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Geschichtliche Bildung in Familie und Schule -geschichtliches Lernen im Alltag Plädoyer für ein Forschungs-und Entwicklungsprogramm *) | APuZ 51-52/1978 | bpb.de

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APuZ 51-52/1978 Bildungsbilanz 1978 Geschichtliche Bildung in Familie und Schule -geschichtliches Lernen im Alltag Plädoyer für ein Forschungs-und Entwicklungsprogramm *) Ansätze zu einer Didaktik des fächerübergreifenden politischen Unterrichts Artikel 1

Geschichtliche Bildung in Familie und Schule -geschichtliches Lernen im Alltag Plädoyer für ein Forschungs-und Entwicklungsprogramm *)

Ulrich Kröll

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Zusammenfassung

Lernen von Geschichte, Geschichtsbewußtsein und geschichtliches Argumentieren des Menschen bleiben nicht allein auf den Kontext des Geschichtsunterrichts und auf das Schüleralter beschränkt. Auch Erwachsene, deren Geschichtsunterricht ferne Erinnerung ist, denken und argumentieren in durchaus alltäglichen Situationen geschichtlich; Massenmedien, Populärliteratur, Museen u. a. bieten fast tagtäglich geschichtliche Informationen und Impulse, die von vielen Menschen aus unterschiedlichen Motiven bewußt oder unbewußt konsumiert werden; selbst vor Beginn des Geschichtsunterrichts und begleitend zu ihm können junge Menschen durch die Sozialisation in der Familie in ihren Grundeinstellungen zur Geschichte geprägt werden. Die Geschichtsdidaktik der Bundesrepublik Deutschland hat dieses Vorfeld des Geschichtsunterrichts, die verschiedenen geschichtlichen Miterzieher und das Problem des Geschichtsbewußtseins und der geschichtlichen Bildung im Erwachsenenalter bisher entweder nicht wahrgenommen oder nicht ernst genommen. So fehlen auch empirisch schlüssige Nachweise darüber, welche Bedeutung der Geschichtsunterricht in Relation zur historischen Sozialisation in der Familie hat, in welcher Stärke und über welche Mechanismen Populärformen historischer Bildung wirken und wie sich Erwachsene in ihrem Denken, Argumentieren und Handeln von geschichtlichen Erkenntnissen, Erfahrungen und Legenden leiten lassen. Statt über langfristige Bewußtseinsprägungen als Folge des Geschichtsunterrichts Auskunft geben zu können, erschöpft sich die Geschichtsdidaktik nach wie vor in der Beschreibung von Lernerwartungen. Angesichts dieser unbefriedigenden Situation skizziert der Beitrag ein breit angelegtes Programm zur systematischen Erforschung aller außerhalb des Geschichtsunterrichts liegenden relevanten Faktoren geschichtlichen Lernens und historischer Bewußtseinsbildung und plädiert darüber hinaus für die Entwicklung einer Didaktik der außerschulischen geschichtlichen Bildung.

Alltägliches Geschichtsbewußtsein

Geschichtskenntnisse, geschichtliche Erkenntnisse und geschichtliche Argumentationen werden nicht allein im Geschichtsunterricht erworben. Ebensowenig bleiben geschichtliches Denken, geschichtliches Argumentieren oder gar gesellschaftliches Handeln aus geschichtlichem Bewußtsein auf den Geschichtsunterricht oder auf das historische Kolleg an der Hochschule beschränkt.

Im Gegenteil: außerhalb des durch staatliche Lehrpläne, Stundentafeln, Lehrerausbildung, Unterrichtsentwürfe, Schulbücher und didaktische Konzepte abgegrenzten Raumes . Geschichtsunterricht im Kontext schulischen Lernens'greifen Tageszeitungen, Illustrierte, Hörfunk, Fernsehen, Kinofilm, Theater, Populärliteratur, Belletristik und Comics geschichtliche Ereignisse, Persönlichkeiten und Zusammenhänge direkt oder in unterhaltsamer Einkleidung auf, wenden sich historische Sehenswürdigkeiten, Museen, Ausstellungen, Veranstaltungen der Erwachsenenbildung und Heimatvereine an das historisch interessierte Publikum, ja gehen von regionalen Bräuchen und Festen, vom Erscheinungsbild älterer Städte, Ortschaften und Gebäude, von den Auslagen in Antiquitätengeschäften und von nostalgisch gestalteten alltäglichen Gebrauchsgegenständen geschichtliche Impulse an das Bewußtsein oder Unterbewußtsein aus.

Ob hiermit — weit über den Rahmen schulischen Geschichtsunterrichts hinaus, der schließlich nur einen Teil schulischen Lernens und nur wenige Lebensjahre des Heranwachsenden umfaßt — ein individuelles menschliches Bedürfnis nach geschichtlicher Bildung, historischer Aufklärung, Erbauung oder Unterhaltung bewußt oder unbewußt befriedigt wird, kann angenommen werden, soll aber an diesem Punkt dahingestellt bleiben. Als unbestritten hat dagegen zu gelten, daß Erwachsene, deren eigener Geschichtsunterricht lange zurückliegt, in bestimmten, durchaus alltäglichen Situationen historisch reflektieren oder argumentieren und sich offensichtlich in ihrem Handeln auch von historischen Erkenntnissen und Identifikationen mögen sie, . richtig’ oder . falsch’ sein oder von historischen Erfahrungen aus der eigenen Lebensgeschichte bzw. aus der Vermittlung der Eltern-bzw. Großelterngeneration leiten lassen. Dies schließt den Politiker und den Journalisten, die aus historischen Wendepunkten Warnungen oder Ermutigungen für das (partei) politische Tagesgeschäft ableiten, ebenso ein wie Angehörige der Nachkriegsgeneration, die aus dem Miterleben des Wiederaufbaus privaten und gesellschaftlichen Wohlstand nicht als Selbstverständlichkeit ansehen, oder Vertreter der Großelterngeneration, deren Verhältnis zum Geld durch die Erfahrung zweier Inflationen bestimmt wird. Individuelle wie kollektive geschichtliche Erfahrungen, Vorstellungen oder auch Legenden bestimmen insofern alltägliches wie auch — z. B. bei Wahlentscheidungen — politisch folgenreiches Entscheiden und Handeln mit. Weder Entstehung, Inhalte, Wandel und Auswirkungen dieser historischen Sozialisation — ich versiehe darunter ein Geflecht aus Kenntnissen, Erkenntnissen und Einstellungen, die in bewußten oder unbewußten Lernprozessen seit der frühesten Kindheit erworben, verfestigt und auch revidiert werden — noch die Gewichtsverteilung zwischen schulischem Geschichtsunterricht und außer-schulischer historischer Bildung im Gesamt-kontext der historischen Sozialisation sind bisher von der Geschichtsdidaktik in der Bundesrepublik auch nur in den allergröbsten Umrissen geortet, geschweige denn theoretisch und empirisch erhärtet worden. Bis vor zwei bis drei Jahren hat die Geschichtsdidaktik in ihrer ausschließlichen Fixierung auf die schulische Vermittlung historischer Bildung die vorunterrichtliche bzw. unterrichtsbegleitende historische Sozialisation des Schülers günstigstenfalls unter dem Aspekt eines Anknüpfungspunktes für den Geschichtsunterricht, im Normalfall aber als eine pädagogisch oder geschichtswissenschaftlich unerwünschte und lästige Vorbildung — besser: Verbildung — der Jugendlichen wahrgenommen; historische Bildungsbedürfnisse und -pro-zesse nach Abschluß der Schulzeit blieben von der Geschichtsdidaktik völlig unberücksichtigt. Auch Geschichtswissenschaft und Geschichtstheorie — um sie der Vollständigkeit halber zu erwähnen — haben historische Bildung, Geschichtsinteresse und Geschichtsbewußtsein des Menschen vorzugsweise als metaphysische, anthropologische oder gesellschaftliche Kategorien thematisiert, seltener schon Handlungskonsequenzen des Geschichtsbewußtseins skizziert (letzteres allenfalls auf der Ebene von Staatsmännern, politischen Denkern, Historikern, Angehörigen der Bildungsschicht oder ganzen Völkern und Klassen), nie jedoch als tatsächliche Bewußtseinsstrukturen des Normalbürgers in Zustandekommen, Voraussetzungen und Folgen nachgewiesen. Auch der periodische Wechsel von Kassandrarufen über den „Verlust der Geschichte“ und von stolzen Hinweisen auf populäres Geschichtsinteresse offenbart nur tiefe Ungewißheit über alltägliches Geschichtsbewußtsein. Der hierin enthaltene Vorwurf läßt sich zusätzlich akzentuieren: Die Geschichtsdidaktik ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht in der Lage, über die Fernwirkungen des Geschichtsunterrichts oder über das Geschichtsbewußtsein von Erwachsenen (in Relation zum genossenen Unterricht und zu anderen Faktoren historischer Bildung bzw. historischer Sozialisation) empirisch verläßlich Auskunft zu geben; die ohnehin nicht zahlreichen Wirkungsuntersuchungen zum Geschichtsunterricht überprüfen nur Kenntnisse, Einsichten und Lernverhalten von Schülern, und dies häufig noch im unmittelbaren Anschluß an die zur Disposition stehenden Unterrichtseinheiten.

Hier erheben sich eine Reihe gewichtiger Fragen: — Wie denken Erwachsene, deren Geschichtsunterricht 5, 10, 15, 20 oder gar 50 Jahre zurückliegt und die sich nicht beruflich mit Geschichte beschäftigen, über Geschichte, wie und unter welchen Voraussetzungen argumentieren sie geschichtlich’? Verändern sich Argumentationsstrukturen unter dem Einfluß aktueller Ereignisse? — Inwieweit bestimmen die Qualität ihres schulischen Geschichtsunterrichts, ihre damals vorhandene Motivation für das Fach Geschichte, ihre soziale Herkunft, das Niveau des erreichten Schul-bzw. Studienabschlusses, politische Einstellungen, Alter, Geschlecht, Beruf und Lebensschicksal ihr jetziges geschichtliches Bewußtsein? — Inwieweit wirken in ihrer geschichtlichen Erkenntnis-und Kritikfähigkeit bzw. -Unfähigkeit noch Einflüsse des Geschichtsunterrichts nach oder inwieweit werden diese durch nachfolgende Einflüsse geschichtlicher Bildung bereits überlagert? — Wie intensiv werden Impulse und Angebote der außerschulischen historischen Bildung bewußt oder unbewußt genutzt und welche quantitative Bedeutung besitzen sie im Vergleich zu langfristigen Wirkungen des Geschichtsunterrichts? — Und eine letzte Frage: Spielt schulischer Geschichtsunterricht, dessen möglicher Beitrag zur historischen Erkenntnis-und Kritik-fähigkeit nicht bestritten werden soll, unter der Perspektive einer sehr langfristigen handlungsrelevanten Prägung des Geschichtsbewußtseins überhaupt eine — und wenn ja, welche — Rolle neben anderen Instanzen vorunterrichtlicher und nachschulischer historischer Sozialisation?

Es bedarf keiner großen Phantasie, sich die möglichen Konsequenzen für die Didaktik des schulischen Geschichtsunterrichts und für das noch unerschlossene Feld einer Didaktik geschichtlicher Bildung über Medien und in außerschulischen Bildungseinrichtungen auszumalen. Um so ärgerlicher muß erscheinen, daß die Geschichtsdidaktik trotz vereinzelter Anstöße in den letzten Jahren offensichtlich keine Anstalten macht, diese für die Veranstaltung schulischen Geschichtsunterrichts lebensentscheidenden Fragen erschöpfend zu beantworten — ein Unding, wenn gleichzeitig in fast epischer Breite Lernzielkataloge und geschichtliche Identitäten diskutiert, postuliert und in Unterrichtsmodelle und auch in konkreten Unterricht umgeformt werden. Ich möchte an diesem Punkt von vornherein einem möglichen Einwand begegnen: Selbstverständlich sind die Entwicklungen der Geschichtsdidaktik der letzten Jahre — Lernziel-orientierung, Wissenschafts-und gesellschaftstheoretische Fundierung, veränderte geschicht-liche Perspektiven, neue Lernformen, Schulbücher mit Arbeitsbuchanspruch — zu unverzichtbaren Voraussetzungen eines heutigen Geschichtsunterrichts geworden. Das ändert jedoch nichts an meinem kritischen Vorbehalt: denn die Frage nach geschichtlichen Identitäten und nach Verhaltensleistungen aus geschichtlichem Bewußtsein, welche Geschichtsunterricht seiner Konzeption nach bewirken soll, stößt solange ins Leere, solange über das Innenverhältnis zwischen gewünschten Effekten und den Effekten historischer Sozialisation in Abhängigkeit von den genannten sozialstatistischen und sozialisationsrelevanten Daten keine nachprüfbaren Ergebnisse vorliegen. Audi die Tatsache, daß die wenigen selbstkritischen Diskussionsanstöße in der Geschichtsdidaktik, auf die noch einzugehen sein wird, bezogen auf die Gesamtheit der jüngeren geschichtsdidaktischen Diskussion und Forschung in der Bundesrepublik Deutschland, allenfalls marginale Beachtung gefunden haben, unterstreicht einmal mehr, daß das Gros der Geschichtsdidaktiker nach wie Vor (noch) nicht bereit ist, einerseits die Selbstbeschränkung der Geschichtsdidaktik auf Vermittlungsprozesse im Geschichtsunterricht aufzugeben und andererseits vom Befund und von den Wirkungen des Geschichtsbewußtseins im Erwachsenen-alter eine Neuvermessung der historischen Sozialisation mit ihren Teilaspekten schulischer und außerschulischer historischer Bildung und latenter Sozialisation — mit entsprechenden didaktischen Konsequenzen — vorzunehmen.

Geschichtliche Bildung außerhalb des Geschichtsunterrichts

Rolf Schörken hat als erster im Jahre 1970 bemerkt, daß sich abgesehen von den didaktischen Voraussetzungen des Geschichtsunterrichts — Stichwort: Lerntheorie, Curriculum-revision — auch die den schulischen Geschichtsunterricht umgebenden Bedingungen des Wissenserwerbs von Schülern im Zeitalter der Massenmedien und der Massen-bildung grundlegend geändert haben. „Die Vermittlung der historischen Information und Bildung hat ihre Struktur bereits nachhaltig verändert. Fernsehen, Radio, Taschenbuchliteratur, Nachrichtenmagazine liefern historische Information von hoher Qualität, in solchen Mengen und so preiswert, daß davon schon seit langem mehr Menschen erreicht werden als von unserm Geschichtsunterricht. Die Schule kann nicht mehr länger die Vorstellung pflegen, als warte ein bildungsdurstiger Zögling voller Sehnsucht darauf, im Unterricht endlich von den sonst unerrei en Wissensquellen trinken zu dürfen. Das alte: , Der Schüler weiß nichts'verbindet sich mit dem neuen: , Der Schüler weiß alles'zum modernen didaktischen Paradox."

Gegenüber den in der Vergangenheit — und im Grunde noch bis heute — vorherrschenden geschichtsdidaktischen Vorstellungen, der Geschichtsunterricht könne außerschulische geschichtliche Informationen bzw. auch kümmerhafte Kenntnisse und Legendenbildungen (aus Medien, Elternerzählungen, Museumsbesuchen u. a.) zwar als motivierenden Einstieg benutzen, dann aber im Lernprozeß aufarbeiten, systematisieren und richtigstellen, brauche aber ansonsten diese konkurrierenden Informationsquellen weder qualitativ noch quantitativ ernst zu nehmen, stellt Schörkens Ensicht einen ersten Schritt zu einer realistischen Wahrnehmung außerschulischer historischer Bildung dar. Jedoch bleibt auch er dem traditionellen Blickwinkel vom Geschichtsunterricht zum außerschulischen Bereich hin verhaftet; auch er . integriert'— unter dem Lernziel kritischen Umgangs mit solchen geschichtlichen Bildungsangeboten — die außerschulische historische Bildung in den Geschichtsunterricht.

Erst eine Arbeitsgruppe des Historikerverbandes hat dann 1974 — nach einem weiteren Impuls Schörkens 1972 — definitorisch die Aufgabenstellung der Geschichtsdidaktik über den Schulunterricht hinaus erweitert: Geschichtsdidaktik hat es also nicht mit Unterricht allein zu tun. Ihr Gegenstand ist jener komplexe Vorgang, durch den sich in unterschiedlichster Weise in der Gesellschaft Vorstellungen von Geschichte aufbauen, weiterentwickeln, verändern, verflüchtigen und wieder neu entstehen — nicht als für sich existierende Bewußtseinsinhalte, sondern als integrierte Substanz des gegenwärtigen Selbstverständnisses."

Zu ersten Konsequenzen dieser Erweiterung des geschichtsdidaktischen Bezugsrahmens im Sinne einer unvoreingenommenen Sichtung von außerschulischen Medien und Instanzen historischer Bildung ist es dann — einmal abgesehen von wenigen verstreuten Einzeluntersuchungen, die noch zu nennen sein werden — ansatzweise im Oktober 1975 auf einer Konferenz der Geschichtsdidaktiker in Nürnberg und verstärkt auf einer weiteren Tagung desselben Kreises im Oktober 1977 in Osnabrück gekommen Insofern liegen jetzt für Reihe außerschulischer historischer Bildungsinstanzen erste Diskussionsansätze und erste Teilergebnisse vor, so z. B. für Historische Vereine, historische Belletristik, historische Museen, Comics, Jugendbücher, Werbung, einzelne Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendungen — sie werden in anderem Zusammenhang noch zu nennen sein. Damit ist ein erster Anfang einer Aufarbeitung außerschulischer historischer Bildung gemacht, der jedoch hinsichtlich der Breiten-und Fern-wirkung in der bundesdeutschen Geschichtsdidaktik nicht überschätzt werden darf. So war auch auf der zuletzt genannten Tagung — ich stütze mich hier auf persönliche Eindrücke — insbesondere gegenüber der populären Verarbeitung von Geschichte in den Massenmedien (noch) die frühere Geringschätzung durch die Geschichtsdidaktik spürbar; andererseits vollzog man — lange vor einer ausreichenden Theoriebildung, Inhaltsanalyse, Wirkungsanalyse und didaktischen Konstruktion zur außerschulischen historischen Bildung — den von mir schon kritisierten Kurz-schritt der Vereinnahmung, Integration, Richtigstellung außerschulischer Impulse durch den Geschichtsunterricht.

Tiefere Spuren in der didaktischen Diskussion des Faches scheinen denn auch weder die beiden Tagungen noch die Erweiterung der Definition von Geschichtsdidaktik hinterlassen zu haben. So bekennt sich z. B. die neue Fachzeitschrift „Geschichtsdidaktik" zwar ausdrücklich zur weiteren Definition von Geschichtsdidaktik als einer Disziplin historisch-politischer Bildungsprozesse in interdisziplinärer wie gesamtgesellschaftlicher Einbettung, fragt dann aber bezeichnenderweise „nach fachgerechter wie nach schülergerechter Bildung an und durch Geschichte“ und stellt die ersten drei Hefte unter die Leitfrage „Warum (bzw. Wie) sollen Schüler Geschichte lernen?“ Zweifellos wirken hier insgesamt a-empirische, wenn auch nicht mehr anti-sozialwissenschaftliche Traditionen der Geschichtsdidaktik, aber auch ihre — ich bin versucht zu sagen: historisch nicht mehr reflektierte — Herkunft aus der schulischen hi-storischen Bildung nach. Man sollte allerdings auch berücksichtigen, daß die Geschichtsdidaktik in der Bundesrepublik in dem Zeitraum seit 1970 mit drängenderen Problemen — mit der Rezeption lerntheoretischer und curricularer Ansätze der Erziehungswissenschaft, mit geschichtswissenschaftlicher/sozialwissenschaftlicher Theoriebildung, mit der Behauptung der Geschichte im Fächer-kanon, mit Integrationsanmutungen — so beschäftigt war, daß für eine Auslotung des Terrains historischer Sozialisation und außerschulischer historischer Bildung kein Raum blieb.

Auf der Suche nach Langzeitwirkungen des Geschichtsunterrichts

Hier schließt sich die Frage an, in welcher Weise und über welche Diskussionsstadien seitens der Geschichtsdidaktik zum einen vor-schulisches Geschichtsbewußtsein von Schülern als Ergebnis historischer Sozialisation und zum anderen Geschichtsbewußtsein von Erwachsenen als Folge von historischer Sozi-lisation und historischen Bildungsprozessen als Voraussetzung und Resultat von Geschichtsunterricht beurteilt worden sind.

Auch in diesem Punkt hat Schörken — im Jahre 1972 — die von Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik vernachlässigte Frage nach den „Auswirkungen historischen Denkens auf nichtwissenschaftliche Bereiche" aufgeworfen. Seine Frage: „Gibt es so etwas wie Populärformen geschichtlichen Denkens und geschichtlichen Bewußtseins? Wie schlägt sich das, was wir unseren Schülern im Geschichtsunterricht beigebracht haben, denn endgültig nieder; was bleibt, wenn sie die Schule verlassen haben und Geschichte nur noch am Rande ihrer Existenz gelegentlich auftaucht?" Gleichzeitig verlagerte er den Akzent von einer sich als schulische Vermittlungswissenschaft im weitesten Sinne verstehenden Geschichtsdidaktik auf eine Didaktik als „Auswirkungswissenschaft", die darüber Auskunft gibt, „was denn nun das tatsächliche Ergebnis geschichtlichen Lehrens und Lernens ist — Ergebnis hier nicht verstanden als prüfbare Lernleistung, Geschichtsnote oder Studienbefähigung, sondern als lebenslange Bewußtseinsprägung" mit verhaltensrelevanten und handlungsanweisenden Konsequenzen.

So unbefangen eine ältere wie auch die neuere Geschichtsdidaktik bestimmte Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensprägungen beim Heranwachsenden als Ziele des Geschichtsunterrichts beansprucht hat — ich nenne aus der Fülle der Lernzielforderungen als ein extremer Ansprüche unverdächtiges Beispiel Ernst Weymar: „Historische Erklärung gegenwärtiger Zustände, Probleme und Konflikte; Erkenntnis der Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Denkens und Handelns im Rahmen geschichtlicher Strukturen; Kritische Aufklärung — Ideologiekritik; Soziale und politische Identifikation; Eröffnung universal-geschichtlicher Perspektiven; Unterhaltung" —, so konsequent ist sie bis heute der von Schörken aufgeworfenen Frage, deren empirisch schlüssige Beantwortung u. U. die denkbar weitreichendsten Konsequenzen für den Geschichtsunterricht nach sich ziehen könnte, ausgewichen Auch die curriculare Lernzieltheorie und Lernzielevaluation des Geschichtsunterrichts, von der man theoretisch eine Überprüfung der Wirkungen historischer Bildung im Erwachsenenalter hätte erwarten dürfen, ist über bescheidene Anfänge der Leistungsmessung im allerengsten Umkreis des Unterrichts nicht hinausgekommen Das ist um so bedauerlicher, als gerade der curriculare Kerngedanke einer Qualifizierung für Lebenssituationen durch schulisches Lernen die Rückfrage nach langfristigen Sozialisationsergebnissen erzwingt.

Blieb Schörkens Frage nach der Bewußtseins-und Verhaltensprägung durch Geschichtsunterricht im Kern auch unbeantwortet, so wies er unter dem Stichwort der . geschichtlichen Identität', die er sich als eine durch Wechsel von Identifikationen und Zugehörigkeitsgefühlen zu leistende kritische Reflexion von „Geschichtsbewußtsein zu Geschichtsbewußtsein" vorstellte, über mehr instrumentellfunktionale Inhalte, Lernziele und Lernprozesse des Geschichtsunterrichts hinaus auf die im Erwachsenenalter aus reflektiertem Geschichtsbewußtsein handlungsfähige Persönlichkeit. Dabei soll nicht bestritten werden, daß Geschichtsdidaktik seit eh und je auch die historisch gebildete oder historisch reflektierende Persönlichkeit als Konsequenz des Geschichtsunterrichts vor Augen hatte, insofern also auch auf den Aufbau einer geschichtlichen Identität abzielte; dennoch wird man bei der heute unter diesem Stichwort geführten Diskussion den Perspektivenwechsel in Richtung einer Akzentuierung bleibender Bewußtseins-und Verhaltensprägungen unter stärkerer Mediatisierung der Lernprozesse im Geschichtsunterricht nicht von der Hand weisen können.

Es konnte nicht ausbleiben, daß das an sich inhaltsleere Konzept einer geschichtlichen Identität bzw. eines Geschichtsbewußtseins — von Schörken darum auch zur Fähigkeit des Umgehens mit geschichtlichen Identitäten, Identitätsspannungen und Identitätstraditionen zwecks Einübung einer bewußten politischen (und geschichtlichen) Identität für gegenwärtiges gesellschaftliches Handeln weiterentwik-kelt — von unterschiedlichen geschichtstheoretischen bzw. gesellschaftspolitischen Positionen her gefüllt wurde: Friedhelm Streiffeier plädiert für eine durchgängige Identifikation der Schüler mit unterdrückten Klassen und Völkern in der Geschichte Klaus Bergmann und Hans-Jürgen Pandel treten — etwa auf der Mitte zwischen Streiffelers verpflichtender Klassenidentifikation und Schörkens mehr funktionaler Bewußtmachung von vorhandenen bzw. auch aufgezwungenen Identitäten und Identitätsbeschädigungen — für Identifikationsangebote im Geschichtsunterricht mit Präferenz für die Geschichte der Unterdrückten ein Hermann Giesecke spricht sich für ein demokratisches Geschichtsbewußtsein im Sinne des demokratischen Emanzipationsprozesses in der Neuzeit aus Annette Kuhn für eine sozialbiographisch-emanzipatorische Identitätsgewinnung des Schülers Erich Kost-horst schließlich plädiert für die Ermöglichung einer Identifikation mit dem nationalen, demokratischen Neuanfang der Bundesrepublik im gesamtnationalen wie supranationalen Rahmen als der Aufgabe des (zeit) geschichtlichen Unterrichts Angesichts dieses Fächers von Diskussionsbeiträgen scheint es durchaus bedenkenswert, von einer Ablösung der an deutlichen Ermüdungsund Frustrationserscheinungen leidenden Lernzieldiskussion des Geschichtsunterrichts durch die didaktische Kategorie . historischer Identität/historischen Bewußtseins'zu sprechen

Jedoch: nicht anders als im Falle früherer Lernzielformulierungen, als Geschichte Welt-verstehen und kulturelle Orientierung verhieß, eint die genannten Autoren die Sicherheit, durch geeignete Lernarrangements und Lerninhalte die je gewünschte spezifische Identität — bzw. im Falle Schörkens und Bergmanns: die Fähigkeit der Identitätsreflexion — beim Schüler erreichen und als Verhaltensprägung für den erwachsenen Menschen verfestigen zu können, oft sogar noch unter Aufhebung vorhandener Identitäten oder Identitätsbeschädigungen. Vor die theoretische und empirische Analyse einer von Schülern in den Unterricht eingebrachten historischen Sozialisation, ihrer Festigkeit und Modifizierbarkeit werden bereits wieder das didaktische Postulat einer multiperspektivischen, emanzipatorischen oder demokratisch-nationalen geschichtlichen Identität und die didaktische Konstruktion erfolgversprechender Unterrichtsverfahren gesetzt. Ebenso-wenig wird bedacht und überprüft, ob die möglicherweise im Unterricht aufgebauten geschichtlichen Identitäten — ich klammere hier die Distanz zwischen Unterrichtsentwurf und Unterrichtsverwirklichung einmal völlig aus — dann neben nachschulischen historischen Bildungseinflüssen und Sozialisationseffekten dauerhaft Bestand haben. Solange über Existenz, Strukturen und Verwendung von historischer Identität beim . Normalbürger'nur Vermutungen, subjektive Eindrücke und Forderungen artikuliert werden können, läßt sich auch die alte Frage, in welchen konkreten . alltäglichen'Denk-und Handlungskontexten der . Normalbürger'— im Gegensatz zu Gesellschaftswissenschaftlern, Lehrern bestimmter Fächer, Politikern, Journalisten und auch Schülern, die Geschichte und ihr Geschichtsbewußtsein quasi . professionalisieren'— Operationalisierungen eines solchen Bewußtseins zwingend benötigen, weiterhin nur idealtypisch beantworten — unter Hinweis auf orientierende, ideologiekritische, gesellschaftsanalytische, soziale usw. Funktionen der Geschichte

Der Eilfertigkeit der Didaktiker, historische Identitäten durch Unterricht zu entwickeln, entspricht die Neigung von Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik, Geschichtsbewußtsein, dessen Beschreibung in der bundesdeutschen Gegenwart mangels sozialpsychologischer Kategorien und empirischer Befunde zu einem Glasperlenspiel gerät, auf einem sehr hohen Wissens-und Argumentationsniveau anzusiedeln; so sehr man einerseits Erscheinungsformen populären Geschichtsinteresses breiter Massen begrüßt — und fehlende Anzeichnen dieser Art ohne genauere Nachprüfung als . Geschichtsverlust'beklagt —, so wertet man andererseits alle Artikulationen von Beschäftigung mit Geschichte, die sich — wie beispielsweise bei publizistischer oder nostalgischer Verarbeitung — den strengen Maximen des Fachhistorikers und dem belehrenden Zugriff des Geschichtslehrers entziehen, ausdrücklich oder tendenziell als , vor-und außerwissenschaftlich'oder als . trivial'ab Statt Voraussetzungen, Struk-turen und Auswirkungen von Geschichtsbewußtsein in seiner ganzen Alltäglichkeit, Bruchstückhaftigkeit, sozialen und intellektuellen Heterogenität zu erarbeiten, droht die Identitätsdiskussion die Fragestellung auf hi-storisch vorausgesetzte oder gesellschaftlich erwünschte Identitätserwartungen — einschließlich wissenschaftstheoretischer Prämissen und didaktisch-konstruktiver Aspekte — zu verengen.

Historische Sozialisation: Vorprägung historischen Lernens?

Der von mir betonte Mangel gesicherter Erkenntnisse über Bewußtseinsprägungen und -Veränderungen durch Geschichtsunterricht hat infolge der Rezeption der Ergebnisse der politischen Sozialisationsforschung seitens der Geschichtsdidaktik eine zusätzliche Dimension erhalten.

Auf der Basis amerikanischer Untersuchungen, die Ende der sechziger Jahre in der Bundesrepublik aufgenommen, dann diskutiert und weitergeführt worden sind, läßt sich folgender Sachverhalt konstatieren: Politische und gesellschaftliche (dabei auch gruppen-und schichtenspezifische) Einstellungen, Normen und Verhaltensweisen werden in einem Sozialisationsprozeß vom frühesten Kindesalter an erworben und bereits früh zu politischen Grundorientierungen und auch Verhaltensdispositionen (wie z. B. politischem Engagement) verfestigt. Diese durch latente Lernprozesse in der Familie, durch Medienkonsum und in Gleichaltrigengruppen erworbenen, unstrukturiert-verfestigten und immer wieder Impulsen ausgesetzten . Theoriestücke’, Normen und Loyalitäten des Heranwachsenden präformieren und re'ativieren die Möglichkeiten intendierter Lernprozesse im Politikunter-richt mehrere Zwischenstadien artikulierte sich in der geschichtsdidaktischen Diskussion der Bundesrepublik die Einsicht, daß es parallel zum bzw. in Verklammerung mit dem Prozeß politischer Sozialisation eine . historische Sozialisation'des Heranwachsenden in dem Sinne gebe, daß dieser vom Kindesalter an über die Familie und über andere Sozialisationsinstanzen geschichtliche Weltbilder, Erklärungsmuster und Urteilskategorien, individuelle und kollektive historische Erfahrungen (der jüngsten und weiteren Vergangenheit) sowie auch bruchstückhafte geschichtliche Kenntnisse und Einsichten internalisiert: Diese noch unstrukturierte und unbewußte historische Identität, die schichtenspezifischen, familienbiographischen, landsmannschaftlichen usw. Einflüssen und natürlich auch dem gesellschaftlichen und historischen Wandel unterworfen ist, wirkt vor, während und nach dem gesteuerten Lernprozeß des Geschichtsunterrichts diesem gegenüber als ein Selektionsraster und verbindet sich dann mit bleibenden Prägungen des Geschichtsunterrichts zur schon erwähnten geschichtlichen Identität des Erwachsenen, die dessen Einstellungen und Verhaltensweisen mitsteuert. Faktum und mögliche Konsequenzen einer historischen Sozialisation sind bisher am dezidiertesten von Hermann Giesecke, Klaus Bergmann und Lothar Steinbach in den Jahren 1974— 1976 angesprochen worden Bergmann: „Schüler bringen — wie diffus auch immer — historische Identität in den Geschichtsunterricht von Hause aus mit. Der Schüler, der im Geschichtsunterricht Geschichte rezipieren soll, hat bereits Geschichte in Form einer bestimmten sozialen Geschichte internalisiert; er hat bereits ein klassen-, schichtenund/oder gruppenspezifisches Geschichtsbewußtsein vorgebildet und eine historische Identität angelegt — wie unstrukturiert, ja wie gebrochen, wie heterogen sie auch immer ist. Dieses bereits angelegte Geschichtsbewußtsein, das noch weitgehend frei ist von kognitiven Inhalten, bestimmt die Zeitperspektive des Schülers, seine Identifikationen, seine Wertvorstellungen und seine Einstellung zur politischen Praxis." Auch Steinbach sieht Motivation für und Beeinflußbarkeit der Schüler durch Geschichtsunterricht durch außerschulische Sozialisationsund Informationsinstanzen sowie durch die Sozialstruktur der Familie — von anderen Faktoren wie institutionalisiertem Lernen, Lehrerverhalten, Lehrplänen, Konkurrenzsituation der Geschichte zur Politischen Bildung einmal ganz abgesehen — entscheidend vorgeprägt, und zwar vorgeprägt im Sinne einer Verhinderung kritischer Aufklärung durch Geschichtsunterricht; er kommt zu dem Ergebnis: „Die Wirksamkeit von historisch-po-

litischiem Unterricht auf den Prozeß der Sozialisation ist relativ begrenzt."

So leicht sich — und ich schließe mich mit meiner Akzentuierung der historischen Sozialisation ein — diese Aussagen zu Papier bringen lassen, so wenig Präzises wissen wir über Aufbau, Strukturen und Festigkeit dieser eingebrachten historischen Sozialisation bei verschiedenen Schülerpopulationen, so desinfor-miert sind wir hinsichtlich des Spannungsverhältnisses zwischen einem (kritischen) Geschichtsunterricht und der vorhandenen bzw. immer wieder aus außerschulischen Impulsen gespeisten historischen Sozialisation — man denke z. B. an die Effekte, die sich ergeben, wenn Fragen aus dem (zeit) geschichtlichen Unterricht in der Familie zur Sprache kommen. Ist schließlich die für diesen Fragenkomplex konstituierende Annahme einer Dichotomie von einer in einem bestimmten politischen Sinne affirmativen historischen Sozialisation und ähnlicher Tendenzen bei außerschulischen Produzenten historischer Bildung einerseits und der Sozialisation der Schüler im Geschichtsunterricht auf eine wünschenswerte Gesellschaft hin andererseits unter der Voraussetzung gesellschaftlichen Wandels und sich wandelnden Geschichtsbewußtseins (also auch bei Eltern und in den Medien) fortdauernd zutreffend? Eine andere offene Frage: Sind nicht u. U. alle schul-und unterrichtsexfernen Faktoren, die die historische Sozialisation, die Motivation für Geschichte und auch die zeitliche Dauer des genossenen Geschichtsunterrichts (wie des Schulbesuchs überhaupt) bedingen, für geschichtliche Bewußtseins-und Verhaltensprägungen des Heranwachsenden und des Erwachsenen ausschlaggebender als alle internen Faktoren des Geschichtsunterrichts wie Lernziele, Inhalte Darbietung oder Abstimmung mit benachbarten Lernfeldern? Andersherum gefragt: Ot sich nicht möglicherweise eine . positive'historische Sozialisation und Motivation eines Schülers durch . schlechten'Geschichtsunterricht ebensowenig entscheidend verschütten wie eine . negative’ historische Sozialisation durch . guten'Unterricht grundlegend verbessern läßt? Und eine letzte Frage: Inwieweit läßt sich der auch gegenüber einer als gewichtig erkannten historischen Sozialisation erhobene Anspruch der neueren Geschichtsdidaktik, durch geeignete geschichtliche Lernerfahrungen (z. B. Thematisierung von sozialen Veränderungen, von Emanzipationsbewegungen, von geschichtlichen Fällen historischer Sozialisation) nachhaltige Bewußtseinsund Verhaltensänderungen des Schülers zu bewirken in Reihenuntersuchungen kontrolliert erhärten? Oder konstruiert sich letztlich die Geschichtsdidaktik einen kunst-und liebevoll gestalteten, auch von Schülern aus unterschiedlichen Motiven geschätzten goldenen Käfig, außerhalb dessen z. T. konträre, z. T. gleichläufige, in jedem Fall aber hochwirksame historische Sozialisationsprozesse verlaufen? Von dem Erfordernis abgesehen, das gesamte Umfeld des Geschichtsunterrichts aufzuhellen, drängt sich darum auch die Frage auf, ob nicht die Geschichtsdidakt'k diese außerschulischen Vermittlungsprozesse in ihren didaktischen Strukturen erforschen und in Dienst nehmen sollte

Zumindest angesichts unseres heutigen Kenntnisstandes läßt sich der Verdacht nicht ausräumen, daß die durch vorunterrichtliche, unterrichtsbegleitende und nachschulische historische Sozialisation geprägten Bewußtseins-und Verhaltenseinstellungen durch den Geschichtsunterricht nur vorübergehend und nicht nachhaltig tangiert werden — insbesondere bei Absolventen der Sekundarstufe I. In welchem Maße Erwachsene, deren Geschichtsunterricht nur noch eine Erinnerung darstellt, mit Legenden, Schwundformfen, erstarrten Interpretationsschemata (anthropologischer, personalistischer, sozialdarwinistischer, vulgärmarxistischer Art) und mit Sympathie-bzw. antipathiegespeisten Identifikationen geschichtlich argumentieren bzw. ihre Argumente geschichtlich legitimieren, ist aus subjektiven Beobachtungen immer wieder betont worden Giesecke spricht im gleichen Zusammenhang von abgesunkenen histori-sehen Erfahrungen: „z. B. anti-kommunistische, anti-gewerkschaftliche Komplexe; tief-sitzendes Mißtrauen gegen die Arbeiterbewegung und deren Funktionäre sowie gegen die Fähigkeit und Ziele organisierter Arbeitnehmerinteressen; gegen räte-ähnliche politische Organisationsmuster und die . Politik der Straße'" Noch leichter lassen sich stereotypisierte Strukturen eines interessengebundenen Geschichtsbewußtseins in gesellschaftspolitischen Kontroversen unter Politikern oder in der Medienöffentlichkeit nachweisen; auch hier — also bei Angehörigen der Bildungsschicht — reduziert sich Geschichte als Handlungsanweisung zu einer Handvoll von Argumentationsfiguren, die — relativ austauschbar pro oder contra eine Entscheidung — das . Beispiel', die . Warnung', die . Ermutigung'oder den . Sinn'der Geschichte unter Anführung von illustrierenden Beispielen beschwören Es dürfte auch kaum zu bestreiten sein, daß der immer wieder zu beobachtende Massenandrang zu historischen/kunst-geschichtlichen Ausstellungen oder der Erfolg von historischer Populärliteratur oder von Fernsehsendungen mit historischen Themen weniger dem Wunsch nach geschichtlicher Belehrung und rationaler Aufklärung entspringen, sondern überwiegend auf ein Interesse an Unterhaltung, an nostalgischem Dekorum, an individueller bzw. gesellschaftlicher Identifikation oder ah rückschauendem Voyeu-rismus zurückgehen. Diesen mannigfaltigen und offensichtlich sozial und situativ differenzierten Funktionen von Geschichte, die dringend genauerer Nachforschung bedürfen, ist gemeinsam, daß sie mit den uns bekannten Zielen und Strukturen von Geschichtswissenschaft und Geschichtsunterricht praktisch nichts mehr gemein haben.

Aber auch Durchschnittsschüler haben offensichtlich trotz ihres Geschichtsunterrichts nach wie vor Mühe, über geschichtliche Pauschalurteile und verfremdende bzw. vereinfachende Stereotypen hinauszukommen. Hatten schon Friedeburg/Hübner dem Schüler der fünfziger und sechziger Jahre „übermächtige Subjekte, personalisierte Kollektiva, stereotype Ordnungsschemata, anthropomorphe Bezugskategorien" als Kategorien seines Geschichtsbewußtseins nachgewiesen, so scheint auch heute — unter der Annahme eines veränderten Geschichtsunterrichts — dieser sich als ein mäßig erfolgreiches Bemühen zu erweisen, die Urteilsfähigkeit des Schülers gegenüber historischen Prozessen, Interessen und Perspektiven zu erweitern und zu differenzieren und die Neigung zu unangemessenen . einfachen’ Urteilskategorien abzubauen; angesichts entsprechender Unterrichtsbeobachtungen formuliert Schörken den bitteren Stoßseufzer: „Es hat den Anschein, als kämen die Schüler ihr ganzes Schulleben hindurch mit den Kategorien eines quasi-naturalen Imperialismus aus, die als beliebig zu verwendende Versatzstücke gebraucht werden („mehr Land haben wollen", „mehr Macht haben wollen")." Ob Schüler dabei anthropologische, personalistische, vulgärmarxistische oder unverdaute soziologische und sozialpsychologische Kategorien als Argumentationsund Rechtfertigungsinstanzen benutzen, ist vor dem Hintergrund eines zu fordernden rational-kritischen Geschichtsverständnisses letztlich belanglos.

Nicht nur hinsichtlich der Befähigung zu historischer Urteilsbildung, sondern auch hinsichtlich der Vermittlung elementarer zeitgeschichtlicher Kenntnisse — dies als bewußte Eingrenzung — erweist sich die Bilanz des Geschichtsunterrichts nach wie vor als defizitär. Seit den Tagen Friedeburg/Hübners überraschen befragte Schüler (vorzugsweise Hauptschüler, aber auch Abiturienten) immer wieder durch ein von Gemeinplätzen durchsetztes und recht lückenhaftes zeitgeschichtliches Wissen Mir will es nicht mehr so ohne weiteres einleuchten, lückenhafte zeitgeschichtliche Kenntnisse und insbesondere auch mangelnde historische Urteilsfähigkeit der Schüler auf eine (anhaltend) schlechte Realität des Geschichtsunterrichts, d. h.seiner schulischen Lehrpläne, seiner didaktischen Konzepte, seiner Lehrmaterialien, seiner vielleicht schlecht ausgebildeten und wenig motivierten Lehrer usw., zurückzuführen, wie dies in der kritischen Beurteilung des Geschichtsunterrichts zu Beginn der siebziger Jahre geschehen ist Mir schiene vielmehr der Verdacht untersuchenswert, daß auch ein inhaltlich und didaktisch verbesserter Geschichtsunterricht, von dem heute mehr und mehr auszugehen ist, oder auch die zusätzliche Geschichtsstunde bzw. die stärkere Berücksichtigung von Geschichte im Politikunterricht, die von manchen gefordert werden, die Strukturen der vorunterrichtlichen und unterrichtsbegleitenden historischen Bewußtseinsbildung und Kenntnisvermittlung nur ganz oberflächlich berühren.

So weisen z. B. Schüler vor Eintritt in bzw. ohne zeitgeschichtlichen Unterricht vergleichbare Kenntnisse, Kenntnislücken oder Verkürzungen auf wie Schüler nach entsprechendem Unterricht — die außerschulische Wissensvermittlung über Eltern, Medien, Jugendlektüre wirkt offensichtlich zuverlässig. Die Grundstrukturen der vorschulischen historischen Sozialisation schließlich lassen sich in Umrissen aus Schülerbefragungen zum Geschichtsinteresse rekonstruieren, wobei dann häufig von den Autoren Ergebnisse familialer Sozialisation als psychologische Voraussetzungen eines altersgemäßen Geschichtsunterrichts ausgegeben worden sind mit einiger Wahr-scheinlichkeit dürften spätere geschichtliche Ar-gumentationsund Urteilsmuster, wie sie in Umrissen erläutert worden sind, in diesen Grundstrukturen einer bereits in den Geschichtsunterricht eingebrachten historischen Sozialisation angelegt sein. Zugespitzt formuliert: Bereits die vor bzw. begleitend zum Geschichtsunterricht familial vermittelte und gefüllte Grundeinstellung gegenüber der Geschichte — z. B. eine völlig ablehnende oder eine rein antiquarische oder eine individuell-psychologische oder eine gegenwarts-vorgeschichtliche oder eine sozialbiographisch-voreingenommene Motivation oder auch eine Wertschätzung als Bildungsgut — dürfte das spätere Geschichtsbewußtsein des Jugendlichen und Erwachsenen entscheidend vorprägen.

Untersuchungs-und Entwicklungsfelder

Diese letzte wie auch die zuvor aufgeworfenen Fragen dürften nicht länger spekulativ, subjektiv bzw. auf schmälster und vermutlich überholter empirischer Basis beantwortet werden; vielmehr müßte die Geschichtsdidaktik der Bundesrepublik — hier verstanden als Didaktik aller innerund außerschulischen, intentionalen wie latenten geschichtlichen Lernprozesse — entweder im Zusammenwirken vorhandener Lehrund Forschungskapa-zitäten oder im Rahmen eines zeitlich begrenzten Sonderforschungsprogramms den hier ausgefalteten Themenkomplex systema-tisch in möglichst vielen und breitangelegten Untersuchungen erhellen und in handhabbare Ergebnisse für Vermittler geschichtlicher Bildung in der Geschichtslehrerausbildung, in der Schule und außerhalb der Schule umsetzen. (Daß eine solche Aufgabe nur interdisziplinär, also im Zusammenwirken von Geschichtswissenschaft/Geschichtsdidaktik, Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie, und eingebettet in das Gesamtfeld historisch-politischen Lernens und seiner Didaktik sinnvoll zu leisten wäre, sei hier nur am Rande vermerkt.) Unter bewußter Ausgrenzung, wenn auch nicht Außerachtlassung des eigentlichen Geschichtsunterrichts, d. h.seiner Theorien, Lernziele, Inhalte, Medien, Interaktionsformen und Beteiligten, wären von der geschichtsdidaktischen Forschung vordringlich folgende Komplexe in Angriff zu nehmen:

— die vorschulische historische Sozialisation, — das Problem mittel-und langfristiger Lernergebnisse des Geschichtsunterrichts, — das Geschichtsbewußtsein Erwachsener, — Strukturen historischer Bildungsangebote außerhalb der Schule, — und die Entwicklung einer Didaktik der außerschulischen historischen Bildung. 1. Entstehen, Strukturen, Inhalte und Festigkeit der historischen Sozialisation von Kindern bis zum Eintritt in den Geschichtsunterricht müßten in Abhängigkeit von den verschiedensten Bedingungsfaktoren (Soziallage, Sozialgeschichte, Bildungssituation des Elternhauses; lokale Umwelt; Lesegewohnheiten, Medienkonsum des Kindes usw.) empirisch untersucht werden. Diese Untersuchungen müßten in regelmäßigen Abständen unter vergleichbaren Bedingungen wiederholt werden, um evtl. Veränderungen der historischen Sozialisation infolge eines sich ändernden geschichtlichen Selbstverständnisses der Gesellschaft (in letzter Konsequenz durch nachrükkende Elterngenerationen) feststellen zu können. 2. Auf der Basis der dann bekannten, von Kindern eingebrachten historischen Sozialisa-tion wären mittel-und langfristige Einstellungs-und Verhaltensmodifikationen als Ergebnis von Geschichtsunterricht nachzuprüfen. Dabei wären sowohl die unterschiedlichen Ausgangsdaten der Schüler und Schüler-gruppen als auch divergierende didaktische Konzepte des praktizierten Geschichtsunterrichts als Variablen zu behandeln und über Kontrollgruppen auf ihren Einfluß zu untersuchen

Eine zusätzliche, aber unabdingbare Aufgabe wäre, die unterrichtsbegleitende historische Sozialisation — ausgehend von der Katalysa-torfunktion des Unterrichts bei der familialen Interaktion bzw. bei der Aufnahme außerschulischer historischer Bildungsimpulse durch den Schüler — in ihrer verstärkenden oder modifizierenden strukturellen Wirkung auf Bildungsprozesse im Geschichtsunterricht schlüssig zu lokalisieren.

Die Weiterentwicklung der bei der Schulentlassung vorhandenen geschichtlichen Urteils-fähigkeit, des Bewußtseins und Interesses sollte bei ausgewählten Gruppen in regelmäßigen Abständen unter Einbeziehung persönlicher (d. h. beruflicher, sozialer, familialer) wie gesellschaftlicher Daten (z. B. von Entwicklungen im Geschichtsbewußtsein gesellschaftlicher Gruppen) verfolgt werden.

Es sollte insbesondere auch eine Selbstverständlichkeit und Selbstverpflichtung werden, geschichtsdidaktische Gesamt-und Teilentwürfe in angemessener Frist nach ihrer Vorlage durch intersubjektiv kontrollierbare und erschöpfend dokumentierte Unterrichtsversuche oder Praxisberichte zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern; dabei dürfte es sich nicht um Gefälligkeitsäußerungen von beteiligten Lehrern und Schülern oder um einstudierte Musterlektionen vor Ausnahme-klassen handeln. Solche Evalutionsberichte könnten mosaikartig mittel-und langfristige Auswirkungen von Geschichtsunterricht erhellen. 3. Geschichtsbewußtsein, Geschiehtsinteresse und Geschichtsbedürfnis heutiger Erwachsener wären als Konsequenz ihrer zu rekonstru-ierenden historischen Sozialisation und ihres Geschichtsunterrichts, aber auch in Abhängigkeit von Alter, persönlicher/kollektiver Lebensgeschichte, Beruf, Geschlecht, sozialer Lage usw., nicht nur einmalig, sondern periodisch empirisch zu erheben Zu prüfen wäre insbesondere, ob beschreibbare Bevölkerungsgruppen, z. B. Hauptschüler oder Frauen, in relative Geschichtslosigkeit entlassen werden oder ob z. B. andere Gruppen berufsbedingt geschichtliches Denken . professionalisieren'. Es liegt auf der Hand, daß die so gewonnenen Erkenntnisse aus den bisher genannten drei Sozialisationskontexten ständig aufeinander bezogen werden müßten; Fernziel könnte ein in seinen Bedingungsfaktoren bekanntes pro-zeßhaftes Profil historischen Denkens über die Stationen frühkindlicher Sozialisation, schulischer und schulbegleitender geschichtlicher Bildungsprozesse sowie nachschulischer historischer Bildung sein. 4. Außerschulische Angebote historischer Bildung müßten nach manifesten Inhalten, ihrer Reichweite, ihren vermuteten sozialen Funktionen und den u. U. geschichtspädagogischen Absichten ihrer Vermittler bzw. Träger untersucht werden. Der Bogen dieser zu untersuchenden außerschulischen Angebote und Instanzen kann zunächst gar nicht weit genug gespannt werden einer Summierung von Einzelanalysen und der oben geschilderten Adressatenbefragungen wird es dann überlassen bleiben, abzuschätzen, welche tatsächliche Bedeutung für das geschichtliche Bewußtsein einzelne Angebotstypen unter welchen Voraussetzungen bei welchen Adressaten-gruppen haben. Ohne den Anspruch der Vollständigkeit seien genannt:

— Fernsehsendungen zu historischen Themen ebenso wie Fernseh-Unterhaltungssendungen vor geschichtlichem Hintergrund oder in historischer Einkleidung — Kinofilme mit historisch-dokumentarischem Anspruch ebenso wie Spielfilme vor geschichtlichem oder zeitgeschichtlichem Hintergrund

— Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Publikumszeitschriften: dies müßte Lokalzeitungen aus Orten mit und ohne . Vergangenheit'ebenso einbeziehen wie die überregionale Boulevardpresse, geschichtsbewußte Organe wie FAZ, Die Welt, Die Zeit, Spiegel, Stern usw. ebenso wie vermutlich . geschichtslose'Frauenzeitschriften, Jugendzeitschriften und Soraya-Blätter — Geschichte in der Konsum-und Dienstleistungswerbung ;

— Belletristik vor historischem oder zeitgeschichtlichem Hintergrund

— historische Sach-und Populärliteratur in ihrer ganzen Bandbreite einschließlich Bildbände, Biographien, Memoiren, Sittengemälde; ein vereinfachter Zugang böte sich hier über das Angebot von Buchklubs; — geschichtliche Jugendbücher

— geschichtliche Comics

— populäre Geschichtszeitschriften;

— Theaterstücke zu historischen Themen oder in historischer Einbettung;

— Museen und Ausstellungen;

— historische Sehenswürdigkeiten und historische bzw. historisierende lokale Feste bzw. Bräuche

— Aktivitäten von Historischen Vereinen bzw. Heimatvereinen — Veranstaltungen in Einrichtungen der Erwachsenen-und Jugendbildung.

Die Inhaltsanalyse dieser historischen Angebote müßte begleitet sein von Angaben über den prozentualen Stellenwert der Geschichte im untersuchten Medium, von Angaben über Auflage bzw. Reichweite oder Besucherzahl, von einer Adressatenstatistik und — sofern möglich und sinnvoll — von Aufschlüssen über das geschichtliche bzw. geschichtspädagogische Bewußtsein der Kommunikatoren (z. B.der mit historischen Themen befaßten Fernseh-, Illustrierten-oder Lokalredakteure) Vorrang bei der Untersuchung sollten alle Massenformen geschichtlicher Bildung genießen

5. Die Vermittlung historischer Erkenntnisse und historischen Bewußtseins über außerschulische Kanäle unterliegt eigenen medien-spezifischen, in zweiter Linie aber auch geschichtsdidaktischen Gesetzen. Den Kommunikatoren in den Medien und den pädagogisch Tätigen in der Erwachsenenbildung — evtl, auch . heimlichen'Sozialisatoren wie den Eltern und Großeltern — ihr geschichtspädagogisches Tun bewußt zu machen und zusammen mit ihnen didaktische Leitlinien für Geschichte in Massenmedien, Populärliteratur, Erwachsenenbildung und Elternbildung zu entwickeln, wäre Aufgabe einer Didaktik außerschulischer Geschichtsbildung, die sich neben . geschichtsunterrichtsdidaktischen'Erkenntnissen solche der Mediendidaktik und der Erwachsenenpädagogik zunutze machen müßte. Für historische Museen und Ausstellungen ist diese Arbeit in museumsdidaktischen Konzepten bereits geleistet

Erscheint es immerhin möglich, die zahlenmäßig wenigen, aber einflußreichen . Geschichtspädagogen'in den Medien, in Verlagen, in Museen und in Einrichtungen der Erwachsenen-und Jugendbildung anzusprechen und hinsichtlich ihrer Aktivitäten zu sensibilisieren, so scheint eine vergleichbare Sensibilisierung für ihre (Fehl) Leistungen an historischer Sozialisation bei der Gruppe der Eltern und Großeltern auf den ersten Blick ausgeschlossen. Jedoch wären auch hier Vorstöße denkbar und zu erproben: z. B. Elternbriefe zu Schulgeschichtsbüchern, Elternabende, Eltern-arbeit, Artikel in Elternzeitschriften, die dieser Gruppe insgesamt die Problematik einer latenten historischen Sozialisation in der Familie vor Augen führen.

Eine weitere — jetzt wieder unmittelbar adressatenbezogene — Hand in Hand mit der Mediendidaktik zu leistende Aufgabe einer Didaktik außerschulischer Geschichtsbildung wäre, Erwachsene zum kritischen Um-gang mit Artikeln, Sendungen oder Veranstaltungen historischen Inhalts zu befähigen. Eine derartige Einübung in den Umgang mit populären historischen Impulsen nach der Schulzeit, d. h. mit Geschichte im Alltagsleben, müßte natürlich bereits im Geschichtsunter-richt stattfinden — allerdings nicht unter motivationsverhindernden Aspekten. Um den Geschichtslehrer zur Analyse historischer Themen in den Massenmedien zu befähigen, wären wiederum Voraussetzungen in der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung zu schaffen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Rolf Schörken, Lerntheoretische Fragen an die Didaktik des Geschichtsunterrichts, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 21 (1970), 7, S. 419.

  2. Rolf Schörken, Geschichtsdidaktik und Geschichtsbewußtsein, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 23 (1972), 2, S. 81— 89.

  3. Joachim Rohlfes/Karl-Ernst Jeismann (Hrsg.), Geschichtsunterricht. Inhalte und Ziele, Stuttgart 1974, S. 110. Jetzt weiter ausgeführt durch Karl-Ernst Jeismann, Didaktik der Geschichte, in: Erich Kosthorst (Hrsg.), Geschichtswissenschaft. Didaktik — Forschung — Theorie, Göttingen 1977, S. 9— 33. Jeismanns Plädoyer für die »Wissenschaft von Zustand, Funktion und Veränderung geschichtlicher Vorstellungen" (S. 9) als genuiner Aufgabe der Geschichtswissenschaft dürfte freilich noch manches Kopfschütteln sowohl bei der sog. (schulischen) Fachdidaktik als auch bei der sog. Fachwissenschaft auslösen.

  4. Walter Fürnrohr/Hans Georg Kirchhoff (Hrsg.), Ansätze empirischer Forschung im Bereich der Geschichtsdidaktik. Tagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik vom 1. bis 3. Oktober 1975 in Nürnberg, Stuttgart 1976. Der außerschulische Bereich und Überlegungen zu Fernwirkungen des Geschichtsunterrichts waren nur Teilthemen der Tagung: einen Schwerpunkt bildeten die Auseinandersetzung über Empirie überhaupt und Untersuchungen zum engeren Umkreis des Geschichtsunterrichts. Allein Joachim Radkau (S. 260— 277) und Wilhelm van Kämpen (S. 286— 294) sind in ihren Beiträgen entschieden für Untersuchungen der außerschulischen . Produktion'von Geschichtsbewußtsein eingetreten;

  5. Vgl. die Einleitung der Herausgeber in: Geschichtsdidaktik 1 (1976), 1, S. 1, sowie die Hefttitel von 1 (1976), 1 und 2, sowie 2 (1977), 1. Hervorhebungen von mir.

  6. Schörken, Geschichtsdidaktik und Geschichtsbewußtsein, a. a. O., S. 81.

  7. Ebd. Schörken betont, daß er mit seiner Frage nicht auf Untersuchungen zum Geschichtswissen und Geschichtsbildern von Schülern im relativ unmittelbaren Zusammenhang mit genossenem Geschichtsunterricht abzielt.

  8. Ebd., S. 82.

  9. Ernst Weymar, Funktionen historischen Unterrichts in der Schule, in : Eberhard Jäckel/Ernst Weymar (Hrsg.), Die Funktion der Geschichte in unserer Zeit, Stuttgart 1975, S. 265— 279. Statt Weymar ließen sich auch andere Geschichtsdidaktiker mit ihren Zielperspektiven anführen; z. B. Annette Kuhn, Einführung in die Didaktik der Geschichte, München 1974; Joachim Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte, 3. Aufl. Göttingen 1974; Hans Glöckel, Geschichtsunterricht, Bad Heilbrunn 1973.

  10. Es sei zugegeben, daß das Problem der Fern-wirkungen des Geschichtsunterrichts in der Literatur als wunder Punkt eingestanden und daß das Fehlen von Untersuchungen bedauert wird; Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte, a. a. O., S. 13; Rohlfes/Jeismann, a. a. O., S. 110; Glöckel, a. a. O., S. 63 f.; Kuhn, a. a. O., S. 34; Peter Schulz-Hageleit, Wie lehrt man Geschichte heute?, Heidelberg 1973, S. 125 ff.

  11. Vgl. Bodo von Borries, Lernziele und Testaufgaben für den Geschichtsunterricht, Stuttgart 1973; ders., Wie man Geschichtstests nicht machen darf, in: Geschichtsdidaktik 1 (1976), 2, S. 22— 38; Hans Forster (Hrsg.), Allgemeine Lernziele zur Geschichte und Sozialkunde, Würzburg 1975; Dietger Feiks/Volker Laubert/Gerhard Rothermel, Objektivierte Leistungsmessung, Leistungsbeurteilung und Lerndiagnose. Testmodelle am Beispiel des Geschichtsunterrichts, Stuttgart 1975. Einen Versuch, fachspezifische Kommunikation im Geschichtsunterricht in Kategorien empirisch zu erfassen, dessen Praktikabilität und Erweiterungsfähigkeit für geschichtliches Denken generell noch nicht abzuschätzen ist, haben vorgestellt: Ulrich Mayer/Hans-Jürgen Pandel, Kategorien der Geschichtsdidaktik und Praxis der Unterrichtsanalyse, Stuttgart 1976.

  12. Schörken, Geschichtsdidaktik und Geschichtsbewußtsein, a. a. O., S. 88.

  13. Man vergleiche dazu nach dem ersten Entwurf (Schörken, Geschichtsdidaktik und Geschichtsbewußtsein, a. a. O.) die Verfeinerung des Identitätskonzeptes für Geschichtsunterricht wie Politik-unterricht: ders., Kriterien für einen lernziel-orientierten Geschichtsunterricht, in: Jäckel/Wey-mar, a. a. O., 280— 293; ders., Zur Tauglichkeit von Identitätskonzepten für die politische Bildung, in: Walter Gagel/Rolf Schörken (Hrsg.), Zwischen Politik und Wissenschaft, Opladen 1975, S. 25— 40. Dort auch weitere Literatur zu Rollenkompetenz und Identität.

  14. Friedhelm Streiffeier, Zur lerntheoretischen Grundlegung der Geschichtsdidaktik, in: Hans Süssmuth (Hrsg.), Geschichtsunterricht ohne Zukunft?, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 102— 132.

  15. Vgl. dazu — gearbeitet im Rahmen einer Auseinandersetzung mit der (ver) öffentlich (t) en Debatte um das Geschichtsverständnis der Hessischen Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre — Klaus Bergmann/Hans-Jürgen 'Pandel, Geschichte und Zukunft. Didaktische Reflexionen über veröffentlichtes Geschichtsbewußtsein, Frankfurt 1975, insbesondere abschließend (S. 166): „Und schließlich: Indem Geschichte wieder Perspektiven 1 durch Identifizierungsmöglichkeiten eröffnet, kehrt sich der Verlust der — bürgerlichen — Geschichte um in eine Aneignung der Geschichte der Unterdrückten. Ein Geschichtsunterricht, derauf diese Weise die lebensgeschichtlich angelegte personale und soziale Identität der Schüler bedenkt und als Lerngegenstand in den Unterricht einbringt, macht Identifikationsangebote, statt irreversible Prägungen vorzunehmen.“

  16. Hermann Giesecke, Thesen zum Geschichtsunterricht, in: neue Sammlung 14 (1974), S. 53— 65.

  17. Annette Kuhn, Wozu Geschichtsunterricht? Oder ist ein Geschichtsunterricht im Interesse des Schülers möglich?, in: Geschichtsdidaktik 1 (1976), 1, S. 39— 47.

  18. Vgl. Erich Kosthorst, Zeitgeschichte und Zeit-perspektive, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 22/75, S. 3— 10. Im Rahmen eines von Behr-mann/Jeismann/Kosthorst/Süssmuth/Quandt herausgegebenen Curriculum „Geschichte/Politik" in Unterrichtseinheiten jetzt für die Unterrichtspraxis verdeutlicht: Erich Kosthorst/Karl Teppe, Die Teilung Deutschlands und die Entstehung zweier deutscher Staaten (mit Materialheft und Arbeitsheft), Paderborn 1976.

  19. Vgl. Joachim Kuropka/Hans-Georg Wolf, Geschichtsbewußtsein, Geschichtsunterricht, Geschichtswissenschaft, in: Geschichte/Politik und ihre Didaktik 4 (1976), 1/2, S. 10— 15; und dies., Geschichtsdidaktik und Geschichtsbewußtsein, in: Geschichte/Politik und ihre Didaktik 5 (1977), 1/2, S. 23— 42.

  20. Vgl.derartige Funktionsbeschreibungen bei: Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte, a. a. O., S. 138— 140; Rohlfes/Jeismann, a. a. O., S. 118— 122; Kuhn, Einführung in die Didaktik der Geschichte, a. a. O., S. 70— 73; Glöckel, a. a. O., S. 41— 44.

  21. Vgl. in diesem Zusammenhang neben dem schon erwähnten Tagungsbericht von Rohlfes, Geschichte in der Öffentlichkeit, a. a. O., einen Bericht über eine Tagung der Ranke-Gesellschaft zum gleichen Problemkreis: Hagen Schulze, Geschichte im öffentlichen Leben der Nachkriegszeit.

  22. Überblick: Axel Görlitz, Politische Sozialisationsforschung, Stuttgart 1977; Gisela Schmitt, Politische Sozialisationsforschung — Auftakt zu einer verbesserten Didaktik der Politischen Bildung?, in: Peter Gutjahr-Löser/Hans-Helmuth Knütter (Hrsg.), Der Streit um die politische Bildung, München 1975, S. 221— 259.

  23. Eine erste vorsichtige Parallele zog in Darlegung der politischen Sozialisationsforschung Hans Süssmuth, Politische Sozialisation als Determinante der Unterrichtsplanung, in: ders. (Hrsg.), Historisch-politischer Unterricht. Planung und Organisation, Stuttgart 1973, S. 73— 93. Süssmuth: „Die historische Dimension ist ein konstituierendes Element im politischen Sozialisationsprozeß. Geschichtliche Bezüge werden zwar zu einem erheblichen Teil unbewußt aufgenommen und weitergegeben, der Ausschnitt der bewußten Aufnahme und Analyse ist begrenzt" (S. 89). Vgl. in einem weiteren Zusammenhang: Ernst-August Roloff, Geschichte und politische Sozialisation, in: Bd. 96 der Schriftenreihe Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Historischer Unterricht im Lernfeld Politik, Bonn 1973, S. 113— 126; Antonius Holtmann, Sozialisation, Lernen und Theoriebildung, in: Hi-storischer Unterricht im Lernfeld Politik, a. a. O., S. 127— 159.

  24. Giesecke, a. a. O., S. 55; Bergmann, a. a. O., S. 23— 24; Lothar Steinbach, Der Beitrag der Sozialisationsforschung zur Geschichtsdidaktik, in: Geschichtsdidaktik 1 (1976), 1, S. 30— 39; ders., Didaktik der Sozialgeschichte, Stuttgart 1976. In diesem letzten Beitrag versucht Steinbach, von einer historischen Fallstudie des Klassenbewußtseins der Sozialdemokratie im Kaiserreich ausgehend die historische Sozialisation heutiger Schüler in Richtung auf wünschenswerte Sozialisationsergebnisse eines kritischen Geschichtsunterrichts aufzubrechen.

  25. Bergmann, a. a. O., S. 23— 24.

  26. Steinbach, Didaktik der Sozialgeschichte, a. a. O., S. 59. Weiter unten (S. 67) spricht er davon, „wie stark etwa normative Verhaltensorientierungen einer Gesellschaft auf dem Wege der Internalisierung durch das Individuum sich zu internen Steuerungsmechanismen („interne Kontrollen") verfestigen und nun schwer, schon gar nicht in einer ausweglosen Einzelaktion etwa eines Geschichtslehrers, in der knappen zur Verfügung stehenden Zeit unterrichtlicher Sozialisation durchbrochen werden können“.

  27. Trotz seiner artikulierten Skepsis hofft auch Steinbach, Didaktik der Sozialgeschichte, a. a. O., S. 33— 34, den ich hier stellvertretend für ähnliche Ansichten zitiere: „Denn als Subjekt einer gesellschaftlich verstandenen Geschichte könnten die . Lernerfahrungen aus der Geschichte'sich in einer Verhaltens-und Bewußtseinsveränderung bis hin zur aktiven Partizipation an der Gestaltung gesamtgesellschaftlicher Veränderungsprozesse niederschlagen. So konditioniert, müßte am Ende der emanzipierte . citoyen'dastehen, der aus seiner Statistenrolle heraustritt und sich mit Gegenständen der Geschichte beschäftigt, deren handelndes Subjekt potentiell er selbst sein könnte."

  28. Auch van Kämpen hält die außerschulische Produktion von Geschichtsbewußtsein für effektiver als Unterricht und dringt darauf, die Gründe dieser Überlegenheit zu erforschen; vgl. Wilhelm van Kämpen, Zur Notwendigkeit, etwas über die außerschulische Produktion von Geschichtsbewußtsein zu erfahren, in: Fürnrohr/Kirchhoff, a. a. O., S. 286— 294.

  29. Vgl. Schörken, Geschichtsdidaktik und Geschichtsbewußtsein, . a. O., S. 82— 85.

  30. Giesecke, a. a. O., S. 55.

  31. Vgl. dazu geschichtliches Argumentieren in Parlamentsdebatten: Karl Georg Faber, Zum Einsatz historischer Aussagen als politisches Argument, in: Historische Zeitschrift Bd. 221 (1975), S. 265—-303; Wolfgang Bach, Geschichte als politisches Argument. Eine Untersuchung an ausgewählten Debatten des Deutschen Bundestages, Stuttgart 1978. Vgl. auch die in den Medien geführte Auseinandersetzung um den Stellenwert der Geschichte in den Hessischen Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre: Bergmann/Pandel, a. a. O., S. 17— 30 und 183— 314.

  32. Ludwig von Friedeburg/Peter Hübner, Das Geschichtsbild der Jugend, München 1964, S. 11.

  33. Rolf Schörken, Kognitive Strukturen im täglichen Geschichtsunterricht, in: Fürnrohr/Kirchhoff, a. a. O., S. 184.

  34. Vgl. Friedeburg/Hübner, a. a. O., S. 28 ff.; Karl Filser, Geschichte mangelhaft. Die Krise eines Unterrichtsfaches in der Volksschule, München 1973; Hans Oehler, Geschichtswissen und Geschichtsbild der Abiturienten, in: Reinhard Mielitz (Hrsg.), Das Lehren der Geschichte, Göttingen 1969, S. 46— 55; Reinhard Mielitz, Das Faktenwissen der Studienanfänger, in: Mielitz, Das Lehren der Geschichte, a. a. O., S. 90— 102; Karl Holl, Geschichtsunterricht für eine demokratische, zukunftsorientierte Gesellschaft, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 21 (1970), 8, S. 486— 494; neuerdings: Dieter

  35. Vgl. dazu neben Friedeburg/Hübner, a. a. O.: Klaus Bergmann, Personalisierung im Geschichtsunterricht — Erziehung zur Demokratie?, Stuttgart 1972; Helmut Hoffacker/Klaus Hildebrandt, Bestandsaufnahme Geschichtsunterricht, Stuttgart 1973; Volker Nitzschke/Kurt Fackiner, Abschied vom klassischen Schulfach, Heidelberg 1972; Reinhard Kühnl (Hrsg.), Geschichte und Ideologie, Reinbek 1973; Wolfgang Marienfeld, Geschichte im Lehrbuch der Hauptschule, Stuttgart 1972; Kritik der bürgerlichen Geschichtswissenschaft, Das Argument, Bd. 70, 1972; Peter Körner/Matthias Meyn (Hrsg.), Geschichtswissenschaft in Studium und Schulpraxis, Gießen, 3. Aufl. 1973.

  36. Man vergleiche die Ergebnisse von Filser, a. a. O., dessen Befragte zu knapp 80 °/o zeitgeschichtlichen Unterricht hatten (S. 68), mit der Untersuchung von Voreinstellungen und Vorwissen zum Nationalsozialismus bei Gerhard Wiesemül-

  37. Vgl. dazu neben den o. a. Untersuchungen von Roth, Küppers, Friedeburg/Hübner und Bickert: Ursula Gehrecke, Geschichts-Interesse bei Kindern und Jugendlichen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 11 (1960), S. 750— 769; Ulrike Emrich, Was halten Schüler von Alter Geschichte? in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 22 (1971), S. 340— 363; Wolfgang Marienfeld, Geschichtliches Interesse bei Kindern und Jugendlichen, in: Karl Filser (Hrsg.), Theorie und Praxis

  38. Hier wäre an eine informelle Forschungskooperation der geschichtsdidaktischen Aktivitäten der Bundesrepublik nach dem Muster der „Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik'zu denken. Möglich wären auch aus Drittmitteln finanzierte, an geschichtsdidaktischen Lehrstühlen angebundene Forschungsprojekte.

  39. Verwiesen sei hier auf überregionale, von Bund/Ländern, von der Stiftung Volkswagenwerk, der Deutschen Forschungsgemeinschaft u. a. finanzierte Forschungseinrichtungen: „Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften“ an der Universität Kiel, „Institut für Didaktik der Mathematik“ an der Universität Bielefeld, „Deutsches Jugendinstitut" in München, „Max-Planck-Institut für Bildungsforschung" in Berlin, „Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht“ in München, „Deutsches Institut für Fernstudien“ an der Universität Tübingen. Da der Komplex historischer Sozialisation und außerschulischer historischer Bildung in Distanz zum schulischen Bereich steht, wäre eine Anbindung an Bildungsforschungseinrichtungen, Projekte, Kommissionen oder Zentren für Curriculumentwicklung und Lehrerfortbildung einzelner Länder m. E. nicht sinnvoll.

  40. Einen ersten und ohne Nachfolge gebliebenen Versuch, die Wirksamkeit von Geschichtsunterricht unter bestimmten Faktoren (Gruppenunterricht versus Frontalunterricht) zu differenzieren, hat unternommen: Hans Müller, Zur Effektivität des Geschichtsunterrichts. Schülerverhalten und allgemeiner Lernerfolg durch Gruppenunterricht, Stuttgart 1972. Vgl. dazu die Kritik von Günther-Arndt, a. a. O., S. 33— 36.

  41. Hier liegen beachtenswerte Vorüberlegungen von Joachim Radkau vor: Zur empirischen Erforschung des Interesses an der Geschichte. Vorüberlegungen über mögliche Ziele und Methoden einer Umfrage, in: Fürnrohr/Kirchhoff, a. a. O., S. 260— 277; ders., Das Geschichtsinteresse von PH-Studenten. Ergebnisse zweier Umfragen, in: ebd., S. 45— 75.

  42. Wolf/Kuropka, Geschichtsdidaktik und Geschichtsbewußtsein, a. a. O., S. 39— 41, haben einen umfassenden Katalog von „Medien des Historischen" zusammengetragen.

  43. Allgemein zum Fernsehen: Friedrich Knilli (Hrsg.), Die Unterhaltung der deutschen Fernsehfamilie, München 1971; Walter Menningen, Abend

  44. Hier sind . historische'Fälle von Historienfilmen bzw. von dokumentarischen Filmen, bes.des Nationalsozialismus, und Probleme ihrer unterrichtlichen Verwendung seit längerem gut erarbeitet; dazu als Überblick mit weiteren Literaturhinweisen: Manfred Dammeyer, Nationalsozialistische Filme im historisch-politischen Unterricht, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 16/77, S. 3— 24. Vgl. in diesem Zusammenhang Darstellungen der Filmgeschichte: Ulrich Gregor/Enno Patalas, Geschichte des Films, München 1973; Francis Courta-de/Pierre Cadars, Geschichte des Films im Dritten Reich, München 1975.

  45. Allgemeine Analysen zu Presse und Illustrierten: Carles Ossorio-Capella, Der Zeitungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt 1972; Reinhard Kühnl, Das Dritte Reich in der Presse der Bundesrepublik, Frankfurt/M. 1966; Ernst H.

  46. Eine anregende erste Skizze bei: Gerhard Schneider, Geschichte in der Werbung — Überlegungen und Materialien, masch. Beitrag zur Tagung „Geschichte in der Öffentlichkeit“ in Osnabrück 1977. Allgemein: Arnold Hermanns, Sozialisation durch Werbung. Sozialisationswirkungen von Werbeaussagen in Massenmedien, Düsseldorf 1972; Hermanr K. Ehmer (Hrsg.), Visuelle Kommunikation. Beiträge zur Kritik der Bewußtseinsindustrie, Köln 1971.

  47. Vgl. dazu: Georg Lukacz, Der historische Roman, Neuwied 1965; Hartmut Eggert, Studien zur Wirkungsgeschichte des deutschen historischen Romans 1850— 1875, Frankfurt 1971; Themenheft „Fiktion und Geschichtserfahrung im Roman“ von: Der Deutschunterricht 27 (1975), 3. Außerdem die masch. Beiträge zur Tagung „Geschichte in der Öffentlichkeit“ Osnabrück 1977: Bodo von Borries, Alexander, Caesar & Co. Präsentation und Reflexion antiker Geschichte im modernen Roman; Helmut Scheuer, Historische Belletristik am Ausgang der Weimarer Republik; Dirk Hoffmann, Historische Belletristik als Mittel außerschulischer Bewußtseinsbildung der sozialistisch-organisierten Arbeiterklasse im Deutschen Kaiserreich; Dieter Riesenberger, Historische Belletristik in der DDR; Rolf Schörken, Geschichte im Alltag. Untersuchungen zum trivialen Geschichtsbewußtsein anhand der Romane von Walter Kempowski. Allgemein zur Lesegeschichte: Rudolf Schenda, Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populären Lesestoffe 1770— 1910, Frankfurt 1970; Rudolf Engelsing, Analphabetentum und Lektüre, Stuttgart 1973; ders., Der Bürger als Leser. Leserge

  48. Dieter Riesenberger, Das geschichtliche Jugend-buch, in: Hans Süssmuth (Hrsg.), Historisch-politischer Unterricht. Planung und Organisation, Stuttgart 1973, S. 236— 262; Hermann Bertlein, Das geschichtliche Buch für die Jugend. Herkunft, Strukturen, Wirkung, Frankfurt 1974. Allgemein zur Jugendliteratur und zur Literaturdidaktik: Bernhard Nauck, Kommunikationsinhalte von Jugendbüchern. Eine literatursoziologische Inhaltsanalyse der Themenstruktur westdeutscher Jugendbücher der Erscheinungsjahre 1967— 1969, Weinheim 1974; Gerhard Haas (Hrsg.), Kinder-und Jugendliteratur. Zur Typologie und Funktion einer literarischen Gattung, Stuttgart 1974; Malte Dahrendorf/Walter von Schack, Das Buch in der Schule, Hannover 1969; Gertrud Oel-Willenborg, Von deutschen Helden. Eine Inhaltsanalyse der Karl-May-Romane, Weinheim 1973.

  49. Dieter Riesenberger, Geschichte in Comics, -in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 25 (1974), 3, S. 162— 173 (mit weiterer allgemeiner Literatur zu Comics). Siehe auch: Günter Metken, Comics, Frankfurt 1970 u. ö.; Wolfgang J. Fuchs/Reinhold C. Reitberger, Comics. Anatomie eines Massenmediums, 2. Aufl. Reinbek 1973. Im Gegensatz zur Geschichtsdidaktik (Ausnahme: Riesenberger) sind Comics vom Deutschunterricht, Politik-unterricht, Kunstunterricht didaktisch ernst genommen worden; aus der Fülle der comic-didaktischen Literatur: Dietger Pforte (Hrsg.), Comics im ästhetischen Unterricht, Frankfurt 1974 (mit weiteren Literaturangaben); Ingrid Kerkhoff, Literaturunterricht. Didaktik und Theorie am Beispiel der Comics, Gießen 1975; Überblick über die Comics-Produktion: Peter Orban, Comic-Heft-Kata-log, Frankfurt 1977.

  50. Vgl, dazu aus der Osnabrücker Tagung „Geschichte in der Öffentlichkeit“ 1977 die masch. Beiträge: Maria Zenner, Geschichtsbilder und Geschichtsbewußtsein in der Image-Pflege von Grenzstädten; Volker Pfeifer, Historische Stadtfeste, gestern und heute; Joachim Radkau, Die Verwendung von Industriegeschichte in den Image-Kreationen der Städte.

  51. Vgl. dazu in Fürnrohr/Kirdihoff, a. a. O., die Beiträge: Gustav Luntowski, Die historischen Vereine und ihre Funktion für die geschichtliche Forschung und Bildung (S. 295— 301); Klaus Goebel, Umsetzung der Wissenschaft in kleine Münze? (S. 302— 309); Günter Bers, Aufgaben und Tätigkeit

  52. Dazu: Peter Borowsky/Barbara Vogel/Heide Wunder (Hrsg.), Gesellschaft und Geschichte I. Geschichte in Presse, Funk und Fernsehen, Opladen 1976; Jürgen Prott, Bewußtsein von Journalisten. Standesdenken oder gewerkschaftliche Solidarisierung, Frankfurt 1976; Nina Grunenberg, Die Journalisten. Bilder aus der deutschen Presse, Hamburg 1967; Manfred Rühl, Die Zeitungsredaktion als organisiertes soziales System, Bielefeld 1969.

  53. Zur Massenkommunikation allgemein: Emil Dovifat (Hrsg.), Handbuch der Publizistik, 3 Bde., Berlin 1968/69; Jörg Aufermann/Hans Bohrmann/Rolf Sülzer (Hrsg.), Gesellschaftliche Kommunikation und Information, Frankfurt 1973; Klaus Brepohl, Die Massenmedien, München 1974; Horst Decker/Wolfgang R. Langenbucher/Günter Nahr, Die Massenmedien in der postindustriellen Gesellschaft, Göttingen 1976. Zur Frage der Wirkungen von Massenkommunikation: Franz Ronneberger, Sozialisation durch Massenkommunikation, Stuttgart 1971; Karl M. Setzen, Die gesellschaftliche Funktion der Massenmedien, Heidenheim 1974; Kurt Koszyk, Wirkungen der Massenkommunikation. Ergebnisse und Kritik einer Forschungsrichtung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 39/72, S. 3— 45.

  54. Infolge der traditionell engen Kooperation von Geschichtsunterricht und Museum ist dieser Bereich didaktisch gut ausgelotet: D. Hoffmann/A. Junker/P. Schirmbeck (Hrsg.), Geschichte als öffentliches Ärgernis — Ein Museum für die demokratische Gesellschaft, Gießen 1975; Wolfgang Klausewitz (Hrsg.), Museumspädagogik — Museen als Bildungsstätten, Frankfurt 1975; Ellen Spicker-nagel/Brigitte Walbe (Hrsg.), Das Museum: Lernort contra Musentempel, Gießen 1976. Vgl. auch das Themenheft „Geschichtsunterricht und Mu-seumsdidaktik" von: Geschichtsdidaktik 2 (1977), 3, und neuerdings: Annette Kuhn/Gerhard Schneider (Hrsg.), Geschichte lernen im Museum, Düsseldorf 1978.

  55. Vgl. Dieter Baacke, Kommunikation und Kompetenz. Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer Medien, München 1973; ders. (Hrsg.), Mediendidaktische Modelle: Fernsehen, München 1973; ders. (Hrsg.), Mediendidaktische Modelle: Zeitung und Zeitschrift, München 1973; Jürgen Hüther, Sozialisation durch Massenmedien. Ziele, Methoden, Ergebnisse einer medienbezogenen Jugendkunde, Opladen 1975; Kurt Koszyk (Hrsg.), Fernsehen und Sozialkunde-Unterricht. Untersuchungen zu Prämissen der Mediennutzung in der Sekundarstufe II, Bochum 1975.

Weitere Inhalte

Ulrich Kröll, Dr. phil., geb. 1941 in Gelsenkirchen; Studium der Geschichte, Anglistik, Publizistik und Pädagogik an den Universitäten Hamburg, Erlangen-Nürnberg und Münster; Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Lehrerweiterbildung“ am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster (1971— 1975); Wissenschaftlicher Assistent im Fach Geschichte/Politische Bildung der Gesamthochschule Duisburg (1975— 1977); jetzt Akademischer Rat an der Pädagogischen Hochschule Münster. Veröffentlichungen: Die internationale Buren-Agitation 1899— 1902, Münster 1973; Die englischen Teachers'Centres. Curriculumentwicklung und Lehrerweiterbildung auf lokaler Ebene, Münster 1973; Mitverfasser von: Thesen und Materialien zur Situation der Lehrerweiterbildung in der Bundesrepublik Deutschland, Münster 1974; Mitherausgeber von: Zur Didaktik und Methodik der Lehrerfortbildung, Essen 1976.