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Sinti und Roma in Deutschland. Geschichte einer verfolgten Minderheit | APuZ 43/1982 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 43/1982 Zur Entstehungsgeschichte der „Endlösung" Vergangenheitsbewältigung mit Mitteln der Justiz Sinti und Roma in Deutschland. Geschichte einer verfolgten Minderheit

Sinti und Roma in Deutschland. Geschichte einer verfolgten Minderheit

Tilman Zülch

/ 44 Minuten zu lesen

Vorbemerkung

Von ihrem Schicksal her sind Zigeuner und Juden Geschwister: Es sind die beiden Völker, die in Europa durch die Jahrhunderte ohne Land lebten, verstreut, wegen ihres Anders-seins diskriminiert, immer wieder vertrieben und auf der Suche nach neuen lokalen und wirtschaftlichen Existenznischen.

In der modernen Gesellschaft mit ihrer Rechtsgleichheit, die nur denen gewährt wurde, die bereit waren, sich gleichzumachen, stellte sich für viele das Problem einer Integration, die Anpassung voraussetzt, Preisgabe der eigenen Identität und Tradition. Beiden Völkern wurde dieses Problem von den Nazis, die das Anderssein als rassisch bedingt festschrieben, . abgenommen'durch die Endlösung der physischen Vernichtung

Bis 1979 — 34 Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches — blieb die Vernichtung von mehreren Hunderttausend Sinti und Roma während des Nationalsozialismus und somit der zweite große nationalsozialistische Rassenmord, begangen an den deutschen und europäischen Zigeunern, ein politisches Tabu. Diese Tabuisierung begünstigte sowohl die nach 1945 in Deutschland vielfach fortgesetzte Diskriminierung und Verfolgung dieser Volksgruppe als auch das weitgehende Ausbleiben einer materiellen Wiedergutmachung für ihre überlebenden NS-Opfer.

Der deutsch-jüdische Philosoph Ernst Tugend-hat hatte die Frage gestellt, warum sich in Deutschland die Vergangenheitsbewältigung so weitgehend auf das jüdische Schicksal im Dritten Reich konzentriert und warum man so leichthin über das Schicksal der Zigeuner hin-weggesehen habe. Denn die rassentheoretischen Absichtserklärungen nationalsozialistischer Rasseforscher waren ebensowenig zu übersehen wie ihre 500 000 Opfer. So schrieb der heute in Stuttgart ansässige NS-Anthropologe Adolph Würth 1938: „Die Zigeunerfrage ist heute in erster Linie eine Rassenfrage. So wie der nationalsozialistische Staat die Judenfrage gelöst hat, so wird er auch die Zigeuner-frage grundsätzlich regeln müssen. Der Anfang ist schon gemacht. In den Durchführungsverordnungen zu den Nürnberger Gesetzen zum Schutze des deutschen Blutes werden die Zigeuner den Juden hinsichtlich des Eheverbotes gleichgestellt. Sie gelten also weder als deutschblütig, noch sind sie deutschem Blute artverwandt."

Obschon seit 1945 in Deutschland Hunderte von Arbeiten über das Dritte Reich und seine Verbrechen verfaßt wurden, blieb der Genocid, begangen an den Sinti und Roma, bis heute ein blinder Fleck für die Forschung. Hier hat die deutsche Geschichts-und Sozialwissenschaft offenkundig versagt. Tugendhat hat zu Recht dieses jahrzehntelange Nicht-zur-Kenntnis-nehmen-Wollenvon Seiten der Wissenschaft, der Medien und der Politik darauf zurückgeführt, „daß die Bundesrepublik zwar im Hinblick auf die Juden, aber nicht im Hinblick auf die Zigeuner unter internationalem Druck stand und steht" Den deutschen Sinti und Roma fehlte die nationale wie die internationale Lobby — in Großfamilien organisiert, mit weitgehend schriftloser Kultur, vermoch-ten sie erst in den späten siebziger Jahren, als unter ihnen eine Bürgerrechtsbewegung entstand, ihre Interessen öffentlichkeitswirksam anzumelden und den Tatbestand des nationalsozialistischen Völkermordes in das öffentli. ehe Bewußtsein zu bringen.

Sechs Jahrhunderte in Deutschland

Die ersten Zigeuner sind um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert in das deutsche Sprachgebiet eingewandert. Nach verschiedenen historischen Quellen tauchten sie 1399 zum ersten Mal in Böhmen auf, schon 1407 sollen sie der Stadtschreiberei zu Hildesheim ihre Papiere vorgewiesen haben, 1414 wanderten sie nach Hessen ein, 1416 nach Meißen, 1417 nach Zürich, Magdeburg und Lübeck, 1418 ist ihre Ankunft in Sachsen und im Elsaß verbürgt. Die Herkunft der Zigeuner aus Indien ist heute ebensowenig umstritten wie die der Juden aus dem Nahen Osten, obwohl zunächst jahrhundertelang über ihr Herkommen gerätselt wurde und sie lange Zeit als Ägypter galten, die wegen ihres christlichen Glaubens vertrieben worden seien. Linguisten und Historiker gehen heute davon aus, daß die Zigeuner um die erste Jahrtausendwende, möglicherweise aber auch schon in der Zeit nach dem 5. Jahrhundert, ihre nordwestindische Heimat in verschiedenen Migrationswellen verlassen haben.

Wie das jüdische Volk leben auch die Zigeuner heute über die ganze Welt verstreut. Ihre Sprache Romanes, die bereits auf dem Wege nach Europa zahlreiche griechische und armenische Lehnwörter in sich aufgenommen hat und die in verschiedensten Dialekten gesprochen wird, ist mit dem Sanskrit verwandt. Das Romanes hat in den Sprachgebieten, in denen seine Sprecher ansässig geworden sind, jeweils zahlreiche Wörter und Begriffe der Landessprachen aufgenommen. Die vor fast sechs Jahrhunderten in Deutschland und Österreich und die angrenzenden Regionen (Norditalien, Slowenien, Böhmen, Elsaß, Lothringen) eingewanderten Zigeuner bezeichnen sich selbst als Sinti. Es gibt Theorien, die diese Bezeichnung auf das heute in Pakistan gelegene Land Sindh zurückführen, so daß sich z. B. ein bekannter deutscher Sinti-Verband, die Freiburger „Sindhi-Union", heute an dieser Schreibweise orientiert. Erst im vergangenen Jahrhundert und dann wieder in den Jahren der Weimarer Republik und seit 1945 sind Zigeuner aus Ost-und Südeuropa, die sich wie eine große Mehrheit der europäischen Zigeuner Roma nennen, nach Deutschland eingewandert oder geflüchtet. Die internationale Bürgerrechtsbewegung der Zigeuner benutzt heute den Begriff Roma (Romanes, für Mensch, Mann) für alle Zigeuner überhaupt, während sich in der Bundesrepublik seit 1979 weitgehend die Bezeichnung „Sinti und Roma" durchgesetzt hat.

Während überwiegende Teile der Roma-Bevölkerung des europäischen Südostens, wo etwa drei Viertel der europäischen Zigeuner leben, seit Jahrhunderten fest ansässig waren, haben die mitteleuropäischen Sinti überwiegend als Fahrende — in der Regel auf jeweils eine Region beschränkt — gelebt. Größere Gruppen von ihnen siedelten sich erst aufgrund der seit Gründung des Bismarckreiches ständig zunehmenden Behinderung und Verfolgung der fahrenden Lebensweise durch den „modernen“ Staat in festen Wohnquartieren der Städte an.

Die ersten achtzig Jahre des Aufenthalts der Sinti in Deutschland gelten als ihr „goldenes Zeitalter“. Mit Schutzbriefen u. a.des deutsch-römischen Kaisers Siegesmund zogen sie meist unbehelligt durch deutsche Länder; ihre Exotik erregte Bewunderung und Erstaunen. An vielen Orten genossen sie die Gastfreundschaft der ansässigen Bevölkerung.

Den Auftakt zur Verfolgung der Sinti in Deutschland soll Brandenburgs Kurfürst Achilles, der 1482 den Aufenthalt von Sinti in seinem Land verbot, gegeben haben. Mit den Reichstagen von Lindau und Freiburg (1496, 1497 und 1498) folgte auch das Deutsche Reich diesem Beispiel, hob den Schutzbrief Siegesmunds auf und erklärte alle Sinti für vogelfrei. Jedermann konnte sie jagen, auspeitschen, einsperren oder töten. Kaiser Ferdinand (1556— 1564) . milderte'die Zigeunergesetze insofern, als jetzt wenigstens Frauen und Kinder nicht mehr sofort hingerichtet werden sollten. Dank der deutschen Kleinstaaterei kam es nicht überall zu einer konsequenten Anwendung dieser Reichsgesetze; Sinti konnten in Deutschland überleben, indem sie in einen anderen Teilstaat auswichen. Jedoch organisierten viele der deutschen Staaten individuell ihren Kampf gegen das sogenannte „Zigeunergesindel". Allein für die Zeit zwischen 1497 und 1774 wurden 146 Zigeuneredikte nachgewiesen. Erst die Wirren des Dreißigjährigen Krieges lenkten von der Zigeunerverfolgung ab.

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Verfolgung wieder unvermindert fortgesetzt. Sinti sollten gestäupt, gebrandmarkt, aus dem Lande verwiesen oder mit dem Todebestraft werden. Friedrich Wilhelm I. von Preußen z. B. ordnete 1725 an, sie ohne Gerichtsverfahren zu hängen; allein die braune Hautfarbe sollte als Beweis genügen. Die Kreisversammlung des Oberrheinischen Reichskreises verfügte 1709 das Deportieren oder Hängen jedes festgenommenen Sinto, und die Stadt Frankfurt/Main erlaubte in einem Erlaß die Wegnahme von Sinti-Kindern.

Der Kette dieses unverschuldeten, über Jahrhunderte reichenden Bedrängens der Sinti Mitteleuropas entspricht die Judenverfolgung jener Zeit. Antijüdische Ausnahmegesetze des Mittelalters hielten sich bis in das 18. oder 19. Jahrhundert. Wolfgang Scheffler hat diesen historischen Antisemitismus u. a. folgendermaßen erklärt: „In Notzeiten suchte die für mystische Deutungen besonders aufnahmebereite Welt des Mittelalters nach Erklärungen für die Ursachen herrschender Mißstände. Seuchen (Pest), Hungersnöte, Feuersbrünste, geheimnisvolle Morde, unheilbare Krankheiten usw. wurden den Fremden, den als Nicht-christen verdächtigten Personen zur Last gelegt... So wurde der mittelalterliche Jude zum Schuldigen abgestempelt und grausam verfolgt." Derart übertrug man auch die Ängste der jeweiligen Epoche als Vorurteile auf die fremdartige Sintibevölkerung, die eine dunkle Hautfarbe besaß und eine unverständliche Sprache gebrauchte. Die Sinti hätten Pest und Cholera übertragen, wären für die Rattenplage verantwortlich, wären jüdisch versippt, raubten Kinder und übten Kannibalismus. Sie besäßen eine freizügige oder verwahrloste Moral und spionierten als Landes-feindefür Türken oder Tataren. Polizeiliche und kirchliche Machtträger warfen Juden und Sinti seit dem Mittelalter dieselben Delikte vor: Abkehr vom Christentum, Hexerei, Betrug und Diebstahl zählten zu ihren angeblichen Verbrechen.

Wenigstens im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde die physische Existenz der Sinti als „Parias" geduldet. Während ihres jeweils kurzfristigen Erscheinens in Dörfern und Städten verdienten sie sich ihren Lebensunterhalt z. B. als Löffelschnitzer, Scherenschleifer, Kesselflicker, Pantoffelmacher, Korbflechter und Musikanten. In verschiedenen deutschen Staaten wurden Ansiedlungsversuche unternommen, deren Scheitern aber meist mit der Inhumanität des jeweiligen Ansatzes bereits vorprogrammiert war. In Württemberg wurden Großfamilien gewaltsam aufgelöst und in Einzelfamilien über das ganze Land verteilt.

Als die voneinander getrennten Familien zusammenziehen wollten, wurden sie in der Regel von den Amtspflegern zum Weiterziehen gezwungen. Die Maßnahmen Maria Theresias und Josephs II. betrafen in Österreich-Ungarn mit dem deutschsprachigen Westungarn (seit 1918 Burgenland) nur den Rand des deutschen Sprachgebiets. Die dort ansässigen Roma wurden mit drakonischen Mitteln z. T. „erfolgreich" zur Seßhaftigkeit gezwungen, darunter dem Verbot des Romanes, dem Zwang zur Mischehe mit Nichtroma und der Wegnahme von Kindern.

Erst die Gründung des Deutschen Reiches 1871 erlaubte die langfristige Koordinierung der antizigeunerischen Repressionen, die erstaunlicherweise noch in der Weimarer Republik perfektioniert wurden und somit dem NS-Staat eine Plattform für die dem Völkermord vorangehende Erfassung der deutschen Sinti und Roma schufen. Bereits im Jahre 1871 wies das Großherzogliche Innenministerium Hessens mit Berufung auf das Berliner Reichskanzleramt die Kreisämter an, eingewanderten Roma die Ausstellung von Gewerbescheinen zu versagen und bei heimatberechtigten Sinti mit größter Vorsicht vorzugehen. Im benachbarten Österreich wird 1885 bei der „Verurteilung wegen Vagabundage" die Anhaltung zur Zwangsarbeit erlaubt. 1896 ordnete das Deutsche Reichskanzleramt an, keine Wan29 dergewerbescheine an Sinti und Roma mehr auszugeben; in der preußischen „Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens''vom 12. Februar 1902 wird diese Maßnahme wiederum vornehmlich auf die Roma-Einwanderer beschränkt; 1886 hatte man bereits den Zwangstransport für „Zigeuner ohne deutsche Staatsangehörigkeit" zur Staatsgrenze eingeführt. Das am 1. Januar 1900 angenommene Reichsgesetz zur „Zwangserziehung Minderjähriger" fand vor allem auch für Kinder von Sinti-und Roma-Familien Anwendung. Als Vorstufe moderner Datenbanken wurden 1899 in deutschen Ländern Zigeuner-Nachrichtendienste eingerichtet, deren perfektester im Königreich Bayern bereits 1904 schon 3 350 Akten über Familien und Einzelpersonen enthielt. Im Auftrag des Bayrischen Innenministeriums gab der Kriminalrat Alfred Dillmann 1905 Richtlinien zur sogenannten „Beseitigung der Zigeunerplage" heraus als Zusammenfassung aller entsprechenden Verordnungen von 1816 bis 1903. Sein Münchner „Nachrichtendienst im Bezug auf die Zigeuner" avancierte zum Zentrum der deutschen „Zigeunerbekämpfung", verschärfte die Kriminalisierung dieser Volksgruppe und wurde zum Vorläufer der späteren Zigeunerpolizeistelle München (Weimarer Republik) und der sie ablösenden „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeu. nerunwesens" in Himmlers Reichssicherheitshauptamt in Berlin (seit 1938).

In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ließ sich daher eine wachsende Anzahl von Sinti-und Romafamilien auf der Flucht vor Repressionen und wegen der sich verschlechternden Arbeitsbedingungen in Handel und Kleingewerbe in deutschen Groß. Städten nieder.

Im April 1926 kam die „Ländervereinbarung zur gemeinsamen und gleichzeitigen Bekämpfung der Zigeuner im Deutschen Reich” zustande; am 16. Juli 1926 wurde in München das „Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Land-fahrern und Arbeitsscheuen" erlassen, und im November 1927 wurde vom preußischen Innenministerium die Daktyloskopierung (Entnahme der Fingerabdrücke) aller Sinti und Roma verordnet. Somit erließ bereits die erste deutsche Republik Ausnahmeverordnungen gegen eine ethnische Gruppe, Maßnahmen, die mit der Weimarer Verfassung nicht zu vereinbaren waren.

Die Anfänge nationalsozialistischer Zigeunerpolitik

Deutsche „Zigeunerspezialisten" der Jahrzehnte vor der nationalsozialistischen Machtergreifung wie der Kriminalist Dillmann oder der „Tziganologe" Obermayer der das Wandergewerbe der Sinti lediglich als angeblichen „Deckmantel für ihr asoziales Treiben" bezeichnete, bereiteten den NS-Rassetheoretikern den Weg, indem sie Sinti und Roma insgesamt als „rassische" Volksgruppe zu „Asozialen" oder „Schwerkriminellen" erklärten. Zwar traten Zigeuner als potentielle Widersacher im Streit um die „Reinheit der arischen Rasse“ in den rassebiologischen Werken zunächst nur beiläufig in Erscheinung, aber stets wurden sie als die „Geschwüre am makellosen deutschen Volkskörper" betrachtet Auch ihre alternative, meist noch fahrende „unbürgerliche" Lebensweise mußte den totalitären NS-Staat, der zunächst seine Hauptaufmerksamkeit auf die jüdische Volksgruppe richtete, herausfordern.

Mitte der dreißiger Jahre begannen NS-Wissenschaftler der verschiedensten Fachrichtungen, sich mit den Zigeunern zu befassen. Bei der Analyse dieses rassenbiologischen und rassensoziologischen Schrifttums der Jahre 1933— 1938 fällt auf, wie sehr sich das . Wissenschaftliche Ansehen'der Zigeuner immer mehr verschlechterte Immer wieder wurde vor der „Rassenmischung" als „Verbindung mit den Minderwertigen eines Wirtsvolkes" (K. Rüdiger) gewarnt und dazu aufgefordert, diese „Vermischung zweier weit auseinander-stehender Rassen" schnellstens Wissenschaft-lieh zu untersuchen (Paulsen) Andere NS-Wissenschaftler wiesen bereits Mitte der dreißiger Jahre auf die parallele Situation von Sinti und Roma mit der der Juden hin: „Der Jude und der Zigeuner sind heute weit von uns entfernt, weil ihre asiatischen Vorfahren völlig andersartig als unsere nordischen Ahnen waren" und warum der NS-Staat sich Sinti und Roma erst verhältnismäßig spät zu-wandte: „Daß sie nicht wie die Juden eine so starke rassische Gefahr bilden, ist ihrer kleinen Zahl von ungefähr 20 000 zu verdanken, ihrer geistigen Minderwertigkeit und ihrer asozialen Lebensweise, durch die sie nicht, wie die Juden, in die führende Schicht unseres Volkes eindringen konnten." Doch nach Krämer waren die „Zigeuner" gleich den Juden politisch gefährlich, denn: „Mit dem Instinkt des Untermenschen erkannten sie auch die Schwächen des vergangenen Staates und bekannten sich zum Kommunismus.“

Bereits erste Erlasse und Gesetze des NS-Staates trafen die fahrende Bevölkerung des Reiches. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" (1933) richtete sich vor allem gegen die Jenischen und ermöglichte die Zwangssterilisation von Angehörigen dieser Volksgruppe. Auch die „Maßregeln der Sicherung und Besserung" (1933) trafen die Jenisehen -Das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher" (24.11.1933) sah bei Rückfällen (z. B. Verurteilung wegen des gleichen Delikts) die Einweisung ins KZ vor und betraf viele Sinti und Roma, die im totalitären Staat zunehmend kriminalisiert wurden (z. B. Verstoß gegen Meldegesetze). Das „Gesetz über Reichsverweisungen" (1934) ermöglichte die Ausweisung von Sinti und Roma, die ihre Staatsbürgerschaft nicht nachweisen konnten. Bereits 1935, auf der Tagung der internationalen kriminalpolizeilichen Kommission in Kopenhagen, deutete der deutsche Vertreter an, „unverbesserliche Zigeuner" unter das Sterilisationsgesetz fallen zu lassen. 1936 wurde wahrscheinlich auf NS-deutschen Druck hin im klerikal-faschistischen Wien die „Internationale Zentralstelle zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" eingerichtet. Bereits seit 1933 fanden erste Einweisungen in Sammellager statt, und bereits 1936 wurden in Bayern 400 Sinti und Roma ins KZ Dachau deportiert. Ebenfalls 1936 wurde in Preußen die Zigeuner-verordnung erlassen, die eine Reihe neuer Diskriminierungsmaßnahmen enthielt.

In den Nürnberger Gesetzen von 1935 (das „Reichsbürgergesetz", das zwischen „Staatsangehörigen" und „Reichsbürgern" unterschied, und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, das Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden verbot) wurden Zigeuner im Unterschied zu Juden noch nicht ausdrücklich benannt. Allerdings sollten Stuckart und Globke (1936: „in Europa sind regelmäßig nur Juden und Zigeuner artfremden Blutes" sowie Brandis-Massfeller (1936: „in Europa kommen... als Angehörige fremdartiger Völker — abgesehen von den Juden — eigentlich nur die Zigeuner in Betracht") dieses Versäumnis schon ein Jahr später nachholen, und Schäffer fordert 1937 in seinem Kommentar zum „Blutschutzgesetz“ dazu auf, nicht nur das „Eindringen von Juden-blut" sondern auch von „Neger-, Zigeuner-oder Bastardblut zu verhüten" Die Reichs-bürgerschaft wurde Zigeunern wie Juden abgesprochen; seit 1943 verloren sie auch die Staatsbürgerschaft, die sie als „Artfremde" bis dahin hatten behalten dürfen.

Die „Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle"

Unter den NS-Zigeunerforschern sollte die entscheidende Rolle, nämlich die „wissenschaftliche" Rechtfertigung und Vorbereitung des Völkermordes, dem Tübinger Nervenarzt Dr. phil. Dr. med. habil. Robert Ritter zufallen, unter dessen Leitung 1936 vom Reichsministerium des Innern zunächst die „Erbwissenschaftliche Forschungsstelle" gegründet wurde, die sich ab 1937 „Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle" beim Reichsgesundheitsamt in Berlin-Dahlem nannte. Ritter hatte bereits 1935 erstmals öffentlich auf dem „Internationalen Kongreß für Bevölkerungswissenschaft" in Berlin Position gegen Sinti und Roma bezogen, als er dort aus seinen „Forschungen über erbbiologische Untersuchungen innerhalb eines Züchtungskreises von Zigeunermischlingen und asozialen Psychopathen" referierte und die Zwangssterilisation dieser Menschengruppe verlangte.

Bereits in dieser ersten Arbeit stellte Ritter die „Vermischung zwischen Zigeunern und Einheimischen" als die Ursache von Asozialität und Kriminalität dar eine pathologische Wahnidee, die dann in immer neuen Modifikationen von der Forschungsstelle „wissenschaftlich erarbeitet" und zum Kernstück der NS-Rassenideologie gegenüber Roma und Sinti erhoben wurde.

Ritter bedauerte, daß jeder, auf den der Verdacht fiel, Zigeuner zu sein, „.. . bestritt, zu den Zigeunern zu zählen", und sah es als die Aufgabe seines Instituts an, eine „Bestandsaufnahme der gesamten Zigeunerpopulation in Deutschland" vorzunehmen. Als Voraussetzung „für eine endgültige Lösung der Zigeunerfrage" sollten auch alle „Mischlinge entdeckt und erfaßt" werden Ritter und seine Mitarbeiter (R. Ehrhardt, E. Justin, K. Moravek) veröffentlichten eine Reihe von Arbeiten und Lösungsvorschlägen zur „Zigeunerfrage", die die NS-Zigeunergesetzgebung maßgeblich formten. Als Todesurteil für die Jenischen z. B.sehen Kenrick/Puxon Ritters Artikel „Ein Menschenschlag" (1937) an, in dem Ritter den Jenischen bescheinigt, „Abkömmlinge“ von Resten überschichteter Stämme und damit keine Arier zu sein Diese Arbeit Ritters über die Jenischen wurde u. a. gefördert von den „Polizeireferenten der Ministerien, dem ev. Oberkirchenrat, dem erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg und dem bischöflichen Ordinariat in Rottenburg"

Um dem Ritterschen Institut die Arbeit zu erleichtern, hatte Himmler als Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei am 16. Mai 1938 die Überleitung der Zigeunerzentrale beim Polizeipräsidium in München, die bis dahin über 19 000 Personal-und Familienakten verfügte, zum Reichskriminalpolizeiamt Berlin als „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" angeordnet. Ein Erlaß des Reichsführers SS vom 16.Dezember 1938, der Ritter die Erfassungsarbeit erleichtern sollte, ordnete an, „daß alle nach Zigeunerart umherziehenden Personen polizeilich zu erfassen und rassenbiologisch zu sichten" seien eine zweite Verordnung vom 17.Dezember 1939 verbot ihnen, ihren derzeitigen Aufenthaltsort zu verlassen. Das Rittersche Institut sandte Arbeitsgruppen von sprachkundigen, „genealogisch" und „rassebiologisch ausgebildeten" Mitarbeitern in alle Teile Deutschlands zur Erfassung von Sinti und Roma. Widerstrebende wurden von den Mitarbeitern mit Zwangssterilisation und KZ-Einweisung bedroht Ritters bekannteste Mitarbeiterin Eva Justin führte auch Verhöre bei der Gestapo durch und Ritter selbst hat mehrfach KZs besucht, in denen Sinti und Roma inhaftiert waren Die Arbeit Ritters wurde u. a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt

Dank der Erstellung von Genealogien hatte das Institut Ritters in den Jahren 1938 bis 1942 etwa 28 000 Sinti und Roma in Deutschland aufgespürt (einschließlich Österreich und Sudentenland). Bis 1942 wurden etwa 19 000 Sinti und Roma „rassendiagnostisch begutachtet". Lediglich 1 079 Sinti galten als „rassereine“, stammesechte Vollzigeuner", zusammen mit 500 Lalleri, während die übrigen 90% der Sinti als „Mischlinge" eingestuft wurden. 1 800 Menschen galten als Roma, die „bestimmte rassische Merkmale mit den Juden gemeinsam" haben während die 8 000 burgenländischen Zigeuner ebenfalls als ausgesprochene „Mischlingspopulation“ bezeichnet wurden.

Mit den Genealogien verfolgte Ritter das Ziel, sog. „ 1/4-und 1/8-Zigeuner", die meist nicht mehr davon wußten, daß einer ihrer acht Urgroßeltern „Zigeuner“ war, und die oft (wie viele Sinti) in der Wehrmacht dienten und völlig in die deutsche Bevölkerung integriert waren, ausfindig zu machen Ritter bezeichnete die angeblichen „Mischlingszigeuner" als „Träger minderwertigen Erbgutes", als „hochgradig unausgeglichen, charakterlos, unberechenbar, unzuverlässig, träge, unstet und reizbar .. " Ritters Hinweise auf die angebliche Gefährlichkeit dieser Menschengruppe wurde für Tausende von ihnen zum Todesurteil. Festzuhalten ist hier, daß aufgrund der „Forschungen" Ritters „ 1/4-oder 1/8-Zigeuner" noch in die KZs eingeliefert wurden, während „ 1/4 und 1/8-Juden" in der Regel unbehelligt blieben.

Völkermord in Deutschland und Österreich

Der Beschluß einer am 21. September 1939 von Heydrich (Chef des SD) einberufenen Konferenz, alle Sinti und Roma des „Großdeutschen Reiches" nach Polen zu deportieren, wurde erst für 2 800 westdeutsche Sinti und Roma im April 1940 verwirklicht. Auch das Angebot Eichmanns an den SD im Oktober 1939, jeweils jedem . Judentransport" aus Österreich und Böhmen „einige Waggons Zigeuner anzuhängen", wurde zunächst nicht in Anspruch genommen Im polnischen „Generalgouvernement" wurden sie zunächst in Ghettos untergebracht. Flüchtlinge aus diesen Ghettos, die zu polnischen Roma geflüchtet waren, wurden bei der Festnahme sofort erschossen. Im Oktober 1940 wurden die Deportationen aus Deutschland nach Polen (bis dahin 3 000 Deportierte) gestoppt. 1941 wurden deutsche Sinti und Roma aus den westlichen Grenzgebieten deportiert, im übrigen Deutschland richtete man eine Reihe von mit Stacheldraht umzäunten Sammellagern ein.

Kenrick und Puxon nehmen an, daß die Entscheidung der „totalen Liquidierung der Roma“..... kurze Zeit nach der Wannseekonferenz getroffen wurde" Am 18. September 1942 trafen sich Himmler, Thierack, Rothenberger, Streckenbach und Bender in Himmlers Hauptquartier und beschlossen „asoziale Elemente aus dem Strafvollzug — Juden, Zigeuner, Russen, Ukrainer — an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit" auszuliefern. Am 16. Dezember 1942 unterzeichnete Himmler den Auschwitz-Befehl für Deutschlands Sinti und Roma. Ausgenommen von der Deportation sollten vor allem wiederum die „reinrassigen" Sinti und Lalleri und die im „zigeunerischen Sinne guten Mischlinge", Wehrdienstleistende, mit „Deutschblütigen" Verheiratete etc.sein; jedoch wurden diese Unterschiede weitgehend nicht beachtet, so daß nach Auschwitz auch mit „Deutschblütigen" Verheiratete, sogar Wehrmachtsangehörige und Partei-und BDM-Mitglieder eingeliefert wurden.

Der längere Zeit von Himmler favorisierte Plan, die „reinrassigen" Sinti und „reinrassigen" Lalleri von der Verfolgung auszunehmen und ihnen im Rahmen besonderer Gesetze eine gewisse Bewegungsfreiheit einzuräumen, wurde nicht realisiert. Diese Regelung scheint zuletzt am 27. März 1942 mit einer Freistellung von sonderklassifizierten Sinti vom Wehr-und Arbeitsdienst aufzutauchen. Innerhalb weniger Wochen im Laufe des Jahres 1943 trafen fast 10 000 deutsche Sinti und Roma in Auschwitz ein. Im Sommer 1944 war die Zahl der noch in Freiheit lebenden Sinti und Roma so weit zurückgegangen, daß Himmler in einem Schreiben an die Obersten Reichsbehörden erklären konnte, daß die Zigeuner und Juden betreffenden Verbote auf vielen Lebensgebieten dank der Evakuierung sich weitgehend erübrigten

Nicht zuletzt dank österreichischer Politiker wurde auch die Verfolgung der Sinti und Roma Österreichs besonders rigoros durchgeführt. Der heute noch im Burgenland ansässige und dort angesehene frühere Landes-hauptmann des Burgenlandes, Dr. Tobias Portschy, erklärte bereits im August 1938: „Willst Du, Deutscher, nicht Totengräber des nordischen Blutes im Burgenland werden, überseh nicht die Gefahr, die die Zigeuner sind", und forderte die Gleichstellung der Zigeuner mit den Juden, die Einweisung in Arbeitslager und die Sterilisation und der Oberstaatsanwalt von Graz, Meissner, verlangte 1940 ebenfalls als „wirksame Befreiung ...der künftigen rassischen Entwicklung ..", alle burgenländischen Roma „ausnahmslos zu sterilisieren“

Bereits im Herbst 1939 wurden in Wien, im Salzburger Land und in Tirol Arbeitslager ein-gerichtet und Gruppen von burgenländischen Roma und österreichischen Sinti dank dem Engagement von Portschy nach Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen, Mauthausen und Ravensbrück verschickt. Allein 440 Frauen kamen in Ravensbrück an, von denen viele 1944/45 dort sterilisiert wurden. Am 23. November 1940 wurde das „Zigeunerlager“ Lakkenbach unter Leitung der österreichischen SS-Leute Kollroß und Franz Langenmüller eingerichtet. Letzterer, dem der Mord an 287 Roma vorgeworfen wurde, wurde 1948 von einem Wiener Volksgericht des „Verbrechens der Quälerei und Mißhandlungen von Lagerinsassen“ für schuldig befunden und zu einem(!) Jahr Gefängnis ohne Vermögensverlust verurteilt. In Lackenbach waren zwischen 3 000 und 4 000 Männer, Frauen und Kinder inhaftiert; die abgebrochenen Lagertagebucheintragungen enden mit der Nummer 3 050 Im Herbst 1941 gingen zwei Transporte mit je 1 000 Menschen in das Juden-Ghetto von Lodz ab.

In der 12. österreichischen Wiedergutmachungsnovelle erhielten die bis heute diskriminierten burgenländischen Roma Wiedergutmachungsleistungen, die genau der Hälfte des Betrages für Insassen anerkannter Konzentrationslager entsprachen. Die besondere österreichische Mitverantwortung an der Verfolgung von Juden und Zigeunern ist in Österreich bis heute ein Tabu geblieben.

Der Völkermord im Westen

Langfristiges Ziel der nationalsozialistischen Politik war auch in den besetzten Ländern des Westens die Internierung der Roma in Sammellager und deren Abtransport zur Zwangsarbeit oder Liquidierung nach Deutschland und Polen

In den Niederlanden waren bereits vor der deutschen Besetzung Erfassungsmaßnahmen gegen Volksgruppen, die mit Wohnwagen her-umzogen, gegen die „Reizigers“, die „Burgers" und mit ihnen die Sinti und Roma durch den „Besluit Bevolkingsboekhouding" (1936) und den „Rijksidentificatiedienst“ (1939) unternommen worden. In der niederländischen Öffentlichkeit galten sowohl die Fahrenden niederländischer wie die indischer Herkunft als , Zigeuner'. Im Mai 1943 wurde auf Anordnung Rauters, SS-und Polizeiführer, angeordnet, das „germanische Nomadenleben" zu beenden. 1 500 Wohnwagen wurden in 27 Lagern konzentriert. Nach Ben Sijes wurden am 16. Mai 1944 auf deutschen Befehl von niederländischer Polizei 565 Personen, die „zigeunerisch" aussahen, in das „Durchgangslager" für Juden, Westerbork, deportiert, die . Asozialen“ von den „Zigeunern" getrennt und von den letzten 245 nach Auschwitz gesandt, von denen nur 16 Frauen und zehn Männer zurückkehrten Kenrick gibt für die Niederlande insgesamt 500 Opfer an.

Nach einer Aussage im Eichmann-Prozeß wurden auch die luxemburgischen Sinti und Roma interniert. Aus Belgien ging im Jahr 1944 ein Transport von 351 Personen nach Auschwitz ab, die unterschiedlichster Staatsbürgerschaft waren, unter ihnen eine Gruppe, der Dänemark 1934 politisches Asyl verweigert hatte. Mehrere Monate vor der deutschen Besetzung Frankreichs stellte man Sonderausweise für Sinti und Roma aus, unterstellte sie der Polizeiaufsicht und richtete Arbeitslager ein.

Besonders rigoros war die Verfolgung der Manouche-Sinti im besetzten Elsaß-Lothringen, von denen viele nach Westen flüchteten. In beiden Zonen Frankreichs, im deutsch besetzten Nordteil und im Südteil unter der Vichy-Regierung, wurden Sinti und Roma gejagt und in Arbeitslagern konzentriert. Für 30 000 internierte Sinti und Roma war das Vichy-französische „Ministerium für jüdische Angelegenheiten" unter Xavier Vallat zuständig. Die große Mehrzahl der Inhaftierten wurde nach Buchenwald, Dachau und Ravensbrück deportiert, 16 000— 18 000 gingen in der Vernichtungsmaschinerie zugrunde. Die französische Mitverantwortung an dieser Verfolgung wird in Frankreich bis heute verdrängt oder weitgehend totgeschwiegen. Die französische Vichy-Regierung dehnte die Verfolgung sogar auf Algerien aus und konzentrierte im Ghetto von Maison-Carre in der Nähe von Algier 700 Roma; auch in Oran und Mostagenem wurden Roma interniert.

Das faschistische Italien ließ bereits vor Kriegsbeginn Sinti und Roma bei Razzien festnehmen und auf adriatische Inseln und nach Sardinien deportieren. Roma und Sinti wurden in die Armee rekrutiert und nach Albanien gesandt, wohin ihnen in der Regel die Familien „freiwillig" folgten. Zur Vernichtung von Sinti und Roma in Italien führte erst die deutsche Besetzung Norditaliens 1943. Auch hier wurden Sinti und Roma zusammengetrieben und zur Zwangsarbeit oder in die Todeslager nach Deutschland gesandt. Die Zahl der Ermordeten wird auf 1 000 geschätzt. Italienische Behörden und Zivilbevölkerung haben vielfach verfolgte Sinti und Roma, vor allem Sinti-Flüchtlinge aus Istrien, vor den Deportationen geschützt.

In Dänemark und Finnland wurden die Roma von Verfolgungsmaßnahmen nicht betroffen, weil die Regierungen in dieser Frage nicht zur Kollaboration bereit waren. In Norwegen wurden einige Familien der wenige Hundert Angehörige zählenden Volksgruppe in KZs verschleppt

Völkermord in Ost-und Südosteuropa

„Daß die Nazis die totale Vernichtung aller Roma und aller Juden beabsichtigten, wird heute kein ernst zu nehmender Historiker mehr leugnen", erklärte Simon Wiesenthal anläßlich des III. Welt-Roma-Kongresses in Göttingen im Mai 1981 Dieses nationalsozialistische Vernichtungsprogramm, erst durch die Niederlage des Dritten Reiches abgebrochen, war vor allem auch für Ost-und Südosteuropa konzipiert, wo vier Fünftel der europäischen Roma ansässig waren (und sind). In verschiedenen Schriften der NS-Zeit werden die nationalsozialistischen Absichten auch gegenüber den Roma Osteuropas deutlich formuliert. So schrieb Fritz Ruhland 1942 in der österreichischen „Volkspolizeilichen Monatsschrift" für die „Lösung" der „Zigeunerfrage im Südosten": „Zur Beseitigung dieses Hindernisses ist es ein eisernes Muß ..., zur völkischen Denkungsart überzugehen, die im Juden wie auch im Zigeuner nicht nur einen Schmarotzer am Lebens-baum des bodenständigen Volkes sieht, sondern in ihm den blutsmäßigen Fremdkörper erblickt." Ruhland befürwortet, daß der „rassi-sehe Gesichtspunkt" allein allen anderen Erwägungen vorangestellt werden muß

Der slowakische NS-Publizist Ctibor Pokorny beschreibt 1942, nachdem der NS-Staat längst mit der „Endlösung der Judenfrage" begonnen hatte, die Zusammenfassung der slowakischen Roma in Arbeitslagern. Pokorny fordert in der „Slowakischen Rundschau", „daß die Zigeuner-frage, ebenso wie die Judenfrage, einer endgültigen Lösung zugeführt werden muß" und Dr. med. Eva Justin, Prof. Dr. med. Ritters bekannteste Mitarbeiterin in der „Rassehygienischen und kriminalbiologischen Forschungsstelle", stellt nach der rassenbiologischen Untersuchung nach Deutschland eingewanderter osteuropäischer Roma fest: „Einzelne machten einen ausgesprochen jüdischen Eindruck, sowohl durch ihre vorwiegend vorderasiatisch-orientalischen körperlichen Merkmale als durch ihre Gestik und ihr glattes und gerissenes händlerisches Gebaren."

Die Zahl der gesamten Roma-Opfer des NS-Regimes in diesen Regionen ist bis heute nur sehr schwer feststellbar und daher umstritten. Kenrick hält es für gesichert, daß in Ost-und Südosteuropa 238 000 Roma ermordet wurden Allerdings weist er darauf hin, daß niemand die Anzahl der Opfer der Einsatzgruppen oder der Geiselerschießungen auf dem Balkan gezählt habe und daß die wirkliche Zahl der Ermordeten wesentlich höher liegen dürfte. In Estland und Litauen sollen nahezu alle Roma umgekommen sein. In Lettland verhungerten die ostlettischen Roma, eingeschlossen in der Synagoge zu Ludza, zu Hunderten. 1942 fiel ein Drittel der lettischen Roma — 1 500 bis 2 000 Menschen — nationalsozialistischen Massakern zum Opfer. Nur die Hälfte der Roma Lettlands soll überlebt haben

Nachdem das deutsche und tschechische Sprachgebiet der Tschechoslowakei als Sudetenland und als Protektorat Böhmen-Mähren durch das nationalsozialistische Deutschland besetzt wurden, flohen zahlreiche Sinti und Roma von dort in die Slowakei. Für die in ihrer Heimat Gebliebenen wurden im August 1942 zwei KZs eröffnet und alle Sinti und Roma (6 000) registriert, von denen kaum einer überlebt hat. 3 500 von ihnen wurden in Auschwitz vernichtet. In der benachbarten, von einem faschistischen Regime regierten Slowakei wurden die Roma zwar brutal unterdrückt, aus ihren Dörfern ausgewiesen und in Arbeitslagern zusammengefaßt, aber noch nicht systematisch vernichtet. Dennoch fielen einzelnen Pogromen slowakischer und ungarischer Faschisten etwa 3 000 slowakische Roma zum Opfer. In Ungarn begannen die Massenverfolgungen der Roma wie die der Juden, nachdem die deutschen Truppen im März 1944 die Macht übernommen hatten. Deutsche und ungarische Einheiten deportierten 31 000 Roma, von denen nur 3 000 zurückgekehrt sein sollen. Bereits ein Jahr zuvor — 1943 — hatte der NS-Zigeunerkundler Artur Kornhuber behauptet, jüdische Geschäftsleute seien maßgeblich an der Ausbreitung des Zigeunertums in Ungarn beteiligt und „jüdische Geschäftemacher" hätten eine „Verherrlichung des Zigeunerideals" betrieben

Die rumänische faschistische Regierung Antonescu beschränkte ihre Maßnahmen gegen die Roma auf die Vertreibung aus einigen Landesteilen in die von rumänischen Truppen besetzten ukrainischen Regionen östlich Bessarabiens. Allerdings hatte die rumänische faschistische Zeitung „Eroica" die „Zigeunerfrage" zu „gleicher Bedeutung wie die Judenfrage" erklärt Nach Kriegsende schätzte eine Kommission die Todesopfer bei den rumänischen Roma-Vertreibungen ins ukrainische Transnistien auf 36 000 Menschen. Im von faschistischen Ustaschas regierten Kroatien kam es zur rigorosesten Roma-Verfolgung Osteuropas. Eines der berüchtigtsten Konzentrationslager war Jasenovac, in dem bis zu 24 000 serbische, jüdische und Roma-Kinder interniert wurden. Nur wenige der 1939 etwa 28 000 Menschen zählenden kroatischen Roma haben die ungezählten Massaker der Ustaschas überlebt. Nach der Besetzung Serbiens erließen die Militärbehörden ein Dekret zur Registrierung der serbischen Roma, die als „Zigeuner" gelbe Armbinden tragen mußten. In Straßen und Bussen hieß es: „Für Juden und Zigeuner verboten". Ein Befehl des deutschen Kommandanten General Bohme vom 30. Mai 1941 enthielt u. a. als Paragraph Nr. 18: „Zigeuner werden wie Juden behandelt". In Serbien wurden mehrfach als Repressalie gegen Angriffe der „Widerstandsbewegung“ internierte Juden und Roma als Geiseln erschossen. Kenrick zitiert einen für Exekutionen verantwortlichen deutschen Oberleutnant Walther: „Das Erschießen der Juden ist einfacher als das der Zigeuner. Man muß zugeben, daß die Juden sehr gefaßt in den Tod gehen — sie stehen sehr ruhig —, während die Zigeuner heulen und schreien und sich dauernd bewegen, wenn sie schon auf dem Erschießungsplatz stehen. Einige sprangen sogar schon vor der Salve in die Grube und versuchten, sich totzustellen." Im serbischen Konzentrationslager Zemun wurden aus Deutschland herbeorderte, speziell konstruierte mobile Gaskammern eingesetzt, in denen vor allem Roma-Frauen und Kinder vergast wurden. Im jugoslawischen Mazedonien und dem albanisch-bewohnten Kosovo wurde die Vernichtungspolitik gegenüber den dort meist muslimischen Roma dank der Intervention islamischer Würdenträger dieser Regionen zugunsten der Roma nicht durchgeführt.

Die mit dem Dritten Reich verbündeten bulgarischen Besatzungstruppen in Mazedonien waren wie in Bulgarien selbst nicht an der Durchsetzung der nationalsozialistischen Zigeunerpolitik interessiert. Dort blieben die Roma wie die Juden unbehelligt. In Griechenland scheint es kaum nationalsozialistische Maßnahmen gegen Roma gegeben zu haben, obwohl die jüdische Bevölkerung aus Thessaloniki deportiert wurde.

Polen war für die Nazis bereits 1940 Deportationsziel für 3 000 deutsche Sinti. In verschiedenen Regionen wie Warschau und Ostro-Masowiecki wurde seit 1942 die Ghettoisierung der polnischen Roma angeordnet. Mehrere Roma-Gruppen fielen Massakern polnischer und ukrainischer Faschisten zum Opfer; allein in Wolhynien wurden 3 000 bis 4 000 polnische Roma erschossen. Zahlreiche polnische Roma wurden nach Auschwitz, Belsen, Chelmno, Maidanek und Treblinka transportiert.

Im September 1944 begann in Polen die Vernichtung der meisten der in Ghettos konzentrierten Roma. Kenrick schätzt die Zahl der in Polen Ermordeten auf 35 000 und der in der UdSSR Ermordeten auf 30 000. In der UdSSR wurden die Roma vornehmlich Opfer der Einsatztruppen, Sonderkommandos, die vor allem zur Vernichtung von Juden, Roma und „politisch unerwünschten Elementen" eingesetzt wurden. Otto Ohlendorf, Führer der Einsatz-gruppe D, begründete die Ermordnung der Roma während des Nürnberger Prozesses mit deren Spionagetätigkeit und bezog sich auf die ausführliche Beschreibung von Ricarda Huch und Friedrich Schiller in Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges. Eine bisher nicht bekannte Anzahl von ukrainischen Roma wurde mit jüdischen Häftlingen in Babi Jar ermordet: „In der Ukraine waren die Zigeuner die Opfer der gleichen massiven und direkten Vernichtung wie die Juden ... Personen mit schwarzen Augen und Haaren und langen Nasen ließen sich, wenn möglich, überhaupt nicht auf der Straße sehen. Die Zigeuner wurden in ganzen Lagern nach Babi Jar gebracht, und offenbar haben sie bis zum letzten Moment nicht begriffen, was mit ihnen geschehen sollte."

KZs und Menschenversuche

Kenrick und Puxon, die einzigen Autoren, die bisher in einer Arbeit die Verfolgung von Sinti und Roma unter dem Nationalsozialismus im ganzen darstellten gehen davon aus, daß Sinti-und Roma-Häftlinge in fast allen Konzentrationslagern des Dritten Reiches interniert worden waren. Nach Auschwitz wurden Sinti und Roma aus allen Teilen Deutschlands (10 000) und Europas verschleppt Kenrick/Puxon geben die Zahl der Insassen des „Zigeunerlagers" mit 20 570 an — eine Zahl, die aber nicht die Tausende enthält, die in andere Lager von Auschwitz eingeliefert wurden, z. B. auch nicht die 1 700 im März 1943 sofort nach ihrer Ankunft Ermordeten. Von den Häftlingen des „Zigeunerlagers" sind 11 700 an Entkräftung und Krankheiten gestorben, 1 000 wurden am 25. Mai 1943, 4 000 im August 1944 vergast.

Mehrere Tausend waren in Bergen-Belsen interniert, von denen nur wenige überlebten. Zwischen 1943 und 1945 starben dort vor allem viele Roma-und Sinti-Kinder. In Buchenwald wurden bereits im Juni 1938 1 000 Männer und Knaben aus Deutschland, im Herbst 1939 1400 burgenländische Roma eingeliefert, die aus Dachau kamen und später nach Bergen-Belsen weitertransportiert wurden. Im polnischen Chelmno sollen 5 000 polnische Roma ermordet worden sein, die vor allem aus dem Lodzer Ghetto eingeliefert wurden. In Maidanek starb eine unbekannte Anzahl von Sinti und Roma den Hungertod. In Mauthausen enthielt eine der wenigen aufgefundenen Listen 157 Roma-Namen. Aus dem Vernichtungslager Treblinka ist die Vergasung von mindestens tausend Sinti und Roma bekanntgeworden.

Eine jahrelange systematische Erforschung des Schicksals der Sinti und Roma in den Konzentrationslagern kam aus Mangel an Interesse von wissenschaftlicher Seite einerseits und Mangel an finanziellen Mitteln andererseits bisher nicht zustande. So blieben unsere Kenntnisse bis heute nur vereinzelt und unzureichend. Deshalb bleibt auch die genaue Zahl der ermordeten deutschen und europäischen Sinti im Dunkeln. Kenrick hält 277 200 Opfer für gesichert ohne die üblicherweise genannte Zahl von 500 000 Opfern für unrealistisch zu halten. Zwischen 40 und 75% der deutschen Sinti und Roma, über die Hälfte der österreichischen sind ums Leben gekommen. Da die Statistiken über die Angehörigen von Roma-Volksgruppen in Ost-und Südosteuropa bis heute um Hunderttausende differieren und sie in den dreißiger und vierziger Jahren so unzureichend waren, daß sie als Vergleichszahlen als völlig irrelevant betrachtet werden müssen, sind Zahlenspiele rechtsradikaler und anderer Kreise, den Völkermord mit dem Hinweis auf die große Zahl der heute noch lebenden Roma des Ostens anzuzweifeln, als nicht seriös anzusehen.

Zahlreiche Angehörige dieser Volksgruppe wurden auch Opfer medizinischer Menschen-versuche. In Auschwitz experimentierte Dr. med. Mengele mit Roma-Zwillingen, in Ravensbrück wurden Sterilisierungseingriffe bei Männern und Frauen durchgeführt. SS-Arzt Dr. med. Clauberg nahm dort 1945 auch Sterilisierungen von 120 bis 140 Mädchen vor, Dr. med. Horst Schumann sterilisierte im März Roma-Häftlinge in Auschwitz mit Röntgenstrahlen und nahm Sterilisationen auch außerhalb des Lagers, z. B. in Stettin, an pommersehen Sinti vor. Im KZ Natzweiler wurden Roma und Juden mit Typhus infiziert, in Dachau wurden Sinti und Roma Salzlösungen injiziert, und sie wurden gezwungen, Meerwasser zu trinken, in Sachsenhausen wurden sie für Senfgasexperimente benutzt, in Buchenwald wurden Sinti und Roma mit Fleckfieber infiziert, und es wurden Kälteschockversuche angestellt. In Auschwitz wurden außerdem von Dr. med. Mengele an Sinti-und Roma-Häftlingen Phenolinjektionen vorgenommen. Ungezählte Opfer dieser Menschenversuche kamen ums Leben oder behielten lebenslange Schäden zurück, für die sie — in der Regel — nicht einmal materielle Wiedergutmachung erhielten; oft genug wurden ihnen Renten verweigert. Das von Ritter, Justin und anderen empfohlene Sterilisierungsprogramm wurde an verschiedenen Orten begonnen. Eine völlige Perfektionierung dieses Programms kam einerseits wegen der Kriegssituation nicht zustande und wurde andererseits wahrscheinlich dank des sich abzeichnenden Zieles der „Endlösung" für Sinti und Roma überflüssig.

Die Realität des nationalsozialistischen Genocids an Sinti und Roma als Teil der NS-Rassen-politik wird heute von der Wissenschaft allgemein nicht in Frage gestellt. Allein das Gießener Projekt Tziganologie (Zigeunerkunde) ist mit mißverständlichen Thesen an die Öffentlichkeit getreten die dann auch umgehend von der rechtsradikalen Presse als Argumentationshilfe übernommen wurden Nach Bernhard Streck, Mitarbeiter des Projektes, hätte es zwischen 1933 und 1945 keinen Plan zur Beseitigung „aller Zigeuner" gegeben. Die „These des sogenannten zweiten Genocids" sei von dem „neugegründeten Verband Deutscher Sinti“ lanciert worden. Der sogenannte zweite Genozid sei von den Massenmedien, wenn auch als „nicht so sehr bewußtes Kalkül", als „mögliche Entlastungsfunktion" benutzt worden, um die „Beispiellosigkeit der Judenmorde zu relativieren". Im übrigen seien die „Zigeuner" aus „hygienischen" und „lagertechnischen Gründen", als „Träger von Bakterien und Viren", als „Arbeitsscheue" und aus „sozialpolitischen Gründen" vernichtet worden. Nach einer sehr heftig in der Vierteljahreszeitschrift Tribüne geführten Auseinandersetzung, an der sich als einer der Kenner der Zigeunerverfolgung der Wissenschafts-Publizist Joachim Hohmann beteiligte, erneuerte Streck in der jüngsten Publikation des Projektes Tziganologie seine mißverständlichen Thesen nicht und spricht dort von dem nur durch das Kriegsende beendeten Genozid

Die noch ausstehende wissenschaftliche Bewältigung der NS-Zigeunervernichtung wird auch auf Beispiele der Solidarität von Deutschen mit deutschen Sinti und Roma stoßen: So wurde die ostpreußische Sinti-Familie Dambrowski, wie viele Sinti der Provinz als Kleinbauern und Pferdehändler voll integriert, dank des Engagements der ostpreußischen Bauern ihres Heimatdorfes bei Goldap aus dem KZ Bialystok befreit. Die Familie lebt heute nach ihrer Flucht (1945) in den Westen in Ostfriesland

1945— 1981: Das Fortwirken des NS-Rassenhygieneinstituts

Ernst Tugendhat hat die Situation, der die Sinti dreieinhalb Jahrzehnte nach Kriegsende in Deutschland weiter ausgesetzt waren, schonungslos ausgesprochen: „Aber nun versuche ich mir vorzustellen, wie das Leben für mich hier aussähe, wenn die Vorurteile gegenüber Juden nach Ausschwitz ebenso ungebrochen fortlebten wie die Vorurteile gegenüber den Zigeunern. Für diese ist der Alptraum nicht vorbei... Im Dritten Reich galten wir Juden als Untermenschen. Die Zigeuner werden noch heute als Untermenschen zwar nicht offen bezeichnet, aber empfunden und behandelt." 48a) Wie wenig das Jahr 1945 für diese Volksgruppe eine Wende bedeutete, demonstriert das Fortwirken der Ritterschen Rassen-biologie weit in die zweite deutsche Republik hinein. Im folgenden soll der Weg der „Forschungsunterlagen" der „Rassenhygienischen und Bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle" bis zum Jahr 1981 verfolgt werden.

Nach Kriegsende schafften Ritter und seine führende Mitarbeiterin Justin das gesamte Material des NS-Rassenhygieneinstituts beiseite. Beide nach Kriegsende in Frankfurt als Mediziner bzw. Psychologin tätig, wurden strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen, obwohl die Frankfurter Staatsanwalt-schäft gegen sie ermittelte Die Anthropologische Sammlung (Körpermessungen, Hand-und Fußabdrücke, Blutgruppen etc.), bestehend aus Karteikarten von 20 000 deutschen Sinti und Roma, von denen Tausende aufgrund dieser Erfassungen ermordet worden waren, übergab Ritter 1947 der Tübinger Universitätsdozentin Sophie Ehrhardt. Frau Ehrhardt war von 1938 bis 1942 während der entscheidenden Vorbereitungsphase für Himmlers Ausschwitz-Erlaß leitende Mitarbeiterin Ritters und baute ihre Habilitation „Vererbung von Hautleistensystemen" (1950) auf diesen Dokumenten auf. Die rassediagnostischen „Gutachten" und die Genealogien (Familienstammbäume) hatte Justin der beim Bayerischen Landeskriminalamt neugegründeten „Landfahrerzentrale“ um 1950 übergeben, die somit ungebrochen die rassistische „Sonderbehandlung" deutscher Sinti und Roma fortsetzen und ausbauen konnte -Die „Landfahrerzentrale" erhielt dank der „Bayerischen Landfahrerverordnung" (1953), die an die Sonderbestimmungen für diese Volksgruppe in der NS-Zeit anknüpfte, de facto Bundeszuständigkeit. Die Landesentschädigungsämter im Bundesgebiet stellten bei Wiedergutmachungsanträgen von Sinti und Roma Regelanfragen bei dieser Institution, die mit Hilfe von NS-Unterlagen üblicherweise bescheinigte, daß die Antragsteller nicht aus rassischen, sondern kriminalpräventiven Gründen in die KZs gelangt seien

Die NS-Rassenideologie der „Bekämpfung des Zigeunerunwesens" und der „blutsmäßig bedingten und vererbten Kriminalität" wurde von führenden Beamten bis in die zweite Hälfte der fünfziger Jahre in den führenden deutschen Polizeiblättern fortgeschrieben Die „Bayerische Landfahrerordnung" wurde 1970 wegen Grundgesetzwidrigkeit aufgehoben. Die Landfahrerzentrale arbeitete bis 1970 im engen Zusammenwirken mit den anderen Landeskriminalämtern und machte auf diesem Weg allen Polizeidienststellen zur Auflage, mit Erfassungsbögen alle Sinti-und Roma-Familien, ihre Gewerbetätigkeit und ihre Reise-wege nach München zu melden und sie erkennungsdienstlich zu behandeln. Als Anfang der sechziger Jahre gegen mutmaßliche NS-Verbrecher des Rassehygieneinstituts und des Reichssicherheitshauptamtes von der Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt wurde und diese bei der Landfahrerzentrale nach Akten forschte, hatten die zuständigen bayerischen Kriminalbeamten zuvor — widerrechtlich — die „rassediagnostischen Gutachten" und die Genealogien Prof. Dr. med. Hermann Arnold in Landau/Pfalz übergeben, der sie als Leiter des dortigen Gesundheitsamtes einlagerte Gegen Ende der fünfziger Jahre wurde Arnold in der Bundesrepublik zum einzigen anerkannten „Zigeunerfachmann" und erlangte mit seinen rassebiologisch orientierten „Erkenntnissen" wesentlichen Einfluß auf die Zigeuner-politik der „Caritas" des „Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge" und des Bundesfamilienministeriums, deren Berater Arnold noch bis Mitte der siebziger Jahre war Diese dominierende Rolle Arnolds wurde durch das jahrzehntelange Desinteresse der deutschen Wissenschaft an diesem Bereich begünstigt Arnold, dessen Veröffentlichungen weitgehend auf Ritter und Justin aufbauten, bemühte sich noch im Oktober 1977, das Wirken beider zu rehabilitieren Schon die Titel der Veröffentlichungen Arnolds, etwa „Zur Frage der Fruchtbarkeit von Zigeunern, Zigeunermischlingsgruppen und anderen sozialen Isolaten" lassen Rückschlüsse auf seinen wissenschaftlichen Standpunkt zu.

Arnold verwendet in seinen Publikationen „wissenschaftliche" Begriffe für Sinti und Roma wie „Asoziale", „Wildbeuter" und „Bastarde“, in „Bevölkerungsbiologischen Beobachtungen" spricht er von „relativ enggezüchteten Stammeszigeunern", von „genealogischer Durchforstung", von „Eingrenzen" und „Züchtungskreisen", dem ursprünglich „primitiven Wesenszug" bei „Zigeunern" und beschäftigt sich mit der „Geburtlichkeit" von „Zigeuner-mischlingsgruppen"

und deren „entfesselter Fruchtbarkeit" Für erbbiologisch orientierte Sozialpolitiker befürwortete Arnold noch 1966, „die bei sozial Minderleistungsfähigen“, d. h. „Asozialen", angeblich besonders ausgeprägte Fruchtbarkeit zu beschränken -

Die absolut dominierende Stellung Arnolds als deutscher „Tziganologe" (Zigeunerkundler) wurde erst seit dem Sommer 1979 durch eine deutsche Menschenrechtsorganisation, die „Gesellschaft für bedrohte Völker" (GfbV), und den „Verband Deutscher Sinti" (VDS) erschüttert, als beide Organisationen mit Presseerklärungen auf Arnolds Schriften und seine enge Verbindung zu Ritter und Justin hinwiesen und das Koblenzer Bundesarchiv aufforderten, die Unterlagen des NS-Rassehygieneinstituts gemäß seinem Rechtsanspruch sicherzustellen Eines der Arnoldschen Bücher leitete Ottmar Freiherr von Verschuer ein, bis 1942 Herausgeber und Schriftleiter der NS-Zeitschrift „Der Erbarzt", seit 1951 Anthropologie-Ordinarius in Münster und Ehrenmitglied der „Neuen Gesellschaft für Anthropologie" Verschuer damals: „Der Führer Adolf Hitler setzt zum ersten Mal in der Weltgeschichte die Erkenntnisse über die biologischen Grundlagen der Entwicklung — Rasse, Erbe, Auslese — in die Tat um ... die deutsche Wissenschaft legt dem Politiker das Werk in die Hand." Arnold arbeitete ferner eng mit dem Leiter der 1979 aufgelösten „Dokumentationsstelle der nichtseßhaften Familien der deutschen Akademie für Bevölkerungswissenschaften", Prof. Hans Harmsen, zusammen, der 1935 Ritters obengenannte „Erbbiologische Untersuchungen" herausgegeben hatte und Arnold bis heute als „besten Kenner der Zigeunerfrage" empfiehlt

Aufgrund der Besetzung des Tübinger Universitätsarchivs durch Mitglieder des VDS und der Sindhi-Union wurde bekannt, daß Prof. Ehrhardt die . Anthropologische Sammlung" 1969 in das „Anthropologische Institut“ nach Mainz überführt hatte, wo auch Arnold 1974, nach seinem Ausscheiden aus dem Landauer Gesundheitsamt, seinen Teil der NS-Rasseunterlagen und die etwa 20 000 „Rassediagnostischen Gutachten" deponierte Sowohl Arnold als auch Ehrhardt stellten seit 1966 mit dem anthropologischen Teil des NS-Materials Untersuchungen über „Fingerabdrucksysteme bei Zigeunern" an und wurden dabei finanziell von der dem Bundesbildungsministerium unterstehenden „Deutschen Forschungsgemeinschaft" mit insgesamt DM 62 000 gefördert Obwohl ein Vertreter des Bundesarchivs im Herbst 1979 den Ritterschen Nachlaß bei Ar-nold in Landau und die vollständigen NS-Unterlagen beim Mainzer Anthropologischen Institut eingesehen hatte, verzichtete dieses Bundesamt seinerzeit auf Sicherstellung und sogar auf Katalogisierung Diese Nachlässigkeit begünstigte, daß auf dem illegalen Transport der NS-Unterlagen von Mainz an das Universitätsarchiv in Tübingen, von Ehrhardt mit nachträglicher Zustimmung des Bundesarchivs veranlaßt, die 20 000 „rassediagnostischen Gutachten" spurlos verschwinden konnten. Insofern konnten nach der Instituts-besetzung von Sinti-Repräsentanten lediglich die Anthropologische Sammlung und die Genealogien von Tübingen nach Koblenz überführt werden. Die verschwundenen Gutachten wären der einzige Nachweis für die mutmaßliehe Beteiligung der heute noch lebenden NS-Rasseforscher Dr. A. Würth und Prof. R. Ehrhardt an der direkten Beihilfe zum Völkermord gewesen. Aufgrund einer Anzeige des „Verbandes Deutscher Sinti“ im Februar 1982 sollten die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Bundesinnenministerium nach diesem verschwundenen Teil der Ritterschen NS-Rasseakten fahnden.

Institutionalisierte Diskriminierung nach 1945

Die drei Jahrzehnte lange Fortführung der polizeilichen Verfolgung der Sinti und Roma, die von rassebiologischem Gedankengut geprägt war, institutionalisierte letztlich eine Politik der Diskriminierung der Volkgsgruppe in der Bundesrepublik nach 1945.

Am 7. Januar 1956 machte sich der Bundesgerichtshof die NS-Argumentation zu eigen, indem er in einem Grundsatzurteil erklärte, daß die rassische Verfolgung von Sinti und Roma zwischen 1933 und 1943 nicht als solche einzustufen, sondern als kriminal-und spionagepräventive Maßnahme zu verstehen sei Diese Entscheidung wurde erst 1965 revidiert, als nunmehr wenigstens die nationalsozialistische „Zigeunerpolitik" zwischen 1938 und 1945 für rassistisch befunden wurde. Bis 1965 waren allerdings bereits ungezählte NS-Opfer'gestorben, die keine Wiedergutmachungsanträge mehr hatten stellen können — sieht man einmal davon ab, daß der überwiegende Teil der Sinti und Roma als meist analphabetische und dank der fortgesetzten polizeilichen Diskriminierungen verängstigte überlebende ohnehin bis zum Ablauf der Wiedergutmachungsfristen keine Forderungen anzumelden wagten.

Die Zerschlagung so vieler Familien im Dritten Reich, die Ermordung der meisten Ältesten, die Behinderung der fahrenden Wirt-sten, die Behinderung der fahrenden Wirtschaftsweise von Kleinhändlern und Handwerkern durch polizeiliche Maßnahmen nach 1945 und durch die von Konzentration und Rationalisierung geprägte Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft nach 1945 führte zur Abdrängung vieler Sinti-und Roma-Gemeinschaften in Obdachlosensiedlungen und auf Wohnwagendauerplätze. Diese häufig unerträglichen Wohnbedingungen wurden — sieht man von zwei erfreulichen Ausnahmeprojekten ab — bis 1979 überwiegend hingenommen, einige Städte wie Bonn und Gelsenkirchen suchten sich ihrer Sinti-Gemeinschaften sogar mit problematischen Mitteln zu entledigen über die ganze Bundesrepublik verbreitete Campingplatzverbote und Schilder, die das Betreten verschiedener Gastwirtschaften und Restaurants verboten, waren weitere Tatbestände der Diskriminierung Die in Randgebiete abgedrängten Sinti und Roma wurden dann der Sozialhilfe überantwortet Der Umstand, Sozialhilfeempfänger zu sein, wurde dann wiederum gegen die ganze Volksgruppe gewandt, so als z. B. das Bundesfamiienministerium am 4. November 1980 erklärte-„Der Anteil der Sozialhilfeempfänger bei Zigeunern und Landfahrern ist etwa zehnmal höher als bei der übrigen Bevölkerung", 7 500 der den Sozialämtern bekannten rund 12 000 Zigeuner erhielten Sozialhilfe, das seien 63% Die Gesamtzahl deutscher Sinti und Roma (ohne Gastarbeiter) ist jedoch vier mal so hoch wie vom Ministerium angegeben, so daß die Zahl der Sozialhilfeempfänger lediglich 15% der Volksgruppe beträgt, und das noch angesichts des hohen Anteils von KZ-Geschädigten.

Hunderte von für staatenlos erklärten deutschen Sinti und Roma haben nach 1945 ihren deutschen Paß nicht zurückerhalten, weil sie als KZ-Überlebende über keinerlei Papiere mehr verfügten. Weiteren Hunderten von deutschen Staatsbürgern und Angehörigen dieser Volksgruppe wurde nach Kriegsende — z. B. in Köln — weit bis in die fünfziger und sechziger Jahre der deutsche Paß entzogen, und sie wurden zu Staatenlosen erklärt Im Unterschied zu polnischen oder ungarischen Flüchtlingen wird bis heute vielen jahrzehntelang in Deutschland ansässigen Roma-Familien z. B. aus Polen die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert

Die Bürgerrechtsbewegung

Die Zahl der in der Bundesrepublik ansässigen Sinti und Roma wird heute auf 50 000 (ohne Gastarbeiter) geschätzt. Zu ihnen gehören die überlebenden deutschen Sinti und Roma, in Deutschland gebliebene osteuropäische KZ-Insassen, Roma, die seit 1945 aus Polen, Ungarn, Rumänien und der Tschechoslowakei in die Bundesrepublik flüchteten, und die Nachkommen aller dieser Gruppen. Nach Westdeutschland geflüchtet sind auch nahezu alle früher in den deutschen Ostgebieten ansässigen überlebenden Sinti und Roma und die Lalleri aus dem Sudetenland. Aus der sowjetischen Zone Deutschlands und späteren DDR sind bis auf einige Hundert alle Sinti und Roma in die Bundesrepublik geflüchtet, weil die dort zunehmend errichteten totalitären Strukturen die traditionelle wirtschaftliche Unabhängigkeit von Handwerk und Kleingewerbe zerstörten. Dazu kommen mindestens 30 000 als türkische, spanische, griechische oder jugoslawische Gastarbeiter eingewanderte Roma, die in Gastronomie und Industrie beschäftigt sind.

Uber Deutschland und Europa hinaus gewannen drei Initiativen der Sinti-und Roma-Verbände das Interesse der Öffentlichkeit: die erste Gedenkkundgebung im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen mit der Präsidentin des Europäischen Parlamentes, Simone Veil, zur Erinnerung an die 500 000 im Dritten Reich ermordeten Sinti und Roma (gemeinsam organisiert mit der „Gesellschaft für bedrohte Völker") im Oktober 1981, der Hungerstreik der Sinti im ehemaligen KZ Dachau im April 1980 und der III. Internationale Roma-Welt-Kongreß mit Roma-Repräsentanten aus 28 Staaten in Göttingen im März 1981, die Romani Rose zu ihrem Vizepräsidenten wählten.

Seit Mitte 1979 ist der „Verband Deutscher Sinti“ in der ganzen Bundesrepublik als entschiedener Interessenvertreter der Sinti und Roma bekanntgeworden. Zahlreiche Journalisten in Presse, Funk und Fernsehen haben über die Initiativen dieses Verbandes berichtet und häufig dessen Behauptungen über Fälle von Diskriminierung Und Benachteiligung bestätigt. Die plötzliche, beachtliche Publizität, die der „Verband Deutscher Sinti" heute in der Öffentlichkeit genießt, erklärte dessen Vorstandsmitglied und Pressesprecher Romani Rose folgendermaßen: „Als ich 1978 die Unterstützung der . Gesellschaft für bedrohte Völker'für unsere Sache und für unsere Bürgerrechtsarbeit finden konnte, ergaben sich für uns wichtige Kontakte zu Bundes-Politikern (wie z. B. zu Bundesjustizminister Vogel und zu Abgeordneten in Bonn und in den Landtagen), zu Parteien, Kirchen, zu verschiedenen Organisationen und im Herbst 1979 über Frau Simone Veil die Verbindung zum Europaparlament in Straßburg. Mit dieser Unterstützung der . Gesellschaft für bedrohte Völker'war es dem . Verband Deutscher Sinti'34 Jahre nach dem Krieg endlich möglich, seine Anliegen und Forderungen in die Öffentlichkeit zu bringen und zahlreiche Journalisten in Funk, Fernsehen und Zeitungen und vor allem immer mehr Sinti für unsere Bürgerrechtsarbeit zu interessieren."

Im Laufe der Jahre 1979/80 hat sich der „Verband Deutscher Sinti" dann bundesweit etablieren können, während gleichzeitig regionale Sinti-und Roma-Vereine gegründet wurden, zum Teil gemeinsam mit Nicht-Sinti, die anläßlich einer Tagung der Friedrich-Naumann-Stiftung Ende Juni 1980 in Kiel dem „Verband Deutscher Sinti" das Vertrauen für seine überregionale Bürgerrechtsarbeit aussprachen und sich hinter das Memorandum des Verbandes als einen Forderungskatalog an Bund und Länder stellten und gegenseitige Konsultationen vereinbarten. Den neu entstandenen Sinti-und Roma-Verbänden kommt neben der überregionalen Bürgerrechtsarbeit besondere Bedeutung zu, weil sie entsprechend der jeweiligen Situation am Ort gegen die alltägliche Diskriminierung vorgehen und die lokalen Belange der Sinti wirksam vertreten können. Im Februar 1982 schlossen sich die genannten Verbände zum Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zusammen, der seither wirksam bundesweit für die Interessen der deutschen Sinti und Roma eintritt (1. und 2. Vorsitzende Romani Rose und Lolotz Birken-felder). Inzwischen wurden eine Reihe der im Memorandum niedergelegten Forderungen erfüllt. Der frühere Bundeskanzler Schmidt, Bundespräsident Carstens und der ehemalige Oppositionsführer Kohl haben Sprecher des Zentral-rates zu Gesprächen empfangen und den Völkermord öffentlich anerkannt und bedauert. Erste Schulbücher wurden diesem Teil der

Vergangenheitsbewältigung geöffnet. Die Wiedergutmachung wurde wiederaufgenommen, jedoch völlig unzureichend auf 5 000 DM pro Antragsteller beschränkt. Eine Bundestagsdebatte zur Lage der Sinti und Roma wurde angesetzt. Einige der schlimmsten Ghettos wurden aufgelöst, Wohnungen zur Verfügung gestellt, in einigen Städten wurden Häuser für Sinti-Fämilien gebaut. Vom Bundesinnenminister wurden Richtlinien für die Einbürgerung und Wiedereinbürgerung erlassen. Verschiedene Bundesländer erließen neue Anweisungen für öffentliche Campingplätze; Halteplätze für ambulante Händler werden von einigen Städten geplant; CDU-wie SPD-regierte Bundesländer und die Bundesregierung haben von den Sinti-Roma-Verbänden geführte Beratungszentren eingerichtet. Die Bürgerrechtsbewegung hat engagierte Fürsprecher in den Parlamenten der Länder und im Bundestag gefunden, Sprecher der jüdischen Gemeinden und der „Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit" sind öffentlich für die Belange der Volksgruppe eingetreten. Verschiedene Bürgerinitiativen für Sinti und Roma wurden ins Leben gerufen; im Rahmen der evangelischen Kirchen ist ein erfolgreich wirkender Arbeitskreis unter Prof. Meueler entstanden. Nach dem gemeinsamen Auftreten des katholischen Bischofs von Hildesheim mit dem Zentralrat im ehemaligen KZ Bergen-Belsen im September 1982 wurde auch das bisher dank der katholischen Zigeunerseelsorge belastete Verhältnis zur katholischen Kirche entkrampft.

Auf Initiative der Sozialreferentin der „Katholischen Zigeuner-und Nomadenseelsorge" hatten sich nämlich Sprecher „nichtorganisierter Sinti-Gruppen" aus dem Schwarzwald und Köln im Mai und April 1982 an die Öffentlichkeit gewandt und sich von verschiedenen Forderungen der Verbände und „deren Holocaustgeschrei" distanziert, weil Forderungen nach Wiedergutmachung und Anerkennung des Genozids zukünftig stärkere Diskriminierungen nach sich ziehen würden Der Sprecher der Hamburger „Roma-und Sinti-Union", Rudko Kawczynski, hat immer wieder darauf hingewiesen, daß die Ängste so vieler Angehöriger seiner Volksgruppe, auch nur den Holocaust in der Öffentlichkeit zu erwähnen, die Einschüchterung und Unterdrückung von Sinti und Roma seit 1945 illustrieren Die Sprecher der Kölner Gruppe gründeten jedoch im Sommer 1982 einen Landesverband der Sinti in Nordrhein-Westfalen und schlossen sich dem Zentralrat an. Dennoch werden von verschiedenen Sinti Positionen, die der Verbandsarbeit skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, durchaus weiter vertreten, und der Zentralrat beansprucht nicht, alle Sinti und Roma der Bundesrepublik zu vertreten, wohl aber, sich gegen jede Diskriminierung von Angehörigen der Volksgruppe zu wenden.

Ein ungelöstes Problem deutscher Sinti und Roma bleibt — nach Ansicht des Zentralrates — die Diskriminierung der Volksgruppe durch verschiedene Polizeidienststellen in vielen Teilen der Bundesrepublik. Besondere polizeiliche Aufmerksamkeit erfährt eine fahrende Gruppe von 1 000 bis 2 000, meist staatenlosen Roma hauptsächlich jugoslawischer Herkunft, denen selbst die Ausstellung von Fremdenpässen und in den meisten Fällen der längere Aufenthalt in deutschen Städten verwehrt wird Die so verständlicherweise im Verhältnis zur übrigen deutschen Bevölkerung und den deutschen Sinti und Roma überproportionale Einbruch-Diebstahls-Kriminalität dieser Gruppe führt immer wieder zu grotesken polizeilichen Übertreibungen einerseits (alle ungeklärten Diebstähle einer Region werden diesen Menschen untergeschoben) und polizeilicher Willkür gegenüber allen Sinti-und Roma-Familien (kollektive Polizeirazzien ohne Hausdurchsuchungsbefehl gegen alle Angehörigen der Volksgruppe in einer Siedlung, eines Platzes oder eines Stadtteils) andererseits.

Besonders demprimierend sind von Lokalredaktionen übernommene Polizeiberichte die Diebstahls-und Einbruchs-Kriminalität mit der Volksgruppe insgesamt in Verbindung bringen. Der Zentralrat hat diese Praktiken mit ähnlichen polizeilichen Aktionen in der Weimarer Republik gegen staatenlose Ostjuden zum Beispiel des Berliner Scheunenviertels verglichen Diese jüngste Entwicklung droht neue Ressentiments aufzubauen und vielen guten Willen auf Seiten der Parteien, der Kirchen, der jüdischen Gemeinden und der Sinti und Roma wieder zu neutralisieren. Hier kann nur eine konstruktive rechtliche und soziale Hilfe für die staatenlosen Roma und eine sorgfältige Berichterstattung der Presse sowie klare Anweisungen der politisch Verantwortlichen an die Polizeibehörden Abhilfe schaffen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ernst Tugendhat, Vorwort, in: Tilman Zülch, In Auschwitz vergast, bis heute verfolgt — Zur Situation der Roma (Zigeuner) in Deutschland und Europa, herausgegeben für die „Gesellschaft für bedrohte Völker“, Reinbek 1979, S. 9.

  2. Adolf Würth, Bemerkung zur Zigeunerfrage und Zigeunerforschung in Deutschland, in: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Rassenforschung, Bd. IX, Sonderheft zum XV. Jahrgang des „Anthropologischen Anzeigers", Stuttgart 1938,

  3. Ernst Tugendhat, a. a. O., S. 9f.

  4. Anton Obermayer, Die Zigeuner, Bekämpfung des Zigeunerunwesens, in: Staatslexikon, Freiburg 5 1932, S. 1596— 1600, zitiert bei: Joachim S. Hohmann, Geschichte der Zigeunerforschung in Deutschland, Frankfurt/New York 1981, S. 124.

  5. Hohmann, a. a. O„ S. 99.

  6. Hohmann, a. a. O„ S. 110.

  7. K. Rüdiger, Parasiten der Gemeinschaft, in: „Volk und Rasse“, München 1938, S. 87 ff.

  8. Jens Paulsen, Biologische Betrachtungen an Zigeunern, in: „Rasse", Monatsschrift der nordischen Bewegung, Leipzig 1936, S. 14— 17.

  9. R. Körber, in: „Volk und Staat", 1936, zitiert bei Kenrick/Puxon, Sinti und Roma — Die Vernichtung eines Volkes im NS-Staat, Reihe . pogrom', Göttingen 1981, S. 53.

  10. Robert Krämer, Rassische Untersuchungen an den Zigeunerkolonien Lause und Altengraben bei Berleburg, in: Archiv für Rassen-und Gesellschaftsbiologie einschließlich Rassen-und Gesellschaftshygiene, 31. Band, Heft 1, München 1937/38, S. 33, zitiert bei Hohmann, a. a. O., S. 133.

  11. Die Jenischen waren eine vorwiegend fahrende Volksgruppe, die wahrscheinlich vor allem deutsch-stämmiger Herkunft ist, aber auch Sinti und Roma zu ihren Vorfahren zählt Ihre Sprache war das Rotwelsch. In Deutschland haben sich leider vor (Ritter) und nach dem Kriege (Arnold) vornehmlich nur rassenbiologisch orientierte Forscher ihrer angenommen, so daß ihr Bild völlig verzeichnet ist. über das Schicksal der Jenischen im Dritten Reich ist wenig bekannt In der Schweiz gelten die Jenischen als die einzigen einheimischen „Zigeuner", ihre „Radgenossenschaft der Landstraße" gehört heute dem Welt-Roma-Kongreß an.

  12. Zu Hans Globke, lange Jahre als Staatssekretär enger Berater Konrad Adenauers, siehe auch Reinhard Strecker, Dr. Hans Globke, Aktenauszüge, Dokumente, Hamburg 1961.

  13. Caesar Schäffer, Volk und Vererbung. Eine Einführung in die Erbforschung, Familienlehre, Rassen-lehre, Rassenpflege und Bevölkerungspolitik. Leipzig und Berlin, 193710, zitiert bei Hohmann, a. a. O„ S. 101.

  14. Robert Ritter, Erbbiologische Untersuchungen innerhalb eines Züchtungskreises von Zigeuner-mischlingen und asozialen Psychopathen, in: Bevölkerungsfragen, Bericht d. Internat. Kongresses für Bevölkerungswissenschaft, Berlin, 26. 8. — 1. 9. 1935, von Hans Harmsen und F. Lohse (Hrsg.), München 1936, S. 713 ff.

  15. Robert Ritter, Die Bestandsaufnahme der Zigeuner und Zigeunermischlinge in Deutschland, in: öffentlicher Gesundheitsdienst, 6. Jg., 5. 2. 1941, Heft 21, S. 480.

  16. Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 57.

  17. Robert Ritter, Ein Menschenschlag. Erbärztliche und erbgeschichtliche Untersuchungen ... Nachkommen von Vagabunden, Gaunern und Räubern, Leipzig 1937, S. 8.

  18. Robert Ritter (wie Anm. 15), S. 481.

  19. Siegmund Wolf, Großes Wörterbuch der Zigeunersprache, Mannheim 1960, S. 25.

  20. Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 58.

  21. R. Ritter (wie Anm. 15), S. 480.

  22. R. Ritter (wie Anm. 15), S. 484.

  23. Fritz Greußing, Die Kontinuität der Zigeunerforschung, in: Sinti und Roma — Ein Volk auf dem Wege zu sich selbst, Nr. 4 d. Zeitschrift für Kulturaustausch, 31. Jg„ Stuttgart 1981, S. 385 ff.

  24. Simon Wiesenthal, Doch die Mörder leben, 1967, S. 290, zitiert bei Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 67.

  25. Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 74.

  26. SPO IV DC c 927/44 g. 24 zitiert bei Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 78.

  27. Selma Steinmetz, Österreichs Zigeuner im NS-Staat, Wien, Frankfurt, Zürich, 1966, S. 10f.

  28. Kenrick/Puxon, a. a. O„ S. 79.

  29. Selma Steinmetz, Die Verfolgung der burgenländischen Zigeuner, in: Zülch, a. a. O., S. 112.

  30. Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 81 ff.

  31. Ben Sijes, Verfolging van Zigeuners in Nederland 1940— 1945, Den Haag 1977, S. 167 ff.

  32. Ragnhild Schlüter, Die Roma in norwegischen Schulen, in: III. Welt-Roma-Kongreß 1981, Sonderausgabe der Zeitschrift , pogrom', Nr. 80/81, 12. Jg„ Göttingen 1981, S. 28.

  33. Simon Wiesenthal, in: Rückblick auf den III. Welt-Roma-Kongreß in Göttingen, Sonderausgabe . pogrom', Nr. 84, 12. Jg. Göttingen 1981, S. 10.

  34. Fritz Ruland, Die Zigeunerfrage im Südosten, in: Volkstum im Südosten. Volkspolitische Monatsschrift, Wien 1942, S. 163— 169.

  35. Ctibor Pokorhy, Zigeunerromantik im Verschwinden, in: Slowakische Rundschau, 3. Jg., Nr. 1/2, Bratislava/Preßburg, 1. 1. und 15. 1. 1942, unpaginiert, zitiert bei: Joachim S. Hohmann, Zigeuner und Zigeunerwissenschaft — Ein Beitrag zur Grundlagenforschung und Dokumentation des Völkermordes im . Dritten Reich', Reihe Metro, Marburg 1980, S. 24 ff.

  36. Eva Justin, Die Rom-Zigeuner, in: Neues Volk. Blätter des rassenpolitischen Amtes der NSDAP, 11. Jg. Heft 5, Verlag Neues Volk, Berlin, Juli 1943, S. 21 ff.

  37. Donald Kenrick, Die Vernichtung der Sinti und Roma im NS-Herrschaftsbereich, in: Kulturaustausch, a. a. O., S. 395.

  38. Einer der überlebenden ist der Wissenschaftler Jan Kochanowski, heute Paris.

  39. Arthur Kornhuber, Volk am Rande der Menschheit — Ein drängendes Sozialproblem Ungarns, in: Die Auswahl, 5. Jg., Berlin 1943, S. 265/266, zitiert bei Hohmann, Zigeunerverfolgung, a. a. O., S. 172.

  40. Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 95.

  41. Nürnberger Dokumente, Nokw-905, zitiert bei Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 90.

  42. A. Kuznetsov, Babi Yar, London 1967, S. 100, zitiert bei Kenrick/Puxon, a. a. O., S. 105.

  43. Kenrick/Puxon, a. a. O.

  44. Donald Kenrick, Die Vernichtung der Sinti und Roma im NS-Herrschaftsbereich, in: Kulturaustausch, a. a. O., S. 394.

  45. Bernhard Streck, Nationalistische Methoden zur Lösung der Zigeunerfrage, in: Ethnologische Absichten, Nr. 7, Berlin 1981, S. 57 ff., und derselbe, Zur Lösung des Zigeunerproblems, in: Tribüne, Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Heft 78, 20. Jg„ Frankfurt 1981, S. 53ff.

  46. Ö. Müller, V. Lynchburg, Sinti und Roma: Kein Völkermord, Eine Reihe von Leserbriefen an den „Kanada-Kurier", 6. 5. 1982; siehe auch Berichterstattung der „Deutschen Nationalzeitung".

  47. Bernhard Streck, Zigeuner in Auschwitz. Chronik des Lagers B Ile, in, Mark Münzel u. Bernhard Streck, Kumpania und Kontrolle, Gießen 1981, S. 115.

  48. Amanda Dambrowski, Das Schicksal einer ostpreußischen vertriebenen Sinti-Familie im NS-Staat, in: pogröm Nr. 80/81, S. 72 ff. 48a) Ernst Tugendhat, a. a. O., in: Zülch, a. a. O., S. 9 ff.

  49. Anton Franz, Romani Rose, Ranco Brandner, Zigeunerseelsorge und Rassenideologie. Die Beziehungen der Katholischen Zigeunerseelsorge und des Bundesfamilienministeriums zu dem Rassehygieniker Dr. med. Hermann Arnold — ein Stück deutscher Geschichte, in: pogrom Nr. 80/81, S. 175.

  50. Schreiben S. Ehrhardts vom 27. 8. 1980 an Prof. Hans Booms, Präsident des Bundesarchivs in Koblenz, in dem Frau Ehrhardt sich als leitende Mitarbeiterin Ritters zu erkennen gab; siehe Sophie Ehrhardt, Zigeuner und Zigeunermischlinge in Ostpreußen, in: Volk und Rasse, Heft 3, 17. Jg., München 1942, S. 52— 57.

  51. Fritz Greußing, in: Kulturaustausch, a. a. O., S. 391.

  52. Fritz Greußing, Das offizielle Verbrechen der 2. Verfolgung, in: Zülch, a. a. O., S. 195.

  53. Hans Eller (Kriminalamtmann, Bayr. Landeskriminalamt, München), Die Zigeuner — ein Problem, in: Die Neue Polizei, München, Mai 1954; Rudolf Uschold (Kriminalsekretär, Sachbearbeiter für Zigeunerfragen beim Zentralamt für Kriminalidentifizierung und Polizeistatistik des Landes Bayern) („Landfahrerzentrale", d. Verf.), Das Zigeunerproblem, in: Die Neue Polizei, Nr. 3 u. 4, München 1951; Georg Geyer (Kriminaloberinspektor, Bay. Landeskriminalamt), Das Landfahrerwesen — polizeilich gesehen, in: Die Neue Polizei, Nr. 1 u. 2, München

  54. Stuttgarter Nachrichten vom 7. 11. 1981.

  55. Schreiben von Pastor Achim Muth, National-seelsorger der Katholischen Zigeuner-und Nomadenseelsorge, an die „Gesellschaft für bedrohte Völker", Hildesheim, 7. 1. 1974; Hermann Arnold, Das Zigeunerproblem, in: Caritas, Die Zigeuner — Aufgaben und Möglichkeiten, Nr. 6, 74. Jg., Nov. 1973, S. 281 ff.

  56. Franz, Rose, Brandner, in: pogrom, Nr. 80/81, S. 171 f., beziehen sich auf die Tagung des „Dt. Vereins" vom 11. 6. 1976 in Frankfurt u. a. mit Hermann Arnold.

  57. Schreiben des Bundesfamilienministeriums an die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ vom 21. 8.

  58. Hermann Arnold, Ein Menschenalter danach — Anmerkungen zur Geschichtsschreibung der Zigeunerverfolgung, in: Mitteilungen zur Zigeunerkunde, Beiheft Nr. 4, Mainz, Oktober 1977.

  59. Hermann Arnold, Zur Frage der Fruchtbarkeit..., in: Homo, Göttingen, Nr. 18/1978.

  60. Zitiertnach folgenden drei Aufsätzen: Hermann Arnold, Bevölkerungsbiologische Beobachtungen an Sippenwanderern in: Homo, Göttingen 1960; Wer ist Zigeuner?, in: Zeitschrift für Ethnologie, Band 87, Braunschweig 1962; Zur Frage der Fruchtbarkeit ... (siehe Anm. 59).

  61. Hermann Arnold, Geburtenkontrolle bei soge-nannten Asozialen, in: Städtehygiene, Nr. 2/1966.

  62. Siehe z. B. Trierischer Volksfreund vom 15. 7.

  63. Hermann Arnold, Vaganten, Komödianten, Fieranten und Briganten, Stuttgart 1958.

  64. Hohmann, a. a. O„ S. 115.

  65. Wolf, a. a. O., S. 24.

  66. Z. B. Helga Hagelüken, Die Zigeunerforschung im Dritten Reich, schriftl. Arbeit für das Lehramt an Realschulen, Göttingen, April 1980, S. 1.

  67. Anzeige von Hermann Arnold gegen die „Gesellschaft für bedrohte Völker" vom 13. 1. 1980 bei der Staatsanwaltschaft Göttingen.

  68. A. a. O„ Stuttgarter Nachrichten.

  69. Mitteilung von Dr. Oldenhage, Bundesarchiv, an Fritz Greußing, Göttingen, im Februar 1982.

  70. Arnold Spitta, Wiedergutmachung oder wider die Gutmachung?, in: Zülch, a. a. O., S. 161.

  71. Sozialdienst katholischer Männer e. V„ 1968— 1979, Zigeuner-Projekt Köln-Lengerich, auf dem Ginsterberg, Köln 1979, und Hans-Peter Mehl u. Adolf Dettling, Die Freiburger Zigeuner — Auf der Suche nach einer neuen Identität, in: Freiburger Stadthefte Nr. 25, Freiburg 1978.

  72. „Bei Hinweisen gegen Zigeuner wird auf Wunsch Vertraulichkeit zugesichert — Rassenpolitik der Stadtverwaltung Gelsenkirchen", in: Zülch, a. a. O., S. 241 ff.

  73. Fritz Greußing, Reißt die Schilder herunter, Zigeuner melden sich auf dem Evangelischen Kirchentag zu Wort, in: Bundesrepublik Deutschland: Bürgerrechte für Roma (Zigeuner), pogrom Nr. 68, 10. Jg. Oktober 1979, S. 10.

  74. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. 11. 1980.

  75. Sieghart Ott, Die unwillkommenen Deutschen, in: Zülch, a. a. O., S. 227 ff., und Sozialdienst katholischer Männer, Bei Hitler waren wir wenigstens noch Deutsche, in: Zülch, a. a. O„ S. 237 ff.

  76. Aufgrund von Informationen zahlreicher Roma aus Polen und anderen Ostblockländern.

  77. Aufgrund von Informationen von Sinti-Flüchtlingen aus der DDR; als höchste Zahl werden 3 000 Sinti angegeben.

  78. Romani Rose, Sinti und Roma im ehemaligen KZ Bergen-Belsen, hrsg. vom Verband Deutscher Sinti und der Gesellschaft für bedrohte Völker, Reihe pogrom, 1980, S. 15f.

  79. Rundbrief von Silvia Sobeck, Sozialreferentin der „Katholischen Zigeuner-und Nomadenseelsorge, Köln, vom 2. 5. 1982.

  80. „Droht der Bürgerkrieg unter den Zigeunern?", Hannoversche Allgemeine, 6. 5. 1982.

  81. Zur Arbeit der „Rom u. Cinti-Union": „Bericht zur Lage der Rom und Cinti in Hamburg", E. Patrin, Hamburg 1982.

  82. Fritz Greußing, Die Vertreibung der „fahrenden“ Roma aus Jugoslawien und ihre Heimatlosigkeit in Westeuropa, in: pogrom Nr. 92, Sept. —Okt. 1982,

  83. Um einen besonders aggressiven, gegen die gesamte Volksgruppe gerichteten Artikel auszuwählen, siehe Frank Horeni, „Kinder, die auf Diebestour geschickt werden“, FAZ 30. 3. 1982.

  84. Eike Geisel, Im Scheunenviertel, Berlin 1981.

Weitere Inhalte

Tilman Zülch, geb. 1939 in Deutsch-Libau, Sudetenland; Studium der Volkswirtschaft und Politik, verantwortlicher Redakteur der Minderheitenzeitschrift . pogrom', Gründer der „Gesellschaft für bedrohte Völker", Menschenrechtsorganisation für ethnische, rassische und religiöse Minderheiten in Göttingen. Veröffentlichungen u. a.: Biafra. Todesurteil für ein Volk?, Berlin 1968; Von denen keiner spricht. Unterdrückte Minderheiten — von der Friedenspolitik vergessen (Hrsg.), Reinbek 1975; In Auschwitz vergast, bis heute verfolgt. Zur Situation der Roma (Zigeuner) in Deutschland und Europa (Hrsg.), Reinbek 1979; Die Zigeuner, verkannt, verachtet, verfolgt (zusammen mit Donald Kenrick und Grattan Puxon), Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, Hannover 1980.