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Im Namen des Volkes | APuZ 8-9/1983 | bpb.de

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APuZ 8-9/1983 Im Namen des Volkes Abweichende Meinung des Vizepräsidenten Zeidler zur Begründung des Urteils des Zweiten Senats vom 16. Februar 1983 — 2 BvE 1-4/83 — Abweichende Meinung des Richters Dr. Rinck zu dem Urteil des Zweiten Senat vom 16. Februar 1983 — 2 BvE 1-4/83 — Abweichende Meinung des Richters Dr. Rottmann zu dem Urteil des Zweiten Senats vom 16. Februar 1983 — 2 BvE 1-4/83 — Artikel 1

Im Namen des Volkes

/ 72 Minuten zu lesen

Bundesverfassungsgericht — 2 BvE 1/83 — — 2 BvE 2/83 — — 2 BvE 3/83 — — 2 BvE 4/83 — Verkündet am 16. Februar 1983 Höfel Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Organstreitverfahren über den Antrag, festzustellen, daß der Bundespräsident durch seine Anordnung über die Auflösung des 9. Deutschen Bundestages vom 6. Januar 1983 (BGBl. I S. 1) und seine Anordnung über die Bundestagswahl 1983 vom 6. Januar 1983 (BGBl. I S. 2) gegen Art. 68 Abs. 1 GG verstoßen und dadurch die Antragsteller in ihren verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt bzw. unmittelbar gefährdet hat — Antragsteller: 1. Karl-Hans Lagershausen, Mitglied des Deutschen Bundestages, Schlüte, Berne, — Bevollmächtigter: Professor Dr. Rainer Wahl, Sundgauallee 68, Freiburg — — 2 BvE 1/83 —, 2. Friedhelm Rentrop, Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundeshaus, Bonn 1, 3. Hansheinrich Schmidt, Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundeshaus, Bonn 1, — Bevollmächtigter der Antragsteller zu 2) und 3): Professor Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, Beim Hochwald 30, Mannheim 31 — — 2 BvE 2/83 — — 2 BvE 3/83 —.

4. Karl Hofmann, Mitglied des Deutschen Bundestages, Rodacher Straße 46, Kronach, — Bevollmächtigter: Professor Dr. Klaus Schlaich, Wolkenburgstraße 2, St. Augustin 2 — — 2 BvE 4/83 —, — Antragsgegner: Bundespräsident Karl Carstens, Adenauerallee 135, Bonn 1, — Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Hermann Maassen, Mendelssohnstraße 12, Bonn-Bad Godesberg — hat das Bundesverfassungsgericht — Zweiter Senat — unter Mitwirkung der Richter Vizepräsident Zeidler als Vorsitzender, Rinck, Wand, Rottmann, Niebler, Steinberger, Träger, Mahrenholz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 1983 durch Urteil für Recht erkannt:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe: A.

Gegenstand der zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Organstreitverfahren ist die Frage, ob die Anordnungen des Bundespräsidenten vom 6. Januar 1983, den 9. Deutschen Bundestag aufzulösen und den Zeitpunkt der Neuwahl des Deutschen Bundestages auf den 6. März 1983 festzusetzen (BGBl. I S. 1, 2), die Antragsteller in ihrem Status als Abgeordnete des Bundestages unmittelbar gefährden oder verletzen.

I.

1. Die Antragsteller gehören dem 9. Deutschen Bundestag an, der am 5. Oktober 1980 gewählt worden und am 4. November 1980 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten ist Der Antragsteller zu 1) wurde im Wege der Listennachfolge (§ 48 BWahlG) im Jahre 1982 Bundestagsabgeordneter; er gehört der Fraktion der CDU/CSU an. Die Antragsteller zu 2) und 3) gehören der Fraktion der FDP an. Der Antragsteller zu 4) war bis zum 31. März 1982 Mitglied der Fraktion der SPD; seitdem ist er fraktionslos.

2. Bei der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag erhielten die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 42, 9% und die Freie Demokratische Partei (FDP) 10, 6% der Stimmen; dementsprechend entfielen auf die SPD 218 und auf die FDP 53 Mandate. Die Christlich Demokratische Union (CDU) erhielt 34, 2% und die Christlich-Soziale Union (CSU) 10, 3% der Stimmen; CDU und CSU erhielten zusammen 226 Sitze.

a) SPD und FDP hatten den Wahlkampf mit dem erklärten Ziel geführt, die bisherige sozialliberale Koalition fortzuführen. Dementsprechend kam es zur Koalitionsvereinbarung von SPD und FDP. Am 5. November 1980 wählte der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der in den Fraktionen der SPD und der FDP zusammengeschlossenen Abgeordneten Helmut Schmidt zum Bundeskanzler (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 9. Wp„ Bd. 117, S. llf.). Nach Bildung der neuen Koalitionsregierung erklärte der Bundeskanzler am 24. November 1980 im Bundestag (a. a. O., S. 25):

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und die Freie Demokratische Partei haben am 5. Oktober von den Bürgerinnen und den Bürgern unseres Landes, mit verstärkter Mehrheit, abermals den Auftrag erhalten, die so zialliberale Koalition und deren politischen Kurs fortzusetzen...

b) Am 3. Februar 1982 stellte Bundeskanzler Schmidt gemäß Art. 68 GG den Antrag, ihm „das Vertrauen auszusprechen''(BT-Drucks. 9/1312), um sich der parlamentarischen Unterstützung seiner Regierung zu versichern (vgl. Deutscher Bundestag, StenBer. 84. Sitzung vom 5. Februar 1982, S. 5050f.). Der Antrag wurde mit den Stimmen der Mitglieder der Fraktionen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU angenommen (a. a. O., S. 5070).

c) Ungeachtet dieses Abstimmungsergebnisses traten im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen spätestens seit dem Früh-sommer 1982 zunehmende Spannungen zwischen den Koalitionspartnern auf, die schließlich zum Bruch der Koalition führten. Nachdem am 17. September 1982 die vier der FDP angehörenden Minister der Bundesregierung zurückgetreten waren, machte Bundeskanzler Schmidt am selben Tage im Bundestag den Vorschlag, die innenpolitische Krise durch Neuwahlen zum Bundestage zu überwinden (StenBer. S. 7074 B). Er bot der Opposition an, an einer Vereinbarung mitzuwirken, die den Weg zu unverzüglichen Neuwahlen über die Stellung der Vertrauensfrage gemäß Art. 68 GG eröffne (a. a. O., S. 7074 C, D, 7075 A. B). Die Opposition lehnte diesen Vorschlag ab. Der Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Kohl, wies in seiner Erwiderung darauf hin. daß das Grundgesetz für die zu bewältigende politische Situation zwar das Institut der Vertrauensfrage (Art. 68 GG) vorsehe, jedoch nicht auf dem Weg der vom Bundeskanzler vorgeschlagenen Vereinbarung. Anschließend stellte er fest (a. a. O., S. 7078 A):

Wir, die CDU/CSU, gehen den von der Verfassung vorgesehenen Weg. Wir werden zu unserer Verantwortung stehen. Wir werden versuchen, so rasch wie möglich eine handlungsfähige Regierung zu bilden, und uns dann der Wahlentscheidung unserer Mitbürger stellen.

Der Abgeordnete Genscher (FDP) bekundete für seine Fraktion ebenfalls die Absicht, zunächst ohne Neuwahlen eine „handlungsfähige Regierung" zu bilden, fügte aber hinzu (a. a. O„ S. 7082 C):

Wenn diese Regierung die jetzt unmittelbar vor uns liegenden Aufgaben erledigt hat, sollte sie sich mit diesen Aufgaben, ihrer Erledigung und ihrem Programm dem Wähler zur Wahl stellen. Sollte die Bildung einer solchen Regierung aus diesem Bundestag heraus nicht möglich sein, so muß es zu Neuwahlen kommen.

In den folgenden Tagen fanden Koalitionsverhandlungen zwischen den Vorsitzenden der CDU, der CSU und der FDP und diesen Parteien angehörenden Abgeordneten statt. Am 21. September 1982 wurde darüber ein Kommuniqu 6 veröffentlicht, in dem es u. a. heißt (Union in Deutschland, Informationsdienst der Christlich Demokratischen Union Deutschlands 28/82 vom 23. September 1982, S. 1):

Die Partei-und Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und FDP empfehlen ihren Fraktionen, am Freitag, dem 1. Oktober 1982, Helmut Kohl zum Bundeskanzler zu wählen. Sie gehen ... von der Erwartung aus, daß zeitgerechte Vereinbarungen für die politische Zusammenarbeit in der neuen Bundesregierung und der neuen Mehrheit im Bundestag erreicht werden, die erfolgreiches, gemeinsames Handeln zur Lösung der wichtigsten Aufgaben deutscher Politik gewährleisten. Sie halten baldige Neuwahlen zum Bundestag für erforderlich.

Helmut Kohl erklärt, daß er als gewählter Bundeskanzler noch in diesem Jahr den Zeitpunkt für das Ingangsetzen des verfassungsmäßigen Verfahrens bekanntgeben wird, damit am ersten Sonntag im März Neuwahlen zum Deutschen Bundestag stattfinden können.

Am 28. September 1982 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 GG den Antrag ein, der Bundestag möge Bundeskanzler Helmut Schmidt das Mißtrauen aussprechen und zu seinem Nachfolger den Abgeordneten Dr. Helmut Kohl wählen (BTDrucks. 9/2004). Die Abstimmung über diesen Antrag fand am 1. Oktober 1982 statt. Für den Antrag stimmten von den anwesenden 495 voll stimmberechtigten Abgeordneten in geheimer Wahl 256, dagegen 235 Abgeordnete; vier Abgeordnete enthielten sich der Stimme (Deutscher Bundestag, StenBer. vom 1. Oktober 1982, S. 7201 B).

Am 13. Oktober 1982 gab der neue Bundeskanzler im Bundestag für die Bundesregie-

rung u. a. folgende Erklärung ab (StenBer.

S. 7215B):

Die Koalitionsparteien FDP, CSU und CDU haben vereinbart, sich am 6. März 1983 dem Urteil der Wähler zu stellen. Dies ist auch die Meinung der Bundesregierung. Ich weiß, daß es verfassungsrechtlich nicht einfach ist, diese Absicht zu verwirklichen. Aber ich gehe davon aus, Herr Kollege Wehner, daß Sie als Fraktionsvorsitzender der SPD und der Kollege Brandt als Parteivorsitzender der SPD gemeinsam mit den anderen Fraktions-und Parteivorsitzenden meine Einladung annehmen werden, gemeinsam über die in der Verfassung vorgesehenen Möglichkeiten zu sprechen, aber auch jene Wege in unser Gespräch mit einzubeziehen, die die Enquete-Kommission Verfassungsreform dem Bundestag vorgezeichnet hat.

Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher, daß wir gemeinsam einen Weg finden, da wir doch gemeinsam draußen ... erklären:

Wir wollen jetzt wählen. Am 6. März werden wir wählen.

Auch der Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Dregger, griff in seiner Stellungnahme zur Regierungserklärung das Thema „Neuwahl am 6. März" auf und führte aus, daß sich das Regierungsprogramm der neuen Koalition auf das Wesentliche und auf das in den Monaten bis zum 6. März Notwendige konzentriere (a. a. O., S. 7251 A). Sodann fügte er hinzu (a. a. O., S. 7251 A, B):

Bis zum 6. März nächsten Jahres kann die neue Regierung die zerrütteten Staatsfinanzen nicht sanieren und die dramatisch steigende Massenarbeitslosigkeit nicht stoppen. Sie kann nur erste Notmaßnahmen ergreifen und erste Weichen in eine bessere Zukunft stellen ... Das, was in vielen Jahren angerichtet worden ist, kann nicht in wenigen Monaten wieder alles in Ordnung gebracht werden. Dazu ist mindestens eine ganze Legislaturperiode notwendig, die es ohne Neuwahlen nicht geben wird.

In ähnlichem Sinne nahm der Bundesminister des Auswärtigen und Bundesvorsitzender der FDP, Genscher, in derselben Debatte Stellung (a. a. O., S. 7254 A; S. 7255 A, B):

Wir aber werden am 6. März des nächsten Jahres Neuwahlen durchführen und uns dem Urteil der Wähler stellen. An der Herbeiführung dieser Neuwahlen mitzuwirken, wie wir sie für den 6. März 1983 wollen, sollte jedes Mitglied des Deutschen Bundestages als seine Pflicht betrachten... Bevor wir am 6. März des nächsten Jahres diese Neuwahlen abhalten, wollen wir das Haus in Ordnung bringen, d. h.den Bundeshaushalt und die Spargesetze verabschieden.

Der bayerische Ministerpräsident und Vorsitzende der CSU, Dr. h. c. Strauß, führte im Rahmen der Aussprache über die Regierungser-klärung am 14. Oktober 1982 u. a. aus (a. a. O., S. 7323 D):

Bei einer Regierung, deren Chef in Überein-stimmung mit den Koalitionspartnern den 6. März als Tag der nächsten Bundestagswahl in der Öffentlichkeit verbindlich angegeben hat, kommt es doch nicht darauf an, jetzt in wenigen Monaten ein Programm zu entwerfen, für dessen Durchführung, für dessen Verhandlung man sicherlich mehr als einige Tage braucht — ich habe einige Erfahrung in Koalitionsverhandlungen aus den 50er und 60er Jahren —, für dessen Durchführung man vor allen Dingen einen längeren Zeitraum braucht. Darum ist diese Regierungserklärung — das war auch meine Meinung bei der Ausarbeitung des Koalitionspapiers — in der Hauptsache darauf abgestellt, in der Wirtschafts-, Finanz-und Sozialpolitik die Wende einzuleiten, im übrigen bei den anderen Gebieten die Kontinuität zu gewährleisten oder — auch das soll hier offen gesagt werden — kontroverse Themen zwischen den Unionsparteien und der FDP auszuklammern.

Für die Fraktion der SPD erklärte der Abgeordnete Dr. Ehmke die Bereitschaft zu einer Erörterung aller mit der Neuwahl verbundenen Aspekte einschließlich der „verfassungsrechtlichen". Der Bundeskanzler dürfe von seiner Zusage der Neuwahlen am 6. März nichts zurücknehmen (a. a. O., S. 7234 B, C). 3. Am 13. Dezember 1982 brachte der Bundeskanzler im Bundestag einen . Antrag gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes" ein, dem eine Begründung nicht beigegeben war (BTDrucks. 9/2304).

Im Rahmen der Beratung des Haushaltsgesetzes 1983 am 14. Dezember 1982 nahm der Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Dregger, nach einem Hinweis auf die bisherige Arbeit der neuen Koalitionsregierung zu diesem Antrag wie folgt Stellung (StenBer., S. 8578 C. D; S. 8579 A, B):

Diese in nur zehn Wochen erreichten Erfolge der Regierung Kohl/Genscher erlauben es, ohne Schaden für unser Land den Weg zu Neuwahlen zu öffnen. Diese Neuwahlen werden von allen demokratischen Parteien und, wie die demoskopischen Umfragen bestätigen, auch von der großen Mehrheit der Wähler gewollt. Der Bundeskanzler hat sich entschlossen, zu diesem Zweck den Antrag nach Art. 68 des Grundgesetzes zu stellen... Da... die Verwirklichung unseres Gesetzgebungsprogramms und die Abstimmung über diesen Antrag unmittelbar aufeinander folgen und beides auch in einem inneren Zusammenhang steht, möchte ich... dazu einige Bemerkungen machen.

Die neue Regierung hat von der neuen Koalition einen inhaltlich und zeitlich begrenzten Auftrag erhalten. In der Bundestagsdebatte am 13. Oktober habe ich das Regierungsprogramm als ein Programm der Konzentration auf das jetzt Wichtigste und Dringlichste bezeichnet. Andere bedeutsame, aber weniger dringliche Aufgaben z. B. in der Innen-und Rechtspolitik blieben in den Koalitionsvereinbarungen und im Regierungsprogramm ausgespart. Der inhaltlichen Begrenzung entspricht die zeitliche Begrenzung des Regierungsauftrags. Es war von Anbeginn Geschäftsgrundlage der neuen Koalition, daß sie sich am 6. März 1983 den Wählern stellt. Auf der Grundlage dieses inhaltlich und zeitlich begrenzten Auftrages wurde Helmut Kohl zum Bundeskanzler gewählt. Diesen politischen möchte ich einige wenige verfassungsrechtliche Bemerkungen hinzufügen. Der Bundeskanzler ist jederzeit berechtigt, den Antrag nach Art. 68 des Grundgesetzes zu stellen. Dieser Antrag richtet sich an uns, den Deutschen Bundestag.

Für die Fraktion der CDU/CSU erkläre ich: Um die Wirtschafts-und Finanzkrise meistern und die schwerwiegenden außenpolitischen Entscheidungen, vor denen wir stehen, treffen zu können, braucht die Regierung eine volle Legislaturperiode. Deshalb wollen wir Neuwahlen.

Um für den Herrn Bundespräsidenten eine klare Entscheidungsgrundlage zu schaffen, füge ich hinzu: Ohne Neuwahlen sind wir nicht bereit, diese oder eine andere Regierung parlamentarisch zu unterstützen. Wir haben diesen Entschluß nicht aus Willkür, sondern aus wohlerwogenen Gründen gefaßt. Deshalb ist er unumstößlich.

Auch bei kritischer Prüfung wird man sagen müssen: Mit diesem Entschluß bleiben wir Abgeordneten im Rahmen der Rechte, die die Verfassung uns zuweist. Die politischen Erwägungen, die unserem Beschluß zugrunde liegen, sind unsere Sache. Daß wir, die freigewählten Abgeordneten des deutschen Volkes, unsere Entscheidungen allein nach unserem Gewissen zu treffen haben, entspricht dem Wortlaut und dem Geist unserer Verfassung, dem Geist der repräsentativen Demokratie. Deshalb sind wir überzeugt: Unsere Entscheidung ist verfassungsgemäß.

Für die Fraktion der FDP führte der Abgeordnete Hoppe in diesem Zusammenhang aus (a. a. O., S. 8593 A; S. 8595 A, B): Es ist das zweite Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, daß der Bundestag vor seiner vorzeitigen Auflösung steht. Daß wir heute erneut über eine Entscheidung im Zusammenhang mit Art. 68 des Grundgesetzes debattieren, hat ebensowenig wie vor zehn Jahren etwas mit einer Bankrotterklärung einer Regierung oder mit Mißtrauen gegenüber dem amtierenden Bundeskanzler zu tun. Im Gegenteil: Die Regierung Kohl/Genscher wird nach nur 77tägiger Bewährungsfrist eine außerordentlich erfolgreiche Bilanz vorlegen können...

Wir haben uns angesichts des Zustandes der Staatsfinanzen und der Arbeitslosenzahlen für den Versuch entschieden, mit einem Notprogramm für Haushalt und Beschäftigung einen Dammbruch zu verhindern. Die Lösung der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme duldete keinen Aufschub...

Die Regierung Kohl/Genscher erhielt von uns einen begrenzten Auftrag, den sie in begrenzter Zeit zu erfüllen hat. Dieser Auftrag ist übermorgen mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes und der Begleitgesetze erfüllt.

Es ist für viele nicht leicht zu verstehen, warum einer Regierung, die erfolgreich zehn Wochen lang zusammengearbeitet hat, danach nicht mehr das Vertrauen des Hauses ausgesprochen wird. Wenn sich die FDP-Fraktion am Freitag bei der Vertrauensabstimmung der Stimme enthält, spiegelt das aber unsere Vereinbarung zum Regierungswechsel wider. Sie war zeitlich und inhaltlich begrenzt Derfür das verabredete Regierungsprogramm ausgestellte Vertrauensbonus ist aufgebraucht. Es ist also konsequent, jetzt vor den Wähler zu treten.

Der Abgeordnete Dr. Ehmke sprach sich namens der Fraktion der SPD für Neuwahlen aus, äußerte aber gleichzeitig verfassungsrechtliche Bedenken gegen den vom Bundeskanzler gewählten Weg; die Sozialdemokraten hätten einen Rücktritt für die saubere Lösung gehalten (a. a. O., S. 8584 D).

Das Haushaltsgesetz 1983 wurde am 16. Dezember 1982 in namentlicher Schlußabstimmung mit der deutlichen Mehrheit von 266 Stimmen der Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP gegen die Stimmen der Mitglieder der Fraktion der SPD (206) und von vier fraktionslosen Abgeordneten bei vier Enthaltungen angenommen.

Tags darauf fand die Beratung des Deutschen Bundestages über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 GG statt. Der Bundeskanzler begründete seinen Antrag im wesentlichen wie folgt (StenBer. S. 8938 f.).

... In der Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 habe ich das Programm der von FDP, CSU und CDU getragenen Bundesregierung vorgestellt und unsere Absicht bekräftigt, möglichst am 6. März 1983 vor den Wähler zu treten. Ich habe deshalb den Antrag gemäß Art. 68 des Grundgesetzes gestellt.

Einen solchen Antrag hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher zweimal gegeben. Im September 1972 stellte Bundeskanzler Willy Brandt diesen Antrag mit dem erklärten Ziel, durch die Ablehnung des Antrags in die Lage versetzt zu werden, dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages vorzuschlagen. Im Februar 1982 hat Bundeskanzler Helmut Schmidt einen solchen Antrag gestellt, um sich der Zustimmung der damaligen Koalition zu vergewissern.

Meine Damen und Herren, auch wenn die Gründe im Jahre 1972 anders waren, knüpfe ich an das von Bundeskanzler Brandt damals genannte Ziel an. Mein Antrag soll dazu beitragen, daß der Weg zu Neuwahlen geöffnet werden kann.

Ich weiß, daß es über den Anwendungsbereich des Art. 68 des Grundgesetzes wie auch über andere Wege zur Auflösung des Bundestages während einer Legislaturperiode eine intensive öffentliche Diskussion gibt. Nach eingehender Prüfung aller wesentlicher Gesichtspunkte und nach Beratungen und Gesprächen mit den Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien und Fraktionen bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß der von mir eingeschlagene Weg im Einklang mit dem Grundgesetz steht. Art. 68 des Grundgesetzes gibt dem Bundeskanzler die Möglichkeit, die Mitglieder des Deutschen Bundestages zu fragen, ob für die Weiterarbeit der Bundesregierung eine hinreichende parlamentarische Basis gegeben ist Ich stelle Ihnen heute diese Frage...

Ich erinnere an die Vereinbarung, welche die Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP im September 1982 getroffen haben. Wir sind damals in der Koaliltion gemeinsam zu der Auffassung gelangt, daß wir sofortige Neuwahlen angesichts der außergewöhnlichen Notlage, die wir vorgefunden haben, nicht verantworten können. Die Bewältigung dringender Probleme, für die in der früheren Regierung und Koalition keine Mehrheit zu erzielen war, duldete keinen Aufschub. Ich erinnere vor allem an die Lage der öffentlichen Finanzen, an die wirtschaftliche Situation und insbeson- dere an die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Wir mußten den Bundeshaushalt 1983 und die ihn begleitenden Gesetze verabschieden. Wir mußten unserem Land sowie unseren Partnern und Verbündeten in der Welt Klarheit über den künftigen außenpolitischen Kurs verschaffen. Deshalb war der Auftrag für diese Bundesregierung von Anfang an sachlich begrenzt. Deshalb haben wir von Anfang an angestrebt, dem Wähler sobald wie möglich Gelegenheit zu geben, sein Votum zur Politik der Koalition der Mitte, zu dieser neuen Politik, abzugeben.

Meine Damen und Herren, das bedeutet:

Erstens. Wir wollten ein auf das Notwendigste konzentriertes Dringlichkeitsprogramm.

Zweitens. Wir wollten uns nach Verabschiedung des Programms unverzüglich dem Wähler stellen. Auf dieser Grundlage und gemäß dieser Absprache bin ich am 1. Oktober 1982 zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden...

Nachdem wir das Dringendste getan haben, ist es geboten, sich dem Votum des Wählers zu stellen. In zahlreichen Gesprächen habe ich den Eindruck gewonnen: Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien wollen Neuwahlen...

Vor uns liegen außerordentlich schwierige Aufgaben. Es geht darum, unser Land aus der schwersten Wirtschafts-und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland herauszuführen. Ob diese Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg gelöst werden können, hängt entscheidend davon ab, daß die Arbeit der Parteien und Fraktionen, welche die Regierung tragen, von einem entschiedenen Wählerauftrag gestützt wird. Die notwendige Politik muß langfristig angelegt sein. Denn wir wollen nicht Stückwerk leisten, sondern dauerhafte Fundamente legen, wie CDU, CSU und FDP dies schon einmal zu Beginn der Geschichte unserer Bundesrepublik Deutschland getan haben...

Wir wollen und müssen den Staatshaushalt in Ordnung bringen. Wir müssen Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft wiederbeleben.

Wir müssen in derAußen-und Sicherheitspolitik unseren Weg zur Sicherung des Friedens in Freiheit weitergehen können, auch wenn wir dabei schwierige Auseinandersetzungen zu bestehen haben. Wir müssen dauerhafte Voraussetzungen für eine menschlichere Gesellschaft schaffen. In all diesen Fragen gibt es noch keine umfassenden, längerfristigen Absprachen der jetzigen Koalitionspartner. Die Koalitionsvereinbarung konzentrierte sich auf das in meiner Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 dargelegte Dringlichkeitsprogramm. Es konnte und kann sich nicht auf alle Felder der Politik in der notwendigen Breite und Vielfalt erstrecken. Das notwendige Dringlichkeitsprogramm ist erfüllt. Mit der Erfüllung dieses Programms ist für die Weiterarbeit der Koalition eine parlamentarische Grundlage nicht mehr gegeben. Wir wollen nun den Wähler bitten, uns den Auftrag für eine langfristige Politik der neuen Koalition der Mitte zu geben. Die Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP sind grundsätzlich bereit, nach der Wahl erneut zusammenzuarbeiten. Für die weitere Arbeit der Koalitionsparteien bedarf es einer neuen parlamentarischen Grundlage... Auch die SPD als Oppositionspartei hat klar erklärt, daß sie nicht bereit ist, eine Koalition einzugehen und daß sie Neuwahlen will. Keine im Deutschen Bundestag vertretene Partei oder Fraktion wird durch eine Parlamentsauflösung übervorteilt Wenn gegen den Weg, den ich zu Neuwahlen eingeschlagen habe, der Einwand erhoben wird, daß die Verfassung manipuliert werde, so entbehrt dieser Einwand jeder Grundlage. Ich habe seit meiner Wahl zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland Ihnen und der deutschen Oflentlichkeit in aller Offenheit meine Erwägungen vorgetragen. Ich habe alles vermieden, was den Anschein des Künstlichen oder der Manipulation erwecken könnte. Der Vorwurf der Manipulation wäre schon eher gerechtfertigt, wenn ich den Weg des Rücktritts gemäß Art. 63 des Grundgesetzes wählen würde. Art. 63 des Grundgesetzes setzt mehrere vergebliche Wahlgänge voraus, um den Weg zu Neuwahlen zu öffnen. In der augenblicklichen Situation würde es niemanden überzeugen, wenn ein derartiges Verfahren eingeschlagen würde, um den Bundespräsidenten zur Auflösung des Bundestages zu nötigen. Ich bin der Auffassung, daß der von mirgewählte Weg zurAuflösung des Bundestages überzeugend und verfassungsrechtlich einwandfrei ist...

Für die Fraktion der CDU/CSU nahm deren Vorsitzender, Dr. Dregger, zum Antrag des Bundeskanzlers Stellung und führte u. a. aus (a. a. O., S. 8948 C, D):

Der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn seinen Antrag gemäß Art. 68 des Grundgesetzes und die diesem Antrag zugrunde liegenden Erwägungen eingehend dargelegt. Unsere Erwägungen entsprechen den seinigen. Die Begründung dafür habe ich bereits am 14. Dezember 1982 zu Beginn der Haushaltsdebatte im einzelnen dargelegt. Diese Begründung gilt nach wie vor; ich nehme darauf Bezug-B Die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden sich dementsprechend bei der Abstimmung zum Antrag nach Art. 68 des Grundgesetzes mit Ausnahme einiger weniger Kollegen der Stimme enthalten, die selbstverständlich das Recht haben, ihre abweichende Auffassung zum Ausdruck zu bringen... Der Abgeordnete Genscher erklärte für die Fraktion der FDP (a. a. O., S. 8951 C, D):

Die Regierungsparteien ... haben der Bundesregierung bei ihrer Bildung einen sachlich und deshalb auch zeitlich begrenzten Auftrag gegeben. Der Auftrag lautete, den Haushalt 1983 zu verabschieden, die Begleitgesetze zu beschließen und die Ziele der deutschen Außen-und Sicherheitspolitik zu bekräftigen. Diesen Auftrag hat die Regierungskoalition erfüllt.

Sie löst heute das am 1. Oktober 1982 gegebene Versprechen ein, vorzeitige Neuwahlen möglich zu machen. Sofortige Neuwahlen hätten wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit um Monate verschoben. Die Staatsverschuldung wäre bei späterer Verabschiedung des Bundeshaushalts in seiner jetzigen Form in unvertretbarer Weise weiter gestiegen. Dafür konnten und wollten wir angesichts einer steigenden Zahl von Arbeitslosen die Verantwortung nicht übernehmen. Mit der Abstimmung über die von Ihnen gestellte Vertrauensfrage, Herr Bundeskanzler, machen wir nun den Weg frei für die Neuwahlen. Die sachliche und damit auch zeitliche Begrenzung des Auftrags war der feste Wille von Anfang an.

Der Auftrag soll erneuert werden, aber erst, nachdem der Wähler das Wort gehabt hat.

Das entspricht auch dem Willen der großen Mehrheit unserer Bürger. Die Tatsache, daß alle Parteien des Deutschen Bundestages für diese Neuwahlen eintreten und daß die Wahl eines anderen Bundeskanzlers von keiner dieser Parteien in diesem Bundestag angestrebt wird, gibt unserem Begehren nach Neuwahlen zusätzliches Gewicht. Diese Tatsache beseitigt auch die vom Verfassungsgesetzgeber befürchtete Gefahr, daß Art. 68 des Grundgesetzes von der jeweiligen Mehrheit mr Herbeiführung von Wahlen in einem ihr geeignet erscheinenden Zeitpunkt mißbraucht wird.

Der Deutsche Bundestag gibt nach unserem Willen sein Mandat an die Bürger unseres Landes zurück.

In seiner Stellungnahme für die Fraktion der SPD äußerte der Abgeordnete Brandt u. a.

(a-a. 0„ S. 8940ff.):

Dies ist, Herr Bundeskanzler,... nicht die Situation von vor zehn Jahren... Die damalige Regierung hatte es mit einem Patt zu tun. Damals haben wir uns darauf verständigt, das nicht erstrebte und in der gegebenen Situation auch nicht zu erreichende Vertrauensvotum nach Art. 68 des Grundgesetzes zu nutzen, um Gustav Heinemann, dem damaligen Bundespräsidenten, die Möglichkeit zu geben, den Bundestag aufzulösen... Diesmal haben wir es mit einer, was den Ausgangspunkt angeht, anderen Lage zu tun...

Es drängt sich hier die Frage auf..., ob wirklich die zeitliche Begrenzung eines Regierungsmandats durch Koalitionsvereinbarung und ergänzende Fraktionserklärungen genügen soll, um die... Auflösung des Bundestages zu ermöglichen. Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls den weiteren Verlauf des Verfahrens... daraufhin beobachten, ob hier erstmalig ein Beispiel dafür gegeben wird, daß ein Bundeskanzler... mit seiner Parlamentsmehrheit das Ende einer Legislaturperiode des Bundestages nach eigenem Ermessen herbeiführen kann...

Politische Gründe für die zeitliche Begrenzung und die Erneuerung eines Regierungsmandats durch Wahlen lassen sich auch für andere, künftige Fälle denken. Nun können wir doch alle wohl nicht wollen, daß eine jeweilige Regierung mit ihrer jeweiligen Mehrheit den ihr günstig erscheinenden Neuwahlzeitpunkt selbst aussucht, statt in der vom Grundgesetz bestimmten Vierjahresfrist ihre Aufgaben zu erfüllen und sich danach den Wählern zu stellen; das ist die Grundlage der Verfassung...

Da Sie, Herr Bundeskanzler, auch schon das Empfinden hatten, daß es einer neuen Entscheidung der Wählerinnen und Wähler bedürfte, sage ich auch nach der heutigen Einlassung, daß Sie sich am besten zum verfassungsrechtlich ganz unproblematischen Rücktritt hätten entschließen sollen...

Wir Sozialdemokraten wollen die Neuwahl, und wir bestehen auf ihr. Aber wir haben nicht Anteil an dem Risiko eines Scheiterns, das sich aus dem von der Regierung und den Regierungsparteien mit robuster Dickfelligkeit festgehaltenen Weg über die fiktive Vertrauensfrage ergeben kann...

In der Aussprache ergriffen die Antragsteller zu 3) und 4) das Wort und legten ihre verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Einwände dar (a. a. O., S. 8960 D; S. 8961 A, B, C; S. 8965 A).

Bei der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers stimmten drei Abgeordnete der Fraktion der CDU/CSU und fünf Abgeordnete der Fraktion der FDP mit „Ja".

Die Mitglieder der Fraktion der SPD (210), drei Mitglieder der Fraktion der FDP sowie fünf fraktionslose Abgeordnete stimmten mit „Nein", während sich die Mehrzahl der Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP (insgesamt 248) der Stimme enthielt (a. a. O. S. 8971 B).

Die Antragsteller zu 1) und 3) nahmen an der Abstimmung über den Antrag gemäß Art. 68 GG nicht teil, der Antragsteller zu 2) stimmte mit „Ja", während der Antragsteller zu 4) eine „Nein" -Stimme abgab (a. a. O.). 4. a) Noch am selben Tag schlug der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten vor, den Deutschen Bundestag aufzulösen. Der Bundespräsident entsprach diesem Antrag. Nach Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler erließ er die Anordnung vom 6. Januar 1983 über die Auflösung des 9. Deutschen Bundestages. Sie wurde im Bundesgesetzblatt vom 7. Januar 1983 (S. 1) veröffentlicht und an diesem Tage dem Bundestagspräsidenten bekanntgegeben. Gleichzeitig ordnete der Bundespräsident nach Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler und den Bundesminister des Inneren gemäß § 16 BWahIG an, daß die Wahl zum Deutschen Bundestag am 6. März 1983 stattfinde (BGBl. I S. 2).

b) Am 7. Januar 1983 begründete der Bundespräsident in einer Fernseh-und Rundfunkansprache seine Entscheidung. Er führte dabei im wesentlichen aus (Bulletin der Bundesregierung vom 10. Januar 1983, S. 17f.):

Ich habe heute den Deutschen Bundestag aufgelöst und Neuwahlen für den 6. März angesetzt ...

Alles, was zu dem Thema im Bundestag gesagt worden ist, habe ich sorgfältig geprüft. Ich habe mit dem Bundeskanzler, mit den Vorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien, mit den Fraktionsvorsitzenden dieser Parteien, mit den Präsidenten von Bundestag und Bundesrat, mit meinem Vorgänger im Amt des Bundespräsidenten und schließlich mit den für Verfassungsfragen zuständigen Bundesministern des Inneren und der Justiz gesprochen...

Ich stehe vor einer Situation, in der alle im Bundestag vertretenen Parteien — wenn auch aus unterschiedlichen Gründen — Neuwahlen für nötig halten. Diesjedenfalls haben sie öffentlich und auch mir gegenüber unzweideutig erklärt. In meinen letzten Gesprächen — vorgestern — haben sie mir auf meine ausdrückliche Frage hin ihre Auffassung nochmals bestätigt.

Nun ist die Überzeugung aller Parteien von der Notwendigkeit von Neuwahlen sicher gewichtig. Sie kann aber nur dann zur vorzeitigen Auflösung des Bundestages führen, wenn die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind...

Ein möglicher Weg, um zu Neuwahlen zu gelangen, nämlich eine Änderung des Grundgesetzes, die dem Bundestag ein Selbstauflösungsrecht geben würde, ist erwogen, aber nicht verwirklicht worden. So kann die Neu-wahl nur auf einem der nach geltendem Verfassungsrecht vorgesehenen Wege herbeigeführt werden, das heißt — entweder dadurch, daß der Bundeskanzler zurücktritt — oder dadurch, daß der Bundestag einem Vertrauensantrag des Bundeskanzlers die Zustimmung verweigert.

Mehrfach ist gesagt worden, der Bundeskanzler hätte zurücktreten und dadurch den Weg für Neuwahlen freimachen sollen.

Dies wäre jedoch ein sehr komplizierter Weg gewesen, denn keinesfalls könnte der Bundespräsident im Falle des Rücktritts des Bundeskanzlers den Bundestag ohne weiteres auflösen.

Es müßten vielmehr mehrere Wahlgänge zur Wahl eines neuen Bundeskanzlers stattfinden. Nur wenn bei keinem dieser Wahlgänge die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht wird, könnte der Bundestag aufgelöst werden.

Der Bundeskanzler hat sich für den anderen Weg entschieden. Er hat im Bundestag einen Vertrauensantrag gestellt.

Der Bundestag hat diesem Antrag am 17. Dezember die Zustimmung verweigert, und der Bundeskanzler hat mir daraufhin die Auflösung des Bundestages vorgeschlagen. Damit waren die im Grundgesetz ausdrücklich genannten Voraussetzungen für die Auflösung gegeben, und ich hatte nun zu prüfen, ob der eingeschlagene Weg verfassungsrechtlich gangbar ist, und wenn ja, ob die vorgeschlagene Auflösung des Bundestages auch unter politischen Gesichtspunkten richtig oder mindestens vertretbar ist... Zunächst möchte ich klarstellen, daß ich den Bundestag nicht auflösen würde, wenn nach meiner Überzeugung eine Mehrheit im Bundestag sich auf diesem Weg Vorteile bei der Wahl unter Verletzung der Interessen der Minderheit verschaffen würde. Dieser Fall ist jedoch, so meine ich, nicht gegeben. Regierung und Koalitionsparteien haben sofort nach dem Regierungswechsel im Herbst Neuwahlen im März angekündigt. Ob der von ihnen für die Wahl ins Auge gefaßte Zeitpunkt unter wahltaktischen Gesichtspunkten für sie günstig ist, war damals und ist heute nicht vorhersehbar.

Auch die Opposition hat ungeachtet ihrer Vorbehalte gegen den eingeschlagenen Weg keine Einwendungen gegen den Wahltermin erhoben.

Die Bedenken gegen das eingeschlagene Verfahren aber greifen nach meiner Ansicht nicht durch.

Zunächst ist es dem Bundespräsidenten nicht möglich festzustellen, aus welchen Gründen der einzelne Abgeordnete dem Bundeskanzler die Zustimmung versagt hat.

Ich halte mich an die öffentlich vorgetragenen Begründungen. Danach haben die Koalitionsparteien der neuen Regierung von vornherein nur eine sachlich und zeitlich begrenzte Unterstützung zugesagt.

Sie haben erklärt, sie wollten zunächst den Haushalt nebst einigen dazugehörigen Gesetzen durchbringen, dann aber Neuwahlen her-t beiführen.

Dementsprechend hatte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion am 14. Dezember im Bundestag erklärt, daß seine Fraktion ohne Neuwahlen nicht bereit sei, diese oder eine andere Regierung künftig parlamentarisch zu unterstützen.

Der Sprecher der FDP-Fraktion hat erklärt, daß der für das verabredete Regierungsprogramm ausgestellte Vertrauensbonus nunmehr aufgebraucht sei.

In unserem letzten Gespräch vor zwei Tagen haben mir die Koalitionsparteien diese ihre Haltung nochmals nachdrücklich bestätigt.

Das sind Tatsachen, an denen ich nicht vorübergehen kann. Aus ihnen gibt sich nach meiner Überzeugung, daß eine handlungsfähige parlamentarische Mehrheit zur Unterstützung der Regierungspolitik nicht mehr vorhanden ist.

In dieser kritischen Situation, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher einmalig ist, erscheint mir die von allen Parteien erhobene Forderung nach Neuwahlen auch politisch begründet.

Hun meinen manche, die Lage könnte nach em 6. März noch schwieriger sein, als sie ) etzt ist.

Diese Möglichkeit kann in der Tat niemand ausschließen, und auch ich habe sie bedacht Aber eine solche Ungewißheit ist beinahe mit jeder Wahl verbunden.

Wenn aus anderen Gründen vorgezogene Neuwahlen gerechtfertigt erscheinen, dürfen sie nach meiner Meinung nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß ihrAusgang ungewiß sei...

II.

1. Mit ihren am 17., 18. und 20. Januar 1983 eingegangenen Anträgen wenden sich die Antragsteller gegen die Anordnungen des Bundespräsidenten. Sie beantragen festzustellen,

daß die am 7. Januar 1983 bekanntgemachte Anordnung des Bundespräsidenten vom 6. Januar 1983 über die Auflösung des 9. Deutschen Bundestages (BGBl. IS. 1) gegen Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG verstößt und die Antragsteller in ihrem durch Art. 38 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Status als Bundestagsabgeordnete verletzt hat oder unmittelbar gefährdet.

Die Antragsteller zu 1) und 4) erstrecken ihren Feststellungsantrag auch auf die Anordnung des Bundespräsidenten vom 6. Januar 1983 (BGBl. I S. 2) über die Bundestagswahl. Zur Begründung ihrer Anträge machen die Antragsteller — mit unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Aspekte — im wesentlichen geltend:

a) Die angegriffenen Maßnahmen seien geeignet, sie in ihrem durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Status als Bundestagsabgeordnete zu verletzen oder jedenfalls unmittelbar zu gefährden. Ihr Recht auf das Mandat erstrecke sich auf die Dauer der vollen Wahlperiode. Dieser Status dürfe nur in einer dem Grundgesetz entsprechenden Weise vorzeitig beendet werden. Eine gegen Art. 68 GG verstoßende vorzeitige Beendigung der Wahlperiode betreffe neben dem Bundestag auch den Status des einzelnen Abgeordneten. Der Bundespräsident sei der richtige Antrags-gegner, obgleich seine Anordnungen zu ihrer Wirksamkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers bedurft hätten; denn der Bundespräsident habe die verfassungsrechtlich erhebliche Entscheidung getroffen.

An der begehrten Feststellung bestehe auch ein Rechtsschutzinteresse, zumal der Bundespräsident die im Streit befindlichen Maßnah-men zurücknehmen könne und müsse, wenn das Bundesverfassungsgericht ihre Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festgestellt habe.

b) Die angegriffenen Maßnahmen zur Auflösung des Bundestages seien mit Art 68 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Der Bundespräsident hätte den Bundestag nicht auflösen dürfen, da die Voraussetzungen des Art. 68 GG materiell nicht vorgelegen hätten.

aa) Die Auflösung des Bundestages nach Art. 68 GG erfolge nur dann gemäß der Verfassung, wenn die Vertrauensfrage aus Anlaß einer aktuellen oder drohenden Konflikts-oder Krisenlage zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit gestellt werde. Der Bundeskanzler müsse mit der Vertrauensfrage den Zweck verfolgen, eine Konfliktsituation entweder durch Wiedererlangung einer verlorenen Mehrheit oder durch Stabilisierung einer labilen Mehrheit im Parlament, im Falle ihrer Verneinung womöglich auf dem Wege über Neuwahlen, zu bewältigen (sogenannte echte Vertrauensfrage). Art. 68 GG meine mithin nicht einen Antrag, den ein von einer Parlamentsmehrheit getragener Bundeskanzler in Übereinstimmung mit dieser Mehrheit allein zu dem Zweck stelle, durch die Auflösung des Bundestages Neuwahlen herbeizuführen (so-genannte unechte Vertrauensfrage).

Das inhaltliche Erfordernis einer Konflikts-oder Krisenlage als Voraussetzung für eine verfassungsmäßige Vertrauensfrage ergebe sich bei zutreffender Auslegung der Norm. Für dieses Auslegungsergebnis sprächen sowohl der Wortlaut des Art. 68 Abs. 1 GG als auch sein Zweck, wie er sich aus dem systematischen Zusammenhang mit anderen Normen des Grundgesetzes, aus Strukturprinzipien der Verfassung sowie der Entstehungsgeschichte der Norm und ihrem historischen Hintergrund ergebe.

Der Begriff „Vertrauen" deute, auch wenn man den parlamentarischen Sprachgebrauch zugrunde lege, auf das Bemühen des Bundeskanzlers als ein finales Moment hin, sich im Interesse der Stabilität seiner Regierung der politischen Übereinstimmung mit der Parlamentsmehrheit zu versichern. Eine auf die Verneinung der Vertrauensfrage gerichtete Absicht des Bundeskanzlers sei damit nicht vereinbar.

Die Art. 63, 67, 68 und 81 GG in Verbindung mit Art. 39 GG zeigten in ihrem systematischen Zusammenhang ebenso wie das Fehlen eines Selbstauflösungsrechts des Bundestages, daß das Grundgesetz bestrebt sei, stabile Regierungen zu gewährleisten. Es lasse deshalb eine Auflösung des Bundestages nur an zwei Stellen zu, die als eng begrenzte Ausnahmefälle zu verstehen seien. Die Regierung sei im repräsentativen Parlamentarismus ganz auf das Verhältnis zum Parlament verwiesen, das auf vier Jahre gewählt werde und die Pflicht habe, regierungsfähige Mehrheiten zu bilden. Würden über Art. 68 GG Neuwahlen ermöglicht, obgleich eine regierungsfähige Mehrheit vorhanden sei, so käme dies einer vom Grundgesetz nicht gewollten Stärkung plebiszitär-demokratischer Elemente und einer Beeinträchtigung des Gedankens des repräsentativen und freien Mandats des Abgeordneten gleich. Der Gedanke eines begrenzten Wählerauftrags sei dem deutschen Verfassungsrecht fremd.

Art. 63 GG habe für einen Bundeskanzler, der durch Rücktritt zu Neuwahlen gelangen wolle, hohe Hürden errichtet, die nicht über Art. 68 GG unterlaufen werden dürften. Auch die mehrere Auswege offenhaltende Regelung in Art. 68 Abs. 1 GG lasse klar erkennen, daß die Auflösung als ultima ratio nur in Betracht kommen solle, wenn der Bundestag zur Lösung der Krise durch Bildung einer neuen Mehrheit nicht mehr fähig sei.

Eine formale und weite Interpretation des Art. 68 GG in dem Sinne, daß eine Vertrauensfrage auch bei vorhandener parlamentarischer Mehrheit zur Herbeiführung von Neuwahlen benutzt werden könne, lasse Art. 68 GG zur bloßen „Abwicklungsnorm" für Neuwahlen werden. Sie führe zu einer mit dem Grundgesetz nicht zu vereinenden Stärkung der Stellung des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten. Dem Bundeskanzler werde damit die Möglichkeit gegeben, im Zusammenwirken mit einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages — nur bedingt durch das Einverständnis des Bundespräsidenten — die vom Grundgesetz festgelegte Wahlperiode zu verkürzen und sich einen ihm genehmen Wahltermin auszusuchen.

Eine bloß formale Handhabung des Art. 68 GG hätte — wenn der Bundeskanzler zuvor durch ein konstruktives Mißtrauensvotum in sein Amt gelangt sei — zur Folge, Art. 67 GG seine legitimierende Kraft zu nehmen. Das konstruktive Mißtrauensvotum werde zu einem Zwischenspiel zur Herbeiführung von Neuwahlen über eine unechte Vertrauensfrage abgeschwächt; der gemäß Art. 67 GG gewählte Bundeskanzler werde zu einem bloßen Übergangskanzler. Zweck des konstruktiven Mißtrauensvotums sei es jedoch, eine Regierungskrise durch Bildung einer neuen stabilen Regierung zu beenden. Die Neuwahl des Bundeskanzlers gemäß Art. 67 GG solle zu einer verfassungsrechtlich vollwertigen Regierung führen und an der regelmäßigen Dauer der bereits laufenden Wahlperiode nichts ändern.

Eine nur formale Anwendung des Art 68 GG laufe im Ergebnis auf die Anerkennung eines modifizierten Selbstauflösungsrechts des Bundestages hinaus. Die Begründung einer solchen Kompetenz setze jedoch eine ausdrückliche Änderung des Grundgesetzes voraus (Art. 79 Abs. 1 GG).

Die Entstehungsgeschichte des Art. 68 GG bestätige die Auffassung, daß eine Vertrauensfrage bei vorhandener parlamentarischer Mehrheit für den Bundeskanzler nicht als Mittel zur Herbeiführung von Neuwahlen eingesetzt werden dürfe. Der Parlamentarische Rat habe unter dem Eindruck negativer Erfahrungen in der Weimarer Republik das Recht zur Auflösung des Bundestges so weit wie möglich einengen wollen. Bei den Beratungen des jetzigen Art. 68 GG im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates sei man stets davon ausgegangen, daß die Vertrauensfrage in einer parlamentarischen Krise, d. h. von einem seiner Mehrheit verlustig gegangenen Bundeskanzler gestellt werde. Einzelne Äußerungen im Palamentarischen Rat, die für sich genommen zu einem gegenteiligen Verständnis führen könnten, besagten, in den richtigen Zusammenhang gestellt, nichts anderes.

Art. 68 GG habe auch nicht durch einen von der Verfassungswirklichkeit ausgehenden Verfassungswandel einen anderen Inhalt erlangt Weder die in der politischen Praxis wirksamen plebiszitären und parteienstaatlichen Kräfte noch der Wunsch der politischen Parteien nach „Legitimation durch den Wähler", wie er nach dem Koalitionswechsel der FDP allseits bekräftigt worden sei, hätten einen solchen Wandel des normativen Gehalts des Art. 68 GG bewirken können. Die Regelungen in Art. 63, 67 und 68 GG seien eindeutig und ließen eine stärkere Berücksichtigung plebiszitärer Elemente nur im Wege der Verfassungsänderung zu. In diesem Sinne seien auch die Vorschläge der Enquete-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestags für die Einführung eines Selbstauflösungsrechts des Bundestages zu verstehen.

Die Auflösung des Bundestages im Jahre 1972 habe einen Wandel im Verständnis des Art. 68 GG schon deshalb nicht herbeiführen können, weil der Bundeskanzler damals über keine Mehrheit im Bundestag verfügt habe.

Die Verfassungsmäßigkeit dieser Auflösung sei überdies umstritten. bb) Im vorliegenden Fall habe eine materielle Auflösungslage im Sinne einer Krise zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit nicht bestanden. Aus der Neuwahlabsprache vom 20. September 1982 zwischen den neuen Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP sowie aus den Erklärungen der Fraktionssprecher im Bundestag aus Anlaß der Vertrauensfrage gehe unbezweifelbar hervor, daß die Abgeordneten der Fraktionen der CDU/CSU und FDP dem Bundeskanzler am 17. Dezember 1982 nur deswegen mehrheitlich nicht das Vertrauen ausgesprochen hätten, weil sie eine ansonsten nicht vorhandene Auflösungssituation hätten herbeiführen wollen, um auf diese Weise den Weg für die „versprochenen“ Neuwahlen freizumachen. Das Bestehen einer Auflösungslage sei von den Fraktionssprechern der CDU/CSU und FDP allein deshalb behauptet worden, um dem Art. 68 GG der Form nach zu genügen. Fakten für eine tatsächliche Krisensituation seien nicht erkennbar. Die Umstände ließen vielmehr den sicheren Schluß zu, daß der Bundeskanzler die politische Unterstützung der Bundestags-mehrheit am 17. Dezember 1982 nicht verloren habe. Er sei erst am 1. Oktober 1982 durch ein konstruktives Mißtrauensvotum in sein Amt gewählt worden. In der Zeit bis zum 17. Dezember 1982 seien keine Ereignisse eingetreten, welche die politische Unterstützung des Bundeskanzlers durch die Mehrheitsfraktionen in Frage gestellt hätten. Vielmehr sei noch am 16. Dezember 1982 das Haushaltsgesetz 1983 mit klarer Mehrheit verabschiedet worden, überdies hätten die Koalitionsfraktionen und -parteien ihre Absicht bekundet, auch nach der angestrebten Neuwahl die Koalition mit demselben Bundeskanzler fortzusetzen. Der Hinweis auf den in der Koalitionsabsprache enthaltenen, nur begrenzten Regierungsauftrag und auf das „Verbrauchtsein“ der politischen Unterstützung für den Bundeskanzler führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Man habe damit lediglich die äußere Form der Auflösungssituation darzustellen versucht, um alsdann durch ein einmaliges Nichtbestätigen einer kurz zuvor noch bewiesenen Mehrheit die Chance auf eine vierjährige Fortdauer der weiterbestehenden Koalition zu erlangen. Eine solche „Begrenzung des Vertrauens" sei mit Art. 67 GG unvereinbar; sie verstoße gegen Geist und Sinn des Art. 68 GG und sei deshalb unbeachtlich. Was Art. 67 GG verwehre, dürfe über Art. 68 GG nicht zu einer legalen und legitimen Möglichkeit werden. Im übrigen seien begrenzte Absprachen und Differenzen in Sachfragen nicht untypisch für Koalitionen und deshalb nicht ohne weiteres als Ausdruck einer instabilen Mehrheit anzusehen. Auch die Auffassung der neuen Koalitionsregierung, angesichts der Schwere der von ihr zu bewältigenden Probleme benötige sie den Zeitraum einer vollen vierjährigen Wahlperiode, vermöge die Begrenzung des Vertrauens verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Das Grundgesetz kenne kein Instrumentarium zur Verbesserung der Legitimitätsgrundlage einer handlungsfähigen Regierung nach den Erfordernissen der jeweiligen politischen Lage. Kein Verfassungsorgan, auch nicht das Parlament, dürfe sich nach dem Willen des Grundgesetzes seiner Verantwortung vorzeitig entziehen.

Unerheblich sei in diesem Zusammenhang schließlich, daß die vom Bundeskanzler und den Regierungsfraktionen angestrebte Neu-wahl auch von der Oppositionsfraktion gefordert werde. Das Einverständnis aller Bundestagsfraktionen sei ein Merkmal, das dem Art. 68 GG wesensfremd sei. Soweit seine Voraussetzungen erfüllt seien, verlange Art. 68 GG, anders als das Institut der Selbstauflösung, keine Rücksichtnahme auf parlamentarische Minderheiten.

cc) Der Bundespräsident habe gemäß Art. 68 GG die Befugnis und die Pflicht, die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 68 GG und damit die Rechtmäßigkeit der vor seiner Ermessensentscheidung liegenden Rechtshandlungen zu prüfen. Fehle es an einer dieser Voraussetzungen, so dürfe er die Auflösung des Bundestages nicht anordnen. Da dem Bundespräsidenten eine eigene Entscheidungskompetenz zustehe, seien fehlende materielle Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 68 GG ihm zuzurechnen. Zwar habe der Bundespräsident — ebenso wie der Bundeskanzler und der Bundestag — bei der Beurteilung der materiellen Auflösungssituation einen Einschätzungs-oder Beurteilungsspielraum. Liege die Auflösungssituation aber — wie hier — evident nicht vor, so sei er verpflichtet, die Auflösungsanordnung zu unterlassen. Eine Abschwächung der Prüfungspflicht des Bundespräsidenten aus Respekt vor den Entscheidungen der anderen beteiligten Verfassungsorgane Bundeskanzler und Bundestag sei nicht anzuerkennen, da die Auflösung des Bundestages in die Rechtsstellung der einzelnen Abgeordneten eingreife. Das Bundesverfassungsgericht sei im Organstreitverfahren befugt, das Fehlen rechtlicher Tatbestandsmerkmale des Art. 68 GG festzustellen.

2. Der Bundespräsident als Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er tritt ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, hält sie indes jedenfalls für unbegründet:

Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Deutschen Bundestages seien sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinne nach erfüllt.

a) Der Einwand, der Bundeskanzler habe keine „echte" Vertrauensfrage gestellt, finde in Art. 68 GG keine Stütze. Diese Bestimmung unterscheide nicht zwischen „echter" und „unechter" Vertrauensfrage. Der Wortlaut des Art. 68 GG, der ein bedeutsames Verfahren regle und wichtige Kompetenzen zuweise, müsse einen hohen Rang einnehmen. Auch die Entstehungsgeschichte spreche bei unbefangener Auslegung eher dafür, daß der Parlamentarische Rat die sogenannte unechte Vertrauensfrage nicht habe ausschließen wollen. Schließlich habe auch Bundeskanzler Brandt im Jahre 1972 bei seiner Vertrauensfrage deren Verneinung beabsichtigt und für den Eintritt des gewünschten Ergebnisses Vorsorge getroffen.

b) Die Bundestagsmehrheit, die den Bundeskanzler am 1. Oktober 1982 gewählt habe, habe auch nicht über die Abstimmung vom 17. Dezember 1982 hinaus fortbestanden. Tatsächlich habe der Bundeskanzler am 17. Dezember im Deutschen Bundestag keine Unterstützung mehr für seine Politik vorgefunden. Dies ergebe sich aus den Erklärungen der Sprecher der Koalitionsfraktionen im Bundestag, die auf den nur begrenzten Regierungsauftrag hingewiesen hätten, und aus den von ihm, dem Bundespräsidenten, mit den Fraktionsvorsitzenden geführten Gesprächen. Angesichts der Ernsthaftigkeit und der Unerschütterlichkeit des von den Koalitionsparteien eingenommenen Standpunktes habe er davon ausgehen müssen, daß eine — vom Grundgesetz gewollte und politisch erstrebenswerte — stabile Regierung ohne Neuwahlen nicht mehr habe zustande gebracht werden können. Von welchen, sicherlich unterschiedlichen, Motiven sich die einzelnen Abgeordneten bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage hätten leiten lassen, habe er nicht feststellen können. Schließlich hätten auch sachliche Differenzen zwischen den Koalitionsparteien bestanden. Der Bayerische Ministerpräsident und Vorsitzende der CSU habe in der Debatte über die Regierungser-Klärung ausgeführt, diese sei auch darauf abgestellt, kontroverse Themen zwischen den Unionsparteien und der FDP „auszuklammern". In der Überzeugung, daß die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 68 GG auch materiell erfüllt gewesen seien, habe er sich dadurch bestärkt gesehen, daß der Bundeskanzler, der Bundesminister des Innern und die Fraktionen der CDU/CSU und FDP seine Auffassung geteilt hätten. Der Rechts-auffassung dieser Organe, die in die Verantwortung des Art. 68 GG einbezogen seien, komme großes Gewicht zu. Die Fraktion der SPD habe zwar Bedenken gegen das eingeschlagene Verfahren vorgebracht, dieses aber nie als verfassungswidrig bezeichnet. Bei seiner Prüfung der Voraussetzungen habe einen ganz besonderen Stellenwert die evidente Tatsache eingenommen, daß es keinen Anhaltspunkt für die Annahme gegeben habe, eine Mehrheit im Bundestag wolle sich auf Kosten einer Minderheit unlautere Vorteile verschaffen. Der eher verfassungspolitische Einwand, das beanstandete Verfahren könne zu Wiederholungen auffordern, sei nicht begründet, da die Hürden des Art. 68 GG nicht leicht zu überwinden seien und stets geprüft werden müsse, ob vitale Interessen der Bundestagsfraktionen mißachtet würden. Schließlich sei die Auflösung des Bundestages auch unter politischen Gesichtspunkten richtig, mindestens aber vertretbar gewesen. Die Bundesrepublik Deutschland habe sich nach dem Koalitionswechsel der FDP, der diese Partei in eine „dramatische Zerreißprobe" geführt habe, in einer politischen Krise befunden, die zudem mit einer wirtschaftspolitischen Krise einhergegangen sei.

3. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die beanstandete Auflösung des 9. Deutschen Bundestages mit Art. 68 GG vereinbar. a) Der Vertrauensantrag des Bundeskanzlers sei entsprechend dem Wortlaut dieser Bestimmung keinen rechtlichen Voraussetzungen unterworfen; auf die Beweggründe für diesen Antrag komme es nicht an. Auch die Motive der einzelnen Abgeordneten für ihre Abstimmungsentscheidung entzögen sich einer verfassungsrechtlichen Überprüfung. Die Abgeordneten seien gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG nur ihrem Gewissen unterworfen; ihre Entscheidungen seien höchstpersönlich und von den Partei-und Fraktionsführungen unabhängig. Der Vertrauensantrag des Bundeskanzlers sei zwar ein notwendiges Verfahrenselement, dränge aber die bedeutsame Stellung des Bundestages und die Entscheidung des Bundespräsidenten nicht in den Hintergrund.

Ungeschriebene materiellrechtliche Schranken für das Verfahren gemäß Art. 68 GG bedürften der Rechtfertigung durch besonders schwerwiegende Gründe. Art. 68 GG gehöre zu den staatsorganisationsrechtlichen Vorschriften, bei denen es auf die subjektiven Beweggründe der für die staatlichen Organe handelnden Personen aus Gründen der Rechtssicherheit regelmäßig nicht ankomme. Der Vertrauensantrag vom 13. Dezember 1982 entspreche aber auch dem Geist des Grundgesetzes. Der Begriff des „Vertrauens“ sei moralisch überfrachtet. Es gehe bei der Vertrauensabstimmung primär nicht um das Vertrauen in die Person des Bundeskanzlers, sondern um die Feststellung, ob der Bundeskanzler noch die für ein Weiterregieren, d. h. die zur Verwirklichung eines Sachprogramms erforderliche Mehrheit im Bundestag hinter sich habe. Von einer tragfähigen „Regierungsprogrammehrheit“ könne nur gesprochen werden, wenn damit zu rechnen sei, daß die Regierung für ihre Politik mit der Zustimmung einer ausreichenden Mehrheit der Abgeordneten rechnen könne. Stabile Mehrheiten könnten deshalb nicht allein durch die Addition der Mitgliederzahlen der koalierenden Fraktionen ermittelt werden.

b) Der Bundeskanzler habe nicht mehr die für ein Weiterregieren erforderliche Mehrheit im Bundestag. Dies sei das Ergebnis der Abstimmung über die Vertrauensfrage von 17. Dezember 1982. Die Koalition von CDU/CSU und FDP sei nur zur Erfüllung eines gegenständlich und zeitlich begrenzten Auftrags gebildet worden. Wesentliche Sachfragen, z. B. aus den Bereichen der Innen-und Rechtspolitik, seien aus den Koalitionsvereinbarungen ausgeklammert worden. Kontroverse Auffassungen in wichtigen Sachfragen bestünden fort.

Der Bundeskanzler habe den Vertrauensantrag nicht nur zur Erfüllung eines von den Koalitionsparteien vereinbarten Neuwahlversprechens gestellt. Die Neuwahlen seien vielmehr nur deshalb ins Auge gefaßt worden, weil sich die Koalitionsparteien nur auf ein begrenztes Sachprogramm verständigt hätten. Die Neuwahl solle nicht irgendwelche Zweifel hinsichtlich der Legitimität der Wahl des Bundeskanzlers durch das konstruktive Mißtrauensvotum beseitigen, sondern die Bildung einer Bundesregierung Aufgrund einer Regierungsprogrammehrheit im Parlament ermöglichen. Der Vertrauensantrag sei unter den gegebenen Umständen nicht rechtsmißbräuchlich, zumal mit ihm auch nicht der Zweck verfolgt worden sei, den günstigsten Zeitpunkt für Neuwahlen zu nutzen, um eine bestehende Regierungsmehrheit weiter auszubauen. Die Bestätigung der gegenwärtigen Regierung durch den Wähler könne keineswegs als si-eher angesehen werden; außerdem strebten alle im Bundestag vertretenen Parteien Neuwahlen an.

Die Auflösung des Bundestages stehe auch in Einklang mit Sinn und Zweck des Art. 68 GG. Das Prinzip der repräsentativen Demokratie werde nicht aus den Angeln gehoben, da dem Bundestag als zentralem Repräsentativorgan des parlamentarischen Regierungssystems im Rahmen des Art. 68 GG eine entscheidende Funktion zukomme. Die Verfassung müsse das politische Faktum respektieren, daß Koalitionsparteien eine Entscheidung für so bedeutungsvoll ansähen, daß sie sich ohne Bundestagsneuwahl nicht in der Lage sähen, einen Kompromiß einzugehen. Der Einwand, die Auflösung des 9. Deutschen Bundestages stelle eine Umgehung des Verbots einer Selbstauflösung dar, gehe fehl. Im Falle des Art. 68 GG hänge die Auflösung des Bundestages nicht allein von dessen Entschließung ab, sondern zusätzlich von den Entscheidungen des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten. Die beanstandete Maßnahme entfalte keine Präzedenzwirkung in dem Sinne, daß die Bundesregierung künftig mehr oder weniger beliebig einen ihr genehmen Zeitpunkt auswählen könne, in dem Neuwahlen stattfinden sollten. Die Auflösung des Bundestages gemäß Art. 68 GG komme nur in Ausnahmesituationen in Betracht.

Art. 67 GG werde nicht unterlaufen. Diese Bestimmung sehe nicht vor, daß eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestages nur dann den Bundeskanzler durch Wahl eines Nachfolgers ablösen könne, wenn diese sich auf ein umfassendes Regierungsprogramm geeinigt habe. Schließlich werde durch die beanstandete Maßnahme auch nicht Art. 63 GG ausgehöhlt, der die Möglichkeit der Bundestagsauflösung nach dem Rücktritt des Bundeskanzlers eröffne. Für die Koalitionspartner sei es nicht darum gegangen, die Eignung des Bundeskanzlers für dieses Amt in Frage zu stellen. Auch habe bei der gegebenen Parteienkonstellation keine Fraktion angestrebt, den Bundeskanzler über Art. 63 GG durch einen anderen Bewerber zu ersetzen.

B.

Die Anträge sind zulässig.

1. Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG gegeben. Danach entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

a) Zwischen dem Bundespräsidenten als oberstem Bundesorgan und den Antragstellern als durch das Grundgesetz (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) mit eigenen Rechten ausgestatteten anderen Beteiligten im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG (vgl. BVerfGE 60, 374 [378] m. w. N.) besteht Streit über den Umfang der Rechte und Pflichten des Bundespräsidenten aus Art. 68 Abs. 1 GG einerseits und aus dem Abgeordnetenstatus der Antragsteller (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG) andererseits.

b) Ein verfassungsrechtliches Verhältnis, das Gegenstand eines Organstreits im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG sein kann, wird nicht nur durch die vom Bundespräsidenten angeordnete Auflösung des Bundestages, sondern auch durch die Bestimmung des Wahltages begründet. Die Befugnis des Bundespräsidenten, den Wahltag zu bestimmen, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz, sondern aus § 16 BWahlG. Die Anordnung der Neuwahl wird aber als staatsorganisatorischer Akt mit Verfassungsfunktion (vgl. BayVerfGH N. F. 27, 119 [124f. ]) von der Verfassung in Art. 39 Abs. 1 und 2 GG vorausgesetzt. Als eine Annex-Entscheidung der Bundestagsauflösung teilt sie deren rechtliches Schicksal.

2. Der einzelne Abgeordnete des Bundestages ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Organstreitverfahren parteifähig im Sinne von § 63 BVerfGG, soweit er — wie hier — mit seinem verfassungsrechtlichen Status verbundene Rechte geltend macht (vgl. BVerfGE 43, 142 [148]; 60, 374 [379]). Dies gilt auch dann, wenn — worauf der Bundespräsident in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat — der Organstreit das politisch ausgewogene und verfassungsrechtlich festgelegte System der Kompetenzen von Bundeskanzler, Bundestag und Bundespräsident betrifft.

3. Die Antragsteller sind antragsbefugt (§ 64 Abs. 1 BVerfGG).

a) Im Organstreit kann der einzelne Abgeordnete die behauptete Verletzung jedes Rechts, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist, im eigenen Namen geltend nachen (vgl. BVerfGE 2, 143 [166]; 4, 144 [151]; 10. 4 [10f. ]; 43, 142 [149]; 60. 374 [379]). Dies gilt erst recht, wenn es nicht um einzelne Rechte aus dem Status, sondern um den Status selbst geht (vgl. BVerfGE 6, 445 [448 f. ]).

b) Die Antragsteller sind in ihrer Rechtsstellung als Abgeordnete unmittelbar betroffen; sie können insoweit auch in eigenen Rechten verletzt sein.

Die in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG festgelegte Dauer der Wahlperiode bringt nicht nur zum Ausdruck, in welchen Abständen die demokratische Legitimation der Volksvertretung durch die Wähler (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) erneuert werden muß; die zeitliche Festlegung der Wahlperiode auf vier Jahre soll von Verfassungs wegen dem Bundestag als zentralem demokratischen Verfassungsorgan auch die wirksame und kontinuierliche Erfüllung seiner Aufgabe ermöglichen. An dieser Gewährleistung hat der Status des einzelnen Abgeordneten notwendigerweise Anteil. Daraus folgt: Ebensowenig wie die laufende Wahlperiode außerhalb des in der Verfassung vorgesehenen Verfahrens verlängert werden darf (vgl. BVerfGE 1, 14 [33]; 18, 151 [154]), darf sie entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes verkürzt werden. Eine solche Verkürzung würde zugleich in den vom Grundgesetz gewährleisteten Status des Abgeordneten eingreifen.

Zwar richtet sich die Auflösungsanordnung des Bundespräsidenten — dem Wortlaut des Art. 68 GG folgend — nur gegen den Bundestag. Sie zieht jedoch letztlich das Erlöschen der Mandate aller Abgeordneten nach sich.

Spätestens am dreißigsten Tage nach der vom Bundespräsidenten bestimmten Wahl muß der neue Bundestag zusammentreten (Art. 39

Abs. 2 GG); damit endet die Wahlperiode des alten Bundestages (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG). Dies gilt auch dann, wenn der Bundestag aufgelöst wird (BT-Drucks. 7/5491 S. 6, b II 1).

4. Die Organklagen richten sich gegen den Bundespräsidenten. Dies ist zulässig. Der Bundespräsident ist nach § 63 BVerfGG parteifähig. Es ist auch schlüssig vorgetragen, daß er nach Art. 68 Abs. 1 GG die rechtliche Verantwortung für die Anordnungen vom 6. Januar 1983 trägt, gegen die sich die Antragsteller wenden.

Dem steht nicht entgegen, daß die Auflösungsanordnung des Bundespräsidenten und die Bestimmung des Wahltages gemäß Art. 58 GG der Gegenzeichnung bedürfen. Der Bundespräsident wird nicht deshalb seiner verfassungsrechtlichen Pflichten und seiner rechtlichen Verantwortlichkeit ledig, weil die Gegenzeichnung des Bundeskanzlers Wirksamkeitsvoraussetzung der Bundestagsauflösung ist und sie vom Bundeskanzler — etwa aufgrund zwischenzeitlich veränderter Umstände — ungeachtet seines Antrags und Vorschlags gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG noch verweigert werden könnte. Die Gegenzeichnung des Bundeskanzlers bringt lediglich zum Ausdruck, daß er die politisch-parlamentarische Verantwortlichkeit für die Maßnahme des Bundespräsidenten übernimmt. Sie hindert nicht daran, die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Anordnung des Bundespräsidenten, wie sie hier vorliegt, zum Gegenstand einer gegen ihn gerichteten Organ-streitigkeit zu machen.

5. Die Antragsteller haben ersichtlich ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung. 6. Die Form-und Fristerfordernisse (§ 64 Abs. 2 und 3 BVerfGG) sind erfüllt.

C.

Die Anträge sind unbegründet. Die Anordnungen des Bundespräsidenten vom 6. Januar 1983 über die Auflösung des 9. Deutschen Bundestages und über die Festsetzung der Wahl zum Deutschen Bundestag auf den 6. März 1983 verstoßen nicht gegen das Grundgesetz. Sie sind mit Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar. Sie verletzen oder gefährden die Antragsteller nicht in ihrem durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Status als Abgeordnete des Deutschen Bundestages.

I.

Gemäß den Anträgen der Antragsteller sind Entscheidungsgegenstand der vorliegenden Organstreitverfahren die bezeichneten Anordnungen des Antragsgegners vom 6. Januar 1983 über die Auflösung des 9. Deutschen Bundestages und die Festsetzung der Wahl zum Deutschen Bundestag auf den 6. März 1983. Die Verfassungsmäßigkeit der Anordnung über die Festsetzung der Neuwahl hängt im vorliegenden Fall ausschließlich von der Verfassungsmäßigkeit der Auflösungsanordnung ab; Gründe, die daneben selbständig die Verfassungswidrigkeit der Festsetzung der Neuwahl bewirken könnten, sind nicht ersichtlich und von den Antragstellern auch nicht geltend gemacht worden.

Prüfungsmaßstäbe für die Anordnungen des Bundespräsidenten sind Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 Satz 1 und Art. 68 GG. Der Status der Antragsteller als Abgeordnete gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG wäre verletzt, wenn diese Anordnungen gegen Art. 68 GG verstießen.

1. Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen, nachdem ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gefunden hat. Das Recht zur Auflösung kann nur binnen 21 Tagen ausgeübt werden. Es erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt (Art. 68 Abs. 1 Satz 2 GG). Zwischen dem Antrag des Bundeskanzlers und der Abstimmung im Bundestag müssen 48 Stunden verstrichen sein (Art. 68 Abs. 2 GG). Die Auflösungsanordnung des Bundespräsidenten bedarf gemäß Art. 58 Satz 1 GG zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler. 2. Die Anordnung der Auflösung oder ihre Ablehnung ist eine politische Leitentscheidung, die dem pflichtgemäßen Ermessen des Bundespräsidenten obliegt. Dies folgt schon aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG, der davon spricht, daß der Bundespräsident den Bundestag auflösen kann-, demgegenüber bestimmt zum Beispiel Art. 67 GG, daß der Bundespräsident auf Ersuchen des Bundestages den im Wege des konstruktiven Mißtrauensvotums gestürzten Bundeskanzler entlassen und seinen gewählten Nachfolger zum Bundeskanzler ernennen muß. Für ein Ermessen des Bundespräsidenten spricht auch das Sinngefüge des Art. 68 GG insgesamt: Die Vorschrift ermöglicht die Auflösung nur, wenn drei oberste Verfassungsorgane — Bundeskanzler, Bundestag und Bundespräsident — in einem gestuften Verfahren jeweils selbständige politische Beurteilungen gefällt haben. Der Sinn dieses Gefüges kann nur sein zu verwehren, daß die Auflösung des Bundestages von einem der beteiligten obersten Verfassungsorgane allein angestrebt und bewirkt werden kann; sie soll nur möglich sein über ein Zusammenwirken und unter der gegenseitigen politischen Kontrolle aller Beteiligten. Dies legt einen selbständigen politischen Beurteilungs-und Handlungsbereich auch des Bundespräsidenten nahe, der, wie auch die Art. 63 Abs. 4 und 81 GG belegen, in diesem politischen Spannungsfeld nicht auf bloße Repräsentationsaufgaben und Vollzugsakte beschränkt ist.

3. Ein Ermessen im Rahmen des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG ist dem Bundespräsidenten freilich nur dann eröffnet, wenn im Zeitpunkt seiner Entscheidung die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Verfassungsmäßigkeit seiner Entscheidung hängt mithin davon ab, daß die Tatbestandsmerkmale des Art. 68 GG in verfassungsmäßiger Weise erfüllt sind. Art 68 GG normiert einen zeitlich gestreckten Tatbestand; an seinem Schluß steht, wenn das Verfahren nicht schon vorher sein Ende findet, die Entscheidung des Bundespräsidenten. Verfassungswidrigkeiten, die auf den zeitlich vorangehenden Stufen eingetreten sind, wirken auf die Entscheidungslage fort, vor die der Bundespräsident nach dem Auflösungsvorschlag des Bundeskanzlers gestellt ist. Sind die formellen oder materiellen Tatbestandserfordernisse des Art. 68 GG nicht in verfassungsgemäßer Weise erfüllt, darf der Bundespräsident den Bundestag nicht auflösen; insoweit ist ihm ein Ermessen nicht eröffnet.

II.

Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht umstritten, daß die dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmenden Verfahrens-schritte bis zur Auflösungsanordnung vom 6. Januar 1983 vorlagen. Die Antragsteller ziehen indes in Zweifel, daß damit auch schon den Tatbestandserfordernissen des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG genügt war. Nach ihrer Rechtsauffassung ist eine Auflösungsanordnung nur dann verfassungsmäßig, wenn der Bundeskanzler die Vertrauensfrage mit dem Ziel stellt, hierfür die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zu erhalten und damit eine politische Regierungskrise abzuwenden. Sie betrachten dies als in Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltenes Tatbestandserfordernis; es müsse mithin in diesem Sinne eine materielle Auflösungslage gegeben sein.

1. Der Wortlaut des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG enthält ein solches Tatbestandsmerkmal nicht. Es liegt insbesondere nicht im Sinne des Wortes „Vertrauen" beschlossen, das in Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG verwendet ist. Der verfassungsrechtliche Sinn dieses Begriffs im Grundgesetz ist verfassungsgeschichtlich bestimmt. Er war — zusammen mit dem Begriff der „Verantwortlichkeit" des Reichskanzlers — der zentrale Begriff bei der verfassungsrechtlichen Einführung des parlamentarischen Regierungssystems auf Reichsebene, zunächst gegen Ende des Kaiserreichs durch das Gesetz zur Abänderung der Reichsverfassung vom 28. Oktober 1918 (RGBl. S. 1274), »wonach der Reichskanzler zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Reichstages bedurfte und für seine Amtsführung auch dem Reichs-B tag verantwortlich wurde (Art. 15), und sodann in der Weimarer Reichsverfassung, wonach der Reichskanzler und die Reichsminister zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstages bedurften und jeder von ihnen zurücktreten mußte, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzog (Art. 54).

Vertrauen in diesem Sinne bedeutete, daß die Reichsregierung in ihrem Fortbestand vom Reichstag abhängig sein sollte und durch die Verweigerung des Vertrauens vermittels eines förmlichen Beschlusses zum Rücktritt gehalten war. Positiv ausgesprochen bekundete es förmlich die Bereitschaft des Reichstages, die Person des Reichskanzlers und sein vorgelegtes Regierungsprogramm parlamentarisch zu unterstützen; negativ, in Form der Verweigerung des Vertrauens oder des förmlichen Mißtrauensvotums, bekundete es den Verlust dieser Unterstützung und zog von Verfassungs wegen den Rücktritt der Regierung oder des einzelnen Ministers nach sich. Als abgeschwächte Form wurde es seit 1920 im Wege von Tolerierungsbeschlüssen gegenüber Minderheitsregierungen in unterschiedlichsten Varianten gehandhabt (vgl. E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. VI [1981], S. 329ff.).

Auch im Rahmen des Art. 68 GG meint Vertrauen die im Akt der Stimmabgabe förmlich bekundete gegenwärtige Zustimmung der Abgeordneten zu Person und Sachprogramm des Bundeskanzlers, mithin die förmliche Kundgabe der Bereitschaft, das zumindest in Umrissen vorgezeichnete Regierungsprogramm oder ein konkretes Verhalten, mit dem der Bundeskanzler die Vertrauensfrage verbindet, grundsätzlich zu unterstützen. In diesem Sinne liegt auch der Wahl des Bundeskanzlers nach Art. 63 GG die Kundgabe parlamentarischen Vertrauens zugrunde. Daß im parlamentarischen System dieses „Vertrauen" mit jeder neuen politischen Entwicklung, einschließlich jeder neuen Beurteilung und Einschätzung der gegebenen politischen Lage, durch die Abgeordneten in Frage gestellt werden kann, also von Natur aus nicht auf Dauer versichert wird, versteht sich letztlich im Blick auf die Gewährleistung des repräsentativen freien Abgeordnetenmandats in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG von selbst Für den Begriff des Mißtrauens in Art. 67 GG gilt nichts anderes. Er enthält keinen Vorwurf mangelnder Pflichterfüllung an einen Bundeskanzler, sondern besagt nur, daß die Mehrheit der Abgeordneten nicht mehr gewillt ist, den bisherigen Kanzler oder sein RegierungsProgramm weiterhin parlamentarisch zu unterstützen oder wenigstens zu dulden. Art. 68 GG gilt für jeden Bundeskanzler, nicht lediglich für den „Minderheitskanzler", der Neuwahlen anstrebt. Aus seinem Wortlaut läßt sich nicht herleiten, daß der Bundeskanzler einen Vertrauensantrag allein mit dem Ziel stellen darf, die parlamentarische Unterstützung seiner Regierung herbeizuführen oder zu festigen; der Wortlaut allein schließt es nicht aus, daß hinter der Vertrauensfrage von vornherein der politische Wille stehen darf, auf diesem Wege zur Auflösung des Bundestages zu gelangen, und daß die Abgeordneten mit ihrer Stimmabgabe diesen Weg eröffnen sollen. Denn der Bundestag steht bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage notwendigerweise vor der Alternative, entweder das Vertrauen auszusprechen oder den Weg zu Neuwahlen zu eröffnen. Die Verweigerung des Vertrauens in einer Abstimmung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG verwehrt es mithin nicht, daß der Abgeordnete willens sein darf, den bisherigen Bundeskanzler später — eventuell auch nach Neuwahlen — wieder zum Bundeskanzler zu wählen und parlamentarisch zu unterstützen. 2. Damit ist jedoch nur gesagt, daß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG von seinem Wortlaut her sich zunächst als eine offene Vorschrift darstellt. Ihr Sinn erschließt sich erst durch die in ihr selbst angelegte Systematik und den Sinnbezug, der sich aus ihrer Stellung und ihrem Stellenwert im gesamten Verfassungsgefüge ergibt; dieser Sinnbezug wird nicht zuletzt auch durch den verfassungsgeschichtlichen Hintergrund, vor dem die Regelung geschaffen wurde, wie auch durch ihre bisherige Handhabung durch oberste Verfassungsorgane seit Inkrafttreten des Grundgesetzes erhellt. Die Berücksichtigung der Handhabung einer Verfassungsnorm durch oberste Verfassungsorgane bei ihrer Sinnbestimmung bedeutet nicht schon, den Rechtswert, der sich im Verfassungsrecht ausdrückt, den jeweiligen Machtverhältnissen auszuliefern. Sie anerkennt vielmehr den Umstand, daß Verfassungsnormen wegen der Eigenart der von ihnen geregelten Sachverhalte oftmals einen sehr hohen Grad an Allgemeinheit aufweisen, der der Konkretisierung bedarf, noch ehe die Norm auf Einzelfälle anwendungsfähig wird, ein Befund, wie er auch in anderen Sachbereichen der Rechtsordnung nicht selten anzutreffen ist. Die Befugnis zu solcher Konkretisierung obliegt für das Bundesverfassungsrecht nicht allein dem Bundesverfassungsgericht, sondern auch anderen obersten Verfassungsorganen. Es versteht sich von selbst, daß bei dieser Konkretisierung die bereits vorgegebenen Wertungen, Grundentscheidungen, Grundsätze und Normen der Verfassung zu wahren sind. Verfassungsdurchbrechungen sind auch auf diesem Wege nicht zulässig. Da es sich dabei indes um die Konkretisierung der Verfassung als rechtlicher Grundordnung des Staates handelt, ist zumal ein hohes Maß an Übereinstimmung in der verfassungsrechtlichen wie verfassungspolitischen Beurteilung und Bewertung der in Rede stehenden Sachverhalte zwischen den möglichen betroffenen obersten Verfassungsorganen unabdingbar und eine auf Dauer angelegte, stetige Handhabung unerläßlich. Diese Übereinstimmung kann für die Auslegung der Verfassung von Gewicht sein. Eine politisch umkämpfte und rechtlich umstrittene Praxis von Parlaments-und Regierungsmehrheiten reicht als solche hierfür nicht aus.

a) Die schon in Art. 68 GG selbst angelegte Systematik wie auch seine Stellung im weiteren Verfassungsgefüge machen deutlich, daß diese Norm vornehmlich darauf angelegt ist, während der laufenden Wahlperiode eines Bundestages einem amtierenden Bundeskanzler zu ermöglichen, ausreichende parlamentarische Unterstützung zu gewinnen oder zu festigen; sie will eine vorschnelle Auflösung des Bundestages verhindern und damit zu politischer Stabilität im Verhältnis von Bundeskanzler und Bundestag — freilich nicht zu politischer Unbeweglichkeit — beitragen. So fordert Art. 68 GG nicht nur, daß drei verschiedene oberste Verfassungsorgane — Bundeskanzler, Bundestag, Bundespräsident — aufgrund jeweils eigenständiger Beurteilung mitentscheiden; Bundeskanzler wie Bundestag sind in der Lage und gehalten, falls politische Umstände dies erfordern, das Verfahren zur Auflösung des Bundestages auch dann noch abzubrechen, wenn der Vertrauensantrag keine mehrheitliche Zustimmung gefunden hat. Der Bundeskanzler kann davon absehen, dem Bundespräsidenten einen Auflösungsvorschlag zu unterbreiten; der Bundestag kann den Weg zu seiner Auflösung noch jederzeit dadurch verstellen, daß er nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 GG einen neuen Bundeskanzler wählt; kein Bundestag wird leichthin über die Vertrauensabstimmung den Weg zu seiner Auflösung freigeben, kehrt doch erfahrungsgemäß bei Neuwahlen ein beträchtlicher Teil der bisherigen Abgeordneten nicht ins Parlament zurück. Der Bundespräsident ist nicht gehalten, dem Auflösungsvorschlag des Bundeskanzlers zu entsprechen; 21 Tage nach der Abstimmung erlischt sein Auflösungsrecht. Der Bundeskanzler schließlich kann — etwa bei zwischenzeitlicher Veränderung der politischen Ausgangslage — die Gegenzeichnung der Auflösungsanordnung des Bundespräsidenten verweigern. Hinzu kommt: b) Das Grundgesetz hat ein parlamentarisches Regierungssystem normiert, das stärker ausgeprägt und zugleich mehr auf Stabilität der Regierung angelegt ist als unter der Weimarer Reichsverfassung. Die Bestimmung des Bundeskanzlers ist, anders als die des Reichskanzlers unter der Bismarckschen wie unter der Weimarer Reichsverfassung, grundsätzlich in die Hände des Parlaments gelegt (Art. 63 Abs. 1 bis 3 GG); die Abberufung des Kanzlers ist nicht einfach als Sturz, sondern nur als Ersetzung, wiederum nur durch das Parlament, möglich (Art. 67 GG); die Stellung des Kanzlers ist weiterhin gestärkt durch sein Recht, die Minister nach seiner Wahl dem Bundespräsidenten zur Ernennung oder Entlassung vorzuschlagen (Art. 64 GG). Keine dieser Bestimmungen entspricht der Weimarer Reichsverfassung.

Das in Art. 25 WRV vorgesehene Recht des Reichspräsidenten, den Reichstag aufzulösen, war nur dahin begrenzt, daß die Auflösung „nur einmal aus dem gleichen Anlaß" erfolgen durfte, eine Begrenzung, die sich jedenfalls nicht als Auflösungshemmnis erwiesen hat; kein Reichstag der Weimarer Republik hat über seine volle, in der Verfassung als Regel vorgesehene Wahlperiode amtiert; auch die nach Art. 50 WRV für die Anordnung der Auflösung erforderliche Gegenzeichnung durch den Reichskanzler stellte letztlich keine wirkungsvolle Beschränkung des Auflösungsrechts dar; denn der Reichspräsident konnte einen unwilligen Reichskanzler jederzeit entlassen (Art. 53 WRV). Ebenso stand auch nach dem Verfassungsentwurf der Paulskirche das Auflösungsrecht dem „Reichsoberhaupt" (§ 106 des Verfassungsentwurfs von 1849), nach Art. 24 Satz 2 der Reichsverfassung von 1871 dem Bundesrat unter Zustimmung des Kaisers zu; in beiden Fällen war es nicht an materielle Voraussetzungen verfassungsrechtlicher Art gebunden.

Demgegenüber schließt das Grundgesetz ein freies Auflösungsrecht aus. Allein in den Fällen der Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG und Art. 68 GG eröffnet es unter engen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Voraussetzungen den Weg zu einer Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten. Die Einordnung der Auflösungstatbestände in den Abschnitt über die Bundesregierung kennzeichnet den Zusammenhang mit dem parlamentarischen Regierungssystem, wie es in Art. 63 und Art. 67 GG konsequent verwirklicht ist.

Die Vorschriften der Art. 63 Abs. 4 GG und Art. 68 GG lassen die Auflösung durch den Bundespräsidenten nur zu, wenn sich für die Wahl des Bundeskanzlers nicht die von Art. 63 Abs. 2 Satz 1 GG geforderte Mehrheit findet oder wenn ein im Amt befindlicher Bundeskanzler nicht das Vertrauen im Sinne des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG besitzt, das heißt nicht die ausreichende parlamentarische Unterstützung für seine Person oder sein Regierungsprogramm findet. Auch im Falle des Art. 63 Abs. 4 GG ist die Auflösung von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig; der Bundespräsident darf den Bundestag nur dann auflösen, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages seinem Wahlvorschlag nicht gefolgt ist, innerhalb von 14 Tagen einen anderen Bundeskanzler nicht gewählt und in einem daraufhin stattfindenden Wahlgang der Gewählte nicht die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt hat.

Art. 68 GG selbst wie sein Zusammenhang mit weiteren Vorschriften des VI. Abschnitts des Grundgesetzes belegen mithin, daß das Grundgesetz deutliche und hohe Hemmschwellen für eine Auflösung des Bundestages errichtet; ein freies Auflösungsrecht ist nicht vorgesehen.

Verfassungsgeschichtlich gesehen geht die Stoßrichtung des Art. 68 GG nicht in erster Linie gegen ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages, sondern gegen das praktisch unbegrenzte Auflösungsrecht, das der Reichs-präsident unter der Weimarer Verfassung mit Gegenzeichnung eines dazu willigen Reichskanzlers handhaben konnte und gehandhabt hat. c) Aus dem normativen Zusammenhang erschließt sich danach, daß die Auflösung des Bundestages auch über den Weg des Art. 68 GG stets eine politische Lage der Instabilität zwischen Bundeskanzler und Bundestag voraussetzt und als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erfordert, daß der Bundeskanzler der stetigen parlamentarischen Unterstützung durch die Mehrheit des Bundestages nicht sicher sein kann. Im Falle des Art. 63 Abs. 4 GG wird der Bundestag unter der drohenden möglichen Auflösung herausgefordert, einen „Mehrheitskanzler" zu wählen-, im Regelfall des Art. 68 GG wird er dazu angehalten, dem Bundeskanzler mehrheitlich parlamentarische Unterstützung zu gewähren. Die Vorschriften zielen mithin vorrangig darauf ab, Regierungsfähigkeit herzustellen, zu gewinnen oder zu erhalten — und zwar mit dem amtierenden Bundestag, und sei es auch über die Wahl eines anderen Bundeskanzlers. Erst wenn das Drohen der Auflösung ohne Wirkung bleibt, liegt die Auflösung — im Falle des Art. 68 GG nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers — im Ermessen des Bundespräsidenten.

Ein Auslegung dahin, daß Art. 68 GG einem Bundeskanzler, dessen ausreichende Mehrheit im Bundestag außer Zweifel steht, gestattete, sich zum geeignet erscheinenden Zeitpunkt die Vertrauensfrage negativ beantworten zu lassen mit dem Ziel, die Auflösung des Bundestages zu betreiben, würde dem Sinn des Art. 68 GG nicht gerecht. Desgleichen rechtfertigen besondere Schwierigkeiten der in der laufenden Wahlperiode sich stellenden Aufgaben die Auflösung nicht. Daß Bundeskanzler, Bundesregierung und Bundestag sich von Verfassungs wegen solchen Aufgaben nach besten Kräften zu stellen haben, folgt aus ihrer Verpflichtung auf das Gemeinwohl, daraus, daß ihnen Staatsgewalt anvertraut ist, und letztlich aus dem Sinn von Staatlichkeit. Insbesondere verfehlt es grundlegend den Sinn des Art. 68 GG wie der vom Grundgesetz geformten repräsentativen Demokratie, die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen mit der Behauptung zu fordern, ein über ein konstruktives Mißtrauensvotum neu gewählter Bundeskanzler bedürfe neben seiner verfassungsmäßigen Legalität noch einer durch Neuwahlen vermittelten Legitimität. Demgegenüber ist von Verfassungs wegen festzustellen: Auch der über Art. 67 GG gewählte Bundeskanzler besitzt wegen der Verfassungsmäßigkeit seiner Wahl die volle demokratische Legitimität. Es wäre im Hinblick auf die Bewahrung des demokratischen Rechts-staats, den das Grundgesetz verfaßt hat, ein unverantwortliches Unterfangen, verfassungsmäßige Verfahren mit der Behauptung abzuwerten oder auszuhöhlen, sie erforderten daneben weitere Legitimationen. Nach dem Grundgesetz bedeutet verfassungsmäßige Legalität zugleich demokratische Legitimität. Eine andere Auffassung rührt an dem Sinn des demokratischen Grundprinzips der freien Wahl und des repräsentativen freien Mandats der Abgeordneten im Sinne des Art. 38 Abs. 1

GG.

Dementsprechend kann es für sich allein auch keine Rechtfertigung für die Auflösung des Bundestages abgeben, daß alle im Bundestag vertretenen politischen Parteien oder ihre Fraktionen sich in dem Willen zu Neuwahlen einig sind. Dies mag allenfalls belegen, daß ein konkreter Mißbrauch nicht gegeben ist; als Rechtfertigungsgrund für den Weg der Auflösung wäre eine solche Einigkeit allein unzureichend.

Solche verfehlten Auslegungen beließen als Mißbrauchsschranke für die Anwendung des Art. 68 GG allein die Abstimmung des Bundestages und die Entscheidungsmacht des Bundespräsidenten. Art. 68 GG indes fordert mehr: Der Bundeskanzler, der die Auflösung des Bundestages auf dem Weg des Art. 68 GG anstrebt, soll dieses Verfahren nur anstrengen dürfen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet ist, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiter zu regieren. Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, daß er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag. Dies ist ungeschriebenes sachliches Tatbestandsmerkmal des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG; es muß erfüllt sein, damit ein Verfahren nach Art. 68 GG im Einzelfall verfassungsmäßig ist.

d) Dieses Ergebnis wird schließlich auch durch den normativen Zusammenhang bestärkt, in dem die beiden Auflösungstatbestände der Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG und Art. 68 GG mit Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG stehen. Als an eng umgrenzte Voraussetzungen gebundene Ausnahmen bestätigen sie die Regel der vierjährigen Wahlperiode. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht lediglich eine wahl-technisch gemeinte Festlegung für die vom Demokratiegrundsatz geforderte periodische Erneuerung der Mandate der Volksvertreter. Sie will auch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments in einer modernen Massendemokratie sichern. Die Wahlperiode abzukürzen, soll nur aus besonderen und schwerwiegenden Gründen, wie sie in Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG und Art. 68 GG festgelegt sind, möglich sein, nämlich nur dann, wenn die Regierungsfähigkeit infolge der politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag während einer laufenden Wahlperiode nicht mehr ausreichend gewährleistet erscheint.

3. Die Entstehungsgeschichte steht der gefundenen Auslegung des Art. 68 GG nicht entgegen; sie trägt aber zu ihrer Bestätigung bei.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß die Gesetzesmaterialien mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden sollen, als sie auf einen „objektiven Gesetzes-inhalt schließen lassen" (vgl. BVerfGE 1, 299 [312]; 6, 55 [75}; 6, 389 [431]; 10, 234 [244]; 36, 342 [367]; 41, 291 [309]). Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw.der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (vgl. BVerfGE 11, 126 [130]; 13, 261 [268]; 54, 277 [298 f. ]).

Ob diese Grundsätze auch uneingeschränkt für die Auslegung von Verfassungsnormen gelten können, mag dahinstehen. Denn mehr als die Interpretation der Gesetze hat die der Verfassung mit dem Problem der Offenheit des Normtextes zu tun, weil die Verfassung der aufgegebenen politischen Einheit des Staates zu dienen bestimmt ist (vgl. hierzu Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Auf!., S. 5ff., 15 ff.). Insbesondere hinsichtlich des organisatorischen Teils der Verfassung, zu dem Art. 68 GG gehört, wird die Aufgabe der Verfassungsinterpretation dahin verstanden, wechselnden Gestaltungsmöglichkeiten Raum zu lassen (vgl. Böckenförde, NJW 1976, S. 2089 [2091, 2099]; vgl. auch Smend, Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Auf!., S. 189f.). Dennoch kann die Entstehungsgeschichte einer solchen Norm nicht völlig unberücksichtigt bleiben, insbesondere dann nicht, wenn sich für ihre Auslegung feste Grundsätze noch nicht haben bilden können (BVerfGE 1, 117 [127]). Ausschlaggebende Bedeutung kommt den Verfassungsmaterialien allerdings in der Regel nicht zu (BVerfGE 6, 389 [431]; 41, 291 [309]; 45. 187 [227]).

b) Der Entstehungsgeschichte des Art. 68 GG läßt sich zwar unschwer entnehmen, daß der Verfassungsgeber bemüht war, durch die Norm einer vorzeitigen Auflösung des Parlaments Grenzen zu setzen. Insoweit steht sie mit dem hier festgestellten Verständnis der Bestimmung in Einklang. Sie besagt jedoch keinesfalls eindeutig, daß der Verfassungsgeber die Möglichkeit, über Art. 68 GG die Auflösung des Bundestages anzustreben, nur für den Minderheitskanzler vorgesehen wissen wollte:

Unbeschadet aller Auffassungsunterschiede im einzelnen war bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat allerdings die Vorstellung vorherrschend, Art. 68 GG sei um eines „Minderheitskanzlers" willen notwendig. So wiesen z. B. die Abgeordneten Dr. Dehler und Dr. von Brentano bei den Beratungen des jetzigen Art. 68 GG auf den Zusammenhang dieser Bestimmung mit dem Bestehen einer „obstruktiven Mehrheit gegen die Regierung" (Dr. Dehler, Pari. Rat, Verh. d. Hauptausschusses, Prot. vom 16. November 1948, S. 34 f.) oder die Existenz eines „Minderheitskabinetts" (Dr. von Brentano, a. a. O., Prot. vom 17. November 1948, S. 44) hin. Die vorgestellte politische Lage wurde nur allgemein umschrieben, etwa als „parlamentarische Krise" (Dr. Dehler, a. a. O.) oder als „Fall eines ernsthaften politischen Konflikts" (Dr. Katz, a. a. O., S. 44). Allerdings hat gerade Dr. Katz alternativ hierzu auch den Fall angesprochen, „daß die Bundesregierung den Wunsch hat, eine wichtige politische Frage durch das Volk entscheiden zu lassen" (a. a. O.); hier wird nicht sicher erkennbar, ob Dr. Katz dabei auch politische Lagen im Auge hatte, die sich nicht nur auf den Minderheitskanzler beziehen.

Dieser Befund ist — angesichts der Vielgestaltigkeit politischer Situationen und der völlig im Banne der Ereignisse der ausgehenden Weimarer Republik stehenden Beratungen — notwendigerweise vage und keinesfalls präjudizierend im Sinne einer Festlegung auf einen Numerus clausus von Fallgestaltungen. Sicher läßt sich aus den Materialien zu Art. 68 GG nur entnehmen, daß eine instabile, die Regierungsarbeit erheblich störende Lage im Verhältnis Regierung und Parlament als „Anwendungssituation" des Art. 68 GG vorausgesetzt wurde.

Dagegen wurde die Möglichkeit, daß der Kanzler die Vertrauensfrage stellt, um zu Neuwahlen zu kommen, sein Ziel mithin gar nicht das Vertrauen selbst ist, in die Überlegungen deutlich einbezogen (Dr. von Brentano, a. a. O., S. 28; Dr. Katz, a. a. O., S. 44; Dr. Dehler, S. 34 und 28. Sitzung des Organisationsausschusses — O. 28, 21). Im Bericht des Hauptausschusses an das Plenum wird nicht die Vertrauensfrage als Waffe der Regierung gegenüber dem Parlament bezeichnet, sondern das Auflösungsrecht des Bundespräsidenten (Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht des Hauptausschusses zum Entwurf des Grundgesetzes, S. 31). Dies allein macht hinreichend deutlich, daß aus der Sicht des Verfassungsgebers der Bundeskanzler das Verfahren gemäß Art. 68 GG mit dem primären Ziel, zu Neuwahlen zu gelangen, einleiten darf.

c) Daß Art. 68 GG nur auf die im Parlamentarischen Rat angesprochenen Fallgestaltungen Anwendung finden und nur insoweit einen Weg zu Neuwahlen eröffnen sollte, läßt sich sonach nicht feststellen. Man wollte eine Norm schaffen, die Grenzen setzt und die die im Rückblick auf Weimar vor Augen stehenden Gefahren für die Stabilität der neuen Republik bannen sollte, ohne den notwendigen politischen Freiraum über Gebühr einzuschränken. Nicht eine „Patentlösung" für alle denkbaren Konfliktsfälle sollte geschaffen werden, sondern eine Bestimmung, die durch ihre besondere Ausgestaltung, die Beteiligung von Bundeskanzler, Bundestag und Bundespräsident mit den daraus folgenden Wechselwirkungen und Prüfungspflichten eine greifende Sicherung gegen jeden Mißbrauch gewährleistet. Die festgestellte Auslegung des Art. 68 GG entspricht dieser Zielsetzung. 4. a) Während in der Weimarer Republik nicht ein einziger Reichstag über die gesamte, verfassungsrechtlich vorgesehene Dauer seiner Wahlperiode amtierte, ist in den mehr als 33 Jahren der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland der Weg zu Neuwahlen über Art. 68 GG erst einmal — im Jahre 1972 — beschritten worden. Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG kam überhaupt nicht zur Anwendung. Auch vom konstruktiven Mißtrauensvotum des Art. 67 GG ist bislang nur zweimal, davon einmal, im Jahre 1972, erfolglos Gebrauch gemacht worden. Art. 81 GG endlich, der, wie Art. 67 GG, schwere Störungen im Verhältnis von Bundeskanzler und Bundestag ohne das Mittel der Neuwahl beheben helfen soll, ist noch in keinem Fall beansprucht worden.

Dieser Befund spiegelt nicht nur die vergleichsweise große Stabilität der parteipolitischen Kräfteverhältnisse und den Willen wie die Fähigkeit der jeweiligen Volksvertretung wider, tragfähige Regierungsmehrheiten zu bilden und Regieren zu ermöglichen. Er belegt auch den äußerst zurückhaltenden Umgang mit dem Mittel der Parlamentsauflösung durch alle betroffenen obersten Verfassungsorgane. Von der Inanspruchnahme eines — durch das Grundgesetz nicht vorgesehenen — Selbstauflösungsrechts des Bundestages, erzwungen jeweils durch seine Mehrheit, kann keine Rede sein. b) Ebensowenig belegt die bisherige Praxis, daß Art. 68 GG dazu benutzt wurde, zugunsten von Regierungsparteien den jeweils günstigsten Zeitpunkt für Neuwahlen auszusuchen, um ihnen bei Wahlen eine „Prämie auf den legalen Machtbesitz" zu verschaffen. Es erscheint ohnedies fragwürdig, ob dieses Prämienkalkül zutreffend wäre: In Großbritannien, auf das in diesem Zusammenhang immer wieder verwiesen wird, weil dort der Premierminister zufolge einer feststehenden Übung (convention) den Zeitpunkt für Neuwahlen in der Regel während des letzten Jahres einer laufenden Wahlperiode festsetzt, hat in den Unterhauswahlen seit 1945 in etwa der Hälfte der Fälle die jeweilige Opposition die Mehrheit im Unterhaus errungen; Prä-mien auf Besitz der Macht scheinen mithin durch Abschläge darauf aufgewogen zu werden. c) Im Jahre 1972 hatte der amtierende Bundeskanzler — in einer Lage instabiler Mehrheitsverhältnisse — die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG ebenfalls mit dem Ziel der Auflösung des Bundestages gestellt. Der Abstimmung blieben Regierungsmitglieder fern, die als Abgeordnete des Bundestages stimmberechtigt gewesen wären, um sicherzustellen, daß die Vertrauensfrage verneint und so der Weg für Neuwahlen eröffnet werde. Keines der nach Art. 68 GG beteiligten Verfassungsorgane, weder Bundeskanzler, Bundestag noch Bundespräsident, haben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens bekundet. Diesem Vorgang kann seine Bedeutung für die Auslegung der Verfassungsbestimmung nicht abgesprochen werden. Es waren die obersten Verfassungsorgane, die, in ihrem Pflichtenkreis fortwährend zur Verwirklichung und Konkretisierung des Grundgesetzes gehalten, in der gegebenen politischen Lage des Jahres 1972 übereinstimmend das Verfahren und die Entscheidung zur Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet haben. Das Bundesverfassungsgericht kann das Gewicht dieser einhelligen Überzeugung auf höchster Ebene nicht unbeachtet lassen, erst recht nicht, wenn in dieser Rechtsauffassung die gleiche Zielsetzung zum Ausdruck kommt, von der sich auch der Parlamentarische Rat ersichtlich hat leiten lassen: Offenheit der Norm für die Bewältigung außergewöhnlicher politischer Krisensituationen im Verhältnis von Bundeskanzler und Bundestag, wirksame Begrenzung politischer Gestaltungsmöglichkeiten durch ein mehrstufiges Verfahren mit entsprechenden Prüfungsstationen, das der freien Kontrollentscheidung des Parlaments und der Kritik der Öffentlichkeit unterliegt. Es ist nicht der Vorgang eines Verfassungswandels, der im Rückblick auf diese Entscheidungen der betroffenen obersten Verfassungsorgane sichtbar wird; es ist der Beginn einer Staatspraxis, die einem neuen, besonderen politischen Sachverhalt gerecht zu werden versuchte und auf diesem Wege die Krise löste. Das darin zum Ausdruck kommende schöpferische Moment der Rechtsfindung und Rechtsgewinnung ist der Verfassungsrechtsordnung nicht fremd. Es muß hier berücksichtigt und in die festgestellten tatbestandlichen Grenzen des Art. 68 GG einbezogen werden. Von einer Durchbrechung der Verfassung kann in diesem Fall, wie aufgezeigt, keine Rede sein. 5. Ob die Kräfteverhältnisse im Bundestag eine Lage ausweisen, die eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene und unterstützte Politik des Kanzlers nicht mehr sinnvoll ermöglicht, ob also dieses Tatbestands-merkmal des Art. 68 GG im Einzelfall vorliegt, hat der Bundeskanzler bereits zu prüfen, wenn er beabsichtigt, einen Antrag mit dem Ziel zu stellen, darüber die Auflösung des Bundestages anzustreben. Die gleiche Prüfung obliegt dem Bundestag. Dem Bundespräsidenten hat das Grundgesetz im Rahmen dieses Verfahrens die Rolle einer neutralen Entscheidungsinstanz zugewiesen (vgl. Pari. Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes, S. 26). Er hat nicht nur zu prüfen, ob das angestrengte Verfahren auf den vorangehenden Stufen den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entspricht; er hat, wenn diesen Erfordernissen genügt ist, im Rahmen seines Ermessens die politische Leitentscheidung zu treffen, ob die Auflösung des Bundestages und damit die Verkürzung der laufenden Wahlperiode des Art. 39 Abs. 1 GG mit all ihren politischen Folgen sinnvoll ist und von ihm politisch vertreten werden kann.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers bei Entscheidungen mit Prognosecharakter geachtet (vgl. die Übersicht in BVerfGE 50, 290 [333]). Gleiches gilt für politische Entscheidungen der Exekutive von weitreichender Bedeutung, zumal wenn sie auf einer Einschätzung, Wertung und Beurteilung politischer Vorgänge und Verhältnisse beruhen (vgl. BVerfGE 46, 160 [164f. ]; 49, 89 [131]; 55, 349 [364 f. ]).

Der Bundespräsident kann bei der Prüfung, ob der Antrag und der Vorschlag des Bundeskanzlers nach Art. 68 GG mit der Verfassung vereinbar sind, andere Maßstäbe nicht anlegen; er hat insoweit die Einschätzungs-und Beurteilungskompetenz des Bundeskanzlers zu beachten. Kommt der Bundeskanzler zu der Auffassung, daß seine politischen Gestaltungsmöglichkeiten bei den gegebenen politischen Kräfteverhältnissen im Rahmen des parlamentarischen Regierungssystems erschöpft sind, so kann der Bundespräsident nicht seine eigene Beurteilung der politischen Gegebenheiten an die Stelle der Auffassung des Bundeskanzlers setzen.

Das Grundgesetz geht gerade im Verhältnis der obersten Verfassungsorgane zueinander von je eigenen, kompetenzrechtlich abgesteckten Verantwortungsbereichen dieser Organe aus, denen die Rechtsordnung in Form von Gestaltungs-, Beurteilungs-und Ermessensspielräumen Rechnung trägt. Muß mithin nach pflichtgemäßer Beurteilung des Bundespräsidenten eine andere, die Auflösung verwehrende Einschätzung der politischen Lage der Einschätzung des Bundeskanzlers nicht eindeutig vorgezogen werden, so hat der Bundespräsident — bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens des Bundeskanzlers — die Beurteilung des Bundeskanzlers als mit dem Grundgesetz vereinbar hinzunehmen.

b) Unberührt hiervon bleibt, daß der Bundespräsident, nachdem er die Verfassungsmäßigkeit der vorangehenden Akte von Bundeskanzler und Bundestag bejaht hat, im Rahmen seines Ermessens die Lage selbständig und insoweit ohne Bindung an die Einschätzungen und Beurteilungen des Bundeskanzlers und ohne inhaltliche Bindung an die Abstimmung des Bundestages und den Auflösungsvorschlag des Bundeskanzlers zu beurteilen hat.

6. Der Senat verkennt nicht, daß das Grundgesetz in Art. 68 GG durch Einräumung

von Einschätzungs-und Beurteilungsspielräumen sowie von Ermessen zu politischen Leitentscheidungen an drei oberste Verfassungsorgane die verfassungsgerichtlichen Uberprüfungsmöglichkeiten weiter zurückgenommen hat als in den Bereichen von Rechtsetzung und Normvollzug; das Grundgesetz vertraut insoweit in erster Linie auf das in Art. 68 GG selbst angelegte System der gegenseitigen politischen Kontrolle und des politischen Ausgleichs zwischen den beteiligten politischen Verfassungsorganen. Allein dort, wo verfassungsrechtliche Maßstäbe für politisches Verhalten normiert sind, kann das Bundesverfassungsgericht ihrer Verletzung entgegentreten.

III.

Die Überprüfung der angegriffenen Anordnungen des Bundespräsidenten vom 6. Januar 1983 am dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstab ergibt, daß sie mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Die von Art. 68 GG geforderten Verfahrens-schritte sind ersichtlich erfüllt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Bundespräsident und vor ihm der Bundeskanzler und der Bundestag in ihrer Einschätzung der politischen Kräfteverhältnisse im 9. Deutschen Bundestag zu dem Ergebnis gekommen sind, der Bundeskanzler könne eine vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit getragene Politik künftig nicht mehr sinnvoll verfolgen. Die Ermessensentscheidung des Bundespräsidenten, deswegen den 9. Deutschen Bundestag aufzulösen, läßt Verfassungsverletzungen ebenfalls nicht erkennen. 1. Der Bundeskanzler hatte im Dezember 1982 Anlaß, davon auszugehen, daß aufgrund der außergewöhnlichen Lage, in der sich die Abgeordneten einer Koalitionspartei nach der Beendigung der bisherigen Koalition befanden, eine dauerhafte stabile parlamentarische Mehrheit nicht zustande gebracht werden konnte. Zwar waren einige vordringliche, sachlich und zeitlich eng begrenzte Vorhaben auf den Weg gebracht worden.

Der Bundeskanzler hat in der Begründung seines Antrages gemäß Art. 68 GG in der Sitzung des Bundestages am 17. Dezember 1982 dargelegt, daß er eine zeitlich und sachlich weiterreichende parlamentarische Unterstützung nicht habe. Dies ist von den Sprechern der Koalitionsfraktionen bekräftigt worden. Diese Einschätzung mag durch anderslautende Äußerungen im vielfältigen Spektrum politischer Meinungen mit Zweifeln versehen und möglicherweise auch abweichend beurteilt werden können. Ihr kann von Verfassungs wegen jedoch nicht entgegengetreten werden.

a) Die Freie Demokratische Partei und die Fraktion der FDP, auf deren politische Unterstützung der Bundeskanzler angewiesen war, da eine große Koalition nach den festen und übereinstimmenden Bekundungen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD nicht in Frage kam, gerieten im Zusammenhang mit der Beendigung der sozialliberalen Koalition in tief-greifende Richtungskämpfe; dies durfte der Bundeskanzler dahin bewerten, daß sie ernsthafte Zweifel an einer beständigen politischen Unterstützung des Bundeskanzlers im 9. Deutschen Bundestag begründeten, wie vor dem Hintergrund folgender Ereignisse deutlich wird:

aa) Die am 17. September 1982 zerbrochene sozialliberale Koalition bildete die Grundlage einer seit fast 13 Jahren bestehenden, zum dritten Male erneuerten politischen Gemeinsamkeit, deren Ende verbreitet als „Ende einer Ära" empfunden wurde. Vor der Bundestagswahl 1980 hatte sich die FDP unzweideutig für ein neuerliches Zusammengehen mit der SPD ausgesprochen, das auf die Dauer einer Legislaturperiode angelegt war. Auf ihrem Bundesparteitag im Juni 1980 hatte der Parteivorsitzende Genscher hierzu ausgeführt, daß die Fortsetzung der sozialliberalen Koalition notwendig sei, weil nur sie die Fähigkeit zu Reformen aufbringe; zugleich richtete er heftige Angriffe gegen die damalige Opposition und schloß die Wahl ihres Kanz-lerkandidaten aus (Liberale Dokumente, Juni 1980, S. 2f„ in: Die Neue Bonner Depesche. Die Liberale Zeitung Nr. 6/Juni 1980). Mit dieser Wahlaussage, einer mit die ausdrücklich Unterstützung Wiederwahl damaligen des Bundeskanzlers Schmidt verknüpft war, errang die FDP ihren bisher zweitgrößten Erfolg bei einer Bundestagswahl.

Es blieb nicht aus, daß der Bruch dieses Bündnisses inmitten der Legislaturperiode vor diesem Hintergrund heftige Auseinandersetzungen hervorrief. Nach einer stürmisch geführten Debatte billigte der Bundesvorstand der FDP, an den diese Frage herangetragen worden war, am 17. September 1982 nur mit der knappen Mehrheit von 18 zu 15 Stimmen, daß seine Mitglieder Genscher und Mischnick in Koalitionsverhandlungen mit der bisherigen Opposition eintraten; das Vorstandsmitglied Meyer erklärte während der Sitzung seinen Rücktritt. Der Landesverband Schleswig-Holstein sprach sich für einen Sonderparteitag aus; allgemein entstand der Eindruck, die FDP stehe vor einer Zerreißprobe.

In dieser kritischen Situation signalisierte die SPD, daß ihr Mitglieder der FDP, die mit einem neuen politischen Kurs nicht einverstanden waren, willkommen seien. Das Präsidium der SPD beschloß: „Die SPD bietet einem wertbezogenen sozialen Liberalismus, soweit er in der . gewendeten'FDP in die Wirkungslosigkeit gedrängt wird, politisches Heimat-recht" (Tagespresse vom 22. September 1982).

Auch auf den unteren Ebenen der Partei machte sich weithin Unmut breit So nahmen z. B. 116 „Funktionsträger" des Landesverbandes Hamburg der FDP, unter ihnen die beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden und weitere Vorstandsmitglieder, in einer Anzeige offen gegen ihren Parteivorsitzenden Stellung. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, der Landesverband Hamburg der FDP stehe kurz vor der Spaltung.

Am 22. September 1982 sprach sich nach den Landesverbänden Schleswig-Holstein, Berlin und Hamburg auch der Landesverband Bremen für einen Sonderparteitag der Bundespartei aus; dieser hatte danach satzungsgemäß unverzüglich stattzufinden. Von der Durchführung des Sonderparteitages wurde später allerdings mit Rücksicht auf einen nahen ordentlichen Bundesparteitag abgesehen. Am 26. September 1982 fanden in Hessen Landtagswahlen statt. Die FDP, für die im Jahr 1978 6, 8 % der Stimmen abgegeben worden waren, errang nur noch 2, 9 % der Stimmen und gelangte nicht mehr in den Landtag.

Am 26. September 1982 forderten mehrere hundert Teilnehmer einer linksliberalen Ver -anstaltung in Norderstedt, an sozialliberalen Zielsetzungen festzuhalten. Am selben Tag wandte sich demgegenüber der Vorsitzende der saarländischen FDP, Klumpp, auf dem Landesparteitag gegen einen „breit angelegten Vernichtungsfeldzug" gegen seine Partei. Am 28. September 1982 wurde im Bundesvorstand der FDP mit der äußerst knappen Mehrheit von 18 zu 17 Stimmen ein Antrag abgelehnt, mit dem vorgesehenen konstruktiven Mißtrauensvotum gegen Bundeskanzler Schmidt bis zum Ergebnis des beantragten Sonderparteitages zuzuwarten. Der Koalitionskompromiß wurde ebenfalls nur mit knapper Mehrheit von 19 zu 16 Stimmen gebilligt. Aus Protest gegen diese Entscheidung trat der Generalsekretär der FDP, Verheugen, von seinem Amt zurück. Diesen Entschluß interpretierten die Bundestagsabgeordneten Schuchardt, Bergerowski und Hölscher als Ausdruck des Widerstandes „weiter Teile der Partei gegen den Kurs Genschers" (Pressemeldung vom 30. September 1982).

Bei den Landtagswahlen in Bayern am 10. Oktober 1982 erlitt die FDP erneut einen Rückschlag; sie fiel von 6, 2 % auf 3, 2 % der Stimmen zurück und gelangte nicht mehr in den Landtag.

Mehrere Landesverbände forderten den Bundesvorsitzenden der FDP auf, sein Amt niederzulegen. Dabei vertrat ein Sonderparteitag der baden-württembergischen FDP mehrheitlich die Auffassung, dieser habe die FDP in eine Situation hineingeführt, in der ihre Glaubwürdigkeit, ihre liberale Identität und ihre Existenz aufs äußerste gefährdet seien. Diese Bestrebungen richteten sich zwar unmittelbar gegen die Person des Parteivorsitzenden, sie wurden jedoch auch als stellvertretend für eine inhaltliche Frontstellung gesehen. Zum Bundesparteitag der FDP Anfang November 1982 ließ sich der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ronneburger als Gegenkandidat für den Parteivorsitz aufstellen. Er bezeichnete seine Kandidatur als einen Versuch, alle Teile der FDP zusammenzuhalten. Für ein Festhalten der FDP an der Koalition mit der CDU und CSU über den 6. März 1983 hinaus gab er keine Erklärung ab. Zwar errang der Parteivorsitzende Genscher mit 222 gegen 169 Stimmen wieder den Vorsitz; dies brachte die Partei jedoch nicht zur Ruhe. In einem Beschluß zum Koalitionswechsel mißbilligte der Bundesparteitag die Art und Weise des Zustandekommens der Koalitionsvereinbarungen mit der CDU/CSU und bezeichnete die bisherigen Vereinbarungen als unzureichend (Die Neue Bonner Depesche, Nr. 11/November 1982, S. 8). Eine Reihe von prominenten Parteimitgliedern verließ in kurzer Folge die Partei, unter ihnen der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Moersch, das Vorstandsmitglied der FDP und frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, von Schoeler, die Bundestagsabgeordneten Hölscher, Frau Matthäus-Maier und Frau Schuchardt sowie der frühere Generalsekretär der Partei, Verheugen. Am 28. November 1982 gründeten zahlreiche ehemalige FDP-Mitglieder eine neue Partei unter dem Namen „Liberale Demokraten" (Pressemeldung vom 29. November 1982).

Bei den Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft am 19. Dezember 1982 ging der Stimmenanteil der FDP von 4, 9 % bei der Bürgerschaftswahl vom 6. Juni 1982 auf 2, 6 % zurück.

bb) Die Spannungen innerhalb der FDP, die Koalitionswechsel durch den hervorgerufen worden waren, blieben auf die Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag nicht ohne Auswirkungen. Die beschriebenen Gegensätze zwischen Befürwortern und Gegnern des Koalitionswechsels traten auch dort — wenngleich in abgemilderter Form — offen zutage.

Am 17. September 1982 sprach sich die Fraktion der FDP zwar dafür aus, in Koalitionsverhandlungen mit der Fraktion der CDU/CSU einzutreten. In geheimer Abstimmung fand sich hierfür jedoch nur eine Mehrheit von 33 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung. Mehrere der Fraktion der FDP angehörende Bundestagsabgeordnete (Schuchardt, Matthäus-Maier, Hölscher) forderten öffentlich, daß sich die Bundestagsabgeordneten nicht an einem Mißtrauensvotum gegen Bundeskanzler Schmidt beteiligen dürften.

Auch in der Folge zeigten sich in der Fraktion starke Strömungen, die den eingeschlagenen Kurs in Richtung auf ein Zusammengehen mit der CDU/CSU ablehnten. Das Ergebnis der Koalitionsgespräche fand kurz vor dem ins Auge gefaßten konstruktiven Mißtrauensvotum in der Fraktion die Zustimmung von 32 Abgeordneten; 20 Abgeordnete stimmten dagegen, zwei Abgeordnete enthielten sich der Stimme.

Die darin erkennbar gewordenen Differenzen in der Sache, die sich im übrigen auf eine ohnehin inhaltlich nur begrenzte Übereinkunft bezogen, fanden auch in der Debatte über den Antrag nach Art. 67 GG deutlichen Ausdruck.

In der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP konnte der Fraktionsvorsitzende Mischnick nur für einen Teil der Mitglieder seiner Fraktion sprechen, weil diese im Meinungsstreit über diesen Vorgang ihre Geschlossenheit verloren hatte (Deutscher Bundestag, StenBer., 118. Sitzung vom 1. Oktober 1982, S. 7184 D).

Namhafte, der FDP angehörende Abgeordnete, wie der frühere Bundesminister Baum und die damalige Staatsministerin Frau Dr.

Hamm-Brücher, widersprachen der neuen Koalition mit Nachdruck.

Der Abgeordnete Baum sah in diesem Schritt eine Abkehr vom Wählerauftrag, die die Zahl derer vermehre, die sich den politischen Parteien gegenüber ablehnend verhielten. Der neuen Koalition fehle nicht nur die politische Legitimation, sondern ihr ermangele auch die inhaltliche Begründung. Liberale Zielsetzungen, mit denen die Partei im Jahre 1980 um Wähler geworben habe, seien fallengelassen oder ausgeklammert worden. Liberale Rechtsstaatspolitik sei zur Disposition gestellt worden. Es bestünden „Zweifel, ob die neue Koalition im Zweifel für die Freiheit'eintreten“ werde. Einigung im Bereich der Wirtschafts-und Sozialpolitik sei teilweise nur um den Preis von Zugeständnissen erzielt worden, die dem früheren Koalitionspartner verweigert worden seien. Neuwahlen nach der Regierungsbildung seien „die einzige Chance für einen neuen Anfang. Ohne Klarheit und Eindeutigkeit über den Neuwahltermin (lasse) sich verlorenes Vertrauen nicht zurückgewinnen" (a. a. O., S. 7192 ff.).

Die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher vertrat die Auffassung, daß der politische Liberalismus über diesen Konflikt in eine schwere Existenzkrise geraten sei. Es habe das „Odium des verletzten demokratischen Anstands", wenn Abgeordnete einer Fraktion, „die mit einer klaren Aussage für eine Koalition und gegen eine andere ein hohes Wahlergebnis erzielt haben, nach zwei Jahren entgegen diesem Versprechen einen Machtwechsel ohne vorheriges Wählervotum herbeiführen“. Der Wähler müsse hierzu befragt werden (a. a. O., S. 7195, 7196).

Mehrere Abgeordnete, die der Fraktion der FDP angehörten, kehrten sich, wie bereits ausgeführt, von ihrer Partei ab und stellten ihre Mitarbeit in der Fraktion ein. Angesichts ihrer begrenzten personellen Möglichkeiten ergaben sich für die Fraktion der FDP nur schwer zu lösende Probleme, den neuen Kurs in den für die Arbeit des Deutschen Bundestages wichtigen Ausschüssen abzusichern (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Oktober 1982). cc) Die in der Fraktion der FDP und in der Partei selbst aufgebrochenen Meinungsunterschiede bildeten den Hintergrund für die Entscheidung der mit der Suche nach einem Ausweg aus der politischen Krise beauftragten Organe, baldige Neuwahlen ins Auge zu fassen. Von Anfang an erhoben sich in der Fraktion der FDP nur wenige Stimmen, die den Gedanken verfochten, mit der Fraktion der CDU/CSU bis zum Ende der Wahlperiode zusammenzugehen. Schon bei Beginn der Koalitionsverhandlungen war deutlich, daß ein naher Termin für Neuwahlen in der Partei vorausgesetzt wurde. Dieser Ausgangspunkt bildete die Basis der mehrheitlich getroffenen Entschließungen der FDP und der Fraktion der FDP, mit den Vertretern der CDU und der CSU und der Fraktion der CDU/CSU in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Zwar war die dargelegte krisenhafte Erschütterung der Partei in diesem frühen Zeitpunkt noch nicht in allen ihren Einzelheiten gegenwärtig. Sie war jedoch angesichts des bekannten Kräfte-spektrums innerhalb von Partei und Fraktion in ihren Grundstrukturen angelegt und deshalb klar vorauszusehen. Die Möglichkeit, daß sich die Partei spalte, galt als greifbar. Hieraus ergibt sich, daß bei den mehrheitlich getroffenen Entscheidungen in der FDP und in der Fraktion der FDP, eine inhaltlich begrenzte Koalition anzustreben und einzugehen, die Überlegung, daß Neuwahlen stattzufinden hätten, nicht hinweggedacht werden darf. Es würde die Sicht des damals vorhandenen politischen Spielraums unzulässig verkürzen, behielte man nur den Umstand im Auge, daß sich letztlich eine tragfähige Mehrheit für die neue Koalition in der Fraktion gefunden hat. Daß eine derartige Mehrheit in ebensolcher Weise hätte zustande gebracht werden können, wenn eine auf die Dauer der Legislaturperiode angelegte Koalition angestrebt worden wäre, ist von Sprechern der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP verneint worden.

Die Forderung nach nahen Neuwahlen stellte auch nicht eine nur vorübergehende Handlungsanleitung dar. Sie begleitete vielmehr den gesamten Weg der neuen Koalition. Dies zeigt sich nachdrücklich in dem Votum des Bundesparteitages der FDP vom November 1982. Hierzu heißt es: „Der vor der Bildung der Regierung Dr. Kohl/Genscher genannte Wahltermin für den Bundestag im März 1983 ist für die FDP bindend und unverzichtbar. Der Bundesparteitag erwartet von der FDP-Bundestagsfraktion und den FDP-Ministern, daß dieser Termin eingehalten und durchgesetzt wird" (abgedruckt in: Die Neue Bonner Depesche, Nr. 11/November 1982, S. 8). Anhaltspunkte dafür, daß die Mehrheit der Mitglieder der Fraktion der FDP in der Folgezeit ihren Sinn gewandelt und sich den in der Partei erhobenen Forderungen verschlossen hätten, sind nicht ersichtlich.

dd) In dieses Bild der politischen Vorgaben fügt es sich ein, daß sich die neugebildete Koalition nur zu begrenzter sachlicher Zusammenarbeit imstande sah. Man einigte sich lediglich auf ein „Notprogramm", das infolge haushaltsrechtlicher Notwendigkeiten und wirtschaftspolitischer Bedrängnisse unabweisbar erschien. Abgesehen davon, daß weitreichende Vorhaben sich bis zu der ins Auge gefaßten Neuwahl schon aus zeitlichen Gründen kaum hätten verwirklichen lassen (vgl. hierzu die Ausführungen des Bundesministers des Innern, Dr. Zimmermann, im Deutschen Bundestag, StenBer., 122. Sitzung vom 14. Oktober 1982, S. 7358), sparte man wichtige Bereiche aus den Absprachen aus und beschränkte sich auf das — insbesondere anhand der wirtschaftlichen und finanziellen Lage von Staat und Wirtschaft — aktuell für notwendig Erachtete (vgl. die Ausführungen des Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Dregger, im Deutschen Bundestag, Sten-Ber., 121. Sitzung vom 13. Oktober 1982, S. 7251). In den Äußerungen führender Politiker der Regierungsfraktionen wurde deutlich, daß ein Spielraum für weitergehende politische Entscheidungen der Koalition nicht gesehen wurde.

In der Aussprache über die Regierungserklärung wies der Abgeordnete Dr. Hirsch (FDP) auf den Umstand hin, daß Koalitionsvereinbarung und Regierungserklärung im Bereich der Innenpolitik und auch im Bereich der Rechtspolitik nur wenige festgeschriebene Positionen enthielten. Viele Einzelfragen der Innenpolitik seien an Kommissionen verwiesen worden, die im März 1983 Vorschläge unterbreiten sollten. Er ließ keinen Zweifel daran, daß Entscheidungen der Regierung, die den vereinbarten Kommissionen vorgriffen oder mit den Grundsätzen einer liberalen Innenpolitik nicht vereinbar seien, keine Aussicht auf parlamentarische Unterstützung der Fraktion der FDP besäßen (Deutscher Bundestag, StenBer., 122. Sitzung vom 14. Oktober 1982, S. 7353).

Auch der Abgeordnete Hoppe (FDP) unterstrich anläßlich der Beratung des Haushalts-gesetzes 1983, daß die Freien Demokraten sich, angesichts der wirtschaftlichen Lage für den Versuch entschieden hätten, „mit einem Notprogramm für Haushalt und Beschäftigung einen Dammbruch zu verhindern". Die Regierung habe von der Fraktion der FDP nur einen begrenzten Auftrag erhalten. Dieser sei mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes erfüllt (Deutscher Bundestag, StenBer., 138. Sitzung vom 14. Dezember 1982, S. 8595). b) Vor diesem Hintergrund ist es plausibel, daß der Bundeskanzler im Dezember 1982 auch im Blick auf die nicht weiter aufschiebbaren schweren Entscheidungen, die die Probleme der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes, der äußeren Sicherheit und der Innenpolitik fordern, angesichts der politischen Kräfteverhältnisse davon ausging, daß eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit des Bundestages getragene und unterstützte Politik nicht mehr sinnvoll möglich sein werde. Diesen Tatbestand hatten die Führungskräfte der Koalitionsparteien und eine große Mehrheit der in den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zusammengeschlossenen Abgeordneten bereits Ende September bei den Erörterungen über die Bildung der neuen Koalition vorhergesehen, als sie sich verfassungsrechtlich unbedenklich darum bemühten, durch die Wahl eines neuen Bundeskanzlers gemäß Art. 67 GG und die Herbeiführung einer Koalitionsabsprache über dringlichste politische Entscheidungen, wie die zum Bundeshaushalt 1983 und seinen Begleitgesetzen, das aus ihrer Sicht mindestens Gebotene in einem „Notprogramm" zu verwirklichen. Die weitere Entwicklung hat diese Einschätzung, wie dargelegt, nicht entkräftet, sondern bekräftigt. Nach der Verabschiedung des sogenannten Notprogramms sahen sich die Abgeordneten beider Koalitionsfraktionen ersichtlich nicht mehr imstande, auch künftig weiterreichende Entscheidungen des Bundeskanzlers mitzutragen, zumal zu die FDP diesem Zeitpunkt noch im Begriff stand, die aus dem Koalitionswechsel erwachsenen außerordentlichen Schwierigkeiten zu überwinden, und glaubte, angesichts ihrer Festlegungen in der Vergangenheit nur durch baldige Neuwahlen zu Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zurückzufinden. Die Vorstellung, die Mitglieder der Fraktionen der FDP und der CDU/CSU hätten, nachdem eine Mehrheit von ihnen den Abgeordneten Dr. Kohl zum Bundeskanzler gewählt hatte, von Verfassungs wegen die neue Koalition bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode mitzutragen, ist, wie schon dargelegt, verfassungsrechtlich nicht haltbar (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG).

Nachdem sich der Bundesparteitag der FDP mit großer Mehrheit und mit Unterstützung ihrer der Bundesregierung angehörenden Minister dafür ausgesprochen hatte, daß ein Wahltermin im März 1983 unverzichtbar sei, kann es als ausgeschlossen gelten, daß ein Versuch des Bundeskanzlers, seine Regierungsarbeit desungeachtet bis zum Ende der Wahlperiode weiterzuführen, von der Fraktion der FDP mitgetragen worden wäre. Zu einer anderen Einschätzung brauchte sich der Bundeskanzler von Verfassungs wegen jedenfalls nicht gedrängt zu sehen. Eine materielle Auflösungslage, wie sie Art. 68 GG verlangt, ist damit plausibel dargetan.

Für die Annahme, die Koalitionsvereinbarung sei ohne sachlichen Grund nur deshalb begrenzt worden, um dadurch vorgezogene Neuwahlen zu erreichen, fehlt es nach alledem an Anhaltspunkten.

Auf die Frage, ob die Entscheidung des Bundeskanzlers von weiteren Motiven begleitet wurde, kommt es hiernach nicht an. Art. 68 GG fordert neben dem Vorliegen formeller Voraussetzungen und einer materiellen Auflösungslage nicht noch als zusätzliche negative Voraussetzung das Fehlen weiterer Zielsetzungen, die für sich allein genommen als Gründe für die Auflösung des Bundestages von der Verfassung nicht hingenommen werden.

2. Die Abstimmung des Deutschen Bundestages über die von Bundeskanzler Dr. Kohl gestellte Vertrauensfrage nach Art. 68 GG gibt zu weitergehenden verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlaß. Es ist nicht zu beanstanden, daß eine Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages die Einschätzung des Bundeskanzlers geteilt hat. 3. Auch der Vorschlag des Bundeskanzlers an den Bundespräsidenten, den Bundestag aufzulösen, ist ersichtlich frei von verfassungs -rechtlichen Mängeln; denn zwischen der Abstimmung des Bundestages und diesem Vorschlag haben sich keine erkennbaren Umstände ereignet, die den Bundeskanzler von Verfassungs wegen genötigt hätten, den von ihm beabsichtigten Auflösungsvorschlag in stellen. Frage zu 4. a) Anhaltspunkte dafür, daß der Bundespräsident mit der Anordnung, den 9. Deutschen Bundestag aufzulösen, die ihm von der Verfassung gezogenen Grenzen überschritten hätte, liegen nicht vor. Der Bundespräsident hat den ihm vom Bundeskanzler unterbreiteten Vorschlag, den Bundestag aufzulösen, überprüft und das Vorliegen der Tatbestands-Voraussetzungen des Art. 68 GG zu Recht für gegeben erachtet.

b) Es kann nicht festgestellt werden, daß dem Bundespräsidenten bei der Ausübung des ihm eingeräumten weiten politischen Ermessens ein Verstoß gegen das Grundgesetz unterlaufen wäre. Der Bundespräsident hat ersichtlich Ermessenserwägungen angestellt. Er hat ihnen seine Beurteilung zugrunde gelegt, daß eine politische Lage gegeben war, in der die parlamentarische Unterstützung des Bundeskanzlers nicht mehr ausreichend gewährleistet war, und hat dies mit den Folgen der Alternative, den Bundestag nicht aufzulösen, abgewogen. Der Einschätzung des Bundespräsidenten kann eine andere, die Auflösung verwehrende Einschätzung nicht eindeutig vorgezogen werden; mehr hatte das Bundesverfassungsgericht nicht zu prüfen.

Die Einmütigkeit der im Bundestag vertretenen Parteien, zu Neuwahlen zu gelangen, vermochte den Ermessensspielraum des Bundespräsidenten nicht einzuschränken; er konnte hierin jedoch einen zusätzlichen Hinweis sehen, daß eine Auflösung des Bundestages zu einem Ergebnis führen werde, das dem Anliegen des Art. 68 GG näher kommt als eine ablehnende Entscheidung.

Es fehlt schließlich jeder Anhaltspunkt dafür, daß für die Anordnung der Auflösung des Deutschen Bundestages die Erwägung irgendeine Rolle gespielt hätte, daß einzelne Abgeordnete, Gruppen oder Fraktionen durch die Neuwahlen aus dem Parlament ausgeschaltet werden sollten.

5. Die Auflösung des Deutschen Bundestages entsprach Art. 68 GG. Sie hat mithin Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 39 Abs. 1 GG nicht verletzt.

D.

Die Entscheidung zu Abschnitt B ist einstim-mig, zu den Abschnitten C I und II mit 7 zu 1 und zu Abschnitt III im Ergebnis mit 6 zu 2 Stimmen ergangen.

Zeidler Rinck Wand Dr. Rottmann Dr. Dr. h. c. Niebler Steinberger Träger Mahrenholz

Fussnoten

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