mankind is to com-bine three things: economic efficiency, social justice, and individual liberty.“ Helmut Weidner: Von der Schadstoffbeseitigung zur Risikoverhinderung. Neue gesetzliche Regelungen für Umweltchemikalien Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/77, S. 34— 42

Otto Matzke: Anhaltende Kontroverse über einen gemeinsamen Rohstoff-Fonds Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/77, S. 43— 54

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zu den Ergebnissen der Nairobi-Konferenz siehe: O. Matzke, UNCTAD IV und danach — Gefahr der Konfrontation nicht gebannt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 37/76, 11. 9. 1976.

  2. Die „Gruppe der 77“ wurde anläßlich der ersten UNCTAD-Session Jahre 1964 als informelle Gesprächsrunde der Entwicklungsländer gebildet. Ihr gehören heute mehr als 110 Länder an.

  3. Gegenstand von Rohstoffabkommen ist die Regulierung des Handels mit Rohstoffen bezüglich Preis und Menge. Im Gegensatz zu Rohstoffkartellen sind an Rohstoffabkommen sowohl die Erzeug-gerals auch die Verbraucherländer beteiligt

  4. B. T. G. Chidzero, An Agenda for Negotiation, in: Development Dialogue, 1976/1, S. 21 ff. Chidzero ist neben dem Generalsekretär des UNCTAD-Sekretariats, Gamani Corea, der Hauptarchitekt des „Integrierten Rohstoffprogramms".

  5. Einen guten Einblick in den Stand der deutschen Diskussion sowie eine ausführliche Literaturübersicht bringt der von Th. Dams und G. Grohs herausgegebene, von Hermann-Joseph Großimling-haus redigierte Band „Kontroversen in der internationalen Rohstoffpolitik — Ein Beitrag zur Rohstoffpolitik der Bundesrepublik Deutschland nach UNCTAD IV'(Sammlung „Entwicklung + Frieden — Materialien 7“), München und Mainz 1977. Der Band enthält Auszüge aus Referaten und Diskussionsbeiträgen auf einer Arbeitskonferenz zum Thema Rohstoffpolitik, welche im April 1977 unter Federführung der Wissenschaftlichen Kommission des Katholischen Arbeitskreises Entwicklung + Frieden in Bonn stattfand.

  6. Organization for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).

  7. So die Rohfassung des Sitzungsprotokolls, des-sen Endfassung auf sich warten läßt.

  8. Manfred Tietzel, Internationale Rohstoffpolitik, Bonn-Bad Godesberg 1977, S. 82 f. — In der Flut von neuester — z. T. fließbandartig produzierter — Literatur gibt das Buch für den general reader den wohl besten Überblick über die Rohstoffproblematik.

  9. Peter Hennes, International Raw Material Policy in the Agricultural and Industrial Sphere IN-TERECONOMICS 7/8, 1977, S. 171 ff.

  10. 7. Sitzung des 8. Deutschen Bundestages am 19. 1. 1977 („Das Parlament", 29. 1. 1977, S. 2).

  11. Daß der Rohstoffsektor in der Wirtschaft der Entwicklungsländer nicht der dynamischste ist, wird durch eine Studie des UNCTAD-Sekretariats vom Mai 1977 bestätigt (TD/B/C 2/175); vgl. ferner J. Kühn, in: Deutsche Außenwirtschaft, 4. 8. 1977.

  12. Siehe O. Matzke, Widerspruch zwischen Handels-und Entwicklungspolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 17/72, und in: Europa-Archiv, Folge 23/1973 (Das Spannungsverhältnis zwischen Handels-und Entwicklungspolitik).

  13. Zu den verschiedenen Konzepten der Exporterlösstabilisierung (insbesondere dem System der Ausgleichsfinanzierung beim Internationalen Währungsfonds und dem sogenannten STABEX-System der Europäischen Gemeinschaft) und ihrem historischen Hintergrund siehe O. Matzke, Problematische Exporterlös-Stabilisierung — Lome-Abkommen kein Vorbild, in: Beiträge zur Konfliktforschung, Heft 2/1976, S. 71 ff. Zur Problematik des STABEX-Systems siehe vom gleichen Verfasser STABEX — ein fragwürdiges Modell der Exporterlös-Stabilisierung, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, Oktober 1976.

  14. Bei der horizontalen Diversifizierung handelt es sich darum, einen Teil der Erzeugung eines einzigen Rohstoffs auf die Produktion mehrerer Typen von Rohstoffen umzustellen (z. B. statt Kaffee, Anbau von Mais oder anderen Agrarprodukten). Die vertikale Diversifizierung besteht im Über-gang von der Erzeugung eines Rohstoffs auf seine Aufbereitung und Weiterverarbeitung.

  15. Auf der September-Sitzung des Internationalen Währungsfonds wurde nunmehr der Fonds beauftragt, eine Studie vorzulegen.

  16. J. M. Keynes, Essays in Persuasion, 1926.

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