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Das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem der Sowjetunion | APuZ 43/1983 | bpb.de

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APuZ 43/1983 Das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem der Bundesrepublik Deutschland Außen-und sicherheitspolitische Entscheidungen im Regierungssystem der Vereinigten Staaten Das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem der Sowjetunion

Das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem der Sowjetunion

Boris Meissner

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Zusammenfassung

Das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem der Sowjetunion ist durch den besonderen Charakter des sowjetischen Einparteistaates bedingt Dieser hat dabei einen unterschiedlichen Verlauf genommen, je nachdem, welchen Charakter die Einparteiherrschaft aufwies und ob in der autokratischen Führungsspitze das monokratische oder oligarchische Element überwog. Unter Andropow, der sich im außen-und sicherheitspolitischen Bereich gut auskennt, aber nur über eine schmale Machtbasis verfügt, überwiegt im Politbüro, das als die eigentliche Regierung der Sowjetunion anzusehen ist, eindeutig das oligarchische Element. Es kommt in einem „Führerkollektiv" zum Ausdruck, das zur Zeit durch die elf Vollmitglieder des Politbüros gebildet wird. Aufgrund des straffen zentralistischen Aufbaus des gesamten Entscheidungssystems stellt es das mit unbeschränkter Macht ausgestattete Entscheidungszentrum dar, im dem alle wesentlichen außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungen getroffen werden. Auf den einzelnen Stufen des außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesses, der im Politbüro mündet, wirken einzelne Partei-und Staatsorgane, die dem jeweiligen Bereich angehören, in unterschiedlicher Weise mit. Das Politbüro ist in politisch-soziologischer Hinsicht als das Spitzengremium der herrschenden Hochbürokratie und zugleich als Koalition der in ihm vertretenen Apparate anzusehen. Bei der Entscheidungsfindung spielt daher der subjektive Faktor eine bedeutsame Rolle, insbesondere bei der gegenwärtigen Kreml-Führung, welche die Züge eines „übergangsregimes" aufweist.

I. Die KPdSU als Kern des außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungssystems

Das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem ist in der Sowjetunion als Bestandteil eines politischen Systems anzusehen, das auf der Einparteiherrschaft beruht. Es ist Ausdruck der einheitlichen auswärtigen Gewalt des Sowjetstaates, der ebenso wie bei allen anderen Staaten in erster Linie die Aufgabe zufällt, die Interessen des eigenen Staates gegenüber anderen Mächten und die Gestaltung seiner auswärtigen Beziehungen neben seiner Sicherheit zu gewährleisten.

Der Sowjetstaat weist trotz seines föderativen Aufbaus eine zentralistische Organisationsstruktur auf, die durch das Prinzip der Gewaltenkonzentration verstärkt wird. Er kann jedoch, ebenso wie die parlamentarische Demokratie, die auf dem Prinzip der Gewaltenteilung beruht, auf die Beteiligung mehrerer Organe an der Ausübung der Auswärtigen Gewalt nicht verzichten. Der wesentliche Unterschied ist im monistischen Charakter des Entscheidungssystems und in der dominierenden Stellung der KPdSU, die zentralistisch aufgebaut ist, bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt zu sehen.

Aufgrund der besonderen Form der Einparteiherrschaft in der Sowjetunion, bei der die totalitären Wesenszüge überwiegen, ist die KPdSU eindeutig als der Hauptträger der Auswärtigen Gewalt anzusehen. Der Grad der Beteiligung der einzelnen Parteiorgane an der Ausübung der Auswärtigen Gewalt ist unterschiedlich, wenn es sich um die außen-und sicherheitspolitische Seite der Regierungs-und Organisationsgewalt handelt, insbesondere bei der Planung, der vertrags-schließenden Gewalt, der Repräsentation nach außen, der auswärtigen Verwaltung und der Kontrolle im außen-und sicherheitspolitischen Bereich. In jedem Fall spielt sich der außen-und sicherheitspolitische Entscheidungsprozeß in der Sowjetunion in einem institutionellen Rahmen ab, in welchem dem Parteiapparat im Verhältnis zum Staatsapparat im engeren Sinn eine Schlüsselstellung zufällt. Unter Chruschtschow ist der maßgebende Anteil der KPdSU an der Gestaltung der Außenpolitik besonders hervorgehoben worden. Unter Breshnew hat sich die Betonung der „führenden und lenkenden Rolle der Partei" auf außenpolitischem Gebiet noch verstärkt. Diese Akzentverschiebungen hängen mit den Veränderungen zusammen, denen die Einparteiherrschaft seit den Anfängen des Sowjetstaats unterworfen gewesen ist. Der außenpolitische Entscheidungsprozeß hat dabei einen unterschiedlichen Verlauf genommen, je nachdem, welchen Charakter die Einparteiherrschaft aufwies und ob in der autokratischen Führungsspitze das monokratische oder oligarchische Element überwog.

Mit Andropow ist eine Persönlichkeit Nachfolger Breshnews geworden, der seit Jahren mit Fragen der Außen-und Sicherheitspolitik aufgrund der von ihm früher bekleideten Funktionen befaßt gewesen ist Der Reihe nach hat er die Ämter eines Generalsekretärs der KPdSU, des Vorsitzenden des Verteidigungsrates der UdSSR und des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR und damit die Stellung eines Staatsoberhaupts (glawa gossudarstwa) übernommen. Er hat inzwischen durch einige personelle Veränderungen seine begrenzte Macht-basis festigen können. Er verfügt jedoch über keine größere Hausmacht und ist aufgrund seiner schwachen Gesundheit in noch stärkerem Maße als Breshnew an die „kollektive Führung" gebunden. Der oligarchische Charakter der Kreml-Führung hat sich weiter verfestigt. Die Bedeutung des Politbüros als zentrales Entscheidungsgremium und eigentlicher Träger der Souveränität im Staate wird dadurch hervorgehoben, daß über seine Sitzungen, die in der Regel einmal in der Woche stattfinden, Mitteilungen in der sowjetischen Presse veröffentlicht werden; dies war früher nicht üblich.

Im folgenden soll auf diejenigen Institutionen näher eingegangen werden, die bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt an dem außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß unmittelbar mitwirken. Ausgeklammert wird die Beteiligung dieser Institutionen an der vertragschließenden Gewalt und an der Repräsentation nach außen. Nicht behandelt werden die Institutionen, die für die außenwirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und kulturellen Beziehungen zuständig sind.

II. Die Institutionen, die dem außenpolitischen Entscheidungssystem angehören

In einem politischen Entscheidungsprozeß lassen sich Phasen der Initiative, der Planung, der Vorbereitung, der Beratung, der Beschlußfassung, der Durchführung der Entscheidung und ihrer Kontrolle unterscheiden 3). Die einzelnen Partei-und Staatsorgane, die in der Sowjetunion für den außenpolitischen Bereich zuständig sind, wirken auf den einzelnen Stufen des Entscheidungsprozesses in unterschiedlicher Weise mit. In den zuerst genannten Phasen sind mehr die Staatsorgane, in den späteren Phasen und vor allem bei der eigentlichen Entscheidungsfindung mehr die Parteiorgane beteiligt. 1. Das Außenministerium der UdSSR Das Fachministerium, das maßgebenden Anteil an der Ausübung der Auswärtigen Gewalt 4) hat, ist das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR. Es gehört dem Ministerrat der hat, ist das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR. Es gehört dem Ministerrat der UdSSR, der über hundert Mitglieder aufweist, an und ist dem Ministerpräsidenten und dem Präsidium des Ministerrates der UdSSR formell unterstellt. Es verfügt aber, ebenso wie das Verteidigungsministerium und das Komitee für Staatssicherheit der UdSSR (KGB), über ein besonderes enges Verhältnis zur Parteiführung, so daß man von einer tatsächlichen Doppelunterstellung sprechen kann.

Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR weist heute folgende Struktur auf:

1. Der Außenminister, zwei Erste Stellvertretende Außenminister, die Stellvertretenden Außenminister, die Mitglieder des Kollegiums und die Berater des Ministers, 2. das Generalsekretariat, 3. die operativen diplomatischen Abteilungen,

4. die operativen nichtdiplomatischen Abteilungen. 5. die administrativ-wirtschaftlichen Abteilungen. Der Außenminister, der die allgemeine operative Leitung des Außenministeriums ausübt, ist der unmittelbare Dienstvorgesetzte aller diplomatischen Vertreter und Konsuln der Sowjetunion im Ausland. Seiner Fachaufsicht unterstehen die Außenminister der Unionsrepubliken. Er ist auch der unmittelbare Dienst-vorgesetzte der besonderen Bevollmächtigten des Außenministeriums im Inland. Unter seiner Leitung erfolgt die Koordination einzelner Abteilungen des Ministeriums durch seine Stellvertreter.

Der Außenminister hat das Recht, im Rahmen seiner Zuständigkeit ohne besondere Vollmachten Verhandlungen zu führen, Verträge zu unterzeichnen und den Sowjetstaat nach außen zu repräsentieren. Unter Gromyko, den G. M. Kornijenko und V. F. Malzew als Erste Stellvertreter vertreten, hat sich die Zahl der gewöhnlichen stellvertretenden Außenminister auf insgesamt neun erhöht. Zu ihnen gehören: B. I. Aristow, L. F. Iljitschow, M. S. Kapiza, W. G. Komplektow, A. G. Kowaljow, N. S. Ryshow, W. F. Stukalin, I. N. Zemskow. Der Nachfolger des verstorbenen N. P. Firjubin, der zugleich Generalsekretär der Warschauer Pakt-Organisation war, muß noch bestimmt werden.

Dem Außenminister steht neben dem Ministerbüro eine Beratergruppe zur Seite. Außer den stellvertretenden Außenministern und dem Generalsekretär, der für die allgemeine Geschäftsführung zuständig ist, gehören eine Reihe von wichtigen Abteilungsleitern dem Kollegium des MID, darunter A. P. Bondarenko als Leiter der Dritten Europäischen Abteilung, an, das normalerweise täglich zu Besprechungen zusammentritt. Es ist für kurzfristige außenpolitische Entscheidungen, soweit sie in die Kompetenz des Außenministeriums fallen, und für die Behandlung von Verwaltungsangelegenheiten der Behörde zuständig. In dieser Eigenschaft hat das Kollegium gegenüber dem Minister aufgrund der 1938 getroffenen Regelung nur eine beratende Funktion. Für die Beratung in besonders wichtigen außenpolitischen Fragen steht dem Minister ein Rat (Sowjet) des MID zur Seite, dem eine Reihe von besonders qualifizierten älteren Diplomaten angehören.

Von dem Apparat des Außenministeriums sind für die ersten Phasen des außenpolitischen Entscheidungsprozesses die operativen diplomatischen Abteilungen von Bedeutung. Sie gliedern sich in territoriale und funktionelle Abteilungen. Die Gesamtzahl der Territorialabteilungen beträgt heute siebzehn. Es sind dies folgende Abteilungen:

1. Erste Europäische Abteilung 2. Zweite Europäische Abteilung 3. Dritte Europäische Abteilung 4. Vierte Europäische Abteilung Fünfte Europäische Abteilung 6. Skandinavische Länder 7. Vereinigte Staaten von Amerika 8. Lateinamerikanische Länder 9. Länder des Nahen Ostens 10. Länder des Mittleren Ostens 11. Südasien-Abteilung 12, Südostasien-Abteilung 13. Erste Fernost-Abteilung 14. Zweite Fernost-Abteilung 15. Erste Afrikanische Abteilung 16. Zweite Afrikanische Abteilung 17. Dritte Afrikanische Abteilung Die Dritte Europäische Abteilung ist für die Bundesrepublik Deutschland, die DDR und Österreich zuständig.

Von den insgesamt 16 Funktionalabteilungen sind die folgenden vier politischen Abteilungen besonders eng mit den Territorialabteilungen verbunden 5): 1. Die Verwaltung für die Planung außenpolitischer Vorhaben.

2. Die Verwaltung für allgemeine internationale Probleme.

Die Planungsverwaltung befaßt sich im Rahmen der Zuständigkeit des Außenministeriums mit der außenpolitischen Planung.

Die Verwaltung für allgemeine internationale Probleme behandelt unter anderem die mit der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) verbundenen Probleme.

3. Internationale Organisationen.

4. Internationale Wirtschaftsorganisationen. Die Abteilung für Internationale Organisationen ist vor allem für politische Fragen der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen sowie Fragen der Rüstungsbegrenzung und Abrüstung zuständig.

Die Abteilung für Internationale Wirtschaftsorganisationen beschäftigt sich mit dem Wirtschafts-und Sozialrat, den Wirtschaftskommissionen und den Sonderorganisationen der UNO, soweit bei den letzteren der wirtschaftliche Aspekt überwiegt. Diese Abteilung befaßt sich auch mit der EG.

Unter den operativen diplomatischen Abteilungen sind ferner die folgenden Funktional-abteilungen zu nennen:

5. Protokollabteilung 6. Presseabteilung 7. Vertrags-Rechts-Abteilung 8. Konsularverwaltung 9. Kulturelle Beziehungen mit dem Ausland 10. Zehnte Abteilung („Desjatyj Otdel")

Von ihnen kommt für den außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß der Vertrags-Rechts-Abteilung eine wichtige Funktion zu.

Zu den sechs operativen nicht-diplomatischen Abteilungen gehört die Kaderverwaltung, die faktisch der ZK-Abteilung für Auslandskader untergeordnet ist.

Die Vertrags-Rechts-Abteilung hat die Materialien für den Abschluß von Verträgen und Abkommen mit ausländischen Staaten zu sammeln, Entwürfe für diese Verträge und Abkommen auszuarbeiten, gutachtliche Äußerungen bei Vertragsverhandlungen abzugeben, die Aufsicht über die Durchführung der abgeschlossenen Verträge durchzuführen und alle Rechtsfragen zu behandeln, die in Verbindung mit den internationalen Beziehungen entstehen können. Insbesondere ist die Vertrags-Rechts-Abteilung für Grenzfragen zuständig.

Zum Bestand des Außenministeriums gehören außer seinem zentralen Apparat auch die Auslandsvertretungen, wobei zwischen dem diplomatischen und konsularischen Dienst zu unterscheiden ist. Die Informationen und Erkenntnisse, die über sie gewonnen werden, können in bestimmten Fällen für die Entscheidungsfindung von Bedeutung sein.

Im besonderen Maße gilt dies für die Berichte der Botschafter in Ländern des sowjetischen Hegemonialbereichs und in den großen westlichen Staaten.

Die Zahl der geschulten Karrierediplomaten hat in der Nachkriegszeit wesentlich zugenommen. Auf der anderen Seite hat die Gruppe früherer Parteifunktionäre unter den sowjetischen Diplomaten, die vor allem in den kommunistischen Ländern und „Staaten sozialistischer Orientierung 11 eingesetzt werden, ihre Sonderstellung bewahren können.

Das Amt eines sowjetischen Außenministers ist bisher von Trotzkij, Tschitscherin, Litwinow, Molotow, Wyschinskij und nach Stalins Tod erneut durch Molotow und dann durch Schepilow und Gromyko bekleidet worden. Die Abhängigkeit des Außenministeriums von der obersten Parteiführung hat sich unter den Nachfolgern Molotows eine Zeitlang wesentlich vergrößert. Nach dem letzten Außen-ministerwechsel im Februar 1957 hat Chruschtschow gegenüber dem amerikanischen Journalisten Joseph Alsop erklärt, daß dem jeweiligen sowjetischen Außenminister lediglich die Aufgabe zufalle, die kollektiv getroffenen Entscheidungen des ZK-Präsidiums zu verwirklichen 6). Von sowjetischer Seite wird betont, daß das Außenministerium „die operative Arbeit auf dem Gebiete der Außenpolitik des Sowjetstaates durchführt, die von der Kommunistischen Partei der UdSSR festgelegt wird 7). Dies ist einerseits zutreffend, da das Außenministerium nur in Dies ist einerseits zutreffend, da das Außenministerium nur in den ersten Phasen des außenpolitischen Entscheidungsprozesses in einem stärkeren Maße mitwirkt, beratend tätig ist und zugleich größtenteils die Verantwortung für die Durchführung der meisten außenpolitischen Beschlüsse der Kreml-Führung trägt. Andererseits ist nicht zu übersehen, daß Gromyko als Vollmitglied des Politbüros aufgrund seines Fachwissens die außenpolitischen Grundentscheidungen des „Führerkollektivs" wesentlich beeinflussen kann. Erst recht gilt dies, nachdem er zum Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten der UdSSR ernannt worden ist. Wichtig ist, daß er seit dem Führungswechsel zum „inneren Kreis" des Politbüros und damit zur eigentlichen Führungsspitze im Kreml gehört. Das politische Gewicht des Außenministeriums geht auch daraus hervor, daß den auf dem XXVI. Parteikongreß der KPdSU 1981 gewählten großen Führungsgremien (Zentralkomitee, Zentrale Revisionskommission) insgesamt 25 Mitglieder des Auswärtigen Dienstes, darunter 15 Vollmitglieder des Zentralkomitees, angehören. Mit 5 Prozent der ZK-Mitglieder ist sie nach den Partei-und Staatsfunktionären und den Streitkräften immerhin die viertstärkste Gruppe. Ihr könnte in kritischen Situationen, die im Zentralkomitee entschieden werden müssen, wie das zum Beispiel 1957 und 1964 der Fall war, eine bestimmte politische Bedeutung zufallen. 2. Der Vorsitzende und das Präsidium des Ministerrates der UdSSR Im engeren politischen Bereich kommt im Rahmen des Ministerrates der UdSSR auch dem Vorsitzenden und dem Präsidium des Ministerrates der UdSSR in einigen Phasen des außenpolitischen Entscheidungsprozesses eine bestimmte Bedeutung zu. Nur sie kommen außer dem Außenministerium für die dem Ministerrat der UdSSR als Ganzes zustehende „allgemeine Leitung auf dem Gebiet der Beziehungen der UdSSR mit ausländischen Staaten und internationalen Organisationen" gemäß Art. 31 Ziff. 6 der Unionsverfassung und des Art. 15 Ziff. 1 des Gesetzes über den Ministerrat der UdSSR von 1978 in Frage. Die Kompetenz des Ministerrates und damit auch seines Vorsitzenden und seines Präsidiums betrifft neben der „Verteidigung der Staatsinteressen" vor allem die wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und kulturellen Beziehungen sowie Fragen der Integration im Rahmen des Rates für Gegensei-tige Wirtschaftshilfe. Darauf wird im Art 15 Ziff. 1, 2 des Ministerratsgesetzes ausführlich eingegangen. Weitere Befugnisse erstrecken sich auf die „Vertretung der UdSSR in ausländischen Staaten und auch in internationalen Organisationen“ (Art. 15 Ziff. 3) und die Beteiligung an der Ausübung der vertragschließenden Gewalt (Art. 15 Ziff. 4 , 5).

Das Präsidium des Ministerrates der UdSSR, das sich als besondere Institution in der Nachkriegszeit herausgebildet hatte, ist erstmals im Art 132 der Verfassung und anschließend im Art. 12 des Ministerratsgesetzes als „ständiges Organ des Ministerrates der UdSSR“ erwähnt worden. Es ist „zur Entscheidung von Fragen, die mit der Leitung der Volkswirtschaft Zusammenhängen, sowie anderen Fragen der Leitung" zuständig. Ihm gehören neben dem Vorsitzenden des Ministerrates seine Ersten Stellvertreter und eine Reihe gewöhnlicher Stellvertreter an. Insgesamt weist das Ministerrats-Präsidium heute 14 Mitglieder auf. Bisher stellte es seiner Zusammensetzung nach ein reines Wirtschaftskabinett dar. Mit der Ernennung von Außenminister Gromyko zum dritten Ersten Stellvertreter von Ministerpräsident Tichonow ist eine Änderung eingetreten. Damit wird die Koordination von außenpolitischen Entscheidungen, an denen das Präsidium des Ministerrates mitwirkt, die bisher meist durch den Ministerpräsidenten allein ausgeübt wurde, verbessert. Gleichzeitig wird der Einfluß und die Kontrolle des Außenministers hinsichtlich der Vorbereitung oder Beschlußfassung von außenwirtschaftlichen Entscheidungen verstärkt. Die wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die auch den außen-wirtschaftlichen Bereich betreffen, werden sowieso meist auf gemeinsamen Sitzungen des Politbüros und des Präsidiums des Ministerrates getroffen. Im Art. 2 des Ministerratsgesetzes wird ausdrücklich festgestellt, daß der Ministerrat seine Tätigkeit im Rahmen seiner Kompetenz im Einklang mit den Entschließungen der Kommunistischen Partei ausübt, d. h., daß die Grundentscheidungen, die von den obersten Parteiorganen und damit vor allem vom Politbüro getroffen werden, für ihn und sein Präsidium rechtlich und nicht nur faktisch verbindlich sind. Dies gilt im gleichen Maße für alle Ministerien und Staatskomitees, die dem Ministerrat der UdSSR angehören, und damit auch für das Außenministerium.

Dem Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, der in der Verfassung nur kurz erwähnt wird, ist im Ministerratsgesetz ein umfangreicher Artikel gewidmet (Art. 29). In ihm wird hervorgehoben, daß der Ministerpräsident der UdSSR den Sowjetstaat in den internationalen Beziehungen vertritt Er ist berechtigt ohne besondere Vollmachten Verhandlungen zu führen, Regierungsabkommen abzuschließen und den Staat nach außen zu repräsentieren.

Da der Ministerpräsident der UdSSR zugleich Vollmitglied des Politbüros ist, kann er bei der Entscheidungsfindung im „Führerkollektiv" das Gewicht des Regierungsapparates und damit der Staats-und Wirtschaftsverwaltung geltend machen. Bei der Vorbereitung der Entscheidungen kann er sich teils auf den Apparat der Geschäftsführung des Ministerrates der UdSSR, auf bestimmte ständige Kommissionen des MR-Präsidiums und sein als Kanzlei bezeichnetes persönliches Sekretariat stützen. 3. Das Präsidium und die Auswärtigen Ausschüsse des Obersten Sowjets der UdSSR Der Anteil des Präsidiums des Obersten Sowjets (OS) der UdSSR, des kollegialen Staatsoberhaupts der Sowjetunion, an der Ausübung der Auswärtigen Gewalt betrifft vor allem die Ratifizierung und Kündigung politischer und anderer wichtiger Staatsverträge Verfassungsrechtlich dürfen sie auch nur mit seiner Vollmacht abgeschlossen werden. Dem Vorsitzenden des OS-Präsidiums und in seiner Abwesenheit seinem Ersten Stellvertreter oder einem der fünfzehn gewöhnlichen Stellvertreter fallen vor allem Repräsentationspflichten zu. Als Inhaber einer eigenständigen Institution kann der Vorsitzende nur als Vollmitglied des Politbüros Einfluß auf die Entscheidungsfindung nehmen, wobei auch ihm eine Kanzlei und damit ein persönliches Sekretariat zur Seite steht.

Zu dem weiteren Apparat des OS-Präsidiums gehören faktisch die ständigen Ausschüsse der beiden Kammern des Obersten Sowjets der UdSSR, der selbst in machtpolitischer Hinsicht nur eine geringe Bedeutung hat. Zu ihnen gehören auch die beiden Kommissio-nen für Auswärtige Angelegenheiten, denen nur bei der Prüfung von Vertragsvorlagen und im Ratifizierungsverfahren eine begrenzte Bedeutung zukommt. Wenn das Amt des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom Generalsekretär der KPdSU wahrgenommen wird, wie es unter Breshnew erst seit 1977 üblich geworden ist und von Andropow seit 1983 fortgesetzt wird, so bedeutet dies eine weitere Minderung der Stellung des OS-Präsidiums im außenpolitischen Entscheidungsprozeß. Die Verfügung über das OS-Präsidium und die mit ihm verbundenen Ständigen Ausschüsse ermöglicht es dafür dem Generalsekretär, eine unmittelbare Kontrolle über die Tätigkeit des Staatsapparats und damit auch über die am außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß beteiligten Teile des Ministerrats der UdSSR auszuüben.

Die Kontrolle der Partei über die Aktivitäten des OS-Präsidiums wird auch dadurch gewährleistet, daß die ZK-Sekretäre K. U. Tschernenko und B. N. Ponomarjow den Vorsitz der Auswärtigen Kommissionen des Unionsrates und des Nationalitätenrates, d. h.der beiden Kammern des Obersten Sowjets der UdSSR, innehaben. Vorläufig ist es nur der Erste Stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, W. W. Kusnezow, der als Politbüro-Kandidat einen gewissen Einfluß bei außenpolitischen Entscheidungen geltend machen kann, wobei er sich auf seine Erfahrungen als langjähriger einziger Erster Stellvertretender Außenminister stützen kann. 4. Das ZK-Sekretariat und der ZK-Apparat Eine zentrale Bedeutung im außenpolitischen Entscheidungssystem kommt dem ZK-Sekretariat und dem ihm unterstellten Verwaltungsapparat des Zentralkomitees zu.

Das ZK-Sekretariat, das heute wieder zehn Mitglieder umfaßt, bereitet die endgültige Fassung der außenpolitischen Vorlagen zur Entscheidung durch das Politbüro vor und bildet damit in der Vorbereitungsphase das letzte Glied. Es ist aber auch an den Ersten Phasen des außenpolitischen Entscheidungsprozesses beteiligt und übt vor allem in beratender Funktion einen starken Einfluß aus.

Bei der Kontrolle der Durchführung der vom Politbüro gefaßten außenpolitischen Beschlüsse kommt ihm eine entscheidende Rolle zu.

Im Verlauf der Entwicklung hat sich in immer stärkerem Maße ergeben, daß der Generalsekretär, der an der Spitze des ZK-Sekretariats steht, unter den Bedingungen der „kollektiven Führung" vor allem für die Außenpolitik zuständig ist. Das war unter Chruschtschow und Breshnew so und ist im verstärkten Maße heute bei Andropow der Fall, der sich aufgrund seines persönlichen Werdegangs im außenpolitischen Bereich besser als seine Vorgänger auskennt.

Infolge dieses Schwerpunktes in der Tätigkeit des Generalsekretärs kommt seinen Mitarbeitern in seinem ebenfalls als Kanzlei bezeichneten persönlichen Sekretariat, die für den außenpolitischen Bereich zuständig sind, eine einflußreiche Position zu. Unter Breshnew waren es A. N. Aleksandrow-Agentow und A. I. Blatow, die früher leitende Funktionen in der „Dritten Abteilung" des Außenministeriums bekleidet hatten und daher als „Germanisten“ bezeichnet wurden, die als . Assistenten“ des Generalsekretärs tätig waren. Außerdem gehörte K. W. Russakow zeitweilig als Assistent dem persönlichen Sekretariat an. Aleksandrow, der einer der besten sowjetischen Deutschlandspezialisten ist, hat seine bisherige Funktion unter Andropow beibehalten. Andropow hat in W. Scharapow einen China-Experten als neuen Assistenten herangezogen.

Neben dem Generalsekretär üben die für den Auslandsapparat des Zentralkomitees zuständigen ZK-Sekretäre auf die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen der KPdSU und zugleich des Sowjetstaates einen wesentlichen Einfluß aus

Bestimmte Bereiche der auswärtigen Verwaltung der Sowjetunion sind dem Auslandsapparat der KPdSU vorbehalten. Seinen Kern bilden die internationalen Abteilungen des Zentralkomitees. Die Abteilung für die Verbindung zu den Kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder“, die vom ZK-Sekretär K. W. Russakow geleitet wird, ist für die herrschenden Kommunistischen Parteien und damit für den sowjetischen Hegemonialbereich zuständig. Die „Internationale Abteilung", die der ZK-Sekretär B. N. Ponomarjow, der zugleich Politbüro-Kandidat ist, leitet, befaßt sich mit den außen-politischen Problemen außerhalb des kommunistischen Herrschaftsbereichs und vor allem mit den nicht an der Macht befindlichen Kommunistischen Parteien. In außenpolitischer Hinsicht sind noch die ZK-Abteilungen für Auslandskader (S. W. Tscherwonenko) und Internationale Information (L. M. Samjatin) von Bedeutung.

Nach der Auflösung der Komintern 1943 ist die Abteilung für internationale Verbindungen (OMS), welche für die Kontakte zu den einzelnen Sektionen der „kommunistischen Weltpartei" zuständig war, reorganisiert worden. Sie unterstand zunächst Shdanow und nach dessen Tod 1948 Susslow als den zuständigen ZK-Sekretären. Ihre Leitung wurde bald nach dem Tode Stalins Ponomarjow übertragen, der vorher schon Erster Stellvertreter war. Erst 1957, d. h. nach der Volkserhebung in Ungarn, ist die Aufteilung in die beiden oben erwähnten Abteilungen erfolgt. Während die „Internationale Abteilung" unter der Leitung Ponomarjows verblieb, wurde die Leitung der . Abteilung für die Verbindung zu den Kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder“ Andropow übertragen. Als Andropow 1967 als Nachfolger Schelepins die Leitung des Komitees für Staatssicherheit (KGB) übernahm, wurde zunächst kein neuer Abteilungsleiter bestimmt. Diese Funktion wurde von Russakow ausgeübt, der 1965 nach seiner Tätigkeit als Botschafter in der Mongolei zum Ersten Stellvertretenden Abteilungsleiter ernannt worden war. Erst im März 1968 erfolgte seine erste Berufung zum Leiter der „Verbindungsabteilung", die gleichzeitig dem ZK-Sekretär K. F. Katuschew, einem Proteg Breshnews, unterstellt wurde. Nach seiner zeitweiligen Tätigkeit als Assistent Breshnews wurde Russakow im März 1977 erneut die Leitung der „Verbindungsabteilung" übertragen. Im Mai 1977 wurde er an Stelle Katuschews, der mit der Ernennung zum gewöhnlichen Stellvertretenden Ministerpräsidenten der UdSSR einen Machtverlust hinnehmen mußte, zum ZK-Sekretär ernannt. Unter ihm wurde O. B. Rachmanin, der 1966, d. h. bereits unter Andropow, als China-Experte einer der stellvertretenden Abteilungsleiter geworden war, zu seinem Ersten Stellvertreter befördert. Diese Funktion übt er noch heute aus.

Einer der Stellvertreter Andropows war O. A. Tschukanow, der offenbar zusammen mit

G. A Kisseljow und M. N. Smirnowskij noch heute zu den gewöhnlichen stellvertretenden Abteilungsleitern gehört. Einer der weiteren Mitarbeiter Andropows war auch der heutige sowjetische Botschafter in der Volksrepublik China, I. Schtscherbakow.

Auch die „Internationale Abteilung" ist in Sektoren gegliedert, die über zahlreiche verantwortliche Mitarbeiter und Referenten verfügen. Außerdem gibt es Konsultanten-Gruppen. Mit ihrem großen Mitarbeiterstab befaßt sich die „Internationale Abteilung“ mit sämtlichen Ländern außerhalb des kommunistischen Bereichs unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Kommunistischen Parteien und ihnen nahestehenden politischen Kräften und insbesondere der „nationalen Befreiungsbewegung" in der „Dritten Welt“. Zu den nächsten Mitarbeitern Ponomarjows gehört W. W. Sagladin, der 1967 zunächst sein Stellvertreter und dann 1977 sein erster Stellvertreter wurde. Sagladin, von dem es heißt, daß er Breshnew nahe gestanden hat, hat sich vor allem auf Westeuropa spezialisiert.

Zuständig für die DKP und die Bundesrepublik Deutschland ist als Sektorchef D. N. Motschalin. Unter den verantwortlichen Mitarbeitern befaßten sich bisher W. D. Jesnow mit der Bundesrepublik Deutschland und L. N. Grigorjew mit West-Berlin.

Die einzelnen Sektorenleiter der beiden operativen internationalen Abteilungen sind gegenüber den Abteilungen des Außenministeriums und ihren Untergliederungen im Vorteil, weil sie nicht nur die entsprechenden Informationen vom Ministerium anfordern können, sondern darüber hinaus über besondere Informationsquellen, teils über die ausländischen Kommunistischen Parteien, teils über den Nachrichtendienst des KGB, verfügen. Sie sind in der Lage, Weisungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu erteilen und nur solche Vorlagen über die beiden ZK-Sekretäre weiterzuleiten, die ihre Billigung gefunden haben. Außerdem fällt ihnen vor allem die Kontrolle über die Durchführung der von der Parteiführung gefaßten Beschlüsse zu.

Mit Recht ist von früheren Mitarbeitern von auslandswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen der Sowjetunion, die sich jetzt im Exil befinden, darauf hingewiesen worden, daß der Einfluß dieser Institute im Rahmen des außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesses im Westen sehr überschätzt wird und daß der Beratung durch Fachleute nur eine sehr geringe Bedeutung zukommt In einzelnen Fällen wird es anders aussehen, wenn die in Frage kommenden Wissenschaftler oder Journalisten über besondere persönliche Beziehungen zu führenden Parteifunktionären verfügen oder von der Internationalen Abteilung des Zentralko-mitees als offizielle Konsultanten herausgezogen werden.

Mit der Behandlung außenpolitischer Probleme im ZK-Sekretariat und im ZK-Apparat setzt die eigentliche Entscheidungsfindung ein, die in der Hauptsache im Politbüro erfolgt

III. Die Institutionen, die dem sicherheitspolitischen Entscheidungssystem angehören

Der sicherheitspolitische Entscheidungsprozeß ist in der Sowjetunion mit dem außenpolitischen besonders eng verbunden, da die sowjetische Seite von einem ausgesprochenen politischen und nicht nur militärischen Sicherheitsbegriff ausgeht.

Die Institutionen, die dem außenpolitischen Entscheidungssystem angehören, wirken in der einen oder anderen Form auch am sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß mit, soweit er nicht die Wehrpolitik im engeren Sinn betrifft. Zusätzlich treten die Institutionen hinzu, die für den militärischen Bereich zuständig sind. 1. Das Außenministerium der UdSSR Bei Verhandlungen über den Abschluß von politischen Verträgen, die militärische Verpflichtungen beinhalten, sowie Rüstungsbegrenzungs-und Abrüstungsmaßnahmen ist das Außenministerium der UdSSR federführend. Die Grundlagen für entsprechende Vereinbarungen bilden jedoch in erster Linie die Vorschläge des Verteidigungsministeriums der UdSSR nach ihrer Billigung auf höchster Ebene.

Das Außenministerium stellt den Leiter der Verhandlungsdelegation, der neben Diplomaten entsprechende Militärspezialisten angehören. Zuständig für Ost-West-Verhandlungen auf politischem und militärischem Gebiet sind im Außenministerium die Verwaltung für allgemeine politische Fragen und die Abteilung für Internationale Organisation, die sich mit europäischer Sicherheit, MBFR und Fragen der Rüstungsbegrenzung und Abrüstung befassen. An der Formulierung der Abkommen wirkt die Vertrags-und Rechtsabteilung mit. 2. Das Verteidigungsministerium der UdSSR Das Verteidigungsministerium der UdSSR ist nur an den ersten Phasen des sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesses beteiligt. Die Spitzen des sowjetischen Oberkommandos treten aber auch auf einer höheren Stufe in Erscheinung. Außerdem gehört Verteidigungsminister D. F. Ustinow als Vollmitglied dem Politbüro an und ist daher in der Lage, unmittelbar an den sicherheitspolitischen Entscheidungen im „Führerkollektiv mitzuwirken. Obgleich er kein Berufsmilitär ist, wird er bestrebt sein, die Auffassung des Verteidigungsministeriums entschieden zu vertreten. Als ein alter bewährter Rüstungsspezialist wird er auch die Interessen der Rüstungsindustrie berücksichtigen und damit das volle Gewicht des „militärisch-industriellen Komplexes" geltend machen. Maßgebend für die militärische Seite des sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesses ist der Generalstab der sowjetischen Streitkräfte, der in der Leitung des Verteidigungsministeriums durch Marschall N. F. Ogarkow als Erstem Stellvertreter Ustinows vertreten wird. Für Bündnisfragen ist in erster Linie Marschall W. G. Kulikow als Oberbefehlshaber der Vereinten Streitkräfte des War-schauer Paktes und Erster Stellvertretender Verteidigungsminister zuständig. Die Wehr-verwaltung untersteht Marschall S. L. Soko-low, dem dritten Ersten Stellvertretenden Verteidigungsminister. Dem Verteidigungsminister stehen weitere gewöhnliche Stellvertreter zur Seite. Bei ihnen handelt es sich größtenteils um die Oberbefehlshaber der einzelnen Teilstreitkräfte. Dem engeren Oberkommando gehört auch Armeegeneral A. A. Jepischew als Leiter der Politischen Hauptverwaltung der sowjetischen Armee und Kriegsmarine an. Im Kollegium des Verteidigungsministeriums sind außerdem die Leiter der wichtigsten anderen Haupt-oder Zentralverwaltungen vertreten.

Erste Stellvertreter Ogarkows sind Marschall S. F. Achromejew, Armeegeneral A. I. Gribkow, Stabchef der Warschauer Paktstreitkräfte, und Armeegeneral W. I. Warennikow. Von seinen weiteren fünf gewöhnlichen Stellvertretern ist Armeegeneral P. I. Iwaschutin der Leiter der Hauptverwaltung für Erkundung (GRU), die der militärischen Spionage dient. Vom Standpunkt des sicherheitspolitischen Entscheidungssystems sind im Generalstab außerdem die Hauptverwaltung für Militär-hilfe im Ausland (10. Abteilung), die Verwaltung für Auswärtige Verbindungen (UWS) und die Verwaltung für Militärwissenschaft von Bedeutung.

Die Vertretung der Streitkräfte in den großen Führungsgremien der KPdSU (ZK, ZRK) ist 1976 bis 1981 von 34 und 39 angewachsen 16). Diese bildete weiterhin nach den Partei-und Staatsfunktionären im engeren Sinn die dritt-stärkste Gruppe. Vollmitglieder des Zentral-komitees waren 1981 außer Ustinow 19 (6, 9 Prozent) weitere Angehörige der Streitkräfte. Ihr Verhalten hat 1957 zur Rettung und 1964 zur Niederlage Chruschtschows im Zentralkomitee beigetragen. 3. Das Komitee für Staatssicherheit (KGB)

Der KGB ist in zweierlei Hinsicht am außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß beteiligt. Erstens liefert er über seinen Nachrichtendienst wichtige zusätzli-ehe Informationen. Der Nachrichtendienst untersteht der Hauptverwaltung, die aus der Ausländsabteilung (INO) der früheren Jahre hervorgegangen ist. Diese gliedert sich in zahlreiche Länderabteilungen und weitere Sonderdienste. Zweitens trägt der KGB durch Desinformation und andere geheimdienstliche Aktivitäten zur Beeinflussung der Gegenseite bei und entfaltet zugleich eine rege Abwehrtätigkeit, die sich im politischen und militärischen Bereich abspielt.

Andropow hat seit Mai 1967 als Nachfolger Schelepins zehn Jahre den KGB geleitet, wobei sein persönliches Interesse im besonderen Maße dem außen-und sicherheitspolitischen Bereich galt. Nach seiner Rückkehr als ZK-Sekretär in die Parteiführung im Mai 1982 ist zunächst W. W. Fjodortschuk sein Nachfolger als KGB-Chef geworden. Nach der Berufung Andropows zum Generalsekretär übernahm Fjodortschuk bereits im Dezember 1982 die Leitung des Innenministeriums (MWD). Sein Nachfolger in der Leitung des KGB wurde einer seiner beiden bisherigen Ersten Stellvertreter, Armeegeneral W. M. Tschebrikow, während dessen Kollege, Armeegeneral G. K. Zinew, der Befehlshaber der Grenzschutz-truppen, weiter als Erster Stellvertreter verblieb. Zu den drei gewöhnlichen Stellvertretern gehörten bisher W. J. Leshepekow, W. P. Piroshkow und der Generaloberst N. P. Jermochonow. Leshepekow ist vor kurzem Stellvertretender Innenminister geworden. Der KGB ist in den Führungsgremien der KPdSU schwach vertreten. Nur Tschebrikow und Zinew sind Vollmitglieder des Zentralkomitees. 4. Der Vorsitzende und das Präsidium des Ministerrates der UdSSR Das Verteidigungsministerium und das Komitee für Staatssicherheit der UdSSR gehören, ebenso wie das Außenministerium, zum Bestand des Ministerrates der UdSSR Dieser ist aufgrund des Art. 131 Ziff. 4, 5 der Verfassung der UdSSR sowie des Art. 14 Ziff. 1, 2 des Ministerratsgesetzes der UdSSR für „Maßnahmen der Gewährleistung der Staatssicherheit" und die „allgemeine Leitung des Aufbaus der Streitkräfte der UdSSR" zuständig. Zu diesem Zweck trifft er gemäß Art. 14 Ziff. 3, 4 „Maßnahmen zur Gewährleistung der Verteidigungsfähigkeit des Landes" und für die not-wendige „Ausrüstung der bewaffneten Streitkräfte der UdSSR".

Trotz ihrer engen Verbindung mit der Parteiführung sind das Verteidigungsministerium und der KGB aufgrund der Kompetenz des Ministerrates dem Ministerpräsidenten der UdSSR unterstellt, über den die von ihnen erarbeiteten Vorlagen weitergeleitet werden. Unter den Stellvertretern Tichonows ist L W. Smirnow, der auch von Kissinger in seinen Memoiren in Verbindung mit seinen Verhandlungen in Moskau erwähnt wird, für Rüstungsfragen zuständig. Er ist Vorsitzender der ständigen Kommission des MR-Präsidiums für militärische Industrie (Voenno-Promylennaja Komissija). 5. Das Präsidium und die Auswärtigen Ausschüsse des Obersten Sowjets der UdSSR

Die Kompetenz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR hinsichtlich der politischen Verträge erstreckt sich auch auf Abkommen, die sicherheitspolitische Materien betreffen. Da es bei den beiden Kammern des Obersten Sowjets der UdSSR bisher ständige Kommissionen für die Verteidigung nicht gibt, befassen sich hauptsächlich die Auswärtigen Ausschüsse mit den sicherheitspolitischen Abkommen.

Dem Präsidium kommt jedoch aus anderen Gründen im sicherheitspolitischen Entscheidungssystem eine wesentliche Bedeutung zu. Erstens „bildet" es aufgrund des Art. 121 Ziff. 14 der Unionsverfassung „den Verteidigungsrat der UdSSR und bestätigt dessen Zusammensetzung, ernennt das Oberkommando der Streitkräfte der UdSSR und löst es ab". Zweitens „verhängt" es „im Interesse der Verteidigung der UdSSR das Kriegsrecht über einzelne Gegenden oder über das ganze Land“ (Art. 121 Ziff. 15) und „verkündet die allgemeine oder teilweise Mobilmachung" (Art. 121 Ziff. 16). Schließlich „erklärt" das OS-Präsidium „in der Zeit zwischen den Tagungen des Obersten Sowjets der UdSSR im Falle eines bewaffneten Überfalls auf die UdSSR oder im Falle der Notwendigkeit der Erfüllung internationaler vertraglicher Verpflichtungen zu gemeinsamer Verteidigung gegen eine Aggression den Kriegszustand" (Art. 121 Ziff. 17). Mit dieser Bestimmung, die dem OS-Präsidium die Stellung eines „Notparlaments" zuweist, ist die Erklärung des „äußeren Kriegs-zustandes" (sostojanie vojny) im Unterschied zur Verhängung des „inneren Kriegszustandes" (voennoe poloenie) gemeint. Im ersten Fall handelt es sich um eine materielle und nicht um eine formelle Kriegserklärung. Dieser Unterschied kann bei Beistandsverpflichtungen, welche eine formelle Kriegserklärung voraussetzen, wie zum Beispiel im Bündnis-vertrag der Sowjetunion mit Nord-Korea, von Bedeutung sein. Im zweiten Fall darf jetzt nach der Verfassung das Kriegsrechtsregime, das einer totalen Notstandsregelung gleichkommt, nur im Interesse der Landesverteidigung verhängt werden. Für die Erklärung des Ausnahmezustandes zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und der inneren Staatssicherheit ist nunmehr der Ministerrat zuständig. Tatsächlich liegt die Entscheidung über den Kriegseintritt, die Kriegserklärung und den Friedensschluß aufgrund der Richtliniengewalt der Partei beim Politbüro. 6. Das ZK-Sekretariat und seine militärische Abteilung Beim sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß ist das ZK-Sekretariat im Unterschied zum außenpolitischen Entscheidungsprozeß bereits sehr früh an der Formulierung der entsprechenden Vorschläge beteiligt. Das liegt daran, daß die Politische Hauptverwaltung der sowjetischen Armee und Kriegsmarine, die von Armeegeneral A. A. Jepischew geleitet wird, zugleich die Militärabteilung des Zentralkomitees der KPdSU bildet. Sie steht an der Spitze der Hierarchie der PolitOffiziere, die früher politische Kommissare genannt wurden. Ihr untersteht zugleich die Partei-und Komsomolorganisation innerhalb der Streitkräfte. Von den acht Stellvertretern Jepischews sind sechs für die einzelnen Teilstreitkräfte, einer für die Warschauer PaktOrganisation und einer für die Agitprop-Arbeit zuständig. An der Vorbereitung der bewaffneten Interventionen der Sowjetunion in der Tschechoslowakei 1968 und Afghanistan 1979 nahm Jepischew an der Seite des früheren Oberbefehlshabers der sowjetischen Landstreitkräfte, I. G. Pawlowski), auffallenden Anteil. Er dürfte auch in andersgearteten Fällen am sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß wesentlichen Anteil gehabt haben.

Die ZK-Abteilung für administrative Organe, die von I. S. Sawinkin geleitet wird, ist lediglich für personelle und organisatorische Fragen der Parteiarbeit im Verteidigungsbereich neben entsprechenden Aufgaben in anderen Bereichen der Staatsverwaltung zuständig. Am sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß ist sie nicht beteiligt.

Soweit Rüstungsfragen behandelt werden, kommt den ZK-Abteilungen für Schwer-und Verteidigungsindustrie, den ZK-Sekretären, die sie leiten (W. I. Dolgich, N. I. Ryschkow), und vor allem dem für die gesamte Industrie zuständigen ZK-Sekretär (G. W. Romanow, vorher A. P. Kirilenko) eine erhebliche Bedeutung zu. Nach dem Sturz Chruschtschows war Ustinow zunächst als ZK-Sekretär für die Rüstungsindustrie zuständig.

Der Schwerpunkt der Beratertätigkeit der leitenden Funktionäre der Ausländsabteilungen und der Assistenten des Generalsekretärs in seinem persönlichen Sekretariat liegt mehr auf dem außen-als sicherheitspolitischem Gebiet.

Auf die besondere Rolle der Allgemeinen Abteilung des Zentralkomitees sowohl im außen-als auch im sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß wird später noch einzugehen sein. 7. Der Verteidigungsrat der UdSSR Die Endstation vor der endgültigen Entscheidung wichtiger sicherheitspolitischer Fragen im Politbüro bildet der Verteidigungsrat der UdSSR -Ihm kommt im sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß wegen seiner personellen Besetzung und dem in ihm vertretenen militärischen Sachverstand ein größeres Gewicht als dem ZK-Sekretariat zu. Dem Verteidigungsrat der UdSSR gehören nämlich einerseits die wichtigsten Politbüro-mitglieder, andererseits die Spitze des Verteidigungsministeriums der UdSSR und somit des sowjetischen Oberkommandos in Friedenszeiten an. Aus der letzten Beratung mit der militärischen Führung unter Breshnew im Kreml am 27. Oktober 1982 die der Öffentlichkeit kundgetan wurde, und aus einem früheren Anlaß konnte auf die personelle Zusammensetzung des Kernbestandes des Verteidigungsrates der UdSSR geschlossen werden. Von der obersten Partei-und Staatsführung gehörten ihm außer Breshnew Tschernenko, Ustinow, Andropow (damals als KGB-Chef), Ministerpräsident Tichonow, Außenminister Gromyko, d. h. insgesamt sechs Politbüromitglieder, und der bereits erwähnte Stellvertretende Ministerpräsident L. W. Smirnow an. Das sowjetische Oberkommando war in ihm neben Ustinow als Verteidigungsminister mit den Marschällen Ogarkow, Kulikow, Sokolow und dem Armeegeneral Jepischew vertreten. Das Bestehen eines Verteidigungsrates der UdSSR, der in gewisser Weise dem Nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten entspricht, ist im April 1976 kurz vor der Beförderung Breshnews zum Marschall offiziell bekannt geworden

Den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Verteidigungsrates bilden zwei militärische Institutionen, deren Aufgaben größtenteils von ihm übernommen worden sind.

Im Jahre 1938 ist ein Oberster Militärrat, genauer Haupt-Militärrat (Glavnyj Voennyj Sovet) zuerst beim Volkskommissariat für Verteidigung und dann beim Volkskommissariat für Kriegsmarine geschaffen worden. Sie traten an die Stelle des 1934 aufgehobenen umfangreichen Militärrates des Verteidigungskommissariats. Von den Politbüromitgliedern gehörte im ersten Fall außer dem Verteidigungskommissar Marschall Woroschilow als Vorsitzender Stalin, im zweiten Fall Shdanow neben den führenden Militärs dem neuen Rat an 24). Ein Teil der Militärs, wie der Marschall Blücher, sind noch durch die letzte Welle der Großen Säuberung erfaßt worden, der bereits Marschall Tuchatschweskij und weitere bekannte sowjetische Heerführer zum Opfer gefallen waren. Die personellen Veränderungen führten zu einer Beteiligung von weiteren Po-litbüromitgliedern wie Berija, L. M. Kaganowitsch, Chruschtschow und auch Shdanow am Obersten Militärrat des Verteidigungskommissariats Die Obersten Militärräte befaßten sich nach sowjetischen Angaben mit den wichtigsten Fragen des Aufbaus der Armee und der Kriegsmarine und mit Schlußfolgerungen aus den Erfahrungen aus den kriegerischen Zusammenstößen mit Japan und dem Winterkrieg 1939/40 mit Finnland.

Daneben bestand das 1937 nach Auflösung des Rats für Arbeit und Verteidigung (STO) errichtete Verteidigungskomitee beim Rat der Volkskommissare der UdSSR (KO) Seine Aufgabe war, alle Verteidigungsmaßnahmen des Landes zu koordinieren und das Programm der KPdSU zur Festigung der Verteidigungsfähigkeit und der Erhöhung des militärischen Potentials des Landes in die Praxis umzusetzen.

Mit der Bildung des Staatskomitees für Verteidigung (GKO) beim Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges im Juni 1941 gingen die Befugnisse des Verteidigungskomitees auf die neue Institution über.

Die beiden Obersten Militärräte wurden gleichzeitig nach Errichtung des Hauptquartiers des Oberkommandos (Stavka), das Stalin als dem Obersten Befehlshaber der sowjetischen Streitkräfte unterstand, aufgelöst. Das Staatskomitee für Verteidigung stellte mit Stalin an der Spitze ein Kriegskabinett mit umfassenden Vollmachten dar. Seiner Zusammensetzung nach bildete das GKO, das während des Krieges einigen personellen Veränderungen unterworfen war einen Aktionsausschuß des damaligen Politbüros dar. Nach Beendigung des Krieges wurde das GKO im September 1945 aufgelöst. Aus den sowjetischen Quellen geht nicht eindeutig hervor, ob damit eine Wiederherstellung des Komitees für Verteidigung beim Rat der Volkskommissare, der 1946 in Ministerrat umbenannt wurde, verbunden war. Fest steht dagegen, daß die Obersten Militärräte 1950 bei der Aufteilung des „Ministeriums für Streitkräfte" in ein Kriegs-und Kriegsmarineministerium wiederhergestellt worden sind. Nach dem Tode

Stalins 1953 führte die erneute Vereinigung der beiden Ministerien zu einem einheitlichen „Verteidigungsministerium" auch zu einer Zusammenfassung der beiden Militärräte zu einem einzigen Militärrat beim Ministerium. Unter Chruschtschow ist der Oberste Militärrat reorganisiert und dabei umbenannt worden (Vysij Voennyj Sovet, genaue Über-setzung: Höchster Militärrat). Er setzte sich aus den wichtigsten Politbüromitgliedern und Militärbefehlshabern zusammen Die Mitglieder des sowjetischen Oberkommandos waren automatisch seine Mitglieder. Der Vorsitz wurde von Chruschtschow wahrgenommen, der daraus die Stellung eines Obersten Befehlshabers der sowjetischen Streitkräfte ableitete. Der Oberste Militärrat unterstand unmittelbar dem ZK-Präsidium. In Abwesenheit Chruschtschows soll er unter Vorsitz von Koslow oder Mikojan getagt haben. Bei der Ausschaltung Marschall Shukows im Oktober 1957, der als Verteidigungsminister Kandidat des Politbüros war, ist ihm vorgeworfen worden, eine Auflösung des Obersten Militärrates gefordert zu haben Diese Absicht Shukows ist im Zusammenhang mit seinen Bestrebungen zu sehen, den Streitkräften eine autonomere Stellung gegenüber der Partei zu verschaffen

In den sechziger Jahren ist Von einigen sowjetischen Autoren der Oberste Militärrat wieder mit seinem alten russischen Namen (Glavnyj Voennyj Sovet) bezeichnet worden -Andererseits gab es Hinweise auf ein „Verteidigungskomitee" (Komitet Oborony") Es ist möglich, daß damit wieder zwei unterschiedliche Institutionen, wie sie früher bestanden hatten, gemeint gewesen sind. In jedem Fall entspricht der Verteidigungsrat der UdSSR (Sovet Oborony SSSR), wie er etwa um 1973 gebildet wurde, dem Obersten Militärrat der „Chruschtschow-Ära“. Als Vorsitzender des Verteidigungsrates ist Breshnew im Herbst 1977 sogar offiziell als „Oberster Befehlshaber" tituliert worden

Im Mai 1983 ist Andropow erstmals als Vorsitzender des Verteidigungsrates der UdSSR erwähnt worden. Dies deutet darauf hin, daß diese Schlüsselstellung grundsätzlich dem Generalsekretär der KPdSU Vorbehalten ist.

Der Verteidigungsrat der UdSSR soll über einen eigenen Apparat verfügen, dessen Aufbau bisher nicht bekannt geworden ist. Seine Beschlüsse dürften in bestimmten Fällen ein solches Gewicht haben, daß sie die endgültigen sicherheitspolitischen Entscheidungen, die das Politbüro zu treffen hat, vorwegnehmen.

IV. Das Politbüro als außen-und sicherheitspolitisches Entscheidungszentrum

Die Vorschläge für bestimmte außen-und sicherheitspolitische Maßnahmen und Vereinbarungen mögen von unterschiedlichen Staats-oder Parteiorganen gemacht werden, wobei die Initiative von oben überwiegt; die letzte Entscheidung wird in jedem wichtigen Fall in der Regel beim Politbüro liegen. Die Möglichkeit des Generalsekretärs, gestützt auf das ZK-Sekretariat, das Politbüro beim außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß zu umgehen, ist, solange die „kollektive Führung" funktioniert, nicht gegeben. Das ist selbst in der Zeit nicht der Fall gewesen, als Breshnew bereits eine dominierende Stellung im Politbüro innehatte.

Kissinger weist zum Beispiel in seinen Erinnerungen darauf hin, daß Breshnew bei den amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen über den SALT-I-Vertrag auf die Zustimmung des Politbüros angewiesen war. Er schreibt: . Als ich Leonid Breshnew kennenlernte, war er die führende sowjetische Persönlichkeit. Er hatte jedoch offensichtlich nicht die uneingeschränkte Macht in den Händen, und der körperliche Verfall hatte bereits begonnen. Während des Gipfeltreffens bemühte er sich immer wieder darum, den Premierminister Kossygin und den sowjetischen Präsidenten Podgorny an den Gesprächen mit Nixon zu beteiligen. Sogar bei der ersten Begegnung mit mir hatte ich den Eindruck, daß er mir die gemeinsamen Auffassungen eines Kollektivs vortrug, dem er wiederum einen Bericht schuldig war ... Offenbar hatte Breshnew die Vollmacht, den Auffassungen des Kollektivs gewisse Nuancen zu geben, durfte aber den Kurs nicht nach Gutdünken radikal ändern — wie dies die autoritative und unabhängige Stellung eines amerikanischen Präsidenten zuläßt. Doch zugleich hinterließ Breshnew den Eindruck, daß das Politbüro ihm folgen würde, wenn er sich von der Notwendigkeit einer Kursänderung überzeugt hätte."

Bei der Entscheidung des Politbüros gilt das Konsensprinzip; nur strittige Fragen werden nach Mitteilung Chruschtschows durch Abstimmung mit „einfacher Stimmenmehrheit“ entschieden Stimmberechtigt sind nur die Mitglieder des Politbüros; die Kandidaten des Politbüros, deren Zahl heute acht beträgt, können aber in beratender Funktion die Entscheidung beeinflussen. Das gilt sicher auch für die ZK-Sekretäre und andere Spitzenfunktionäre, die diesen Status nicht besitzen, wenn sie zu den Sitzungen des Politbüros herangezogen werden.

Das Politbüro ist keine monolithische Einheit. Es ist in gewisser Weise eine Koalition der in ihm vertretenen Apparate. Je größer ihre Zahl ist, um so schwieriger erweist sich der Ausgleich der auseinandergehenden Interessen. Andererseits wird auf diese Weie eine stärkere Einbindung der einzelnen Herrschaftsinstitutionen, die für das politische System der Sowjetunion chrakteristisch sind, erreicht. Der Umstand, daß weder die Streitkräfte durch einen Berufsmilitär noch der KGB als Institution im heutigen Politbüro vertreten sind, darf eher als ein Zeichen der Schwäche als der Stärke der gegenwärtigen Kreml-Führung gewertet werden.

Die Politbüromitglieder, die zugleich ZK-Sekretäre sind, haben als Repräsentanten des zentralen Parteiapparats einen bestimmten Vorrang gegenüber den Politbüromitgliedern, die aufgrund ihrer hohen Staatsämter den Staatsapparat im engeren Sinn vertreten. So stehen sich heute Andropow, bei dem das Amt des Generalsekretärs den Schwerpunkt bildet, Tschernenko, Gorbatschow und Romanow auf der einen Seite, Tichonow, seine zwei Ersten Stellvertreter Alijew und Gromyko und Ustinow auf der anderen Seite gegenüber. Da es das Amt eines Vorsitzenden des Politbüros in der KPdSU nicht gibt, wird der Vorsitz bei den wöchentlichen Sitzungen vom Generalsekretär und bei seiner Verhinderung durch den nächstfolgenden ranghöchsten ZK-Sekretär, aber nicht einem hohen Staatsfunktionär Vahrgenommen Bei der dritten Gruppe, zu denen diejenigen Politbüromitglieder gehören, welche die großen regionalen oder lokalen Parteiorganisationen vertreten, hat derjenige einen bestimmten Vorteil, der sich wie Grischin in Moskau befindet, im Verhältnis zu Schtscherbizkij und Kunajew, die in Kiew und Alma Ata residieren.

Wichtiger als diese Aufteilung, abgesehen von der Regelung des Vorsitzes, ist vom Standpunkt der Macht die Zugehörigkeit zum „inneren Kreis" des Politbüros, dem die Funktion eines „ständigen Ausschusses" zukommt. In formeller Hinsicht ist ein solcher Ausschuß im Parteistatut der KPdSU nicht vorgesehen. Tatsächlich besteht er als ein Fünfergremium seit dem Ausgange der „Stalin-Ära" Ihm fällt die Aufgabe zu, die Tagesordnung des Politbüro-Plenums aufzustellen, die Teilnehmer an der Sitzung vorzusehen und eine gewisse Übereinstimmung bei Vorschlägen, die schwierigere Fragen behandeln, im voraus zu erzielen. Als Geschäftsführung des Politbüros fungiert die „Allgemeine Abteilung" des Zentralkomitees, die auch für die Wahrung der Geheimhaltung zuständig ist

Dem ständigen Ausschuß und damit der Führungsspitze im Kreml gehören seit dem Führungswechsel außer Andropow Tschernenko, Tichonow, Ustinow und Gromyko an. Tschernenko und Tichonow waren im Führungsgremium bereits unter Breshnew vertreten. Tschernenko fiel dabei als Leiter der „Allgemeinen Abteilung" eine Schlüsselstellung zu. Unter Andropow sind inzwischen eine Reihe von personellen und institutioneilen Veränderungen im ZK-Apparat durchgeführt worden. In diesem Zusammenhang ist Tschernenko, der als zweiter ZK-Sekretär den Tätigkeitsbereich des Anfang 1982 verstorbenen Susslow, einschließlich des Auslandsapparats, übernommen hat, die Leitung dieser wichtigen Verbindungsstelle zwischen dem ZK-Sekretariat und dem Politbüro entzogen worden. Nachfolger als Abteilungsleiter wurde sein bisheriger Stellvertreter K. M. Bogoljubow.

Unter Breshnew sind in den letzten Jahren mehrere Kommissionen des Politbüros, die sich mit der Problematik bestimmter Bereiche, denen für die weitere Entwicklung der Sowjetunion eine besondere Bedeutung zukommt, gebildet worden. Offenbar waren sie dazu bestimmt, die Tätigkeit des Politbüros stärker mit dem ZK-Apparat zu verklammern. Unter ihnen kommt nur der „Ideologischen Kommission", die unter Chruschtschow beim Zentralkomitee bestand, eine gewisse Bedeutung für das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem zu. Bisher konnte nicht festgestellt werden, daß es eine solche Kommission auch für die Außen-und Sicherheitspolitik gibt. Es ist daher anzunehmen, daß der „ständige Ausschuß", der durch das Führungsgremium gebildet wird, auch für die operativen Fragen auf diesem Gebiet zuständig ist. In einem Interview hat Falin, der ehemalige sowjetische Botschafter in der Bundesrepublik, der anschließend bis zum Führungswechsel der Erste Stellvertreter Samjatins in der ZK-Abteilung für Internationale Information war, zutreffend auf die Unterschiede zwischen dem sowjetischen und amerikanischen Entscheidungssystem hingewiesen. Er sagte: „Our decision-making System differs from the American in that it is more centralized. In international or national security affairs the American Secretaries of State and Defense can make a good many decisions on their own. In our case all foreign policy must be discussed and decided in the Politbüro.“ Infolge des hierarchischen Aufbaus der Einparteiherrschaft, die einen autokratisch-totalitären Charakter aufweist, fällt dem Politbüro eine unbeschränkte Machtstellung zu, da es keinerlei Kontrolle von unten unterliegt. Die einzige Institution, die, abgesehen vom Parteitag, eine abweichende Entscheidung vom Politbüro treffen kann, ist das Zentralkomitee der KPdSU, das ihm rechtlich übergeordnet ist Das ist bisher äußerst selten der Fall gewesen. Als Beispiel ist auf das Juni-Plenum 1957, als sich Chruschtschow der Präsidiums-mehrheit nicht beugte, sowie auf das Januar-Plenum 1953 und das März-Plenum 1962, bei denen die Frage nach der Priorität der Schwer-und Rüstungsindustrie eine wesentliche Rolle spielte, zu verweisen. Wenn das Politbüro einigermaßen einig ist, wird es in der Regel seinen Willen gegenüber dem Zentralkomitee durchsetzen.

In Anbetracht des autokratisch-totalitären Herrschaftssystems der Sowjetunion kommt neben den Bindungen der einzelnen Politbüromitglieder, die sich aus der Vertretung bestimmter Herrschaftsinstitutionen ergeben, dem subjektiven Faktor im außen-und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß in jedem Fall eine maßgebende Rolle zu.

Die Entscheidung der einzelnen Politbüro-mitglieder wird nämlich, abgesehen von der Rücksicht auf die bestehende Machtkonstellation, wesentlich davon abhängen, welche Auffassungen und Sonderinteressen von ihnen außerdem vertreten werden und welchen Einflüssen sie ausgesetzt sind. Dabei dürfte neben persönlichen Bindungen, zu denen auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität gehört, und Generationsunterschieden die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder Schicht eine wesentliche Rolle spielen.

Das Politbüro bildet in soziologischer Hinsicht die Spitze einer politischen Elite, die aus dem „Nomenklatur-System" hervorgeht und damit eine Repräsentation der herrschenden Hochbürokratie darstellt Infolgedessen wird ein Politbüromitglied kaum gegen die

Gesamtinteressen der Hochbürokratie, die mit der Erhaltung der Einparteiherrschaft verbunden sind, verstoßen. Die Hochbürokratie ist jedoch keineswegs als monolithisch anzusehen. Unterschiede ergeben sich nicht nur aus der Zugehörigkeit zur Partei-oder Staats-bürokratie. Sie ergeben sich auch aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Berufs-und Bildungsstand und dem dadurch bedingten besonderen Verhältnis zur technischen oder wissenschaftlich-kulturellen Intelligenz, das sich auf die Bewußtseinslage des einzelnen Politbüromitglieds auswirkt Es gibt Anzeichen dafür, daß nicht nur fortschrittliche Teile der Intelligenz, die keine Herrschaftspositionen bekleiden, sondern auch eine Reihe „aufgeklärter Bürokraten" für größere Reform-anstrengungen eintreten, die zu Veränderungen des bestehenden Einparteisystems in einem mehr rechtsstaatlichen und pluralistischen Sinn führen könnten. Wenn dieser Meinungsbildungsprozeß innerhalb der Sowjetgesellschaft, die eine zunehmende Differenzierung aufweist, weiter an Kraft zunehmen sollte, wird sich auch das Politbüro auf die Dauer seinem Einfluß nicht ganz entziehen können.

Der Führungswechsel im Kreml nach dem Tode Breshnews ist nicht mit dem längst fälligen umfassenden Generationswechsel verbunden gewesen. Mehrere Gründe sprechen daher dafür, daß die gegenwärtige Kreml-Führung als ein „Übergangsregime" anzusehen ist -Eine wesentliche Verjüngung des Politbüros würde die Umrisse der künftigen Entwicklungsrichtung der Sowjetunion klarer erkennen lassen, als das heute der Fall ist. Die Sowjetpolitik geht trotz der größeren weltpolitischen Verflechtung weiterhin vom „Primat der Innenpolitik" aus. Die Festlegung einer auf längere Dauer angelegten innenpolitischen Linie würde sich daher entscheidend auf den künftigen Kurs der sowjetischen Außen-und Sicherheitspolitik auswirken.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. B. Meissner, Auswärtige Gewalt und Auswärtiger Dienst, in: D. Geyer/B. Meissner (Hrsg.), Sowjetunion. Völkerrechtstheorie und Vertrags-politik (Osteuropa-Handbuch), Köln-Wien 1976, S. 1 bis 26; ders., Die Auswärtige Gewalt unter der neuen Verfassung der UdSSR, in: Jahrbuch für Ost-recht, Bd. XIX, 2. Hb., 1978, S. 9— 29.

  2. Vgl. E. Schneider, Jurij Wladimirowitsch Andropow, in: Osteuropa, 33 (1983), S.. 194 ff.

  3. Vgl. B. Meissner, a. a. O. (Anm. 1), S. 13 ff., S. 26 ff.

  4. Vgl. V. A. Zorin, Osnovy diplomatiteskoj sluby Grundlagen des diplomatischen Dienstes), Moskau 1977-, S. 108.

  5. I. D. Blischtschenko/W. N. Durdenewski, Das Diplomaten-und Konsularrecht, Berlin (Ost) 1966, S. 103.

  6. Vgl.den Kommentar des Verfassers zum Ministerrat der UdSSR in dem im Druck befindlichen Bd. 2 des Handbuchs der Sowjetverfassung, redigiert von M. Fincke, Berlin 1983.

  7. Wortlaut: Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR (Anzeiger des Obersten Sowjets der UdSSR) — abgekürzt WS-, 1978, Nr. 28, Art. 463; deutsche Übersetzung in: E. Tomson, Der Ministerrat der UdSSR, Berlin 1980, S. 251— 270.

  8. Vgl. die ausführliche Analyse des Verfassers aufgrund des Gesetzes „über das Verfahren des Abschlusses, der Erfüllung und der Kündigung internationaler Verträge der UdSSR" vom 6. 7. 1978 a. a. O. (Anm. 1), S. 20 ff. Wortlaut des Gesetzes: WS SSSR 1978, Nr. 28. Art. 439; deutsche Übersetzung: Jahrbuch für Ostrecht, Bd. XIX, Hb. 2, 1978, S. 253 bis 261.

  9. Vgl. G. Jösza, Die Herrschaftsfunktion des Parteiapparates der KPdSU, in: B. Meissner/G. Brunner/R. Löwenthal (Hrsg.), Einparteisystem und bürokratische Herrschaft in der Sowjetunion, Köln 1978, S. 171 ff.

  10. Vgl. E. Teague, The Foreign Departments of the Central Committee of the CPSU, Supplement to the Radio Liberty Research Bulletin, October 27, 1980.

  11. Vgl. N. Beloff, Escape from boredom: a defectors story, in: Atlantic Monthly, (1980) 11, S. 3 f., I. S. Glagolev, The Soviet Decision-Making Process in Arms-Control Negotiations, in: Orbis 21, (1978) 4, S. 769 f. Im gleichen Sinne hat sich auch M. Voslensky geäußert.

  12. Vgl. Committee on Foreign Affairs, Soviet Diplomacy and Negotiating Behavior: Emerging New Context for U. S. Diplomacy, in: Special Studies Series on Foreign Affairs Issues, Vol. I (1979), Washington D. C.

  13. Vgl. J. Erickson, Soviet Military Power, in: Strategie Review, Spring 1973, Special Supplement, S. 7 ff.; ders., Soviet-Warsaw Pact Force Levels, USS Report 2, Washington D. C. 1976, S. 22 ff.; N. Nor-Mesek/W. Rieper (Hrsg.), Das Verteidigungsministerium der UdSSR (Sowjetunion intern), 1975, mit Ergänzungen.

  14. Vgl. S. Wolin/R. M. Slusser, The Soviet Secret Police, New York 1957; J. Baron, KGB. Arbeit und Organisation des sowjetischen Geheimdienstes in Ost und West, Bern-München 1974. Zu den Veränderungen in der Polizeiführung im Übergang von Breschnew zu Andropow vgl. B. Meissner, Der Führungswechsel im Kreml, in: Osteuropa, 33 (1983), S. 169ff.

  15. Vgl. G. P. van den Berg, The Council of Ministers of the Soviet Union, in: Review of Socialist Law, Vol. 6(1980), S. 297 ff.

  16. Vgl. H. -Chr. Reichel, Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR, Baden-Baden o. J., S. 62 ff.; Kommentare von Reichel und Bracht im Handbuch der Sowjetverfassung, a. a. O. (Anm. 8).

  17. Vgl. A, Pravdin, Inside the CPSU Central Committee, in: Survey, Vol. 20 (1974) 4, S. 94ff.; Th. J. Colton, Commissars, Comanders and Civilian Autority. The Structure of Soviet Military Politics, Cambridge (Mass.) -London 1979 f.; M. J. Deane, Political Control of the Soviet Armee Forces, New York 1977. Aus sowjetischer Sicht: Ju. P. Petrov, Partijnoe stroitel'stvo v Sovetskoj Armii i Flöte (Der Partei-aufbau in der sowjetischen Armee und Flotte) 1918— 1961, Moskau 1964; A A. Epiev (Red.), Par-tija i Armija (Die Partei und die Armee), Moskau 1980.

  18. Vgl. M. P. Gallagher/K. F. Spielmann, Soviet Decision Making for Defence, New York-Washington-London 1972; M. Mackintosh, The Soviet Military. Influence on Foreign Policy, in: Problems of Communism, Vol. XXII (1973) 5, S. 1— 12. M. Checinski, Die Militärelite im sowjetischen Entscheidungsprozeß, in: Berichte des Bundesinistituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, (1981) 3.

  19. Vgl. Krasnaja Zwezda vom 7. 4. 1976.

  20. Vgl. Krasnaja Zwezda vom 28. 10. 1983.

  21. Vgl. B. Meissner, Rußland im Umbruch. Der Wandel in der Herrschaftsordnung und sozialen Struktur der Sowjetunion, Frankfurt a. M. 1951, S. 39. Teilweise ist auch die Bezeichnung Verchovnyj für den Militärrat gebraucht worden.

  22. Vgl. das Stichwort „Komitet Oborony pri SNK SSSR" (Verteidigungskomitee beim RdVK UdSSR), in: Sovetskaja Voennaja Enciklopedija), Bd. 4, Moskau 1977, S. 266.

  23. Vgl. B. Meissner, a. a. O. (Anm. 43), S. 41.

  24. Vgl. O. Penkowsky, Geheime Aufzeichnungen, München 1966, S. 169, S. 231.

  25. Vgl. Ju. P. Petrov, a. a. O. (Anm. 20), S. 462. Der Äußerung Petrovs ist zu entnehmen, daß auch Politbüro-Kandidaten dem damaligen Obersten Militärrat angehört haben.

  26. Vgl. B. Meissner, Rußland unter Chruschtschow, München 1960, S. 63 ff.

  27. So erwähnt zum Beispiel Ju. P. Petrov in der überarbeiteten Ausgabe seines Buches über Politorgane die Forderung des „Glavnnyj Voennyj Sovet“ vom April 1962, die Führung der Komsomolorganisationen in den Streitkräften zu verbessern. Vgl. Ju. P. Petrov, Stroitel'stvo politorganov, partijnych i komsomolskich organizacij Armii i Flota (Der Aufbau der Politorgane, der Partei-und Komsomolorganisationen in der Armee und Flotte (1918— 1968), Moskau 1968, S. 507. Auch in einem von Generaloberst A. S. eltov redigiertem Buch wird der „Glavnyj Voennyj Sovet" als ein „Organ der kollektiven Führung“ besonders hervorgehoben. Vgl. AS. 2eltov (Red.), V. I. Lenin i sovetskie Vooruiennye Sily, Moskau 19671, S. 148.

  28. Vgl. Gallagher-Spielmann, a. a. O. (Anm. 20), S. 18 Anm. 2.

  29. Vgl.den Artikel von Generaloberst G. Srechin, in: Voennyj vestnik (Militärnachrichten), (1977) 10, S. fII.

  30. H. A. Kissinger, Memoiren 1968— 1973, München 1979, S. 1205.

  31. Vgl. das Gespräch Chruschtschows mit dem Chefredakteur der New. York Times, Turner Cat-ledge, vom 10. Mai 1967, in: Pravda vom 14. 5. 1957.

  32. Vgl. die Mitteilung Breshnews in einem Gespräch mit amerikanischen Journalisten, UPI-Meldüng vom 15. 6. 1978.

  33. Vgl. Chruschtschow erinnert sich, Reinbek bei Hamburg 1971, S. 286f.

  34. Vgl. L. Schapiro, The General Department of the CC of CPSU, in: Survey, Vol. 21 (1975) 3, S. 53.

  35. H. Brandon, in: Washington Star, July 15, 1979, zit. nach E. Teague, a. a. O. (Anm. 12), S. 3. Auf den hochgradig zentralisierten Charakter des sowjetischen Entscheidungsprozesses weist auch Voslensky hin.

  36. Zur sozialen Struktur der Sowjetgesellschaft und insbesondere zum Verhältnis von Bürokratie und Intelligenz vgl. B. Meissner (Hrsg.), Sowjetgesellschaft im Wandel, Stuttgart 1956; ders., Die besonderen Wesenszüge der sowjetischen Bürokratie und die Wandlungsmöglichkeiten des Einparteisystems, in: Einparteisystem und bürokratische Herrschaft in der Sowjetunion, a. a. O. (Anm. 11), S. 65 ff.; vgl. hierzu auch die populär-wissenschaftliche Darstellung von M. S. Voslensky, Nomenklatura. Die herrschende Klasse der Sowjetunion, Wien 1980.

  37. Faktisch stellte bereits das Ende der „Breshnew-Ära" ein solches Übergangsregime dar, bei dem die Gefahr besteht, daß in einer solchen Lage Kräften außerhalb des Politbüros, die in machtpolitischer Hinsicht nicht genügend eingebunden sind, die Möglichkeit geboten wird, in stärkerem Maße Einfluß auf den außen-und besonders sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß unter teilweiser Umgehung eines Teils der Kreml-Führung zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist die Feststellung von Bialer zutreffend, daß die Sukzessionsfrage mit dem Wechsel im Amt des Generalsekretärs allein noch nicht gelöst ist; vgl. S. Bialer, The Political System, in: R. F. Byrnes (Ed.), Brezhnev. Sources of Soviet Conduct in the 1980s, Bloomington 1983, S. 15 ff.

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Boris Meissner, Dr. jur., Dipl. -Volkswirt, geb. 1915 in Pleskau; o. Professor und Direktor des Instituts für Ostrecht der Universität Köln; 1961— 1971 Mitglied des Direktoriums des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln (Gründungsvorsitzender); 1959— 1982 Mitglied des Direktoriums des Ostkollegs der Bundeszentrale für politische Bildung, Köln; Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Rußland im Umbruch, Frankfurt a. M. 1951; Rußland, die Westmächte und Deutschland, Hamburg 1953 (2. Aufl. 1954); Sowjetunion und Völkerrecht, Köln 1963; Sowjetgesellschaft im Wandel, Stuttgart 1966 (englisch: Notre Dame 1972), Grundfragen sowjetischer Außenpolitik, Stuttgart 1970 (mit Gotthold Rhode); Moskau-Bonn, 2 Bde., Köln 1975; Gruppeninteressen und Entscheidungsprozeß in der Sowjetunion, Köln 1975 (mit Georg Brunner); Sowjetunion. Völkerrechtstheorie und Vertragspolitik, Köln 1976 (mit Dietrich Geyer); Einparteisystem und bürokratische Herrschaft in der Sowjetunion, Köln 1978 (mit Georg Brunner und Richard Löwenthal); Entspannungspolitik in Ost und West, Köln 1979 (mit Hans-Peter Schwarz); Das Verhältnis von Partei und Staat im Sowjetsystem, Opladen 1982.