Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Zwischenbilanz in der Auseinandersetzung um die Kernenergie | APuZ 35/1978 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 35/1978 Artikel 1 Zwischenbilanz in der Auseinandersetzung um die Kernenergie

Zwischenbilanz in der Auseinandersetzung um die Kernenergie

Hans Michaelis

/ 52 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In der Auseinandersetzung um die Kernenergie führte der politische Meinungsbildungsprozeß im Laufe des Jahres 1977 zu einem differenzierten, im ganzen aber positiven Votum der Parteien in der Spannweite zwischen vorbehaltloser Bejahung und enger Beschränkung auf die Deckung des „Restbedarfs“. Der weitere Ausbau der Kernenergie wird dabei von der Erfüllung einer wichtigen Forderung abhängig gemacht: solange die „Entsorgung" nicht hinreichend sichergestellt ist, sollen Errichtungs-und Betriebsgenehmigungen für Kernkraftwerke nicht erteilt werden. Unter den zahlreichen Argumenten zugunsten der Kernenergie — die technische Entwicklung, der Beitrag zur Versorgungssicherheit, der Kostenvorteil, die Begrenztheit der Ressourcen an fossilen Brennstoffen, die Sicherung des Wirtschaftswachstums — hat bis heute nur das letzte in der öffentlichen Auseinandersetzung Bestand gehabt. Aber auch die Argumente der Kernenergiegegner haben sich gewandelt: die Strahlenbelastung bei störfallfreiem Betrieb, die Erwärmung der Flüsse und der Atmosphäre, das Risiko eines katastrophalen Reaktorunfalles, die Unwirtschaftlichkeit der Kernenergie, die Fragwürdigkeit der Entsorgung und die Unsicherheit der Uranversorgung. Diese Argumente wurden zu einem Teil widerlegt und im übrigen relativiert. Sie reichen aber nicht aus, um das allgemeine Unbehagen gegenüber der Kernenergie zu erklären. Letzte Ursache ist offenbar die Furcht vor dem unheimlichen Atom und das Mißtrauen gegenüber dem Staat, der sich seiner bedient. Bei dieser Lage stellt sich die Frage, ob es Alternativen zur Kernenergie gibt, Alternativen sowohl weltweit und auf lange Sicht als auch kurz-und mittelfristig für die Bundesrepublik Deutschland. Die Analyse zeigt, daß langfristig an der Kernenergie kein Weg vorbeiführt. Kurz-und mittelfristig hätte ein Verzicht auf den weiteren Ausbau der Kernenergie für die Bundesrepublik schwerwiegende Folgen: Die deutsche Reaktorbauund Brennstoffkreislaufindustrie würde ihre Spitzenstellung auf dem Weltmarkt verlieren und die stromintensive Wirtschaft würde in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt mit allen Konsequenzen für die Beschäftigungslage und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik.

I. Wo stehen wir?

I. II. III. IV. INHALT Wo stehen wir?

1. Klärungen und Entscheidungen im Jahr 1977 2. Die Entsorgungskontroverse in der Bundesrepublik Deutschland 3. Die Wiederaufarbeitung in der internationalen Auseinandersetzung Die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern der Kernenergie 1. Argumente pro und contra a) Die Strahlenbelastung der Umgebung von Kernkraftwerken bei störfallfreiem Betrieb b) Die Erwärmung der Flüsse und der Atmosphäre c) Das Risiko eines katastrophalen Reaktorunfalls d) Das Argጨٜ?

Klärungen und Entscheidungen im Jahr 1977 Pas Jahr 1977 stand im Zeichen heftiger Auseinandersetzungen um die Kernenergie. Brennpunkte waren Wyhl, Brokdorf, Grohnde und Kalkar. Die Demonstrationen, an denen sich bis zu 40 000 Personen beteiligten, hatten teilweise den Charakter grenzüberschreitender Erscheinungen. So am Ober-und Hochrhein: Wyhl in Baden, Fessenheim im Elsaß und Kaiseraugst im Aargau.

Abbildung 3: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs der Bundesrepublik seit 1950. Quelle: wie Abb. 1.

Bemerkenswert sind bei alledem drei Tendenzen: eine wachsende Kriminalisierung, eine deutlicher werdende Trennlinie zwischen friedlichen und militanten Kernenergiegegnern und eine einseitige Ausrichtung des Interesses vorwiegend der elektronischen Massenmedien auf militante und radikale Aktionen nach der Formel „bad news are good news“. Die symptomatische Koinzidenz der Demonstrationen mit Beschlüssen oder Urteilen von Verwaltungsgerichten Wyhl — Freiburg Brokdorf — Schleswig Grohnde — Hannover Kalkar — Münster verunsicherte zunehmend Politiker, Verwaltungen, Gerichte, Elektrizitätserzeuger, Reaktorbauindustrie und die in diesen Bereichen Beschäftigten.

Abbildung 4: I Kernenergie 3, 2% Wasserkraft’ 1. 9% • Steinkohle 17, 8% •Braunkohle 9, 5% • Erdöl 52, 1% L-AJ Erdgas 14, 9% I I Sonstige 0, 6% I 'einschließlich Außenhandelssaldo Strom Anteile der Energieträger am Primärenergieverbrauch der Bundesrepublik Deutschland 1977. Quelle: Arbeitsgemeinschaften Energiebilanzen

In dieser Lage waren die Parteien äufgerufen, ihre Haltung zur Kernenergie festzulegen. Der politische Meinungsbildungsprozeß führte im Laufe des Jahres 1977 dann auch zu einer Abklärung — positiver als Anfang 1977 erwartet wurde: — Die Unionsparteien votierten am 23. September in München und am 10. /11. Oktober in Hannover einmütig für die Kernenergie.

Abbildung 5: Vereinfachtes Flußschema der Energiewirtschaft. Quelle: H. Michaelis, Kernenergie, München 1977.

— Auf ihrem Parteitag am 8. November in Kiel rang sich auch die FDP zu einer aufgeschlossenen Haltung durch, nachdem noch am 28. Juni in Saarbrücken ein Moratorium beschlossen worden war. — Nicht zuletzt unter dem Eindruck des Betriebsrätekongresses im November in Dortmund einigte sich schließlich am 17. November auch die SPD in Hamburg auf eine Formel, die — bei Vorrang der Kohle — den weiteren Ausbau der Kernenergie zuläßt. Vorher — am 20. September — hatte sich der SPD-Vorstand mehrheitlich für ein Moratorium ausgesprochen.

Abbildung 6: I I Kernenergie 7, 3% □Wasserkraft 4, 2% □ Steinkohle 27, 8% • Braunkohle 28, 9% • Heizöl 10, 2% • Erdgas 16, 8% andere Gase 3, 1% •Sonstige 1, 7% Aufgliederung der Elektrizitätsversorgung der Bundesrepublik 1976 auf eingesetzte Primärenergien. Quelle: Elektrizitätswirtschaft

In den auf allen politischen Ebenen mit Engagement geführten Kontroversen setzten sich die Kernenergie-Befürworter schließlich praktisch nur mit einem Argument durch: Die Kernenergie muß weiterentwickelt werden, um das Wirtschaftswachstum zu sichern. Die in jeder Hinsicht unbefriedigende Entwicklung der Konjunktur sicherte dem Wachstumsargument dann auch breite Zustimmung. In diesem Aufsatz wird untersucht werden, ob und in welchem Maße dieses Argument — zumal allein geltend gemacht — geeignet ist, im Widerstreit zwischen Pro und Contro den Ausschlag zu geben. 2. Die Entsorgungskontroverse in der Bundesrepublik Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland — und in dieser Pointierung nur in der Bundesrepublik — lassen sich die Auseinandersetzungen des letzten Jahres um die Kernenergie weitgehend reduzieren auf eine einzige Forderung: Errichtungs-und Betriebsgenehmigungen für Kernkraftwerke sollen solange nicht mehr erteilt werden, als die „Entsorgung", d. h. die Wiederaufarbeitung der abgebrannten Brennelemente und die Endlagerung des radioaktiven Abfalls, nicht hinreichend sichergestellt ist. Die Bundesregierung machte sich diese Forderung zu eigen. Entschiedenster Fürsprecher dieser Forderung war die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen 1).

Abbildung 7: Aufteilung des Energieverbrauchs in der Bundesrepublik nach Verwendungszweck. Quelle: München Forschunigsstelle für Energiewirtschaft,

Die Brisanz dieser Forderung liegt darin, daß die Worte „hinreichend sichergestellt" unter-schiedlich interpretiert werden können: Bedeutet dies, daß für das von der Bundesregierung geforderte und in der Verantwortung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu verwirklichende Entsorgungszentrum in Gorleben, Niedersachsen, ein Gutachten der Reaktorsicherheits-und Strahlenschutzkommission vorliegen muß, das die unbedenkliche Realisierbarkeit attestiert? Die Bundesregierung hielt das noch im März 1977 für ausreichend Das geforderte Gutachten mit dem zusammenfassenden Votum „technisch sicher und technologisch realisierbar“ wurde dann auch im Oktober 1977 vorgelegt Oder bedeutet dies, daß für dieses Zentrum auch eine erste Teilerrichtungsgenehmigung vorliegen muß? Frühestens in drei Jahren könnte dies der Fall sein. Auf das hierdurch implizierte Schwarze-Peter-Spiel Bonn/Hannover sei in diesem Zusammenhang nur hingewiesen.

Industrie Haushalt und Kleinverbraucher Verkehr insgesamt 39 v. H. 43 v. H. 18 v. H. 100 v. H. 18 14 v. H.

2, 5 v. H. 13 v. H. v. H. Verbrauchergruppe Anteil am Endenergie-verbrauch davon in Form von Elektrizität

Entscheidend ist aber die Frage, ob und inwieweit diese Forderung begründet ist. Gegen diese Forderung ist solange nichts einzuwenden, als sie den Zweck verfolgt, die Energie-versorgungsunternehmen anzuhalten, sich nachhaltig um den Bau eines Entsorgungszentrums — in Gorleben — und eines Zwischen-lagers für abgebrannte, aber noch nicht wiederaufgearbeitete Brennelemente — in Ahaus — zu bemühen, und zwar mit dem Ziel, die in den abgebrannten Elementen noch enthaltenen Kernbrennstoffe wiederzugewinnen. Weltweit führt dies übrigens zu einer Verringerung des Kernbrennstoffbedarfs — in den nächsten 40 Jahren um etwa 35 v. H.

ItSKE-29, 31 Mio KJ Abbildung 8: Langfristige Entwicklung des Primärenergiebedarfs der Welt. Quelle: Conservation Commission (1977)

Eindeutig falsch ist aber die politisch mehr und mehr in den Vordergrund gedrängte Behauptung, auch aus Gründen der Sicherheit, insbesondere des Strahlenschutzes, sei eine alsbaldige Entsorgung unverzichtbar, etwa nach dem Gleichnis, man könne kein Flugzeug starten lassen, ehe nicht die Landebahn gebaut sei. Das hieße den besonderen Vorteil der Konzentration des radioaktiven Abfalls auf ein denkbar kleines Volumen ganz erheblich überschätzen. Es ist Präsident Carter, der dieses falsche Sicherheitsargument widerlegt. Er fordert, zur Verringerung der Gefahr einer Ausbreitung von Kernwaffen solle man bis auf weiteres auf eine Wiederaufarbeitung überhaupt verzichten und sich auf den Bau und Betrieb von Leichtwasserreaktoren beschränken: die amerikanische Wegwerfstrate. gie. Die abgebrannten Brennelemente könnten in Wasserbecken auch langfristig — übrigens gefahrlos — gelagert werden. Dies ist nur eines der zahlreichen Beispiele dafür, in wel. chem Maße falsche Argumente die Ausein. andersetzungen um die Kernenergie bestimmen. 3. Die Wiederaufarbeitung in der internatio.

Abbildung 9: Kraftwerks-leistung

GWe 4000 2000 955 2000 1000 Entwicklungs-linder Kommunistische 1610-änder 2423 2020 Westliche Industrie-Länder Entwicklung der installierten Quelle: Conservation Commission Kernkraftwerks-leistung.

nalen Auseinandersetzung Die Wiederaufarbeitung und die Brüterentwicklung sind damit in den Mittelpunkt der internationalen Auseinandersetzungen ge. rückt. Dem amerikanischen Präsidenten wird aus deutscher Sicht und auch aus der Sicht fast aller anderen Länder entgegengehalten: die Technik der Wiederaufarbeitung ist in ihren Prinzipien allgemein bekannt und beherrscht, sie wird in 14 Ländern praktiziert. Ein weltweites Wiederaufarbeitungsverbot ist daher nicht zu verwirklichen und somit abzulehnen

Abbildung 10: Quelle: Kumulierter Uranbedarf der westlichen Welt von 1975 bis 2020 bei verschiedenen Kernkraftwerks-strategien. 10. Welt-Energie-Konferenz (1977), OECD

So hat sich Carter mit seinem Anliegen auch nicht durchsetzen können. Bei zeitlich nicht limitiertem, aber innerpolitisch stark umstrittenem Verzicht der USA auf die kommerzielle Wiederaufarbeitung und auf die Brüterentwicklung sah Carter sich in der Tat im Sommer 1977 gezwungen, das deutsch-brasilianische und übrigens auch das französisch-pakistanische Abkommen über den Transfer von Wiederaufarbeitungs-know how zu tolerieren, allerdings unter der Bedingung, daß weitere Abkommen dieser Art nicht mehr abgeschlossen werden. Nach einem bei dem Londoner Wirtschaftsgipfel im Mai 1977 gefaßten Beschluß und gemäß den Direktiven ei-

Umrechnung gebräuchlicher Energie-einheiten

ner im Oktober 1977 von der amerikanischen Regierung in Washington einberufenen Konferenz wurde zugleich eine Organisation ins Leben gerufen mit dem Auftrag einer internationalen Beurteilung des nuklearen Brenn-Stoffkreislaufs: International Nuclear Fuel Cycle Evaluation" (INFCE). In diesem Rahmen sollen binnen zwei Jahren analytische Studien durchgeführt und abgeschlossen werden mit dem Ziel, die Gefahr einer weiteren Verbreitung von Kernwaffen auf ein Minimum zu begrenzen, ohne die im Atomwaffensperrvertrag garantierte friedliche Nutzung der Kernenergie zu behindern. Insbesondere soll auch geprüft werden, ob es „proliferationsfeste" Alternativen gibt zum Uran-Plutonium-Zyklus, bei dem die Wiederaufarbeitung nach dem gegenwärtig allein technisch weitgehend entwickelten PUREX-Verfahren vorgenommen wird

Volkswirtschaftliche Kenndaten für die Bundesrepublik Quellen: Statistisches Bundesamt, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage

Mit der ihm eigenen Beharrlichkeit versucht der amerikanische Präsident nun aber auf anderen Wegen zu erreichen, daß die Wieder-aufarbeitung der abgebrannten Kernbrennstoffe weltweit eingeschränkt wird. Insbesondere soll dies geschehen durch das im Februar 1978 im amerikanischen Kongreß mit großer Mehrheit verabschiedete und am 10. März vom Präsidenten unterzeichnete Gesetz zur Nichtverbreitung von Kernwaffen Nach diesem Gesetz können amerikanische Lieferungen von Uran und von Trennarbeit von einer Verpflichtung der Empfängerstaaten abhängig gemacht werden, den Brennstoff nur mit amerikanischer Zustimmung wiederaufzuarbeiten. Zugleich kann die Ausführung der Uran-und Trennarbeit-Liefer-Verträge unterbrochen werden, wenn das Empfängerland Wiederaufarbeitungstechnologie an einen Nichtkernwaffenstaat weitergibt.

Tabelle 2 Vergleich der Änderungsraten des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP), des Primärenergieverbrauchs (PEV) und des Elektrizitätsverbrauchs (ELV)

Die Europäische Gemeinschaft, die wegen der ihr durch den EURATOM-Vertrag gegebenen umfassenden Zuständigkeit bei der Versorgung mit Kernbrennstoffen angesprochen ist, hat sich auf ihrer Gipfelkonferenz im April 1978 in Kopenhagen zwar geweigert, den ultimativen amerikanischen Forderungen auf Einleitung von Neuverhandlungen der bestehen-* den Verträge bis zum 9. April 1978 nachzukommen, gleichwohl wird für die Zukunft kaum ein Weg an solchen Verhandlungen vorbeiführen. Die Position der europäischen Empfängerländer ist jedoch stärker als noch vor einigen Jahren, da die Möglichkeiten einer anderweitigen Versorgung mit Uran und mit Trennarbeit sich inzwischen verbessert haben, nicht zuletzt auch deshalb, weil die weltweite Verzögerung in den Kernenergiebauprogrammen zu einer Streckung des Bedarfs und damit zu einem vorübergehenden Überangebot an Kernbrennstoffen geführt hat 9a). Die Konsequenz aus alledem ist klar: Erfolgversprechend ist nur eine so weit wie möglich verstärkte Sicherheitskontrolle durch die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien. In allen in Frage kommenden Gremien — auch in der „Londoner Gruppe“ der Industrieländer, die über nukleares know how verfügen, dem „Nuclear Suppliers Club“ _ sollte die Bundesregierung daher weiterhin und noch intensiver bemüht sein, dazu beizutragen, daß eine Verbreitung von Kernwaffen verhindert wird. Einen anderen Weg gibt es nicht.

Prognosezeitpunkt Wachstum des PEV in °/o Quelle: 1977 IEA Reviews of National Energy Programmes.

Zum Verständnis des Interessenkonfliktes sei darauf hingewiesen, daß die USA allein 43 v. H.der gesicherten und der geschätzten zusätzlichen Reserven an Uran (und 62 v. H.der bis 1985 in Betrieb zu nehmenden Anreicherungskapazitäten) der Gesamtheit der nichtkommunistischen Länder auf sich vereinigen Anders als die europäischen Länder und Japan können daher die USA auf die Wiederaufarbeitung und damit auf die Wiederverwendung der dabei anfallenden Kernbrennstoffe — wenigstens vorläufig — verzichten. Diese Sonderlage mag auch eine Erklärung dafür sein, warum die Vereinigten Staaten vergleichsweise weniger tun, um der Gefahr einer Fertigung von Kernwaffen zu begegnen, die als Sprengstoff hochgradig angereichertes Uran verwenden. Jedenfalls wurde die Anreicherung in den USA nicht mit dem gleichen Verdikt belegt, wie dies für die Wiederaufarbeitung geschehen ist. Unter Sachverständigen ist nicht zweifelhaft, daß auf diesem Weg Kernwaffen ungleich einfacher und weniger aufwendig gefertigt werden können Hochtemperatur-Reaktor (HTR): Reaktor mit Graphit als Moderator und Helium als Kühlmittel; erreicht hohe Temperaturen (700 bis 950° C); Beispiele: AVR in Jülich und THTR in Schmehausen.

Tabelle 3:

Prognosen des Primärenergieverbrauchs bis 1985 (Jahreswachstumsraten in v. H.)

Kernfusion: Bildung eines Kernes, insbesondere von Helium, durch Verschmelzung leichter Kerne, insbesondere von Wasserstoff, Deuterium und Tritium unter Freisetzung großer Energiemengen; dieser Prozeß bildet die Grundlage der Energieerzeugung der Sonne; Ziel der Forschung auf dem Gebiete der Plasmaphysik ist eine kontrollierte Fusion, um die freiwerdende Energie nutzen zu können.

Tabelle 4 Quelle: OECD/IEA

Kernspaltung: Spaltung eines schweren Atomkerns in mehrere mittelschwere Kerne unter Abgabe von Energie.

Tabelle 5 Einfuhrabhängigkeit der USA und der Bundesrepublik

Kernwärmenutzung: Direkte Nutzung der in Reaktoren erzeugten Wärme, insbesondere für die Raumheizung und für chemische und metallurgische Prozesse (Prozeßwärme).

Entwicklung energiewirtschaftlicher Kenndaten in der westlichen Welt bis zum Jahr 2000 Tabelle 6

leichtwasser-Reaktor: Reaktor, der gewöhnliches (leichtes) Wasser als Moderator und Kühlmittel verwendet; er benötigt leicht angereichertes Uran als Kernbrennstoff; Beispiel: Biblis.

Stromerzeugungskosten für Kernkraftwerke, die 1984 in Betrieb gehen (Preis-und Kostenniveau Frühjahr 1978)

Magnox-Reaktor: Reaktor, der Graphit als Moderator und Kohlendioxyd als Kühlmittel benutzt; Magnox-Reaktoren wurden insbesondere in den 60er Jahren in Großbritannien und Frankreich gebaut.

Methanol (Methylalkohol, CH-OH), ein flüssiger Treibstoff: in einer Langzeitperspektive für die Energieversorgung ist die Erzeugung von Methanol aus Kohle unter Einsatz von Kernenergie oder auch Sonnenenergie von besonderem Interesse.

MWe : Megawatt (elektrisch), Einheit der Leistung von Kraftwerken; 1 MWe — 1 000 kWe.

Plutonium: In der Natur nicht vorkommendes Transuran, das in Reaktoren entsteht und im Wege der Wiederaufarbeitung gewonnen werden kann; geeignet als Spaltstoff für Schnelle Brutreaktoren und als Sprengstoff für A-Bomben.

Proliferation: Verbreitung von Kernwaffen.

Purex-Verfahren: Weitgehend erprobter chemischerWiederaufarbeitungsprozeß zur Trennung von Uran, Plutonium und Spaltprodukten.

Radioaktivität: Spontaner Zerfall von Atomkernen unter Aussendung von Alpha-, Beta-und Gammastrahlen; man unterscheidet zwischen natürlicher Radioaktivität (z. B. von Radium) und induzierter Radioaktivität (z. B. durch die in einem Reaktor ablaufenden Kernprozesse).

Reaktor: Einrichtung, in der eine kontrollierte nukleare Kettenreaktion abläuft; ein Leistungsreaktor enthält innerhalb seines Druckgefäßes Brennelemente, Moderator, Kühlmittel und Regelstäbe; ferner eine Strahlenabschirmung und eine druckfeste Hülle.

Schneller Brutreaktor: Kernreaktor, dessen Kettenreaktion durch schnelle (nicht durch einen Moderator abgebremste) Neutronen aufrechterhalten wird und der, im Ziel wenigstens, mehr spaltbares Material (insbesondere Plutonium) erzeugt als verbraucht; Beispiel: SNR 300 in Kalkar.

Thermischer Brüter: Brutreaktor, in dem die Kettenreaktion durch abgebremste (thermische) Neutronen aufrechterhalten wird; nur unter Verwendung von Thorium als Brutstoff möglich.

Trennarbeit: Das Maß für den Aufwand, der erforderlich ist, um im Uran den Anteil des Isotops Uran 235 anzureichern.

Tritium (T): überschwerer Wasserstoff (Ha).

Urananreicherung: Erhöhung des Anteils des Isotops 235 im Uran (Anteil im Natururan: 0, 71 v. H.). Leichtwasser-Reaktoren benötigen auf etwa 3 v. H. angereichertes Uran; zur Verwendung als Bombensprengstoff muß die Anreicherung wenigstens 90 v. H. ausmachen.

Wiederaufarbeitung: Chemische und metallurgische Bearbeitung abgebrannter Brennelemente zum Zwecke der Abtrennung der hochradioaktiven Spaltprodukte und der (Rück-) Gewinnung des Urans und des Plutoniums.

II. Die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern der Kernenergie

Erklärung einiger im Text verwendeter kerntechnischer Ausdrücke: Brennelement: Bauteil, das den Kernbrennstoff im Reaktor enthält. Uran als Kernbrennstoff kann in metallischer Form (so bei Magnox-Reaktoren) oder oxidischer Form (so bei Leichtwasser-Reaktoren) Verwendung finden. Nachdem die Brennelemente im Reaktor abgebrannt sind, werden sie zunächst für einige Monate in einem Wasserbecken neben dem Reaktor gelagert, wobei die ursprüngliche Radioaktivität auf weniger als ein Hundertstel abklingt. Dann folgt𥉉‚

1. Argumente pro und contra In den Energieprogrammen vom September 1973 und Oktober 1974 vertrat die Bundesregierung die Auffassung, die Entwicklung der Kernenergie sei — uneingeschränkt — „wünschenswert", „ihre Nutzung müsse beschleunigt werden". Nunmehr, in der zweiten Fortschreibung dieses Programms vom 14. Dezember 1977 Dezember 1977 13), heißt es aber, die Bundesregierung hält nach vorrangiger Nutzung anderer Möglichkeiten (Energieeinsparungen und Nutzung der deutschen Stein-und Braunkohle) „einen begrenzten Ausbau der Kernenergie für unerläßlich und — auch auf Grund des erreichten hohen Sicherheitsstands — für vertretbar". Dies läßt eine fundamentale Änderung der Einstellung zur Kernenergie erkennen, ohne daß übrigens seitdem irgendwann in der Welt ein Strahlenunfall oder ein anderes folgenreiches nukleares Ereignis eingetreten ist, das diesen Wandel hätte rechtfertigen können.

Wie erklärt sich dieser Wandel?

In den vergangenen 30 Jahren wurde die Entwicklung der Kernenergie mit verschiedenen Argumenten gefordert. In zeitlicher Reihenfolge waren dies:

— der technische Appeal der Kernenergie, — die Versorgungssicherheit, die die Kernenergie gewährleistet, — der Kostenvorteil der Kernenergie, — die Begrenzung der Ressourcen an fossilen Brennstoffen — und nun die Sicherung des Wirtschaftswachstums.

Aber auch die Argumente der Kernenergie-gegner haben sich gewandelt. In zeitlicher Folge waren dies: a) Die Strahlenbelastung der Umgebung von Kernkraftwerken bei störfallfreiem Betrieb Dieses Argument wird kaum noch vorgebracht , seitdem erkannt wurde und bewußt geworden ist, daß Steinkohlekraftwerke über ihre Emissionen zu einer höheren Radioaktivitätsabgabe führen. Nach den im Februar 1978 bekanntgegebenen Berechnungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ist das (durch die Flugasche in der Abluft verursachte) Strahlenrisiko in der Umgebung eines modernen Steinkohlekraftwerks fast 100 mal so hoch wie in der Umgebung eines Kern, kraftwerkes ; dennoch stellen auch die von Kohlekraftwerken emittierten radioaktiven Stoffe keine Umweltbelastung dar, da „die Ergebnisse der Berechnung im Rahmen des Schwankungsbereichs der natürlichen Strahlenbelastung . . . liegen" b) Die Erwärmung der Flüsse und der Atmosphäre

Dieses Argument ist in den Hintergrund getreten, da es sich auch gegen herkömmliche Wärmekraftwerke richtet und zudem die Durchlaufkühlung zugunsten von Kühltürmen generell aufgegeben wurde. Es bleibt aber das für jede Art von Energieverbrauch in gleicher Weise relevante Problem der Aufheizung der Atmosphäre und das für Kohle-, Ol-und Erdgaskraftwerke zusätzlich relevante Problem der COg-Anreicherung mit dem klimatologisch gefährlichen Treibhauseffekt.

Eine nicht geringe Zahl von Klimatologen ist der Auffassung, daß die. COg-Anreicherung auf lange Sicht die weitaus größte von der Energiewirtschaft ausgehende Umweltschädigung sein wird. Nach heute nicht mehr bestrittener Erkenntnis führt der gegenüber dem vorindustriellem Stand von 292 ppm (parts per million) auf gegenwärtig 330 ppm gestiegene und derzeit um jährlich etwa 1 ppm wachsende COg-Gehalt der Luft zu einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur der Atmosphäre, die bislang 0, 4° C ausmacht und bei einer durchaus absehbaren Verdoppelung des COg-Gehaltes (bei 3, 5 °/o p. a. Zuwachsrate ist dies im Jahr 2030 zu erwarten) etwa 2° C betragen wird. Eine Temperaturerhöhung um 2° C wirkt sich mit Sicherheit nachhaltig auf das Klima aus, wenn man bedenkt, daß der Temperaturunterschied gegenüber der letzten Eiszeit vor 10 000 Jahren nur 5°C ausmacht c) Das Risiko eines katastrophalen Reaktorunialls Die noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen der deutschen Reaktorsicherheitsstudie zeigen, daß das Risiko, durch den Störfall eines Kernkraftwerks zu Schaden zu kommen, weit unter allen natürlichen und technischen Risiken liegt. Insofern unterscheiden sich die bisher erarbeiteten Ergebnisse der deutschen Reaktorsicherheitsstudie nicht von den Ergebnissen der 1975 abgeschlossenen amerikanischen „Reactor Safety Study (RSS) Wash 1400", besser bekannt unter dem Namen des Leiters des Untersuchungsamts — Norman C. Rasmussen.

Beim Vergleich dieser beiden Studien ist zu berücksichtigen, daß den ungünstigeren Bedingungen in der Bundesrepublik, insbesondere der größeren Bevölkerungsdichte, die in der Bundesrepublik ungleich höheren Anforderungen an die Reaktorsicherheit entgegen-gerechnet werden müssen Für das vergleichsweise geringe Risiko der Kernenergie spricht auch, daß bei mehreren Tausend weltweit erreichten Reaktorbetriebsjahren noch kein Mensch außerhalb eines Kernkraftwerkes zu irgendeinem ernst zu nehmenden nuklear verursachten Schaden gekommen ist. Beim Betriebspersonal von kommerziellen Kernkraftwerken hat es bisher keinen einzigen Todesfall durch einen Strahlenunfall gegeben. Lediglich beim Betrieb militärischer Anlagen gab es in der Frühzeit einige tödliche Unfälle. Die Fehlbeurteilung des Risikos von Unfällen in Reaktoren oder in Anlagen des Brennstoff-kreislaufs, etwa der Wiederaufarbeitung, erklärt sich weitgehend aus einer Verwechslung des „Schadenspotentials“, d. h.der hypothetisch maximalen Schäden, die von einer Gefahrenquelle ausgehen können, mit dem . Risiko", d. i. das Produkt aus dem Schaden-potential, und der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten dieses Schadens. Das Schadenspotential eines Kernkraftwerks, d. h.der radioaktiven Stoffe in seinem Core, ist außerordentlich hoch, immerhin aber noch vergleichsweise gering gegenüber dem Schadenspotential der Chlorproduktion (400 Billionen tödliche Dosen jährlich in den USA). Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schweren nuklea-ren Unfalls ist aber außerordentlich gering, insbesondere deswegen, weil bis zu fünf unabhängig voneinander wirkende Sicherheitsbarrieren existieren 17a). Ein Unfall setzt somit voraus, daß sämtliche Sicherheitssysteme gleichzeitig versagen, ein Ereignis, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit gleich dem Produkt der jede für sich schon geringen Versagenswahrscheinlichkeiten der Teilsicherungen ist. Bei Anwendung der in der Kerntechnik vorgeschriebenen Mehrfachsicherungen wären jedenfalls schwere Unfälle vermieden worden wie z. B. die in den letzten Jahren aufgetretenen Brüche von Staudämmen (z. B. Frejus 1959), Brückeneinstürze (z. B. Reichsbrücke in Wien, 1976), Verschmutzungen des Meeres durch Tankerhavarien (z. B. die jüngsten Tankerkatastrophen vor den Küsten der Bretagne, der Normandie — Amoco Cadiz, Februar 1978 — und vor der britischen Südostküste — Eleni, Mai 1978), Versagen der Bohrtechnik (z. B. Bohrinsel Bravo im Olfeld Ekofisk 1977) oder Entweichen giftiger Gase aus chemischen Anlagen (z. B. Seveso 1977) Hier ist der Ort, um auf einige Aussagen in dem vieldiskutierten Buch von Robert Jungk „Der Atom-Staat" einzugehen, weil diese Aussagen typisch sind für eine einseitige und damit falsche Wertung der Sicherheitsaspekte von Kernenergieanlagen Im ersten Kapitel dieses Buches, das den Titel „Das Strahlenfutter" trägt, befaßt sich der Autor ausschließlich mit den Verhältnissen in der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague auf der Halbinsel Cotentin. Nach Gesprächen mit „kritischen Gewerkschaftlern" von La Hague stellt Robert Jungk fest: „Hier büßen die Menschen nicht nur ihre Gesundheit ein, sondern auch die Sprache und ihr Recht auf Selbstbestimmung." Und er zitiert das Komitee gegen Atomverschmutzung in La Hague mit der Feststellung, „die Strahlen-menge (in der Umgebung der Anlage) überschreite an vielen Stellen zehn-, fünfzehn-, zwanzigfach die gesetzlich zulässige Höchst-grenze".

Um diese Feststellung zu verifizieren, hat der Verfasser dieses Aufsatzes bei den zuständigen französischen Behörden Auskünfte eingeholt. Das führte zu folgenden, der interessierten Öffentlichkeit zugänglichen Feststellungen: Die Strahlenbelastung der in der Anlage von La Hague Tätigen ist stets unter den gesetzlich fixierten Höchstwerten geblieben, die übrigens ebenso wie die entsprechenden deutschen Höchstwerte auf den EURATOM-Grundnormen beruhen.

Kein Störfall, der die Sicherheit der Bevölkerung in der Umgebung der Anlage durch unzulässige Freisetzung von Radioaktivität gefährdet hätte, fand jemals statt.

Dabei wird keineswegs geleugnet, daß die 'Umstellung von der Wiederaufarbeitung schwach bestrahlter Elemente der französischen Graphit-Gas-Reaktoren auf die Wieder-aufarbeitung der stärker bestrahlten Elemente von Leichtwasser-Reaktoren Schwierigkeiten mit sich gebracht hat und wohl auch noch bringen wird. Hinzu kommt, daß die Beziehungen zwischen der betreibenden Gesellschaft COGEMA und den örtlichen Gewerkschaften gespannt sind, weil die Gewerkschaften sich der beabsichtigten Privatisierung der Anlage widersetzen.

Bleibt somit die Frage, wer mehr Vertrauen verdient, die von Robert Jungk Befragten oder die amtlichen Stellen.

Und damit ist auch der entscheidende Dissens angesprochen: Robert Jungk zitiert eine Vielzahl erschreckender Aussagen, die, aneinandergereiht, eine apokalyptische Perspektive ergeben. Diesen Aussagen ist zweierlei gemeinsam: Sie sind ohne Ausnahme negativ für die Kernenergieentwicklung und sie beschreiben Geschehnisse oder — mehr noch — hypothetische Ereignisse ohne irgendeinen Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts. d) Das Argument der Unwirtschaftlichkeit Darauf wird unten noch näher eingegangen werden (vgl. S. 81/82). e) Das Argument, die Entsorgung müsse sichergestellt sein Es wurde darauf hingewiesen, daß die geforderte „Entsorgungsvorsorge" (eine hinreichende Sicherstellung der Entsorgung als Voraussetzung für Genehmigungen des Baues oder der Inbetriebnahme von Kernkraftwerken) nicht mit Erfordernissen des Strahlen-Schutzes begründet werden kann (vgl. S. 10 bis 11).

Entgegen dieser Argumentation wird die derzeitige Rechtslage bestimmt durch den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 12. Oktober 1977 (Az: VII OVG B 22/77), wonach die Genehmigungsbehörden den Anforderungen der §§ 7 und 19 a des Atomgesetzes nicht gerecht werden, wenn sie sich bei der Erteilung erster Teilerrichtungsgenehmigungen mit dem Vorhandensein einer nur theoretischen Vorsorgeplanung begnügen. Schon mit dem Beginn der Errichtung müßten konkrete entsorgungsbezogene Maßnahmen einhergehen.

Dieses Urteil steht im Widerspruch zur Haltung der Bundesregierung. Diese stellt in ihrem dem Bundestag am 30. November 1977 zugeleiteten Entsorgungsbericht fest, nachdem die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) und die Strahlenschutzkommission (SSK) das geplante Entsorgungszentrum in Gorleben als grundsätzlich sicherheitstechnisch realisierbar qualifiziert hätten, wären die am 6. Mai 1977 zwischen der Mehrheit der Regierungschefs der Länder (nicht Nordrhein-Westfalen und Bremen) und dem Bundeskanzler vereinbarten Entsorgungsvoraussetzungen erfüllt. Aus der Sicht der Bundesregierung stünden der Genehmigung neuer Kraftwerke sicherheitstechnische Bedenken nun nicht mehr entgegen.

Die weitere Entwicklung muß nunmehr abgewartet werden.

Auch nach dem am 20. Oktober 1977 abgegebenen positiven Votum von RSK und SSK bleibt das Projekt Gorleben umstritten wie überhaupt das Entsorgungskonzept der Bundesregierung. Aus der Fülle der Feststellungen, die die zahlreichen Bedenken ausräumen sollen, seien hier nur drei herausgegriffen:

— Mit dem seit fast 25 Jahren angewandten PUREX-Verfahren konnten weltweit umfassende Erfahrungen gesammelt werden: Bisher wurden an Brennelementen, gemessen nach dem Uraninhalt, einige 100 000 t aus militärischen Plutonium-Produktions-Reaktoren, mehr als 30 000 t aus Reaktoren vom Magnox-B Typ und etwa 650 t aus Leichtwasserreaktoren wiederaufgearbeitet Diese Erfahrungen können bei der für einen Jahresdurchschnittsatz von 1 400 t ausgelegten und Mitte 1989 in Betrieb gehenden Anlage in Gorleben voll genützt werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Besonderheiten der hochabgebrannten oxidischen Brennelemente nur einen begrenzten Sektor der Betriebserfahrungen betreffen. — Zwischen den im Salzstock endzulagernden Spaltprodukten und dem Biozyklus liegen drei Barrieren: die chemische Einbindung der radioaktiven Stoffe in auslaugungs-resistente Glasblöcke, die Lagerung dieser Blöcke 1 000 m unter der Erdoberfläche, so daß etwaige ausgelaugte Spaltprodukte wegen ihrer geringen Wanderungsgeschwindigkeit erst nach Jahrtausenden bis an die Erdoberfläche gelangen würden, und schließlich die in der Norddeutschen Tiefebene in Aussicht genommenen, seit mehr als 100 Millionen Jahren nicht mehr veränderten Steinsalzformationen. Andererseits klingt die Radioaktivität des nuklearen Abfalls nur langsam ab und erreicht erst nach längerer Zeit das Niveau der Radioaktivität der Uranvorkommen in der Erdrinde Es ist somit falsch, davon zu sprechen, daß radioaktive Abfälle ein Risiko für praktisch unbegrenzte Zeit darstellen. Auch sollte man bedenken, daß weltweit die Mengen radioaktiven Abfalls aus militärischer Verwendung um wenigstens zwei Zehnerpotenzen größer sind als die Mengen aus der hier allein untersuchten friedlichen Verwendung. — Vor der schrittweisen Inbetriebnahme des Entsorgungszentrums in Gorleben wird ein nicht unwesentlicher Teil der in der Bundesrepublik anfallenden abgebrannten Brennelemente durch die zum französischen Commissariat ä l'Energie Atomique (CEA) gehörenden Compagnie Generale des Matiers Nuclaires (COGEMA) in ihre Anlage in Cap de la Hague auf der Halbinsel Cotentin aufgearbeitet werden. Der Anfang April 1978 zwischen der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) und der COGEMA für eine Laufzeit von fünf Jahren (1980 bis 1984) abgeschlossene Vertrag betrifft die Aufarbeitung von 1 705 Tonnen, übrigens zu Kosten in einer Größenordnung von 2, 5 Mrd. DM. Der bei der Aufarbeitung anfallende hochradioaktive Abfall muß etwa ab 1990 zur Endlagerung zurückgenommen werden. Die deutsche Elektrizitätswirtschaft hofft, daß dies der letzte mit einem ausländischen Unternehmen abzuschließende Entsorgungsvertrag sein wird, da gemäß den gegenwärtigen Planungen deutsche Anlagen nach Abwicklung dieses Vertrags aufnahme-und betriebsbereit sein werden: zunächst das Zwischenlager in Ahaus und das Eingangslager in Gorleben. f) Das Argument, die Uranversorgung sei nicht gewährleistet Diese Behauptung übersieht, daß sich die bekannten Schätzungen der Uran-Vorkommen auf die kostengünstigen Gewinnungsklassen beschränken und zudem nur 15 v. H.der Erdoberfläche nach Uranvorkommen untersucht wurden. Auch eine Verteuerung des Urans auf das wenigstens dreifache des heutigen bereits hohen Preises wird die Wirtschaftlichkeit der Kernstromerzeugung nicht in Frage stellen. Dann stünden aber ärmere Uranerze in ausreichenden Mengen zur Verfügung, um den Anschluß an eine — auch verzögerte — Brütergeneration sicherzustellen. Kein Berg-bauunternehmen wird jetzt schon nach ungünstigen Uranvorkommen schürfen, wenn die bereits erschlossenen Vorkommen für mehr als 20 Jahre reichen.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Umfang der in der „westlichen Welt" „hinreichend gesicherten Vorräte" und der „wahrscheinlichen zusätzlichen Vorräte" an Uran sich vor allem dank intensiver Prospektion in den vergangenen Jahren ständig vergrößert hat. Zu Gewinnungskosten von derzeit bis zu 30 S/lb Uranoxid hat sich zwischen August 1965 und Dezember 1977 die Gesamtvorratsmenge nach den Feststellungen der NEA/IAEA mehr als verdreifacht

Die derzeit registrierten Gesamtvorräte von über 3 Mio. t Uran-Metall, die weder die zu höheren Kosten gewinnbaren, noch die mit Sicherheit noch zu erschließenden Vorräte umfassen, reichen aus, um den Bedarf der westlichen Welt bis in das nächste Jahrhundert hinein zu decken, ohne daß die im Wege der Wiederaufarbeitung gewinnbaren Mengen für ein Recycling in Leichtwasserreaktoren oder für einen Einsatz in Schnellen Brutreaktoren genutzt werden. Problematisch ist allein der Zugang zu den Uran-Vorräten. Die weitgehend abgeschlossenen Verhandlungen mit den großen Uranlieferländern, insbesondere mit Kanada und Australien, lassen erwarten, daß die noch bestehenden Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt werden. Es ist auch nicht einzusehen, wie diese beiden Länder es für vereinbar halten, einmal auf der im Mai 1977 zu Ende gegangenen Konferenz über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit — dem Nord-Süd-Dialog — die Ölländer aufzufordern, ihre Lieferungen auch in einer weltpolitischen Krisensituation nicht zu unterbrechen, und andererseits ihre vertraglich vereinbarten Uran-lieferungen an Länder wie die Bundesrepublik zu blockieren — ungeachtet der nicht bestrittenen Einhaltung aller Vorschriften des Atomwaffensperrvertrages. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß auch in Zukunft Liefereinschränkungen angedroht oder auch eingeführt werden, um auf die Abnehmer Druck auszuüben, damit diese zusätzliche Maßnahmen einführen, um die Gefahr einer Verbreitung von Kernwaffen weiter zu vermindern 23a). 2. Das Unbehagen Die hier abgehandelten sechs Argumente von Kernenergiegegnern reichen nicht aus, um das allgemeine Unbehagen gegenüber der Kernenergie zu erklären. Diese als kollektive Verhaltensstörung treffend charakterisierte Abwehrhaltung gegen die Kernenergie hat Hans Christian Röglin aus der Sicht eines Sozialpsychologen durch vier Thesen zu deuten versucht:

— Wir haben es nicht mit einer Krise der Kernenergie zu tun, sondern mit einer Krise des Menschen in der Industriegesellschaft.

— Durch den Zerfall der gewohnten Überlieferungen verlieren die Menschen die Orientierung in der technisierten Welt.

— Kernkraftwerke sind Objekte der Angst, weil sie Assoziationen an Hiroshima wecken und wegen ihrer Kompliziertheit dem Laien unheimlich sind.

— Die Bürgerinitiativen sind eine Reaktion auf die Identitätskrise des Menschen.

Auf eine kurze, recht einfache Formel gebracht heißt die Schlußfolgerung: Es ist einfa-eher, dem Menschen Angst einzujagen, als diese Angst wieder zu beheben. Das Dilemma liegt darin, daß man nicht abwarten kann, bis sich das Bewußtsein gewandelt hat — sicherlich auch nicht durch eine „Denkpause" — sondern daß Entscheidungen hier und heute getroffen werden müssen. „Die Notwendigkeit zu entscheiden, ist stets größer als das Maß der Erkenntnis" (E. Kant).

Hier gerade ist gesündigt worden. Man hat den Menschen suggeriert, es gäbe eine absolute Sicherheit. Erst langsam setzt sich eine realistischere Risikobetrachtung durch. Sicherlich existieren Gefahren, sehr große sogar, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadensfalles ist aber denkbar gering. Man kann noch weiter gehen: Wer in Kenntnis der Fakten und Daten der Kernenergie die probabilistische Risikobetrachtung nicht begreift, kann ein legitimer Kernenergiegegner sein. Wer in der gleichen Kenntnislage sie aber begreift, handelt als Kernenergiegegner wider besseres Wissen! 3. Ein Atom-Staat?

Das bereits zitierte Buch von Robert Jungk „Der Atom-Staat" wird beherrscht von der bedrückenden Vorstellung, eine Weiterentwicklung der Kernenergie mache eine allumfassende Kontrolle unverzichtbar. Dem muß zunächst entgegengehalten werden: Die keineswegs zu bestreitende Notwendigkeit von Kontrollen, wird überschätzt, weil es sich stets um eine begrenzte Anzahl von Installationen und Transporten handeln wird, die einer solchen Kontrolle bedürfen. Von den „zahlreichen Atomtransporten, die Tag für Tag über alle Straßen und Schienenwege rollen oder per Flugzeug befördert werden" (S. 168 f.), sind nur die wenigen Transporte von hochangereichertem Uran oder Plutonium für Terroristen von Interesse.

Die Transporte abgebrannter Brennelemente und von höher radioaktiven Abfällen sind zwar gefährlich, für Terroristen aber uninteressant. Alle übrigen Transporte — und das ist die ganz überwiegende Mehrzahl — sind weder für terroristischen Zugriff geeignete Objekte noch signifikant strahlengefährlich.

Ein zweiter Einwand gegen das Kontrolltrauma ist ebenso wichtig: Mit nicht-nuklearen Mitteln kann der befürchtete Terror mit weit geringerem Aufwand erreicht werden. Erinnert sei an die in verschiedenen Ländern wiederholt angedrohte Verseuchung des Trinkwassers oder Verwendung von Giftga-B sen — äußerstenfalls von Nervengas. Mit solchen Drohungen müssen wir leben und fertig werden, wie uns die Entführungen von Hanns-Martin Schleyer und Aldo Moro oder die Ereignisse vor und in Mogadischu drastisch vor Augen geführt haben.

III. Gibt es Alternativen zur Kernenergie?

Abbildung 1: Die Entwicklung des Weltenergieverbrauchs nach Energieträgern Quelle: A. Voß, Brauchen wir Kernenergie? In: Nutzen und Risiko der Kernenergie, Vorträge eines Seminars, veranstaltet von der Arbeitsgruppe Kernenergieinformation der Kernforschungsanlage Jülich GmbH, Jül — Conf — 17. April 1976.

Diese Abbildung verwendet als Maßeinheit die Tonne Steinkohleeinheit (t SKE). Offizielle Einheit ist nunmehr das Joule (J), das bisher aber kaum in energiewirtschaftlichen Veröffentlichungen Verwendungጨٜ?

1. Fragestellung Pas weitverbreitete Unbehagen gegenüber der Kernenergie führt konsequenterweise zu der frage, ob man auf die Kernenergie nicht verzichten könne und solle, sei es durch den Ausbau der herkömmlichen Energiegewinnung, sei es durch die Entwicklung „neuer Energien" oder sei es auch durch „Energiesparen". Um diese Frage schlüssig zu beantworten, müssen die möglichen Alternativen sowohl auf lange Sicht (20 Jahre und mehr) als auch in kurz-und mittelfristiger Betrachtung (weniger als 20 Jahre) untersucht werden.

Mit dieser Unterscheidung ist zugleich der geographische Rahmen bestimmt: Die Lang-zeitanalyse muß weltweit angelegt sein; es hätte wenig Sinn zu prüfen, ob im Rahmen eines weit hinausgeschobenen Zeithorizonts die Bundesrepublik einer Politik mehr oder minder ausgeprägt autarker Energieversorgung folgen könnte. Dagegen muß die kurz-und mittelfristige Analyse von der gegebenen, durch nationale Orientierungen und Interventionen bestimmten Lage ausgehen, d. h. prüfen, ob die Bundesrepublik es verantworten kann, auf die Kernenergie zu verzichten inmitten einer Welt, die dies nicht tut. 2. Struktur und bisherige Entwicklung des Primärenergieverbrauchs a) Die Rolle der Energie in der Wirtschaft Energie wird definiert als Fähigkeit, Arbeit zu leisten. Das erklärt die besondere Rolle, die die Energie für den Menschen heute spielt und in Zukunft spielen wird.

Nach heutigen Vorstellungen ist die Wirtschaftspolitik letztlich aufgerufen, zwei Ziele zu verwirklichen: das reale Sozialprodukt zu vergrößern und die „Lebensqualität" zu steigern oder — anders ausgedrückt — die Güterversorgung auszuweiten und die Lebens-und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Da in den westlichen Industrieländern das „Arbeitsvolumen" (das Produkt aus .der Zahl der Erwerbspersonen und der durchschnittlichen Zahl der Jahresarbeitstunden) derzeit zurückgeht, kann die angestrebte Steigerung des Sozialprodukts nur durch eine entsprechende Steigerung der Produktivität der Arbeitsstunde erreicht werden.

In der industriellen Produktion erfordert dies im Regelfälle eine Erhöhung des spezifischen Energieverbrauchs. Dies muß bei allen Bemühungen, Energie sparsamer zu verwenden, berücksichtigt werden. Aus allen diesen Gründen sind Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch voneinander abhängig.

Die Energie, die uns die Natur unmittelbar und unverändert, insbesondere als Wasser-kraft, Stein-und Braunkohle, Erdöl und Erdgas oder Energie der Kernbrennstoffe zur Verfügung stellt, bezeichnen wir als Primär-energie. In dieser ursprünglichen Form wird Energie aber kaum noch genützt. Sie wird vielmehr regelmäßig — häufig über mehrere Stufen — in Endenergie, vor allem Steinkohlenkoks, Stein-und Braunkohlenbriketts, Heizöl, Treibstoff und Elektrizität, verwandelt, die der Verbraucher unmittelbar nutzen kann zur Erzeugung von Wärme (Heiz-oder Prozeßwärme), mechanischer Arbeit oder Strahlungsenergie, hier insbesondere von Licht. b) Die Energieversorgung der Welt Das vor allem seit Ende des letzten Weltkrieges festzustellende rasche Anwachsen des Energieverbrauchs (vgl. Abb. 1) ist in erster Linie zurückzuführen auf die Zunahme der Weltbevölkerung um gegenwärtig etwa 2 % jährlich, auf das Anwachsen des realen Bruttosozialprodukts je Kopf der Bevölkerung (in den westlichen Industrieländern 1960 bis 1972 um etwa 4 °/o jährlich) und auf die rasche Steigerung der Produktivität der Arbeitsstunde um gegenwärtig etwa 3 °/o jährlich. Die jüngsten Zuwachsraten für das Wirtschaftswachstum sind wesentlich geringer.

Einige konkrete Aussagen zur gegenwärtigen Weltenergieversorgung: — Auf die westlichen Industrieländer entfallen rund 70 v. H.des Welt-Energieverbrauchs von z. Z. jährlich rund 6, 5 Mrd. Tonnen Oläquivalent. — Der Pro-Kopf-Verbrauch Westeuropas liegt etwa llmal so hoch wie der der Entwicklungsländer; der der USA ist sogar 26mal so hoch. Bei 6 v. H. Anteil an der Weltbevölkerung beanspruchen die USA 31 v. H.des Weltenergieaufkommens (vgl. Abb. 2).

— Zur Deckung des Welt-Primärenergieverbrauchs tragen bei: O 1 mit 43 v. H., Gas mit 19 v. H., Kohle mit 30 v. H. und andere Primär-energien, vor allem Wasserkraft und Kernenergie, mit 8 v. H.

— Die westlichen Industrieländer sind mit 37 v. H. ihres Primärenergieverbrauchs auf Ein-fuhren von öl aus OPEC-Ländern angewiesen; Westeuropa sogar mit 60 v. H.

Die jüngste Entwicklung der Weltenergieversorgung kann aber nur verstanden werden, wenn man auch die Entwicklung der Weltkonjunktur bferücksichtigt. Wir registrieren einen empfindlichen Einbruch: Zwischen 1960 und 1973 hat sich sowohl das reale Welt-Bruttoinlandsproduktals auch der Welt-Primärenergieverbrauch im J ahresdurchschnitt um 5 v. H. erhöht. Für die Zeit danach fehlen abschließende Weltdaten. Wohl aber liegen solche Daten für die OECD vor. Hier hat sich zwischen 1973 und 1977 (Schätzungen für das letzte Jahr) das reale Bruttosozialprodukt um 1, 8 v. H. p. a. und der Primärenergieverbrauch um 1, 1 v. H. p. a. erhöht.. Für die Europäische Gemeinschaft sind die Änderungsraten + 1, 6 und — 0, 3 v. H. p. a. Jedenfalls ist die gegenwärtige Konjunkturentwicklung vor allem in Westeuropa absolut unbefriedigend, was auch darin zum Ausdruck kommt, daß zwischen 1975/1976 und 1976/1977 das Wirtschaftswachstum aller OECD-Länder insgesamt von 5, 4 auf etwa 3 v. H. und für die neun Länder der Europäischen Gemeinschaft allein von 4, 8 auf 2, 0 v. H. zurückgegangen ist.

Und schließlich noch einige Daten zur Weltölwirtschaft: — Die Weltölförderung stieg zwischen 1960 und 1973 um 8, 3 v. H. p. a., danach — zwischen 1973 und 1977 — aber nur noch um 1, 4 v. H. p. a.

— Die in US-Dollar ausgedrückten Olpreise fob (free on board) Persischer Golf haben sich seit September 1970 auf das 12, 2fache und seit September 1973 allein noch auf das 6, 6fache erhöht. Wegen der in dieser Hinsicht günstigen Entwicklung der Wechselkurse erreichte die Preiserhöhung — ausgedrückt in deutscher Währung — nur geringere Sätze: das 7, 2fache bzw. das 5, 5fache. Die Konjunkturlage hat die OPEC-Länder immerhin aber dazu veranlaßt, auf die am 1. Januar 1978 fällig gewesene Erhöhung des Rohölpreises zu verzichten. c) Die Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland Aufgegliedert nach Energieträgern ist die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs (PEV) der Bundesrepublik in Abbildung 3 dargestellt: Die gegenwärtige Lage der Versorgung der Bundesrepublik mit Primärenergie — Kohle, Erdöl, Erdgas, Wasserkraft, Kernenergie — läßt sich durch fünf Aussagen charakterisieren (vgl. dazu Abb. 4):

— rückläufiger Versorgungsanteil der Steinkohle: 1977 18 v. H.; 1955 noch 85 v. H.;

— unveränderte Dominanz des Ols: 52 v. H.; die Einfuhrabhäniggkeit in der Primärversorgung liegt nach wie vor bei 56 v. H.;

— wachsender Erdgasanteil: 1977 15 v. H.;

— bescheidener, aber schnell wachsender Kernenergieanteil: 1977 3, 2 v. H. bei einer Jahressteigerungsrate von etwa 25 v. H.;

— eine keineswegs überwundene Rezession: nachdem der Primärenergieverbrauch zwischen 1960 und 1973 um 4, 6 v. H. p. a. gestiegen war, ist er zwischen 1973 und 1977 um 0, 6 v. H. p. a. zurückgegangen mit dem zunächst paradoxen Ergebnis einer Überflußlage in allen Bereichen.

Wie bereits erwähnt, wird Energie kaum noch in ihrer Urform — Kohle, Erdöl usw. — vom Verbraucher genutzt, sondern in umgewandelter — veredelter — Form (vgl. dazu Abb. 5; dieses „Flußschema" wird der Aufstellung der deutschen Energiebilanzen zugrunde gelegt). Für das Thema dieses Berichts ist die elektrische Energie von besonderem Interesse. Etwa 30 v. H.des deutschen Primärenergieaufkommens werden in Elektrizität umgewandelt 25a). Hier sind zwei Aussagen von Interesse: — Der Elektrizitätsverbrauch hat sich zwischen 1960 und 1973 ziemlich ungebrochen um 7, 3 v. H. p. a. erhöht, also in weniger als 10 Jahren verdoppelt. Zwischen Anfang 1973 und Ende 1977 erreichte die Zuwachsrate rezessionsbedingt nicht einmal 3 v. H. p. a. — Aufgrund der bisher allein vorliegenden Daten für das Jahr 1976 kann die Struktur der Versorgung wie folgt gekennzeichnet werden: 89 v. H.der zur Stromerzeugung eingesetzten Energien sind fossile Brennstoffe, davon jeweils etwa ein Drittel Steinkohle, Braunkohle und Kohlenwasserstoffe (Heizöl und Erdgas), 7 v. H. entfallen auf Kernenergie und die restlichen 4 v. H. auf die Wasserkraft (vgl. Abb. 6).

Insbesondere für die Beurteilung der Möglichkeit, inwieweit Energie eingespart werden kann, ist von Interesse, wieviel Prozent des Endenergieverbrauchs der Bundesrepublik insgesamt und des Stromverbrauchs im besonderen auf die verschiedenen Verbrauchergruppen entfallen. Folgende Übersicht gibt hierüber Auskunft

Von besonderem Interesse ist die Aufgliederung des Endenergieverbrauchs der Bundesrepublik auf die verschiedenen Verwendungszwecke, die aus Abb. 7 zu entnehmen ist. Signifikant sind die hohen Anteile der Prozeßwärme (37 °/o) und der Raumheizung (38 %) am Endenergieverbrauch. 3. Langzeitperspektiven der Energieversorgung Zur Abschätzung des Entwicklungspotentials des Welt-Energieverbrauchs sind 1977 verschiedene Berichte veröffentlicht worden. Die Untersuchungsteams waren sich dabei bewußt, daß in den letzten Jahren mit Prognosen leidvolle Erfahrungen, zumal in der Bundesrepublik, gemacht wurden; Fehleinschätzungen, die durchweg in überhöhten Annahmen über das Wirtschaftswachstum ihre Ur sache haben. Auch die Kernenergie-Kontroverse verhakt sich häufig in stichtagsbezogenen Zahlenaussagen über erwartetes Wirtschaftswachstum und — davon abhängig — über Stromverbrauchs-Steigerungsraten und Erfordernisse des Kapazitätsausbaus. Jede Prognose ist mehr oder weniger unsicher. Daher sollten aus Prognosen nicht etwa exakte Plan-zahlen herausgelesen werden, sie sollen nur Tendenzen und Größenordnungen aufzeigen, die als Orientierungshilfen für die Energiepoli-tik. und für die Entscheidungen der Wirtschaft dienen können.

Wie bereits erwähnt, kann dieser Abschnitt, der sich mit der Frage auseinandersetzt, ob es langfristig zur Kernenergie Alternativen gibt, auf Untersuchungen der Versorgungsprobleme nationaler Energiewirtschaften verzichten. Bei den gewählten Zeithorizonten ist nur die Frage zu untersuchen, wie sich die Versorgungsprobleme weltweit stellen, ein Aspekt, der bei den derzeitigen Auseinandersetzungen um die Kernenergie in Deutschland recht häufig übersehen wird.

a) Problemstellung

Weltweit wie auch bezogen auf die Bundesrepublik waren die energiewirtschaftlichen Diskussionen im Jahre 1977 bestimmt durch die Frage, wie lange die Vorräte an fossilen Brennstoffen noch reichen werden. Vor allem war es die auf eine möglichst langfristige Erhaltung ihrer Reserven und damit auf eine Begrenzung der Förderung gerichtete Politik der OPEC-Länder, die zu diesen Auseinandersetzungen den Anstoß gab. Im internationalen und im jeweiligen nationalen Rahmen ist die Energiepolitik damit in drei Richtungen herausgefordert:

— Sie muß für eine rationelle Nutzung der vorhandenen begrenzten Vorräte an fossilen Brennstoffen sorgen;

— sie muß der Kernenergie bessere Entwicklungsmöglichkeiten geben (das jedenfalls wäre die nach Auffassung fast aller Energiewirtschaftler gebotene Antwort);

— sie muß sich bemühen, die neuen — regenerativen — Energiequellen (Wind, Gezeiten, Erdwärme und Sonne) — zur Deckung eines zunehmenden Anteils am Energiebedarf vorzubereiten.

Vor allem haben die folgenden Untersuchungsteams — vornehmlich 1977 — versucht, eine Antwort auf die hier gestellten Fragen mit jeweils zeitlich weiter hinausgeschobenem Horizont zu geben:

— der auf Initiative von C. L. Wilson (MIT, USA) geschaffene Workshop on Alternative Energy Strategies (WAES) für die Zeit bis zum Jahr 2000;

— die im Rahmen der 10. Weltenergiekonferenz (WEC) in Istanbul eingesetzte Conserva- tion Commission unter Leitung von J. R. Kiely — für die Zeit bis zum Jahr 2020;

— das in Laxenburg bei Wien installierte International Institute lor Applied Systems Analysis (IIASA), repräsentiert durch seinen Vizepräsidenten W. Häfele, für die Zeit bis zum Jahr 2030. b) Gemeinsame Aussagen Drei fundamentale Aussagen sind allen genannten Langzeitprognosen gemeinsam:

1. Eine Langzeitprognose für den Weltenergiebedarf muß beachten, daß die Weltbevölkerung von derzeit etwa 4 Milliarden Menschen sich im Laufe der vor uns liegenden 100 Jahre wohl verdreifachen, mit Sicherheit aber wenigstens verdoppeln wird. Diese Steigerung der Bevölkerungszahl wird vor allem in den jetzigen Entwicklungsländern stattfinden.

Gegenwärtig haben diese Länder an der Weltbevölkerung einen Anteil von etwa 50 v. H. Die übrigen 50 v. H. teilen sich die westlichen Industrieländer, die Sowjetunion mit dem übrigen Osteuropa und die Volksrepublik China mit Nordkorea, Vietnam usw.

Der Anteil der Entwicklungsländer wird innerhalb der nächsten 100 Jahre auf 70 bis 75 v. H. ansteigen. Auf die übrigen Länder werden dann nur noch 25 bis 30 v. H. entfallen.

Da nun aber gerade die Entwicklungsländer im Energieverbrauch mehr oder weniger vom Status Null ausgehen und im Streben nach verbessertem Lebensstandard hohe Verbrauchszuwachsraten erreichen werden, wird die langfristige Entwicklung des Weltenergiebedarfs vornehmlich durch diese Länder bestimmt.

2. Die Verknappung und Verteuerung des Energieangebots wird in wachsendem Umfange Veranlassung geben, Energie rationeller zu verwenden. Eine wie auch immer geartete totale „Entkoppelung“ des Wachstums des Energieverbrauchs vom Wirtschaftswachstum wird aber nicht zu erreichen sein. Solange das reale Welt-Sozialprodukt zunimmt, wird auch der Verbrauch an Energie steigen, wenn auch sicherlich immer langsamer.

3. Keine „neue" Energie — Wind, Gezeiten, Erdwärme, Sonne und thermonukleare Fusion, um nur die wichtigsten Energiequellen zu nennen — wird bis zur Jahrhundertwende einen mehr als bescheidenen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Nur auf lange Sicht man hoffen, daß dies für die eine oder andere Energie möglich sein wird, am ehesten wohl für die Sonnenenergie oder die Kernfusionsenergie. Ob, wann und wie dies gelingt, läßt sich heute noch nicht absehen. Jedenfalls sind von Erfolg gekrönte langfristige Forschungs-und Entwicklungsarbeiten die Voraussetzung.

Selbst in den für eine Nutzung der Sonnen-energie prädestinierten USA wird diese Auffassung vertreten. In seiner „Krisenrede" am 18. April 1977, mit der der amerikanische Präsident J. Carter sein neues Energieprogramm erstmals verkündete, findet sich die Äußerung: „Es ist umgehend damit zu beginnen, neue unkonventionelle Energiequellen zu erschließen, auf die wir uns im nächsten Jahrhundert stützen können.“ Übereinstimmend damit rechnet der WAES für die Jahrhundertwende damit, daß „neue Energien“ mit nur etwa 2 v. H. zur Deckung des Energiebedarfs beitragen werden. c) Die WAES-Aussage Daß die fossilen Brennstoffe nur begrenzte Zeit reichen werden, ist den Energiewirtschaftlern schon längere Zeit bekannt und auch den Politikern in jüngster Vergangenheit bewußt geworden. Eine neue, vom WAES entscheidend vertiefte Erkenntnis ist aber, daß schon innerhalb dieses Jahrhunderts kaum überwindbare Schwierigkeiten in der Weltenergieversorgung zu erwarten sind. Zu dieser Feststellung haben vor allem die im Mai 1977 bekanntgegebenen Ergebnisse seiner Untersuchung beigetragen. In der unter dem Titel Energy Global Prospects 1985— 2000 veröffentlichten Untersuchung waren 70 Sachverständige aus Wissenschaft, Energie-wirtschaft, Industrie und Banken unter der Leitung von Prof. C. L. Wilson, MIT, beteiligt.

Das Ergebnis der Untersuchung ist alarmierend. Selbst bei den günstigsten in Betracht gezogenen Bedingungen, d. h.selbst dann, wenn die Zuwachsraten des Ölverbrauchs halbiert, der Olpreis erhöht, die Preise für die anderen fossilen Brennstoffe adaptiert, die Kohleproduktion verdoppelt und der Beitrag der Kernenergie vervielfacht wird, übersteigt um die Jahrhundertwende die Nachfrage nach O 1 die verfügbaren Mengen um wenigstens 750 Mio. t jährlich, das entspricht etwa einem Viertel des Bedarfs zu jener Zeit Der Workshop empfiehlt daher folgendes: — Wegen der vergleichsweise hohen Umwandlungsverluste ist der Anteil der Elektrizität am Endenergieverbrauch drastisch zu kürzen.

— Elektrizität soll zur Jahrhundertwende nur noch aus Kernenergie und Wasserkraft erzeugt werden; mit anderen Worten, bis dahin sind alle Kraftwerke stillzulegen, die fossile Brennstoffe verfeuern.

— Die Kohle muß die Lücken in der Ol-und Gasversorgung ausfüllen; insbesondere ist die Erzeugung von Synthesegas und Syntheseöl weltweit vorzubereiten.

Durch diese aus der Untersuchung zwingend abgeleiteten Empfehlungen wird die Energie-politik in einem bisher nicht gekanntem Maße herausgefordert. Gegenüber dieser Herausforderung wird sie nur bestehen können, wenn sie optimale Voraussetzungen für die Entwicklung der Kernenergie schafft. Diese Feststellung bleibt auch richtig, wenn man — wie der Verfasser — die radikalen Empfehlungen der WAES-Gruppe sich nicht voll zu eigen macht. d) Die WEC-Aussage Die im Rahmen der 10. Weltenergiekonferenz (Istanbul, September 1977) eingesetzte Conservation Commission hat sich die Aufgabe gesetzt, die Entwicklung der Energienachfrage und die Möglichkeiten einer Deckung dieser Nachfrage für die Zeit bis zum Jahre 2020 zu untersuchen und auf dieser Grundlage Vorschläge für eine Erhaltung — Conservation — der Energievorräte zu erarbeiten. Anders als die WAES-Studie bezieht sich die WEC-Studie auf die ganze Welt unter Einschluß der kommunistischen Länder

Nach Auffassung der Conservation Commission kann der Energiebedarf des Jahres 2020 (vgl. Abb. 8), wenn überhaupt, so nur durch eine außerordentliche Ausweitung des Kohle-und vor allem des Kernenergieangebots gedeckt werden. Vornehmlich zur Kernenergie äußert sich die Conservation Commission mit bemerkenswerter Klarheit. Sie hält die Installation der in Abb. 9 angegebenen Kernener-gieleistungen für geboten, zugleich aber die Wiederaufarbeitung der abgebrannten Brennelemente und den Einsatz Schneller Brutreaktoren für unerläßlich. Ein Verzicht auf Wiederaufarbeitung und Brütereinsatz würde bis 2020 zu einem um 36 v. H., ein um zehn Jahre hinausgeschobener Brütereinsatz zu einem um 20 v. H. erhöhten kumulierten Welt-Uranbedarf führen (vgl. Abb. 10). Die Conservation Commission legt in ihren Berichten dar, daß der Welt-Uranbedarf durch Neufunde kostengünstiger Vorkommen und durch bereits erschlossene Vorkommen an armen Erzen wenigstens bei Wiederaufarbeitung und Brüter-einsatz gedeckt werden kann. Die erforderlichen Anstrengungen sollten aber nicht unterschätzt werden. e) Die IIASA-Aussage Das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) legte 1977 eine Modellrechnung vor die auf das Jahr 2030 abstellt. Für die Wahl dieses Jahres war bestimmend, daß in etwa 50 Jahren die Vorräte an zu wirtschaftlichen Bedingungen abbaubaren fossilen Brennstoffen weitgehend aufgezehrt sein werden und deshalb sowohl die Kernenergie als auch „neue Energien" wesentliche Beiträge zur Energieversorgung werden leisten müssen. Der Aussagewert dieser Untersuchung liegt weniger in der mehr oder minder willkürlich fixierten Versorgungsstruktur dieses Jahres 2030, sondern vielmehr in dem hierauf aufbauenden Vergleich der Energiebereitstellungskosten und in der Darstellung der Probleme, die mit der Aufbringung der erforderlichen finanziellen Mittel verbunden sind.

Das IIASA legt seiner Untersuchung ein einigermaßen willkürlich gestaltetes „Szenario“ für die Deckung dieses Bedarfs zugrunde. Danach sollen die vier in Betracht gezogenen Primärenergien mit den folgenden Anteilen zur Deckung des Energiebedarfs im Jahre 2030 beitragen

— die fossilen Brennstoffe mit rund 29 v. H. — die Kernenergie mit rund 47 v. H. — die Sonnenenergie — einschl.

Biogas und Wind — mit rund 18 v. H. — Wasserkraft mit rund 6 v. H.

Nach den Rechnungen der IIASA werden sich die Bereitstellungskosten der verschiedenen in Betracht gezogenen Energiearten im Ziel-jahr der Untersuchung, dem Jahr 2030, wie folgt zueinander verhalten:

öl, Gas und Kohle, soweit noch verfügbar 1 lokale Sonnenenergie („Soft-Sonnenenergie") 5 Elektrizität aus Leichtwasser-Reaktoren 3 Elektrizität aus Kohle, öl und Erdgas, soweit diese Brennstoffe noch zur Verfügung stehen 3, 5 Elektrizität aus Wasserkraft 5 Methanol aus Kohle unter Einsatz von Kernwärme 7, 5 Methanol aus Kohle unter Einsatz von Sonnenenergie 15

Im Zieljahr der Untersuchung ist somit unter Einsatz von Sonnenenergie erzeugtes, als Treibstoff verwendbares Methanol 15 mal so teuer wie dann noch verfügbares öl.

Nach Auffassung der IIASA wird die Aufbringung der für die Energiebereitstellung erforderlichen finanziellen Mittel die größten Schwierigkeiten bereiten. Gegenwärtig ist das in Anlage-und Umlaufgütern weltweit gebundene Kapital (der „Capital Stock") etwa 2, 5mal so hoch wie der Wert der im Jahr weltweit erzeugten Güter und Leistungen (das „Weltsozialprodukt"); zugleich werden 25 v. H.des Capital Stock energiewirtschaftlichen Aufgaben gewidmet. Bleibt es bei diesen Relationen so stehen im Zieljahr nur rund ein Viertel der für die Energiebereitstellung erforderlichen Mittel zur Verfügung.

Die fehlenden drei Viertel könnten dadurch aufgebracht werden, daß ab 1990 auf den Konsum eine Abgabe von 23 v. H. erhoben wird, um energiewirtschaftliche Vorhaben zu finanzieren — eine nicht gerade ermutigende Perspektive, die deutlich machen soll, welcher Anstrengungen es bedarf, um von den fossilen Brennstoffen zu nuklear erzeugtem Methanol und weit mehr noch, um zu solar erzeugtem Methanol überzugehen. Der IIASA-Bericht läßt offen, ob es unter diesen Umständen nicht rationeller wäre, anstelle von Solar-Methanol zusätzlich Nuklear-Methanol zu erzeugen. Zweifellos ist dies der Fall. i) Schlußfolgerungen hinsichtlich der Langzeitperspektiven der Energieversorgung 1. Vor allem die steigende Energienachfrage der in der Bevölkerungszahl und im Pro-Kopf-Sozialprodukt rasch wachsenden Entwicklungsländer wird den zukünftigen Weltenergiebedarf bestimmen.

2. Die Vorräte an fossilen Brennstoffen sind endlich. Die Verknappung und Verteuerung dieser Brennstoffe wird um so schneller fortschreiten, je mehr die Länder, die über die großen Vorräte verfügen, insbesondere die Ölländer, eine Politik der Schonung ihrer Reserven betreiben. Das zwingt dazu, Energie zunehmend rationeller zu verwenden. Dem sind aber technische und wirtschaftliche Grenzen gesetzt.

3. Die regenerativen Energiequellen — Wind, Gezeiten, Erdwärme und Sonne — werden frühestens zu Beginn des nächsten Jahrhunderts einen mehr als bescheidenen Beitrag zur Deckung unseres Energiebedarfs leisten müssen, und das zu außergewöhnlich hohen Kosten. 4. Aus allen diesen Gründen führt langfristig kein Weg an der Kernenergie vorbei. Verzichten westliche Industrieländer auf Kernenergie, so werden die Schwierigkeiten in der Energieversorgung entsprechend früher auftreten. Die durch solchen Verzicht ausgelöste Mehrnachfrage nach fossilen Brennstoffen wird vor allem zu Lasten der Ölversorgung der Entwicklungsländer gehen 4. Sonnenenergie und Kernfusion als Alternativen zur Kernspaltungsenergie Sonnenenergie und Kernfusionsenergie verdienen einige besondere Anmerkungen wegen der Erwartungen, die sie nach weitverbreiteter Auffassung wecken.

a) Sonnenenergie Unter den „regenerativen Energiequellen" hat die Sonnenenergie die größte Chance, in mehr als bescheidenem Umfang wirtschaftlich genutzt zu werden. Bei klarem Himmel erreicht die Erdoberfläche ein Wärmefluß, der dem 13 500fachen des Energieverbrauchs der Menschheit im Jahre 1977 entspricht.

Man kann die Sonnenergie durch vier grundverschiedene Verfahren nutzen:

1. Umwandlung in Wärme (Raumheizung, Warmwasseraufbereitung), 2. Sonnenkraftwerke (herkömmliche Wärme-kraftwerke), 3. photoelektrische Umwandlung mit Solarzellen in Elektrizität, 4. biologische Umwandlung (Erzeugung von Kohlenwasserstoffen und evtl, auch von Wasserstoff durch Pflanzen wie Mais und Zuckerrohr). Die Nutzung der Sonnenenergie wirft aber eine Reihe von Problemen auf, die bei allen oder einigen Verfahren auftreten:

— derzeit noch weitgehend unbekannte, in jedem Falle hohe Investitionskosten;

— erheblicher Flächenbedarf, der diese Fläche anderen Nutzungen entzieht;

— hoher Bedarf an Speicherkapazität — wegen der jahres-und tageszeitlichen wie auch wetterbedingten Schwankungen werden wahrscheinlich große Mengen von Kohle benötigt, um Sonnenenergie in Form von Kohlenwasserstoffen (synthetisches öl oder Gas) zu speichern;

— lange Entwicklungszeit und hohe Entwicklungskosten; — bei zentraler Umwandlung Transport der Energie über große Entfernungen;

— das ungünstige Verhältnis zwischen dem Energie-Input beim Bau von Sonnenenergieumwandlungsanlagen und dem nutzbaren Energie-Output.

Diese Schwierigkeiten, insbesondere die geringe Wärmeflußdichte und die Notwendigkeit der Speicherung, sind auch der Grund dafür, daß die Chancen der Sonnenenergie, langfristig einen nicht nur unerheblichen Beitrag zur Weltenergieversorgung zu leisten, gering veranschlagt werden. Aus allen in Abschnitt 3 zitierten Langzeituntersuchungen geht dies hervor.

Dem steht aber nicht entgegen, daß die Sonnenenergie auch heute schon zur Raumheizung und zur Warmwasserzubereitung genützt werden kann. Aber auch hier sollte man den Versorgungsbeitrag dieser Energie nicht überschätzen, denn selbst unter der unwahrscheinlichen Annahme, daß bis 1985 150 000 Sonnenhäuser gebaut sein werden, ist daraus nur eine Einsparung von ganzen 0, 1 v. H. — bezogen auf den Primärenergieverbrauch dieses Jahres — zu erwarten.

Für unsere Breiten wird die Nutzung der Sonnenenergie zur Elektrizitätserzeugung auch von den Überzeugtesten Adepten dieser Technik nicht für sinnvoll gehalten. Dagegen wird häufig die Auffassung vertreten, man solle Sonnenenergie in Afrika erzeugen und in Form von Elektrizität nach Deutschland leiten. Eine Projektstudie für ein Tunesien und die Bundesrepublik verbindendes Projekt gab und gibt Gelegenheit, die Realisierbarkeit unter Anlegung wirtschaftlicher Maßstäbe zu prüfen Die Ergebnisse sind wenig ermutigend. Um die Stromerzeugung der beiden Kernkraftblöcke Biblis A und B zu ersetzen, müßte in Tunesien (330 Sonnentage, bis lOOOW/m 2) ein Sonnenkraftwerk (12 Blöcke je 815 MW bei 2 640 Jahresbenutzungsstunden, 25 Mrd kWh jährlich) mit 180 Quadratkilometer Kollektorfläche errichtet werden. Es wäre nicht nur eine auf weite Strecken unter Wasser verlaufende Gleichstromleitung von Tunesien nach Deutschland erforderlich, sondern auch ein Pumpspeicherwerk im Voralpenland von bisher nicht erreichter Leistung — mit den entsprechenden Ubertragungs-und Umwandlungsverlusten. Im Ergebnis ständen dann 2 800 MW zur Deckung des Grundlastbedarfs der Bundesrepublik zur Verfügung.

Die Kosten je Kilowattstunde für dieses Projekt würden etwa 1 DM betragen — verglichen mit etwa 0, 04 DM für ein entsprechendes Kernkraftwerk. Bei Wasserstofferzeugung und -transport ergäben sich sogar rund 2, 50 DM je Kilowattstunde Diese Feststellungen erklären auch, warum nicht einmal die von der Sonne in besonderem Maße begünstigten Olländer in Nah-und Mittel-Ost Sonnenkraftwerke einsetzen, sondern Kernkraftwerke bestellen und bauen. b) Kernfusion Die kontrollierte thermonukleare Fusion erfüllt alle Kriterien, um die Energieprobleme der Menschheit zu lösen, wenn auch der Weg bis dahin noch recht lang ist. Das gilt für einen Fusionsreaktor, in welchem Deuterium (D) mit Tritium (T) verschmolzen wird.

Obwohl in den letzten Jahren beachtliche experimentelle Fortschritte erreicht wurden, hat die Kernfusion die Schwelle der absehbaren physikalischen Realisierbarkeit noch nicht überschritten, da es bisher noch nicht gelungen ist, im Experiment eine kontrollierte thermonukleare Fusion zu erreichen. Zeitangaben über den Beginn einer großtechnischen Nutzung sind deshalb sehr unsicher. Keineswegs kann mit einer großtechnischen wirtschaftlichen Nutzung dieser Energiequelle vor Beginn des nächsten Jahrhunderts gerechnet werden. Man bedenke, daß über 25 Jahre vergingen zwischen dem Schlüsselexperiment für die wirtschaftliche Nutzung der Kernspaltungsenergie, dem Kritisch-Werden des ersten Reaktors in Chicago (1942), und der Betriebs-aufnahme des ersten für kommerzielle Zwekke konzipierten Kernkraftwerks Oyster Creek (1969). Ebensowenig sind derzeit Aussagen über die Anlage-und Betriebskosten von Fusionsreaktoren möglich. 5. Gibt es kurz-und mittelfristige Alternativen zur Kernenergie?

a) Fragestellung In Abschnitt III 3 wurde dargetan, daß nach weitgehend übereinstimmender Auffassung aller Energiewirtschaftler langfristig auf die Kernenergie nicht verzichtet werden kann, weil die vor allem als Alternativen in Betracht kommenden fossilen Brennstoffe in ihren Vorkommen begrenzt sind. Diese mit der Zeit immer schwieriger werdende Versorgungslage wird einmal zur Entwicklung und zum Einsatz von Brutreaktoren führen, um die Brennstoffvorräte besser zu nutzen und sodann auch die Entwicklung und den Einsatz von Hochtemperaturreaktoren veranlassen, um via Prozeßwärme fossile Brennstoffe auch außerhalb des Bereichs der Elektrizitätserzeugung zu substituieren.

Die Frage, ob es kurz-und mittelfristige Alternativen zur Kernenergie gibt, bedarf einer differenzierteren Untersuchung. Die in langfristiger Betrachtung mögliche Beschränkung auf weltweite Aspekte geht hier fehl. Es muß vielmehr gefragt werden, ob es die Bundesrepublik politisch-ökonomisch verantworten kann, auf Kernenergie zugunsten alternativer Energiequellen zu verzichten, und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie wirtschaftlich mit der übrigen Welt stark und vielschichtig verbunden ist.

Von den bestehenden Daten und Fakten ausgehend, müssen vor allem die folgenden Einzelfragen untersucht werden:

— die allgemeinen und energiewirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven weltweit und in der Bundesrepublik;

— die außenwirtschaftliche Einbindung der Bundesrepublik;

— der erreichte Status und die Entwicklungsaussichten der Kernenergie in der übrigen Welt auch im Vergleich zur Bundesrepublik; — die Konsequenzen eines Ausscherens aus dieser Entwicklung. b) Perspektiven des Wirtschaftswachstums und des Energieverbrauchs Seit 1960 haben sich die Eckdaten des Wirtschaftswachstums in der Bundesrepublik, wie aus Tabelle 1 ersichtlich, entwickelt.

Im vergangenen Jahr und in den ersten Monaten des laufenden Jahres war die Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik in jeder Hinsicht unbefriedigend. Die Aufschwungtendenzen des Jahres 1976 haben sich deutlich abgeschwächt und die Zahl der Arbeitslosen — jahresdurchschnittlich über 1 Million — ist nicht zurückgegangen. Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung sagt auch für 1978 keine entscheidende Verbesserung der Konjunkturlage voraus.

Besonders bedenklich ist, daß die Steigerungsrate für die Produktivität der Arbeitsstunde nach wie vor bei 4 v. H. liegt. Bei kaum zurückgehendem Arbeitskräfteangebot müßte somit ein Wirtschaftswachstum von gleichfalls etwa 4 % p. a. erreicht werden, wenn ein weiterer Rückgang der Beschäftigung vermieden werden soll. Selbst dieses bescheidene Ziel wird 1978 kaum erreicht werden, wenn es bei den inzwischen nach unten korrigierten Vorausschätzungen bleibt. In Übereinstimmung mit der wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinung hat die Bundesregierung aus dieser Datenkonstellation die Folgerungen gezogen: Sie vertritt ebenfalls die Auffassung, daß ein Wirtschaftswachstum von 4 v. H. jährlich unerläßlich sei, — um die sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren, — um die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, — um der Wirtschaft zu ermöglichen, ihre Strukturen anzupassen, — um die von der Bundesrepublik erwarteten finanziellen Hilfen an finanzschwache und Entwicklungsländer aufzubringen, — und schließlich, um den Umweltschutz angemessen zu verbessern.

Das gilt jedenfalls bis 1985. Danach wird sich die Lage aufgrund der Bevölkerungsentwicklung ändern.

Die Bundesregierung steht mit dieser Auffassung keineswegs allein. Alle westlichen Industrieländer orientieren sich an diesem Wachstumsziel. Ein Beweis: Die mit den deutschen Vorstellungen über das erforderliche Wirtschaftswachstum weitgehend übereinstimmenden Empfehlungen der Programme der Europäischen Gemeinschaft für die mittelfristige Wirtschaftspolitik.

Warum ist nun aber die simple Feststellung, Wirtschaftswachstum sei unerläßlich, so umstritten? Offenbar vergißt man, auf die entscheidende Grundannahme hinzuweisen: Wenn wir bis 1985 mit 4 v. H. jährlich rechnen, so unter der Annahme, daß es alsbald zu einer nachhaltigen Wiederbelebung der Wirtschaft kommt und daß keine neue Rezession eintritt. Der auf ausreichende Beschäftigung bedachte Wirtschaftspolitiker darf nicht von einer niedrigen Wachstumsrate ausgehen, zumal, weil wegen der langen Vorlauf-, Genehmigungs-und Bauzeiten für energiewirtschaftliche Anlagen Investitionsentscheidungen sehr früh getroffen werden müssen.

Eine Alternative bringt dieses Dilemma treffend zum Ausdruck: Wer mit einer niedrigen Wachstumsrate rechnet, kann dies aus zwei Gründen tun: — weil er nicht an ein vergleichsweise mäßiges, aber ungebrochenes stetiges Wirtschaftswachstum bis 1985 glaubt, — oder weil er für ein anderes Wachstum eintritt, ein „qualifiziertes Wachstum", was auch immer darunter verstanden wird.

Das letzte kann man sicherlich wollen und möglicherweise auch erreichen. Man muß sich aber über eines im klaren sein: dieses „andere Wachstum", das in irgendeiner Form zur Vollbeschäftigung führen soll, kann nur verwirklicht werden durch eine zumindest graduelle Änderung des „Systems". Unerläßlich wäre jedenfalls eine weitreichende Steuerung der Wirtschaft nach einem „Plan" unter Aufgabe essentieller Vorteile der marktwirtschaftlichen Ordnung.

Nun das zweite Glied in der Argumentationskette: der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch: Für die Zeit ab 1960 zeigt Tabelle 2, in wie starkem Ausmaß Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch miteinander korrelieren.

Zwei Feststellungen drängen sich auf:

— Der Abstand zwischen den Zuwachsraten für das Bruttosozialprodukt und für den Primärenergieverbrauch ist zu gering und zudem zu stark durch die Rezession beeinflußt, als daß sich daraus eine Entkoppelung ablesen läßt.

— Die Differenz zwischen den Zuwachsraten sowohl des realen Bruttoinlandsprodukts als auch des Primärenergieverbrauchs und den Zuwachsraten des Elektrizitätsverbrauchs hat sich kaum verändert.

Was die Zukunft angeht, so lautet heute die unter Fachleuten unbestrittene These: Ausreichendes Wirtschaftswachstum ist ohne eine entsprechende Steigerung des Energieverbrauchs nicht möglich. Das gestiegene Energiepreisniveau und die mannigfaltigen Aktionen zur rationelleren Energieverwendung lassen zwar erwarten, daß — vor allem auf lange Sicht — der Energieverbrauch hinter dem Wirtschaftswachstum zurückbleibt, bei Anerkennung der Wachstumsziele keineswegs aber stagnieren darf.

Dazu nur zwei Bemerkungen:

1. Das am wenigsten stichhaltige, gleichwohl aber am häufigsten verwendete Gegenargument lautet: Wenn alles dies wahr wäre, müßte Energie knapp sein und müßten Strom-versorgungsengpässe auftreten. Beides war und ist nicht der Fall. Bei dieser Argumentation wird der Hinweis auf die Rezession unterschlagen: Der Primärenergieverbrauch von 1977 erreichte noch nicht einmal das Niveau von 1973. Aber auch das reale Bruttoinlandsprodukt des letzten Jahres übersteigt das von 1973 um nur 5, 9 v. H. (das entspricht einer Jahressteigerungsrate von 1, 4 v. H. zwischen 1973 und 1977 gegen 4, 6 v. H. zwischen 1960 und 1973) mit dem Ergebnis einer Arbeitslosenzahl von im Jahresdurchschnitt über einer Million.

Die seit 1974 anhaltende ungünstige Konjunkturlage liefert sicherlich keine Beurteilungsgrundlage für einen „normalen Energieverbrauch". Bisher jedenfalls ist die Regel statistisch nicht widerlegt: Wirtschaftswachstum und Wachstum des Primärenergieverbrauchs stimmen weitgehend miteinander überein.

2. Nach der im Entwurf vorliegenden zweiten Fortschreibung des Energieprogramms will die Bundesregierung erreichen, daß Energie zunehmend rationeller verbraucht, d. h. Energie gespart wird. Das kommt zum Ausdruck in einer Absenkung der Korrelation zwischen den Zuwachsraten des Primärenergieverbrauchs und dem Wirtschaftswachstum von 1, 00 zwischen 1960 und 1973 auf 0, 83 zwischen 1975 und 1985 und weiter auf 0, 54 zwischen 1985 und 1990 Dieses Ziel ist ambitiös, wenn man bedenkt, daß es die Verabschiedung und den uneingeschränkten Erfolg des Energiesparprogramms der Bundesregierung voraussetzt. Ähnlich optimistisch ist man offensichtlich in den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft.

Um Mißverständnissen vorzubeugen sei festgestellt, daß der Verfasser Einsparungen im Energieverbrauch für erforderlich hält. Man muß aber Realist sein und sehr wohl unterscheiden zwischen dem, was man will, und dem, was man glaubt erreichen zu können.

Die beiden ersten Programme von September 1973 und Oktober 1974 (die „erste Fortschreibung") gingen als Grundannahme noch von einem ungebrochenen Wachstum aus, wie . die folgenden EG-Voraussagen dieser Korrelation für die Zeit bis 1985 zeigen:

niedrige Wachstumsraten für das reale Bruttosozialprodukt (1980— 1990 3, 3 v. H. p. a.) und die Industrieproduktion (1980— 1990 3, 2 v. H. p. a.) zugrunde gelegt sind.

Das „Deutschland-Modell" des Instituts für angewandte Systemanalyse und Prognose in Hannover (Prof. E. Pestel) sagt (in: bild der Wissenschaft, 1 und 2, 1978) sogar ein reales Wirtschaftswachstum 1975 bis 1985 von nur 2, 2 v. H. p. a. voraus, dies aber mit dem in diesem Kontext für ein Mitglied des Clubs of Rome bemerkenswerten Hinweis, daß dann bis 1985 2, 5 Mio Arbeitslose zu erwarten sind und daß diese Prognose nicht gemacht wurde, „damit sie Realität werde, sondern damit wir sehen, wie man derartige Entwicklungen am besten verhindert". In der Tat führt jede Fortschreibung der gegenwärtigen ungünstigen Wirtschaftsentwicklung zu einer in jeder Hinsicht instabilen Wirtschaftsstruktur.

Die jüngste, am 6. Juni 1978 bekanntgegebene Prognose der Internationalen Energieagentur in Paris ist recht vorsichtig. Für die Gesamtheit der OECD-Länder gibt sie den folgenden Vergleich der Prognose-Kenndaten: — Voraussage vor der Ölkrise (Januar 1973)

1, 00;

— Voraussage alsbald nach der Ölkrise (Dezember 1974) 0, 875;

— erste Voraussage in Kenntnis des Verbraucherverhaltens seit der Ölkrise (September 1975/Januar 1976) 0, 925;

— jüngste Voraussage aufgrund der nationalen Energiesparprogramme (1977) 0, 785.

Auch hier zeigt sich das große, bisher jedenfalls nicht erwiesene Vertrauen in die Wirkung der Maßnahmen zur Einsparung von Energie. Die wichtigen Optionen dieser Programme waren: Sicherung des Absatzes der heimischen Steinkohle, Einschränkung des Ölverbrauchs, Ausweitung des Erdgasverbrauchs und ein uneingeschränktes Eintreten für die Kernenergie.

Die seit 1974 spürbare Rezession gab Veranlassung zu den im März 1977 verabschiedeten Grundlinien und Eckwerten Vier Eckwerte, sämtlich bezogen auf die Zeit bis 1985 oder auf dieses Jahr selbst, charakterisieren dieses Programm:

— ein Wirtschaftswachstum von 4 v. H. p. a., — ein Wachstum des Primärenergieverbrauchs von 3, 6 v. H. p. a., — ein Wachstum des Elektrizitätsverbrauchs von 6, 2 v. H. p. a.

— und eine Kernenergieleistung im Ziel-jahr von 30 000 MW.

Die „zweite Fortschreibung" will eine stärkere Entkoppelung zwischen Wirtschaftswachstum und Wachstum des Energieverbrauchs. Demgemäß wurden unter Beibehaltung eines Wirtschaftswachstums bis 1985 von 4 v. H. p. a. die Wachstumsraten für den Primärenergieverbrauch von 3, 6 auf 3, 3 v. H. p. a. und für den Elektrizitätsverbrauch von 6, 2 auf 5, 6 v. H. p. a herabgedrückt.

Die neuen Aktionsschwerpunkte entsprechen den im Jahre 1977 in den Vordergrund gerückten politischen Anliegen. Sie heißen — „Energie sparen" durch Wärme-Isolierung, Änderung der Struktur der Elektrizitätstarife und verstärktes Angebot von Fernwärme;

— Steinkohlenabsatzsicherung;

— verstärkter Immissionsschutz. Die nicht geringen Widerstände, auf die dieses Programm im Bundesrat gestoßen ist, sind vor allem Ausfluß der Erkenntnis, daß Sparen teuer und keineswegs erfolgssicher ist.

Tabelle 3 gibt als Resümee eine Gegenüberstellung der für die Zeit bis 1985 vorgenommenen Prognosen des Energieverbrauchs, die vor der Ölkrise, unmittelbar nach dieser und in jüngster Zeit erarbeitet wurden.

Die Tabelle zeigt, daß die Wachstumsraten für den Energieverbrauch nicht nur in der Bundesrepublik schrittweise reduziert wurden — übrigens weitgehend in Übereinstimmung mit den Zielen für das allgemeine Wirtschaftswachstum. Nach heutiger Erkenntnis wird alles dies bedauerlicherweise nicht zu einer Abnahme der Abhängigkeit von Oleinfuhren aus den OPEC-Ländern führen. Wie sehr man sich getäuscht hat in der Erwartung, der Schock der Ölkrise werde zur Substitution von importiertem Rohöl durch andere Energieträger und zu einer rationelleren Energieverwendung führen, zeigt die Sequenz von Voraussagen über die Energieversorgung der Gesamtheit der OPEC-Länder im Jahre 1985 (Westeuropa, Nordamerika, Japan, Australien und Neuseeland). Die erste Voraussage wurde vor der Ölkrise von 1973, Mitte 1972, gemacht. Damals erwartete man für 1985 eine Nettoeinfuhr in die OECD-Länder von 2, 5 Mrd. t. Die zweite Voraussage erfolgte Mitte 1974 unter dem unmittelbaren Eindruck der Ölkrise und in der Erwartung, daß die Regierungen und die Verbraucher auf die Herausforderung der Ölförderländer angemessen reagieren werden. Damals glaubte man, 1985 werden nicht 2, 5, sondern nur 1, 0 Mrd. t eingeführt werden. Angesichts dieser Erwartung ist die neueste Voraussage, die von der OECD zur Jahres-wende 1976/77 erstellte Untersuchung World Energy Outlook, bestürzend und alarmierend. Nun wird nämlich erwartet, daß 1985 1, 75 Mrd. t — nach jüngsten Untersuchungen wahrscheinlich sogar 2, 0 Mrd. t — eingeführt werden, was angesichts des für dieses Jahr in Auswirkung der letzten Rezession geringeren Gesamtenergieverbrauchs aller OECD-Länder etwa zu dem gleichen prozentualen Anteil der Olimporte am Gesamtenergieverbrauch 1985 führen wird, wie vor der Ölkrise erwartet wurde, nämlich rund 40 v. H. (vgl. Tabelle 4). Die die Ölkrise auslösende Erhöhung der Rohölpreise ab September 1973 hat somit weltweit zu einer Unterbrechung des Wirtschaftswachstums — um wenigstens zwei Jahre — geführt, aber keineswegs die Erwartung bestätigt, daß weltweit erhebliche Mengen an Energie eingespart werden und eine fühlbare Verringerung der Abhängigkeit der westlichen Industrieländer von Ölimporten eintritt 38a). c) Die außenwirtschaftliche Einbindung der Bundesrepublik Wie kaum ein anderes Land ist die Bundesrepublik mit der übrigen Weltwirtschaft ver-bunden. Tabelle 5 gibt sowohl für die USA als auch für die Bundesrepublik einige aus den Statistiken für die Jahre 1976 und 1977 ablesbare wirtschaftliche Daten (Jahreswerte), die dies erkennen lassen. Dazu muß bedacht werden, daß die sehr erhebliche Steigerung des Sozialprodukts der Bundesrepublik in der Zeit seit der Währungsreform (in konstanten Preisen zwischen 1950 und 1976 auf das 4, 23fache, d. h. um 5, 7 v. H. p. a.) in erster Linie möglich war durch die Ausweitung des Außenhandels und die dadurch erreichte Einbindung in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung, Derzeit beruhen etwa 25 v. H.der volkswirtschaftlichen Wert-schöpfung auf Einfuhren; andererseits werden gleichfalls wertmäßig etwa 25 v. H.der in der Bundesrepublik erzeugten Güter und Leistungen ausgeführt. Nicht nur die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch die Bewahrung des erreichten wirtschaftlichen Leistungsstandes setzt voraus, daß sich die außenwirtschaftliche Einbindung nicht wesentlich mindert. Dies ist übrigens der wesentliche Unterschied zur Lage in den USA, die aufgrund ihrer weit größeren Leistungskraft zur Arbeitsteilung und Rationalisierung viel weniger auf einen Güteraustausch mit anderen Volkswirtschaften angewiesen sind. Aus der oben gegebenen Übersicht geht dies auch recht deutlich hervor. d) Kernenergieenlwicklung national und weltweit In ihren „Grundlinien und Eckwerten“ vom März 1977 vertrat die Bundesregierung die Auffassung, außer den in Betrieb und im Bau befindlichen Kernkraftwerken (einschließlich Wyhl, Brokdorf und Grohnde 20 000 MW) sollten bis 1985 weitere 10 000 MW Kernkraftleistung in Betrieb genommen werden — insgesamt somit 30 000 MW. Daneben sollte bis 1985 neue Kraftwerksleistung auf Stein-kohlebasis von gleichfalls 10 000 MW installiert sein. Dann könnte 1985 die für ein „ausreichendes Wirtschaftswachstum" unerläßliche Menge an Elektrizität bereitgestellt werden. ,

Wo sind wir nun aber wirklich? Wegen der Konjunkturentwicklung ist auszuschließen, daß 1985 30 000 MW Kernkraftleistung erreicht werden. Es ist gleichfalls auszuschließen, daß die Steinkohle diese Lücke ausfüllen kann, ja es ist sogar fraglich, ob es in dieser Zeit gelingt, die Genehmigungen für die ursprünglich geplanten Kohlekraftwerke durchzuziehen. Schon diese Ausfallkonsequenzen sind überaus gravierend.

Diese Konsequenzen sind aber selbst dann zu erwarten, wenn weitere Errichtungs-und Betriebsgenehmigungen für Kernkraftwerke erteilt werden. Vollends verhängnisvoll wäre aber gewesen, wenn weitere Errichtungsund/oder Betriebsgenehmigungen für Kernkraftwerke davon abhängig gemacht worden wären, daß für das Entsorgungszentrum in Gorleben eine erste Teilerrichtungsgenehmigung — möglicherweise sogar rechtskräftig — erteilt ist. Das hätte zu einem Kernkraftmoratorium von einer Dauer zwischen drei und zehn Jahren geführt, je nachdem, ob der Ausgang der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gleichgültig bleibt oder abgewartet werden muß.

Die Bundesregierung zog aus der verlangsamten Wirtschaftsentwicklung die Konsequenz, indem sie in der „zweiten Fortschreibung" die für 1985 angestrebte Kernenergieleistung von 30 000 MW auf 24 000 MW reduzierte

(1990: 43 000 und 2000: 85 000 MW).

Der Status und die Entwicklungsperspektiven der Kernenergie in der Welt sind demgegenüber durch die folgende Aussage gekennzeichnet Ende 1977 waren weltweit 208 Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 98 000 MW in Betrieb. Das ist mehr als die derzeit in der Bundesrepublik installierte Gesamtleistung — herkömmliche Wärmekraftwerke, Wasserkraftwerke und Kernkraftwerke — von insgesamt 81 000 MW. Weltweit in Betrieb, im Bau und bestellt waren 565 Kernkraftwerke mit mehr als der fünffachen Leistung: 438 000 MW. Der Anteil der Bundesrepublik hieran — etwa 25 600 MW (einschließlich Wyhl, Brokdorf und Grohnde) — macht nur 5, 8 v. H. aus und liegt somit unter dem Anteil der Bundesrepublik am Welt-bruttosozialprodukt (nach verschiedenen Schätzungen zwischen 7 und 8 v. H.). Im internationalen Vergleich ist die Bundesrepublik somit eher „unternuklearisiert" — eine überraschende Feststellung. Bezogen auf die volkswirtschaftliche Wertschöpfung, rangieren vor der Bundesrepublik nicht nur die Vereinigten Staaten, Kanada, Frankreich und Großbritannien, sondern auch Schweden, Spanien, Belgien und Finnland.

Bemerkenswerter noch ist aber das folgende, von den deutschen Kernenergie-Gegnern gleichfalls verdrängte Faktum: Kernkraftwerke werden nicht nur in Nordamerika, Westeuropa und Japan betrieben oder gebaut, sondern auch in allen COMECON-Ländern, besonders in der UdSSR, ganz abgesehen von zahlreichen Entwicklungsländern, wie Argentinien, Bangla Desh, Brasilien, Indien, Iran, Korea, Mexiko, Pakistan, Philippinen und Taiwan. über den letzten Stand der Vorausschätzungen der in der westlichen Welt (der Gesamtheit der nichtkommunistischen Länder) installierten Kernkraftleistung unterrichtet Tabelle 6. Eines ist danach jedenfalls sicher: Weltweit gibt es die Option nicht mehr, ohne die Kernenergie zu leben. Aber selbst wenn es gelingen sollte, die zivile Kernenergieentwicklung weltweit zu stoppen, wäre im Sinne der Vorstellungen der Kernenergie-Gegner kaum etwas gewonnen: Inzwischen ist in der Welt soviel nukleares Potential für kriegerische Zwecke aufgebaut worden, daß es keinen Unterschied mehr ausmacht, ob wir die gesamte zivile Kernenergienutzung stoppen oder nicht

Nach einer Erklärung der Carter-Administration werden am Ende dieses Jahrhunderts in den USA 300 bis 500 LWR-Kraftwerke installiert sein. Noch akzentuierter ist die Hinwendung zur Kernenergie in der Sowjetunion. Nach einer Erklärung von L. Breschnew wird dort am Ende dieses Jahrhunderts mit 500 Kernkraftwerken gerechnet. e) Die Konsequenzen eines Verzichts der Bundesrepublik aul die weitere Entwicklung der Kernenergie

Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen des Jahres 1977 um ein Kernenergiemoratorium sind auch Untersuchungen über die Auswirkungen eines Verzichtes angestellt worden Danach führt ein Verzicht auf den weiteren Ausbau der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland vor allem zu drei schwerwiegenden Konsequenzen: — Es entsteht ein Verlust von 200 000 bis 250 000 Arbeitsplätzen in der Reaktorbau-, Brennstoffkreislauf-und Zulieferindustrie, wenigstens bis 1985. — Es ist mit zusätzlichen Beschäftigungseinbußen zu rechnen, weil andere Energieträger die Kernenergielücke nicht werden ausfüllen können und damit ein Stromversorgungsengpaß entsteht. Die zu ersetzende Kernenergie-leistung von 18 000 MW durch Steinkohleleistung, d. h.der Verzicht auf den Ausbau der derzeit in Betrieb befindlichen Kernenergieleistung von 6 000 MW auf die Zielleistung für 1985 von 24 000 MW, erfordert einen Jahres-zusatzbedarf an Steinkohle in einer Größenordnung von 40 Mio. Tonnen, eine Zusatz-menge, die der deutsche Steinkohlenbergbau auch bei der für maximal möglich gehaltenen Erhöhung der Jahresverstromungsmenge von derzeit 33 auf 45 Mio. t nicht bereitstellen könnte. — Die deutsche Reaktorbau-und Brennstoffkreislaufindustrie einschließlich der Zulieferindustrie würde ihre Spitzenstellung auf dem Weltmarkt einbüßen. Der italienischen Industrie ist ein ähnliches Schicksal widerfahren, als sie 10 Jahre lang — zwischen 1959 und 1969 — keinerlei Aufträge über Leistungsreaktoren erhielt.

Gravierender ist aber eine andere Auswirkung. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln stellte Mitte 1977 fest: Kernkraft sei in der Grundlast 32 v. H. billiger als Steinkohlekraft. Eine Rechnung des Verfassers berücksichtigt auch die jüngste Entwicklung, insbesondere die zum 1. Januar 1978 vorgenommene Erhöhung der Steinkohlenpreise. Je nach der gewählten Zahl der Jahresvollaststunden beträgt der Kostenvorteil 31 bis 40 v. H. oder 3, 8 bis 4, 3 Dpf/kWh bezogen auf den Kosten-und Preisstand Anfang 1978 (Einzelheiten siehe Abb. 11). Eine Einbeziehung der Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln sowohl auf der Kernenergie-als auch auf der Steinkohlenseite führt kaum zu einer Änderung der Relation, da auf beiden Seiten allenfalls 5 v. H. zuzuschlagen wären.

Während seiner gesamten Betriebszeit erzeugt ein Kernkraftwerksblock Typ Biblis über 150 Mrd. kWh. Der Vorteil der mit dem Bau und Betrieb eines Kernkraftwerksblocks an Stelle eines Steinkohlenkraftwerks gleicher Leistung verbunden ist, stellt sich damit auf mehrere Milliarden DM.

Abbildung 11:

Wenn man diese Rechnung akzeptiert — und es besteht kein Grund, die sich ergebende Größenordnung zurückzuweisen —, heißt dies, ein Verzicht oder auch nur eine Einschränkung des Ausbaus der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland würde nachhaltig die internationale Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Wirtschaft beeinträchtigen, da die Kernenergie in den wichtigsten mit der Bundesrepublik in wirtschaftlichem Wettbewerb stehenden Ländern weiter ausgebaut wird.

IV. Einige Schlußfolgerungen

Entwicklungsländer B 0, 42 Afrika 10, 35 Süd-und Ostasien 10, 28 Indien 10, 19 Abbildung 2: Energieverbrauch pro Kopf in im Jahr 1973 verschiedenen Regionen Quelle: H. Michaelis, Kernenergie (1977)

Vier Aussagen sollen die wesentlichen Ergebnisse dieses Aufsatzes herausheben:

1. Langfristig, d. h. bezogen auf eine Zeit, die in den 90er Jahren beginnt, führt nach dem gegenwärtigen Wissensstand kein Weg an der Kernenergie vorbei.

2. Kurz-und mittelfristig, d. h. bis in die 90er Jahre, würde ein Verzicht der Bundesrepublik auf die Kernenergie zu einer nachhaltigen Minderung der wirtschaftlichen Leistungskraft führen, die allenfalls bei einer grundlegenden Änderung der sozialen und wirtschaftlichen Orientierungen — Rückkehr zu einem nicht unwesentlich niedrigeren Lebensstandard usw. — hingenommen werden könnte.

3. Ein auch nur zeitweiser Verzicht großer Industrieländer auf den Ausbau der Kernenergie wird am schwersten die Entwicklungsländer tjeffen, denen das dann zusätzlich benötigte 0'1 vorenthalten wird. Das sich daraus ergebende Konfliktpotential wird sicherlich größer sein, als die gegenwärtig von den Kernenergie-Gegnern heraufbeschworenen Gefahren aus der friedlichen Verwendung der Kernenergie. 4. Die Argumente der Kernenergie-Gegner haben in weiten Kreisen der Bevölkerung Angst vor der zukünftigen Entwicklung ausgelöst.

Möglicherweise zwingt dies auch die Kernenergie-Befürworter, die Angst zu mobilisieren, nämlich die Angst vor einer — bei einem Verzicht auf die Kernenergie drohenden — Energieknappheit. Das ist eine beklemmende Perspektive!

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. die in der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 6. Mai 1977 angenommenen „Grundsätze zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke".

  2. Ziffer 23 der „Grundlinien und Eckwerte für die Fortschreibung des Energieprogramms" vom 23. März 1977 (Bulletin der Bundesregierung vom 25. März 1977).

  3. Beurteilung der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) und der Strahlenschutzkommission (SSK) vom 20. Oktober 1977.

  4. World Energy Resources 1985— 2000, Executive Summaries to the Conservation Commission of the World Energy Conference, Guildford (UK) and New York 1978, S. 105 ff.

  5. Erstmalig mit dieser Deutlichkeit in der Pressekonferenz des amerikanischen Präsidenten am 7. April 1977 — in nicht nur zufälliger zeitlicher Übereinstimmung mit der Studie der Ford Foundation: S. M. Keeny, Ford Foundation/MITRE Report, „Nuklear Power Issues and Choices. Report to the Nuclear Energy Policy Study Group", Cam bridge/Mass. (March) 1977. Der Bericht der Ford Foundation empfiehlt die Entwicklung kommerzieller Schneller Brüter zu verlangsamen und auf zivile Wiederaufarbeitungsanlagen zu verzichten Entgegen weitverbreiteter Meinung spricht der Bericht sich aber nicht aus gegen den Bau und Betrieb von Leichtwasser-Reaktoren und implicit damit auch nicht gegen die Urananreicherung.

  6. So insbesondere auf dem Kernenergie-Kongrel der AEOI/ENS/ANS/JAES in Persepolis (Iran) in April 1977.

  7. Vgl. dazu C. Patermann, Die amerikanische Nuklearpolitik, in: atomwirtschaft 1977, S. 382, und G. Kessler, Diskussion des ERDA-Brüterprogramm in den USA, in: atomwirtschaft 1977, S. 643.

  8. Vgl. dazu R. Loosch, Das internationale Programm zur Beurteilung des Kernbrennstoff-Kreislaufs INFCE, atomwirtschaft 1978, S. 33.

  9. Nuclear Non-Proliferation Act of 1978 vom 10. März 1978.

  10. NEA-IAEA, Uranium-Resources, Production and Demand, Dec. 1975 und Dec. 1977.

  11. Siehe z. B. G. Hildenbrand, Kernenergie, Nuklearexporte und Nichtverbreitung, in: atomwirtschäft 1977, S. 374.

  12. Bundestags-Drucksachen 7/1057 und 7/2713.

  13. Bundestags-Drucksache 8/1357.

  14. Mitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig — PTB — PI 1/78 — vom 9. Februar 1978.

  15. Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium auf die Frage des Abgeordneten Günther Müller in der Fragestunde des Bundestages am 7. Dezember 1977.

  16. Die Daten sind dem Vortrag auf der Reaktor-tagung '78 (April 1978) von W. Schikarski, Karls

  17. Vgl.den Vortrag von A. Birkhofer, München, auf der Reaktortagung 77 (April 1977), „Zielsetzung und Stand der deutschen Risikostudie“, in: atomwirtschaft 1977, S. 331.

  18. Hierauf hat vor allem H. Grümm, Wien, bei seinem Vortrag auf der Tagung der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie, „Vergleichsmaßstäbe für das Risiko der Kernenergie" am 3. April 1978 in Wien hingewiesen.

  19. München 1977.

  20. Vgl. die Kritik des Verfassers an diesem Buch, in: bild der Wissenschaft, 2 — 1978.

  21. W. Schüller, Kann man Kernenergie angesichts des Entsorgungsproblems heute verantworten? Vortrag auf der Reaktortagung '77 (April 1977).

  22. Vgl. Fußnote 3.

  23. Siehe Fußnote 10.

  24. Vgl. H. Ch. Röglin, Sozialpsychologische Aspekte der Kernenergie, in: atomwirtschaft 1977, S. 20.

  25. Vgl. hierzu insbesondere Hans Michaelis, Kernenergie, München (dtv) 1977. Herr Martin Czakainski hat den Verfasser bei der Abfassung dieses Abschnitts unterstützt.

  26. Diese Übersicht beruht auf Untersuchungen der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München (H. Schäfer). Abweichend von der in Fußnote 25 a) angegebenen Methode ist der Elektrizitätsverbrauch hier umgerechnet worden auf der Grundlage des Wärmeäquivalents der Kilowattstunde: 1 kWh = 123 g SKE.

  27. Vgl.den Aufsatz des Verfassers, bleme der Energieversorgung, in: atomwirtschaft 1978, S. 66.

  28. New York, St. Louis, San Francisco 1977, s. auch H. K. Schneider, Die Energieversorgung der Welt bis zum Jahre 2000, LIST FORUM, Bd. 9 1977/78, Heft 2 (Juni 1977).

  29. Siehe Fußnote 4. Der definitive umfassende Bericht der Conservation Commission an die Welt-energiekonferenz wird im Herbst 1978 veröffentlicht werden.

  30. Zugrunde gelegt ist der Vortrag von W. Häfele „A Future Energy Scenario" am 23. September 1977 vor der Weltenergiekonferenz in Istanbul.

  31. Das IIASA hat auch durchgerechnet, unter welchen Bedingungen es möglich wäre, den Gesamt-energiebedarf des Jahres 2030 (26, 4 Mrd. t OE) durch Sonnenenergie zu decken. Dazu wäre erforderlich, auf einer Gesamtfläche von 1, 75 Mio. km 2 Kollektoren zu installieren, einer Fläche, die 13 v. H.der genutzten Landfläche der Erde entsprechen würde (d. i. das Siebenfache der Gesamt-fläche der Bundesrepublik). Die durchschnittliche Transportentfernung für die erzeugte Energie wird auf mindestens 5 000 km veranschlagt. Wohl mit Recht wird eine solche Lösung ausgeschlossen, nicht zuletzt auch wegen des nicht zu deckenden Material-und Kapitalbedarfs.

  32. Siehe auch H. Michaelis, 49 Thesen zur Energie-politik, Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Heft 10, Oktober 1977.

  33. Die nachstehenden Daten verdankt der Verfasser Prof. Dr. H. Mandel, Essen (Vortrag anläßlich des Weltkongresses „Chemical Engineering" im Juni 1976 in Amsterdam), und Prof. Dr. K. Jaroschek, Darmstadt (Vortrag vor der Gesellschaft für Verantwortung der Wissenschaft im Dezember 1977 in Königstein/Taunus).

  34. Auch wenn man mit möglicherweise erreichbaren günstigeren Wirkungsgraden rechnet, wie dies in anderen Untersuchungen geschieht, liegen die solaren Kapitalkosten um wenigstens eine Zehnerpotenz höher als die nuklearen.

  35. W. Müller und B. Stoy gehen in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Entkoppelung“ (Stuttgart 1978) noch weiter. Sie prognostizieren für die Bundesrepublik folgende Korrelationen (S. 107):

  36. Bundestags-Drucksachen 7/1057 und 7/2713.

  37. Bulletin der Bundesregierung vom 25. März 1977.

  38. Bundestags-Drucksache 8/1357.

  39. Der „Eckwert" 24 000 MW wird in der zweiten Fortschreibung nicht genannt. Er ergibt sich aus der Bezugnahme auf die Energiemarktprognosen der Institute, deren Informationswert die Bundesregierung „nicht als stichtagbezogene Zahlenaussage, sondern als Darlegung der Tendenzen und Größenordnungen einer zu erwartenden Entwicklung" verstanden wissen will.

  40. Siehe atomWirtschaft 1978, S. 138.

  41. Schmidt-Küster, Kernenergie — offen bilanziert, 1976, S. 86.

  42. So insbesondere das Deutsche Atomforum in einem Memorandum vom August 1977.

  43. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Köln teilte am 19. Juli 1978 mit, daß derzeit nur fünf der insgesamt vierzehn Kernkraftwerke und Versuchsreaktoren in Betrieb seien. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Nichtverfügbarkeit von Kernkraftwerken zu einem wesentlichen Teil in planmäßigen Abschaltungen für Revisionen und für den Wechsel von Brennelementen ihren Grund hat. Diese Arbeiten werden regelmäßig im Sommer durchgeführt, da die Stromnachfrage in dieser Jahreszeit am geringsten ist. Per Ende Juli 1978 ergibt sich danach der folgende Status:

Weitere Inhalte

Hans Michaelis, Prof., Dr., geb. 1914. Studium der Mathematik und Naturwissenschaften sowie der Volkswirtschaftslehre. Nach dem Kriege Generalsekretär des Preisrats für die französische Besatzungszone, Baden-Baden; Leiter des Referats Preispolitik im Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn; Abteilungsleiter bei der Hohen Behörde, Luxemburg; Generaldirektor für Wirtschaft der Europäischen Atomgemeinschaft, Brüssel; Generaldirektor für Forschung und Technologie der Europäischen Gemeinschaften, Brüssel; Berater der Europäischen Kommission für Fragen der internationalen Rohstoffpolitik; Professor an der Universität Köln mit Lehrauftrag Energiepolitik/Kernenergie. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Themen der Preispolitik (Alleinherausgeber des Kommentars Michaelis-Rhösa, Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen, seit 1953), der Europapolitik, der Forschungs-und Technologiepolitik, der Energiepolitik („Energiemarkt und Energiepolitik in einer Europäischen Union"), der Kernenergie („Kernenergie heute“, 1966, und „Kernenergie", dtv wiss. Reihe München 1977) und der Rohstoffpolitik („Europäische Rohstoffpolitik", 1976).