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Chancen und Grenzen'der Integration türkischer Jugendlicher | APuZ 25/1982 | bpb.de

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APuZ 25/1982 Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Ein statistischer Überblick „Es sind, einfach zu viele .. Bemerkungen zur Ausländerpolitik in der Bundesrepublik Deutschland Chancen und Grenzen'der Integration türkischer Jugendlicher Ausländerzunahme: objektives Problem oder Einstellungsfrage?

Chancen und Grenzen'der Integration türkischer Jugendlicher

Christel Köhler Vargas/Joachim Reichling/Henning von Vieregge

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Integration ist für uns keine Leerformel, die je nach politischer Richtung mit entsprechenden Inhalten versehen werden kann. Speziell für den ausländischen Seiteneinsteiger in den Beruf wurde ein Konzept erarbeitet, das bei seinen bereits erworbenen Qualifikationen ansetzt und ihm durch eine betriebliche Mitarbeit Erfolgserlebnisse vermitteln soll. Hierbei werden auch die Erwartungen der türkischen Familie mitberücksichtigt, die den Jugendlichen häufig nachkommen lassen, damit auch er einen Beitrag zum Lebensunterhalt leistet. Integration kann als ein Erwerb von Handlungsfähigkeit verstanden werden, mit dessen Hilfe es dem ausländischen Jugendlichen möglich ist, eine Identität zu entwickeln, die seine gesamten Erfahrungen umfaßt. Die Voraussetzungen, welche die türkischen Jugendlichen in die von der Arbeitsverwaltung angebotenen „Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer" (MBSE) mitbringen, sind sehr heterogen und nicht immer die besten. Durch das auf die spezifischen Fähigkeiten zugeschnittene Konzept der MBSE (das natürlich immer noch verbesserungsbedürftig ist) können die Jugendlichen in pragmatischer Weise an die Bereiche hingeführt werden, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Insgesamt kann von einem relativen Erfolg gesprochen werden, da immerhin über 70 Prozent aller Teilnehmer in Arbeit oder Ausbildungsstellen vermittelt werden konnten und alle Teilnehmer konkrete Fortschritte bezüglich ihrer Sprachkompetenz, ihren fachspezifischen Kenntnissen und auch im sozialen Bereich aufweisen. Somit hat sich der MBSE-Kurs als breitgreifendes Förderprogramm bewährt und bedarf der mittelfristigen und finanziellen Absicherung. Man kann von jährlich 50 000 Jugendlichen ausgehen, für die MBSE das richtige Angebot wäre; im Moment sind aber nur 15 000 Plätze finanziert. So wird die Integration der ausländischen Jugendlichen ohne weitere Hilfen nicht zu schaffen sein.

Was taugen die „Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen , Eingliederung" (MBSE)?

I. „Für wen ist Integration möglich?" — eine Tabufrage?

. Ausländer sind anders als Deutsche. Dieses Anderssein auszuhalten — das bedeutet einen erheblichen Härtetest für die politische Toleranz, letztlich für die politische Kultur in der Bundesrepublik. Der Weg in eine multinationale Staaten-und Kulturgemeinschaft läßt sich aber nur so angehen.

Dieses Anderssein nicht aushalten zu wollen, das verbindet in eigentümlicher Weise die angeblich besonderen Freunde und die besonderen Feinde der Ausländer: Die einen wollen häufig die Ausländerfrage durch rasche und totale Integration, die auf eine Zwangsgermanisierung hinausläuft, „lösen", die anderen durch ein Hinausdrängen der Ausländer. Die Gegner hatten bisher aus wirtschaftlichen Gründen stillgehalten, sehen jetzt aber Raum für ihre Argumente.

Beide Wege sind falsch. Wir müssen die ganze Ausländerfrage viel weiträumiger und langfristiger sehen lernen. Wir müssen uns z. B. ernsthaft fragen, ob ein Zusammenwohnen von Ausländern mit Begriffen wie „Ghettoisierung" korrekt beschrieben ist. Wenn ausländische Mitbürger zusammenwohnen wollen und es gleichzeitig deutsche Mitbürger an andere Wohnorte drängt, so wird keine noch so eifrige Ausländerpolitik den Prozeß der sozialen Distanzierung aufhalten können. Es kommt dann darauf an, die Phase der sozialen Aggressionen zu verhindern. Ein Übermaß an Ausländerpolitik kann aber die Zunahme sozialer Spannungen beschleunigen. Besser ist es, die Möglichkeit gesellschaftlicher Politikprozesse und Initiativen zu stärken und einige wenige Grundsätze festzuschreiben und im übrigen die gesamte Ausländerfrage erheblich zu entdramatisieren. Sie bleibt dann immer noch schwierig genug.

Die Integration von Gastarbeitern und ihren Familien stellt die bundesrepublikanische Ge-Seilschaft vor andere Aufgaben, als sie bei der Integration der Ostflüchtlingen zu lösen waren. Gesellschaftlicher Konsens besteht darin, die Nichteingliederung einer größeren Bevölkerungsgruppe nicht hinnehmen zu wollen; anderenfalls gilt der hohe Stand an sozialer Stabilität, der hier nach dem Krieg erreicht worden ist, als gefährdet Die zur Lösung dieser Aufgabe nötigen Fragen, nämlich: „Unter welchen Voraussetzungen sind Gastarbeiter in diese Gesellschaft integrierbar? und: Sind diese Voraussetzungen gegeben?" werden indessen tabuisiert. Wer dieses Tabu in der öffentlichen Diskussion bricht, sieht sich massiven'Angriffen bis hin zur Beschimpfung als „Faschist" oder „Rassist" ausgesetzt

Andererseits und paradoxerweise weht der Wind denen, die sich praktisch um die Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familien bemühen, immer eisiger ins Gesicht In Gerichtssälen, bei Behörden, in den Medien — überall mehren sich die „besorgten“ Stimmen, wird harscher Umgang mit Ausländern die Regel und werden immer komplizierter konstruierte Vorschriften immer pedantischer ausgelegt. Erfahrungen mit deutschen Jugendlichen zeigen, daß auch positive eigene Erlebnisse, z. B. mit jungen Türken, wenig vor offenbar tiefsitzenden Ressentiments schützen, die nach dem Motto „Mein Ali ist in Ordnung, aber die Türken insgesamt gehören in den Ofen" alle aus unleidlichen Judenwitzen sattsam bekannte unheilvolle Stereotypen zu neuem Leben erwecken.

Die verständliche Furcht, hier wider Willen das Feuer weiter zu schüren, darf nicht dazu führen, daß die Frage nach den konkreten Chancen zur Eingliederung ausländischer Jugendlicher vermieden wird, möglicherweise mit der fatalen Konsequenz, daß dann doch administrativ und ohne öffentliche und sachverständige Diskussion entschieden wird.

II. Falscher Begriff „Zweite Generation“

Das Berliner Bundesinstitut für Berufsbildung hat in einer Untersuchung festgestellt, daß neun von zehn ausländischen Jugendlichen erst im schulpflichtigen Alter oder später in die Bundesrepublik eingereist sind; davon waren 39 % älter als 15 Jahre. Hierbei sind die Jugendlichen türkischer Nationalität stark vertreten

Im Zuge der Familienzusammenführung, die hauptsächlich von Türken wahrgenommen wurde, drängen viele türkische „Späteinsteiger" auf den Arbeitsmarkt, ohne Berührung mit dem deutschen Bildungssystem gehabt zu haben Man zögert wohl zurecht, bei dieser Gruppe von Jugendlichen den Begriff „zweite Generation" zu ihrer Kennzeichnung zu benutzen, weil damit suggeriert sein könnte, daß hier mehr Chancen zur beruflichen und sozialen Eingliederung bestehen als bei den Eltern. Tatsächlich aber hat sich die Arbeitsmarktlage aufgrund struktureller Umwandlungen dahingehend geändert, daß diese Jugendlichen bei gleicher oder ähnlicher Qualifikation wie ihre Väter deren Arbeitsplätze nicht mehr vorfinden.

Während bei ausländischen Jugendlichen, die hier geboren wurden oder eine längere Schulzeit absolviert haben, der Wunsch nach einer Ausbildungsstelle vorrangig ist ergaben Umfragen nach den Zukunftsplänen bei „Seiteneinsteigern“ eher die Tendenz zur baldigen Arbeitsaufnahme Als Erklärung hierfür sind zwei sich nicht widersprechende Aussagen plausibel: Eine Qualifizierung in Form einer mehrjährigen Ausbildung ist in den Herkunftsländern nicht die Regel und zum anderen erwartet die Familie von dem Jugendlichen, der erst nach seiner Schulausbildung in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, häufig einen unmittelbaren Beitrag für den Lebensunterhalt.

Somit sind diese Jugendlichen bei den ungelernten Arbeitslosen überpräsentiert, zumal ihre sprachlichen und fachlichen Qualifikationen sowie auch ihre spezifische Situation ein Arbeitslosendasein oft geradezu herausfordern Es gehört zu den extrem schwierigen Aufgaben im Bereich der Ausländerintegration, dieser Gruppe Hilfestellung bei der sozialen und beruflichen Eingliederung zu geben.

Integration — was ist das?

Natürlich stellt sich an dieser Stelle die Frage nach dem Integrationsbegriff. Die Diskussion kann und soll hier nicht in epischer Breite wiedergegeben werden. Es reicht, darauf hinzuweisen, daß für die einen jemand in der Gesell-schäft „sozial handlungsfähig" und damit integriert ist, wenn er in ihr arbeitet. Für andere beginnt die Integration erst oder schon dann, wenn sich jemand seiner Lage nur bewußt ist. Für Dritte liegt der Schlüssel zur sozialen Integration vor allem in der beruflichen Eingliederung und hier vor allem in einer beruflichen Qualifikation und nachfolgenden Fachkräfte-tätigkeit. Dieser Vorstellung von Integration stehen wir am nächsten. Aus der Sicht desjenigen, um dessen Integration es geht, sieht die Sachlage wieder anders aus. Es kann wohl als Faustregel gelten: Je umfassender das Integrationsangebot ist, desto bedrohlicher wird es von Ausländern empfunden. Die Formel „Integration ja, Identität verlieren nein" verhilft nur Sonntagsrednern zu Erfolgserlebnissen.

Die realistische Berufssituation ist wichtig für die Vermittlung sozialer Bezüge; auch das Erlernen der Sprache gewinnt erst seinen Sinn im Kontext von Lebensform. Vor allem Jugendliche lernen eine Sprache leichter und schneller im Leben als in der Schule. Weiterhin trägt das Erlebnis des Jugendlichen, beim Lernen eigene praktische Beiträge leisten zu können, zu einem besseren Selbstwertgefühl bei, was sich dann wiederum in einer gesteigerten Lernbereitschaft niederschlägt. Das Arbeiten mit anderen — deutschen — Kollegen ist eine gute Basis für eine Chance zur Integration, da hier Vorurteile abgebaut und durch andere Einschätzungen ersetzt werden können. Unsere Beobachtung ist, daß derjenige, der im Bereich der beruflichen Integration an eine Ausbildung herangeführt werden kann, auch im Bereich der sozialen Integration schon eine erhebliche Wegstrecke hinter sich hat. Es wäre auch illusionär, anzunehmen, daß gerade der Seiteneinsteiger, der bereits seine Enkulturationsphase im Heimatland abgeschlossen hat und mit der Erwartung in die Bundesrepublik Deutschland kommt, hier zu arbeiten oder eine Ausbildung zu beginnen, ohne ein attraktives und seinen Bedürfnissen entsprechendem Angebot starkes Verlangen danach verspürt, hier sofort einen Akkulturationsprozeß in Gang zu setzen.

Integration kann — wenn sie nicht als eine Leerformel je nach politischer Zielsetzung mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden soll — nur als Erwerb von Handlungsfähigkeit verstanden werden, mit deren Hilfe es dem ausländischen Jugendlichen möglich ist, eine Identität zu entwickeln, die seine gesamten Erfahrungen umfaßt.

Der ausländische Seiteneinsteiger kommt mit gewissen Fertigkeiten und Kenntnissen in die Bundesrepublik Deutschland; die Schwierigkeit besteht darin, dieser relativ heterogenen Gruppe ein jeweils spezifisches Angebot zu machen. Setzen hier die „Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung" (MBSE) Qualitätsmaßstäbe, an der schulische Angebote zu messen sind?

III. Nagelprobe MBSE

Bei der Frage nach den Integrationsmöglichkeiten und -grenzen ist besonders das Angebot dieser Gesellschaft für die türkischen Seiteneinsteiger zu bewerten. Es gibt Intensivsprachkurse von in der Regel dreimonatiger Dauer; im Hauptschulbereich gibt es als Auffangbecken sogenannte Vorbereitungsklassen und im Berufsschulbereich das Berufsvorbereitungsjahr, in einigen Bundesländern in einer speziell für Seiten-und Späteinsteiger eingerichteten Variante. Im Mittelpunkt aber stehen die von der Arbeitsverwaltung angebotenen „Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer" (MBSE), die es seit 1980 mit einem bundesweiten Angebot von 15 000 Plätzen gibt. An der Finanzierung dieser Kurse sind die Bundesanstalt für Arbeit mit 75 % und Bund und Länder mit 25 % beteiligt.

Träger von MBSE-Kursen waren im Kursjahr 1980/81 Länder und Kommunen mit 21, 5 % der durchgeführten Maßnahmen, Organisationen der Wirtschaft und Einzelbetriebe zu 29, 6 %, das Jugendsozialwerk mit 8 %, das Christliche Jugenddorfwerk mit 1, 7 %, konfessionelle Zweckgemeinschaften mit 12, 2 % und „Sonstige" mit 26, 6 %. In der Rubrik „Sonstige" sind gewerkschaftseigene Träger enthalten; die Kommunen setzen häufig ihre Volkshochschulen als Träger ein.

Der MBSE-Kurs läuft als sogenannte Vollzeitmaßnahme über elf Monate mit insgesamt 1850 Unterrichtsstunden. Diese teilen sich auf in ungefähr 19 % Berufsschule, 27 % reinen Sprachunterricht und 54 % Berufsvorbereitung einschließlich fachpraktischem Anteil. Für jeweils ca. 45 Jugendliche stehen drei Ausbilder, zwei Lehrer sowie ein Sozialpädagoge, zur Verfügung. In dem entsprechenden Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit steht als Zielset-zung, bei den ausländischen Jugendlichen „vorrangig die Möglichkeit der Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses sowie ihre gesellschaftliche Handlungsfähigkeit zu verbessern“ Von allen Verantwortlichen wurde aber von vornherein eingeräumt, daß die Teilnahme an den MBSE-Kursen auch für solche Jugendliche in Betracht kommen muß, die trotz Absolvierung des einjährigen Lehrgangs anschließend keine Berufsausbildung aufnehmen können.

Die Frage, ob zielgruppengerechte Lernangebote für die Gruppe der Seiteneinsteiger möglich sind, wird in der von eher praxisfernen Trägern und von Schulseite incl. Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bestimmten Literatur über MBSE vorwiegend negativ beantwortet. Vor allem die hohen Praxisanteile werden kritisiert.

Geht man jedoch auch einmal von den Zielvorstellungen der jungen Türken selber aus (. Arbeit finden"), so setzt gerade das MBSE-Konzept bei diesem Wunsch an. Erst über den praktischen Bereich — der relativ sprachunabhängig ist — ist ein Weg zur perzeptiv-begrifflichen Abstraktion möglich. Dies gilt auch für ausländische Jugendliche, die Mißerfolgserlebnisse mit dem deutschen Schulsystem hinter sich haben. Hierzu werden im folgenden einige Erfahrungen mitgeteilt

Voraussetzungen der Teilnehmer

Natürlich gibt es nicht „den" typischen Seitenoder Späteinsteiger, es gibt aber einige Merkmale der Gesamtgruppe der MBSE-Teilnehmer: Das Angebot, an den Kursen teilzunehmen, wird fast nur von 15— 18jährigen Türken (98%) wahrgenommen. Die Teilnehmer kommen ganz überwiegend aus agrarischstrukturierten Gebieten der Türkei; viele von ihnen sind nach Erledigung der heimatlichen Schulpflicht auch in diesem Bereich tätig gewesen. 60 % der Teilnehmer haben in ihrer Heimat höchstens fünf Jahre die Schule besucht. Drei Viertel der Teilnehmer waren vor Beginn der Kurse höchstens ein Jahr, knapp die Hälfte nur ein halbes Jahr in Deutschland. 55 % der Teilnehmer beherrschten faktisch kein Deutsch Jeder dritte Teilnehmer hat in der Heimat zunächst ohne Vater und Mutter gelebt; zwei von fünf der Jugendlichen le-ben auch hier wieder in unvollständigen Familien. Drei Viertel der Familien haben drei und mehr Kinder. Fast jeder Teilnehmer hat noch zwei jüngere Geschwister im Heimatland. Etwa 50 % der Jugendlichen hatten Berührung mit dem deutschen Schulsystem; man wird wohl davon ausgehen müssen, daß dies zum großen Teil Mißerfolgserlebnisse waren

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Hinführung auf eine Berufsausbildung sind mit diesen Daten als keineswegs als sehr günstig zu bezeichnen.

Mit den Jugendlichen wurde zu Beginn der Kurse ein weitgehend sprachfreier Eingangstest durchgeführt, der am Ende wiederholt wurde. Dieser Intelligenz-Struktur-Test (IST) wurde uns von Prof. Rudolf Amthauer zur Verfügung gestellt Mit Hilfe des Tests wollten wir kurzfristig ein an den tatsächlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Jugendlichen orientiertes Angebot entwickeln und durch die Wiederholung die tatsächlichen Lernfortschritte feststellen.

Auf den Test und seine Ergebnisse soll hier im einzelnen nicht eingegangen, sondern es sol-len nur die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung referiert werden, die sich auf Handgeschick, praktisch-technisches Verständnis, Zeichenfertigkeit, Leistungsbereit-schäft, Deutschkenntnisse, Rechenfähigkeiten und Aufmerksamkeit beziehen

Die hervorstechendsten Fähigkeiten bei unseren MBSE-Gruppen liegen in den Bereichen Handgeschick, Zeichnen sowie in der Leistungsbereitschaft Weniger ausgeprägt ist das praktisch-technische Verständnis, und es existieren starke Schwankungen in der Konzentrationsfähigkeit, was mit zu den schlechten Leistungen im Grundrechnen beigetragen haben dürfte.

Daß die Sprachkenntnisse eine Schlüsselfunktion haben, läßt sich auch daran erkennen, daß türkische Jugendliche, die einen Sprachintensivkurs absolviert haben, bessere Ergebnisse zu verzeichnen haben als türkische Jugendliche, die von der Berufsschule oder vom Berufsvorbereitungsjahr in unsere Gruppe übergewechselt sind. Sie wirken sich vor allem aus auf die Konzentrationsfähigkeit. An dem Konstrukt „Konzentrationsfähigkeit" kann gezeigt werden, daß es als ein kulturspezifisches Merkmal vielfältigen Einflüssen unterliegt, die vor allem vom Bildungsniveau bestimmt werden.

So haben Jugendliche aus agrarisch-strukturierten Gebieten signifikant schlechtere Aufmerksamkeitsleistungen erbracht als Jugendliche aus Ballungsgebieten. Sprachkenntnisse, die Anzahl der im Heimatland besuchten Schuljahre sowie der dortige Schulabschluß und die Berufspläne wirken sich je nach Aspirationsniveau positiv aus auf die Konzentrationsfähigkeit Auch das häusliche Milieu hat unmittelbaren Einfluß: Wenn beide Eltern in der Bundesrepublik Deutschland leben, so ist die Aufmerksamkeitsleistung signifikant besser, als wenn nur ein Elternteil oder keiner hier ist.

Nimmt man beide Testdurchgänge des Jahrgangs 1980/81 zum Vergleich, so läßt sich feststellen, daß es eine durchgehende Leistungssteigerung aller Teilnehmer im Verlauf der Kurse gegeben hat. Dennoch gibt es vor allem in den Bereichen praktisch-technisches Verständnis, Deutsch, Rechnen und Konzentrationsfähigkeit aber weiter einen großen Ab-stand zu einer gleichaltrigen deutschen Gruppe (ohne Oberschüler).

Zwar haben sich die Jugendlichen, die im Anschluß einen Ausbildungsvertrag erhielten, stärker als der Durchschnitt der anderen Jugendlichen insgesamt verbessert, aber auch sie liegen noch deutlich in den genannten Bereichen unter dem Niveau, das bisher als Untergrenze für eine erfolgreiche Facharbeiterausbildung galt. Damit bedürfen die Betriebe und die ausländischen Jugendlichen nicht nur einer gezielten Ermutigung, sondern auch der Unterstützung bei der Erarbeitung kompensatorischer Angebote, die sich auf die Lernorte Betrieb und Berufsschule beziehen müssen und sozialpädagogisch begleitet sein sollten. Rund 30 % aller MBSE-Teilnehmer galten nach ihren Eingangsergebnissen als „leistungsschwach“. Sie lagen in ihren Gesamtleistungen weit unter dem einer vergleichbaren deutschen Gruppe. 97 % dieser „Leistungsschwachen“ haben sich in allen Bereichen zum Ende der Kurse stärker verbessert als der Durchschnitt der anderen Teilnehmer, — womit sich MBSE als breitgreifendes Förderprogramm bewährt hat Dies ist freilich ein relativer Erfolg. Eine Heranführung der schwächeren Jugendlichen an das Anforderungsniveau einer Berufsausbildung ist in einem knappen Jahr nicht möglich. Die Frage, inwieweit eine zeitliche Verlängerung der Förderkurse die Zahl der „ausbildungsreifen" Jugendlichen steigern könnte, kann nur spekulativ beantwortet werden. Notwendig erscheint aber auf jeden Fall ein Angebot arbeitsbegleitender Förderung mit dem Ziel externer Facharbeiterprüfungen oder betrieblicher Qualifikationsstufen

Von der Notwendigkeit, Vorbild z sein

Wodurch zeichnen sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Angeboten der Integration aus? — Einige Grundwahrheiten erfolgreichen pädagogischen Wirkens sind auf die Tauglichkeit einer neuen Zielgruppe gegenüber zu überprüfen, das ist im Grunde alles. Nach unseren Beobachtungen reagieren die ausländischen Jugendlichen noch sensibler als deutsche Jugendliche darauf, ob Pädagogen sich ihnen aufschließen oder nicht. Die häufigen Klagen von Lehrkräften über fehlende Zusatzqualifikationen (Deutsch als Fremdsprache oder Sonderpädagogik etc.) sind gewiß nicht unberechtigt, dürfen aber andererseits auch nicht als Entschuldigung für die mangelnde Bereitschaft anerkannt werden, sich der Herausforderung zu stellen. Uns sind viele Einzelfälle bekannt, in denen nicht der mit den meisten und besten Zertifikaten ausgerüstete Pädagoge erfolgreich und von den Jugendlichen akzeptiert arbeitet! interessant ist, daß in den meisten Fällen der betriebliche Ausbilder zum Vorbild der Jugendlichen wird

Stellenwert Sprache

Über die Möglichkeiten des Spracherwerbs in einem Gesamtkonzept zur Integration läßt sich auch aus praktischer Sicht sehr streiten. In den Köpfen vieler Entscheider und Meinungsbildner ist offenbar unausrottbar die Vorstellung vorhanden, die ausländischen Jugendlichen könnten zunächst quasi im luftleeren Raum die Sprache erlernen und dann — mit diesem Werkzeug wohlversehen — sich an die Integration machen. Diese Vorstellung hat ihren Ursprung wohl mehr in der speziellen Bildungserfahrung von Intellektuellen als in der praktischen Arbeit mit Gastarbeiterkindern. Auch ist die Anfrage sicher nicht unpolemisch, ob die Beliebtheit dieser Argumentationsfigur vielleicht damit zusammenhängt, daß jede Bildungsinstitution (Hauptschule, Berufsschule etc.) auf dieser Grundlage mit der Forderung hausieren gehen kann, „der Jugendliche möge zuerst die deutsche Sprache erlernen, dann ist er uns willkommen“. Hakt man nach und fragt, wo denn der Jugendliche die Sprache erlernen solle, so nennt der Befragte jeweils alle Institutionen außer der eigenen, vielleicht noch das neutrale „Sprachlabor".

Aber nur für einen Bruchteil der Gastarbeiterkinder — nämlich für jene, die in längerer Schulbildung im Heimatland das Lernen gelernt haben und die nicht nur bildungserfahren, sondern auch bildungsmotiviert sind — dürften solche Ratschläge sinnvoll sein

Diese Jugendlichen sind dann aber auch in MBSE-Kursen mit starkem Praxisanteil bei der falschen Adresse. Für die anderen gilt, daß sie über Situationen und über Erfolge, die nur im praktischen Bereich liegen können, an die Sprache und die weiteren Wissens-und Kenntnisnotwendigkeiten herangeführt werden. Hier sind Förderkurse mit starken Praxiselementen das bessere Angebot.

Wir haben türkische Jugendliche kennengelernt, die trotz mehrjährigen Aufenthalts in deutschen Schulen sprachliche Nullanfänger waren und die im Förderkurs so weit gekommen sind, daß sie anschließend einen Ausbildungsplatz angeboten bekamen. Freilich müßte besonders untersucht werden, ob die relativen Lernerfolge im Rahmen der MBSE-Kurse tatsächlich wesentlich auf die Praxisanteile zurückzuführen sind oder ob vielmehr die „menschliche Komponente“ besonders ausschlaggebend war — oder ob die Mischung aus beiden erst den Erfolg gesichert hat.

Die MBSE-Kurse finden, verglichen mit dem schulischen Angebot, in weitgehend „entschulter" Atmosphäre statt. Die personale Verantwortung der MBSE-Pädagogen ist großgeschrieben, die Zahl der Ansprechpartner für die Jugendlichen möglichst kleingehalten. Die sozialpädagogische Betreuung durch Ausbilder, Lehrer und Sozialpädagogen ist intensiver als im Schulbereich. Daß diese intensive Betreuung im vertretbaren Finanzrahmen stattfindet, die Betreuungsvorsprünge gegenüber den schulischen Angeboten also weniger auf Geld als vielmehr auf eine vernünftige, auf die Belange der Jugendlichen ausgerichtete Organisation zurückzuführen sind, ist keine Besonderheit. Das Beispiel vieler „freier Schulen" zeigt, daß es keine Unmöglichkeit ist, die Ziele Kosteneinsparung, Effizienzsteigerung und humane Qualität gleichzeitig zu verbessern

Relativer Erfolg gleich relativer Mißerfolg

Was für die einen relativer Erfolg ist, ist für die anderen relativer Mißerfolg. Wir haben aus unseren Erfahrungen heraus geschildert, daß mit Hilfe eines tragfähigen pädagogischen Konzepts und einer administrativ ziemlich großzügigen Betreuung (wohl eben nicht zufällig außerhalb der Kultusverwaltung) ausländischen Jugendlichen ein qualitativ vernünftiges Angebot gemacht werden kann, das auch den internationalen Vergleich mit Integrationsbemühungen anderer Länder nicht zu scheuen braucht. Der Schwerpunkt „Vorbereitung auf berufliche Eingliederung" ist für die Zielgruppe richtig gesetzt. Die Erfolge einer Vermittlung in Ausbildung und Arbeit sowie beim Vergleich von Eingangs-und Ausgangstest sind vorzeigbar:

Von unseren Teilnehmern haben im ersten Jahr über 95 % den Kurs abgeschlossen, 17, 1 % sind anschließend in ein Ausbildungsverhältnis übernommen worden, insgesamt waren zum Abschluß des Kurses über 70 % der Jugendlichen in Arbeit oder Ausbildung vermittelt. Erfolg oder Mißerfolg des Programms?

Unter jenen, die einen Mißerfolg des MBSE-Programms behaupten, gibt es zwei Gruppierungen: Solche, die die Familienzusammenführung insgesamt drosseln wollen, und sol-che, die MBSE für im Ansatz falsch halten.

Die letzte Gruppe hat ideologische Vorbehalte gegen Bildungsangebote außerhalb des öffentlichen Schulwesens und arbeitet der ersten ungewollt zu.

Die andere Gruppe argumentiertvor allem mit Blick auf die knapper fließenden öffentlichen Mittel und nimmt Argumente für die Aussage, daß Jugendliche in diesem Alter nicht mehr integrierbar seien, dankbar auf.

Die Familienzusammenführung ist für Bürger aus Nicht-EG-Ländern schon seit Dezember 1981 enger gefaßt. Nun gilt, daß die Jugendlichen bei Einreise das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen (früher 18) und nur die Zureise zu beiden Eltern erlaubt ist. Erschwert worden ist auch der Zuzug durch Heirat. Mittlerweile liegt im Bundesrat ein Gesetzesantrag vor, der vorsieht, die Aufenthaltserlaubnis sowohl für neu einreisende als auch für bereits in der Bundesrepublik lebende Kinder auf sechs Jahre herabzusetzen

Uber die politische Bewertung von MBSE ist damit nicht entschieden. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes verfaßten zu die-sen MBSE-Kursen einen gemeinsamen Aufruf (1980), in dem es heißt, es handele sich um ein „langfristig angelegtes Programm, das einen Schwerpunkt der Integrationspolitik in den achtziger Jahren“ bilden soll. Die finanziellen Probleme aller öffentlichen Haushalte, insbesondere aber auch der Bundesanstalt für Arbeit, lassen mittlerweile das Programm aber keineswegs als langfristig gesichert erscheinen. Der vorgesehene Ausbau auf 20 000 Plätze ist zunächst einmal unterblieben. Politisch durchsetzbar erscheint zum jetzigen Zeitpunkt -allenfalls eine Konsolidierung des Programms auf mittelfristiger Basis sowie eine Veränderung der zur Zeit über den Sprachverband betreuten Intensivsprachkurse zu MBSE-Vorkursen, die sicherstellen, daß die Teilnehmer über ausreichende Mindestsprachkenntnisse zu Kursbeginn verfügen.

Weitergehende Forderungen, wie sie sich in der Literatur zuhauf finden, sind nicht reali-stisch. Man wird also, will man nicht Illusionen erzeugen, das Instrumentarium MBSE als das zur Zeit gegebene (wenn auch keineswegs gesicherte) zugrunde legen müssen, wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, ob und inwieweit türkische Seiten-und Späteinsteiger mit den bestehenden Angeboten in unserer Gesellschaft integriert werden können.

IV. Grenzen der Integrationsbemühungen

Nur der kleinere Teil der Jugendlichen, die in den MBSE-Kursen 1980/81 waren oder im MBSE-Kursjahr 1981/82 kurz vor ihrer Entlassung stehen, konnten und können in der zur Verfügung stehenden Förderzeit an die fachlichen und außerfachlichen Qualifikationen herangeführt werden, die für ein Durchlaufen der Facharbeiterausbildung als unabdingbar gelten Die Zahl ausbildungsfähiger Jugendlicher schwankt nach unseren Erfahrungen und Tests zwischen fünf und dreißig Prozent. Zu den Faktoren, die überdies eine Vermittlung in ein Ausbildungsverhältnis verhindern, gehört darüber hinaus eine längerfristig nicht kalkulierbare Lebensplanung vieler Gastarbeiterfamilien.

Familieninterviews, die wir durchführten, zeigten, daß all jene, die nicht nur einen Ausbildungsplatz erhielten, sondern auch hoch-motiviert auf einen erfolgreichen Ausbildungsabschluß hinarbeiten, meist von ihrer Familien unterstützt werden; Rückkehrpläne werden zugunsten von Qualifikationserwerb zurückgestellt. Obwohl bei den meisten Rückkehrplänen von ausländischen Arbeitnehmern eine große Kluft zwischen Wunsch und konkreter Durchführung besteht, beeinflußt die entsprechende Einstellung doch oft die Entscheidung, ob ein Ausbildungsplatz auch angenommen oder abgelehnt wird.'

Weiterhin bedeutet die Annahme eines Ausbildungsplatzes durch einen türkischen Jugendlichen (und dessen Familie) eine gewisse Konfliktbereitschaft, nicht nur in bezug auf die konkrete Arbeit, sondern auch im sozialen Bereich. Eine nicht nur auf unmittelbaren Erwerb ausgerichtete Arbeits-und Lernbereitschaft fordert die aktive Auseinandersetzung mit der hiesigen Kultur — und somit auch eine Öffnung nach außen

Dennoch verbleibt ein beträchlicher Teil der Jugendlichen, die auch nach elf Monaten MBSE weitgehend chancenlos auf dem Arbeitsmarkt stehen und die die soziale Integration nicht schaffen werden.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) geht von jährlich 50 000 Jugendlichen aus, für die MBSE das richtige Angebot sei. Im Moment gibt es aber nur 15 000 Plätze, so daß das BiBB von einem Minimalprogramm spricht. So wird der erreichte Stand sozialer Stabilität in Zukunft nicht zu halten sein.

Die Grenzpflöcke erfolgreicher Integration könnten weitergesteckt werden, wenn staatliche Politik stärker darauf ausgerichtet werden könnte, persönliche und gesellschaftliche Initiativen in diesem Themenfeld zu fördern. Staatliche Politik darf nicht, wie jetzt, gleichermaßen strukturell darauf abzielen, gesellschaftliche Gruppierungen, die sich dieses Themas annehmen, durch administrative Beckmesserei zu frustrieren. Gesellschaftliche Initiative bedarf der staatlichen Ermutigung. Die Bürokratie-Risiken, wie sie die Betreiber von MBSE-Kursen im Übermaß kennen, müssen reduziert werden. Der Staat und die großen Interessengruppen sollten sich darauf einrichten, daß die Bürger das Thema „Ausländer und Deutsche" auch positiv behandeln können und daß dies allemal vielfältiger, erfolgreicher und preiswerter ist als rein staatliches Handeln.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bei dem Aufsatz handelt es sich um eine erweiterte Fassung eines Beitrags, der auch demnächst in dem Sammelband von R. Hoberg (Hrsg.), Sprach-probleme ausländischer Jugendlicher: Aufgaben der beruflichen Bildung, Frankfurt, erscheint

  2. 1981 lebten 4, 63 Mio. Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland, darunter 43 % zehn Jahre und länger. Ein Drittel sind Türken, 16 % zwischen 15 und 25 Jahren alt, 24 % unter 15 und lediglich sechs % über 55 Jahre.

  3. Diese hemmungslose und letztlich unpolitische Polemik der „Scene", die sich für Ausländer einsetzt und zumeist unter sich ist (ob nun in Parteien, Kirchen oder Gewerkschaften), führt im Ergebnis zu einer lautstarken, aber qualitativ miserablen . Ausländerlobby" in diesen Institutionen, die weniger bewegt als erregt und entzweit.

  4. „Selten hat sich in einer so wichtigen Frage binnen kurzer Zeit ein solch massiver Wandel vollzogen wie in der Einstellung zu den Ausländern ... In anderer Hinsicht ist dieser Umschwung sogar völlig ohne Beispiel: Er ereignete sich fast ohne öffentlichen Einfluß", resümiert der Spiegel (Nr. 185/1982, S. 37) die Ergebnisse zweier alarmierender Meinungsumfragen von Infas (Dezember 1981) und Emnid (März 1982). Titel des Artikels: „Ausländerfeindlichkeit: Exodus erwünscht“.

  5. Die Zahl der im Bundesgebiet lebenden ausländischen Jugendlichen im Alter von 15 bis unter 20 Jahren stieg in den Jahren 1976 bis 1980 von rund 221 000 auf rund 318 000. Die besonders nach Aufhebung der Stichtagsregelung während der letzten zwei Jahre stark gewachsene Zahl ist vor allem Auswirkung verstärkten Familiennachzugs, vornehmlich bei türkischen Jugendlichen.

  6. Vgl. hierzu auch V. Hecker/D. Schmidt-Hackenberg, Bildungs-und Beschäftigungssituation ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland, Teil I, Heft 30, BiBB, Berlin 1980.

  7. H. Stegmann, Ausländische Jugendliche zwischen Schule und Beruf, Mitteilungen aus dem Arbeitsmarkt und Berufsforschung, 1, 1981, s. Übersicht 8, S. 8. Bei dieser Befragung ergab sich weiter, daß ausländische Jugendliche, die hier ihre Schulausbildung absolviert haben, ein ähnliches Profil in bezug auf die Häufigkeit von Berufsausbildungswünschen haben wie die deutschen Mitschüler (vor allem Metall, Elektro).

  8. Eine Umfrage bezüglich der Zukunftspläne von türkischen Seiteneinsteigern ergab, daß 32 % sofort im Anschluß an den Förderkurs eine Arbeit aufnehmen wollen, 33 % konnten noch keine Entscheidungen treffen und 30 % streben eine Ausbildung an, hiervon die meisten wiederum im Metall-und Elektrobereich (je 15 %). Quelle: Forschungsstelle der hessischen Wirtschaft, empirische Erhebung Herbst

  9. Der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren beträgt 3, 8 %, ausländische Jugendliche unter 20 Jahren haben einen Anteil von 9, 1 %, darunter vor allem ungelernte bzw. Jugendliche ohne Hauptschulabschluß. Quelle: ANBA Nr. 2, 1981. Und: Nur rund die Hälfte der berufsschulpflichtigen Ausländer besuchen die Berufsschule. Vgl. Karin Schober, Zur Ausbildungs-und Arbeitsmarktsituation ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland — Gegenwärtige Lage und künftige Perspektive, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, Nr. 1/1981.

  10. Enkulturation = Übernahme spezifischer kultureller Denkstrukturen, Verhaltensweisen, Sprachund emotionaler Muster, Rolle des Staatsbürgers.

  11. Akkulturation = Prozeß der Auseinandersetzung mit und Anpassung an die dominante Kultur (erneute Anpassung an neue Lebensformen).

  12. Erlaß 339/79 der Bundesanstalt für Arbeit

  13. Den besten Überblick gibt folgende Aufsatz-Sammlung zu MBSE: Materialien zur Berufsvorbereitung und Berufsausbildung ausländischer Jugendlicher. Zusammenstellung: Jan Vink, im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Bonn 1981.

  14. Diese Erfahrungen kommen aus der praktischen Verantwortung der Verfasser für zwei MBSE-Projekte in Frankfurt mit rund 250 Jugendlichen und in Darmstadt (Südhessen) mit rund 150 Jugendlichen sowie aus der wissenschaftlichen Begleitung der Kurse, die im Rahmen des Bildungswerks der Hessischen Wirtschaft für rund 800 Jugendliche hessenweit durchgeführt werden, sowie an der Beteiligung am Modellversuchsprogramm zur Förderung der Ausbildung von ausländischen Jugendlichen in anerkannten Ausbildungsberufen, initiiert vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft über das Bundesinstitut für Berufsbildung Berlin. Das Bildungswerk arbeitet bei der Durchführung der Förderkurse mit Ausbildungsbetrieben zusammen. In diesem kooperativ-betrieblichen Modell ist der Betrieb Lernort und für den Praxisteil der Kurse verantwortlich. Die Sprachlehrer sind den regionalen eigenständigen Projekten über das Institut Kreatives Lernen (Frankfurt) zugeordnet, die Sozialpädagogen stellt das Bildungswerk.

  15. Die Breite dieser und weiterer Daten ergibt sich aus der Einbeziehung zweier Kursjahrgänge (1980/81 und 1981/82), wobei in einigen Punkten die Sozialdaten Unterschiede aufweisen. Die Unterschiede sind aber nicht gravierend. Zugrunde liegen die Da-ten von je Kurs für etwa 800 Teilnehmer.

  16. Im laufenden Kursjahr waren statistisch gesehen die Aufenthaltsdauer länger (Warten auf Zulassung zu MBSE) und die Deutschkenntnisse ein wenig besser.

  17. Eine Hypothese, für die es Einzelbelege gibt

  18. Vgl. die Nr. 1/1981 unserer eigenen Reihe „Beiträge zur Bildung": Amthauer/Peppler/Reichling/von Vieregge/Zimmermann, MBSE in kooperativ-betrieblicher Form.

  19. Diese Ergebnisse sind vorläufiger Art und haben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit Weitere Messungen in diesen Bereichen sind geplant

  20. übrigens wohl auch in der Sicht der Jugendlichen und ihrer Eltern, wie eine Untersuchung des Instituts für empirische Psychologie, Köln, im Auftrag des BMBW belegt. Die Kölner Umfrage hat herausgefunden, daß die persönliche Zufriedenheit der Jugendlichen sich im Laufe des Kurses von 37 % auf 85 % deutlich verändert hat, daß die Jugendlichen die Chance zu neuen Freundschaften positiv einschätzen und daß vier Fünftel der ehemaligen Teilnehmer den Kursbesuch ihren Freunden und Bekannten weiterempfehlen. Das positive Urteil über MBSE wird auch von den Eltern und Bekannten geteilt, von denen 87 % die Teilnahme an MBSE als wichtig/sehr wichtig einschätzen. Zit. nach Friedrich Peppler, Integration junger Ausländer, in: Der Arbeitgeber, Nr. 24/33 — 1981.

  21. Hier ist auf beispielhafte Bemühungen der Fa. Carl Freudenberg, Weinheim, und des „Projekts Weinheim“ mit dem gemeinsamen Jungarbeiter plus Programm“ hinzuweisen.

  22. So Rolf Spinner, Einstellungen türkischer Jugendlicher zu Bildung, Arbeit und Beruf. Eine Fallstudie, Examensarbeit, unveröffentlicht, Darmstadt 1981, S. 19.

  23. Für den türkischen Jugendlichen, der nur fünf Jahre die Grundschule in der Heimat besucht hat,

  24. Bezogen auf die Unterrichtsstunde ist MBSE in der Trägerschaft des Bildungswerks der Hessischen Wirtschaft deutlich kostengünstiger als das Berufsvorbereitungsjahr, das höhere Klassenzahlen, ein Vielfaches an Abwesenheit der Schüler hat und dem spezielle Sprachübung und sozialpädagogische Begleitung fehlen.

  25. Dieser hohe Anspruch sichert den Kursen nicht nur die (willkommene) kritische Begleitung der Öffentlichkeit, sondern auch außerordentlich heftige Angriffe durch die hessische GEW, die einige Mühen darauf verwendet, den Einbruch in die Tabu-zone „Bildung macht der Staat und sonst niemand“ wettzumachen. Offenbar hat das Engagement der hessischen Arbeitgeber Irritation ausgelöst. Vgl. die anonyme Polemik „Gemacht wird, was uns nützt! MBSE-privatisiertes Bildungswesen im Hoheitsbereich der hessischen Arbeitgeberverbände" in: Hessische Lehrerzeitung Nr. 4 und 5/1982, in der die Sorge dargetan wird, es könnte die Situation entstehen, „wo selbst nachdenkliche Gemüter davon abgelenkt werden, daß sie die eigentlichen Zusammenhänge nicht mehr nachvollziehen können oder wollen“ (Nr. 4, S. 43). Man solle sich nicht von den Erfolgen irritieren lassen (ebd.). Wodurch denn sonst?

  26. Beraten am 30. 4. 1982 im Bundesrat (Drucksache 98 und 99/82). In der Aussprache wies der niedersächsische Innenminister Egbert Möcklinghoff darauf hin, daß die Herabsetzung der Altersgrenze auf 16 rechtlich unbedenklich sei, „da eine Einreise nach Vollendung des 16. Lebensjahres primär den Zugang zum Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland eröffnen soll. Sie läßt sich aber nicht ohne weiteres auf den Familiennachzug übertragen, der noch im Kindesalter stattfindet. Insofern dürfte dem im Artikel 6 des Grundgesetzes verbürgten Schutz von Ehe und Familie ein anderes Gewicht beizumessen sein.“ Zit. aus „Das Parlament", Nr. 20, 22. Mai 1982, S. 9.

  27. Es geht hier vor allem um die Theorieanforderungen. Einige Anschlußfragen drängen sich auf, sollen aber hier nicht diskutiert werden: Sind die Theorieanforderungen notwendig? Werden sie intelligent vermittelt? Sollten neue, praxisbezogenere Ausbildungsgänge eingerichtet werden?

  28. Natürlich ist der Begriff vage. Die Bandbreite zwischen den Anforderungen, denen ein Teilezurichter oder ein Elektrogerätemechaniker gerecht werden müssen, weichen beträchtlich voneinander ab.

  29. Wir beobachten und stützen im Rahmen der erwähnten Modellversuche die Ausbildung von etwa 60 ausländischen Jugendlichen, die im Rhein-Main-Gebiet in anerkannten Ausbildungsberufen seit September 1981 ausgebildet wurden. Trotz z. T. größerer fachlicher Schwierigkeiten sind die wichtigsten Gründe, die zum Abbruch der Ausbildung führten, im . subjektiven" Bereich zu finden.

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Henning von Vieregge, Dr. phil., M. A„ geb. 1946; Studium von Politikwissenschaft, Soziologie und Staatsrecht in Bonn und Köln; seit 1977 Bereichsleiter für Bildungs-und Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der Vereinigung der hess. Unternehmerverbände im Bereich Darmstadt; Außenstellenleiter des Bildungswerks der Hess. Wirtschaft und Projektleiter MBSE, Co-Leiter der Forschungsstelle der Hess. Wirtschaft. Veröffentlichungen u. a.: Technostruktur und Partizipation, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7/75; Parteistiftungen, Baden-Baden 1977; zusammen mit Joachim Reichling: MBSE und Berufsschulen, in: Die berufsbildende Schule Nr. 5/1981; Erfahrungen mit Integrationsangeboten für türkische „Späteinsteiger", in: Schlaffke, von Voss (Hrsg.), Vom Gastarbeiter zum Mitarbeiter, Köln 1982 (im Erscheinen).