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Förderung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren — ein Aufgabenschwerpunkt künftiger Umweltpolitik | APuZ 35/1982 | bpb.de

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APuZ 35/1982 Energiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland Eine Zwischenbilanz Interessengruppen und staatliche Forschungspolitik Förderung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren — ein Aufgabenschwerpunkt künftiger Umweltpolitik

Förderung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren — ein Aufgabenschwerpunkt künftiger Umweltpolitik

Jochen Hucke

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Umweltgesetzgebung hat einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umweltschutz neu gefaßt, andererseits aber auch Grenzen verdeutlicht, die sich insbesondere aus Zielkonflikten zwischen Umwelt-und Wirtschaftspolitik ergeben. Eine sinnvolle Weiterentwicklung des Umweltschutzes kann heute weniger in einer politisch kaum durchsetzbaren Verschärfung gesetzlicher Standards als in der Suche nach Problemlösungen liegen, die gleichermaßen wirtschafts-und umweltpolitischen Zielsetzungen gerecht werden. Ein solcher Weg könnte die Förderung von Entwicklung und Markteinführung umwelt-freundlicherer Produkte und Verfahren sein. Diese trägt einerseits zur weiteren Reduzierung der Umweltbelastung bei, indem die bei Erstellung, Nutzung und Beseitigung von Gütern auftretenden Umwelteffekte durch technische Verbesserungen an Produkten und Produktionsverfahren gemindert werden. Andererseits kommt sie den Interessen der Wirtschaft an Erhaltung und Ausweitung von Absatzanteilen und Arbeitsplätzen entgegen. Da Umweltschutzgesichtspunkte bislang unzureichend in die Entscheidungskriterien von Produzenten und Konsumenten integriert sind, müssen Förderungsinitiativen unternommen werden. Dabei können Bund, Länder und Gemeinden entscheidende Impulse geben, indem sie vor allem das Nachfragepotential des öffentlichen Sektors für die Beschaffung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren nutzen. Entsprechende Initiativen von Politik und Verwaltung würden allenfalls geringe Mehrkosten verursachen, die als Beitrag zum Umweltschutz gerechtfertigt und auch in einer Phase knapper öffentlicher Mittel tragbar sind. Sofern stärker umweltorientierte Verbraucher und Hersteller die Impulse aufnehmen, kann durch die Verbreitung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren mit marktkonformen Mitteln ein Beitrag zum Umweltschutz und zum wirtschaftlichen Strukturwandel geleistet werden.

I. Das Konzept

Im vergangenen Jahrzehnt hat der Deutsche Bundestag die Umweltgesetzgebung intensiv vorangetrieben. Heute verfügt die Bundesrepublik mit Ausnahme des Verkehrslärmschutzbereichs über ein geschlossenes System spezieller Umweltschutznormen. Trotz dieser Fortschritte zählt eine Bevölkerungsmehrheit Verbesserungen beim Umweltschutz nach wie vor zu den wichtigsten politischen Zukunftsaufgaben

Der hier zum Ausdruck kommende Problemlösungsbedarf wird in absehbarer Zeit kaum durch eine Verschärfung von Gesetzesnormen zu befriedigen sein. Die Entscheidungsprozesse der vergangenen Jahre haben nämlich die Grenzen der Konsensbildung zwischen Umweltschutz und konkurrierenden Politik-zielen, vor allem wirtschaftspolitischen Zielsetzungen, deutlich werden lassen Zwar kann inzwischen als erwiesen gelten, daß die Umweltgesetzgebung nicht zu dem teilweise befürchteten Ausmaß an Arbeitsplatzverlusten und Wachstumseinbußen geführt hat Auch beginnt sich eine auf Emissionsminderungstechniken und Entsorgungsleistungen spezialisierte „Umweltschutzindustrie" zu einem unter Innovationsgesichtspunkten interessanten Wirtschaftszweig zu entwickeln

Zwischen Ökonomie und Ökologie bleibt jedoch ein Spannungsverhältnis bestehen.

Zum einen erscheinen gerade in der gegenwärtigen Wirtschaftslage zusätzliche Investi-tionen in Entsorgungstechnologien weder für die Industrie noch durch die öffentlichen Haushalte finanzierbar. Zum andern ist auch das Grundmuster regulativer Politik nach dem die Umweltgesetze überwiegend gestaltet sind, für eine Weiterentwicklung des Umweltschutzes nur begrenzt nutzbar. Die Festschreibung von Emissionsgrenzwerten auf gesetzlicher Basis ist zugleich nämlich auch eine Festschreibung des zulässigen Restbelastungsniveaus, da für einen Verursacher, der die Grenzwerte einhält, keinerlei Anreiz zu einer weiteren, meist mit steigenden Grenzkosten pro zusätzlich reduzierter Schadstoffeinheit verbundenen Minderung von Umweltbelastungen besteht.

Soll das Ausmaß der Umweltbelastungen, wie es den politischen Wünschen entspricht, weiter gesenkt werden, so müssen zusätzliche Problemlösungsmöglichkeiten gesucht werden. Diese sollten unter den gegebenen Rahmenbedingungen einerseits den öffentlichen Haushalten allenfalls geringe Zusatzkosten aufbürden und andererseits wirtschaftspolitischen Zielsetzungen möglichst nicht entgegen laufen. Ein solcher Lösungsweg wird in diesem Beitrag mit der Förderung umweltfreundlicherer Produkte und Produktionsverfahren zur Diskussion gestellt

Die bei gegebenen Umweltnormen verbleibende Restbelastung läßt sich durch die Förderung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren mit marktkonformen Mitteln weiter reduzieren. Als „umweltfreundlicher" seien solche Produkte und Produktionsverfahren bezeichnet, die die Umwelt weniger als herkömmliche, am Markt verfügbare Güter belasten. Weitet sich durch eine Veränderung des Anbieter-und Nachfrageverhaltens der Marktanteil umweltfreundlicherer Güter aus, während der Anteil stärker umweltbelastender Produkte und Verfahren zurückgeht, so erfolgt in gleichem Umfang ein Verringerung der Umweltbelastung, ohne daß hierfür die Verschärfung gesetzlicher Regelungen erforderlich wäre.

Da umweltfreundlichere Eigenschaften integraler Bestandteil von Produkten und Verfahren sind, bietet ihre Förderung zugleich weitere Vorteile gegenüber der gegenwärtig dominierenden Praxis einer nachträglichen Emissionsreduzierung „am Ende des Rohres": Wird bei der Gestaltung von Produktionsverfahren von vornherein auf die Minderung von Umweltbelastungen geachtet, so können die Gesundheitsrisiken für die in der Produktion Beschäftigten gesenkt werden, die bei der heutigen Praxis der nachträglichen Emissionsminderung häufig höheren Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt sind als die Umgebung einer Emissionsquelle Bei der Integration umweltfreundlicherer Eigenschaften in den Produktionsprozeß wird weiterhin der Aufwand volkswirtschaftlicher Ressourcen für die nachträgliche Emissionsminderung verringert Schließlich entfällt auch ein Teil des behördlichen Überwachungsaufwandes für die betroffenen Firmen

Allerdings werden sich „umweltfreundlichere“ Produkte und Verfahren meist nicht in hinreichendem Umfang selbständig am Markt durchsetzen, da Umweltschutzgesichtspunkte für die wirtschaftlichen Dispositionen von Produzenten und Konsumenten derzeit im günstigsten Fall ein nachrangiges Entscheidungskriterium sind. Die ökonomische Theorie hat gezeigt, daß Wirtschaftssubjekte rational handeln, wenn sie bei ihren Entscheidungen die nicht von ihnen individuell getragenen externen Kosten und Nutzen unberück-sichtigt lassen. Zu diesen zählen auch die von einem Gut ausgehenden Umweltbelastungen. Eine Förderung der Entwicklung und Markteinführung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren muß deshalb darauf abstellen, die Bedeutung des Umweltschutzes als Entscheidungskriterium für Konsumenten und Produzenten zu erhöhen. Gelingt dies, so wird der Marktmechanismus selbst dafür sorgen, daß ohne Gesetzesverschärfungen eine weitergehende Reduzierung von Umweltbelastungen herbeigeführt wird. Gewinnt nämlich die Umweltfreundlichkeit eines Produktes einen zentralen Stellenwert bei den Entscheidungskriterien der Nachfrager, so müssen sich die Anbieter am Markt zur Sicherung und Ausweitung von Absatzanteilen um technische Verbesserungen bei den Umwelteigenschaften ihrer Produkte bemühen. Die Anbieterkonkurrenz trägt zu einer Verstetigung der Verbesserungsbemühungen bei. Längerfristig wird durch die Entwicklung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren zugleich ein Beitrag zur qualitativen Umstrukturierung der Volkswirtschaft geleistet da diese Güter — wie Einzelbeispiele des lärm-und verbrauchs-ärmeren , Airbus''-Großraumflugzeuges oder bestimmter japanischer Produkte zeigen — auch international Wettbewerbsvorteile gewinnen können.

Ehe sich über den Marktmechanismus eine solche Verstetigung von technischen Verbesserungen bei umweltfreundlicheren Produkten und Verfahren einstellt, ist jedoch eine Reihe von Förderungsimpulsen notwendig. Diese werden hier näher umrissen, wobei einerseits begünstigende und andererseits hindernde Bedingungen für eine Förderung angesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist zunächst der Begriff des „umweltfreundlicheren Gutes" noch näher zu erläutern. Anschließend werden Informationen über Produkte sowie über die Anlässe gegeben, die zu ihrer Einführung beitrugen. Aufbauend auf den Schwierigkeiten für die breite Durchsetzung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren am Markt werden schließlich Fördermöglichkeiten der öffentlichen Hand und des privaten Sektors beschrieben.

II. Zum Begriff der „Umweltfreundlichkeit" von Produkten und Produktionsverfahren

„Umweltfreundlicher" sind diejenigen Produkte und Produktionsverfahren, die die Umwelt weniger belasten als andere Güter mit gleichem Verwendungszweck „Umweltfreundlichkeit''ist dieser Begriffsbestimmung gemäß immer eine relative Größe, die sich im Vergleich eines bestimmten Gutes mit anderen am Markt verfügbaren Gütern ermitteln läßt. Eine absolute Umweltfreundlichkeit, also der Zustand, in dem von einem Produkt oder Verfahren keinerlei Umweltbelastungen ausgehen, dürfte nur in Einzelfällen zu erreichen sein.

Die Bestimmung von „Umweltfreundlichkeit“ als relative Größe schließt als wichtige Dimension zugleich die Möglichkeiten des technischen Fortschritts ein. Es ist anzunehmen, daß einem Gut, das beim ursprünglichen Vergleich mit anderen Gütern als „umweltfreundlicher" klassifiziert worden war, diese Eigenschaft nach einigen Jahren wieder abzusprechen ist, weil inzwischen andere Güter entwickelt oder technisch verbessert worden sind, die die Umwelt in noch geringerem Ausmaß belasten. Bei der konkreten Bestimmung der von einem Gut ausgehenden Umweltbelastungen muß eine Vielzahl von Dimensionen berücksichtigt werden. Es ist sinnvoll, hierbei den gesamten Lebenszyklus des Gutes zugrunde zu legen, also gleichermaßen Umweltbelastungen bei der Erstellung und Nutzung wie bei der Beseitigung des nicht mehr gebrauchsfähigen Gutes zu bilanzieren. Weiterhin müssen bei der Bestimmung des Grades an Umweltfreundlichkeit alle Bereiche geprüft werden, in denen Umweltbelastungen auftreten können. Dies sind im einzelnen:

— Gefährdung, Schädigung oder Belästigung von Menschen, Tieren oder Pflanzen;

— Belastung von Wasser, Boden und Luft;

— Verbrauch an Rohstoffen, Energie und Flächen;

— Lebensdauer des Gutes und Wiederverwendbarkeit; — umweltbelastende Folgewirkungen, die sich aus der Kombination einer Nutzung des Gutes zusammen mit anderen Gütern ergeben. Gegenwärtig ist das Problem einer vollständigen Bestimmung der „Umweltfreundlichkeit“ eines Produktes noch nicht gelöst, da dieser Frage bisher kein sonderlich großes Gewicht beigemessen wurde. Um eine sinnvolle Unterscheidung zwischen mehr oder weniger umweltbelastenden Produkten und Verfahren treffen zu können, sollten jedoch standardisierte Bewertungsverfahren entwickelt werden, wie sie heute schon in vielen Bereichen, etwa bei der Materialprüfung, der Arzneimittelzulassung oder beim Produkttest durch Verbraucherinstitutionen, in unterschiedlicher Form zur Anwendung kommen. Ein einheitliches Bewertungsverfahren ist nicht zuletzt deshalb angebracht, weil zwei aktuelle Vorgänge zeigen, daß die Umweltfreundlichkeit von Produkten und Verfahren je nach Auswahl der Kriterien sehr unterschiedlich beurteilt werden kann.

Hinsichtlich der Umweltfreundlichkeit von Recycling-Papieren entwickelte sich beispielsweise unter anderem eine Kontroverse um das „Schwachholzargument''. Seitens der Vertreter der Zellstoffindustrie wurde die Umwelt-freundlichkeit der Abfallmengen sowie die den Energieverbrauch und die Gewässerbelastung reduzierende Papierproduktion auf Altpapierbasis mit dem Argument bestritten, daß bei Wegfall der Zellstoffstufe in der Papierproduktion der beim Durchforsten von Wäldern anfallende Schwachhölzerbestand nicht mehr absetzbar sei

Äußerst differenziert wird derzeit die Auseinandersetzung um die umweltrelevanten Vor-und Nachteile von Einwegpappverpackungen gegenüber der Mehrwegflasche geführt Diese und zu erwartende ähnliche Kontroversen ließen sich leichter lösen, wenn auf ein einheitliches Beurteilungsschema der „Umweltfreundlichkeit" von Produkten und Verfahren zurückgegriffen werden könnte.

Die Erstellung eines solchen Beurteilungsschemas wirft sowohl informatorische wie methodische Probleme auf. Derzeit liegen meist zuwenig Informationen darüber vor, welche Umweltbelastungen bei Herstellung, Nutzung und Beseitigung eines Gutes entstehen. Am leichtesten dürfte sich das Informationsproblem für die Herstellungsphase lösen lassen, da hier zumeist standardisierte Fertigungstechniken angewandt werden, deren Dauer und Vorprodukteinsatzmengen im Rechnungswesen des Herstellers erfaßt werden.

Bei der Nutzung müßten nicht nur die durch Typenprüfung erfaßbaren Emissionskennziffern eines Produktes, sondern auch die Wahrscheinlichkeit einer erhöhten Umweltbelastung bei unsachgemäßer Anwendung berücksichtigt werden. Für die Wiederverwendbarkeit von Teilen oder des gesamten Gutes wäre zwischen der prinzipiell möglichen Wiederverwendbarkeit und den in absehbarer Zeit verfügbaren Kapazitäten zur Wiederaufbereitung zu unterscheiden. Informationsprobleme treten weiterhin dadurch auf, daß sich beim gegenwärtigen Stand der Umweltwirkungsforschung Aussagen über die Schadstoffwirkungen meist nur mit erheblichen Unsicherheiten treffen lassen.

Methodische Probleme stellen sich schließlich in der Gewichtung der einzelnen Dimensionen von Umweltbelastungen. Ein Vergleich von Gütern kann zwar auf jeder einzelnen Dimension umweltrelevanter Auswirkungen vorgenommen werden, für eine Gesamtbeurteilung der Güter müssen jedoch Kriterien für die Gewichtung der Einzeldimensionen gefunden werden. So wird man beispielsweise der Gesundheitsgefährdung von Menschen eine höhere Bedeutung zumessen als der Recyclingfähigkeit eines Produktes.

Die umrissene Komplexität einer Beurteilung der Umweltfreundlichkeit von Produkten und Verfahren wird in der Praxis jedoch vielfach dadurch vereinfacht, daß die zu vergleichenden Güter auf den meisten Dimensionen ähnliche Gegebenheiten aufweisen. Es müssen dann lediglich partielle Vergleiche für die Dimensionen vorgenommen werden, in denen signifikante Unterschiede vorliegen. Die Möglichkeit eines Partialvergleichs erlaubt es auch heute schon, von bereits verfügbaren „umweltfreundlicheren" Produkten zu sprechen, die im folgenden Abschnitt aufgeführt werden. Allerdings sollte zugleich davor gewarnt werden, Partialbetrachtungen so weit zu verkürzen, daß Problemverschiebungen in Form einer scheinbaren Reduzierung von Umweltbelastungen durch Erhöhung der Belastungen an anderer Stelle aus dem Blickfeld geraten

III. Verfügbarkeit und Marktbedingungen von umweltfreundlicheren Produkten und Verfahren

Bereits heute ist eine Reihe von Produkten und Verfahren am Markt verfügbar oder im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, die im Vergleich zu herkömmlichen Gütern als „umweltfreundlicher" bezeichnet werden können Entwicklungsschwerpunkte bestehen bei — umweltfreundlicheren Kraftfahrzeugen, — Recyclingprodukten, — weniger umweitund gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen sowie — energieeinsparenden Techniken.

Im Kraftfahrzeugbereich richten sich Bemühungen zur Reduzierung der Umweltbelastungen gleichermaßen auf Lärm-und Abgasemissionen sowie auf den Energieverbrauch. Abgaskatalysatoren werden bei verschiedenen PKW erprobt. Während Katalysatoren im Ausland, so etwa in den USA, in großem Umfang eingesetzt werden, weil dort bleifreies Benzin verfügbar ist, besteht das Problem in der Bundesrepublik in der Entwicklung bleifester Katalysatoren. Lärmminderung durch Kapselung und konstruktive Änderungen ist aufgrund des Zusatzgewichts bei Nutzfahrzeugen weiter fortgeschritten als im PKW-Bereich. Gegenwärtig unternimmt die Deutsche Bundespost einen Anwendungsversuch mit 50 „Flüster-LKWs", bei denen die Lärmemission von 90 auf 77 db/A gesenkt werden konnte.

Die Bedeutung solcher Entwicklungsmaßnahmen wird daran ersichtlich, daß die Lärment-Wicklung eines herkömmlichen LKWs etwa der von zehn PKW entspricht. Bei der Energie-einsparung sind nicht nur technische Verbesserungen zur Reduzierung Ides Kraftstoffverbrauchs, sondern auch Versuche mit alternativen Antriebsformen, wie etwa Flüssiggas, Methanol oder Elektrofahrzeuge, zu beachten. Angesichts der zur Zeit intensiv in der Öffentlichkeit diskutierten Asbestgefährdung ist auf die Entwicklung asbestfreier Brems-und Kupplungsbeläge zu verweisen. Recycling-Produkte beginnen sich bei Hygienepapieren und graphischen Papieren allmählich am Markt durchzusetzen. Auch die Altglassammlung stößt auf Resonanz in der Bevölkerung. Während Pyrolyseverfahren (Zersetzung des Altmaterials durch Hitze) zur Rohstoffrückgewinnung gegenwärtig noch vor technischen und organisatorischen Problemen zu stehen scheinen, weitet sich ein erst durch die Umweltschutzregelungen entstandener Bereich von Recycling-Produkten aus, nämlich die Verwertung von Flugasche und Gips, Rückhaltestoffen bei der Luftreinhaltung, im Bauwesen.

Im Bereich weniger umweitund gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe sind unter anderem Ersatzstoffe für verschiedene Asbestprodukte bereits verfügbar oder in der Entwicklung. Ebenso gibt es Alternativen zu schwer-metallhaltigen Farben. Gesundheitsgefährdende Lösemittel in Lacken und bei der Kunststoffproduktion lassen sich teilweise durch alternative Verfahren ersetzen

Auf energieeinsparende Verfahren, wie Wärmedämmung, Wärmerückgewinnungsanlagen, Sonnenkollektoren, Blockheizkraftwerke u. a. m„ braucht wegen der Bekanntheit dieser Techniken nicht gesondert hingewiesen werden

Die hier angesprochene Produktpalette ließe sich um eine Vielzahl einzelner Produkte in anderen Sparten, wie etwa phosphatarme Waschmittel oder lärmarme Baumaschinen, weiter verlängern.

Es fällt auf, daß Umweltschutzgesichtspunkte nur in seltenen Fällen den Anlaß für eine Produktplanungsentscheidung gaben. In der Regel stellte sich die „Umweltfreundlichkeit''ei-nes Gutes als Nebenprodukt einer aus anderen Gründen getroffenen Entscheidung ein. So waren etwa Preisentwicklungen als klassisches Marktsignal für die Entwicklung der verschiedenen Energiespartechnologien ausschlaggebend. Mit der sich abzeichnenden dauerhaften Ölpreisverteuerung setzten vielfältige Bemühungen zu technischen Neuentwicklungen und zur Wiederbelebung bereits aus Kriegszeiten bekannter Techniken ein. Als Beispiel für eine Produktplanungsentscheidung aus Gründen der Qualitätsverbesserung sei die Entwicklung asbestfreier Bremsbeläge genannt. Diese geht darauf zurück, daß die Deutsche Bundespost zur Senkung der Wartungskosten ihrer Fahrzeuge die Entwicklung längerlebiger Bremsbeläge in Auftrag gab. Der Umweltgesichtspunkt der Asbestsubstitution stellte sich als Nebeneffekt der Entwicklungsentscheidung ein.

Als drittes klassisches Entwicklungsmotiv spielt die Erhaltung und Ausweitung von Absatzanteilen eine Rolle. So geht etwa die Forcierung von graphischen und Recycling-Papieren durch einen Anbieter darauf zurück, daß Sanierungsmaßnahmen für einen aufgekauften Betrieb unternommen werden mußten, der schon immer Altpapier aufbereitete. In einem anderen Fall setzte ein großes Energieversorgungsunternehmen einen hohen Betrag an Investitionsmitteln zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen ein, wobei dies nicht zuletzt von der Zielsetzung bestimmt war, die nächtlichen Schwachlastzeiten der eigenen Kraftwerke mit dem Ladebetrieb von Batterien für Elektrofahrzeuge aufzufüllen.

Bei den stärker bewußt umweltorientierten Planungsentscheidungen steht der Arbeitsschutz als Entwicklungsanlaß an erster Stelle. Verwiesen sei etwa auf verschiedene Produktionsumstellungen im Bereich der chemischen Industrie wegen nachgewiesener Gesund-heits-und Umweltschäden. Auch nach Bekanntwerden der ersten Berichte über Gesundheitsschäden durch Asbest setzte die Suche nach Substituten ein, die inzwischen zu marktreifen Produkten geführt hat.

Daß gerade aus Gründen des Arbeitsschutzes die Entwicklung umweltfreundlicher Produkte und Verfahren vorangetrieben wird, ist aus zwei Aspekten erklärlich. Zum einen treten aufgrund intensiverer Expositionen hier eher nachweisbare Schädigungen auf. Zum andern sind Arbeitsschutzgesetze sowie arbeitsmedizinische Betreuung und Forschung zumindest im Vergleich zu entsprechenden um-B weltmedizinischen Ansätzen weiter fortgeschritten. Daß umweltfreundlichere Produkte und Verfahren indirekt über die Umweltgesetzgebung in anderen Bereichen angestoßen werden können, zeigt sich sowohl am bereits angesprochenen Beispiel von Recycling-Produkten, die erst durch die Luftreinhaltung entstanden, als auch bei der Suche nach Schwermetallsubstituten aufgrund des Verbots von Schwermetalleinleitungen in Gewässer. Direkt aus Umweltschutzgründen ausgelöste Entwicklungen sind zumeist nur dann zu verzeichnen, wenn durch öffentliche Förderung, wie vor allem im Kraftfahrzeugbereich, zugleich ein beträchtlicher Anteil der Entwicklungskosten übernommen wird.

Bleiben schon die Entwicklungsimpulse für umweltfreundlichere Produkte und Verfahren gering, so haben die meisten von ihnen mit beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Markteinführung zu kämpfen. Da umweltfreundlichere Produkte und Verfahren mit den bei neuen Produkten hohen Entwicklungskosten belastet sind und da die Umweltfreundlichkeit als zusätzliche Qualitätsdimension in der Regel auch Zusatzkosten bedeutet, werden sie zumeist etwas teurer als herkömmliche Güter angeboten. Durch den Preisnachteil verringern sich die Absatzchancen. Nur wenige Güter, wie etwa die Recycling-Papiere, haben aufgrund niedrigerer Produktionskosten auch Wettbewerbsvorteile. In diesem speziellen Fall erschwerte dagegen ursprünglich die graue Papierfarbe als negativ bewertetes Qualitätsmerkmal den Absatz

Insbesondere kleinere und mittlere Hersteller umweltfreundlicher Produkte und Verfahren verfügen nur über begrenzte Werbeetats, so daß die Informationsverbreitung über neue Produkte erschwert wird. Hinzu kommen technische Probleme. Verbraucher greifen häufig auf bewährte Produkte zurück, da sie bei neuen Produkten Betriebsstörungen befürchten. Vielfach sind die technischen Systeme noch nicht angepaßt. So gibt es etwa zur Zeit nur wenige Kopiergeräte, die Recycling-Papiere mittels stufenlos einstellbarer Kontrastwiedergabe problemlos verarbeiten können. Daß es zu harten Rivalitäten mit der größeren Konkurrenz in Preis-und Informationspolitik kommen kann, wenn sich ein Produkt durchzusetzen beginnt, zeigt ebenfalls der Bereich der Recycling-Papiere. Schließlich können auch unternehmensinterne Kalkulationen die Substitution eines Produktes durch ein weniger umweltbelastendes verzögern, wenn umfangreichere Umstellungen an den Produktionsanlagen erforderlich oder Lagerbestände des herkömmlichen Gutes noch abzusetzen sind.

Insgesamt haben sich bisher nur wenige Hersteller umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren durchsetzen können. Der in diesem Sinne am weitesten entwickelte Sektor sind die Anbieter von energieeinsparenden Techniken. Durch verhältnismäßig umfangreiche staatliche Technologie-und Anwenderförderung sowie wegen der durch die Energiepreisentwicklung breiten Nachfrage an Energieeinsparung entwickelten sich schnell hinreichend große Absatzmärkte für verschiedene energieeinsparende Techniken. Die Anbieter-seite ist aufgrund der rapiden Marktentwicklung durch eine große Vielfalt gekennzeichnet, wobei sich ein Dualismus zwischen mit anderen Produkten am Markt etablierten Großunternehmen einerseits und vielen kleinen, neu in den Markt eingetretenen Anbietern andererseits erkennen läßt.

Die Gründung verschiedener miteinander konkurrierender Wirtschaftsverbände und Interessengemeinschaften deutet darauf hin, daß sich die Strukturen auf der Anbieterseite zu verfestigen beginnen. Eine gewichtige Rolle dürfte in diesem Zusammenhang auch die Frage der Normung spielen, da mit der Festlegung von Produktnormen zugleich technische Lösungen in bestimmte Richtungen kanalisiert und den Anwendern Hinweise auf Produktstandards gegeben werden

Der weiterhin expandierende Sektor der Energieeinsparungstechniken kann, als Muster dafür gelten, wie sich Wirtschaftszweige mit umweltfreundlicheren Produkten und Verfahren autonom weiterentwickeln können, wenn die Anfangsschwierigkeiten überwunden sind. Bis zum Erreichen dieses Zustandes bedarf es jedoch einer Förderung, die einerseits Umweltgesichtspunkte systematischer als bisher in Produktplanungsentscheidungen einbringt und andererseits zum Abbau von Markteinführungshindernissen beiträgt Welche Fördermöglichkeiten öffentlicher und privater Sektor besitzen, wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.

IV. Fördermöglichkeiten der öffentlichen Hand

Aufgrund ihrer umweltpolitischen Zuständigkeiten sind Bund, Länder und Gemeinden an erster Stelle zur Förderung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren aufgerufen. Diese kann jedoch nur in begrenztem Maße in einer umfassenden Technologieförderung durch Finanzhilfeprogramme oder Steuervergünstigungen bestehen, da subventionspolitische Grundsätze und die Haushaltslage dies verbieten. Ebenfalls wäre eine Reglementierung des Entwicklungsprozesses durch verschärfte Umweltschutznormen kaum durchsetzbar, zumal sie hier nicht mehr verhältnismäßig breit umweltmedienbezogen, sondern mit einem weitaus höheren Regelungsaufwand produktspezifisch ansetzen müßten Als wesentliche Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand bieten sich Verhaltensappelle, die Einrichtung von Benutzervorteilsregelungen sowie vor allem die Nutzung des öffentlichen Vergabewesens zur Beschaffung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren für den Eigenbedarf an.

Durch Verhaltensappelle in Form von Fachgesprächen mit Anbietern kann auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Umweltschutzgesichtspunkten bei der Produktentwicklung hingewiesen werden. Weiterhin ließen sich zur Information von Anbietern und Nachfragern bereits vorhandene umwelt-freundlichere Produkte und Verfahren dokumentieren. Dienen solche reinen Verhaltens-appelle vorrangig der Information und Motivation, so können in Form von Branchenabkommen verbindlichere Regelungen getroffen werden Branchenabkommen sind jedoch insgesamt nicht unproblematisch, da sie häufig staatliche Gegenleistungen — etwa den Verzicht auf regulative Maßnahmen — verlangen und zu einer Festschreibung von Marktpositionen und Marktanteilen führen. Auch läßt sich ihre Einhaltung oft schwer überprüfen.

Benutzervorteilsregelungen verbinden marktwirtschaftliche Mechanismen mit abgeschwächten Formen regulativer Politik. Ihr Prinzip besteht darin, die Nutzungszeiten und -bereiche umweltbelastender Produkte einzuschränken, zugleich aber Ausnahmeregelungen für die Benutzer umweltfreundlicherer Produkte zuzulassen, über diesen Vorteil bei der Benutzung soll ein Anreiz für den Erwerb umweltfreundlicherer Produkte geschaffen werden. Benutzervorteilsregelungen wurden bisher für lärmarme Rasenmäher und Sport-flugzeuge erfolgreich praktiziert Sie dürften prinzipiell überall dort anwendbar sein, wo sich die Notwendigkeit eines Benutzervorteils plausibel begründen läßt und eine kontrollierbare Regelung gefunden werden kann. Insbesondere der Kraftfahrzeugbereich bietet sich als ein mögliches Regelungsfeld an

Ein unmittelbarer Förderungseffekt durch Ausweitung des Absatzpotentials für umwelt-freundlichere Produkte und Verfahren läßt sich vor allem durch die Nutzung des Nachfragevolumens für den Eigenbedarf der öffentlichen Hand herbeiführen. Die öffentliche Hand ist heute ein gewichtiger Nachfrager am Markt. 1977 entfielen 6, 5% des Bruttosozial-Produkts auf Käufe von Bund, Ländern und Gemeinden für den Eigenbedarf. Das Nachfragevolumen nach Gütern von rund 77 Mrd. DM hatte seine beiden größten Einzelposten bei Baumaßnahmen (36 Mrd. DM) und bei sächlichen Verwaltungsausgaben (23 Mrd. DM). Bei den Bauleistungen besaß die öffentliche Hand einen Anteil von rund 24% an der Gesamt-nachfrage. Das öffentliche Vergabewesen läßt sich in dreierlei Hinsicht für die Förderung umwelt-freundlicherer Produkte und Verfahren nutzen:

a) Wo der Marktanteil der öffentlichen Hand hinreichend groß ist, können Qualitätsstandards für nachgefragte umweltfreundlichere Produkte gesetzt werden. Dies gilt zum einen für Bauleistungen, zum andern aber auch für Teilbereiche des Fahrzeugmarktes, insbesondere Lastkraftwagen und Busse.

b) Wo die öffentliche Hand über einen begrenzten, aber dennoch umfangreicheren Bedarf an Lieferungen verfügt, können die Absatzbedingungen für erste Serien eines neuen Produkts verbessert werden. Dies gilt u. a. für Büromaterialien und für den Bedarf von Groß-küchen. c) Wo die öffentliche Hand nur vereinzelt Leistungen nachfragt, können zum einen in Anwendungsversuchen Betriebserfahrungen gewonnen werden. Zum andern kann die öffentliche Hand hier durch den Einsatz von Pilot-produkten ein Vorbild für private Nachfrager liefern.

Bisher gibt es einige Beispiele für eine umweltorientierte Vergabepolitik der öffentlichen Hand. Insbesondere die Deutsche Bundespost nimmt hier unter anderem durch die Entwicklung asbestfreier Bremsbeläge, die Erprobung lärmarmer LKWs, die Verbesserung der Wiederverwertbarkeit von Telefonbüchern durch Änderung von Umschlag und Leimung sowie durch Aktivitäten zur Verwendung schwermetallfreier Anstriche eine führende Rolle ein.

Umweltbewußte Beschaffungsmaßnahmen gehen vielfach noch zu sehr auf Einzelinitiativen verantwortlicher Beschaffer zurück. Die Untersuchung über Umweltschutz im öffentlichen Vergabewesen zeigte, daß die angesprochenen Beschaffer den umweltorientierten Beschaffungsmaßnahmen gegenüber weitgehend sehr aufgeschlossen waren. Es fehlte jedoch vielfach die Information darüber, welche Produkte bereits verfügbar sind. Routinehaltungen bei der Bestellung bewährter Produkte und bei der Beteiligung von Bietern für beschränkte Ausschreibungen sowie befürchtete Anwendungsrisiken bei noch nicht hinreichend erprobten neuen Gütern stellen zusätzliche Restriktionen dar.

Unterschiedlich wurde die Frage beurteilt, ob für Umweltfreundlichkeit als zusätzliche Qualitätsdimension auch ein höherer Preis gezahlt werden könne. Während ein Teil der Befragten grundsätzlich nur das billigste Angebot auszuwählen bereit war, zogen andere stärker die Qualitätsbetrachtung mit ein. Hierbei wurde gefordert, daß die Umweltfreundlichkeit eines Produktes konkret belegbar sein müsse.

Insgesamt erscheint eine Intensivierung der Bemühungen um eine verstärkte Umwelt-orientierung der öffentlichen Vergabepolitik wichtig. Dabei sollte zum einen berücksichtigt werden, daß die Finanzlage der öffentlichen Hand es nicht sinnvoll erscheinen läßt, ein Nachfrageinstrumentarium, wie es der Eigenbedarf der öffentlichen Hand darstellt, nicht auch für die Realisierung spezifischer fachpolitischer Ziele zu nutzen, sofern dies unter vertretbarem Aufwand möglich ist. Diese Voraussetzungen sind für die Beschaffung umwelt-freundlicherer Produkte und Verfahren erfüllt. Hierbei ist weiterhin zu bedenken, daß der öffentlichen Hand auch als Nachfrager eine besondere Sorgfaltspflicht für die sozialen Folgen ihres Handelns zukommt, welche von den an individueller Nutzenmaximierung orientierten Produzenten und Konsumenten nicht von vornherein erwartet werden kann. Diese Prinzipien sind für die Bundesebene und in einzelnen Bundesländern durch die Grundsätze von Umweltverträglichkeitsprüfungen für Maßnahmen der öffentlichen Hand niedergelegt, welche auch Beschaffungsmaßnahmen einbeziehen. Schließlich bietet sich eine stärkere Umweltorientierung der öffentlichen Hand im Vergabewesen auch deshalb an, weil hier den Bürgern gegenüber mit allenfalls geringem Mehraufwand in Teilbereichen sichtbar gemacht werden kann, daß sich öffentliche Instanzen umweltbewußt zu verhalten bemühen. Bei der Umsetzung einer umweltorientierten Vergabepolitik sind zur Zeit eine Reihe von Hilfestellungen nötig. Wurde bisher global von „der öffentlichen Hand" gesprochen, so ist zu berücksichtigen, daß sich ihr Nachfragevo-lumen auf eine Vielzahl selbständiger GeB bietskörperschaften von Bund, Ländern und Gemeinden verteilt und daß zudem innerhalb der Körperschaftsverwaltungen Untereinheiten organisatorisch ausdifferenziert sind. Die organisatorische Vielfalt erschwert Information und Motivation zu umweltfreundlichen Beschaffungsaktivitäten. Als Ausgleich bieten sich zum einen verschiedene verwaltungsinterne Informationsaktivitäten, wie etwa der Hinweis auf verfügbare umweltfreundlichere Produkte und Verfahren durch Informationsschriften und Erlasse, Weiterbildungsveranstaltungen oder der Informationsaustausch zwischen Vergabestellen, an.

Weiterhin sollten jedoch einige organisatorische Absicherungen getroffen werden, um die Motivation von Beschaffern zu stärken. Es empfiehlt sich, durch ein formalisiertes Verfahren im Vergabeprozeß die Umweltrelevanz des nachgefragten Gutes sowie die Möglichkeit einer Einbeziehung von umweltfreundlicheren Produkten in die Ausschreibung zu überprüfen. Auch sollten die bei vielen Behörden bereits vorhandenen Umweltbeauftragten in Kooperation mit den Beschaffungsstellen auf umweltfreundlichere Produkte und Verfahren hinweisen.

Neben verwaltungsinternen sind auch politische Initiativen wichtig. Da etwa die Hälfte des für die Beschaffung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren vorhandenen Nachfragepotentials auf den kommunalen Bereich entfällt, sollten kommunalpolitische Vertreter die Verwaltung bei Vergabeentscheidungen unterstützen, die aus Umweltschutzgesichtspunkten Mehrkosten erfordern. Durch Rats-initiativen könnte regelmäßig nach dem Umfang der Beschaffung umweltfreundlicherer Produkte gefragt werden. Im Rahmen der Erstellung kommunaler Umweltschutzkonzepte und -programme ließen sich die Möglichkeiten umweltfreundlicher Beschaffungsmaßnahmen systematisch prüfen. Auch die Geschäftspolitik der kommunalen Eigenbetriebe, wie etwa Stadtreinigungsbetriebe, Verkehrsbetriebe und Energieversorgungsunternehmen, ließe sich im Sinne umweltfreundlicheren Verhaltens beeinflussen.

Auf Bundesebene kommt in erster Linie das Nachfragepotential der „Großbeschaffer“ Bundespost, Bundesbahn, Bundeswehr und Bundesgrenzschutz für umweltorientierte Vergabepolitik in Frage. Unter politischen Gesichtspunkten wäre zudem zu prüfen, ob die Grundsätze für die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Verdingungsordnungen für Leistungen (VOL) und für Bauleistungen (VOB) jeweils um explizite Hinweise auf die Beschaffung umweltfreundlicherer Produkte und Verfahren ergänzt werden sollten.

V. Fördermöglichkeiten des privaten Sektors

Nachfrage der öffentlichen Hand kann zwar eine Reihe von Anstößen für die Entwicklung und die Verbesserung der Absatzbedingungen umweltfreundlicherer Produkte liefern, für die endgültige Durchsetzung am Markt ist jedoch entscheidend, daß der private Konsument den gegebenen Anstoß aufnimmt. Bei den meisten Produktgruppen bildet erst eine hinreichend große private Nachfrage die Voraussetzungen dafür, daß über die Fertigung umfangreicherer Serien Preissenkungen möglich werden und daß konkurrierende Anbieter sich um weiterreichende technische Verbesserungen bemühen.

Eine stärkere Umweltorientierung des Verbraucherverhaltens trifft auf ähnliche Infor-mations-und Motivationsprobleme wie im öffentlichen Vergabewesen. Rund ein Viertel der Verbraucher nimmt an, daß durch das Nachfrageverhalten ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden könne Geht man davon aus, daß zwischen der abstrakten Bereitschaft, etwas für den Umweltschutz zu tun, und der Motivation zu persönlichen Mehraufwendungen für den Umweltschutz eine Differenz besteht, so ist damit zu rechnen, daß zumindest rund 10% der Verbraucher bereit wären, für umweltfreundlichere Produkte auch einen höheren Preis als für herkömmliche Produkte zu zahlen. Dieses Nachfragepotential dürfte sich ausweiten, wenn Konsumenten mehr als bisher über umweltfreundlichere Produkte informiert werden.

Ein Ansatz hierfür ist die Verleihung des Umweltzeichens für bestimmte umweltfreundliche Produkte. Das Vergabeverfahren bildet zugleich ein interessantes Muster für die Ausgestaltung des „Kooperationsprinzips'1 zwischen öffentlichen Instanzen, Wirtschaft und Umweltschutzinteressen: Vorschläge für das Umweltzeichen werden beim Umweltbundesamt eingereicht und vorgeprüft. Eine mit Ver-tretem gesellschaftlicher Gruppen besetzte Jury „Umweltzeichen“ entscheidet über die Einleitung von Vergabeverfahren, die vom RAL, Ausschuß für Lieferbedingungen und Gütesicherung, einer Selbstverwaltungsorganisation der Wirtschaft, in Form von Anhörungen von Hersteller-, Verbraucher-und Umweltschutzvertretern durchgeführt werden. Die Entscheidung über das Anhörungsergebnis in Form von bestimmten Mindestqualitätsanforderungen für die mit dem Umweltzeichen zu kennzeichnenden Produkte trifft wiederum die Jury „Umweltzeichen". Dieser ausbalancierte Konsensbildungsprozeß beginnt sich allmählich zu bewähren, nachdem in der Anfangsphase verschiedene Wirtschaftsverbände ihren Mitgliedern empfohlen hatten, sich nicht um ein Umweltzeichen zu bemühen. Heute stellt eher die begrenzte Kapazität für die Durchführung von Anhörungsverfahren den Engpaß dar. Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad kann das Zeichen für den Verbraucher ein einfaches Unterscheidungsmerkmal für umweltfreundlichere Produkte bilden.

Dem Umweltzeichenverfahren ähnliche Produktprüfungsabläufe ließen sich auch bei den Produkttests von Verbraucherorganisationen, insbesondere bei der Stiftung Warentest, installieren Bisher wird die Umweltrelevanz eines Produktes jedoch erst fallweise und partiell in Produkttests eingebracht, etwa wenn der Energieverbrauch von Produkten geprüft wird. In der Mehrzahl der Prüfungen orientiert sich die Stiftung bisher noch allein am Muster des individuell nutzenmaximierenden Konsumenten, für den externe Effekte des Konsums bei der Kaufentscheidung keine Rolle spielen.

Private und öffentliche Nachfrage können zwar ein Potential für den Absatz umwelt-freundlicherer Produkte und Verfahren aufbauen, wichtig ist jedoch, daß Hersteller hierauf reagieren. Eine Förderung durch die Anbieterseite besteht zunächst in der stärkeren Einbeziehung von Umweltaspekten in die Produktentwicklungsplanung. Da Umweltschutz bisher ein allenfalls nachrangiges Planungskriterium darstellte, dürften sich bei diesem Qualitätsmerkmal noch erhebliche technische Verbesserungen erzielen lassen. Die Ausschöpfung des Innovationspotentials bei umweltfreundlicheren Produkten und Verfahren müßte aus mehreren Gründen im Interesse der Anbieterseite liegen. Bei den auf vielen Märkten zu beobachtenden Sättigungstendenzen der Inlandsnachfrage ist ohnehin eine Neuorientierung der Produktentwicklung erforderlich. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird verbessert. Schließlich sollte sich die Umweltorientierung von Herstellern nicht allein in Werbekampagnen mit Umweltschutz zur Imagepflege niederschlagen

Zusätzliche Hilfen sind bei kleineren und mittleren Unternehmen sinnvoll. Diese dürften — wie das Beispiel der Entwicklung von Energieeinsparungstechniken zeigt — über beachtliche Innovationsmöglichkeiten für umweltfreundlichere Produkte und Verfahren verfügen. Zugleich sind bei kleineren und mittleren Unternehmen die Markteinführungsprobleme am größten, da Werbemittel begrenzter sind und Anlaufphasen der Markteinführung finanziell nicht lange durchgehalten werden können. Hilfestellungen könnten von den Unternehmen selbst und ihren Verbänden sowie ergänzend durch staatliche Aktivitäten gegeben werden. Die Kosten von Marktbeobachtungs-und Werbemaßnahmen ließen sich beispielsweise durch Bildung einer Marketing-Organisation anteilig verringern, die für ihre Mitgliedsfirmen die Informationsarbeit bei umweltfreundlicheren Produkten übernimmt und später an den Absatzerlösen erfolgreich eingeführter Produkte beteiligt wird.

Parallel hierzu könnten die bislang auf Entsorgungstechnologien spezialisierten Messen, wie ENVITEC oder ENTSORGA, auch einen Überblick über umweltfreundlichere Produkte und Verfahren liefern. Ein Risikofonds der beteiligten Unternehmen, Verbände und Finanzierungsinstitutionen wäre imstande, die Anwendungsrisiken abzudecken, die gerade bei neuen Produkten größer sind und viele Interessenten deshalb von einer frühzeitigen Beschaffung abhalten. Schließlich lassen sich die Absatz-und Entwicklungschancen umwelt-freundlicherer Produkte und Verfahren auch dadurch verbessern, daß Umweltaspekte verstärkt in technische Normungsverfahren einbezogen und die Normungsprozesse beschleunigt werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Hans-Joachim Fietkau, Umweltbewußtsein und Wahlverhalten, in: Zeitschrift für Umweltpolitik, Nr. 1, 1979, S. 93ff.

  2. Siehe hierzu etwa Jürgen Feick, Jochen Hucke, Umweltpolitik, in: Peter Grottian (Hrsg.), Folgen reduzierten Wachstums für Politikfelder, in: PVS-Sonderheft 11/1980, S. 168ff.

  3. Siehe zuletzt Rolf Ulrich Sprenger, Beschäftigungseffekte der Umweltpolitik, Berlin/München

  4. Vgl. Arieh A. Ullmann, Klaus Zimmermann, Strukturelle Aspekte des Umweltschutzes: Die Umweltschutzindustrie, Paper 80— 13 des Internationalen Instituts für Umwelt und Gesellschaft, Wissenschaftszentrum Berlin.

  5. Zum Begriff siehe u. a. Jürgen Feick, Zur Kritik regulativer Politik in den Vereinigten Staaten, in: PVS, Nr. 1, 1980, S. 43ff.

  6. Grundlage für den Beitrag ist die vom Verfasser zusammen mit Werner Döbritz, Jürgen Feick, Harald Neitzel und Klaus Schäfer am Institut für Stadt-forschung Berlin im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführte Untersuchung: Umweltschutz in der öffentlichen Vergabepolitik, Texte 3/81 des Umweltbundesamtes, Berlin.

  7. Es ist kein Zufall, daß epidemiologische Erkenntnisse über Umweltschadstoffwirkungen zumeist auf Untersuchungen bei Industriearbeitern zurückgehen.

  8. Zur Kritik siehe etwa Martin Jänicke, Wie das Industriesystem von seinen Mißständen profitiert, Opladen 1979.

  9. Siehe hierzu Renate Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, Wiesbaden 1978.

  10. Vgl. etwa Volker Hauff, Weg mit der Wegwerfgesellschaft, in: Die Zeit vom 17. 10. 1980.

  11. Vgl. Karl William Kapp, Staatliche Förderung imweltfreundlicher" Technologien, Göttingen

  12. Zur Kontroverse um Umwelteigenschaften von Recycling-Papier siehe im einzelnen Der Spiegel, Nr. 16/1980, S. 69ff., Spur ins Graue, sowie Umwelt, Nr. 77/1980, S. 19ff., Bundesinnenministerium wendet sich gegen Angriffe auf das Umweltschutzpapier.

  13. Vgl. u. a. Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Kartonverpackungen sowie Umwelt Nr. 83/1981.

  14. Als Überblick siehe Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 1978, Stuttgart/Mainz 1978.

  15. So verweisen beispielsweise Egmont R. Koch und Fritz Vahrenholt, Seveso ist überall, Frankfurt a. M. 1980, S. 300, auf Vermutungen von Wissenschaftlern, daß Benzinblei zeitweilig durch Benzolhaltige Stoffe ersetzt worden sei.

  16. Siehe auch die Zusammenstellung in: Umweltbundesamt, Jahresbericht 1980, Berlin 1981, S. 30ff.

  17. Vgl. Umweltbundesamt, Umweltbelastung durch Asbest, Berichte 7/1980, Berlin.

  18. Vgl. Koch/Vahrenholt, a. a. O., S. 138ff.

  19. Siehe z. B. Bundestagsdrucksache 8/4341, Befiehl über den Stand der Arbeit und die Ergebnisse der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik“.

  20. Der Hersteller richtete seine Marketing-Kampagne ursprünglich gezielt auf diesen „Qualitätsmangel” aus. Es wurden primär öffentliche Verwaltungen als potentielle Nachfrager grafischen Recycling-Papiers angesprochen, da man annahm, daß die öffentliche Verwaltung keine Imagepflege durch weißes Papier für ihre Schreiben benötige und daß das Argument der Einsparung von Steuer-geldern für die Papierbeschaffung wirken werde. Zwischenzeitlich wird Recycling-Papier zunehmend auch von einigen großen Privatunternehmen nachgefragt, wobei nicht zuletzt der Imagegesichtspunkt, durch das Papier Umweltbewußtsein zu demonstrieren, eine Rolle spielt. An der geänderten Einstellung zur grauen Papierfarbe läßt sich somit auch ein gewisser Wandel von Beurteilungen ablesen.

  21. So ist etwa das Normungsverfahren für elektrisch betriebene Wärmepumpen wesentlich weiter fortgeschritten als für Gaswärmepumpen.

  22. Kennzeichnend für die Schwierigkeit technischer Detailregelungen ist, daß Ermächtigungen zu umweltspezifischen Qualitätsanforderungen an Produkte und Verfahren, wie sie u. a. etwa § 9 32— 35 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (15. 3. 1974, BGBl. I S. 721; her. S. 1193) einräumen, bisher kaum genutzt wurden.

  23. Siehe z. B. die Vereinbarung zwischen staatlichen Instanzen und Wirtschaftsverbänden über Einwegverpackungen.

  24. Rechtsgrundlagen sind die 8. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (1976, BGBl. I S. 2024) und die Verordnung über die zeitliche Einschränkung des Flugbetriebs mit Leichtflugzeugen und Motorseglern an Landeplätzen (1976, BGBl. I S. 2216).

  25. Durch Neufassung von § 45 der Straßenverkehrsordnung besteht die Rechtsgrundlage für zeitliche und räumliche Beschränkungen des Kraftfahrzeugverkehrs sowie für Ausnahmen zugunsten umweltfreundlicherer Fahrzeuge von diesen Regelungen.

  26. Vgl. Fietkau, a. a. O., S. 102.

  27. Vgl. RAL, Richtlinien Umweltzeichen, 1979.

  28. Daß bei Konsumenten, speziell bei Frauen, eine verstärkte Umweltorientierung festzustellen ist, belegt eine Umfrage der Zeitschrift Brigitte, Heft 19/81, S. 94ff., Umweltschutz — Die Frauen sind vernünftiger.

  29. Auf die Notwendigkeit umweltfreundlicherer Produktgestaltung verweist z. B.der Beitrag, Umweltcheck: Damit Ihr Produkt durchkommt, in der Zeitschrift Absatzwirtschaft, 8/81, S. 24ff.

Weitere Inhalte

Jochen Hucke, Diplom-Volkswirt, Dr. rer. pol., geb. 1950; Studium der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften in Köln; 1975— 1980 wissenschaftlicher Angestellter an der Universität Köln; seit 1980 Mitarbeiter am Institut für Stadtforschung Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (mit R. Mayntz u. a.) Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, Wiesbaden 1978; (mit A. Müller und P. Wassen) Implementation kommunaler Umweltpolitik, Frankfurt/New York 1980; Politische Handlungsspielräume, Bad Honnef 1980.