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Der deutsche Arbeiterwiderstand 1933— 1945 | APuZ 28-29/1979 | bpb.de

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APuZ 28-29/1979 Wer verhalf der NSDAP zum Sieg? Neuere Forschungsergebnisse zum parteipolitischen und sozialen Hintergrund der NSDAP-Wähler 1924- 1933 Der deutsche Arbeiterwiderstand 1933— 1945 Deutsch-amerikanische Schulbuchrevision

Der deutsche Arbeiterwiderstand 1933— 1945

Detlev Peukert

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In Schule und Öffentlichkeit tritt der deutsche Arbeiterwiderstand gegen Hitler immer noch gegenüber den traditionellen Themen kirchlicher, militärischer und bürgerlicher Opposition zurück. Dabei hat die Forschung im letzten Jahrzehnt gerade auf diesem vorher so vernachlässigten Gebiet viel geleistet. Mit der Frage nach dem Arbeiter-widerstand verschiebt sich das zeitgeschichtliche Erkenntnisinteresse an den Formen und Inhalten des Widerstands zum einen auf die demokratische und sozialistische Traditionslinie des Antifaschismus, ihre Bewahrung trotz Verfolgung in organisierter wie ideeller Form. Es stellt sich heraus, daß Untergrundorganisationen von Sozialdemokraten, Sozialisten, Gewerkschaftern und Kommunisten einen hartnäckigen Kampf gegen das Regime geführt haben. Obwohl ihnen der unmittelbare Erfolg versagt blieb, wirkten auch die Impulse des Arbeiterwiderstands auf die Konstituierung der deutschen Nachkriegs-demokratie ein. Zum anderen rücken die Handlungsbedingungen des Alltagslebens der (Arbeiter-) Bevölkerung, ihre Möglichkeiten zur Verweigerung, zu Protest, kurz: die sogenannte „Volksopposition", stärker ins Licht. Spontane Opposition in den Betrieben, von ausländischen Zwangsarbeitern oder durch Gruppen Jugendlicher machten dem Regime, wie Stimmungsberichte der Gestapo und des Sicherheitsdienstes der SS zeigen, erhebliche Sorgen. Die Beschäftigung mit dem Alltag unter dem Nationalsozialismus und dem alltäglichen Verhalten der Bevölkerung von der Anpassung bis zu Verweigerung und Widerstand eröffnet auch eine neue didaktische Dimension im Geschichts-und Sozialkunde-Unterricht. Sie regt zum forschenden Lernen in der eigenen Umgebung an und erlaubt — wie Holocaust gezeigt hat — einen stärker emotionalen und identifizierenden Zugang zum Widerstand, indem eine Anknüpfung an den eigenen Erfahrungshorizont der Lernenden ermöglicht wird.

I. Verdrängte Geschichte

Zum Stand der Forschung Die bundesdeutsche Öffentlichkeit hat dem Arbeiderwiderstand gegen Hitler bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Erst in den letzten Jahren erweiterte sich der traditionelle Themenkanon von Gedenkfeiern und Schulbuchartikeln über den Dreiklang von Graf Stauffenberg, Kardinal von Galen und die Geschwister Scholl, also von Militär, Kirche und und bürgerlicher Jugend, hinaus 1). Die Bedeutung dieser Gruppen soll nicht bestritten werden, bedenkenswert bleibt aber, daß ihre Hervorhebung mit der Vernachlässigung anderer bedeutender Beiträge zum Widerstand, vor allem aus der Arbeiterschaft, einherging. Zur Erklärung dieser Erinnerungsschwäche reicht es nicht aus, daß ein spektakuläres Ereignis wie das Attentat des 20. Juli 1944 sich deutlicher einprägt als die graue Mühsal von Zellenarbeit und Aufklärung in Arbeiterorganisationen. Auch eine schlechte Quellenlage oder die Beschwernisse der Erschließung regional verstreuter Dokumente können bestenfalls Schwächen in der Darstellung, nicht aber ihr beinahe vollständiges Fehlen erklären.

Man wird daher nicht die spezifische Rolle ausblenden können, die gerade Zeitgeschichte als — kontroverse — Legitimationsgrundlage in beiden deutschen Staaten spielt: Lange schien die bundesdeutsche Forschung den Anspruch der DDR, in der bruchlosen Kontinuität des „proletarischen Klassenkampfes" unter Führung der KPD und von antifaschistischen Volksfrontbündnissen unter ebenfalls kom-munistischer Hegemonie zu stehen, stillschweigend zu akzeptieren. Scheinbar folgerichtig neigte sie dazu, den kommunistischen und mit ihm den gesamten Arbeiterwiderstand sozialistischer Prägung aus dem geschichtlichen Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland auszublenden. Hinzu kam, daß seit der Bildung des ersten Kabinetts Adenauer 1949 die dem kirchlichen, militärischen und konser-INHALT I. Verdrängte Geschichte 1. Zum Stand der Forschung Gab es den Arbeiterwiderstand?

II. Arbeiterparteien in der Illegalität 1. Abwehrversuche und Versagen 1933 2. Organisierte Untergrundarbeit 3. Politische Neubesinnung III. Verweigerung und Protest im Arbeiter-alltag 1. Dimensionen der Alltagskonflikte 2. Ein neues Protestpotential: Jugendliche und Ausländer IV. Zur didaktischen Darstellung des Arbeiterwiderstandes vativen Widerstand zuwiderlaufenden Erinnerungen an den antinazistischen Kampf des demokratischen Sozialismus in Untergrund und Exil systematisch vergessen und übergangen wurden — bis hin zu periodisch wiederkehrenden diffamierenden Attacken gegen prominente sozialdemokratische Emigranten.

Erst seit dem Ende der sechziger Jahre wandte sich eine jüngere Generation von Forschern in der Bundesrepublik mit Studien über einzelne Regionen oder Gruppen dem Widerstand „von unten" zu 2). Damit wurden erste Schritte gemacht, die Verdrängung des Arbeiterwiderstands in der Bundesrepublik ebenso wie dessen einseitig der kommunistischen Tradition zugewandte Heroisierung in der DDR in Frage zu stellen.

Zunächst galt es vor allem, die Geschichte der Untergrund-und Exilorganisationen nach Umfang, Lebensdauer, Verhältnis von Führung und Mitgliedschaft sowie der ideellen Auseinandersetzungen zu rekonstruieren. Das ist inzwischen in einiger Breite geschehen, ohne daß sich diese Forschungsergebnisse bereits in der außerwissenschaftlichen Öffentlichkeit durchgesetzt hätten. Während sich also die Historiker schon dem nächsten Arbeitsfeld zuwenden und sich vornehmlich um die Erhellung des sozialgeschichtlichen Hintergrunds, des Alltags der Arbeiterbevölkerung im Dritten Reich bemühen sind Schulbücher, populärwissenschaftliche Literatur oder Fernsehsendungen, die den Widerstand auch „von unten" darstellen, immer noch die Ausnahme 2. Gab es d e n Arbeiterwiderstand?

Es ist heute in der Forschung anerkannt, daß viele Arbeiter, vornehmlich Mitglieder der ehemaligen linken Parteien und der Gewerkschaften, Widerstand geleistet haben und daß sie schon allein von der Zahl her das Haupt-kontingent der politisch Verfolgten darstellten Läßt sich aber generalisierend von „Arbeiterwiderstand" sprechen, wo dieser Begriff doch eine gewisse Homogenität von politischer Untergrundarbeit, individueller Proteste wie kollektiver Verweigerung einer ganzen sozialen Klasse suggeriert? In einem methodisch strengen Sinn sollte man nur dann von Widerstand sprechen, wenn die Motive und Handlungen der betreffenden Personen auf den Sturz des NS-Regimes insgesamt hinzielten Hierzu zählen sicherlich die organisierte Untergrundarbeit, die Flugblattverteilung, Zellenbildung oder Sabotage.

Wie verhält es sich aber mit Akten individueller Hilfeleistungen oder mit Protesten gegen Einzelmaßnahmen des Regimes? Wie wertet man verbotene Handlungen wie das Abhören ausländischer Sender, das Erzählen regime-kritischer Witze oder die Aufrechterhaltung eines Gesprächszusammenhangs unter Gleichgesinnten? Das Regime bestrafte solche Nonkonformität und dokumentierte damit, daß sein Anspruch zur totalen Durchdringung der Gesellschaft und zur Formierung der „Volksgenossen" in den NS-Organisationen auch die vielleicht unpolitisch gemeinte individuelle Abweichung von der nationalsozialistischen Norm objektiv in die Konfrontation mit dem Regime als ganzem trieb

Unserer methodischen Unterscheidung zwischen intentionalem politischem Handeln (Wistand im engeren Sinne) und unangepaßtem Alltagsverhalten (Verweigerung, Protest) liegt letztlich die alte Trennung von Staat und Gesellschaft zugrunde, die sich mit der Ent-Wicklung der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert herausbildete. Der Faschismus zeichnete sich aber gerade dadurch aus, daß er diese Trennung zurücknahm, den Alltag zwangsweise politisierte und auf der anderen Seite auch die Autonomie des traditionellen Beamtenstaats zerbrach Insofern rückte der nationalsozialistische Totalitätsanspruch einen Großteil des alltäglichen Konflikthandelns in die Sphäre des Antinazismus. Lohn-und Arbeitskonflikte erhielten beispielsweise in einer Rüstungswirtschaft — ob gewollt, oder nicht — eine Stoßrichtung gegen den Krieg. Wie weit sich diese Konfrontation aber auch im Denken und Verhalten der Betroffenen ausdrückte und somit auch intentional als Widerstand begriffen werden kann, ist nur schwer generalisierend zu bestimmen. Außerdem läßt sich zwar der Aktionsbereich einer politischen Gruppe klar umgrenzen, nicht jedoch das Handlungsfeld einer gesellschaftlichen Schicht wie der Arbeiterschaft, die sich nach Qualifikation, nach Branchen (Boom in der Rüstungsindustrie, Stagnation in der Export-und Konsumgüterindustrie und Landwirtschaft), Geschlecht (Anwachsen der Frauenarbeit im Krieg), Nationalität (bis zu einem Drittel ausländischer Arbeiter im Krieg) unterschied. Mit der Einschränkung, daß ihre innere Zusammensetzung und ihre äußeren Abgrenzungen nicht exakt bestimmbar sind, können jedoch einige verallgemeinernde Angaben zum Verhalten der Arbeiterschaft zunächst zur nationalsozialistischen Bewegung, dann dem NS-Staat gegenüber gemacht werden.

Die Mitglieder und Anhänger der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung bestimmten ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus vor und nach 1933 aus ihren Einschätzungen des Gegners, die sich schon in der Weimarer Republik herausgebildet hatten, aus den gesellschaftspolitischen Grundkonzepten, von denen ihre Strategien ausgingen, und aus den traditionellen Handlungsmustern, die sich in ihren Organisationen verfestigt hatten. Nach der Konsolidierung der nationalsozialistischen Diktatur entwickelten sie außerdem — in mannigfacher Verschränkung — drei unterschiedliche Konzepte von Widerstand: als Bewahrung der Tradition, der Gesinnung und des Zusammenhalts (informelle Gesprächskreise, getarnte Vereine), als Entwerfen von Plänen für eine nachfaschistische Demokratie und als unmittelbare Aktion, die das NS-Regime beeinträchtigen (Streik, Sabotage) oder seinen Sturz vorbereiten wollte (Untergrundorganisation).

Wesentlich schwerer fällt es aber, die Haltung derjenigen Arbeiter zu beschreiben, die nicht in der Tradition der sozialistisch-kommunistischen oder gewerkschaftlichen Bewegung standen. Auch sie kommen in zahlreichen Verfahren der NS-Polizei und Justiz wegen „Heimtücke“ und „Volksopposition 11 vor, auch sie artikulierten Unzufriedenheit und Protest. Es wäre verfehlt, solche unorganisierte Verweigerung zu ignorieren; denn ihr Ausmaß erlaubt Rückschlüsse darauf, inwieweit sich größere Bevölkerungsteile der Nazifizierung des Alltagslebens entziehen konnten. Andererseits darf das NS-Klischee von der „Volksgemeinschaft“ nicht einfach durch die Behauptung, die Mehrheit der Einwohner habe zur „Volksopposition" gehört, ausgetauscht werden, nur weil Unzufriedenheit und Unangepaßtheit weit verbreitet waren

In der Folge soll daher der Begriff „Arbeiterwiderstand" nur umgangssprachlich als erster Hinweis auf das Problemfeld verwandt werden, während wir die Bezeichnung „Widerstand“ im engeren Sinne dem intentionalen Handeln, das den Sturz des Regimes wollte, Vorbehalten. Gleichzeitig soll aber das weite, schillernde Feld der Verweigerung und Nonkonformität beachtet werden, das den alltäglichen Hintergrund auch des politischen Widerstands abgab und in dem sich für jedermann täglich die Entscheidungsfrage stellte, ob er sich der nationalsozialistischen Herausforderung unterwerfen oder aber seine eigene Identität auch auf die Gefahr hin, verfolgt zu werden, behaupten sollte. >>II. Arbeiterparteien in der Illegalität

1. Abwehrversuche und Versagen 1933

Es hat lange kritische und selbstkritische Erörterungen über die Schwächen und Fehler der Arbeiterparteien gegeben, die mit ihrer Politik dem Nationalsozialismus zweifellos die Machtergreifung erleichtert haben. Vor aller Kritik muß jedoch zunächst die Feststellung stehen, daß keine politische Gruppierung den Nationalsozialismus so prinzipiell abgelehnt hat, wie die Arbeiterbewegung. Sie wußte sich darin in einer langen demokratischen und sozialistischen Tradition, die von ihrer Gegnerschaft gegen den wilhelminischen Obrigkeitsstaat über ihren außenpolitischen Pazifismus und bis zu ihrem Eintreten für die soziale Emanzipation der abhängig Beschäftigten reichte. Nie hat sie einen Zweifel daran gelassen, daß sie den Nationalsozialismus als antimarxistisch und antiliberal, diktatorisch und auf militärische Revanche sowie auf die politisch-gewerkschaftliche Entmündigung der Arbeitenden zugunsten des Bündnisses mit der alten sozialen Oberschicht ausgerichtet bekämpfen würde.

Die Immobilität von SPD wie KPD gegenüber dem Anwachsen des Nationalsozialismus und dessen endlichem Zugriff auf die Macht resultierte freilich daraus, daß beide Parteien in der Bestimmung des politischen Hauptgegners, in ihren strategischen Vorstellungen und ihren praktischen Handlungsmustern sich nicht von den Erfahrungen der Konstituierungsphase der Weimarer Republik lösen konnten. Die KPD verdeckte in Fortführung der Alternative „Räte-Deutschland oder bürgerlich-parlamentarische Demokratie" die spezifische diktatorische Qualität des Nationalsozialismus unter einer generellen Etikettierung des ganzen parlamentarischen Systems und aller — nichtkommunistischen — Parteien als „faschistisch" und „sozialfaschistisch" Die SPD glaubte — wie schon im Krisenjahr 1923 — durch Zugeständnisse an die bürgerliche Rechte die nationalsozialistischen Republikfeinde isolieren zu können, bis mit dem Ausklingen der wirtschaftlichen Krise Normalität und Stabilität wiederhergestellt sein würden Für beide überwog die traditionelle Konkurrenz innerhalb des Arbeiterblocks gegenüber der gemeinsamen Bedrohung durch den Faschismus so sehr, daß selbst zeitweilige taktische Allianzen mit der NSDAP möglich waren nicht aber mit dem sozialistischen Konkurrenten gegen die NSDAP.

Die Unfähigkeit, vor oder zur Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung einen massiven Widerstand der Arbeiterschaft zu organisieren, wie er beim Kapp-Putsch 1920 noch erfolgreich gewesen war, resultierte nicht nur aus der — jeweils verschieden begründeten — Unterschätzung des Nationalsozialismus durch KPD und SPD, im Gegensatz zu den realistischeren Warnungen der kleinen linken Gruppen (SAP, KPO, ISK). Hinzu kam eine über die politischen Kontroversen hinausreichende soziokulturelle Spaltung des Arbeiterlagers, seit die Kommunisten konkurrierende Gewerkschafts-, Sport-, Kultur-und Jugendorganisationen aufgebaut hatten und gleichzeitig aus den sozialdemokratisch dominierten älteren Verbänden ausgeschlossen wurden. Nicht zuletzt wirkte sich die soziale Spaltung in erwerbslose und erwerbstätige Arbeiter aus, die schwerlich gemeinsam mobilisierbar waren Schon vor 1933 war also die Zersplitterung der politischen Kultur der Weimarer Republik und die Zerklüftung der Arbeiterschaft weit über die Rivalität von Partei-und* Gewerkschaftsrichtungen hinaus fortgeschritten. In beiden Parteien fehlte es nicht an Rufen zur Einheit und zur gemeinsamen Mobilisierung aller Kräfte gegen den Nationalsozialismus. Sie besaßen jedoch gegenüber der Eigendynamik der jahrelangen Parteienkonkurrenz und gegenüber der Unvereinbarkeit der strategischen Orientierungen der jeweiligen Partei-führungen keine Durchsetzungschance. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob eine einheitlichere Arbeiterbewegung dem nationalsozialistischen Ansturm hätte standhalten können. Eine letztlich nicht erfolgreiche geschlossene Abwehrreaktion der Arbeiter hätte'zumindest ihre Anhänger vor jenem weit verbreiteten Gefühl der Depression, Hilflosigkeit und Wehrlosigkeit bewahrt, das sich nach der kampflosen Niederlage 1933 und der demütigenden Erfahrung des SA-Terrors in den Arbeitersiedlungen ausbreitete. 2. Organisierte Untergrundarbeit Die Mitglieder und Funktionäre der Arbeiterparteien vermochten sich zwar 1933 nicht zu einer großen demonstrativen Gegenaktion aufzuraffen, aber viele von ihnen nahmen Verbot und Verfolgung nicht passiv hin, sondern beteiligten sich an Widerstandsaktionen.

SPD Der Parteiapparat der SPD zerfiel zwischen den Reichstagswahlen im März 1933 und dem endgültigen Verbot im Juni 1933 Nach dieser Phase der Unentschiedenheit mit Ansätzen zur Untergrundarbeit und Illusionen über legale Wirkungsmöglichkeiten formierten sich drei neue Initiativen zum Widerstand. Als erste fanden sich vornehmlich linke oppositionelle Sozialdemokraten zusammen, die sich in ihrer Kritik an der Vorstandspolitik bestätigt sahen und eine Erneuerung des Sozialismus anstrebten. Sie gründeten bedeutende regionale Gruppen wie die Sozialistische Front im Raum Hannover oder den Roten Stoßtrupp in Berlin. Parallel dazu hielten an vielen Orten kleine und mittlere Partei-, Reichsbanner-und Gewerkschaftsfunktionäre Kontakt und bewahrten so einen lockeren organisatorischen Zusammenhalt. Seit dem Sommer 1933 versuchte dann auch der nach Prag emigrierte (SOPADE-) Parteivorstand über die Grenzsekretariate in Brüssel, Antwerpen, Karlsbad und anderen Orten Kontakte ins Inland zu knüpfen. Uber solche Wege gelangten detaillierte Stimmungsberichte ins Ausland und sozialdemokratische Schriften wie der „NEUE VORWÄRTS" (sowie seine verkleinerte illegale Ausgabe „Sozialistische Aktion") nach Deutschland.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, verzichtete die Sozialdemokratie auf den Aufbau formeller illegaler Massenorganisationen mit Zellen, Leitungen und Kassierung, die unweigerlich die Gestapo auf die Spur der Widerstandskämpfer geführt hätten. Statt dessen verließen sie sich auf die engen traditionellen Bindungen unter ihren Anhängern, die sich in nachbarschaftlichen Diskussionskreisen, Rundfunk-zirkeln, Sportvereinen oder Konsumgenossenschaften weiter trafen. Dem lag eine nüchtern-unromantische Einschätzung der Widerstands-möglichkeiten im Dritten Reiche zugrunde, aber auch ein großes Vertrauen in die Parteimitglieder, die ohne organisatorische Impulse der alten Gesinnung die Treue hielten. Während sich die vielfältigen informellen Kontakte bis 1945 hielten, zerschlug die Gestapo die meisten fester gefügten Gruppen und die an das Verteilernetz der „Sozialistischen Aktion" angeschlossenen Lesezirkel bis 1935/36. Es gelang allerdings Julius Leber und seinen Freunden im Laufe des Krieges, von Berlin aus ein für die Gestapo kaum faßbares System lockerer Verbindungen zu örtlichen Vertrauensleuten im Reich aufzubauen, das sich bei einer Veränderung der Machtverhältnisse durch einen Militärputsch leicht hätte aktivieren lassen. Folgerichtig traten sie daher als Repräsentanten der Arbeiterschaft an den Kreisauer Kreis, die Goerdeler-Gruppe und an Stauffenberg heran. Kleine sozialistische Gruppen Schon vor 1933 hatten sich kleinere Gruppen wie die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) und die Kommunistische Partei Deutschlands — Opposition (KPO) von der SPD und KPD abgespalten und deren Immobilismus kritisiert Mit ihrem engeren Zusammenhalt, ihrer geringeren Mitgliederzahl und dem hohen Grad an politischer Motivation konnten sie zunächst relativ geschlossen illegal Weiterarbeiten. Gerade die Niederlage 1933 schien ihre These zu bestätigen, daß eine sozialistische Erneuerung der Arbeiterbewegung vordringlich Sei. Diese Parole griffen auch Gruppen auf, die sich erst nach der nationalsozialistischen Machtergreifung herausbildeten, wie der schon erwähnte Rote Stoßtrupp, die sogenannte Deutsche Volksfront in Berlin oder das Hannoveraner Komitee für proletarische Einheit Zwei neu gebildete Gruppen hingegen versuchten, die sozialistische Rekonstruktion gleichzeitig illegal im Reich und im Exil zu forcieren: die Revolutionären Sozialisten Deutschlands unter Führung der bis 1935 noch im SOPADE-Vorstand vertretenen Siegfried Auf-häuser und Karl Böchel und die Gruppe „Neubeginnen" (genannt nach dem Titel einer im Sommer 1933 erschienenen Flugschrift Alle diese linkssozialistischen Gruppen konnten zunächst einigen Einfluß erringen, aber ihr Kreis verengte sich mit der Konsolidierung der NS-Diktatur, als die Hoffnungen auf einen schnellen Umsturz schwanden. Ihre meisten Gruppen fielen bis 1938 der Gestapo zum Opfer.

Gewerkschaften Weil Gewerkschaften breite Zusammenschlüsse zur Verteidigung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeiter sind, konnte es unter den Bedingungen des Gestapo-Terrors keine illegale Gewerkschaftsbewegung als Massenorganisation geben Es war nur möglich, ein Netz von Vertrauensleuten aus ehemaligen Gewerkschaftsfunktionären aufrechtzuerhalten. Diese Funktionäre informierten sich gegenseitig und bewahrten die Infrastruktur für eine zukünftige Reorganisation. Dies geschah sowohl von Seiten der Einzel-gewerkschaften, wie etwa der Eisenbahner und Hafenarbeiter, die der Internationalen Transportarbeiter-Föderation unter dem engagierten Antifaschisten Edo Fimmen angeschlossen waren, oder der Bergarbeiter, die seit 1935 einen Arbeitsausschuß gebildet hatten aber auch durch die in Berlin ansässige illegale Reichsleitung der Gewerkschaften (unter Wilhelm Leuschner) und durch die Auslandsvertretung Deutscher Gewerkschaften (ADG) unter Hermann Schlimme

Der unmittelbar gewerkschaftlichen Interessenvertretung im Betrieb waren die Arbeiter beraubt. Da aber die sozialen Konflikte auch weiter existierten, als man darüber nicht mehr reden durfte, brachen sich andere, spontane und unorganisierte Formen der Interessenvertretung Bahn (langsam arbeiten, Arbeitsplatzwechsel, individuelle Versuche zur Lohnerhöhung) und führten durch ihr massenhaftes Vorkommen zu manchem Zugeständnis durch die Unternehmer und das NS-Regime. Selbst solche NS-Organisationen wie die Deutsche Arbeitsfront (DAF) konnten nicht umhin, einige Arbeiterforderungen aufzugreifen.

KPD Die KPD, die mit einem Parteiverbot, aber auch nicht mit Verfolgungen in dem dann erfahrenen Ausmaß gerechnet hatte, konnte ihre Organisationsstruktur relativ bruchlos, wenn auch mit großen Verlusten an Funktionären schon im März/April 1933 in die Illegalität überführen Diese Organisation blieb trotz Unterbrechungen durch Verhaftungsserien bis etwa 1935 bestehen und umfaßte zeitweise bis zu 10 v. H.des Mitgliederbestandes von 1932. Insgesamt dürfte jeder zweite der 300 000 Kommunisten für einige Zeit mehr oder minder intensiv an illegalen Aktivitäten beteiligt gewesen sein. Zumindest für diese Anfangsjahre kann die KPD als Prototyp jener Kategorie von Widerstand gelten, in der sich eine Gruppe mit fester politischer Tradition gegen ihre Auflösung wehrt und im wesentlichen auf den bisherigen Denk-und Verhaltensmustern beharrt. Der Organisationswille, die außerordentliche Energie-und Risikobereitschaft der Kommunisten resultierten in erster Linie aus einem Gettosyndrom, in dem sich ultralinke politische Radikalisierung seit 1928, die durch Erwerbslosigkeit bedingte soziale Degradierung, Verbitterung und Isolierung der Parteimitglieder und eine durch die Erfahrung der Verfolgung verursachte psychologische Verhärtung vereinten, wie dies ein Aufruf der KPD-Bezirksleitung Niederrhein von Juni 1933 ausdrückte: „Je härter der Kampf, je zäher werden wir und hoffungsfroh sagen wir: Je eher kommt unser Sieg und um so schöner wird er sein!" Die KPD bewahrte ihre hierarchische Gliederung von der Zelle bis zum ZK, das die Organisation über eine Auslands-leitung (in Prag bzw. in Paris) mit Stützpunkten an der Grenze und — bis zu ihrer Verhaftung im März 1935 — über eine Inlandsleitung in Berlin straff kontrollierte, über den Parteiapparat, Parallelorganisationen wie die „Technik" (für die Herstellung und Verbreitung von Widerstandsschriften), den „Abwehrapparat"

(mit Abteilungen zur Betriebsspionage sowie zur „Zersetzung" von NSDAP, Reichswehr, Polizei — und der SPD), die Revolutionäre Gewerkschaftsorganisation (RGO), die Rote Hilfe, den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands und andere Gruppierungen produzierte die KPD eine Fülle von Flugschriften, deren jährliche Gesamtauflage (zumindest bis 1935/36) die Million überstieg. Eine illegale Druckerei in Solingen-Ohligs stellte 1934 300 000 Schriften her, darunter alle zehn Tage etwa 10 000 bis 12 000 Exemplare des Zentral-organs „Rote Fahne".

Diese illegale Massenarbeit, die unzählige Opfer kostete, weil sie der Gestapo verhältnismäßig viele Eingriffsmöglichkeiten bot lebte von der Hoffnung auf einen schnellen Umsturz. Sie konnte sich nach Verhaftungswellen ein-, zweimal reorganisieren, dann war das kommunistische Kräftereservoir jedoch erschöpft. Bis 1935 verflog die Revolutionshoffnung und die Reintegration der bisher zu 90 v. H. erwerbslosen Kommunisten ins Arbeitsleben verbot allein schon aus Zeitgründen einem Parteimitglied die Fortführung jener aufwendigen Untergrundtätigkeit. Gleichzeitig zerstörte die politische Wende der kommunistischen Internationale zu einer realistischeren Situationsanalyse 1934/35 auch noch die bisherige Motivation zum offensiven Widerstand. Im Gegensatz zu den Behauptungen der DDR-Historiker führte die Einleitung der Volksfrontlinie also nicht zu einem Aufschwung des Widerstands, sondern zum Zerbröckeln seiner bisherigen Basis.

Die Mehrheit der Mitglieder wollte sich nicht länger „verheizen" lassen, und viele aktivistische Kader saßen hinter Gefängnismauern.

Daher ließ sich seit 1936 nur noch ein lockeres Informantennetz der KPD-Auslandsleitungen in den angrenzenden deutschen Gebieten aufrechterhalten, während die Masse der Mitglieder in informellen Freundeskreisen von Kollegen und Nachbarn ungefährdete Kontakte bewahrte und sich gegenseitig in der Gesinnung bestärkte.

Der von 1936 bis 1939 auf kleinerer Stufenleiter weitergeführte kommunistische Widerstand erlosch unter dem Eindruck des Hitler-Stalin-Paktes, der kriegsbedingten Zerstörung von illegalen Verbindungen und der Blitzkriegseuphorie eines Teils der deutschen Bevölkerung fast vollständig. Erst nach dem deut-sehen Überfall auf die Sowjetunion 1941 wurden die zwar eingefrorenen, aber nicht ganz aufgegebenen Kontakte reaktiviert. In Hamburg, Berlin, Mannheim, München, in Sachsen, Thüringen und im Rhein-Ruhr-Gebiet bildeten sich regionale kommunistische Organisationen und von Berlin wurde während des Krieges dreimal der Versuch unternommen, eine reichsweite Parteileitung zu konstituieren (1940/41 unter Arthur Emmerlich; 1941/42 unter Robert Uhrig, Alfred Kowalke und Wilhelm Knöchel; 1943/44 unter Anton Saefkow, Franz Jacob und Theodor Neubauer). Diese Reorganisationsansätze erreichten jedoch einen wesentlich kleineren Kreis als 1934/35; sie fielen Verhaftungsmaßnahmen zum Opfer, bevor sie sich weiter entfalten konnten.

Grenzen der Unlergrundorganisation In der Ausbildung illegaler Widerstandsbestrebungen lassen sich deutlich zwei Impulse unterscheiden, aus denen differierende organisatorische Konzepte erwuchsen: Besonders zu Beginn des Dritten Reichs dominierte der Wille, unter Anpassung aller Kräfte (und Inkaufnahme von Opfern) eine Bewegung zum schnellen Sturz Hitlers zu initiieren. Gleich, ob es sich um eine kommunistische Massenorganisation oder um Konzepte kleiner aktiver Kadergruppen handelte, wie bei manchen sozialistischen Richtungen, lag doch der Akzent auf formellen Organisationen und offensiver Aufklärungsarbeit durch Flugschriften.

Diese Widerstandsformen, die dem traditionellen Politikverständnis der Arbeiterbewegung verhaftet blieben, traten mit der Konsolidierung des NS. -Regimes und den wachsenden Erfolgen der Gestapo immer mehr zugunsten vorsichtigerer Verhaltensweisen des Zusammenhalts zurück. Damit begann der zweite Hauptimpuls des deutschen Antifaschismus — die Bewahrung des Zusammenhalts und der Gesinnung — in den Mittelpunkt zu treten.

„Schweijksche" Überlebensstrategien, Versuche, im Kleinen zu helfen und im Alltag den nationalsozialistischen Zugriff abzuwehren, vollzogen sich nicht in organisatorischen Grenzen, blieben nicht auf den Sonderraum der Untergrundarbeit beschränkt. Solche informelle Resistenz mußte nicht unpolitisch sein, sondern konnte im Gegenteil den traditionell abgezirkelten Raum politischer Interaktion (Organisations-und Propagandaarbeit) überwinden und das Alltagsverhalten neu durchdringen. Die nationalsozialistische Penetration des Alltagslebens erforderte also von den Widerstandskämpfern eine abwehrende Politisierung ihres eigenen Alltagsverhaltens. Es hat den Anschein, als ob es, ähnlich wie vor 1933, auch im Widerstand zunächst jene traditionelle geschlechterspezifische Arbeitsteilung gegeben hätte, die dem Mann die politischen, der Frau die häuslichen, sozialen, karitativen Aufgaben zudiktierte. Erinnerte Lebensgeschichten von Verfolgten scheinen aber darauf hinzuweisen, daß die Rolle der Frau im Widerstand wuchs, je mehr sich dieser auf die informellen, alltäglichen Bereiche konzentrierte. Es ist allerdings — wie bereits erwähnt — methodisch außerordentlich schwierig, zwischen der bewußten Entfaltung informeller Widerstandskonzepte und dem resignativen Rückzug ins Private zu unterscheiden. Sicherlich stand für die meisten ehemaligen Mitglieder der Arbeiterparteien die Erfahrung, entscheidender politischer Artikulations-und Wirkungsmöglichkeiten enthoben zu sein, im Mittelpunkt. Dennoch wäre es unangemessen, den Rückgang formeller Widerstandsorganisationen nur als Resignation und nicht auch als die Erschließung neuer, den Bedingungen des Dritten Reichs angepaßterer Formen des Protestes und der Verweigerung zu begreifen. Nur so läßt sich die Energie und die Hoffnung erklären, die überlebende Kämpfer der Arbeiterbewegung 1945 erfüllte, obwohl sie teilweise ein Jahrzehnt lang von politischer Betätigung im engeren Sinne durch Inhaftierung oder Überwachung ausgeschlossen worden waren.

Was sich unter dem Druck des NS-Terrors nicht voll entfalten konnte — der Erneuerungswille der Arbeiterbewegung und die Bereitschaft, über die traditionellen Parteigrenzen hinaus zu kooperieren —, zeigte sich in der langen, beinahe vergessenen spontanen Bewegung der Antifaausschüsse in nahezu allen deutschen Regionen im Frühjahr 1945 In der kurzen Zeit bis zu ihrer Unterdrückung oder Kanalisierung durch Besatzungsprärogative in West und Ost manifestierten sie den Entwurf einer nationalen und demokratisch-sozialistischen Erneuerung aus dem Widerstand heraus. Wo ihre programmatischen Vorstellungen sich über die drängendsten Erfordernisse des Tages hinaus konkretisieren konnten, wurden Umrisse einer Republik deutlich, die durch demokratische Selbst-und Mitbestimmung und eine gesellschaftliche Umgestaltung im Sinne des Sozialismus charak-* terisiert waren. Die Geschichte der Antifas 1945 weist die Legende von der Stunde Null, in der das deutsche Volk nur aus passiven Besiegten bestanden hätte, zurück. Sie stellt das Bindeglied zwischen Widerstand und Exil auf der einen, Neuaufbau der deutschen Institutionen und Verfassungsberatungen auf der anderen Seite dar.

Die ideelle und moralische Bedeutung antinazistischer Bestrebungen in Gruppen der deutschen Arbeiterbewegung und in breiten Schichten der Arbeiterschaft hervorzuheben, ist historisch genau so notwendig, wie auf ihre letztliche geschichtliche Wirkungslosigkeit zu verweisen. Der Arbeiterwiderstand hat das NS-Regime zu keiner Zeit ernsthaft gefährdet, weder in seiner organisierten Form von 1933 bis etwa 1935 (und teilweise während des Krieges) noch in seinen spontanen Äußerungen in den alltäglichen Konflikten um Lohn, Arbeit und Brot.

Allerdings muß bedacht werden, daß das NS-Regime sich zwar bis zu seinem militärischen Ende im Mai 1945 halten konnte, dennoch aber in seiner Geschichte mehrere tiefgreifende Krisen durchlebte, die es ernstlicher bedrohten, als dies im Rückblick erscheint. Erinnert sei an den sogenannten Röhm-Putsch 1934, die Sudetenkrise 1938 oder den 20. Juli 1944. In solchen Situationen gab es Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umwälzung: Unzufriedenheit der Bevölkerung, Krise der politischen Führung und zumindest 1938 und 1944 ein militärisches Potential, das dem NS-Staat gewachsen sein mochte. Der 20. Juli 1944 war schon im Ansatz gescheitert, aber sowohl die organisatorischen Vorbereitungen der sozialdemokratischen, gewerkschaftlichen und kommunistischen Führer 1944 wie die spontanen Antifa-Initiativen 1945 weisen auf ein gewisses Aktionspotential der Arbeiterbewegung hin.

Wir wissen, daß ein Teil der militärischen Verschwörer den Demokratievorstellungen der Arbeiterbewegung fremd gegenüberstand. Aber selbst ein zwar erfolgreicher, aber zunächst bei den begrenzten Zielen der Militärs verharrender Umsturz hätte demnach aus dem Kreis der Arbeiterbewegung eine breitere spontane Massenbewegung nach sich gezogen. In einer solchen Umbruchsituation ließen sich die Anstrengungen, die bisher auf die Bewahrung der geistigen Tradition und des persönlichen Zusammenhalts und auf Entwürfe für eine Nachkriegsordnung gerichtet waren, aktivieren und zur Erkämpfung eines größeren Aktionsraums für die Arbeiterbewegung nutzen. Nicht anders entwickelte sich übrigens die italienische Resistenza nach dem Sturz Mussolinis durch den faschistischen Großen Rat im Sommer 1943. In diesem Sinn umriß der Arbeiterwiderstand auch ein Demokratiepotential, das auf die Stunde seiner Entfaltung in der Krise des NS-Regimes wartete.

Eine Gesamtwürdigung des Arbeiterwiderstands müßte also von der Bewahrung der demokratisch-sozialistischen Tradition über die alltäglichen Formen nicht angepaßten Verhaltens und hartnäckiger Verteidigung legitimer sozialer Interessen bis hin zu den Ansätzen illegaler Organisation, antinazistischer Aufklärung durch Wort und Schrift und zur Vorbereitung eines demokratischen Neuanfangs gespannt werden. Sie dürfte weder vergessen machen, daß aktives Handeln unter den Bedingungen des NS-Terrors das Geschäft von Minoritäten bleiben mußte, noch daß alle Formen breiterer und offensiverer nationaler Resistance, auf die die Völker Westeuropas zu Recht stolz sind, zumindest in Keim-formen auch in Deutschland vorhanden waren.

Widerstand im Exil 1933 setzte ein breiter Strom politisch und rassisch verfolgter Deutscher ins benachbarte Ausland ein. Oft wird zwischen Exil und Widerstand eine scharfe Trennungslinie gezogen. Aber die Exilorganisationen wirkten auf mannigfache Weise ins Reich zurück, sei es, daß die schon erwähnten politischen oder gewerkschaftlichen Auslandsleitungen dem innerdeutschen Widerstand eine Infrastruktur und Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung stellten, sei es, daß sie Informationen und politische Stellungnahmen ausarbeiteten und verbreiteten. Die Exildeutschen arbeiteten unter schweren materiellen Bedingungen, oft vom Gastland kaum geduldet 27). Dennoch besaßen sie Möglichkeiten zur offeneren Diskussion, zur Publikation und zum Zusammentreffen unterschiedlicher Richtungen, die es ihnen erlaubten, eine weitaus größere Kommunikationsdichte und theoretische Reichweite zu erlangen als die meisten den Zufällen der Verfolgung unterworfenen Diskussionsgruppen im Inland. Trotz unvermeidlicher Emigrantenquerelen bleibt die Fülle literarischer und poli27) tischer Entwürfe des Exils beeindruckend. Nicht zuletzt die Künstler und Schriftsteller übernahmen eine Stellvertreterfunktion für die in Deutschland mundtot gemachte demokratisch-humanistische Kultur. Das Klima dieser Diskussionen aber wurde entscheidend von den Impulsen der sozialistischen Arbeiterparteien und von den zeitweiligen Hoffnungen, die sich an die Volksfrontidee knüpften, bestimmt Das pathetische Wort vom „anderen Deutschland" hat also angesichts der Leistungen des Exils seine Berechtigung. Um so bitterer stimmt, daß die deutsche Nachkriegs-gesellschaft nur so selten daran anknüpfte. 3. Politische Neubesinnung Die Erfahrung der Niederlage von 1933 hatte sowohl im Inland wie unter den Exildeutschen die Bereitschaft geweckt, ihre eigene politische Vergangenheit selbstkritisch zu überdenken und zu einem neuen, kooperativen Verhältnis zu den anderen politischen und ideellen Gruppierungen zu kommen

Solche Diskussionen begannen schon im Frühjahr 1933 in der Sozialdemokratie mit der kritischen Untersuchung des Scheiterns des Weimarer Verfassungskompromisses und der defensiven sozialdemokratischen Politik der Krisenjahre vor 1933. Damit wurde unter Führung der linkssozialistischen Gruppen die Grundlage für eine Neuorientierung der SPD gelegt. Drei Etappen lassen sich hier unterscheiden: erstens'die Fehlerdebatte von 1933/34 (von der Flugschrift „Neubeginn" bis zum „Prager Manifest" des SOPADE-Vorstands; zweitens die Konzentrationsdebatte von 1937/38; in der die sozialistischen Gruppierungen einen ersten vergeblichen Anlauf zur Vereinigung machten; drittens die Disku. sionen der Kriegsjahre in der Berliner Illegalität, dem Exil in Schweden, der USA und bei der „Union Deutscher Sozialistischer Gruppen in Großbritannien". Ihre Themen waren das Versagen der SPD 1918, die alten politischen und sozialen Eliten aus der Macht zu verdrängen, die Unfähigkeit, die politische Demokratie um die soziale Demokratie zu ergänzen, und der Verzicht auf eine offensive Verteidigung der Republik gegen ihre Gegner. Das projektierte neue Deutschland sollte diese Fehler vermeiden. Aus der Erfahrung der gemeinsamen Verfolgung und des zwar selten koordinierten, aber doch im Hauptziel gleichgerichteten Widerstands erwuchs auf diesem Boden ein demokratischer Konsensbegriff, der den Pluralismus der politischen Kräfte nicht als unvermeidliches Übel, das zu Koalitionen zwingt, abwertete, sondern als Einheit der antinazistischen Strömungen unter Anerkennung ihrer je verschiedenen Traditionen und Interessen ansah.

Auch ‘die kommunistische Bewegung — und mit ihr die KPD — machte angesichts der faschistischen Diktatur einen Lernprozeß in Richtung auf eine größere Kooperationsbereitschaft durch. Er darf noch nicht deswegen als bloß taktisch abgewertet werden, weil er auch dem außenpolitischen Kalkül der UdSSR entsprach und dementsprechend in anderer historischer Konjunktur (1939; 1948) revidiert werden konnte. Nicht nur die heute gegenüber Moskau eigenständige kommunistische Bewegung in einigen westeuropäischen Ländern, die sich auf die Traditionen der Resistance beruft, sondern auch die Praxis deutscher kommunistischer Antifaschisten in den dreißiger und vierziger Jahren, deren Einfluß durch die Massenrepressalien 1937/38 und 1948/53 seitens der KPdSU zurückgedrängt wurde, lassen die strategische Wende der Kommunisten als ernst zu nehmenden ersten Schritt in einem (dann durch die KPD/SED gestoppten) Lernprozeß erscheinen: Die Parteikonferenzen der KPD von Brüssel 1935 und Bern 1939, auf denen sie sich zur Einheits-und Volksfront sowie zur demokratischen Republik bekannten, waren nicht nur taktisches Kalkül der Führung, sondern drückten eben auch die historischen Erfahrungen der auf den Konferenzen anwesenden kommunistischen Widerstandskämpfer aus dem Reich aus. Am Ende eines solchen längeren Lernprozesses hätte nach dem Entwurf vieler Widerstandskämpfer eine geeinte, nationale, unabhängige, demokratisch-sozialistische Arbeiterbewegung stehen sollen

Daß diese historischen Prozesse durch die Realitäten des Kalten Krieges abgebrochen wurden, spricht nicht gegen ihre zeitweilige Wirksamkeit. Es darf auch nicht übersehen werden, 30 daß die Begeisterung deutscher Kommunisten für das Sowjetmodell zunächst noch nicht durch die Erfahrung der Stalinschen Massenmorde erschüttert worden war. So boten die kommunistischen Bekenntnisse zur antifaschistischen Kooperation auf parlamentarisch-demokratischer Grundlage bei aller berechtigten Vorsicht gegenüber der Ambivalenz und Reversibilität solcher Angebote eine Chance zur Stärkung der Front gegen Hitler, die es zu nutzen galt. Sie wurde selbst von Teilen der Verschwörer des 20. Juli 1944 und von einem Teil der in russischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Generale, die dem Nationalkomitee . Freies Deutschland'oder dem Bund Deutscher Offiziere beitraten,'aufgegriffen. Nicht anders als in Frankreich oder Italien umfaßte in den Jahren 1945— 1947 auch in Deutschland der „Verfassungsbogen" der antifaschistischen Parteien die Kommunisten, Sozialdemokraten, Liberalen, Christdemokraten und einen Teil der Konservativen. Die Erfahrungen des Kalten Krieges, die Hatz auf Oppositionelle seitens der stalinisierten SED und die Verfolgungen im Zuge des KPD-Verbots in der Bundesrepublik zerstörten diese Tradition. Das ändert aber nichts daran, daß sie einmal ihre Bedeutung hatte.

Sicherlich wäre es falsch, eine gerade Kontinuit'ätslinie zwischen den Verfassungsplänen des deutschen Widerstands und den Beratungen der Länderverfassungen und des Grundgesetzes nach 1945 zu ziehen. Die Situation im besetzten und sukzessive geteilten Deutschland unterschied sich denn doch erheblich von den Zukunftsvorstellungen der Widerstandskämpfer und Emigranten. Aber es ist dennoch unverkennbar, daß in die westdeutschen Verfassungen wesentliche Traditionselemente der Arbeiterbewegung, zumal des Arbeiterwiderstandes, eingegangen sind.

III. Verweigerung und Protest im Arbeiteralltag

1. Dimensionen der Alltagskonflikte Während die ältere historische Literatur, insbesondere aber Schulbücher und Publizistik, immer wieder die scheinbar evidente Korrelation zwischen Wachstum der Arbeitslosigkeit und Wachstum der NSDAP-Wählerschaft hervorhoben, ist heute unbestritten, daß sich die Anhängerschaft der NSDAP vorwiegend aus den Mittelschichten und nur zu einem geringen Teil aus der Arbeiterschaft rekrutierte Der Block der für die KPD und SPD abgegebenen Arbeiterstimmen (sowie der Arbeiterwähler im Zentrum) blieb bis 1933 im wesentlichen stabil, wenn sich auch innerhalb dieses Blocks eine Gewichtsverschiebung zugunsten des radikalen Parts abspielte.

Die Arbeiterpolitik des Dritten Reichs versuchte, Entmündigung und Mobilisierung der Arbeiter miteinander zu koppeln. Sie wollte die sozialen Konflikte einer kapitalistischen Industriegesellschaft dadurch beseitigen, daß sie die historisch gewordenen Interessenvertretungsformen wie Streiks, Tarifverhandlungen und Gewerkschaften verbot. Damit wurden zwar die Arbeiter ihrer Möglichkeiten zu kollektiver Gegenwehr beraubt, nicht aber die Konflikte aus der Welt geschafft. Sie brachen sich nunmehr in neuen individuellen und spontanen Formen Bahn, in Unzufriedenheit, Langsamarbeiten, Arbeitsplatzwechsel usw. Insofern die Nationalsozialisten über die politische Entwaffung der Arbeiter hinaus auf ihre Gewinnung in faschistischen Massenorganisationen zielten, mußten diese manche Forderungen der Arbeiter in demagogischer Absicht aufnehmen.

Statt der Abschaffung des Klassenkampfs im Sinne einer präventiven Pazifizierung der Heimatfront schon vor Kriegsausbruch, überlagerten sich nunmehr Rivalitäten innerhalb des NS-Herrschaftsapparates mit elementarem sozialem Druck von unten. In diesem Dickicht von Konflikten setzteh sich ökonomische Entwicklungen wie die Erhöhung der Löhne bei Verknappung des Arbeitskräfteangebots nunmehr quasi naturwüchsig durch. Angetreten, eine diktatorische Ordnung in den industriellen Beziehungen zu schaffen, zerstörte der Nationalsozialismus vor allem die Instrumente zur rationalen (etwa tarifpolitischen) Konfliktaustragung. Insofern hatte sich der Faschismus auch auf sozialpolitischem Gebiet unlösbar in den eigenen Widersprüchen verfangen, bevor noch der Kriegsverlauf dem Regime ein Ende setzte. Für die Arbeiterschaft bedeutete dies, daß sie trotz der politischen Entrech- tung und bürokratischen Reglementierung systemimmanente Möglichkeiten der Interessen-artikulationen nutzen und die widerstreitenden Fraktionen und Zielsetzungen des NS-Regirnes in einem gewissen Maße gegeneinander ausspielen konnte.

Auch nach 1933 konnte das NS-Regime entgegen dem propagandistischen Augenschein in der industriellen Arbeiterschaft keine aktive Unterstützung erlangen. Die internen monatlichen Lageberichte der Gestapostellen malten besonders für die Krisenmonate des Sommers 1934 und des Herbstes 1935 ein düsteres Bild „vorrevolutionärer" Zustande Auch wenn man einige interesseribedingte Übertreibungen seitens der Gestapo in Rechnung stellt, dokumentieren sie doch eine tiefe Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem schleppenden Gang der Arbeitsbeschaffungsprogramme und den im Vergleich zu den auf niedrigstem Krisen-niveau zunächst stagnierenden Löhnen besorgniserregenden Preisen für alltägliche Konsumgüter. Die entsprechenden Berichte dokumentieren übrigens, daß nicht die spektakulären zivilen Arbeitsbeschaffungsprogramme Hitlers — wie Autobahnbau und Arbeitsdienst — die Arbeitslosigkeit und die Unzufriedenheit der Bevölkerung beseitigt haben, sondern sie belegen anschaulich über die ohnehin bekannten Statistiken hinaus, daß die Vollbeschäftigung erst in der zweiten Hälfte des Vierjahresplans, also im Gefolge hektischer Aufrüstung, eitrat.

Auch im Rüstungsboom der Jahre 1937— 1939 und trotz des im Vergleich zum Ersten Weltkrieg hohen Lebensstandards während der ersten Kriegsjahre blieben der Unmut über die beengte soziale Lage der Arbeiterschaft und die Kritik zumindest an jenen Aspekten des Regimes, die den Ablauf des gewohnten Alltags beeinträchtigten (Unterdrückung der Meinungsfreiheit, der Religionsausübung ect), konstante Berichtspunkte in den internen NS-Dokumenten

Zweifellos signalisieren diese Stimmungsberichte, daß das Propagandabild totaler Volks-gemeinschaftnicht der Realität entsprach. Kritisch zu hinterfragen bleibt jedoch, ob die Stimmung eigentlich nur gemessen an diesem selbstgesetzten Idealbild so miserabel war, oder ob sie tatsächlich elementares antinazistisches Potential widerspiegelte. Wir wollen die Anzeichen dafür, daß der Nationalsozialismus insgesamt von weiteren Bevölkerungskreisen abgelehnt oder zumindest nicht aktiv unterstützt wurde, nicht anzweifeln. Aber ein Großteil der registrierten Mißstimmungen entsprang „normalem" Alltagsverhalten, das erst durch den totalitären Machtanspruch des Nationalsozialismus zum abweichenden Verhalten wurde. Die Stimmungsberichte indizieren zwar Konfliktpotential, nicht aber unbedingt intentionalen Widerstand.

Etwas anders verhält es sich mit den 1937 bis 1939 eskalierenden Konflikten um Löhne und Arbeitsbedingungen in der Rüstungsindustrie.

Hier stärkte der spürbare Arbeitskräftemangel die Marktposition des einzelnen Arbeiters, der durch Arbeitsplatzwechsel (oder die Drohung damit) eine übertarifliche Entlohnung erlangen konnte. Dadurch erreichten die Reallöhne 1938/39 in rüstungswichtigen Branchen ein Niveau, das über dem bisherigen Höchststand von 1928 lag. Solange die Rüstungsbetriebe untereinander um die knappen Arbeitskräfte konkurrierten, konnten staatliche Regulierungsmaßnahmen vom einzelnen Arbeiter relativ gefahrlos unterlaufen werden. Objektiv haben solche Arbeitsverweigerungen und Lohnforderungen der Aufrüstung geschadet. Eine — allerdings kleine —-Minderheit weiterhin politisch aktiver Antifaschisten nutzte diese Kampfmittel für ihre Ziele. Wenn aber die nationalsozialistischen Behörden in vielen Fällen die Hypothese von den „roten Drahtziehern" als wohlfeile Erklärung heranzogen, um nicht die systemimmanenten Widersprüche analysieren zu müssen, dann ist damit noch nichts über die tatsächliche Intention der meisten Bete'iligten ausgesagt. Für diese handelte es sich einfach um den individuellen Versuch, sich auf dem Arbeitsmarkt so günstig wie möglich zu . verkaufen’. Erfolge dürften wohl eher zu einer Aufwertung individualistischer („jeder ist sich selbst der nächste") denn kollek•tiver („gewerkschaftliche Solidarität") Verhaltensformen geführt haben. Die Erfahrung, daß sich individuelle Leistungen unter Ausnutzung der Rüstungskonjunktur bezahlt machten, während das Modell gewerkschaftlicher Interessenvertretung in der Weltwirtschaftskrise versagt hatte, trug langfristig eher zum Abbau von Klassenkampfdenken bei. Auf dieser schwer faßbaren sozialpsychologischen Ebene scheint mir Mason die älteren Auffassungen Schoenbaums und Dahrendorfs über die — ungewollte — „Modernisierung" der industriellen Beziehungen im Dritten Reich nicht völlig widerlegt zu haben 2. Ein neues Protestpotential: Jugendliche und Ausländer Wer vom Arbeiterwiderstand im Dritten Reich spricht, darf nicht übersehen, daß im Laufe des Krieges beinahe jeder dritte Arbeitsplatz von ausländischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen besetzt wurde. Verhaftungen ausländischer Arbeiter wegen „Bummelei", Arbeitsverweigerung oder Sabotage nehmen 1943/44 den Hauptanteil in den Verhaftungsstatistiken des Reichssicherheitshauptamts ein Da sich bei ihnen nationale, ideologische und soziale Konfliktmotive bündelten, bildeten die Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeiter nach dem Ausmaß ihrer illegalen Organisation, der Häufigkeit von Widerstands-akten und der Radikalität in der Zielsetzung die Hauptmasse der aktiven antinazistischen Kräfte in Deutschland während des Krieges. Erhalten gebliebene Programme illegaler Ausländergruppen wie der „Brüderlichen Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen" (BSW) im süddeutschen Raum beinhalten immer auch den bewaffneten Kampf bis zum Aufstand. Aus dem Kölner Raum sind für Herbst 1944 sogar partisanenähnliche Formationen ausländischer Arbeiter in Verbindung mit deutschen Deserteuren, Kommunisten und oppositionellen Jugendlichen belegt, die neben mehrstündigen Feuergefechten auch erfolgreiche Attentate auf den Kölner Gestapochef und andere NS-Größen verantworteten

Fast vergessen ist auch ein Phänomen spontanen Jugendprotestes, das besonders im Rheinland auftrat, sich aber im Laufe des Krieges auf das ganze Reichsgebiet ausbreitete: die Banden der sogenannten Edelweißpiraten Ihre Geschichte kann als paradigma-tisch für das Verhalten auch anderer Gruppen Jugendlicher im Dritten Reich angesehen werden. Diese spontane Bewegung vornehmlich von Arbeiterjugendlichen zwischen Schulentlassung und Wehrdienst entstand in den dreißiger Jahren aus Gruppen, die sich dem HJ-Dienst entzogen und ihre Freizeit selbstverantwortlich gestalten wollten. Dabei übernahmen sie für ihre abendlichen Treffs in Parks und Trümmergeländen und für ihre Wanderfahrten am Wochenende zwar hündische Kommunikationsformen (Kluft, Lieder, Fahrtenwesen). Sie knüpften aber weder personell noch ideologisch an die mehr bürgerlich bestimmten hündischen Traditionen an. Ihr Hauptziel einer selbstbestimmten Freizeitgestaltung entfernte sie zunächst nur von der HJ, um sie dann in Reaktion auf deren Repressionsmaßnahmen zu erbitterten Gegnern zu machen. Vom Protest gegen militärischen Drill und autoritäres Verhalten führte ein widersprüchlicher Weg zum Widerstand. Er äußerte sich in Überfällen auf HJ-und SA-Uniformierte oder NSDAP-Lokale, im Verbreiten antifaschistischer Losungen, im Sammeln und Verteilen alliierter Flugblätter und teilweise in der Zusammenarbeit mit deutschen Untergrundgruppen und Vereinigungen ausländischer Kriegsgefangener.

Die meisten Widerstandshandlungen jenseits der politischen Gruppen der Arbeiterbewegung sind ihrer Natur nach individuell gewesen. Unter dem Stichwort „Volksopposition''faßten die NS-Quellen solche unterschiedlichen Akte wie das Weitererzählen politischer Witze und Gerüchte, das Abhören von ausländischen Rundfunkstationen und individuelle Hilfsaktionen für Verfolgte zusammen. Das Ausmaß solcher Volksopposition läßt sich nur schwer bestimmen. Weder kann man die Relation zwischen polizeilich ermittelten oppositionellen Akten und den unentdeckten Nonkonformismen angeben, noch läßt sich immer feststellen, ob das aktenkundige „Delikt" einmaliger Natur war, also vielleicht einer vorübergehenden Verärgerung entsprang, oder aber nur die „Spitze eines Eisbergs" permanent abweichen-den Verhaltens war. Dennoch illustrieren diese Fälle oftmals anschaulicher und lebensnäher als die Geschichte illegaler Widerstandszellen, vor welchen Konflikten der „kleine Mann" stand, wenn es galt, einen aufrechten Gang zu bewahren.

Mißstimmung in der Bevölkerung, sozialer Druck mit politischen Auswirkungen und Akte der Volksopposition sprechen eindeutig gegen das NS-Propagandabild einer geschlossenen und fanatisierten Volksgemeinschaft. Dennoch bestand unter der Bevölkerung ein gewisser Konsens mit dem Nationalsozialismus, beispielsweise in Fragen der Außenpolitik. Außerdem resignierten auch viele Unzufriedene und richteten sich innerhalb der ohnehin nicht beeinflußbaren Strukturen des Regimes ein. Als Gegenbild zur Volksopposition muß zudem auf das verbreitete Denunziationsunwesen hingewiesen werden. Ein differenzierteres Bild der inneren Lage im Dritten Reich und der Haltung der Arbeiterschaft wird daher verschiedene Abstufungen von Konformität wie Nonkonformität umfassen müssen.

IV. Zur didaktischen Darstellung des Arbeiterwiderstands

Der Darstellung des Widerstands als Teil der demokratischen Tradition in Deutschland gebührt schon deshalb ein besonderer Platz, weil er der Kontinuitätslinie der Kriege und Obrigkeiten die Kontinuität des Eintretens für den Frieden und die Demokratie zur Zeit ihrer schwersten Bedrohung in der deutschen Geschichte entgegengestellt. Aber nicht nur die Inhalte unserer Verfassungsordnung lassen sich aus dem Antifaschismus besser begreifen, auch der Ernst des demokratischen Neubeginns wird deutlich, wenn unter seinen Repräsentanten Männer und Frauen des Widerstands und des antifaschistischen Exils hervorgehoben werden. Gleichzeitig schärft die Konfrontation der deutschen Nachkriegsgeschichte mit den Zielsetzungen des Widerstands das Bewußtsein davon, daß wir noch in der Spannung zwischen Verfassungsauftrag und Verfassungswirklichkeit stehen und daß Gefährdungen des demokratischen Rechtsstaats auch heute schon in den Anfängen gewehrt werden muß.

Im Gegensatz zum Widerstand von Generälen und Kirchenführern, dessen historische Bedeutung nicht bestritten werden soll, kann die Geschichte des Arbeiterwiderstands, zumal auch Jugendlicher aus der Arbeiterschaft, den Lernenden näher an eine ihm vertraute soziale Lebenswirklichkeit heranführen und damit vermeiden helfen, daß die Geschichte des Widerstands in einer Art legitimatorischer Hagiographie erstarrt.

Widerstand aus dem Volk und im Alltag erlaubt gerade dann eine positive Identifikation, wenn er im örtlich vertrauten Rahmen oder zumindest durch das anschauliche Beispiel einzelner Personen repräsentativ wird. Selbst ein Interview mit einem noch lebenden Zeugen des Widerstands, das vom rein historischen Standpunkt oftmals gegenüber anderen Quellengattungen unergiebig bleiben mag, ist wegen seiner Anschaulichkeit und Unmittelbarkeit für Unterricht und öffentliche Medien hervorragend geeignet. Es wäre wichtig, solange noch solche Zeitzeugen leben, einen Fonds an Filmen und Videobändern mit Interviews anzulegen und für die didaktische Nutzung aufzubereiten.

Solange die nationalsozialistische Mythologie und Propaganda, wie der Hitler-Film von Jochaim Fest gezeigt hat, noch das heutige Bild des Dritten Reichs weitgehend prägen, gewinnen die inzwischen zugänglichen authentischen Dokumente des Widerstands eine erhöhte Bedeutung. Noch immer gibt es kaum eine umfassende und anschauliche Dokumentation des deutschen Widerstands, kaum Sammlungen von Dokumenten, die über den engen Kreis von Fachwissenschaftlern hinaus zugänglich wären Wichtig wäre auch, Schlüsseltexte aus internen NS-Dokumenten, wie den SD-Meldungen aus dem Reich, so für die Schulen aufzubereiten, daß der Widerspruch zwischen Volksgemeinschaftspropaganda und innerer Realität im NS-Staat augenfällig würde.

Bisher hat man oftmals in dem Bemühen, die Verwerflichkeit totalitärer Machtentfaltung zu dokumentieren, ungewollt dem Mythos gefrönt, das Dritte Reich wäre ein Ausbund an Effektivität, hierarchischer Ordnung und „Triumph des Willens" gewesen. Eine solche Darstellung ist nicht nur von der historischen Forschung inzwischen überholt, sie birgt auch die Gefahr, daß Schüler auf die von den National-Sozialisten demonstrierte „Ästhetik der Macht" hereinfallen. Demgegenüber kann ein alltags-orientierter Unterrichtsansatz, der die Sozial-geschichte des Dritten Reichs einbezieht, aufzeigen, wie unfähig die nationalsozialistische Polykratie gewesen ist, rationale Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln, und so zur Entmythologisierung des Faschismus beitragen.

Die Beschäftigung mit der sozialen Wirklichkeit im Dritten Reich, den alltäglichen Pressionen und den Versuchen, dem Anpassungsdruck zu widerstehen, kann auch die in Teilen der Jugend wieder verbreiteten vagen Illusionen über materielle Besserstellung und sozialen Aufstieg, wie sie sich etwa an die Arbeitsbeschaffungs-und Autobahnlegenden knüpfen, in Frage stellen.

Es hat sich gerade in der Diskussion über den Film „Holocaust" gezeigt, daß die Präsentation eines emotional nachvollziehbaren Beispiels weitaus eindringlicher wirkt als trokkene Dokumentationen oder die statistische Auflistung von Millionen NS-Opfern. Eine didaktische Beschränkung auf die Darstellung einzelner Terrorakte in der engeren Heimat der Schüler und auf das emotional nachvollziehbare Schicksal einzelner Personen wird daher anzustreben sein. Ähnliches gilt für eine didaktische Herleitung der Bedeutung der Grund-und Menschenrechte aus konkret erfahrbaren Situationen, in denen sie durch den Faschismus verletzt worden sind.

Es ist eine alte Maxime, die Problematik des Widerstands an Beispielen jugendlicher Antifaschisten dem Schüler näherzubringen. Wieweit das dabei häufig gewählte Schicksal der Geschwister Scholl dem Erfahrungshorizont eines heutigen 14— 16jährigen entspricht, sei dahingestellt. Zumindest dürften die Anknüpfungspunkte bei den erwähnten Protestbewegungen der dem Schüler gleichaltrigen jugendlichen Oppositionellen, denen es primär um die Gegenwehr gegen den HJ-Drill und um eine selbstgestaltete Freizeit ging, größer sein

An Personen des Widerstands können nicht zuletzt positive Gegenbilder sozial verantwortlichen Handelns (bei aller zu beachtenden Vielfalt der Motive, Werthaltungen und Äußerungsformen) gekennzeichnet werden, über die sicher notwendige Aneignung von Kenntnissen hinaus können dabei auch einer Demokratie gerechte Vorbilder und Werte vorgestellt werden. Gerade eine erfahrungsorientierte Didaktik des Widerstands könnte sich hiermit auch affektive Lernziele setzen.

Da weder der ganze Arbeiterwiderstand im Schulunterricht behandelt werden kann noch — auch nur zu dessen Gunsten — auf die Darstellung anderer antifaschistischer Bestrebungen (christlicher, militärischer und bürgerlicher Widerstand) verzichtet werden darf, stellt sich die Frage nach der Auswahl und der thematischen Einordnung. Will man den Widerstand in seinen verschiedenen Komponenten, seinen Grenzen und Wirkungsmöglichkeiten darstellen, böte sich an, von einem Brennpunkt der Entwicklung (entweder der Machtergreifungsphase oder der Zeit um den 20. Juli 1944) auszugehen und von hier aus das Zusammenwirken bzw. die fehlende Koordination der verschiedenen Strömungen darzustellen. Besonders der 20. Juli 1944 böte nicht nur die Gelegenheit, die konservative und militärische Opposition vorzustellen, sondern auch die gleichzeitigen sozialdemokratischen und kommunistischen Bestrebungen, die Stimmung der Bevölkerung, die Lage in den Betrieben und das Aufbegehren der ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen.

Eine andere Möglichkeit der Darstellung wäre, eine soziale Gruppe oder einen Verhaltens-komplex durch die verschiedenen Formen des Widerstands hindurch zu verfolgen, beispielsweise das Verhalten der Jugend im Bereich sozialistischer, kommunistischer, katholischer Strömungen, der Bündischen Bewegung genauso wie der spontanen Edelweißpiratengruppen und solcher studentischer Gruppen wie der Weißen Rose vergleichend darzustellen. In allen Fällen jedoch sollten die Vielschichtigkeit und der Pluralismus antifaschistischen Verhaltens ebenso zum Ausdruck kommen wie ihre grundlegende Gemeinsamkeit, die den Verfassungskonsens von 1949 prägte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Otto-Ernst Schüddekopf, Der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Seine Darstellung in Lehrplänen und Schulbüchern der Fächer Geschichte und Politik in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/Berlin/München 1977; frühe Würdigungen des Arbeiterwiderstandes u. a. in: Annedore Leber (Hrsg.), Das Gewissen entscheidet. Bereiche des deutschen Widerstands von 1933 bis 1945 in Lebensbildern, Berlin 1962; dieselbe (Hrsg.), Das Gewissen steht auf. 64 Lebensbilder aus dem deutschen Widerstand 1933— 1945, Berlin 1966; Terror und Widerstand 1933— 1945. Dokumente aus Deutschland und dem besetzten Europa. Bild-und Dokumentationskassette, hrsg. von Eberhard Aleff, Ilse Kemter, Friedrich Zipfel, Berlin 1966.

  2. Vgl. Reinhard Mann, Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Ein Literaturbericht, in: NPL, 1977, S. 425— 442; vgl. ferner Ger van Roon, Widerstand im Dritten Reich. Ein Überblick, München 1979.

  3. Vgl. Timothy W. Mason, Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft. Dokumente und Materialien zur deutschen Arbeiterpolitik 1933— 1939, Opladen 1975; Martin Broszat u. a. (Hrsg.), Bayern in der NS-Zeit. Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte, München/Wien '1977; eine nützliche Kompilation von Quellen zum NS-Alltag in: Harald Focke u. Uwe Reimer (Hrsg.), Alltag unterm Hakenkreuz. Wie die Nazis das Leben der Deutschen veränderten. Ein aufklärendes Lesebuch, Reinbek 1979; demgegenüber bescheidet sich George L. Mosse, Der nationalsozialistische Alltag. So lebte man unter Hitler, Königstein/Ts. 1978, mit einer unkritischen Aneinanderreihung von hauptsächlich NS-offiziösen Äußerungen.

  4. „Es gab nicht nur den 20. Juli ..." Dokumente aus einer Sendereihe im Westdeutschen Fernsehen, hrsg. von der Pressestelle des Westdeutschen Rundfunks, Köln 1979; ein neueres Beispiel heimatgeschichtlicher Publikation von Erinnerungen und Dokumenten auch über den Arbeiter-widerstand gibt Ernst Schmidt, Lichter in der Finsternis. Widerstand und Verfolgung in Essen 1933 bis 1945. Erlebnisse — Berichte — Forschungen — Gespräche, Frankfurt 1979.

  5. Nach den Akten des Wiedergutmachungsamts der Stadt Dortmund lassen sich allein in dieser Stadt insgesamt 1 925 aus politischer Gegnerschaft Verfolgte namhaft machen. Davon waren 511 Sozialisten, 1 260 Kommunisten (nach Kurt Klotz-bach, Gegen den Nationalsozialismus. Widerstand

  6. Peter Hüttenberger, Vorüberlegungen zum „Widerstandsbegriff", in: Theorien in der Praxis des Historikers, hrsg. von Jürgen Kocka, Sonderheft 3 von „Geschichte und Gesellschaft", Göttingen 1977, S. 117— 139.

  7. Auch eine Faschismustheorie, die von der Polykratie der nationalsozialistischen Herrschaftsorganisation ausgeht, wird die Tendenz zur totalen Formierung der Beherrschten konstatieren. Vgl. Peter Hüttenberger, Nationalsozialistische Polykratie, in: Geschichte und Gesellschaft, 2. Jg. 1976, Heft 4, S. 417— 442.

  8. Franz Neumann, Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933— 1944, Köln/Frankfurt 1977.

  9. Eklatant apologetisch: Wolfgang Domarus, Nationalsozialismus, Krieg und Bevölkerung. Untersuchungen zur Lage, Volksstimmung und Struktur während des Dritten Reiches, München 1977; auch die bereits erwähnte Publikation des Instituts für Zeitgeschichte (Broszat, a. a. O.) entgeht der Gefahr der Überschätzung volksoppositioneller Regungen nicht immer.

  10. Siegfried Bahne, Die KPD und das Ende Weimar. Das Scheitern einer Politik 1932— 1935, Frankfurt/New York 1976; Thomas Weingartner, Stalin und der Aufstieg Hitlers. Die Deutschland-politik der Sowjetunion und der Kommunistischen Internationale 1929— 1934, Berlin 1970.

  11. Eri. ch Matthias, Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, in: Erich Matthias/Rudolf Morsey (Hrsg.), Das Ende der Parteien 1933. Darstellungen und Dokumente, Königstein/Ts. /Düsseldorf 1979, S. 101— 278; Hans Mommsen, Die Sozialdemokratie in der Defensive. Der Immobilismus der SPD und der Aufstieg des Nationalsozialismus, in: ders. (Hrsg.), Sozialdemokratie zwischen Klassenbewegung und Volkspartei, Frankfurt 1974.

  12. Die KPD nahm 1931 am Volksbegehren gegen die sozialdemokratische Regierung Preußens teil, das die NSDAP und die DNVP eingeleitet hatten. 1932 akzeptierte sie die Mitarbeit der NSDAP am Streik der Berliner Verkehrsarbeiter, der gegen das Votum der Gewerkschaftsführung zustande kam. In beiden Fällen läßt sich zwar von parallelen Aktionen, nicht aber von einer echten Allianz sprechen. Auch die zeitweilige Anpassung der Führung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes vor dem 1. Mai 1933 an den nationalsozialistischen Kurs und die zweideutige Taktik der SPD-Reichstagsfraktion im Frühjahr 1933 resultierten aus einer Fehleinschätzung der Lage, nicht aber aus einer Annäherung an den Nationalsozialismus.

  13. Eva-Cornelia Schöck, Arbeitslosigkeit und Rationalisierung. Die Lage der Arbeiter und die kommunistische Gewerkschaftspolitik 1920- 1928, Frankfurt/New York 1977; Oskar Negt/Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung. Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit, Frankfurt 1976.

  14. Frank Moraw, Die Parole der „Einheit" und die Sozialdemokratie, Bonn-Bad Godesberg 1973; Lewis J. Edinger, Sozialdemokratie und Nationalsozialismus. Der Parteivorstand der SPD im Exil von 1933— 1945, Frankfurt/Hannover 1960; Bärbel Hebel-Kunze, SPD und Faschismus. Zur politischen und organisatorischen Entwicklung der SPD 1933 bis 1935, Frankfurt 1977.

  15. Aus diesen Informationen an die sozialdemokratischen Grenzstützpunkte entstanden die soge-nannten „grünen Berichte“, die der SOPADE-Vorstand im Ausland veröffentlichen ließ und die eine der besten und präzisesten Informationsquellen über die Stimmung im Dritten Reich darstellen.

  16. Rüdiger Griepenburg, Die Volksfronttaktik im sozialdemokratischen Widerstand gegen das Dritte Reich, Marburg 1969; Hans-Peter Riesche u. a. (Hrsg.), „Was soll man tun?". Ein frühes Dokument aus dem kommunistisch orientierten proletarischen Widerstand. Hrsg, vom „Komitee für proletarische Einheit" (1933), in: Arbeiterbewegung, Theorie und Geschichte, Jahrbuch 6, Frankfurt 1979, S. 185— 226.

  17. Jutta von Freyberg, Sozialdemokraten und Kommunisten. Die revolutionären Sozialisten Deutschlands vor dem Problem der Aktionseinheit 1934 bis 1937, Köln 1973; Kurt Kliem, Der sozialistische Widerstand gegen das Dritte Reich, dargestellt an der Gruppe „Neubeginnen", Marburg 1957.

  18. Kommunistische Initiativen, zu illegalen gewerkschaftlichen Massenorganisationen zu kommen, sind daher unter dem Zugriff der Gestapo schnell gescheitert.

  19. Helmut Esters/Hans Pelger, Gewerkschafter im Widerstand, Hannover 1967.

  20. Detlev Peukert, Ruhrarbeiter gegen den Faschismus. Dokumentation über den Widerstand im Ruhrgebiet 1933— 1945, Frankfurt 1976, S. 210— 230.

  21. Ulrich Borsdorf, Der Weg zur Einheitsgewerkschaft, in: Jürgen Reulecke (Hrsg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr, Wuppertal 1974, S. 385 bis 414.

  22. Horst Duhnke, Die KPD von 1933— 1945, Köln 1971; Klaus Mammach, Die KPD und die deutsche antifaschistische Widerstandsbewegung 1933— 1939, Frankfurt 1974; Detlev Peukert, Die KPD im Widerstand. Verfolgung und Untergrundarbeit an Rhein und Ruhr 1933— 1945, Phil. Diss., Bochum 1979.

  23. Ebenda, S. 139.

  24. In manchen Erinnerungen, aber auch in der zeitgeschichtlichen Literatur werden die Massen-verhaftungen von Kommunisten oftmals auf das Spitzelwesen zurückgeführt. Dies ist meines Erachtens nur bedingt richtig: sicher gab es, ähnlich wie in manchen anderen Untergrundorganisationen, auch in der KPD Spitzel. Das besondere Ausmaß der Verhaftungen aber hatte zwei naheliegendere Ursachen: zum einen den außerordentlichen Umfang der kommunistischen Widerstands-aktivität in den ersten Jahren des Dritten Reiches, zum anderen den hierarchischen und verschachtelten Aufbau der Untergrundorganisation, der es der Gestapo erlaubte, gleich ganze Partei-organisationen von oben nach unten oder umgekehrt . aufzurollen’.

  25. Lutz Niethammer/Ulrich Borsdorf/Peter Brandt (Hrsg.), Arbeiterinitiative 1945, Wuppertal 1976.

  26. Ursula Langkau-Alex, Volksfront für Deutschland?, Bd. 1, Frankfurt 1977.

  27. Detlev Peukert, Antifaschistischer Konsens als Voraussetzung einer demokratischen Nachkriegs-entwicklung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 11/1977, S. 1367-1886.

  28. Hierzu liefern die unveröffentlichten Erinnerungen Herbert Wehners von 1946 eindringliche Schilderungen.

  29. Zusammenfassung der Forschungsergebnisse u. a. bei Eike Hennig, Bürgerliche Gesellschaft und Faschismus in Deutschland. Ein Forschungsbericht, Frankfurt 1977. Siehe auch den Beitrag von Jürgen W. Falter in diesem Heft.

  30. Die Publikation dieser im Geheimen Preußi-schen Staatsarchiv Berlin-Dahlem liegenden Lage-berichte der preußischen Provinzen ist inzwischen mit zwei Bänden über Pommern begonnen worden; vgl. Broszat, a. a. O., sowie Peukert, Die KPD im Widerstand, a. a. O., S. 274— 294.

  31. Eine ausführliche Sammlung dieser Dokumente bei Mason, a. a. O.; Heinz Boberadi, Meldungen aus dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lage-berichten des Sicherheitsdienstes der SS 1939 bis 1944, Neuwied 1965.

  32. David Schoenbaum, Die braune Revolution, Köln/Berlin 1968.

  33. Von 2 090 Festnahmen der Gestapostelle für den Regierungsbezirk Köln im August 1943 entfielen auf die Bereiche: „Kommunismus/Marxismus“ 4, „Reaktion" 90, „Widerstandsbewegungen" 40, Kirchen 1, Juden 3, Wirtschaft 6, Umgang mit Ausländern 36, sonstige Straftaten 235, Arbeitsniederlegungen deutscher Arbeiter 53, Arbeitsniederlegungen ausländischer Arbeiter 1 620; nach: Bundesarchiv Koblenz, R 58/211.

  34. Widerstand und Verfolgung in Köln 1933 bis 1945. Katalog zur Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln, Köln 1974; J. A. Brodski, Im Kampf gegen den Faschismus. Sowjetische Widerstandskämpfer in Hitlerdeutschland 1941 bis 1945, Berlin 1975.

  35. Daniel Horn, Youth Resistance in the Third Reich: A Social Portrait, in: Journal of Social History, 7 (1973), S. 26— 50; dazu erscheint 1980 im Bund-Verlag, Köln, meine Dokumentation: Edelweißpiraten. Arbeiterjugend gegen HJ und Gestapo.

  36. Focke/Reimer, a. a. O.

  37. Hans Jochen Markmann, Widerstand und Verfolgung von Jugendlichen und Kindern in der Zeit des Nationalsozialismus (1939— 1945) im Unterricht, Pädagogisches Zentrum Berlin 1979.

Weitere Inhalte

Detlev Peukert, geb. 1950 in Gütersloh; wissenschaftlicher Assistent am Fachbereich 1 /Geschichte der Universität Essen — Gesamthochschule; Mitarbeit an Ausstellungen und Weiterbildungsprojekten zu Widerstand und Nationalsozialismus. Veröffentlichungen: Ruhrarbeiter gegen den Faschismus, Frankfurt 1976; Die KPD im Widerstand, phil. Diss., Bochum 1979; Zeitschriftenaufsätze zum Themenbereich Faschismus, Widerstand, Arbeitergeschichte.