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Von Systemherren’, Verwaltern’ und anderen Computergefahren Fragen, Antworten und Überlegungen im Anschluß an Gerd. E. Hoffmanns Aufsatz „Bürger hinter Datengittern“ (B 25/77) | APuZ 51/1977 | bpb.de

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APuZ 51/1977 Artikel 1 Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland und das Wahlrecht Wahlrechtsausgestaltung zwischen politischer Opportunität und demokratischer Legitimität Von Systemherren’, Verwaltern’ und anderen Computergefahren Fragen, Antworten und Überlegungen im Anschluß an Gerd. E. Hoffmanns Aufsatz „Bürger hinter Datengittern“ (B 25/77) Vom Informationszufall und dem Erkennen neuer Wahrheiten Bemerkungen zur Stellungnahme von Ernst Lutterbeck

Von Systemherren’, Verwaltern’ und anderen Computergefahren Fragen, Antworten und Überlegungen im Anschluß an Gerd. E. Hoffmanns Aufsatz „Bürger hinter Datengittern“ (B 25/77)

Ernst Lutterbeck

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Zusammenfassung

Das große Unbehagen angesichts der „Grenzen des Wachstums" verführt zu einer entweder . emotionsgeladenen oder „fachidiotischen“ Behandlung der unsere Zeit bewegenden Themen. Der Aufsatz Hoffmanns sollte der ersten Kategorie zugerechnet werden, da er zahlreiche falsche und halbwahre Behauptungen enthält und der Autor des Erstbeitrags die zu deren Stützung herangezogenen Belege einseitig auswählt. Deshalb kann der Aufsatz nicht als ein Beitrag zur nüchternen Aufklärung über die Auswirkungen der Computertechnologie auf die Gesellschaft angesehen werden. Hoffmann erweckt den Eindruck, als vollziehe sich der Computereinsatz im rechtsfreien Raum, als seien (die „Herren der Systeme") und Beamte (die „Verwalter") nicht an die Rechtsordnung gebunden. Daß sie es sind, wird vor allem am Beispiel der Bundesverwaltung, hier besonders am Problem des „Informationsmonopols", nachgewiesen. Ein moderner Dienstleistungsstaat könnte schon heute nicht mehr ohne Computer leben. Andererseits ist nicht bestreitbar, daß der Einsatz von Computern erhebliche Gefahren für die Gesellschaft zur Folge haben kann. Diese liegen nicht zuletzt in der möglichen Manipulation mit Hilfe personenenbezogener Daten. Um diese zu verhindern, ist das Bundesdatenschutzgesetz erlassen worden. Die von Hoffmann hierüber aufgestellten falschen Behauptungen werden widerlegt. Das Gesetz stellt erst den Anfang einer entsprechenden Gesetzgebung dar, jedoch ist die Weiterentwicklung des „Informationsrechts“ erst auf Grund der Erfahrungen mit diesem Gesetz möglich. Mit Hoffmann werden jedoch schon jetzt erheblich verstärkte und besser koordinierte Anstrengungen zur Erforschung dieser Probleme gefordert. Am Beispiel dreier für diese Thematik wichtiger Bücher werden Ansätze zu einer Kritik des Computerweltbildes aufgezeigt, das im Einklang mit dem ideologischen und wissenschaftlichen „Zeitgeist" vor allem von einem überholten dualistischen Denken geprägt ist. Notwendig ist der Übergang zu einem „vernetzten Funktionsdenken", zu einer neuen nachindustriellen Logik.

„Wissenschatt kam zum Weisen, dem bewußten, reinen, und sagte zu ihm: Versprich mir heilig und schwöre mir, mich nicht an die Bösen auszuliefern, sondern mich nur den weit Aufgeschlossenen, und denen, die reinen Herzens sind, mitzuteilen; denn nur dann bin ich stark und kann die Menschen ernähren und kleiden. Sonst werde ich dich, deine Schüler und die Menschen vernichten.'"

Svami Sant Dev Maharaj *)

Dualismus bei Menschen und Computern

Atomangst, Umweltverschmutzung, Wissens-lawine, Datenexplosion, Staatsverdrossenheit, Unregierbarkeit — all das sind Schlagwörter, die die öffentliche Diskussion heute beherrschen und die doch alle nur Symptome sind für „das große Unbehagen“, das die Menschen der „Ersten Welt", d. h.der Industriestaaten, angesichts der in Sichtweite gerückten „Grenzen des Wachstums" und der damit zusammenhängenden Gefahren der technischen Entwicklung befallen hat. Niemand wird behaupten, daß die mit einem solchen Schlagwort bezeichneten Phänomene nicht tatsächlich existieren. Neben der nützlichen Funktion, einen ganzen Komplex von gesellschaftlichen, technischen, organisatorischen, rechtlichen usw. Tatbeständen in einem handlichen Wort zusammenzufassen, haben diese Schlagwörter aber alle den häufig gefährlichen Nachteil, den in ihnen enthaltenen emotionalen Unterton zu verabsolutieren und so eine rationale Behandlung zu erschweren, das damit bezeichnete Phänomen zu isolieren und Werkzeuge dafür abzugeben, die Menschen zu manipulieren.

Es ist kaum erstaunlich, daß von einem solchen Schicksal auch dasjenige Werkzeug betroffen ist, das den Charakter unserer Zeit und der überschaubaren Zukunft mindestens ebenso stark prägt, wie die Atomphysik und die von ihr ausgelöste Technik. Die Rede ist von der Maschine, deren kommerzielle Herstellung erst vor 30 Jahren begonnen hat und die doch bereits in dieser kurzen Zeit einen bisher in der ganzen Menschheitsgeschichte kaum erlebten Einfluß auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung erreicht hat: vom Computer. Wer die öffentliche und die wissenschaftliche Diskussion um dieses technische Medium verfolgt, mag zu dem Eindruck kommen, daß eine angemessene, ausgewogene, um Sachlichkeit bemühte Behandlung dieses Themas gegenüber den emotionsgeladenen, oberflächlichen und gar panikmachenden oder euphorischen Verlautbarungen selbsternannter Geisterbeschwörer auf der einen Seite und den um gesellschaftliche Folgen unbekümmerten, streng an der Sache orientierten, „fachidiotischen" Veröffentlichungen der Computerspezialisten auf der anderen Seite relativ selten ist. Während es sich jedoch bei dem zuletzt genannten Teil der Gesamtdiskussion um die unerläßliche Fachkommunikation handelt, die in unserem noch immer atomisierten und eindimensionalen Wissenschaftsbetrieb notwendigerweise auf den engeren Kreis der Fachleute beschränkt ist, hat der zuerst genannte Teil häufig eine breite Ausstrahlung in die Öffentlichkeit, einen nicht kalkulierbaren Einfluß auf den verunsicherten Bürger, der immer weniger in der Lage ist, zu verstehen, was da um ihn, mit ihm und vielleicht gegen ihn vor sich geht.

Angesichts dieser Lage ist es begreiflicherweise wesentlich leichter, sich eine solche Verunsicherung zunutze zu machen und sie mit feuilletonistisch leichter Hand noch zu vertiefen, als sich zu bemühen, den so viel beschworenen mündigen Bürger mit abgewogenen Argumenten zu versorgen und dadurch zunehmend selber urteilsfähig zu machen. Was einen beim Lesen von „Feuilletons" dieser Art am meisten stört, ist dieses großartige Ex-cathedra-Gehabe, dieses oberflächliche Anschein-Erwecken, diese Schwarzweißmalerei, diese Einseitigkeit, diese so schwer zu widerlegenden Halbwahrheiten, dieses bewußte Verschweigen von Gegenargumenten, die doch Autoren, die sich mit so schwerwiegenden gesellschaftlichen Problemen an die Öffentlichkeit wagen, geläufig sein müßten. Oder sind sie es etwa nicht? Dann hätten sie erst recht Grund, sich zurückzuhalten und zuvor sachkundig zu machen. Sonst machen sie sich schuldig, ein Teil von jener Kraft zu werden, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.

Damit soll nicht einer lauen Einerseits-andererseits-Literatur das Wort geredet, nicht die notwendige Funktion einer geistvollen Polemik bestritten werden. Im Gegenteil! Die kontroverse und — wenn man es kann! — polemische Diskussion ist das Herzblut der pluralistischen Demokratie. Letzten Endes geht es dabei um ein Grundproblem unserer „christlich-abendländischen" Gesellschaft und der sie prägenden und von ihr geprägten Wissenschaft, um den scheinbar naturgesetzlichen Dualismus, um das angeblich rationale, tatsächlich rationalistische, zweiwertige Denken von „Ja“ und „Nein”, das Einordnen aller Phänomene nach unveränderlichen Kriterien, nach Gut und Böse, nach Faschist und Kommunist. Und hier ist nun die Tatsache bemerkenswert, daß eben auf diesem traditionellen zweiwertigen Denken das Prinzip des Computers, genauer: der digitalen Rechenanlagen beruht. Sie vermögen insofern dieses weltgeschichtlich und vor allem heute so verhängnisvolle dualistische Denken noch zu verstärken, obwohl sie doch ohne das Denken in Regelkreisen, ohne „vernetztes Denken" niemals erfunden worden wären, obwohl sie selbst Systeme sind, die auf Rückkoppelung und Regelkreisen beruhen und obwohl sie also genauso Anlaß und Hilfsmittel dafür sein könnten, die ausgetretenen Pfade des konventionellen dualistischen Denkens zugunsten eines polar-ganzheitlichen, eines neuen kybernetischen Denkens zu verlassen. Doch darauf soll später noch eingegangen werden.

Hoffmanns Computer-Erzählungen Am 25. Juni 1977 erschien in dieser Zeitschrift ein Aufsatz von Gerd E. Hoffmann mit dem Titel „Bürger hinter Datengittern" Im Untertitel verspricht der Autor Aufklärung über die „Auswirkungen der Computer-Technologie auf die Gesellschaft". Hat er dieses Versprechen erfüllt? Der engagierte Streiter Hoffmann möge es dem Verfasser, der mit ihm schon manchen fruchtbaren Gedankenaustausch geführt hat und von ihm, obwohl er zur gefährlichen Kaste der „Verwalter" zählt, schon manchmal wohlwollend zitiert worden ist, verzeihen, daß er in dieser Stellungnahme beim besten Willen nicht immer mit gleich wohlwollender Münze heimzahlen kann. Um es vorwegzunehmen: Hoffmann hat dieses Versprechen unseres Erachtens ebenso gut oder so schlecht erfüllt wie diese andere Art von traditionell-dualistischer „Aufklärung", derzufolge das Geschlechtliche zwar leider zur Fortpflanzung notwendig, ansonsten aber „Schweinkram" sei. Darüber können auch die zahlreichen Zitate aus Veröffentlichungen von Fachleuten nicht hinwegtäuschen, wobei von vornherein die einseitige Auswahl und sogar teilweise verstümmelte oder aus dem Zusammenhang gerissene Wiedergabe auffällt. Es ist nicht schwer, für jede beliebige These, und sei sie noch so unsinnig, unterstützende Zitate zu finden, notfalls aus der Bibel oder aus dem „Faust".

Damit soll nicht behauptet werden, Hoffmanns Hauptthese sei falsch, die These nämlich, daß die Computertechnik, oder besser, der leichtfertige Einsatz von Computern, in zunehmend mehr Lebensbereichen erhebliche Gefahren mit sich bringe und daß diese Gefahren nicht zuletzt im Bereich des Schutzes der Privatsphäre und der Manipulation des Menschen lägen. Sie ist ebensowenig " falsch wie die oben erwähnte „Aufklärung", denn einerseits ist die Sexualität ja tatsächlich zur Fortpflanzung unerläßlich und andererseits kann man den kommerzialisierten „Sex" unserer Zeit ja wohl mit Fug und Recht als Schweinkram bezeichnen. Aber ist eine solche Aussage deshalb die „ganze Wahrheit"? Sehen wir uns den zur Diskussion stehenden Aufsatz einmal näher an, wobei wir uns hinsichtlich der Behandlung, Berichtigung und Ergänzung von Einzelheiten auf exemplarische Stellen und Aspekte zu beschränken ha-ben, um uns die Möglichkeit zur Darstellung eigener Vorstellungen nicht allzusehr zu beschneiden. Auf solche „Kleinigkeiten" wie Hoffmanns Erzählungen über die Terminologie der Daten, Datenbanken und Informationssysteme kann dabei aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Man unterrichte sich darüber besser an Hand der vielen, z. T. vorzüglichen, jedermann erschwinglichen, von Fachleuten allgemeinverständlich geschriebenen Taschenbücher.

Da wird auf Seite 3 behauptet, die Entwicklung und Bewertung der Computertechnik habe sich so vollzogen, „als handele es sich dabei um eine bessere Rechenmaschine und nicht um die Erfindung einer epochalen Neuheit". Stimmt das? Man kann solche Fragen natürlich nicht mit Ja oder Nein beantworten. Aber im Gegensatz zu einem anderen, derzeit in seinen direkten Auswirkungen scheinbar noch bedeutenderen gesamtgesellschaftlichen Problem, dem des Autos, dürften die Möglichkeiten und Gefahren des Computereinsatzes wohl nahezu von Anfang an besser erkannt worden sein, wie ein Überblick über die relevante Literatur zeigt. Unsere Gesellschaft ist nach dem Wachstum-und profitorientierten Gesetz, dem sie unterliegt, nahezu blind in die nicht als solche erkannte Falle „Individualverkehr“ mittels benzin-oder dieselbetriebener Kraftfahrzeuge hineingetaumelt und hat nun hart an den Folgen dieser heiligen Kuh unseres Zeitalters zu tragen, weil man gar nicht auf die Idee kam, sich solche Folgen rechtzeitig auszumalen, und weil man es infolgedessen versäumt hat, beizeiten gegenzusteuern, z. B. durch die Entwicklung von Elektroautos und Brennstoffzellen. Und eine kurze Zeit lang (die möglicherweise im Hinblick auf die Richtung der Förderungspolitik schon zu lange war) schien es, als ließen wir uns auch bei der Kernkrafttechnik unter irreversible Sachzwänge stellen. Natürlich kann man für die Behauptung Hoffmanns, die Gefahren der Computer würden nicht erkannt oder nicht ernst genommen, viele Beispiele bringen. Ebensoviele Beispiele, und wahrscheinlich die gewichtigeren, könnten aber dagegen angeführt werden. Dies schließt nicht aus, daß noch bis zum Anfang der siebziger Jahre immer wieder auch Planungen angestellt worden sind, die diese Einsicht scheinbar vermissen ließen. Man kann aus der Anzahl der Krebs-erkrankungen jedoch auch nicht schließen, es würde nichts gegen diese unheimliche Krankheit getan. Es schließt auch nicht aus, daß in der Vergangenheit Wellen der Computereuphorie — zu der übrigens auch mit umgekehrtem Vorzeichen die Überzeichnung der Gefahren gehört — und der Einschätzung des Computers als reines Rationalisierungsmittel einander abgelöst und vielschichtig ineinander verschränkt haben. Dem von Hoffmann (S. 4) zitierten ehemaligen Bundestagsabgeordneten Frank Haenschke und damit Hoffmann selbst kann man voll zustimmen, wenn er sagt: „Die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung kann, wenn sie ungebremst und ungeregelt verläuft, die Machtbalance in unserer Gesellschaft zerstören."

Computer in der Bundesverwaltung wenn sie ungebremst und ungeregelt verläuft ..." — das ist die Kernfrage und daraus resultiert zugleich einer der wichtigsten Vorbehalte gegen diese Art der Darstellung Hoffmanns und gegen den ganzen Duktus seines Aufsatzes. Hoffmann erweckt zum mindesten unbewußt den Anschein, als ginge der Computereinsatz im rechtsfreien Raum vor sich, als gäbe es keine Rechtsordnung mit ihren zahlreichen, sich gegenseitig ergänzenden und unterstützenden Normen und Regelungen, als lebten wir noch in einem feudalen Fürsten-staat, in dem es oben einige kaum an Gesetze gebundene „Herren der Systeme", unten eine unstrukturierte, unwissende Masse von rechtlosen Bürgern und dazwischen eine kleine, fast parasitäre Schicht von machtbesessenen „Verwaltern" gäbe. Mehrfach spricht Hoffmann suggestiv von „Herren der Systeme“ — eine verräterische, ja eine demagogische Formel, insofern wenigstens Herren in der öffentlichen Verwaltung gemeint sind. Ein Minister, in dessen Ressortbereich eine Fachdatenbank aufgebaut wird, ist also ein „Systemherr", kann damit offenbar machen, was er will und hat — da in solchen Datenbanken ja „in der Regel . . . Sachdaten und Personendaten gespeichert . .. werden“ (S. 4) — kaum etwas anderes im Sinn, als den ahnungslosen Bürger „durchschaubar“ zu machen. Welch ein Lieschen-Müller-Bild I Warum deutet Hoffmann nicht einmal an, daß das alles im Rahmen einer Rechtsordnung vor sich geht, die u. a. von den in diesem Zusammenhang wichtigen Prinzipien der Gewaltenteilung, des Ressortprinzips, des bundesstaatlichen Prinzips, der Selbstverwaltung der Gemeinden bestimmt ist. Daß allerdings auch diese Rechtsordnung von der modernen Technik erheblich beeinflußt wird, ist eine Erkenntnis, die eben erst bewußt zu werden beginnt — siehe Datenschutzgesetzgebung. Weiß er nicht, daß „der Staat“ kein homogener, von einem Willen gelenkter Machtblock ist, sondern daß die Staatsorgane selbst ein vielfach gegliederter, sich gegenseitig ausbalancierender Organismus sind, für den vor allem ein oberstes Prinzip gilt: die Rechtsordnung? Als eines unter vielen Beispielen, durch die diese immanenten Schwächen der Hoffmannschen Argumentation — und nicht nur seiner, sondern auch der mancher praxis-und verwaltungsferner Wissenschaftler! — belegt werden kann, möge das eigene Aufgabengebiet des Verfassers dieses Aufsatzes dienen. Zu ihm gehört insbesondere die ständige Bemühung um die Verbesserung des Informationswesens in der Bundesverwaltung, wozu vor allem die Bibliotheken und verwaltungsinternen Dokumentationseinrichtungen, die Pressearchive und die Schriftgutdokumentation, aber auch das Zusammenspiel sogenannter Planungsdatenbanken und der Ressort-Informationssysteme zu zählen sind. Frühere Bemühungen gingen noch davon aus, daß dazu ein umfassendes, sogar zentral organisiertes „Bundesdatenbanksystem" oder „Informationsbankensystem" erforderlich sei. Dieses Gespenst geistert immer noch in den Köpfen mancher Wissenschaftler und Publizisten und auch in den Veröffentlichungen Hoffmanns herum, obwohl bereits auf dem Deutschen Dokumentartag 1974 der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Dr. S. Fröhlich allen solchen Plänen „eine eindeutige Absage erteilt" hat Das eigene Arbeitsgebiet, über das besonders diese zuletzt zitierte Quelle informiert, wird hier vor allem als Beispiel angeführt, um allen oberflächlichen oder gar böswilligen Versuchen, die Bemühungen der „Verwalter” als eine Straße in die „Schöne neue Welt" (A. Huxley) des „Großen Bruders" (G. Orwell), des gar nicht mehr so fernen Jahres „ 1984" zu diskreditieren, aus eigener, manchmal wohl als leidvoll zu bezeichnender Erfahrung entgegentreten zu können. Wenn einzelne Ministerialbeamte aus technokratischer Verengung, aus persönlichem Ehrgeiz oder auch in bestem Willen versuchen wollten, „am Rande der Legalität“ Pläne zu verwirklichen, die solche Gefahren in sich bergen könnten, dann würden ihnen schon in den Abstimmungssitzungen im eigenen Haus, spätestens aber in den interministeriellen Koordinierungsgremien und in den ggf. erforderlichen Bund-Länder-Verhandlungen die Flügel so gründlich und so schnell gestutzt, daß nicht selten ein Zuwenig an Gemeinsamkeit statt ein Zuviel an „Fortschritt" übrig-bleibt. Und das ist gut so. Denn auch und gerade in der Demokratie gilt das bekannte Lenin-Wort: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Von einem solchermaßen ausbalancierten „Feedback-System", als das sich die öffentliche Verwaltung darstellt, scheinen Kritiker wie Hoffmann entweder nicht viel zu wissen oder nicht viel zu halten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es sich hier um einen modernen Fall von „Sündenbocksuche" handelt, wie etwa im Mittelalter die Juden verdächtigt wurden, an der Pest schuldig zu sein. Damals hatte man noch nicht die Möglichkeit, deren wahre Ursache zu erforschen. Heute aber lenkt ein solches zumindest leichtsinniges „Haltet-den-Dieb" -Geschrei doch nur von den wirklichen Gefahren ab. Was jedenfalls den Einsatz der Datenverarbeitung in der und für die Bundesverwaltung angeht, so gibt es hier keine Sachzwänge, keine Zentralisierung und keine dem Prinzip der Selbstverantwortlichkeit der parlamentarisch verantwortlichen Ressortminister (Art. 65 Grundgesetz) widersprechende Anhäufung von Computermacht. Wohl aber gibt es eine abgestimmte und planmäßige Entwicklung der entsprechenden Vorhaben, eine ressortübergreifende und den Datenschutzbestimmungen unterworfene Nutzung von Daten, Programmen und Rechenkapazitäten und eine Ausrichtung der Datenverarbeitung am Grundsatz der Aufgabenbezogenheit. Diese Selbständigkeit der Teilsysteme ist jedoch durch geeignete kooperative Regelungen miteinander in Einklang gebracht worden, die die Gesamtbedürfnisse der Bundesverwaltung berücksichtigen.

Natürlich sind Computer auch Herrschaftsinstrumente, natürlich können sie in manchen bestimmten, dann aber wohlüberlegten und entsprechend ausbalancierten Fällen auch Monopolcharakter haben — dies aber in keinem anderen Sinn, als auch die Polizei ein Herrschaftsinstrument ist und Post und Bahn Monopolcharakter haben. Wenn Hoffmann Sigmar Uhlig zitiert (S. 7), der als einer der für das Juristische Informationssystem (JURIS) zuständigen Referenten im Bundesministerium der Justiz selbst davon spricht, daß dieses System ein Informationsmonopol haben werde, dann sollte er gleichzeitig aber nicht verschweigen, daß aus der zitierten Quelle auch hervorgeht, wie sehr man das Pro und Contra der verschiedenen Aspekte von JURIS gegenseitig abwägt, mit betroffenen Kreisen (Gerichten, Anwälten, juristischen Fachverlagen usw.) bespricht und daß ein Informationsmonopol in diesem Falle nicht nur gerechtfertigt, sondern daß der Staat vielleicht sogar dazu verpflichtet sein könnte, eben wegen des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit. Denn dieses erlegt die Verpflichtung auf, „alles zu tun, um die Durchsetzung und volle Anwendung des Rechts zu garantieren. Hierzu ist es aber erforderlich, daß das Recht jederzeit und konkret auf den Einzelfall bezogen überhaupt nachgewiesen werden kann"

Ein anderes Beispiel: Auf Seite 6 wird die Sozialdatenbank und werden Fachjuristen erwähnt, die öffentlich erklärt haben, „daß mit diesem großen Informationssystem gleich mehrere Artikel des Grundgesetzes verletzt würden“. Es ist immer mißlich und es wendet sich am Schluß gegen die Urheber selbst, wenn man sich zu vorschnellen Urteilen über Gegenstände hinreißen läßt, die man nicht genügend kennt. So wichtig eine kritische Einstellung des Bürgers gegenüber dem Staat, den „Systemherren" und den „Verwaltern” ist und so sehr es insbesondere auch Aufgabe der Wissenschaft ist, notwendige Kritik zu begründen und zu formulieren, so sollte sie doch objektiv bleiben. Der schwerwiegende Vorwurf der Verfassungswidrigkeit kann leicht widerlegt werden, da in der Sozialdatenbank ausschließlich anonymisierte Daten enthalten sind und da der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung keine direkten Zugriffsmöglichkeiten auf personenbezogene Primärdaten hat. Es sei hingewiesen auf eine in diesen Tagen erschienene umfassende Darstellung des gesamten „Sozialinformationssystems der Bundesrepublik Deutschland", aus der der interessierte Bürger entnehmen kann, wie einseitig manche Argumentation zu sein vermag, wenn man den Gesamtzusammenhang nicht kennt Hier wird vor allem deutlich, daß es insbesondere für alle staatlichen Organe zur Erfüllung ihrer Aufgaben unerläßlich ist, Daten zu erheben, zu speichern, zu verarbeiten und weiterzugeben, daß sie darüber hinaus aber auch die Pflicht haben, die aggregierte Information unter Wahrung der Datenschutzbestimmungen der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung zu stellen: Informationspflicht als Dienstleistungsfunktion, das ist heute das gleichberechtigte Motiv, das hinter vielen Bemühungen der Staatsorgane steht, Informationssysteme aufzubauen! Im übrigen will die zitierte Publikation — wie es ihr Autor im Vorwort ausdrückt — dazu beitragen, „der Öffentlichkeit durch Aufklärung und umfassende Information Vertrauen" zu geben.

Daß Hoffmann sich nicht ausreichend informiert hat oder daß er sich zur Stützung seiner Thesen einseitig ausgesuchter Argumente bedient, geht auch daraus hervor, daß er „prinzipiell alle sechzehn Fachinformationssysteme", die derzeit im Rahmen des „Programms der Bundesregierung zur Förderung der Information und Dokumentation" geplant und aufgebaut werden, zu denen zählt, die Monopol-charakter erhalten können. Eine Teilwahrheit ist oft gefährlicher als eine Unwahrheit; so auch in diesem Falle, denn es wird der Eindruck erweckt, als strebe die Bundesregierung auf diese Weise ein Informationsmonopol über praktisch alle wissenschaftlich-technischen Bereiche an. Wenn man diesen Eindruck nicht erwecken will, dann muß man z. B. auch sagen, daß diese Fachinformationssysteme in der Regel in privatrechtlicher Rechtsform (GmbH) gegründet werden sollen, daß sie grundsätzlich nur offene, jedermann zugängliche Informationen enthalten und daß sie von Benutzerräten auf ähnliche Weise kontrolliert werden sollen, wie z. B. die Rundfunkanstalten, die ja — wie jedermann weiß — aus gutem Grund auch Monopolcharakter haben. Daß die Besetzung solcher Benutzerräte ebenso wie die der Rundfunkräte nicht unproblematisch ist, daß dabei „Filzokratie", Parteiengekungel, Proporzbestrebungen nicht ausgeschlossen werden können, steht auf einem anderen Blatt und hat nichts mit unserem Thema, sondern nur mit den Bestrebungen der Interessengruppen in einer pluralistischen Gesellschaft zu tun, sich ihren Teil des Einflusses zu sichern. Auf jeden Fäll aber zeigt dies, daß diese Informationssysteme auf breitestmögliche Öffentlichkeit hin angelegt sind und daß sie eben gerade nicht dazu tendieren, „die Betroffenen von der inhaltlichen Ausgestaltung der Systeme auszuschließen .. (S. 7).

Fast muß man sich über den Mut wundern, mit dem Hoffmann auf diese Weise Probleme behandelt, von denen er offensichtlich nichts versteht. Gerade am Beispiel des oben genannten Regierungsprogramms läßt sich dies auch für Nichtfachleute leicht nachweisen:

Für diese Fachinformationssysteme ist nicht nur in der Regel die Rechtsform einer GmbH vorgesehen, sondern die Bundesregierung strebt sogar im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Regelung bei den Rundfunkanstalten auch die private Trägerschaft (wie beim Fachinformationssystem Chemie) oder wenigstens die Beteiligung der Wirtschaft an solchen Systemen an. Auch muß man sehen, daß sich hier die Monopolfrage gar nicht aus medienpolitischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen stellt. Dies ist hauptsächlich durch den gegenüber den „Publikumsinformationen" erheblich eingeschränkten Markt für Fachinformationen bedingt, der dann noch einmal dadurch weiter eingeengt ist, daß die von diesen Systemen gelieferten Sekundärinformationen (Literaturhinweise) wissenschaftlich-technischer Art gegenüber den Primärinformationen (die Literatur selbst) einen noch schmale-ren Markt haben. Das aber heißt, daß die meisten dieser Systeme gar nicht als gewinnbringende betrieben werden können, sondern eben wegen der Informationspflicht des Staates wohl immer zuschußbedürftig sein werden. Daraus folgert, daß aus den öffentlichen Haushalten nur ein System pro Fachbereich gefördert werden und privatwirtschaftliche Konkurrenz sich wohl kaum bilden kann. Das gleiche betrifft übrigens den internationalen Bereich; selbst international wird man solche Systeme höchstens in sehr beschränkten Fachbereichen als gewinnbringende Unternehmen betreiben können. Insgesamt sind diese Informationsysteme als eine Dienstleistungsfunktion des Staates zu betrachten, wie sie ja in Gestalt der öffentlichen Bibliotheken schon lange geboten wird.

Andererseits: Es ist Hoffmann nur zuzustimmen, wenn er feststellt, daß solche Systeme de facto die Macht der Mächtigen tendenziell erhöhen könnten. Dies wird insbesondere auf die Verhältnisse in der Wirtschaft zutreffen, wo sie beispielsweise den Trend zur Konzentration zu verstärken in der Lage sind. Man kann sogar noch weiter gehen: Solche Systeme könnten auch die Machtbalance zwischen den Gewalten, z. B. zwischen Bund und Ländern bzw. anderen Gebietskörperschaften, beeinträchtigen. Doch erscheint auch diese Gefahr nicht „computerspezifisch“ zu sein. Sie besteht genauso beispielsweise bei der Steuergesetzgebung. Die Lösung aller dieser Balanceprobleme hängt insofern eher von einer funktionierenden Demokratie als von den besonderen Bedingungen des Computereinsatzes ab. Damit soll — sicherlich ganz im Sinne Hoffmanns und entsprechend der von ihm im Kasten auf Seite 12 zitierten Aussage Bundesminister Matthöfers (SPD) — durchaus gesagt werden, daß es zur funktionierenden Demokratie ebenso wie zur permanenten Diskussion der gesellschaftlichen Auswirkungen der Computer des interessierten, fachkundigen Bürgers und einer wachen, aufmerksamen Presse bedarf. Es scheint aber notwendig, darauf hinzuweisen, daß es für eine solche Mitwirkung des Bürgers und der Presse an der Verhinderung der negativen Auswirkungen des Computereinsatzes nur hinderlich sein kann, wenn man — wie es aus und zwischen den Hoffmannschen Zeilen hervorzugehen scheint — im Gesprächspartner Staat zunächst prinzipiell den Moloch sieht, der nach mehr Macht auf Kosten der Bürger giert, dem man von vornherein bedenkliche Motive oder gar ungesetzliche oder undemokratische Machenschaften unterstellen kann. Ist es nur eine unbeabsichtigte stilistische Nachlässigkeit, wenn Hoffmann auf Seite 9 „den Verwaltern" vorwirft, sie errichteten vor den Bürgern „Datengitter", und dabei einräumt, sie täten das allerdings „oft aus Rationalisierungsgründen und in gutem Glauben"? Es gibt also offenbar auch Fälle, in denen sie es nicht aus diesen Gründen und/oder nicht in gutem Glauben tun! Dieses mangelnde Bewußtsein von der Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungshandelns, dieses So-Tun, als ob ein parlamentarisch verantwortlicher „Systemherr" oder ein zur öffentlichen Hand gehörender „Verwalter" bei solchen Problemen ebenso wie der Vorstand oder Inhaber einer Firma schalten und walten könnte, könnte sich als fast ebenso großes Hemmnis für die Verhinderung negativer Folgen des Computereinsatzes erweisen, wie die nicht zu leugnenden immanenten, aber keineswegs unabwendbaren Gefahren, über die noch zu sprechen sein wird.

Ohne Computer: rien ne vas plus

Und schließlich ein Wort zu einer weiteren Schwäche in Hoffmanns Argumentation. Er behandelt auf den ersten neun Seiten die Computertechnik und deren gesellschaftliche Folgen einseitig unter dem Gesichtspunkt der Macht, wählt seine Beispiele gezielt so aus, daß diese Maschinen als Spezialentwicklung zur Manipulation personenbezogener Daten erscheinen und gibt schließlich unter Benutzung des wiederum verräterischen Wörtchens „sicher" widerwillig zu, daß diese neue Technologie „sicher auch Vorteile" hätte (S. 9), denen er dann aber nur wenige Zeilen widmet. Eine um Objektivität bemühte Behandlung des Themas erforderte es aber unbedingt und zunächst ganz unabhängig davon, ob diese Entwicklung vom gesamtgesellschaftlichen Standpunkt aus wünschenswert ist oder nicht, deutlich zu sagen, daß in wohl allen Industriestaaten schon heute schlagartig ein Chaos ausbrechen würde, wenn ein starker Arm es vermöchte, sämtliche installierten Computer stillzulegen. Das aber heißt doch, daß es eine unerlaubte Verniedlichung ist, so nebenbei zu erwähnen, Computer hätten sicher auch Vorteile: Es heißt nicht mehr und nicht weniger, daß schon heute ein moderner Industriestaat nicht mehr lebensfähig wäre ohne Computer. Ob es sich um demoskopische Umfragen, Wirtschaftsprognosen oder die Auswertung von Wahlergebnissen, um die Steuerverwaltung oder medizinische Anwendungen, um die Raumfahrt oder die betriebliche Buchhaltung, um die Verbrechensbekämpfung oder die Prozeßsteuerung, um die wissenschaftliche Groß-forschung oder die Wasserrechnung, um das Einwohnerwesen oder computergesteuerte Netzpläne, um die Platzbestellung bei der Bundesbahn und bei Fluggesellschaften oder die Speicherung wissenschaftlicher Fakten, um das Bank-und Börsenwesen oder die Waffensysteme der Bundeswehr, um die Bibliotheken oder die Simulationen bis hin zum „Weltmodell" von Forrester handelt: rien ne vas plus! So etwas muß man doch sagen! Eine andere Frage ist, ob das wünschenswert ist, ob diese Entwicklung besser gesteuert werden, ob sie „bürgerfreundlicher" werden kann und was sie uns -— eine weitere und gleichartige Entwicklung vorausgesetzt — in Zukunft bringen wird.

Eines jedenfalls sollte uns die historische Erfahrung ebenso sagen wie die kultur-und technologiekritische Reflexion: noch nie ist es irgend jemandem geglückt, das Rad der Geschichte zurückzudrehen.

Bevor aber nun auf das Thema eingegangen wird, das Hoffmann am stärksten am Herzen liegt und um dessentwillen wohl die meisten seiner Veröffentlichungen entstanden sind, den Datenschutz, soll in gebotener Kürze noch darauf hingewiesen werden, wie genau auch alle Maßnahmen gegen unerwünschte Technikfolgen und alle angeblich „demokratiegerechteren" Vorschläge geprüft werden müssen, bevor man sich für sie einsetzt. Glaubt z. B. Hoffmann im Ernst, es diene der Erhaltung der Menschenwürde und der Erhaltung der Privatsphäre, wenn „personenbezogene Daten ... nach bestimmten Fristen generell im Computerspeicher gelöscht werden müssen" (S. 10/11)? Um nur zwei Beispiele dafür zu nennen, daß. wichtige Bereiche des wirtschaftlichen und sozialen Lebens schon jetzt ohne die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten gar nicht mehr funktionieren könnten, sofort zusammenbrechen und dadurch das gesamtgesellschaftliche Leben ernsthaft stören müßten, wenn man dem Rat Hoffmanns folgen würde: das Bankwesen und die Sozialversicherung. Das Argument, man müsse halt dann die Fristen so festlegen, daß diese Gefahr nicht besteht, wäre ein Scheinargument, denn sie müßten so langfristig sein, daß sie sinnlos wären.

Und glaubt Hoffmann weiter, daß die von ihm zwar nur kurz (S. 7/8) angedeutete, aber „von den technologischen Möglichkeiten her" als geradezu sich anbietend bezeichnete „Computerdemokratie" wirklich so wünschenswert wäre, jedenfalls wenn man auf dem Boden dieses Grundgesetzes steht, wenn man die repräsentative parlamentarische Demokratie zwar — wie Churchill etwa sagte — für eine schlechte Staatsform, aber immer noch für die beste aller bisher erprobten hält? Das heißt wiederum nicht, daß bestimmte Aspekte dieser Form der direkten Demokratie, daß der Computer als „ein Mittel, den Bürger im Rahmen von Breitbandkommunikationssystemen mit Rückkanal unmittelbar an der Gestaltung seiner gesellschaftlichen Verhältnisse zu be teiligen" (S. 7), ein Tabu sein sollte. Im Gegenteil! Es ist nicht damit getan, dieses Problem, wie Hoffmann es tut, schlicht als zwar wünschenswert, aber utopisch zu bezeichnen und dadurch der Diskussion zu entziehen. Die Diskussion aber würde zeigen, daß die Computerdemokratie neben manchen bedenkens31 werten Chancen wie alle Wunschträume auch Aspekte hätte, die eher Inhalt von Alpträumen sein könnten.

Hier wäre schließlich noch ein ganz gravierendes Problem zu behandeln, das Hoffmann erstaunlicherweise nicht einmal andeutungsweise erwähnt, offenbar weil sein Blickwinkel zu sehr durch die Datenschutzproblematik eingeengt ist: das Problem der Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen durch den Computereinsatz. Wenn man allein bedenkt, daß in den nächsten Jahren viele Büroarbeitsplätze durch den Einsatz von Schreibautomaten, durch Bildschirmanschlüsse an Informationssysteme und durch andere elektronische Büromaschinen entbehrlich werden könnten, dann kann man sich des Ernstes dieses Problems kaum entziehen. Da andererseits diese Geräte wiederum Bedienung und Wartung benötigen und außerdem die „Papierflut" noch lange nicht an ihrem Kulminationspunkt angekommen sein dürfte, entsteht ein wahrscheinlich sehr großes Umschichtungsproblem. Aber auch in diesem Aufsatz, der sich ja im wesentlichen auf den Beitrag Hoffmanns bezieht, kann dieses Problem nur erwähnt, nicht diskutiert werden, zumal bisher entsprechende Strategien —-auch der Gewerkschaften — noch kaum bekannt geworden sind.

Ein nicht ganz . unwichtiger Aspekt des Computereinsatzes ist schließlich auch die bisherige Benutzerunfreundlichkeit der in die Hände der Bürger gelangenden Computerformulare, die sogar der Bundeskanzler in seiner letzten Regierungserklärung angeschnitten hat. Auch Hoffmann erwähnt diese „Verständnisbarrieren" und meint richtig, deren Beseitigung sei wohl „relativ leicht zu erreichen" (S. 9). Im Bundesministerium des Innern befaßt man sich derzeit verstärkt mit dem Problem der besseren „Bürgerfreundlichkeit" von Computerausdrucken mit dem Ziel, in der ganzen öffentlichen Verwaltung dafür mehr Problembewußtsein zu erzeugen.

Eine gemeinsame Sorge: der Datenschutz „... das Jahrhundertproblem der Juristen .. *. (S. 11)? Für die Eierfrau auf dem Gemüsemarkt und den Justitiar des Eierverbandes ist die EG-Frischeierverordnung wahrscheinlich das Jahrhundertproblem. „Die Juristen“ werden sicherlich den Datenschutz als ein wichtiges juristisches Problem einschätzen, das mit dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) noch lange nicht vollkommen gelöst ist. Aber es scheint, als ob mit dem Schlagwort „Jahrhundertproblem" gegenüber anderen wichtigen Rechtsgebieten zu hoch gegriffen wurde — ein weiteres Indiz dafür, daß man der Lösung dieses unbestritten wichtigen Problems und der Erzeugung von datenschutzbewußtem Verhalten der Bürger nicht dient, sondern eher schadet, wenn man übertreibt und überzeichnet: „Man merkt die Absicht und man ist verstimmt." Dies aber war nur eine läßliche Sünde. Viel verwunderlicher und schwerwiegender — gewissermaßen eine Todsünde für einen sorgfältigen Publizisten — sind neben etlichen Teil-wahrheiten und schiefen Perspektiven einige schlicht falsche und absolut irreführende Behauptungen im Hinblick auf das BDSG.

Niemand wird dem Autor des hier besprochenen Aufsatzes echte Sorge und Engagement absprechen und alle, denen die Lösung dieses wichtigen Problems am Herzen liegt, werden ihm für den Anteil, den er mit diversen Publikationen und Rundfunkreportagen und zuletzt gar mit einem offenen Brief an den Herrn Bundespräsidenten an der Stärkung des Problembewußtseins hat, dankbar sein. Diese Sorge teilt er mit einem leider noch immer viel zu kleinen Kreis von Politikern, Juristen, Informatikern, Informationswissenschaftlern, Wirtschaftlern usw., denen völlig klar ist, daß im Hinblick auf Computertechnik und -einsatz und deren gesellschaftliche Folgen eine ähnliche Entwicklung wie beispielsweise beim Auto-Individualverkehr unter allen Umständen verhindert werden muß. Aber noch einmal: Man leistet einer guten Sache einen schlechten Dienst, wenn man sie zu einseitig, zu unsachlich, zu überzeichnet und z. T. sogar falsch darstellt.

Im 10. Akademie-Gespräch der Theodor-Heuss-Akademie wurde Gerd E. Hoffmann das Eingangsreferat übertragen, da der Veranstalter durch einen „insoweit unbefangenen Appell ...der Versuchung entgegenwirken (wollte), nur der Routine das Wort zu geben" Es mag wohl daran gelegen haben, daß Hoffmann dort einem sachverständigen Publikum gegenüberstand, das er mit emotionaler Bilderstürmerei höchstens negativ hätte beeindrucken können. Sein Gummersbacher Referat jedenfalls war unbeschadet etlicher auch darin enthaltener Unrichtigkeiten, wenn schon nicht unbefangen, so doch im Ton relativ sachlich. Warum glaubt er, im hier zu behandelnden Aufsatz in einem weitverbreiteten Publikumsorgan, das häufig auch im staatsbürgerlichen Unterricht verwendet wird, Sachlichkeit vernachlässigen zu können? Was er sich auch immer von einer Emotionalisierung dieser ernsten Probleme versprechen mag: man sollte sie ihm nicht durchgehen lassen, man sollte gegen dieses dualistische Freund-/Feind-Denken angehen, wo immer es auftritt, insbesondere dann, wenn der „Feind“, als der „die Herren der Systeme" und „die Verwalter" angesehen werden, offensichtlich nur sehr vage bekannt ist.

Das BDSG war bis zuletzt umstritten und ist es — wie der Aufsatz Hoffmanns beweist — z. T. auch heute noch. Der nicht sachkundige Bürger, der Hoffmanns Aufsatz liest, muß zu der Überzeugung kommen, daß es sich um ein schlechtes Gesetz handelt, ja, daß kein Gesetz vielleicht besser gewesen wäre als dieses.

Hier scheint das Kernproblem zu liegen, das dem im ersten Teil seines und dieses Aufsatzes sehr ähnlich ist: Während er im Hinblick auf die gesellschaftlichen Folgen des Computereinsatzes, das damit verbundene Machtproblem und die Ambitionen der „Systemherren’'

und „Verwalter" so tut, als vollziehe sich das alles im rechtsfreien Raum, als lebten wir nicht in einem funktionierenden Rechtsstaat, erweckt er im Hinblick auf das BDSG den Anschein, als sei die rechtliche Regelung eines so neuen und so komplizierten Gesellschaftsbereiches in einem großen Wurf in allen Einzelheiten und in einem grandiosen Konsensus aller beteiligten gesellschaftlichen Gruppen möglich. Er erweckt darüber hinaus den Anschein, als habe sich diese Bundesregierung und insbesondere der für den Datenschutz zuständige Minister sowie die damit befaßten Beamten überhaupt nur widerwillig auf diese Sache eingelassen und als hätten sie von vornherein nur eine Minimallösung angestrebt, die den „Systemherren" und den „Verwaltern" möglichst wenig Bindungen auferlegt Es sei Herrn Hoffmann und allen anderen Kritikern dieses Gesetzes freimütig zugestanden, daß man sich einen schärferen Persönlichkeitsschutz, eine Null-Gebühren-regelung usw. theoretisch durchaus vorstellen kann. Aber bedeutet es nicht eine erhebliche Praxisferne, ein totales Verkennen demokratischer Spielregeln — nämlich die Unfähigkeit zum Kompromiß —, ein Alles-oder-nichts-Denken, wenn man alles unterhalb von theoretisch zwar möglicherweise besseren, praktisch aber nicht erreichbaren Maximallösungen ablehnt? Außerdem wäre immer die Frage: besser für wen? Es ist in der Politik und im parlamentarischen Raum nicht die Ausnahme, sondern die Regel, daß keine der betroffenen Parteien und Gruppen mit den erzielten Kompromissen so recht zufrieden ist, daß jeder sich eine bessere Lösung vorstellen könnte. Gerade die letzten Monate haben dem politisch interessierten Zeitungsleser eine Reihe von markanten Beispielen dafür geliefert. Und es ist auch durchaus nicht so, daß die verantwortlichen Politiker dies dem Bürger anläßlich der Verabschiedung des BDSG verschwiegen hätten. Ihnen war durchaus klar, daß wir mit diesem Gesetz Neuland betreten haben, daß es jetzt entscheidend darauf ankommt, Erfahrungen zu machen, sie auszuwerten und auf dieser Grundlage das Gesetz auch zu novellieren.

Vor kurzem ist die vom Bundesminister des Innern (BMI) herausgegebene Datenschutz-broschüre erschienen in deren Vorwort Bundesminister Professor Maihofer ausdrücklich betont, daß „die Verabschiedung des Bundesdatenschutzgesetzes ...der Anfang einer Datenschutzgesetzgebung (ist), die alle Lebensbereiche umfassen muß". Und der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Gerhard Baum, weist in seinen ebenfalls in dieser Broschüre abgedruckten Reden im Deutschen Bundestag (10. Juni 1976) und im Bundesrat (12. November 1976) darauf hin, daß die Bundesrepublik mit dem BDSG eine Regelung erhält, wie sie „in überhaupt keinem vergleichbaren Land bisher besteht" Und dann folgt wenige Sätze später das Eingeständnis: „Jede realisierte Lösung auf diesem Gebiet wird wegen der Komplexität der Probleme unbefriedigend sein müssen." Das folgende Zitat deutet dann unmittelbar auf die Konsequenzen hin: „Es gibt kaum ein anderes Gesetz, bei dem es in den nächsten Jahren so sehr darauf ankommt, es mit kritischer Beobachtung zu begleiten. Die Notwendigkeit einer Fortsetzung dieser intensiven Diskussion ergibt sich aus der Sache selbst, aus der stürmischen Entwicklung der Datenverarbeitung in allen Industriestaaten ... Ich gehe also ... davon aus, daß sich eine Novellierung in der nächsten Legislaturperiode durchaus als notwendig erweisen kann ..

Dies führt zurück zum Aufsatz Hoffmanns. Ist er ein nützlicher Beitrag zu dieser von den verantwortlichen Politikern für notwendig gehaltenen Diskussion? Man kann diese Frage wohl kaum bejahen, nicht nur wegen der offensichtlichen Fehler, die er enthält, sondern insbesondere, weil er es in offenbarer Verkennung des politisch Erreichbaren und in einer maximalistischen Grundhaltung nicht fertigbringt, sich auf den Boden der im Gesetz verankerten Tatsachen zu stellen und von diesen aus Überlegungen zur Weiterentwicklung des Datenschutzrechts anzustellen, und weil ihm deshalb wohl die ganze Richtung nicht paßt.

Schon der Grundsatz sei falsch, schreibt Hoffmann. Das Gesetz regele nicht „den Ausbau der Persönlichkeitsrechte", sondern das Gesetz solle nur vor dem Mißbrauch personenbezogener Daten schützen. Jedoch sei unter dem „massiven Druck der Wirtschaftsverbände" noch nicht einmal dieser schmale Ansatz durchgehalten worden (S. Nun, auch wer dem „Verbändestaat" kritisch gegenübersteht, sollte sehen, daß ein Gesetz, das so tief in seither ungeregelte, der freien Gestaltung — um nicht zu sagen: der Willkür — überlassene Bereiche der Wirtschaft eingreift, zunächst einmal heftige Abwehrbemühungen hervorruft. Er sollte weiter sehen, daß keine Bundesregierung es verantworten könnte, angesichts fehlender praktischer Erfahrungen über die finanziellen Auswirkungen von Datenschutzregelungen, der Wirtschaft Lasten aufzuerlegen, die sich später tatsächlich als untragbar erweisen könnten. Allerdings meinen auch wir, daß das letzten Endes auf den wichtigsten Grundgesetzartikel, die Unverletzbarkeit der Menschenwürde, zurückgehende Recht des Bürgers auf die Achtung seiner Privatsphäre, auf den Schutz vor Mißbrauch seiner Daten so wichtig ist, daß man nach Vorliegen ausreichender Erfahrungen sich weiter an das herantasten muß, was in anderem Zusammenhang die Prüfung der „Belastbarkeit der Wirtschaft" genannt worden ist.

Eine der gravierendsten falschen Behauptungen Hoffmanns ist die, das BDSG schütze nur vor Mißbrauch personenbezogener Daten, „das heißt, daß der Gebrauch ... erst einmal generell zugelassen wird" (S. ll). Wie kann er dies sagen, wenn im § 3 ausdrücklich be-stimmt ist, daß die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig ist, „wenn 1. dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder 2.der Betroffene eingewilligt hat“ 11)? Ist die das Gegenteil behauptende Äußerung Hoffmanns Fahrlässigkeit oder Absicht? Denn die Möglichkeit einer solchen Interpretation läßt der Wortlaut ja wohl nicht zu.

Anschließend berichtet Hoffmann von den Bemühungen, den Begriff der „Privatsphäre” juristisch faßbar zu machen, behauptet aber dann, die Bundesregierung habe sich mit dieser juristischen Prüfung zufriedengegeben und nicht „etwa andere Wissenschaftler wie Informatiker, Soziologen, Psychologen oder gar Philosophen" zugezogen. Vielmehr habe sie sich „auf rein formaljuristische Denkkategorien" zurückgezogen (S. ll). Schon ein Blick in die von Hoffmann ja zitierten Protokolle der von Bundesregierung und Deutschem Bundestag durchgeführten Hearings hätte gezeigt, daß Wissenschaftler anderer Disziplinen durchaus zugezogen worden sind. Es ergab sich eindeutig, daß der Begriff Privatsphäre juristisch nicht abgrenzbar ist, wie der von Hoffmann zitierte Datenschutzreferent im Bundesministerium des Innern, Dr. H. Auernhammer, dargelegt hat Deshalb mußte sich der Gesetzgeber dazu entschließen, das Problem indirekt durch den Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten faßbar zu machen. Denn seine Privatsphäre kann der Bürger vor allem dann wirksam schützen, wenn er selbst die Grenzen zieht und durch Wahrnehmung der ihm gesetzlich eingeräumten Rechte Maßstäbe für die Art und den Umfang der Verarbeitung personenbezogener Daten setzt. Es wäre deshalb hier durchaus „der Ort für rechtsphilosophische und gesellschaftstheoretische Diskussionen" (S. 12), nur hält sich der Verfasser im Gegensatz zu Hoffmann dafür wissenschaftlich nicht legitimiert. Er hält es aber mit Hoffmann für unbedingt erforderlich, daß nicht nur weiterhin, sondern verstärkt intensive interdisziplinäre Forschungen über das Generalthema „Mensch bzw. Gesellschaft und Computer" betrieben werden und daß diese Diskussion auch zu konkreten Ergebnissen führt, die in künftigen Gesetzgebungsverfahren anwendbar sind.

Stellvertretend für nicht wenige andere seien hier zwei Aktivitäten genannt, die als bei-spielhaft gelten können, wenngleich man sich wünschen möchte, daß die Forschungspolitik und die gesellschaftlichen Gruppen, die für diese Entwicklung Verantwortung tragen, hier zu einer mehr geregelten und systematischen Zusammenarbeit kommen. Es handelt sich einmal um die bereits erwähnte Veranstaltung der Theodor-Heuss-Akademie zum anderen um das vom Bundesminister für Forschung und Technologie geförderte Forschungsvorhaben „Auswirkungen ‘der Datenverarbeitung auf den einzelnen Anwender und die Organisationen, die Datenverarbeitung anwenden" Beide Aktivitäten zeichnen sich dadurch aus, daß der Rahmen der jeweils „zuständigen Fachwissenschaft" — hier Informatik, dort Rechtswissenschaft und Gesetzgebung— zugunsten interdisziplinärer, die gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisse berücksichtigender Zusammenarbeit gesprengt wurde. Dies bedeutet aber gleichzeitig — und das macht die besondere Schwierigkeit solcher innovativer Aktivitäten aus—, daß neue methodische Ansätze, neue Terminologien und neue Modelle geschaffen werden müssen. Beide Aktivitäten sind ein Indiz dafür, daß der von Hoffmann wider besseres Wissen hervorgerufene Eindruck — denn er selbst war ja an der einen Veranstaltung beteiligt, weiß von der anderen und erwähnt im übrigen selbst eine ebenfalls beispielhafte Aktivität dieser Art, an der er ebenfalls beteiligt war (S. 6 u. 8) —, wir seien wiederum im Begriffe, blind in eine gefährliche Falle zu laufen, so nicht aufrechterhalten kann, auch dann nicht, wenn er solchen ernsthaften Bemühungen mit dem Prädikat „gewisse Hilflosigkeit" (S. 8) einen Teil ihres Wertes nimmt.

Auch die Angabe, daß das Gesetz keine Löschungsfristen kenne, ist falsch und im Hoffmannschen Kontext zudem irreführend, denn er behauptet, das Gesetz legitimiere also prinzipiell die „Dossierherstellung" (S. 13). Zwar hat der Gesetzgeber aus guten Gründen von der Verpflichtung zur Löschung nur sparsam Gebrauch gemacht, da ja auch schutz-würdigeBelange der Betroffenen beeinträchtigt werden könnten. Aber in einem wichtigen Fall, nämlich der Speicherung personenbezogener Daten zum Zwecke ihrer geschäftsmäßigen Übermittlung (z. B. durch Auskunfteien oder Adressverlage), müssen auf Verlangen des Betroffenen alle sich auf ihn beziehenden Daten am Ende des 5. Jahres nach ihrer Einspeicherung gelöscht werden (§ 35 Abs. 3 Satz 2 BDSG) 14). So steht es eindeutig im Gesetz; wie kann Hoffmann behaupten, der Bürger könne hier lediglich die Sperrung verfügen? überhaupt, Herr Hoffmann hat mit seinen Ausführungen über die Löschung und Sperrung kein Glück. Selbst das Zitat im Kasten auf Seite 14 mit dem auszugsweisen Dialog des Datenschutzreferenten im Bundesministerium des Innern und einem Verbandsjuristen anläßlich der Anhörung im November 1972 ist eine irreführende Information, da es den Inhalt des Dialogs durch die Kürzung gerade in sein Gegenteil verkehrt. Hoffmann erweckt hier den Eindruck, als ob Herbert Au-ernhammer das Angebot machte, die physische Löschung durch einen Löschungsvermerk zu ersetzen, während er in Wahrheit seinen Gesprächspartner gerade Von der Notwendigkeit der physischen Löschung, also der Unkenntlichmachung der gespeicherten Daten zu überzeugen versuchte (vgl. dazu den Vervollständigten Dialog im Kasten, Seite 36. Die von Hoffmann ausgelassenen Dialogteile sind kursiv gedruckt). Es ist im übrigen völlig absurd, zu behaupten, auf diese Weise werde die „Dossierherstellung" legitimiert. Allein diese psychoanalytisch interessante Wortwahl — in Zusammenhang gesehen mit „Systemherren" und „Verwaltern" — unterstellt doch diesen „Datenherren" generell finstere Geheimdienstabsichten. Man kann natürlich den Einwohner-Datensatz, den Versicherten-Datensatz oder die Eintragungen in ein behördliches oder firmeneigenes Personalinformationssystem auch Dossier nennen!

Argwohn und Pessimismus versus Sensibilität und Wachheit Ganz offensichtlich geht der Dissens zwischen den beiden hier diskutierenden Verfassern in jedem einzelnen Punkt immer auf zwei grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zurück: Dort offenbar grenzenloser Argwohn (d. i. fal-Vervollständigtes Zitat aus der Dokumentation einer Anhörung zum Referentenentwurf eines BDSG vom 1. bis 9. November 1972 im Bundesministerium des Innern.

Herr Dr. Windolph, Verband der Handelsauskunfteien:

Bedeutet die Löschung die Unkenntlichmachung bzw. Vernichtung der betreffenden Unterlagen oder genügt es, daß die zu löschende Unterlage lesbar bleibt, aber mit einem entsprechenden Vermerk versehen wird, daß sie nicht mehr verwertet werden darf? Diese Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung auch für den Betroffenen, denn es ist denkbar, daß eine auf Antrag des Betroffenen gelöschte Tatsache in der Folgezeit der Datenbank erneut zugetragen wird und sie dann bei Vernichtung der Unterlage in Unkenntnis der Löschung erneut wieder verwertet wird. Dies würde der Betroffene sicher als einen unfreundlichen und geradezü böswilligen Akt auslegen. Die praktische Möglichkeit ist gegeben. Eine zweite Frage, Auskunfteien sind in der Regel Kaufleute im Sinne des HGB. Wie verhält sich dieser Löschungsanspruch, insbesondere aus § 27 Abs. 3 zur Verpflichtung des Kaufmannes, empfangene Handelsbriefe und die Wiedergabe abgegebener Handelsbriefe 7 Jahre aufzubewahren. Herr Minister Genscher hat gestern mit Recht gesagt, der Teufel steckt im Detail.

Herr Dr. Auernhammer, Bundesministerium des Innern:

Herr Dr. Windolph, darf ich Ihnen eine Frage stellen? Meinen Sie, daß die Bedenken, die Sie gegen die 5jährige Löschungsfrist geltend machten, ganz oder z. T. ausgeräumt wären, wenn die Löschung im Sinne des § 27 Abs. 3 nicht in einer physischen Löschung, sondern nur in der Zu-fügung eines Vermerks „gelöscht" bestehen würde?

Herr Dr. Windolph:

Das würde genügen, denn die Folge des Vermerks „gelöscht“ wäre, daß die Daten nicht mehr verwertet werden würden. (Bei Hoffmann [S. 14] heißt das letzte Wort: „dürften"!)

(Der folgende Text des Zitates wurde von Hoffmann weggelassen)

Herr Dr. Auernhammer:

Läge den Normadressaten im Bereich des Abschnittes IV, insbesondere Auskunfteien und Detekteien nicht gerade daran, daß die Verwertbarkeit der Information nach Ablauf der Löschungsfrist erhalten bleibt.

Herr Dr. Windolph:

Ja sicher, aber wenn Sie ein Datum unkenntlich machen, darum geht es doch jetzt, also vernichten oder schwärzen, dann kann es sein, daß Ihnen dasselbe Datum wieder zugetragen wird, von anderer Seite, ich darf das aus langjähriger Praxis sagen.

Herr Dr. Auernhammer:

Das habe ich verstanden, dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Nur, der Sinn des Gesetzes wäre nicht erfüllt, wenn Informationen, die im Sinne des Gesetzes gelöscht sind, technisch jedoch noch lesbar sind und nur den Vermerk „gelöscht" tragen, dennoch weiterverwendet würden.

Herr Dr. Windolph:

Die würden nicht mehr weiterverwendet, das könnten Sie dann, Herr Auernhammer, mit Recht mit den ziemlich scharfen Strafbestimmungen ahnden.

Herr Dr. Auernhammer:

Ja, eben, und deshalb war meine erste Frage an Sie: Würde es die Bedenken, die Sie gegen die Löschung haben, ausräumen, wenn nicht physisch gelöscht, sondern durch den Zusatzvermerk „gelöscht“ gelöscht werden würde? Wahrscheinlich nicht, weil ja damit die Verwertung ausgeschlossen ist. Gerade die Verwertung ist in diesem Falle aber der springende Punkt. scher Wahn) gegenüber der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, hier das grundsätzliche Vertrauen darauf. Dort ein — wahrscheinlich nicht bewußter — Kulturpessimismus typisch konservativer Prägung (was kein Gegensatz zu „links“ zu sein braucht), hier ein mindestens ebenso geschärftes Gewissen gegenüber den Schattenseiten des „Fortschritts", das aber dennoch nicht zu geistlosem Optimismus führt, sondern den Willen zum Handeln durch besseren Gebrauch einer Art von Vernunft hervorruft, die sich nicht mehr von den selbsterzeugten Instrumenten versklaven läßt.

Zum ersten Dissens: Dem wachen Mißtrauen der Untertanen gegen die Obrigkeit verdanken wir nicht zuletzt die liberalen Errungenschaften unserer Demokratie. In gewisser Weise ist deshalb auch heute noch ein gesundes Mißtrauen gegen die Verwaltung Teil des Rechtsstaatsprinzips, das besonders in Artikeln 20 und 28 des Grundgesetzes verankert ist. Auch der Verfasser als Beamter ist in erster Linie Bürger, der der Weisheit so mancher Verwaltungsentscheidung mißtraut, durch die Straßen zum zweitenmal nacheinander aufgerissen werden oder durch die das Finanzamt ihm ein sinnloses Verhalten aufzwingt. Ebenso wie aber krankhafte Eifersucht eine Ehe, so kann ein chronisch gereiztes, prinzipiell übellauniges, anstoßnehmendes, nicht selten wohl auch nur auf Wichtigtuerei beruhendes Mißtrauen den Staat zerstören, insbesondere dann, wenn es sich nicht auf Stammtischgerede beschränkt, sondern von Publizisten verbreitet wird.

Zum zweiten Dissens: Kulturpessimismus und Verteufelung der Technik gehört zwar seit langem zum Stil der meisten Kulturkritiker konventionell philosophischer und gesellschaftswissenschaftlicher Richtung. Dieses „wenn nicht .. . dann Katastrophe" kennt man zur Genüge. Oft erweisen sich — so gesehen •— auch linke Kulturkritiker als Konservative. Abweichungen von bestimmten gewohnten Normen werden auch von ihnen schnell als „Verfall" deklariert. Ralf Dahrendorf hat diese Art von Kulturargwohn einmal als „pathologisches Syndrom" bezeichnet! Angesichts der „Grenzen des Wachstums" und der erstmals tatsächlich möglichen Menschheitskatastrophe ist aber Pessimismus und Technik-feindiichkeit erst recht unvernünftig und gar selbstmörderisch. Was jetzt not tüt, ist vielmehr eine stärkere Sensibilität überholten Denkweisen gegenüber und ein Bewußtseinswandel auf der Grundlage einer „nachindustriellen Logik", die uns am Schluß dieser Überlegungen noch beschäftigen soll.

Hoffmanns Datenschutz-Erzählungen Mit dem Ausdruck „Dossier" ist aber ein anderes, nicht nur im Zusammenhang mit unserem Thema außerordentlich heikles Problem angeschnitten: die Geheimdienste. Auch hierbei macht sich Hoffmann einer falschen Behauptung schuldig, wenn er schreibt, Polizei und Nachrichtendienste seien „ausdrücklich von den Bestimmungen des BDSG ausgenommen" (S. 14). Es gelten für sie alle Vorschriften für Behörden über das Verbot der Verarbeitung personenbezogener Daten und die Ausnahmeregelungen (§§ 3, 9 ff.) sowie über die Gegenrechte des Bürgers (§ 14). Ihnen gegenüber ist lediglich das Auskunftsrecht eingeschränkt (§ 13 [2]) und sie unterliegen nach § 12 (2) nicht der Veröffentlichungspflicht. Auch im Hinblick auf die Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten gibt es gewisse Ausnahmen. Aber das ist ja wohl logisch, wenn und solange solche Dienste wohl oder übel notwendig sind. Es liegt in der Natur der Sache, daß sie immer einmal wieder zum Gegenstand heftiger öffentlicher Diskussionen werden, und dies muß so sein, wenn sie dazu Anlaß geben. Es wäre aber offensichtlich unsinnig zu erwarten, daß ausgerechnet die Datenschutzgesetzgebung der rechte Ort sei, diese Dienste öffentlich transparent zu machen. Die in letzter Zeit erzielten Erfolge gegen östliche Nachrichtendienste z. B. sind wohl in erster Linie auf den Computereinsatz zurückzuführen. Wahrscheinlich hätte es keinen „Fall Guilleaume" gegeben, wenn diese Methoden damals schon den heutigen Stand gehabt hätten. Das gerade in den Geheimdiensten durch interne Sicherungen organisatorischer Art und durch Datensicherungsmethoden der Informationsmißbrauch absolut verhindert werden muß, ist eine Selbstverständlichkeit. Im Gegensatz zu manchen anderen Auswirkungen des Computer-einsatzes dürften die auch hier noch keineswegs vollständig gelösten Probleme sich aber mittels bereichsspezifischer Regelungen als lösbar erweisen. Es verhält sich jedenfalls mit dem Problem der Geheimdienste im Prinzip ähnlich, wie es oben in anderem Zusammenhang schon einmal angedeutet wurde: Mari sollte nicht glauben, das BDSG sei der geeignete archimedische Punkt, an dem man zur Lösung sämtlicher Probleme der „spätkapitalistischen Industriegesellschaft" ansetzen könne. Der zur Verfügung stehende Platz erlaubt es nicht, auf alle falschen, halbwahren oder vom Ansatz her schiefen Einzelheiten im zur Diskussion stehenden Aufsatz einzugehen. Es kam hier auch eher darauf an zu zeigen, daß Hoffmanns Ausgangsbasis es ihm offensichtlich nicht ermöglicht, zu einer wirklichkeitsnahen Behandlung der — darin sind wir mit ihm einig — großen Probleme zu kommen, die das Medium Datenverarbeitung stellt.

Wir beschränken uns deshalb zum Abschluß dieses Teiles unserer Antwort auf eine unvollständige punktuelle Aufzählung:

— Das Gesetz setzt nicht erst beim vollendeten Mißbrauch an, sondern zielt auch auf präventive Wirkung ab.

— Der von Hoffmann erweckte Eindruck, die große Mehrzahl der Datenbanken bzw. Informationssysteme enthalte zu schützende personenbezogene Daten, ist falsch. Zum mindesten in der Bundesverwaltung enthalten sie überwiegend Sachdatenj oder im Falle von Planungs-bzw. statistischen Datenbanken aggregierte und deshalb anonymisierte Sekundär-daten

— Die von Hoffmann geforderte Transparenz der Datenerhebung, -Speicherung und -Übermittlung wird durch das Gesetz weithin verwirklicht; seine Behauptung, dem jeweils betroffenen Bürger sei in der Regel kaum etwas, über die Verarbeitung seiner Daten bekannt, ist nicht zutreffend (§§ 4, 9 [2] BDSG).

— Die von Hoffmann für unzureichend gehaltenen Auskunfts-und Kontrollrechte des Bürgers begründen eine wohlausgewogene Ausgangsbasis. Erfahrungen müssen zeigen, ob in Zukunft Verbesserungen möglich sind. Diese Bestimmungen werden schon jetzt ergänzt durch ein umfassendes System externer Kontrollen

— Die Gebührenregelung wird keine „unüberwindliche Barriere” sein (S. 13). Eine solehe Behauptung widerspricht der journalistischen Sorgfaltspflicht, da die im öffentlichen Bereich dafür erforderliche Rechtsverordnung noch gar nicht vorliegt. In der zitierten BMI-Broschüre heißt es vielmehr eindeutig: „Die Gebühren dürfen jedenfalls keine abschrek-kende Wirkung haben" Im übrigen gibt es von dem in einem der Entwürfe zum Hessischen Datenschutzgesetz enthaltenen Grundsatz auf Gebührenfreiheit Ausnahmen, während es umgekehrt auch vom Grundsatz der Gebührenpflicht des BDSG eine Reihe praktisch bedeutsamer Ausnahmen gibt (vgl. § 13 Abs. 4, § 26 Abs. 3, § 34 Abs. 3).

— Es trifft auch nicht zu, daß unsere „Datenschutzregelung ... an die nationalstaatlichen Grenzen stößt" (S. 14). Aus §§ 11 und 24 BDSG geht hervor, daß bei der Datenübermittlung ins Ausland dort ein ausreichender Datenschutz gewährleistet sein muß. Hat das Empfängerland keine ausreichenden Datenschutzregelungen, dann wird von der Vermutung der Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange ausgegangen. Dies hätte zur Folge, daß für die Datenübermittlung die Einwilligung des Betroffenen eingeholt werden muß. Außerdem entspricht es dem erklärten Willen der Bundesregierung, sich „mit Nachdruck für eine Harmonisierung der internationalen Datenschutzgesetzgebung und den Erlaß völkerrechtlicher Vereinbarungen zum Schutze der Persönlichkeitsphäre des Bürgers" einzusetzen

Es dürfte durch die vorstehenden Ausführungen in Verbindung mit dem diskutierten Aufsatz Hoffmanns hinreichend klar geworden sein, daß es sich hier um eine äußerst komplizierte Materie, um Neuland handelt, das nicht auf Anhieb und nicht sofort in seiner ganzen Ausdehnung erobert werden kann und daß für dieses Unternehmen nicht nur Engagement und staatsbürgerliche Sensibilität, die Hoffmann hat, sondern auch Augenmaß und Objektivität erforderlich ist, die er offenbar nicht hat. Es sollte jedoch keineswegs der Eindruck erweckt werden, als enthielte der Aufsatz Hoffmanns nicht auch durchaus bedenkenswerte Überlegungen, nur: es ist praktisch keine neu — sie sind seit langem bekannt. In allen Entwicklungsstadien wurde der Gesetzentwurf mit den davon betroffenen Kreisen eingehend diskutiert. In den Parteien bestanden und bestehen darüber unterschiedliche Auffassungen, was aber an ihrer grundsätzlich positiven Einstellung, die zu dem vorliegenden Kompromiß geführt hat, nichts ändert.

Bevor abschließend versucht werden soll, über das Datenschutzproblem hinaus einige möglicherweise weiterführende Überlegungen zum Problem der gesellschaftlichen Auswirkungen des Computers anzustellen, erscheint es erforderlich, noch kurz auf die Vorschläge einzugehen, die Hoffmann macht, „um die ärgsten Ungereimtheiten im Datenschutzrecht zu überbrücken" (S. 15). Eine „Ständige Konferenz der Datenschutzbeauftragten"? Gut, warum nicht. Die neuen Berufe des „Datenschutzberaters" und des „Informationsver-mittlers", die (weithin schon jetzt durchgeführte) Einführung des Fachs Computertechnologie und Umgang mit Informationen in die Schulund Erwachsenenbildung, eine zukunftsweisende Freizeitpolitik, das sind Forderungen, denen man sicherlich wird zustimnien können, zumal auch sie meist bereits bei den zuständigen staatlichen Stellen und in den mit diesen Fragen befaßten wissenschaftlichen Kreisen bekannt sind und diskutiert werden.

Was die Weiterentwicklung des Datenschutz-rechts anbetrifft, so erscheint es angesichts der Tatsache, daß der Hauptteil des BDSG (für einige Paragraphen sind abweichende Termine festgelegt) erst am 1. Januar 1978 in Kraft tritt, verfrüht, schon jetzt konkrete Vorschläge für die Novellierung zu machen. Diese müssen vielmehr Ergebnis der praktischen Erfahrungen sein, die mit dem Gesetz und den erwarteten Datenschutzgesetzen der Bundesländer gemacht werden.

Das Ende Juli d. J.der Öffentlichkeit vorgestellte Papier der F. D. P. -Perspektiv-Kommission enthält eine Reihe von Forderungen, die die Richtung erkennen lassen, in die entsprechende Überlegungen gehen können. Generell soll „die Sammlung, Speicherung und Übermittlung persönlicher Daten ... nur auf Grund eines Gesetzes und nur insoweit zulässig sein, als sie im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit geboten ist und schutzbedürftige Interessen des einzelnen nicht verletzt". In den Erläuterungen zu den Thesen wird außer den bereits in diesem Aufsatz erwähnten Verbesserungen u. a. gefordert: die Einbeziehung auch der privaten Datenverarbeitungssysteme in die Registrierungspflicht; die Verpflichtung zur Sperrung oder Löschung von Daten, deren Richtigkeit der Betreiber einer Kartei nicht beweisen kann; die Anpassung der bereichsspezifischen Regelungen für Polizei, Staatsanwaltschaften, Nachrichtendienste und Medien an die allgemeinen Schutzregelungen, so weit dies ohne Gefährdung der gesetzlichen Aufgabe der Behörden möglich ist; gleiche Löschungsfristen für öffentliche und private Register; die Schadensersatzpflicht für den, der die Rechte eines anderen verletzt, ohne daß ihm ein Verschulden nachgewiesen werden muß; Weitergabe persönlicher Daten an Religionsgemeinschaften nur von den Bürgern, die sich zu dieser Religionsgemeinschaft bekennen; die Unterwerfung auch der Datenverarbeitungsanlagen der politischen Parteien unter die Kontrolle des Datenschutzbeauftragten.

Etliche dieser Forderungen sind bereits im soeben von der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen verabschiedeten Entwurf eines Landesdatenschutzgesetzes enthalten. In einem Interview sagte Innenminister Hirsch dazu, dieser Entwurf sei nicht einfach eine re-gionalisierte Fassung des BDSG, sondern er ginge „dort, wo das Interesse einer notwendigen Verbesserung des Datenschutzes die Forderung nach Bundeseinheitlichkeit überragt", über das BDSG hinaus Wenn alle Bundesländer entsprechend nachgezogen haben werden, wird die Bundesrepublik in der Tat das Land mit der international besten Datenschutzregelung sein

Bürgerinitiativen und die Verantwortung der Politiker

Vor allem einer Forderung Hoffmanns jedoch kann man nur mit Nachdruck zustimmen: mehr Kapazität als bisher für die Erforschung der „vielfältigen Auswirkungen der Informationstechnologie einzusetzen" (S. 16). Er hätte hinzufügen können: Den Schwerpunkt der Förderungspolitik auf diesem Gebiet von der reinen Technologie zu verschieben auf die Anwendungsgebiete und auf die Informationswissenschaft, insbesondere auf Informationssoziologie, -psychologie, auf Informationsrecht und auf die Theorie und Praxis einer zukünftigen Informationspolitik. Auch die ja vom zuständigen Forschungsminister Matthöfer in dem auf S. 12 des Hoffmannschen Aufsatzes abgedruckten Interview bereits erwähnte Einbeziehung der „ganzen Entwicklung des Kommunikationswesens .... die Verschmelzung von Nachrichtentechnik, Büro-technik, Mikroelektronik, Automatisierung usw.“ ist von besonderer Wichtigkeit, weil diese Techniken bisher häufig ohne ausreichende Beziehung zueinander und zur Verwaltungspraxis entwickelt wurden. Ob es allerdings richtig ist, die Lösung solcher Probleme von vornherein den Bürgerinitiativen zuzuweisen, muß doch füglich bezweifelt werden. Hierzu hat der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Dr. Hirsch (FDP), Eindeutiges gesagt: „Der Ruf Matthöfers, hier müßten Bürgerinitiativen dem Politiker auf die Sprünge helfen, ist im gegenwärtigen Zeitpunkt ein Zeichen von Hilfslosigkeit. Bürgerinitiativen sind häufig Symptome verunglückter politischer Entscheidungen. Es sollte primäre Aufgabe der Politiker sein, richtige, d. h. überzeugende Lösungen zu finden" Unser Gemeinwesen soll nicht von Bürgerinitiativen, sondern von den parlamentarisch kontrollierten Regierungen gesteuert und die notwendige Transformation von Politik in gesellschaftliche Wirklichkeit nicht von-Bürgerinitiativen, sondern von den Organen der Exekutive geleistet werden.

Man kann wohl im Hinblick auf den Datenschutz dasselbe sagen, was Bundespräsident Walter Scheel im Hinblick auf die Kernenergie gesagt hat: „Die Politiker müssen die Verantwortung übernehmen. Sie haben sie übernommen ... Das Problem ist erkannt. Keine Entscheidung wird über die Köpfe der Betroffenen hinweg gefällt werden." Anders als bei der Kernenergie hat die Bundesregierung nämlich das Problem des Datenschutzes als eines der ersten Länder der Welt von sich aus aufgegriffen; sie wird ihm weiter konzentrierte Aufmerksamkeit widmen, wie die oben zitierten Äußerungen von Bundesminister Maihofer und Staatssekretär Bäum zeigen. Was allerdings die anderen gesellschaftlichen Folgen des Computereinsatzes angeht, die angeblichen oder echten Sachzwänge dieses Mediums des „instrumenteilen Denkens“, die Macht-und Manipulationsgefahr, die Verfestigung vorhandener Strukturen, die Hemmung von Bemühungen in Richtung verantwortlicher Mündigkeit, d. h. größerer Freiheit, so muß hierzu wohl jeder sachkundige Politiker und Beamte eingestehen, daß sich noch keine Konturen einer menschengerechten und freiheitsbewahrenden Strategie abzeichnen und daß die von Hoffmann und anderen geäußerte Sorge durchaus berechtigt ist, mag sie auch manchmal in Form und Inhalt inadäquat sein. Auf diesem Gebiet haben die Politiker und die Exekutive es noch in der Hand, zu verhindern, daß „nicht wir selbst, nicht die von uns gewählten Vertreter ... über diese entscheidenden Veränderungen entschieden (haben), sondern der Fortschritt", daß wir weiterhin „Gefangene des Fortschritts" bleiben. Denn: „Wir stellen die Demokratie selbst in Frage, wenn die Themen, die die Bürger bewegen, von den staatlichen Institutionen erst dann als Themen der Politik erkannt werden, wenn Gewalt angewendet wird." Diese ernsthafte Mahnung des Bundespräsidenten galt dem Energieproblem. In der gleichen Rede weist er aber auch schon auf das hier diskutierte Thema hin: „Niemand vermag auch so recht abzuschätzen, welche Gefahren von dem massierten Einsatz von Computern in gar nicht so ferner Zukunft auf unsere Freiheit ausgehen können.“ Man hätte sich also gewünscht, daß das „Dritte Datenverarbeitungsprogramm der Bundesregierung 1976— 1979“ zu diesem Problem nicht nur Aussagen überhaupt, sondern auch konkrete Förderungsmaßnahmen enthalten hätte. Es ist in der Tat verblüffend, daß das gesamte Programm nicht einen einzigen Satz darüber enthält, geschweige, daß die von Hoffmann und anderen richtigerweise als unumgänglich geforderte institutionalisierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit darin als Förderungsmaßnahme auftaucht. Daß dies allerdings nicht bedeutet, es würde überhaupt nichts getan, geht aus dem oben erwähnten, vom Bundesminister für Forschung und Technologie geförderten Projekt am Hamburger Institut für Informatik hervor Im Vorwort zu dem auch von Hoffmann (in Fußnote 11) zitierten Sammelband „Informationsrecht und Informationspolitik" hat der Verfasser des vorliegenden Aufsatzes geschrieben: „Eine noch größere Diskrepanz dürfte zwischen den Bedürfnissen der Informationspraxis in Staat, Wissenschaft und Wirtschaft und ihrer bisher immer noch recht dürftigen wissenschaftlichen Behandlung bestehen. Dies gilt für die in den Wissenschaften noch kaum vertretenen Informationsund Dokumentationswissenschaften ebenso wie für die informationswissenschaftlichen Sektoren aller relevanten wissenschaftlichen Disziplinen . . Es ist klar, daß solche Entwicklungen nicht von heute auf morgen in die Wege geleitet werden können. Es ist aber jetzt notwendig, dem mit dein erwähnten Forschungsvorhaben (Fußnoten 11 und 20) gemachten Anfang deutlich verstärkte Förderungsmaßnahmen folgen zu lassen.

Zur Kritik des Computerweltbildes: kybernetisches Denken Der Verfasser beansprucht keinesfalls, zu originalen Aussagen über die Problematik qualifiziert zu sein. Diese Zeitschrift aber wird von interessierten Bürgern gelesen, die zumeist keine Computer-Fachleute sind und möglicherweise daran interessiert sein könnten, einiges über das zu erfahren, was über die aktuellen Fragen des Datenschutzes und des Computereinsatzes in der Bundesrepublik hinaus künftig von Bedeutung sein wird und was — im Anschluß an die Darlegungen im ersten Teil dieses Aufsatzes — ursächlich ist für die tatsächlichen Gefahren dieses revolutionären Mediums. Es sollen zu diesem Zweck u. a. drei wichtige Bücher vorgestellt werden, die die hier besprochenen Probleme in größere Zusammenhänge stellen und deren Lektüre empfohlen wird.

Frederik Vester weist in seinem Buch „Das kybernetische Zeitalter" darauf hin, daß das größte Risiko des Computereinsatzes, von dem in den sich damit befassenden Publikationen meist nicht einmal in Andeutungen die Rede ist, darin liegt, daß es „letztlich ... unser traditionelles Denken (ist), das, ganz unabhängig von den Computern, vom ersten Schultage an, ja von den ersten Erklärungsversuchen der Eltern an so sehr auf Ja und Nein, auf Einordnen nach Klasse und Merkmal getrimmt wurde, ... daß wir auch ein so neues Prinzip wie die elektronische Informationsverarbeitung zunächst in der alten Art anwenden, was die entsprechende Denkweise nunmehr (d. h. durch die Computeranwendung selbst, d. Verf.) völlig zu zementieren scheint" Vester bezeichnet diese verhängnisvolle Entwicklung als eine Folge der einseitigen Bezogenheit der Computertechnik auf sich selbst und kommt dann zu dem Schluß, daß es genau die dieser Entwicklung entsprechende isolierte Zielsetzung unserer Industriewirtschaft war, die für „die Entstehung der heutigen Umweltschäden und der Folgeerscheinungen ökologischer Mißgriffe ... die Hauptverantwortung trägt... Auf die gleiche Weise könnte auch die Computeranwendung, eine im Gesamtzusammenhang nützliche Methode, durch ihre isolierte Vorantreibung pervertiert werden" Dies sei nur durch „kybernetisches Denken" zu vermeiden.

Von einem ganz ähnlichen Ansatz, der auch ausdrücklich auf Vesters „vernetztes Funkti-onsdenken" bezogen ist, das das „lineare Kausaldenken" abzulösen habe, geht der Franzose de Rosnay aus Er sieht den Computer nicht als das eigentliche Werkzeug an, durch das wir ein ganz wichtiges, aber noch weitgehend unbekanntes Gebiet, das der unbegrenzten komplexen Systeme, erobern könnten. Der Computer habe nur die Funktion eines Katalysators. Das eigentliche Werkzeug, das er in Anlehnung an • das Mikroskop „Makroskop" nennt, ist „Symbol einer neuen Art des Betrachtens, des Verstehens und des Handelns“ Seit Nietzsche wird die Zerstückelung der einheitlichen Natur in einzelne, sorgfältig „umzäunte Gärtchen" beklagt, die zusammen mit der einseitigen Profitorientierung die Hauptschuld hat an der Misere unseres Zeitalters, an allen Problemen, die mit dem Schlagwort „Grenzen des Wachstums" recht zutreffend bezeichnet werden. In einer Flut von zukunftsorientierten Publikationen wird eine neue Synthese gefordert, eine Gesamtschau, die die Einheit der Natur wieder in Beziehung bringt zu einer dieser entsprechenden menschlichen Verantwortung. Auch der Bundespräsident spricht in der bereits zitierten Rede davon: „Wir müssen nunmehr den Gesamtzusammenhang in der Politik erarbeiten. Denn alles hängt ja miteinander zusammen . . . Solche politischen Gesamtbilder zu erarbeiten, erscheint mir als die große Aufgabe der Politik am Ende dieses Jahrhunderts" Doch ist eine solche Gesamtschau mit unserem traditionellen „binären", analytischen Denken allein nicht zu erreichen. Wir brauchen dazu ein neues „kybernetisches“ (Vester), „systemdynamisches" und „makroskopisches” (Rosnay) Denken und vor allem neue Wertvorstellungen, deren Diskussion auch der Bundespräsident als „die Kehrseite der Gesamtbilder-Diskussion" bezeichnet. Die dazu erforderliche neuartige Methodologie, die Systemdynamik, ermöglicht es, „vorhandenes Einzelwissen zusammenzufassen und organisch zu betrachten und daraus Aktionen mit größerem Wirkungsgrad zu entwickeln" Wie wichtig für die Beurteilung der wirklichen Chancen und Gefahren des Computers ein solches neuartiges systemdynamisches Denken ist, geht eindrucksvoll hervor aus der von de Rosnay als möglicherweise irreversibel bezeichnen, „immer engeren Integration der Menschenhirne, der Telekommunikationsnetze und der Computer ... Wird es sich dabei um soziale Wechselwirkungen in einer Gesellschaft handeln, die die individuelle Initiative und den Pluralismus des Denkens respektiert? Oder im Gegenteil um ein Zerrbild der Gesellschaft, nahe dem, das Orwell in seinem Buch , 1984'schilderte?"

Im folgenden kommt de Rosnay zu der Feststellung, daß die Entwicklung es erlaubt, besonders in den USA schon jetzt „von der baldigen Einrichtung eines . öffentlichen Dienstes für Information'zu sprechen ... Als Ergänzung dar anderen großen öffentlichen Dienste der Energieversorgung und des Transportwesens wird der neue Dienst für Information einen noch größeren Einfluß auf die gesellschaftliche Organisation ausüben. Aber die eigentlichen Probleme sind nicht technischer, sondern politischer und wirtschaftlicher Art... Gegenwärtig läßt sich keine solche Dienstleistung wirtschaftlich rechtfertigen, und doch wissen wir jetzt schon, daß ihre Entwicklung unvermeidlich ist... Einerseits (liegt in ihr) das Versprechen einer menschlicheren, weniger zentralistischen Gesellschaft .... andererseits aber gleichzeitig die Gefahr der Massenmanipulation, die Gefahr, daß das Privatleben angetastet wird, die Gefahr einer neuen Form sozialer Ungleichheit, gegründet auf den besseren Zugang zur Information . . . Der mögliche sofortige Zugang zu Informationen und die elektronischen Partizipationssysteme zeigen einen hoffnungsvollen Weg: den Übergang in eine gerechtere und humanere Gesellschaft. Gleichzeitig stellen sie eine der ernstesten Bedrohungen dar, die je auf der Menschheit lasteten. Nie war die Konzentration der Macht in einigen wenigen Händen größer" Das Buch de Rosnays mündet in der großartigen Apotheose eines neuen Weltverständnisses, dessen Themen und Ausblicke den Rahmen dieses Aufsatzes überschreiten, die das Buch aber zu einem der erregendsten und wichtigsten der letzten Jahre machen.

Das dritte der hier vorgestellten und empfohlenen Bücher führt unmittelbar zum Thema Computer zurück Es handelt scheinbar ausschließlich davon. In Wirklichkeit geht es nur vordergründig um Computer. Denn dieser ist für den Autor, Informatik-Professor am berühmten „Massachusetts Institute of Technology“ (MIT), an dem auch Forrester sein „Weltmodell" entwickelt hat, nur der sinnfälligste Ausdruck für die Entmachtung menschlichen Denkens durch die Inthronisierung der „instrumentellen Vernunft". Es geht ihm um die Kritik am rationalistischen Weltbild der Naturwissenschaften, das den Menschen zum Objekt einer abstrakten Logik degradiert hat, durch das den Menschen eingeredet werden soll, sie seien selbst nichts anderes als infor-mationsverarbeitende Automaten. Die soge-nannte „künstliche Intelligenz“ des Computers ist für ihn der Gipfel naturwissenschaftlicher Hybris. Am Beispiel der Computerwissenschaften, der Informatik, und an zahlreichen frappierenden Anwendungsbeispielen zeigt er auf, wie fachidiotisches Technokratendenken in Sackgassen führt, wie es die Gefahr kultureller und politischer Katastrophen mit sich bringt. Dieses falsche Denken, nicht die im Werkzeug selbst liegenden „Sachzwänge", nicht die immer wieder behauptete Zwangsläufigkeit technischer Entwicklungen, seien die Ursache für die meisten Mißstände unserer Zeit. Hier ist auch die innere Verbindung zwischen allen drei vorgestellten Büchern und auch der zitierten zukunftsweisenden Rede des Buhdespräsidenten: Wenn es uns nicht gelingt, das mechanistisch-dualistische Denken zu überwinden, bleibt uns nur die laufende Anpassung an versklavende Automatismen der technologischen Entwicklung. Polar-ganzheitliches, systemdynamisches Denken jedoch, mit dessen Erlernung und Einübung schon im Kindergarten begonnen werden muß, könnte ebenso folgerichtig zu einer nachindustriellen Gesellschaft führen, wie sie vor allem de Rosnay so faszinierend beschreibt. Und selbst wenn man diesen Optimismus nicht teilt: Daß die seitherige „aristotelische" Denkweise zwar aus historischer Notwendigkeit entstanden ist und daß sie uns eine großartige technisch-industrielle Gesellschaft gebracht hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie uns heute in eine fast ausweglose Sackgasse geführt hat. Wenn es also richtig ist, daß wir eine neue Denkweise, ein neues Bewußtsein benötigen, um nicht nur zu überleben, sondern die Welt immer menschenwürdiger oder den Menschen immer weltwürdiger zu machen, dann scheint dieses polar-ganzheitliche, dieses systemdynamische und kybernetische Denken die Alternative zu sein. Eine andere — scheint uns — ist nicht in Sicht.

Selbstbeschränkung — Bewußtseinswandel — „nachindustrielle Logik“

Wenngleich es utopisch wäre und von mangelndem Einblick in die Gesamtzusammenhänge zeugen würde, das Rad der Geschichte zurückdrehen zu wollen, scheint es doch zum mindesten geboten, ja zur Vermeidung von Katastrophen unerläßlich zu sein, für eine Übergangszeit auf das Machen manches Machbaren zu Verzichten. Diese ist erst dann beendet, wenn wir über das „makroskopische Werkzeug“ mit dem Computer als Katalysator verfügen, mit dessen Hilfe wir unbegrenzte komplexe Systeme mit unzähligen Elementen, „Beziehungen und Wechselwirkungen, sowie ... Kombinationsmöglichkeiten, auf denen die Funktion der großen Systeme beruht" besser verstehen und beeinflussen können. Der Bundespräsident hat wohl dies im Auge, wenn er sagt: Und wenn sich aus dieser Diskussion ergibt, daß es tatsächlich notwendig ist, neue Ziele zu definieren, so brauchen wir dafür eines am dringendsten: Zeit. Eine Umorientierung, die unser ganzes Leben betreffen würde, würde noch unabsehbare Probleme mit sich bringen. Um sie zu erkennen und zu lösen, brauchten wir mindestens die Zeit einer Generation. Solange werden wir, auch wenn wir uns zu einer Umorientierung entschlossen haben, ob wir es wollen oder nicht, ob wir es für richtig halten oder nicht, unsere bisherige Lebensweise weiterführen, denn sie läßt sich nicht von heute auf morgen ändern."

Im Hinblick auf den Computereinsatz kommt Weizenbaum dabei zu einer ganz ähnlichen Empfehlung, wie sie auch H. J. Genrich vorschweben mag, der nach Hoffmann (S. 16) vorschlägt, „die Computer künftig nicht mehr als Universalmaschine zu betrachten ..., sondern ... so zu gestalten, daß ... (sie) jeweils nur auf einen Zweck hin ausgelegt sind und dadurch beherrschbar und kontrollierbar bleiben". Weizenbaüm plädiert leidenschaftlich dafür, endlich die schwachsinnige Prämisse, daß ethische Postulate in der naturwissenschaftlichen Argumentation „immanent subversiv und antiwissenschaftlich, ja antiintellektuell“ seien, fallen zu lassen zugunsten einer neuen Wahlfreiheit nach ethischen Prinzipien. Dies bedeutet im Hinblick auf die Computerwissenschaft, däß nur noch solche Probleme erforscht werden dürfen, die auch in ihren ferneren Folgen moralisch unbedenklich und gesellschaftlich nützlich sind.

Die Selbstbeschränkung wird nun allerdings schon solange in vielen Bereichen ohne das geringste Ergebnis gefordert, daß Vorläufig kaum damit zu rechnen ist, durch einen Appell an die ethische Verantwortung der Wissenschaftler ließen sich die als Kehrseite der Medaille unablösbar mit dem „technischen Fortschritt“ Verbundenen Gefahren beseitigen. Appelle wie die Weizönbaums und Genrichs sind demgemäß zwar weiterhin und iß Zukunft verstärkt notwendig, weil sie in er-heblichem Maße, wenn auch nur langfristig beitragen zum Bewußtseinswandel, zum Über-gang von der rationalen, zweiwertigen, kausalen Logik „der instrumentellen Vernunft", zu einer „Logik des nachindustriellen Zeitalters" Aber sie sind Appelle und noch keine praktische Politik. Nötig ist deshalb vor allem, die wegen des bisher herrschenden „instrumentellen Denkens" unabweisbar erscheinenden technologischen Risiken dadurch zu beseitigen oder wenigstens beherrschbar zu machen, daß das bisherige Wertsystem überprüft wird, so daß die Entwicklung einer qualitativ völlig andersartigen, nämlich menschenwürdigen Technik möglich wird. Wäh, rend nach Maroyama die herkömmliche naturwissenschaftlich-abstrakte Logik des industriellen Zeitalters geprägt ist durch Normung, Homogenität, Wettbewerb, Hierarchie, Naturbeherrschung („Machet Euch die Erde untertan!"), materielle Befriedigung, Effizienz und Denken in vorgeprägten Kategorien, wird die nachindustrielle Logik gekennzeichnet sein durch „Entnormung", Heterogenität, Symbiose, Wechselbeziehung, Einklang mit der Natur, kulturelle Befriedigung, Ästhetik und Ethik und das Denken in sozialen Zusammenhängen. Es bestehen jedenfalls bei solchen Fachleuten und Politikern, die überhaupt bereit sind, über die Probleme der „Grenzen des Wachstums" nachzudenken und an der Entwicklung von Strategien mitzuarbeiten, die den unumgänglichen „Bewußtseinswandel“ Schritt für Schritt herbeiführen können, kaum Zweifel, daß zum mindesten der Übergang vom seitherigen unreflektierten Expansionsstreben zu einem qualifizierten Wachstum notwendig ist. Die Vorschläge von Weizenbaum und Genrich im Hinblick auf die weitere Computerentwicklung sind wohl ein richtiger Schritt in diese Richtung.

Damit wird der Sinn der von der direkten Befassung mit dem Computer und seinen Folgen wegführenden Überlegungen dieses Aufsatzes und der Grund für die Auswahl gerade dieser kurz vorgestellten Bücher deutlich:

Es ist im wahrsten Sinne des Wortes notwendig, den seit 2 500 Jahren, seit Aristoteles herrschenden Denkstil, der uns die großartigen Leistungen der heutigen Zivilisation, aber auch deren katastrophenträchtige Schattenseite gebracht hat, zu verlassen. Die janusköpfige Macht der Computer ist dafür das vielleicht sinnfälligste Symbol. Dieser radikale Bewußtseinswandel kann weder den Wissenschaftlern noch den Politikern, weder den „Systemherren" und „Verwaltern" noch den Bürgerinitiativen, weder der „Konzertierten Aktion" noch den Computern überlassen werden. Jeder von uns muß von Grund auf umdenken. Dieser umfassende Bewußtseinswandel und die damit einhergehende Umstrukturierung unseres Denkstiles werden zu einem neuen „makroskopischen" Konzept führen, das wir derzeit noch nicht haben, das wir aber zweifellos ohne Computer auch niemals haben würden

Hierzu brauchen wir aber selbst angesichts unserer schnellebigen Zeit „mindestens die Zeit einer Generation", wie der Bundespräsident sagt, einer Menschengeneration wohlgemerkt! Es ist allerdings zu befürchten, daß wir mehr Zeit auch nicht haben werden.

Zum Schluß sei nicht verschwiegen, daß sich der Verfasser durchaus bewußt ist, wie sehr auch diese Überlegungen schließlich nur wieder ein Appell sind. Sie sollten ja auch nur zeigen, in welche Dimensionen man zwangsläufig geführt wird — geführt werden sollte! —, wenn man beginnt, über die Gefahren des Computereinsatzes nachzudenken. Man wird dann feststellen, wie es der bereits zitierte Bericht der Hamburger Projektgruppe in der Tat tut, daß die Forschung über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Computer-technologie und -Verwendung bisher geradezu sträflich vernachlässigt worden ist. In Zukunft darf — wie auf allen anderen Gebieten — auch auf diesem Gebiet nicht mehr Wachstum an sich das Ziel sein, sondern qua-lifiziertesWachstum, d. h. wachsen soll und darf nur die Produktion, die der „nachindustriellen Logik" entspricht. Welche das aber ist, das herauszufinden, ist zuallererst eine Frage der Forschungspolitik und der Forschung. Nachträglicher Zusatz nach Redaktionsschluß: In Fußnote 9 zitiert Hoffmann eine Äußerung Wilhelm Steinmüllers zur Sozialdatenbank. Dieser legt Wert auf die Feststellung, daß er nicht korrekt zitiert worden sei und daß jedenfalls die Folgerung Hoffmanns, „daß mit diesem großen Informationssystem gleich mehrere Artikel des Grundgesetzes verletzt würden', in dieser apodiktischen Form nicht auf seine Aussage gestützt werden könne.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung DAS PARLAMENT, B 25/77.

  2. Siegfried Fröhlich, Bessere Verwaltung durch bessere Information, in: Deutscher Dokumentartag 1974, Bd. 1: Staatliche Informationssysteme, Informationspolitik und Informationsrecht, München 1975, S. 36— 48; zuerst erschienen im Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 119 vom 11. 10. 1974.

  3. Ernst Lutterbeck, Arbeitsprogramm zur Verbesserung des Informationswesens der Bundesverwaltung, in: P. Hoschka, U. Kalbhen (Hrsg.), Datenverarbeitung in der politischen Planung, Frank-furt/New York 1975, S. 21.

  4. Sigmar Uhlig, Rechtsinformationssystem im Rechtsstaat, in: Wilhelm Steinmüller (Hrsg.), Informationsrecht und Informationspolitik, München 1976, S. 39, Reihe Rechtstheorie und Informationsrecht Bd. 1.

  5. Herbert Schmidt, Das Sozialinformationssystem der Bundesrepublik Deutschland, Sozialinnovation durch Informationstechnologie, Eutin 1977, S. 11.

  6. Gerd E. Hoffmann, Schutz dem Bürger — Widerstand den Verwaltern, in: DIE ZEIT Nr. 17 vom 15. 4. 1977.

  7. Datenschutz und Menschenwürde. Tagungsdokumentation des Zehnten Akademie-Gesprächs vom 19. /21. 5. 1977, veranstaltet von der Theodor-Heuss-Akademie, Gummersbach.

  8. Der Bundesminister des Innern (Hrsg.), betrifft: Bundesdatenschutzgesetz, Nr. 26 der Reihe Öffentlichkeitsarbeit des Bundesinnenministeriums, Bonn April 1977, 35 S. (Das Heft kann beim Referat Öffentlichkeitsarbeit des BMI kostenlos bezogen werden.)

  9. A. a. O„ S. 29.

  10. A. a. O., S. 31.

  11. Dazu ausführlich Herbert Auernhammer in: Betriebsberater 1977, S. 205, 207 ff.

  12. A. a. O., S. 207 mit weiteren Nachweisen.

  13. A. a. O., Fußnote 7.

  14. Der Endbericht dieses Forschüngsvorhabens ist soeben erschienen: H. W. Heibey, B. Lutterbeck, Michael Töpel, Auswirkungen der elektronischen Datenverarbeitung in Organisationen. Bundesministerium für Forschung und Technologie, Forschungsbericht Datenverarbeitung, Institut für Informatik der Universität Hamburg, Projektleitet: Prof. Dr. E. Jessen, Dr. Bernd Lutterbeck, Jan. 1977; die gleiche Projektgruppe hat zuvor drei aufeinander aufbauende Zwischenberichte vorgelegt.

  15. So auch Herbert Auernhammer, a. a. O., Fußnote 11, S. 209, der im übrigen entgegen Hoffmann (S. 12) hierzu in seinem Beitrag im „Parlament“ auch nichts anderes aussägt.

  16. Das Problem, daß es Möglichkeiten gibt, in Ausnahmefällen trotz der Anonymisierung Daten doch zu identifizieren, ist bekannt. Daß es sich dabei aber um lösbare Probleme handelt, beschreibt U. Damman, Datenschutz und Zugang zu Planungsinformationssystemen. Ein Beitrag zur Politik der Planungsinformation, in: Beiträge zum Datenschutz, hrsg. vom Hessischen Datenschutzbeauftragten, Heft 1, Wiesbaden 1974.

  17. Anzumerken wäre, daß der Verfasser als einer der denunzierten Verwalter bereits 1972, zu einer Zelt also, als Wissenschaft und Praxis diese Probleme nöch kaum entdeckt hatten, in einem Aufsatz in „DIE ZEIT“ Nr. 33 vom 25. 8. 1972 einen „Parlamentsbeauftragten für Datenbanksysteme“ forderte.

  18. A. a. O., Fußnote 8, S. 12.

  19. A. a. O., Fußnote 8, Vorwort von Bundesmini-ster Prof. Maihofer. Siehe dazu auch die Ausführungen des zuständigen Abteilungsleiters im BMI, Ministerialdirektor Dr. Ordemann in: Öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung 1977, Heft 6, S. 3— 7: Grenzüberschreitender Datentransport — Internationales Datenschutzübereinkommen.

  20. Aktuelle Perspektiven des sozialen Liberalismus, Bonn 25. 7. 1977, S. 112— 118.

  21. Forum liberal Nr. 7/Juli 1977.

  22. Zu allen hier behandelten Datenschutzproblemen siehe den Kommentar von H. -J. Ordemann und R. Shomerus: Bundesdatenschutzgesetz — mit Landesdatenschutzgesetzen, München 1977. Das Werk enthält auch eine Einführung in den ganzen Problembereich sowie einen Überblick über den Stand der Datenschutzdiskussion im Ausland.

  23. Burkhard Hirsch, Datenschutz als politischer Auftrag, a. a. O., Fußnote 7.

  24. Bundespräsident Walter Scheel in seiner Rede anläßlich der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises am 11. 2. 1977 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, zitiert nach: Bürgerinitiativen — Chancen und Gefahren, in: Das Gespräch aus der Ferne, Briefe für einen Freundeskreis, hrsg. von Dr. Hans Dahmen, 5485 Sinzig-Bodendorf, Rosenstr. 53, 31 (1977), Heft 265 (Mai/Juni), S. 4, gestaltet von Werner Rietz und Liselotte Faltz.

  25. Hrsg, vom Bundesminister für Forschung und Technologie, Referat Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Bonn 1976.

  26. A. a. O., Fußnote 14.

  27. A. o. O., Fußnote 4, Vorwort zum Sammelband.

  28. Frederik Vester, Das kybernetische Zeitalter. Neue Dimensionen des Denkens, Frankfurt/M. 1974, S. 131.

  29. A. a. O„ S. 134.

  30. Joel de Rosnay, Das Makroskop, Neues Welt-verständnis durch Biologie, Ökologie und Kybernetik, Stuttgart 1977.

  31. A. a. O„ S. 13.

  32. A. a. O„ Fußnote 21

  33. A. o. O., Fußnote 27, S. 73.

  34. A. a. O., Fußnote 27, S. 157.

  35. A. a. O., Fußnote 27, S. 160— 176.

  36. Joseph Weizenbaum, Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft, Frankfurt 1977. über die angedeuteten Inhalte des Buches hinaus enthält es außerdem für solche, denen Funktion und Arbeitsweise des Computers noch ein Buch mit sieben Siegeln sind, eine höchst verständliche, didaktisch geschickte und dabei vergnüglich zu lesende Einführung.

  37. A. a. O., Fußnote 27. S. 13.

  38. A. a. O., Fußnote 21.

  39. Magoroh Maroyama, Wir brauchen eine nach-industrielle Logik, in: Experimente für die Gesellschaft, Fischer Magazin Brennpunkte, Frankfurt April 1977, S. 111— 121.

  40. Eine gute Übersicht über Pro und Contra Computer, über die internationale Literatur darüber und über ihre gesellschaftlichen Auswirkungen bietet W. Haseloff, H. Schramm, Kybernetik und Politik, Frankfurt/Berlin/München 1976.

Weitere Inhalte

Ernst Lutterbeck, geb. 1922, Ministerialrat im Bundesministerium des Innern (BMI); im Kriege U-Bootsoffizier, brit. Gefangenschaft bis 1947; danach Verkaufsleiter in der Wirtschaft; ab 1961 als Dokumentationsfachmann tätig, zunächst im Dokumentationszentrum der Bundeswehr; 1966— 1969 nebenberufliches Studium der Philosophie, allg. Sprachwissenschaft und Informationsund DokumentationsWissenschaft; 1970— 1972 Projektleiter in der wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Bundestages; seit 1973 Referent für Information und Dokumentation in der Bundesverwaltung im BMI; 1973— 1975 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation, derzeit Vizepräsident. Veröffentlichungen u. a.: Dokumentation und Information. Auf dem Weg ins Informationszeitalter, Frankfurt 1971 (Hrsg.); Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Eine Einführung, München 1972 (Mitautor); Information und Dokumentation im behördlichen Bereich, Karlsruhe 1974 (Mithrsg.).