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Die iranische Revolution und die Re-Islamisierung im Lichte des Nord-Süd-Konflikts | APuZ 14/1981 | bpb.de

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APuZ 14/1981 Die außenpolitischen Implikationen des Rüstungsgeschäfts mit Saudi-Arabien Die iranische Revolution und die Re-Islamisierung im Lichte des Nord-Süd-Konflikts Die innenpolitischen Determinanten der israelischen Außenpolitik

Die iranische Revolution und die Re-Islamisierung im Lichte des Nord-Süd-Konflikts

Bassam Tibi

/ 40 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die in Iran dominierende schi itische Variante des Islam unterscheidet sich von den arabischen sunnitischen Formen derselben Religion dadurch, daß sie oppositionell und nicht legitimatorisch ist. Aber trotz dieser Tatsache bleibt jeder Versuch, den Schah-Sturz mittels einer von dem schi itischen Klerus angeführten Revolution allein mit dem Islam zu erklären, inadäquat. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die These, daß die regionalen und welt-gesellschaftlichen Bedingungen der zwar islamisch legitimierten, aber nicht als islamisch zu deutenden Revolution in Iran untersucht werden müssen, um diese Bewegung zu verstehen. Die Re-Islamisierung wurde nicht in Iran eingeleitet; dort handelt es sich nur um eine der Varianten dieses Phänomens. Die immer tiefer werdende Kluft im Nord-Süd-Gefälle und das Scheitern einer westlichen Orientierung dokumentieren die gegenwärtige Entwicklung im Nord-Süd-Konflikt, ohne deren Berücksichtigung die Ereignisse in Iran nicht begriffen werden können. Diese Probleme werden im vorliegenden Aufsatz auf mehreren Ebenen behandelt: Der Versuch des Schah, den Iran mit Hilfe der Erdöleinnahmen von oben per Dekret und unter den Herrschaftsbedingungen einer orientalischen Despotie zu modernisieren, führte das Land in eine ökonomische, politische und kulturelle Krise. Ein rapider sozialer Wandel wurde eingeleitet, in dessen Verlauf die bisherigen Strukturen aufgelöst wurden, ohne daß neue Sozialgebilde entstanden. In dieser Krise wurde der Islam als Widerstandsideologie mobilisiert. Dies wurde durch das Fehlen politischer Institutionen noch begünstigt. Nach dem Sturz der Pahlevi-Dynastie stellt sich die Frage, ob die Re-Islamisierung eine Alternative bietet. Eine Analyse der Ansätze einer islamischen Wirtschaftslehre und eine Diskussion der Frage, ob der heutige Islam eine Veränderungsstrategie bietet, führten zu dem Ergebnis, daß die iranische Revolution über keine Strategie zur Überwindung von Unterentwicklung und zur Verringerung des Nord-Süd-Gefälles verfügt. Die Kritik an den fundamentalistischen Formen des Islam in Iran wird mit der These verbunden, daß eine Modernisierung des Orients ohne Berücksichtigung des Islam immer fehlschlagen wird, wie das Schah-Experiment verdeutlicht.

I. Einleitung

Dieser Artikel erscheint zu einer Zeit, in der sich die islamisch legitimierte Revolution in Iran, also nicht die islamische Revolution, zum zweiten Male jährt Eine islamische Revolution wird der Forscher vergebens beim Quellenstudium des Islam suchen. Mit Recht hat der Bonner Islamwissenschaftler Stefan Wild auf dem Re-Islamisierungskolloquium des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) gegen den Versuch, soziale Prozesse mit dem Islam zu erklären, den historisch nachweisbaren Tatbestand vorgebracht, daß es unterschiedliche Versionen im Islam gibt, die sich aus der islamischen Lehre nicht adäquat erklären lassen.

Historisch diente der Islam stets als „sprachlich-religiöse Artikulationsform", die herangezogen wurde, um sie bewußt oder unbewußt „als Legitimität politischer, sozialer und ökonomischer Sachverhalte" zu benutzen. Der Islam ist als Religion trotz seiner religiösen Binnendifferenzierung in Sunna und Schi'a und der differierenden religiösen Richtungen innerhalb der sunnitischen (die vier Rechtsschulen) oder schiitischen Bestimmung (z. B. die Zwölfer-Schi'a) eindeutig abgrenzbar und kann durch das Studium der religiösen Dogmatik anhand deren Quellen genau definiert werden. Wenn man aber mit Begriffen wie „islamische Revolution" bzw. „islamische Republik" etc. umgeht, dann wird man kaum eine islamische Substanz in ihnen finden. Denn sie sind „Artikulationsformen", um den Begriff von Wild noch einmal zu zitieren, wobei gleich einleitend vor Mißverständnissen bzw. vor Mißbräuchen warnend hervorgehoben werden muß, daß der Begriff „Artikulationsforni" nicht mit „überbau" im marxistischen Sinne vulgarisierend übersetzt werden kann. Der Islam ist keine überbauform, sondern die Variante eines Ordnungssystems, das nur inhaltlich und nicht schematisierend bestimmt werden kann. Die Revolution in Iran hat ein noch nie in der Bundesrepublik dagewesenes Interesse am Islam geweckt. Der Chefredakteur der Zeitschrift „Materialien zur politischen Bildüng" hat in einem lesenswerten Bericht über die im Bereich der politischen Bildung durchgeführten Seminare auf die bundesrepublikanische Islam-Konjunktur hingewiesen und sehr illustrativ einen von seiner zehnjährigen Tochter vor seiner Abreise zu einer dieser Tagungen geäußerten Satz als Motto seinem Bericht vorangestellt. Seine zehnjährige Tochter meinte: „Islam, das ist doch der Mann, der uns das öl wegnehmen will.“ In der Tat bringt diese durch die Umwelt beeinflußte Aussage eines Kindes aufrichtig die Motivation zum Ausdruck, die sich hinter der Beschäftigung mit dem Islam und der Revolution in Iran zu verbergen scheint.

Vergleicht man die Bundesrepublik mit ihren westlichen Nachbarn, vor allem mit England und Frankreich, dann stellt man fest, daß weder der Wissenschaftsbetrieb noch die Publizistik in diesem Land in der Lage sind, das nun im Rahmen der Islam-Konjunktur gewachsene Informationsinteresse am Islam zu befriedigen. Im Bereich der Politikwissenschaft an deutschen Universitäten sind für diese Fachgebiete genau drei Professoren zuständig (außer mir die Kollegen Hanf und Büttner in Freiburg und Berlin). Für die bundesrepublikanische Orientalistik und Islamwissenschaft hört die islamische Geschichte bedauerlicherweise offensichtlich nach dem Untergang des großen arabo-islamischen Reiches im dreizehnten Jahrhundert auf, so daß man nur wenige deutsche Orientalisten vorfindet, die sich nicht an diesen Konsens halten und Studien über den modernen Islam betreiben, wie der zitierte Stefan Wild oder die Hamburger Kollegen Werner Ende und Udo Steinbach. Diese mißliche Situation erklärt den Tatbestand, daß die Islam-Konjunktur zugleich auch die Geburtsstunde einer Islam-Scharlatanerie in der Bundesrepublik war. An Volkshochschulen und anderen Institutionen der politischen Bildung referieren „Islam-Experten“, die allem Anschein nach zuvor außer ihrer Zeitung bestenfalls einen Lexikon-Artikel über ihren Gegenstand gelesen haben Gewiß: die Islam-Konjunktur läßt sich auch in romanischen und angelsächsischen Ländern beobachten. Aber während in Frankreich erstklassige, in jeder Hinsicht fundierte Arbeiten, wie z. B. die von Rodinson und Berque und in angelsächsischen Verlagen bemerkenswerte Islam-Monographien, wie z. B. die von Jansen oder Martin Kramer erscheinen, können wir auf dem deutschen Büchermarkt fast nur Publikationen finden, die gleichermaßen bei einem guten Islamwissenschaftler oder einem gebildeten Muslim nur Verärgerung hervorrufen können. Darunter fallen sowohl tagesjournalistische Islam-Karikaturen wie das Buch von Konzeimann „Die islamische Herausforderung“ als auch eher feuilletonistische Darstellungen, wie die von Fischer-Barnicol Beide hier nur exemplarisch angeführten Islam-Publikationen reihen sich in eine ältere deutsche Tradition der Verbreitung von Zerrbildern und Vorurteilen über den islamischen Orient ein Selbst im Bereich der Journali-stik kann sich kein deutscher Orient-Reporter mit seinen französischen oder britischen Kollegen messen, sieht man einmal von dem international anerkannten deutschsprachigen Schweizer und Orient-Experten der NZZ, Arnold Hottinger, ab. Die Le-Monde-Artikel von Eric Rouleau über den Iran können beispielsweise als klassisch zitierbare Texte rangieren Glücklicherweise sind einige der deutschsprachigen Arbeiten über den Iran lediglich Übersetzungen von wertvollen Berichten, wie z. B. die ausgesprochen fundierte Publikation von Robert Graham, der als Korrespondent von „Financial Times" zwei Jahre in Iran lebte

Der Autor dieser Arbeit ist selbst Muslim und beschäftigt sich im Rahmen der Disziplin der internationalen Beziehungen seit über einem Jahrzehnt mit dem Islam. Die folgenden Ausführungen stehen im Zusammenhang mit einem Projekt, dessen Gegenstand der moderne Islam ist, das Anfang 1978 begonnen und im Frühjahr 1980 als Buchmanuskript abgeschlossen wurde (vgl. Anm. 1). Die Iran-Ereignisse konnten sehr leicht in den Forschungsgegenstand integriert werden, zumal sie vorwiegend regionale Konfigurationen eines globalen Phänomens dokumentieren, das gewöhnlich mit dem Begriff Re-Islamisierung umschrieben wird. Die Prozesse, die innerhalb dieses Rahmens stattfinden und in ihn eingeordnet werden, sind jedoch weder gleich geartet noch mit dem Islam allein erklärbar, wenngleich ihre Bedingungsfaktoren ähnlich sind. In Iran hat eine Krise des politischen Systems der Pahlevi-Dynastie den Weg für eine Revolution geebnet, die sich als islamisch legitimiert und die ihre Angriffe nicht etwa gegen soziale oder ökonomische Objekte, sondern proklamatorisch gegen „unislamische Entartungen" richtet. Um diese Sicht kritisieren zu können, ist es erforderlich, die Krise selbst zu untersuchen. Entsprechend ist die vorliegende Arbeit aufgebaut.

Die zentrale These der folgenden Ausführungen lautet, daß ein adäquates Verständnis des Re-Islamisierungsphänomens sowohl eine Analyse der regionalen Bedingungen als auch deren Einordnung in die weltgesellschaftliche Struktur voraussetzt Mit anderen Worten: Nur eine kombinierte Analyse der inneren und der weltgesellschaftlichen Strukturen, die diese in ihrem Interdependenzzusammenhang sieht, kann uns helfen, ein angemessenes Verständnis unseres Gegenstandes zu entwickeln. Unter den inneren Strukturen wird nicht einseitig — wie in den marxistischen Beiträgen — die sozial-ökonomische Struktur der Unter-entwicklung und deren Einordnung in den Weltmarkt verstanden. Wir haben drei Dimensionen desselben Phänomens zu beleuchten: einmal die ökonomischen Strukturen der Unterentwicklung, dann die politischen Strukturen des jeweiligen Staates und schließlich die sozio-kulturellen Strukturen, die eine vorindustrielle, traditionelle Kultur dokumentieren, die sich angesichts des rapiden sozialen Wandels in einer Krise befindet. Alle drei Ebenen der inneren Strukturen haben ihre Verbindungen zu der übergeordneten Struktur der Weltgesellschaft, in die alle nationalen Gesellschaften unserer heutigen Welt integriert sind.

Doch haben diese trotz ihrer Integration in ein übergeordnetes Gebilde, das im Rahmen der kolonialen Penetration der Welt entstanden ist, unterschiedliche Entwicklungsstufen. Auf der einen Seite haben wir Gesellschaften, die industrialisiert sind und deren Kultur technisch-wissenschaftlich bestimmt wird, und auf der anderen solche, die — sieht man einmal von der erforderlichen regionalen Differenzierung ab — noch vorindustriell sind und deren Kulturen diese technisch-wissenschaftliche Komponente entbehren Galtung nennt die erstgenannten Gesellschaften das Zentrum und die anderen die Peripherie Das Zentrum-Peripherie-Verhältnis ist aber ein Herr-

Schaftsverhältnis, insofern die Gesellschaften des Zentrums über die der Peripherie dominieren. Dieses weltgesellschaftliche Gebilde das auch als Nord-Süd-Gefälle charakterisiert wird, ist aber nicht bloß ökonomisch zu bestimmen, wie dies von marxistischen Autoren mit Vorliebe getan wird sondern mehrdimensional. Der Nord-Süd-Konflikt ist sowohl sozio-ökonomisch als auch sozio-kulturell bedingt; er ist ferner auch als ein Konflikt zwisehen den technisch-wissenschaftlich bestimmten und den noch vorindustriellen Kulturen zu interpretieren.

Alle Varianten der islamischen Kultur, die in der islamisch dominierten Region der Weltgesellschaft (vierzig Staaten mit einer Bevölkerung von 700 Millionen) bestehen, sind agrarisch bzw. traditionell — um einen durch die Modernisierungstheorie der sechziger Jahre in Mißkredit geratenen, aber doch substantiellen Begriff zu bemühen In den Re-Islamisierungsbestrebungen haben wir es mit einer Protestbewegung in der „Dritten Welt" zu tun, wie noch im einzelnen zu zeigen sein wird. In Iran versuchte der Schah, ökonomisch mit den Mitteln der Erdöleinnahmen und politisch mit den Methoden der orientalischen Despotie sein rückständiges Land zu modernisieren. Modernität und Despotismus sind jedoch Gegensätze. Gerade die Politik der forcierten Modernisierung hat diese Gegensätze intensiviert; sie ist eines der Elemente, die zum Schah-Sturz beigetragen haben.

Meine Argumentationsgänge sind in folgende Vorgehensweise eingebaut: Zunächst untersuche ich das Modernisierungsexperiment des Schah in Iran, um anschließend die iranische Variante des Re-Islamisierungsprozesses als Auflehnungsform dagegen darzustellen. Die Träger der Revolution, die iranischen Ulema (Schriftgelehrten), propagieren das islamische Ordnungssystem als politisches und wirtschaftliches Gegenmodell, das ich dann analy-sieren werde, um im abschließenden Teil dieser Studie die Frage zu stellen, ob die Re-Islamisierung eine Strategie zur Überwindung der Unterentwicklung beinhaltet, ohne die das Nord-Süd-Gefälle nicht verändert werden kann.

II. Das Modernisierungsexperiment des Schah: rapider sozialer Wandel unter den Bedingungen einer orientalischen Despotie

Trotz meiner durch eigene Forschungsergebnisse bedingten Ablehnung des Modernisierungsexperiments des Schah werde ich nicht in den Chor der Schah-Verteufelung, der monotonen moralischen Anklagen gegen sein Regime mit einstimmen Vielmehr gehe ich mit Robert Graham konform, der zwar nach seiner Darstellung dieses Experiments zu dem Ergebnis kommt, „daß das iranische Regierungssystem unfähig war, einen dynamischen Entwicklungsprozeß in die Wege zu leiten", aber trotzdem zu bedenken gibt: „Den Schah einen Schurken zu nennen, ist in mehr als einer Hinsicht falsch. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß sich ein anderer politischer Führer in der für den Iran so typischen Situation anders verhalten und mehr Erfolg gebracht hätte ... Die Kritiker des Schah weisen besonders auf seine autoritäre Regierungsform hin, aber es gibt kaum liberale Traditionen in der persischen Geschichte.“ Ohne Personifizierung muß das iranische Modernisierungsexperiment strukturell begriffen werden; die autokratische Schah-Herrschaft ist selbst ein Element dieser vorgegebenen strukturellen Bedingungen, und es ist kaum einzusehen, warum die sicherlich abzulehnende orientalische Despotie des Schah schlimmer als die anderer Diktatoren dieser Region sein soll, wie z. B. die des irakischen Präsidenten Saddam Husain oder die des libyschen Alleinherrschers Ghaddafi.

Als die Pahlevi-Dynastie im Jahre 1925 durch den Offizier der iranischen Kosakenbrigade, Reza Khan, gegründet wurde, war der Iran unter der bis dahin regierenden Kadjaren-Dynastie zwar ein Zentralstaat, aber seine Regierung hatte schon lange nicht mehr die erforderliche staatliche Zentralgewalt einer funktionsfähigen Zentralinstanz ausüben können. Als im Jahre 1908 nach den erfolgreich durchgeführten Ölprospektionen die Erdölförderung erstmals aufgenommen wurde, konnten die damaligen europäischen Öl-Gesellschaften mit den regionalen politischen Führern unter Umgehung der Zentralregierung über Erdölabgaben verhandeln. Eines der zentralen Ziele des Begründers der Pahlevi-Dynastie, über dessen Begeisterung für das Experiment Kemal Atatürks berichtet wird war die Stärkung der Zentralinstanz und die Konsolidierung ihrer Kontrollgewalt über den ganzen Iran. Die Erdöleinnahmen, die die Zentralregierung seinerzeit nicht ohne Durchsetzungskämpfe bekam, wurden zur Realisierung dieses Zieles voll eingesetzt Man vergegenwärtige sich, daß die iranische Bevölkerung zu jener Epoche noch zu einem guten Teil nomadisch und daß der Urbanisierungsprozeß, dessen Folgen wir heute kennen, noch nicht einmal in Ansätzen vorhanden war. Er ist als ein Ergebnis der Auswirkungen def Erdölförderung auf das Land zu werten.

Die Modernisierung des Iran wurde nicht erst durch den zweiten Schah, sondern bereits durch seinen Vater eingeleitet. Da es jedoch hier um die unmittelbare Vorgeschichte der iranischen Revolution geht, interessiert uns primär die Entwicklung nach der ersten Erdöl-krise von 1973/1974, in deren Verlauf sich die Erdöleinnahmen des Iran aufgrund der entsprechenden Preiserhöhungen innerhalb von wenigen Monaten vervierfacht hatten.

Der iranische Fünfjahresplan 1973/1978 ist in diesen Zusammenhang einzuordnen, da er von den erhöhten Einnahmen finanziert, ja durch sie überhaupt erst angeregt wurde.

Ich möchte hier von der Entwicklungsphase sprechen, die zwischen der ersten und der zweiten Ölkrise also zwischen den Jahren 1973 und 1979, stattfand und die als Höhepunkt der Pahlevi-Herrschaft und zugleich als Vorgeschichte der iranischen Revolution charakterisiert werden kann. Soziologisch gesprochen handelte es sich um eine Phase des rapiden sozialen Wandels und politikwissenschaftlich definiert als solche des politischen Verfalls. Diese Kategorien werden im iranischen Kontext noch näher erläutert. Es reicht hier, darauf hinzuweisen, daß während dieser Phase die Steigerungsrate der Produktion in Industrie und Bergbau auf 18 % geklettert ist, daß eine überhitzte Konjunktur stattgefunden hat, die von einer hohen, zu Lasten inländischer Investitionen sich seinerzeit entwikkelnden Inflationsrate begleitet wurde, und daß zu Beginn des Jahres 1975 „die iranische Wirtschaft völlig außer Kontrolle geraten“ war

Ehe ich auf diese Zusammenhänge eingehe, möchte ich die bereits zitierten Begriffe sozialer Wandel und politische Entwicklung als Schlüsselkategorien heranziehen, und mich kursorisch auf eine bewährte Theorie-Komponente beziehen: auf Huntingtons Theorie der Institutionalisierung Sozialer Wandel impliziert die Veränderung von sozio-ökonomischen Strukturen, die mit entsprechenden politischen und sozialen Organisationsformen korrelieren. Die zentrale These Huntingtons lautet, daß parallel zur Auflösung traditioneller Sozialstrukturen im Rahmen des sozialen Wandels der Aufbau neuer Institutionen erforderlich ist, die die neuen, durch die stattgefundenen Transformationsprozesse freigesetzten sozialen Kräfte politisch absorbieren, das neue Konfliktpotential institutionell kanalisieren und neue demokratische Mediatisierungsformen einleiten. Findet sozialer Wandel rasch ohne die erforderliche politische Institutionenbildung statt, dann kann die Folge nicht Modernität, sondern politischer Verfall sein. Ich habe diese Theorie im Rahmen zweier Regionalstudien empirisch getestet und ihre Gültigkeit mit den entsprechend erforderlichen Modifikationen festgestellt. Für die Untersuchung der angeführten Phase der iranischen Entwicklung in den Jahren 1973 bis 1979 scheint sie mir die benötigte begriffliche Hilfe zu bieten.

Das Modernisierungsexperiment des Schah konzentrierte sich sowohl auf die Landwirtschaft als auch auf die Industrie und war von zwei Merkmalen charakterisiert: erstens Konzentration auf das Zentrum (Teheran) bzw. auf seine politische Stärkung und zweitens, daß politische Machtüberlegungen mehr als sachbezogene Pläne im Modernisierungsprogramm dominierten. Fred Halliday hat ausführlich die iranische Industrialisierungspolitik untersucht und gezeigt, daß zwar durch die erhöhten Erdöleinnahmen die Mittel zu deren Finanzierung vorhanden waren, daß die erforderliche Infrastruktur jedoch — vor allem was den organisatorisch-institutionellen Rahmen und das entsprechend fachlich geschulte Personal anbelangt — fehlte Dies war ein struktureller Bedingungsfaktor für das Scheitern dieser Politik, wozu natürlich noch weitere Gesichtspunkte kamen: Im Bereich der Landwirtschaft haben die Modernisierungspläne des Schah, wie wir aus den Untersuchungen von Nikki Keddie wissen, vorwiegend negative Auswirkungen hervorgerufen, deren wichtigste die Entwurzelung der Bauern, die Intensivierung der Landflucht und die Verringerung der Produktivität waren. Vor der Durchführung dieser Projekte konnte sich der Iran, obwohl die Hälfte seines Gebietes agrarisch nicht nutzbar ist, selbst mit Nahrungsmitteln versorgen. Danach konnte die Bevölkerung weder ohne Nahrungsmittelimporte noch ohne deren staatliche Subventionierung versorgt werden Durch die eingeleiteten Modernisierungsschritte, die auf die Stärkung des Zentrums gerichtet waren, vergrößerte sich das Gefälle zwischen Stadt und Land, das in der Entwicklungstheorie als strukturelle Heterogenität bezeichnet wird.

Das politische System, unter dessen Ägide dieses Experiment praktiziert wurde, nenne ich im Anschluß an Wittfogel orientalische Despotie-, eine spezifisch orientalische Herrschaftsform, die als Autokratie zu charakterisieren ist. Die erforderliche fachliche Beratung fehlte, da die Zielsetzung politisch war.

Robert Graham urteilt: „Der Schah und Hoveida (der Ministerpräsident, B. T.) zeigten eine gewisse Geringschätzung für die Vorsicht der Wirtschaftler, die nicht über ihre Probleme hinausdenken und sich eine umfassendere Vorstellung von einem künftigen industrialisierten Iran machen konnten." Auch auf die Warnungen einer nach Iran entsandten Expertengruppe des Internationalen Währungsfonds (IMF), die einen Zusammenhang zwischen der überhitzten Konjunktur und der erhöhten Inflationsrate sah, reagierte der Schah verächtlich, da diese Technokraten mit ihrem beschränkten wissenschaftlichen Verstand die großen politischen Visionen des Schah nicht begreifen konnten. Hier möchte ich aber trotz dieser ironischen Bemerkung vor der Gefahr warnen, dies personifizierend als Problem des Schah zu sehen; es ist das Problem der orientalischen Despotie als einer autochthonen Herrschaftsform. Ich sehe hier keinen wichtigen Unterschied zwischen den Visionen des gestürzten Schah und denen eines Ghaddafi, wenngleich die bemühte Legitimität beider Despoten jeweils eine andere ist.

Ziehen wir die von Huntington bereits übernommenen Begriffe heran, dann können wir sie am iranischen Beispiel empirisch füllen: Durch die Modernisierung wurden Strukturen aufgelöst, ein neues soziales und politisches Potential wurde freigesetzt (soziale Mobilität in einer traditionellen Gesellschaft), ohne daß die erforderlichen politischen Institutionen aufgebaut wurden. Das politische System unter dem Schah war autokratisch; es gab nur eine zentrale Herrschaftsinstanz, die mit der Person des Schah identisch war. „Die Monarchie war die einzige Institution des Landes, um die sich die Macht ohne formale Grenzen und ohne Kontrolle gruppierte“ schreibt Robert Graham.

Es erscheint mir aufschlußreich, die Beschreibung Grahams mit der Konzeptualisierung Wittfogels zu vervollständigen: Graham beklagt die Personifizierung der Macht unter dem Schah und zeigt, daß angesichts fehlender Institutionalisierung die einzige Säule der Monarchie die Sicherheitsdienste waren: „Im Laufe von 20 Jahren waren die Sicherheitsdienste zu einer tragenden Säule im Regierungssystem des Schah geworden ... Sie sind die Augen und Ohren des Schah gewesen und, wenn nötig, seine eiserne Faust, die alle traf, die dem Regime nicht treu ergeben waren .. ,“

Wittfogel geht nicht von einem besonderen Beispiel aus; er will abstrakt die Herrschaftsform der orientalischen Despotie bestimmen, in der weder Institutionen noch Rechtsstrukturen noch eine Gewaltenteilung existieren. Der Herrscher erreicht Seine Untertanen nur mit den Mitteln der nackten Gewalt.

Der orientalische Despot besitzt die „Mittel zur Vernichtung seiner Opfer... Er verfügt unumschränkt über die Armee, die Polizei und den Nachrichtendienst. Er hat Gefangenen-aufseher, Folterknechte, Henker und alle Werkzeuge, die nötig sind, um eine Verdachts-person festzunehmen, zu martern und zu töten.“ Mit dieser abstrakten Bestimmung können die Sicherheitsdienste des Schah, der SAVAK und das Kaiserliche Inspektorat, genau beschrieben werden.

Die Beschäftigung mit diesem autokratischen Herrschaftssystem bildet natürlfch nur eine Komponente des Versuchs, das Scheitern des iranischen Modernisierungsexperiments zu erklären. Der Widerspruch zwischen den Auswirkungen eines rapiden sozialen Wandels und den angesichts einer fehlenden Institutionalisierung bestehenden politischen Strukturen einer personifizierten Macht ist jedoch zentral in diesem Erklärungsversuch. Ich möchte abschließend die Deutung von Graham zitieren, ehe ich auf den politischen Verfall als Folge des beschriebenen Prozesses eingehe: „Die schnelle wirtschaftliche Entwick-lung des Iran stand immer in der Versuchung, eher den alten Strukturen zu unterliegen, als sie zu ersetzen. Die moderne Wirtschaftsvariante rankte sich als ein neuer Zweig an der Seite der traditionellen, vom ländlichen Einfluß bestimmten Wirtschaft empor. Sie hatten kaum etwas gemeinsam. Diese Kluft wurde noch durch die Größe des Landes, durch klimatische und geographisch verursachte Schwierigkeiten, die unüberwindbar erschienen, und durch eine weit verstreute, unzusammenhängende Bevölkerung verstärkt. Hinzu kamen eine schwerfällige, korrupte Bürokratie und ein fehlendes modernes Kommunikationssystem.'' Ich meine, daß wir durch solche umfassende Deutungen der Realität weit näher kommen als durch monokausale, z. B. ökonomistische Erklärungen.

III. Der Islam als mobilisatorische Ideologie gegen das Schah-System und die iranische Variante der Re-Islamisierung

Im Bewußtsein der iranischen Bevölkerung war das Modernisierungsprogramm des Schah westlich, obwohl wir gesehen haben, daß die Schah-Herrschaft autochthon, d. h. nur eine, wenngleich modernisierte Variante in der langen Geschichte der orientalischen Despotie darstellte. Die Auflehnung gegen den Schah mußte daher mittels des Rückgriffs auf autochthone Elemente geschehen. Der Schah hat seine Herrschaft im Gegensatz zu den anderen orientalischen Despoten (z. B.den Herrschern von Marokko und Saudi-Arabien nicht islamisch legitimiert, so daß sich der Islam als vorzügliche Widerstandsideologie zur Mobilisierung gegen den Schah eignete.

Der Schi'a-Islam war seit seiner Entstehung gegen die islamische Orthodoxie (Sunna-Islam), die stets legitimatorisch war und bis heute noch ist, eine oppositionelle Bewegung Bereits vor dem Schah-Sturz kannte die neuere iranische Geschichte zwei historische Ereignisse, in denen eine Politisierung des Islam als mobilisatorische Ideologie gegen die bestehende Herrschaft stattfand: während des Tabak-Aufstandes gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts (1891— 1892) und während der Konstitutionellen Revolution des Jahres 1906. Beide Male verbündete sich der Basar mit den Ulema, um politische und wirtschaftliche Veränderungen durchzusetzen Die iranische Revolution von 1979 dokumentiert das dritte Basari-Ulema-Bündnis gegen bestehende Herrschaft in der neueren iranischen Geschichte.

In den vorangegangenen Ausführungen wurde gezeigt, daß parallel zur Modernisierungspolitik des Schah keine Institutionenbildung stattgefunden hatte. Allein religiöse Institutionen, also die Moschee, und der Untergrund blieben als politische Tätigkeitsbereiche übrig. Petrossian weist darauf hin, „daß die Zerstörung aller möglichen Alternativen politischer Führung durch den Schah es unvermeidlich machten, daß sowohl der revolutionäre Protest als auch der postrevolutionäre Iran anders als von der Moschee hätten angeführt werden können" Im Untergrund agitierten vorwiegend linke und linksradikale Bewegungen, vor allem die kommunistische Tudeh-Partei sie hätte bei der muslimischen Bevölkerung aber nicht soviel Resonanz wie die Ulema finden können.

Auch Steinbach sieht in dem Fehlen politischer institutioneller Strukturen die Ursache dafür, daß „die iranische Revolution vollständig ins Fahrwasser der religiösen Kräfte geraten (ist), und es ist nicht erstaunlich, daß diese, namentlich ihre Gailionsfigur, der Ayatolla Khomeini, einen erheblichen Vorteil hatten, als es um die Neugestaltung der politischen Szene Irans ging. Seither haben sie die Entwicklung in Iran weitgehend bestimmt Die zwölfer-schi'itische Lehre von der wilayat-i-faqih (Herrschaft der Gottesgelehrten) wird bemüht, um die politische Kontrolle der an weit-liehe Personen formal delegierten Herrschaft religiös zu legitimieren. Dieses Prinzip wird nun auch in der „Verfassung der Islamischen Republik Iran" verankert.

In den Publikationen von Populärskribenten über den Iran und über die Re-Islamisierung, die seit der in der Einleitung beschriebenen Islam-Konjunktur in der Bundesrepublik erscheinen, findet man die falsche Behauptung, daß der Prozeß der Re-Islamisierung von Khomeini eingeleitet worden und danach auf die anderen islamischen Länder übertragen worden sei. Unter Experten ist allerdings allgemein bekannt, daß die Re-Islamisierung schon seit Beginn der siebziger Jahre in arabischsprachigen Publikationen beobachtbar ist und daß sie sich nicht alleine auf den Iran beschränkt; sie ist eine Reaktion auf das Entwicklungsgefälle zwischen dem Norden und dem Süden unserer Weltgesellschaft und beinhaltet eine Protestbewegung der Dritten Welt gegen die Industrienationen Die iranische Revolution ist zwar islamisch, sie aber nur mit islamischen Begriffen zu deuten, ist inadäquat, da der soziale, politische und ökonomische Hintergrund dieser Bewegung eine Voraussetzung für deren Verständnis ist.

Ich möchte diese These noch an folgender, mit Udo Steinbach formulierter Fragestellung illustrieren Wie islamisch ist die iranische Revolution? Wie bereits im einzelnen gezeigt wurde, haben wir in Iran das historische Experiment eines orientalischen Despoten (= Alleinherrscher ohne konstitutionelle bzw. institutioneile Kontrolle) zu bewerten, der von oben und per Dekret die rückständige iranische Gesellschaft an die europäischen Standards anpassen wollte, ohne dabei nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu fragen, bzw. zu erwägen, die Iraner an seinen Plänen partizipieren zu lassen. Der Erdölboom nach der Ölkrise von 1973 ermunterte den Schah von Iran, seine Pläne forcierter als zuvor durchzuführen, da sie nun problemlos aus den Erdöl-einnahmen finanziert werden konnten.

Die Folge dieser Politik der forcierten Modernisierung von oben per Dekret ohne Beteiligung der Betroffenen bzw. ohne Berücksichtigung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der neuen Maßnahmen (z. B. die Einführung von Agrobusiness in die iranische Landwirtschaft!) haben nicht zur Modernisierung des Landes, sondern zur unkontrollierten Urbanisierung, massiven Landflucht und nicht zuletzt zur Bedrohung bzw. Auflösung der materiellen Existenz der kleinen iranischen Händler, der Basaris, bzw.der kleinen Bauern u. a. geführt. Diese sozialen Schichten waren die ökonomischen Opfer der neuen Politik. Wie Udo Steinbach beobachtete, „war der Islam im schi itischen Iran ... die einzige Hoffnung des Kleinbürgertums und aller derjenigen gewesen, die nicht hoffen konnten, eine gesellschaftliche Stellung zu erringen, in der sie dem Druck von Ausbeutung und völliger Rechtlosigkeit hätten entkommen können" Der Islam war also die Form des Widerstandes und dessen Ideologie; der Inhalt der Erhebung ist aber in den sozialen, ökonomischen und politischen Problemen der iranischen Gesellschaft zu suchen.

Alle Iran-Experten stimmen darin überein, daß Khomeinis Machtergreifung zunächst von einem breiten Konsens der Bevölkerung getragen wurde. Aber schon nach einer einjährigen Herrschaft dieses Klerus, in dessen Verlauf das Land ruiniert worden ist, konnte man feststellen, daß dieser Konsens nicht mehr bestand. Der irakisch-iranische Krieg, der für den Iran zwar eine Intensivierung seines ökonomischen Elends bedeutet, ist aber für die Stabilität der islamischen Republik des Iran ein Segen, insofern er von inneren Problemen ablenkt. Der iranische Präsident Bani-Sadr erklärte gegenüber Le Monde, der Irak trage zur Stabilisierung der islamischen Republik bei Denn der Krieg vereinigt alle verfeindeten iranischen Fraktionen gegen einen Außenfeind, gegen den Irak. Hier möchte ich nur konstatieren, daß die iranische Revolution einen islamisch-religiösen Impuls hat, aber kein spezifisch islamisches Phänomen darstellt; sie ist eine politische und soziale Erscheinung; sie nur als islamisch zu deuten, ist mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft.

Ich habe das falsche Modernisierungsmodell des Schah angeführt, das seinerzeit vorbehalt-los vom Westen unterstützt wurde. Damals haben Experten auf die Gefahren, die dieses Modell in sich birgt, hingewiesen, ohne daß man auf sie gehört hat. Nicht nur war das Modernisierungsprogramm des Schah bar jeglicher sachlicher Sozial-und Wirtschaftsplanung; es überging auch die kulturellen Besonderheiten des Iran. Der Schah hat übersehen, daß ohne den Islam jede Modernisierungspolitik auf Widerstand der Bevölkerung stoßen wird, und daß ein Modernisierungsprogramm sowohl genauere, fachlich fundierte sozial-und wirtschaftspolitische Recherchen als auch die Einbeziehung entsprechender sozio-kultureller Implikationen (islamische Kultur) erfordert. Unter dem Schah fehlte dies alles, so daß ein unkontrollierter sozialer Wandel stattfand.

Zwar wird die Monarchie in Saudi-Arabien im Gegensatz zum damaligen kaiserlichen Iran islamisch legitimiert, auch Modernisierung steht hier nicht auf dem Programm — und doch ist das politische System Saudi-Arabiens mit ähnlichen Problemen konfrontiert, die einst der Iran unter dem Schah hatte. Ich habe in meiner Abhandlung über die saudische Monarchie aufgezeigt daß dieses Land zwar mindestens für ein Jahrzehnt seine Stabilität aufrechterhalten wird, daß aber die Unterhöhlung der traditionellen Legitimität der Monarchie durch die Modernisierung nicht aufzuhalten ist. Modernisierung wird in Saudi-Arabien nicht programmartig eingeführt; sie schleicht sich in die Gesellschaft unkontrolliert über die Erdölproduktion ein und verändert das bestehende, islamisch legitimierte Ordnungssystem

Modernisierung ohne Partizipation der Bevölkerung und ohne den Aufbau einer institutioneilen Struktur, die die durch die Modernisierung freigesetzten sozialen Kräfte absorbiert, kann aber nur zum politischen Verfall führen, wie ich im einzelnen in der zitierten Abhandlung über Saudi-Arabien und in meiner Untersuchung „Schwache Institutionalisierung als politische Dimension der Unterentwicklung" ausgeführt habe (vgl. Anm. 28). Ich möchte hier nur auf die politischen Gefahren einer unkontrollierten Modernisierung und auch einer blinden, weil kurzfristigen Lösung des Problems der monetären Erdölüberschüsse der Förderländer hinweisen. Ein Zusammenbruch in Saudi-Arabien kann eine Weltkrise auslösen, von der man sich nicht so schnell wird erholen können, wie dies bei der iranischen Revolution möglich war. Eine Absorption der Überschüsse durch Rüstung ist keine Lösung; das Schah-Experiment dürfte diese Tatsache deutlich belegt haben. Eine Modernisierung, die aus einer Nachahmung des westlichen Entwicklungsmodells besteht und die die sozialen und kulturellen Gegebenheiten der betroffenen Gesellschaft übersieht, kann auch kein anderes Ergebnis als das erbringen, was das Schah-Experiment zeitigte.

Sowohl moderne, innovativ orientierte Muslime als auch aufgeschlossene Islam-Experten weisen heute mit Vehemenz auf die Notwendigkeit hin, den Islam als ein sozio-kulturelles System zu studieren, um Wege für die Einrichtung von Modernisierungsversuchen zu finden, die in die islamische Kultur integrierbar sind Man darf dabei aber nicht verschweigen, daß auch am Islam Veränderungen vorgenommen werden müssen, die ihn für Innovationen öffnen. Muslimische Fundamentalisten, wie der schi'itische Klerus in Iran, aber auch die saudischen Ulema (Schriftgelehrten), stehen jedoch solchen modernisierenden Islam-Interpretationen im Wege

Nun erhebt der schiitische Klerus in Iran den Islam zum Ordnungssystem (an-Nizam al-Islami) und beansprucht die Gestaltung der Politik nach der islamischen Wirtschaftslehre. Ich möchte im folgenden Abschnitt an Hand von islamischen Quellen untersuchen, ob es ein solches . islamisches Wirtschaftssystem'gibt und ob solche Systemvorstellungen, sollten sie vorhanden sein, den Entwicklungsbedürfnissen des islamischen Orients in unserem technisch-wissenschaftlichen Zeitalter, die in der Veränderung des Nord-Süd-Gefälles in der Weltgesellschaft bestehen, entsprechen und sie fördern können

IV. Entsprechung des Sakralen und des Politischen in den islamischen Ordo-Vorstellungen und Ansätzen einer Wirtschaftslehre

In den bisherigen Teilen dieser Arbeit wurde die iranische Revolution als eine gegen die Modernisierungsstrategie des Schah gerichtete Bewegung vorgestellt und gezeigt, daß das Schahregime außenpolitisch zwar pro-westlich war, aber nur eine historische Form der orientalischen Despotie darstellte. In der öffentlich-politischen Diskussion werden die Attribute „prowestlich" und „westlich" oft verwechselt Ein Bundestagsabgeordneter, Norbert Gansel, wollte bereits nach einer zehntägigen Iran-Reise wissen, daß „in Iran offenbar eine Umwälzung der politischen Verhältnisse stattgefunden hat... Er (der Iran, B. T.) begann, europäische soziale Einrichtungen zu importieren ... Das alles sind westliche Werte, die sich urplötzlich als brüchig erwiesen, die jedenfalls zerbrochen sind" Die westlichen Werte, von denen hier gesprochen wird, wird der Historiker während der Schah-Periode in der jungen iranischen Geschichte kaum finden können.

Im Bewußtsein der iranischen Bevölkerung wurden der Schah und seine orientalische Despotie aber als Symbol des Westens angesehen, zumal der Schah für die iranische Variante der islamischen Kultur eine gewisse Verachtung hegte und diese auch in politische prowestliche Formen umsetzte. Nur in diesem Sinne ist die Erhebung in Iran als Autochthones gegen Fremdes zu verstehen. Der schiitische Klerus, der, wie bereits gezeigt wurde, mangels einer anderen politischen Führung die Initiative in dieser Revolution übernahm, präsentiert nun den Islam nicht nur als Kultur, sondern vorwiegend als ein politisches und wirtschaftliches System, als Gegenmodell für jede Politik der Modernisierung. In Iran nimmt nun der globale innerislamische Konflikt, der mit den Begriffen Fundamentalismus — Modernismus umschrieben werden kann, auch eine persische Form an.

In der Publizistik wird oft der Fehler begangen zu behaupten, daß Schah-Herrschaft und Modernisierung Synonyme seien; diesen zu beseitigen ist ein Ziel dieser Arbeit. Der Schah wollte auf seine orientalisch-despotische Art modernisieren und die autochthone iranisch-islamische Kultur ad acta legen. Aber im Islam selbst findet seit dem neunzehnten Jahrhundert, also ehe ein persischer Schah geboren wurde, ein innerislamischer Konflikt über die Lösungsmöglichkeiten der damals schon von Muslimen erkannten Rückständigkeit des islamischen Orients statt: Islamische Modernisten, deren Anführer seinerzeit Afghani und Abdhu waren versuchen seitdem, die Neuformulierung des Islam unter Bedingungen des technisch-wissenschaftlichen Zeitalters ohne Preisgabe der islamischen Authentizität als islamische Aufgabe zu setzen, während islamische Fundamentalisten, für die die wahhabitische Bewegung auf der arabischen Halbinsel als Beispiel gebracht werden kann, nur in einer Rückkehr zum Urislam, also zu den alten Bedingungen der islamischen Religionsstiftung unter dem Propheten Mohammed eine Lösung erblicken Was heute in Iran politisch geschieht, ist vorwiegend nur eine Variante dieses Konfliktes. Die Lehre des islamisch-iranischen Modernisten Ali Schariati (1933— 1977), der auch zu den Kämpfern gegen das Schah-Regime zählte, vermittelte z. B. ein anderes, ein modernes Islam-Verständnis als das, was iranische Fundamentalisten unter Khomeini vertreten.

Die Vorbemerkungen zu der Diskussion über die islamischen Ordo-Vorstellungen und Ansätze einer Wirtschaftslehre sind unentbehrlich zum Verständnis des Gegenstandes. Zunächst können wir zweifelsohne feststellen, daß der Islam eine Entsprechung des Politischen und des Sakralen beinhaltet, da er ein organisches Religionssystem ist, das die religiös-politische Regelung sämtlicher Lebensbereiche im Gegensatz zu Religionssystemen beansprucht, die in der Religionssoziologie als kirchlich bezeichnet werden Historisch gesehen besteht eine Übereinstimmung zwischen der islamischen Religionsstiftung und der Gründung des ersten islamischen Staates unter Mohammed, der Pax Islamica Aber für die Lösung der Probleme im zwanzigsten Jahrhundert erweist sich ein solcher Rückgriff auf die islamische Geschichte im siebten Jahrhundert als wenig hilfreich. Bereits im Jahre 1925 hat ein großer islamischer Gelehrter, Professor an der ältesten islamischen Universität al-Azhar zu Kairo und zugleich hoher islamischer Richter, Ali Abdelraziq, in einer damals und bis heute noch aufsehenerregenden arabischen Publikation „Der Islam und die Regierungsformen" eingesehen, daß eine Trennung zwischen dem Religiösen und Politischen im Islam etabliert werden muß. Im Sinne Abdelraziqs habe ich auch im Jahre 1979 auf der First Conference of Islamic Philosophy on Islam and Civilization vor einer internationalen islamischen Gelehrtengemeinschaft für eine Säkularisierung des Islam plädiert

Aber schon vor dem Rückgriff auf die islamischen Ordo-Vorstellungen durch den iranisch-schi'itischen Klerus können wir die Anhäufung von arabischsprachigen Publikation in der Phase der Re-Islamisierung beobachten, in denen für eine Deutung des Islam als eines politischen und wirtschaftlichen Systems plädiert wird Die nach der iranischen Revolution proklamierte „Verfassung der Islamischen Republik Iran" definiert den Islam als ein politisches System; das vierte Kapitel dieser Verfassung „Wirtschaft und Finanzen" ist der Grundlegung eines islamischen Wirtschaftssystems gewidmet Die Lektüre der Grundsätze des Verfassungstextes (Nr. 43 bis 55) verdeutlicht, daß die Autoren dieses Textes nur vage Vorstellungen wirtschaftstheoretischer Art im Hinblick auf die Etablierung eines spezifisch islamischen ökonomischen Systems haben.

Von allen islamischen Richtungen wird der Koran unbestritten als die zentrale Quelle eines jeden islamischen Verständnisses von Politik und Ökonomie und aller anderen Lebensbereiche angesehen. Der Konflikt Modernismus — Fundamentalismus bezieht sich jeweils stets auf eine moderne bzw. traditionelle Koran-Exegese; nur wenige islamische Wissenschaftler gehen in ihrer Modernität so weit, um zu erkennen, daß nicht auf alle Fragen unseres technisch-wissenschaftlichen Zeitalters eine Antwort im Koran gefunden werden kann Es ist daher angebracht, auf den Koran zurückzugreifen, um politische und wirtschaftliche Ordo-Vorstellungen im Islam zu suchen, da der Koran und die Koran-Exegese die einzigen Quellen herkömmlichen islamischen Denkens sind. Ich möchte zunächst den Anspruch islamischer Fundamentalisten, daß es eine überzeitlich gültige islamische Wirtschaftstheorie gebe, an islamischen Texten überprüfen.

Die modernen ökonomischen Lehren gehen davon aus, daß die Güter knapp sind und daß jedes Wirtschaften auf diesen Tatsachen beruht. Der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Karl Häuser schreibt in seiner Volkswirtschaftslehre: „Alles Wirtschaften geschieht unter dem Zwang der Begrenztheit der Mittel. Wo Überfluß herrscht, fehlt die Voraussetzung zur Ökonomie. Die Knappheit bildet also ein Wesensmerkmal für den Gegenstand unserer Disziplin. Ohne Knappheit gibt es keine wirtschaftlichen Probleme, keine Preise, Löhne, Zinsen, Mieten, nicht einmal Geld und weder Armut noch Reichtum." Die ökonomische Lehre des Koran bestreitet diesen Grundsatz. Der Islam ist ein theozentrisches Religionssystem: Gott herrscht über die Welt, seine Güter sind unbegrenzt. Im Koran heißt es: „Wenn Ihr die Güter Gottes im einzelnen errechnen wollt, könnt Ihr sie überhaupt nicht zählen“ (Sure 14, Vers 34). Allein Gott entscheidet über die Verteilung seiner Güter, „Gott ist es, der allen Unterhalt beschert und Macht und Festigkeit zu eigen hat“ (51, 58). An anderer Stelle heißt es: „Und wenn die Bewohner der Städte geglaubt hätten und gottes-fürchtig gewesen wären, hätten wir ihnen alle möglichen Segnungen des Himmels und der Erde zugänglich gemacht" (7, 96). Diese Koran-Verse werden heute in der Re-Islamisierungsliteratur zitiert, um die Unterentwicklung des islamischen Orients als Folge der Abwendung der Muslime vom wahren Islam zu erklären. Die islamischen Fundamentalisten Garische und Zaibaq, die an der Medina-Universität lehren, meinen: „Die Knappheit der Güter ... läßt sich auf die Nichtbefolgung der Gottes-vorschriften zurückführen. Die islamische Gemeinschaft (umma) wird erst dann gesunden, wenn sie wie einst die umma des Islam wird."

Obwohl der Koran-die Knappheit der Güter bestreitet, ermahnt er zum Wirtschaften: „Diejenigen, die in ihren Ausgaben weder verschwenderisch noch knausrig sind, verhalten sich richtig" (25, 67). Der Islam verbietet die Hortung der Reichtümer: „Denjenigen nun, die Gold und Silber horten und es nicht um Gottes Willen investieren, verkünde, daß sie dereinst eine schmerzhafte Strafe zu erwarten haben" (9, 34). Als Alternative zu dieser strikt verbotenen Hortung bietet der Koran den blühenden Warenverkehr als göttliche Maxime an: „Denjenigen, die die Schrift Gottes lesen, das Gebet verrichten und von dem, was wir ihnen als Güter beschert haben, geheim oder offen Ausgaben tätigen, dürfen auf einen Handel hoffen, dem kein Niedergang drohen wird" (35, 29).

Zentral für das islamische Wirtschaftsverständnis, so wie es in den dogmatischen Quellen verankert ist, ist die rechtliche Bindung der ökonomischen Handlungen der Individuen. Das islamische Recht, die Schari a, bildet den verbindlichen Rahmen aller Wirtschaftsaktivitäten Die einzelnen Gebote und Verbote, die mit den Begriffen halal und haram umschrieben werden, bestimmt das Scharia-Recht. Als Beispiel hierfür kann der Koran-Vers angeführt werden, in dem deutlich gemacht wird, was halal und was haram sei: „Bringt Euch nicht untereinander in betrügerischer Weise um Euer Vermögen! — Anders ist es, wenn es sich um ein Geschäft handelt, das Ihr nach gegenseitigem Übereinkommen abschließt" (4, 29). Mit anderen Worten: Der Islam läßt den Profit zu, verbietet ihn aber, wenn er unangemessen wird. Ein Geschäft muß auf Vertrag beruhen und für beide Vertragspartner Gewinn abwerfen. Warenzirkulation und ein dadurch florierender Handel und nicht die Hortung von Gütern und Reichtümern ist das Vorbild islamischen Wirtschaftsverständnisses.

Nun verbietet das islamische Recht den Zins. Einige Wirtschaftshistoriker sehen darin sogar eine restriktive Bedingung ökonomischen Handelns im Islam. Die Kenner wissen jedoch, daß es im islamischen Recht eine Gattung juristischer Quellen gibt, die sich Hiyal-Literatur nennt. Hiyal ist die Pluralform von Hila, d. h. Rechtskniff. Diese Quellen zeigen Wege zur Umgehung des Zinsverbotes auf Es versteht sich daher, daß in der islamischen Wirtschaftsgeschichte das Zinsverbot keine praktischen Formen hatte.

Folgt man dem viel gelesenen islamischen Fundamentalisten Maududi, der ein Buch über „nizam al-islam al-iqtisadi" (das islamische Wirtschaftssystem) geschrieben hat, dann könnte man dieses System'folgendermaßen beschreiben: „Die Wirtschaftsfrage des Menschen ist einfach... Das Problem läßt sich auf diesen Nenner bringen: Wie läßt sich das System des menschlichen Lebens organisieren, so daß alle menschlichen Bedürfnisse bei gleichzeitiger Einhaltung der Normen des sozialen Lebens befriedigt werden ... Jedem Individuum müssen die Entfaltungschancen gewährt werden, die seinen Qualifikationen und Talenten entsprechen...“ Für Maududi besteht das islamische Wirtschaftssystem aus einer Wirtschaftsethik. Gerade in dieser Bindung der Ökonomie an die Ethik läßt sich nach Maududi der Islam vom Marxismus substantiell unterscheiden.

Wenn säkularistisch orientierte Muslime an islamische Fundamentalisten die Frage stellen, in welcher Epoche der islamischen Geschichte nach dem Ableben des Propheten Mohammed diese Wirtschaftsethik eine materielle Form angenommen habe, dann kommt in der Regel die Antwort, daß die Kalifen öfters die islamischen Normen mißachtet hätten und daß das reine „al-nizam al-islami" (das islamische System) noch zu realisieren sei. Die Kritik, die von modernen Muslimen vorgetra-gen wird, daß diese vagen islamischen Wirtschaftsvorstellungen den Anforderungen unseres wissenschaftlich-technischen Zeitalters und einer komplexen industriellen Gesellschaft nicht entsprechen, wird stets von islamischen Fundamentalisten zurückgewiesen.

Es ist aber evident, daß weder ein komplexes Wirtschaftssystem auf diesen Grundsätzen aufgebaut werden noch eine sachbezogene Wirtschaftspolitik auf ihnen basieren kann. Würde man nun diese Sätze als ein Plädoyer zur Ablegung des Islam deuten, dann wäre dies ein sehr grobes Mißverständnis. In Europa haben weder die industrielle Revolution noch die Aufklärung zur Auslöschung des Christentums geführt; die europäische Kultur ist christlich-abendländisch geblieben. Ähnlich würde die Säkularisierung des Islam nur dessen Reduktion auf ein Teilsystem der Gesellschaft, nicht aber dessen Beseitigung bedeuten, wie ich in Kairo vor islamischen Gelehrten argumentiert habe

Eine Überwindung der Unterentwicklung im islamischen Orient ist eine Voraussetzung für die Verringerung des Nord-Süd-Gefälles, in dem der islamische Orient den untergeordneten Pol darstellt. Ohne Überwindung der Unterentwicklung bleibt es ein Rätsel, wie die weltgesellschaftlichen Nord-Süd-Strukturen zugunsten einer weltweiten Demokratisierung und Egalisierung verändert werden sollen. Überwindung der Unterentwicklung impliziert aber nicht nur sozialstrukturelle Entwicklung, sondern auch kulturelle Veränderungen, die jedoch nicht aus Imitation bestehen und nicht mit Authentizitätsverlust gekoppelt sein dürfen, wie dies z. B. unter dem Schah geschehen ist, dessen Modernisierungsprogramm weder Veränderungen im Nord-Süd-Gefälle noch irgendwelche Innovationen hat hervorbringen können. Es stellt sich nun aber die Frage, ob die iranische Revolution mit ihrem Re-Islamisierungsprogramm eine aus einer Strategie zur Überwindung der Unter-entwicklung bestehende Alternative bieten kann. Der Versuch, eine Antwort auf diese Frage zu geben, steht im Mittelpunkt des folgenden, abschließenden Abschnittes dieser Arbeit.

V. Das Nord-Süd-Gefälle und die Strukturen der Unterentwicklung — Bietet die Re-Islamisierung eine Veränderungsstrategie?

Wie bei der Diskussion über islamische Ordo-Vorstellungen, so wird es auch bei dem Gegenstand dieses abschließenden Abschnittes nötig sein, von der iranischen Revolution zu abstrahieren, um das Problem in einem größeren Rahmen beleuchten zu können. Wir haben bisher gesehen, daß die iranische Revolution eine regionale Variante eines überregionalen Phänomens der Re-Islamisierung ist, das nur als ein Moment des Nord-Süd-Gefälles im weltgesellschaftlichen Kontext adäquat gedeutet werden kann. Auch aus den bisherigen Ausführungen dürfte es deutlich geworden sein, daß die Re-Islamisierung primär auf einer kulturellen Rückbesinnung basiert und daß das kulturelle Erbe, das durch sie vergegenwärtigt wird, nicht ausreicht, um die Probleme zu lösen. Ich gestehe die normative Ausrichtung meiner Ausführungen ein, indem ich in der Errichtung einer egalitären Weltgesellschaft die Lösung dieser Probleme sehe. Aber in einer demokratisierten und durch egalitäre Strukturen charakterisierten Weltgesellschaft, in der es kein Nord-Süd-Gefälle mehr gibt, darf keine kulturelle Uniformität herrschen. Kultureller Pluralismus muß auch in einem egalitären Kontext gewahrt bleiben

In seiner, der abendländischen Aufklärung tief verpflichteten Kulturphilosophie setzt sich Herder gegen eine Nivellierung der Kulturen ein. Trotz seiner polemischen Redeart gegen „die Modebücher aus Paris" übernahm Herder die liberale Idee des Pluralismus und übertrug sie auf die Völkerwelt: . Jede Nation hat ihre Vorstellungsart um so tiefer eingeprägt, weil sie ihr eigen, mit ihrem Himmel und ihrer Erde verwandt, aus ihrer Lebensart entsprossen, von ihren Vätern und Urvätern auf sie vererbt ist." Zu der Idee des Pluralismus gehört aber die ebenfalls liberale Vorstellung der Gleichheit; nur gleichberechtigte Partner können in einer pluralistisch ausgerichteten Interaktion wirken.

Heute leben wir in einer durch eine einheitliche Struktur gekennzeichneten Weltgesellschaft, deren Mitglieder jedoch nicht gleichberechtigt sind, weil sie unterschiedlich entwikkelt sind. Dieses durch ein Gefälle charakterisierte neue Gebilde, das alle Völker verbindet, hat Wissenschaft und Technologie als zentralen Bestandteil. Aber nur die westlich-europäischen Völker, in deren Region die industrielle Revolution stattgefunden hat, verfügen über Wissenschaft und Technologie und haben sich durch sie von der Naturgewalt befreit. Die Bewältigung der Natur, die nicht mehr religiös erklärt wird, gehört zu den Wesensmerkmalen industrieller Gesellschaften. Die islamische Kultur ist im Gegensatz zu der christlich-abendländischen noch vorindustriell und religiös bestimmt Unter Rekurs auf die moderne europäische Sozialgeschichte habe ich schon hervorgehoben, daß die durch die Industrialisierung bedingte Säkularisierung des Christentums nicht dessen Auslöschung bedeutete. Die westlich-industrielle Kultur ist immer noch christlich geprägt, obwohl sie säkularisiert ist. Muslime fürchten um ihre Religion und identifizieren Säkularisierung mit Atheismus. Es dürfte heute evident sein, daß die Überwindung der Unterentwicklung nur durch Industrialisierung möglich ist und als soziales Beiprodukt die Säkularisierung zur Folge haben wird wie die Beispiele bereits industrialisierter Gesellschaften belegen. Muslimische Gelehrte wollen nicht erkennen, daß allein eine kulturelle Rückbesinnung auf den Islam, also die Re-Islamisierung, zwar sozialpsychologisch wichtig ist (sie löst Identitätsprobleme), aber keine Alternative zu einer bitter erforderlichen Strategie zur Überwindung von Unterentwicklung darstellt Leider muß auch ich zugeben, daß die Modernisierungsprozesse im islamischen Orient bisher oft die Form der Nachahmung angenommen haben, also imitative Verwestlichung vermittelten, gegen die ich entschieden auftrete, weil sie keine Lösung des Unterentwicklungsproblems bieten. Aber wenn muslimische Gelehrte Modernisierung schlechthin als imitative Verwestlichung ablehnen und die Feststellung, der islamische Orient sei unterentwickelt, bloß als ein westliches Vorurteil abtun, dann muß das moderne islamische Verständnis von Entwicklung selbst zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden. Ein kurzer historischer Rückblick auf die zivilisationsgeschichtliche Leistung des Islam erscheint mir in diesem Kontext notwendig:

Kultur-und Zivilisationshistoriker stimmen darin überein, daß die Errichtung einer Zentralinstanz, die die Menschen in größeren Einheiten vereinigt, also die Staatsgründung, die erste substantielle Stufe im Prozeß der Zivilisation bedeutet Vor der islamischen Religionsstiftung waren die Araber in rivalisierenden Beduinenstämmen organisiert, die über keine materiell entwickelte Kultur verfügten. Der islamische Religionsstifter Mohammed gründete zunächst den theokratischen Stadtstaat Medina (622 n. Chr.), den der britische Islamwissenschaftler Watt „Pax Islamica" nannte Aus diesem Stadtstaatsgebilde ging ein Weltreich hervor, das innerhalb seiner Grenzen eine der bedeutendsten Hochkulturen der Menschheitsgeschichte beherbergte. Im Hochislam (750— 1258) integrierten die Muslime alle zivilisatorischen Errungenschaften der eroberten Reiche, Byzanz und das iranische Sassanidenreich, in ihre eigene Kultur und übernahmen die rationale griechische Philosophie Die Hellenisierung des Islam ist auch ein zentraler Bestand dieser Glanz-epoche. Die Araber übernahmen nicht nur aus anderen Kulturen, sondern entwickelten auch eine eigene Kultur, die allerdings durch Assimilation des Fremden an das Eigene erheblich bereichert wurde. In schwach entwickelten Kulturen wird die Natur religiös oder mythologisch erklärt, wohingegen sie in entwickelteren Kulturen rational gedeutet wird. Im Hochislam war die „Rationalisierung des Kosmos" der zentrale Inhalt der hellenisierten islamischen Philosophie, die gewiß nicht die Zustimmung der islamischen Geistlichkeit, der Ulema, gefunden hat.

Der moderne islamische Orient ist aber unterentwickelt. Zu einer solchen vorindustriellen Struktur gehört „die Entsprechung des Sakralen und Politischen" Der eigentliche Ge-lehrte ist nicht der Wissenschaftler, sondern der Geistliche. Der Leiter der ersten ägyptischen großen Studentengruppe, die nach Paris zum Studium ging, Tahtawi, schrieb 1826 in sein Tagebuch: „Nun sollte man nicht etwa meinen, daß die Gelehrten bei den Franzosen die Priester seien, denn die Geistlichen sind lediglich Gottesgelehrte ... Vielmehr wird der Name . Wissenschaftler'nur auf jemanden angewandt, der sich in den rationalen Wissenschaften auskennt.“ Tahtawi, der selber ein Geistlicher war, erkannte in Paris, daß die islamischen Völker „des Abendlands bedürfen, um zu erwerben, was sie nicht wissen und meinte damit die Errungenschaften der technisch-wissenschaftlichen Kultur.

Seit dem neunzehnten Jahrhundert übernehmen die Muslime westliche Bildung und deren Institutionen. Seit Tahtawi in Paris war, haben Abertausende muslimische Studenten westliche Universitäten besucht und sind selber ein Produkt des Verwestlichungsprozesses geworden Die technisch-wissenschaftliche Kultur läßt sich aber nicht allein auf eine Bildung in den rationalen Wissenschaften reduzieren; sie hat eine materielle Struktur, die ihre Substanz ausmacht: die industrielle Gesellschaft. Muslime, die eine westliche Bildung erworben haben, in den islamischen Orient zurückkehren und sich dort in eine vorindustrielle, unterentwickelte Kultur reintegrieren müssen, geraten in einen Zwiespalt. Von diesem Zwiespalt, den wir Sozialwissenschaftler Kulturanomie nennen und der sich in der Desintegration der Persönlichkeit manifestiert, waren aber nicht nur Muslime, die im westlichen Ausland studiert haben, betroffen; die rein bildungsmäßige, also normative Verwestlichung umfaßt weite Teile der islamisehen Gesellschaften. Die Kluft zwischen den angenommenen Normen und der Realität, also der Struktur der Unterentwicklung, wird den Betroffenen immer bewußter; die kulturelle Rückbesinnung, die Re-Islamisierung, ist das Produkt dieser Leiden und stellt den Versuch dar, die Identität in einer Übergangslage zu bewahren. Diese Übergangslage resultiert aus der Auflösung der traditionellen Strukturen der muslimischen Gesellschaften, ohne daß parallel moderne Strukturen der technisch-wissenschaftlichen Kultur entstehen.

Die Realisierung des eingangs zitierten Leitsatzes Herders, wonach ein kultureller Pluralismus der verschiedenen, sich unterscheidenden, aber friedlich miteinander lebenden Völker anzustreben sei, kann man sich schwerlich in einer ungleichen Weltgesellschaft vorstellen. Die westlichen Völker, die die „Oberschicht" (Norbert Elias) der heutigen Welt bilden, verdanken der technisch-wissenschaftlichen Kultur, die sie entwickelten, ihre privilegierte Stellung. Egalisierung und somit Demokratisierung der weltgesellschaftlichen Verhältnisse kann nur darin bestehen, daß die anderen Völker diese technisch-wissenschaftliche Kultur in ihre eigene integrieren, also die Unterentwicklung überwinden.

Die islamischen Gesellschaften sind alle unterentwickelt und beruhen auf der Entsprechung des Sakralen und des Politischen. Wissenschaft und Technologie aus dem entwickelten Westen übernehmen und eine islamisch-säkulare Variante technisch-wissenschaftlicher Kultur entwickeln heißt nicht, den Westen nachahmen. Kulturelle Rückbesinnung, die den islamischen Geistlichen als Träger der religiösen Kultur zur Macht verhilft, wie dies in Iran im Rahmen einer islamisch legitimierten Erhebung geschehen ist, kann keine Lösung bieten. Die Re-Islamisierung bietet keine Alternative zur Überwindung der Unterentwicklung. Die iranische Revolution hat bisherige Strukturen aufgelöst, ohne auch nur im Ansatz neue Strukturen hervorzubringen, die auf eine nicht bloß aus Verbalinjurien bestehende Alternative, sondern auf ein Gegenmodell zur Verringerung des Nord-Süd-Gefälles durch die Entwicklung des Landes hindeuten würden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die vorliegende Arbeit basiert auf der Ausarbeitung meiner Diskussionsbeiträge auf dem „Re-Islamisierungskolloquium" des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) am 18. November 1980 sowie auf dem „Islam-Kolloquium 11“ des Auswärtigen Amtes (AA) am 1. Dezember 1980; beide fanden in Bonn statt. Meine Ausführungen beruhen auf meiner in den Jahren 1978/80 betriebenen Islam-Forschung, deren Ergebnisse als Buch erscheinen werden. Vgl. B. Tibi, Die Krise des modernen Islam. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlich-technischen Zeitalter, München 1981 (Beck'sche Schwarze Reihe, Bd. 228).

  2. Dirk Klose, Allah ist groß. Die Wiedergeburt des Islam als Thema in der politischen Bildung, in: Materialien zur politischen Bildung, 1980, H. 2, S. 9— 13, hierzu das Motto des Berichtes.

  3. Unabhängig von dieser Kritik sei auf die ausgezeichnete Publikation: Politisches Lexikon Nahost, hrsg. von Udo Steinbach u. a., München 1979, hingewiesen, die 23 fundierte Länderstudien in Form von Lexikonartikeln enthält.

  4. Maxime Rodinson, La fascination de L’Islam, Paris 1980.

  5. Jacques Berque, LIslam au dfi, Paris 1980.

  6. G. H. Jansen, Militant Islam, New York 1979.

  7. Martin Kramer, Political Islam, London 1980.

  8. Gerhard Konzeimann, Die islamische Herausforderung, Hamburg 1980. Zu der ARD-Fernsehreihe „Allahu Akbar" schrieb der muslimische Hamburger Islam-Forscher Detlef Khalid, „Karikatur des Islam", in: Hannoversche Allgemeine vom 22. Dezember 1980.

  9. Hans A Fischer-Barnicol, Die islamische Revolution, Stuttgart 1980. Vgl. meine Auseinandersetzung mit diesem Autor während des 65. Gespräches des Bergedorfer Gesprächskreises zu Fragen der freien industriellen Gesellschaft: Der Westen und der Nahe Osten. Krise im Zeichen der islamischen Revolution?, Hamburg 1980.

  10. Vgl. hierzu B. Tibi, Das Orient-Bild der deutschsprachigen Publizistik, in: Neue Politische Literatur, Bd. 16 (1971), H. 4, S. 547- 564. Leider ist der Artikel von R. Kapferer über die Iran/Islam-Problematik in: Aus Politik undZeitgeschehen, B 51- 52/80, auch in diese Kategorie einzureihen. Schon der falsche Umgang mit islamischen Begriffen vermittelt einen entsprechenden Eindruck von der Qualität der Islam-Kenntnisse, die der Autor mitbringt. Der zentrale islamische Begriff „Umma" bedeutet z. B. islamische Gemeinschaft und nicht „Heimat"; auch die als Zwischentitel bemühte islamische Schlüsselkategorie Din wa Daula bedeutet nicht „Glaube und Staat“, sondern Entsprechung von Religion und staatlicher Ordnung, usw.

  11. So z. B.der Artikel von Eric Rouleau, La Evolution islamique: une voie seme dembches, in: Le Monde Diplomatique vom 4. Oktober 1980, Bl. 4/5.

  12. Robert Graham, Iran: Die Illusion der Macht, übers, von Heidy Kopäsch, Frankfurt/M. 1979.

  13. Über die Weltgesellschaft vgl. die unterschiedlichen Bestimmungen von Klaus-Jürgen Gantzel (Hrsg.), Herrschaft und Befreiung in der Weltgesellschaft, Frankfurt/M. 1975, und Niklas Luhmann, Die Weltgesellschaft, in: ders., Soziologische Aufklärung, 2 Bde., hier Bd. 2, Opladen 1975, S. 51— 61.

  14. Vgl. B. Tibi, Akkulturation und interkulturelle Kommunikation, in: Gegenwartskunde, Bd. 29 (1980), H. 2, S. 173— 190.

  15. Vgl.den Beitrag von Galtung in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Imperialismus und strukturelle Gewalt, Frankfurt/M. 1978 4, S. 7— 104.

  16. Diese Verengung findet man in einer umfangreichen bundesrepublikanischen marxistischen Literatur, deren jüngste Variante die Arbeit von Rainer Schwers, Kapitalistische Entwicklung und Unter-entwicklung, Hamburg 1980, ist

  17. Vgl.den Rehabilitierungsversuch von B. Tibi, Unterentwicklung als kulturelle Traditionalität? Eisenstadts Beitrag zur makrosoziologischen Forschung, in: Soziologische Revue, Bd. 3 (1980), H. 2, S. 121— 131.

  18. Ausführlicher hierüber informieren Hanns Maull, Olmacht. Ursachen — Perspektiven — Grenzen, Köln 1975, und B. Tibi, Die Rohstoffe der Peripherie-Länder und der Reproduktionsprozeß der Metropole: Das Beispiel Erdöl, in: V. Brandes (Hrsg.), Perspektiven des Kapitalismus, Köln 1974, S. 105147.

  19. Der Begriff stammt von Karl A Wittfogel, Die orientalische Despotie. Eine vergleichende Untersuchung totaler Macht, Köln 1962; vgl. dazu B. Tibi, Widerstandsrecht in rechtlosen Gesellschaften, in: Gegenwartskunde, Bd. 28 (1979), H. 3, S. 283— 297, hier S. 291 ff. („Die orientalische Despotie").

  20. Dies läßt sich u. a. in zahlreichen Schriften der bundesrepublikanischen Linken und auch der Auslandsiraner beobachten, wie z. B.der in Oldenburg lehrende Schapour Ravasani. Vgl.seinen Beitrag in Ulrich Tilgner (Hrsg.), Umbruch in Iran, Reinbek 1979, S. 135 ff.; der „amerikanische Imperialismus" hat eben an allem Schuld, so daß eine Untersuchung zur Erklärung der Realität nicht mehr benötigt wird!

  21. Graham (Anm. 12 oben), S. 253.

  22. Vgl. u. a. Bahman Nirumand, Persien, Modell eines Entwicklungslandes, Reinbek 1967, S. 19.

  23. Hierüber informiert im einzelnen sehr fundiert Nikki R. Keddie, Oil, Economic Policy and Social Conflict in Iran, in: Race and Class, Bd. 21 (1979), H. 1, S. 13— 29.

  24. Hierüber informieren die in Anm. 18 zitierten Arbeiten.

  25. Zur zweiten Krise vgl. Hanns Maull, Die zweite Öl-Krise. Probleme und Perspektiven, in: Europa-Archiv, Bd. 35 (1980), H. 19, S. 579— 588.

  26. Graham (Anm. 12), S. 101.

  27. S. P. Huntington, Political Order in Changing Societies, New Haven 1967, und dazu meine in Anm. 28 angegebenen Arbeiten.

  28. B. Tibi, Schwache Institutionalisierung als politische Dimension der Unterentwicklung. Der Fall Ägypten. Eine Auseinandersetzung mit Huntingtons Praetorianismus-Theorie, in: Verfassung und Recht in Übersee, Bd. 13 (1980), H. 1, S. 3— 26, und ders., Zum Verhältnis von Politik, Religion und Staat in islamisch legitimierten Monarchien. Eine komparative Studie über Marokko und Saudi-Arabien, in: Orient, Bd. 21 (1980), H. 2, S. 158— 174.

  29. Fred Halliday, Iran. Analyse einer Gesellschaft im Entwicklungskrieg, Berlin 1979, S. 132ff., bes. S. 140.

  30. Nikki R. Keddie, The Iranian Village before and after Land Reform, in: Henry Bernstein (ed.), Development and Underdevelopment, Harmondsworth 1973.

  31. Vgl. Graham (Anm. 12), S. 35 ff., bes. S. 38 und S. 98.

  32. Ebenda, S. 92. Die Lektüre des schon vor dem Erdöl-Boom geschriebenen und auch ins Deutsche übersetzten Schah-Buches, Die soziale Revolution Irans, Düsseldorf 1967, vermittelt einen Eindruck von dieser Denkweise des Schah.

  33. Graham, S. 151. Das politische System unter dem Schah wird in der vorzüglichen Studie von Marvin Zonis, The Political Elite of Iran, Princeton 1971, bes. S. 80 ff., im einzelnen untersucht.

  34. Graham, S. 167.

  35. Wittfogel (Anm. 19), S. 188; vgl. auch meine Ausführungen in meiner in Anm. 19 zitierten Arbeit, S. 291 ff.

  36. Graham (Anm. 12), S. 52.

  37. Vgl. Anm. 28 oben.

  38. Vgl. S. H. M. Jafri, The Origins and Early Development of Shi'a Islam, London 1979.

  39. Vgl. Nikki R. Keddie, The Roots of the Ulama’s Power in Modern Iran, in: N. R. Keddie (ed.), Scholars, Saints and Sufis. Muslim Religious Institutions in the Middle East since 1 500, Berkeley-Los Angeles 1972, S. 211— 229, dort auch Literaturhinweise über die früheren, im Text angeführten Ulema-Basar-Bündnisse.

  40. V. Petrossian, Dilemmas of the Iranian Revolution, in: The World Today, Bd. 36 (1980), H. 1, S. 19— 25, hierzu S. 19.

  41. Zur Tudeh-Partei vgl. A Farughy/J. -L. Reverier, Persien: Aufbruch ins Chaos, München 1979, S. 194 ff.

  42. Udo Steinbach, Iran — Halbzeit der islamischen Revolution?, in: Außenpolitik, Bd. 31 (1980), H. 1, S. 52 bis 69, hierzu S. 55.

  43. Eine deutsche Übersetzung ist in der von der iranischen Botschaft Bonn herausgegebenen Reihe „Iran und die Islamische Republik“ erschienen, hierzu Heft Nr. 6 (Mai 1980); vgl. Grundsatz 5 der Verfassung, S. 27.

  44. Vgl. z. B. Yusuf Qurdawi, al-Hal al-Islami-Farida wa darura (= Die islamische Lösung, eine Notwendigkeit und eine Pflicht), Beirut 1974.

  45. Diese Deutung wird entfaltet von B. Tibi, Re-Islamization as Cultural Revival and Search for Identity in the Islamic Middle East, in: Vierteljahresberichte, 1980, H. 81. S. 229— 237.

  46. Steinbach (Anm. 42), S. 55 ff.

  47. Ebenda, S. 56.

  48. „Cette guerre consolide notre Rpublique Islamique. Une entretien avec le prösident Bani Sadr" von Eric Rouleou, in: Le Monde vom 8. Oktober 1980, Bl. 8 (vgl. auch Anm. 11 oben).

  49. Vgl. Anm. 28 oben; bes. S. 171 ff.

  50. Vgl. B. Tibi, Islamisches Ordnungssystem, Erdölproduktion und die gewerkschaftliche Organisation der Arbeit, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Bd. 31 (1980), H. 9, S. 557— 568.

  51. So z. B. Fazlur Rahman, Islamic Modernism: Its Scope, Method and Alternatives, in: International Journal of Middle Eastern Studies, Bd. 1 (1970), S. 317— 333.

  52. Vgl. Arnold Hottinger, Islamische Revolution? Die Muslims im Konflikt mit der westlichen Moderne, in: Merkur, Bd. 16 (1979), H. 3, S. 204— 216.

  53. Hierauf weist auch hin Maxime Rodinson, Islam und Kapitalismus, Frankfurt/M. 1971, S. 290 ff.

  54. Vgl. B. Tibi, Der Islam als eine Defensiv-Kultur im technisch-wissenschaftlichen Zeitalter, in: Frankfurter Hefte, Bd. 35 (1980), H. 4, S. 13— 21; darin auch eine kritische Auseinandersetzung mit der durchaus aufgeschlossenen Deutung von Hottinger (Anm. 52).

  55. So äußerte sich Gansel im 65. Bergedorfer Gesprächskreis (vgl. Anm. 9 oben), S. 43.

  56. Vgl. hierüber Charles C. Adams, Islam and Modernism in Egypt. A Study of the Modern Reform Movement, New York 19682 (zuerst 1933).

  57. über die beiden Richtungen informiert B. Tibi, Nationalismus in der Dritten Welt am arabischen Beispiel, Frankfurt/M. 1971, S. 74 ff. (= „zwei Richtungen des islamischen Revivalismus").

  58. Vgl. die von dem persischen — an der University of California (UCLA) lehrenden — Historiker Hamid Algar besorgte Übersetzung: Ali Schariati, On the Sociology of Islam, Berkeley 1979.

  59. Zu diesen beiden Begriffen vgl. Donald E. Smith (ed.), Religion and Political Modernization, New Haven-London 1974, Einleitung.

  60. Vgl. hierzu W. M. Watt, Muhammad at Medina, Oxford 19776. Watt bringt seine in zahlreichen Büehern dokumentierte Forschung in der zusammenfassenden Darstellung: W. M. Watt, Muhammad, Prophet and Statesman, Oxford 19784.

  61. Ali Abdelraziq, al-Islam wa usul al-hukm, Neudruck, Beirut 1966, franz. Übersetzung in: Revue des Etudes Islamiques, Bd. 7 (1933) und Bd. 8 (1938); zu Abdelraziq vgl. auch B. Tibi, Nationalismus ... (Anm. 57), S. 159 ff.

  62. Vgl. die publizierte Fassung dieses Kairoer Papers: B. Tibi, Islam and Secularization. Religion and the Functional Differentiation of the Social System, in: Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie, Bd. 66 (1980), H. 2, S. 207— 222. Eine arabischsprachige Fassung dieser Arbeit erschien unter dem Titel „al-Islam wa’al-almana", in: Qadaya Arabiyya (Beirut), Bd. 7 (1980), H. 3, S. 13— 23.

  63. Vgl. als Beispiel: Mahmud Abdul-Mauli, Anzimat al-mugtama wa ad-daula fi al-Islam (Gesellschaftsordnungen und politische Systeme des Islam), Tunis 1973.

  64. Vgl. die in Anm. 43 angegebene deutsche Über-setzung der iranischen Verfassung, hierzu S. 41 ff.

  65. Außer mir der Pakistani Fazlur Rahman, Islam, Chicago 19792, und der Algerier Mohammed Arkoun, LIslam hier-domain, Paris 1978.

  66. Karl Häuser, Volkswirtschaftslehre, Frankfurt/M. 1967, S. 33 ff.

  67. Der Koran wird hier nach der international anerkannten deutschen Übersetzung von Rudi Paret (neue überarbeitete Ausgabe, Stuttgart 1979), jedoch unter Berücksichtigung des arabischen Originals zitiert, d. h., daß ich nicht immer der Paret-Übersetzung folge.

  68. Ali M. Garische/Mohammed Sh. Zaibaq, Asalib al-ghazu al-fikri lil-’alam al-Islami (Methoden der intellektuellen Invasion der islamischen Welt), Medina 19782, S. 226.

  69. Vgl. die Einführung von Joseph Schacht, An Introduction to Islamic Law, Oxford 19795.

  70. Zur islamischen Hiyal-Literatur vgl. N. J. Coulsen, A History of Islamic Law, Edingburgh 19783, S. 139ff.

  71. Abdul-Ala Maududi, Usus al-iqtisad bain al-Islam wal-nuzum al-mu'asira (Grundsätze der Ökonomie zwischen dem Islam und den zeitgenössischen Systemen), arab. Übersetzung (Orig, in Urdu), Damaskus o. J., S. 147.

  72. Vgl.den Beleg in Anm. 62.

  73. Vgl. hierzu B. Tibi, Akkulturation und interkulturelle Kommunikation (Anm. 14 oben). Diese Arbeit wurde durch eine ausführliche Zitierung von Frau Staatsminister Hamm-Brücher in ihrem Einleitungsreferat zu der Fachtagung der Theodor-Heuss-Akademie: „Industrielle Zivilisation und Kulturen der Dritten Welt" auch vom Planungsstab des Auswärtigen Amtes, Bonn, rezipiert.

  74. J. G. Herder, Idee zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, in: Herder, Werke in fünf Bänden, ed. W. Dobbek, Berlin-Weimar 19643, hierzu Bd. 4, S. 196.

  75. Vgl. hierzu B. Tibi. Islam und sozialer Wandel im modernen Orient, in: Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie, Bd. 65 (1979), H. 4, S. 483— 502, hierzu bes. S. 498 ff.

  76. Am bedeutendsten ist hier das Werk von Norbert Elias. Vgl. die neue Ausgabe: Über den Prozeß der Zivilisation, STW-Reihe, Frankfurt/M. 1979.

  77. Vgl. die Belege in Anm. 60 oben.

  78. Vgl. hierüber die Beiträge in Joseph Schacht/C. E. Bosworth (ed.), The Legacy of Islam, Oxford 19742, und natürlich auch die zwei Bände des Cambridge History of Islam, Cambridge 1970.

  79. Diese Begriffsprägung wurde von Georges Balandier, Politische Anthropologie, München 1972, S. 123, übernommen.

  80. Das Pariser Tagebuch Tahtawis liegt in einer im Rahmen einer orientalistischen Dissertation angefertigten Übersetzung vor; vgl. Karl Stowasser, tTahtawi in Paris, Ein Dokument des arabischen Modernismus aus dem frühen 19. Jahrhundert, Münster 1968, S. 199

  81. Ebenda, S. 70.

  82. Hierüber informiert B. Tibi, On Modern Education, Students and Social Change in the Islamic Middle East, in: Verfassung und Recht in Übersee, Bd. 13 (1980), H. 3, S. 235— 241.

  83. Vgl. Maria Mies, Anomie als Folge westlicher Bildung, in: Die Dritte Welt, Bd. 1 (1972), H. 1, S. 23— 38.

Weitere Inhalte

Bassam Tibi, Dr. phil., geboren 1944 in Damaskus; dort auch Schulbildung; seit 1962 in der Bundesrepublik (seit Juni 1976 deutscher Staatsbürger); Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte und Philosophie an der Universität Frankfurt; seit 1973 Professor für internationale Beziehungen an der WiSo-Fakultät der Universität Göttingen. Veröffentlichungen u. a.: Die arabische Linke, Frankfurt 1969; Nationalismus in der Dritten Welt am arabischen Beispiel, Frankfurt 1971; Militär und Sozialismus in der Dritten Welt, Frankfurt/M. 1973; Zur Soziologie der Dekolonisation in Afrika (mit Gerhard Grohs), Frankfurt 1973; Unterentwicklung (mit V. Brandes), Köln 1975; Internationale Politik und Entwicklungsländerforschung, Frankfurt/M. 1979; Arab Nationalism. A. Critical Enquiry, London 1981; Die Krise des modernen Islam. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlich-technischen Zeitalter, München 1981.