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Qualifizierung im Betrieb und Arbeitsmarktentwicklung | APuZ 28/1984 | bpb.de

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APuZ 28/1984 Betriebliche Vermögensbeteiligung -ein Ausweg? Betriebliche Vermögensbeteiligung -ein Irrweg? Qualifizierung im Betrieb und Arbeitsmarktentwicklung Recht auf Einkommen?

Qualifizierung im Betrieb und Arbeitsmarktentwicklung

Werner Sengenberger/Hans Gerhard Mendius

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit bleibt für den Rest des Jahrzehnts die vorrangige gesellschafts-und arbeitsmarktpolitische Aufgabe. Zur Erreichung dieses Ziels und darüber hinaus zur Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes sind die Erhaltung, Verbesserung und Erneuerung des Qualifikationsbestandes im Zuge der Modernisierung der Volkswirtschaft, die Korrektur ungleicher Bildungschancen und die vorbeugende Qualifizierung von Arbeitskräften zur Vermeidung zukünftiger Qualifizierungslücken von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Im vorliegenden Beitrag wird dafür plädiert, das Instrumentarium öffentlicher Qualifizierungspolitik durch die Einbeziehung der Förderung der innerbetrieblichen Erwachsenenqualifizierung auszuweiten. Diese Förderung dürfte nicht zu Lasten der Jugendlichenausbildung gehen und hätte zusätzlich zu den Maßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz zu erfolgen, deren Wirksamkeit nicht nur durch das in Zeiten der Unterbeschäftigung zwangsläufig steigende Risiko der Wiedereingliederung in ein Arbeitsverhältnis nach einer externen Maßnahme, sondern zusätzlich durch gesetzliche und administrative Leistungs- und Zugangseinschränkungen verschlechtert wurde. Um den anstehenden Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es der Einbindung und Zielorientierung der innerbetrieblichen Qualifizierung in den Zusammenhang einer öffentlichen Qualifizierungspolitik. Die Begleitforschung zum Schwerpunkt „Berufliche Qualifizierung“ des arbeitsmarktpolitischen Sonderprogramms von 1979 lieferte wichtige Hinweise für die Formulierung eines solchen Konzepts.

I. Arbeitsmarkt-und gesellschaftspolitische Aufgaben für die 80er Jahre und der Beitrag beruflicher Bildung

1. Erhaltung und Verbesserung des Innovationspotentials unserer Arbeitskräfte Zu Beginn der achtziger Jahre stehen wir vor einer weltweiten Wirtschaftskrise und hoher Massenarbeitslosigkeit. Selbst unter optimistischen Annahmen muß mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts mit Unterbeschäftigung in Millionenhöhe gerechnet werden. Auf dem Weltmarkt herrscht ein verschärfter Konkurrenzkampf. Den Hintergrund bilden Verschiebungen in der internationalen Arbeitsteilung sowohl zwischen den hochentwickelten Indu! strieländern als auch zwischen fortgeschrittenen Industrieländern einerseits und den in rapidem Industrialisierungsprozeß begriffenen Schwellenländern andererseits. Diese strukturellen Anpassungsvorgänge haben die weltweiten Rezessionstendenzen der vergangenen Jahre verschärft Die Lage stellt sich als Nullsummenspiel dar (jedenfalls solange es nicht gelingt, neue „Wachstumsfelder", sei es auf dem Binnen-, sei es auf dem Exportmarkt, zu erschließen), bei dem es Gewinner immer nur auf Kosten anderer geben kann.

Die Bundesrepublik, als eines der Länder mit einer zentralen Bedeutung der Exportwirtschaft und weitgehender weltwirtschaftlicher Verflechtung bei gleichzeitig begrenztem Binnenmarkt und unzureichender eigener Energie-und Rohstoffbasis, ist in dieser Situation besonders gefordert. Durch jahrelange drastische Erhöhung der Rohstoffpreise, insbesondere für Rohöl, verlagerte sich Kaufkraft von den verbrauchenden zu den produzierenden Staaten. Für ein von einer solchen Entwicklung betroffenes Land wie die Bundesrepublik gibt es nur zwei Möglichkeiten zum Ausgleich dieser Nachteile: zum einen eine entsprechende Senkung des Rohstoffbedarfs bei möglichst gleichzeitiger Erschließung neuer Binnenwachstumsfelder; zum anderen eine Steigerung des Exports.

Eine mit Energie-und Rohstoffeinsparungen verbundene Strategie zur Erschließung neuer Wachstumsfelder ist in der Bundesrepublik Bislang allenfalls in ersten Ansätzen zu erkennen. Eine umfassende und unmittelbar wirksame Alternative zum bisherigen Konzept stellt sie derzeit jedenfalls nicht dar, zumal bei einem Großteil gerade der abhängig Beschäftigten und ihren Angehörigen keineswegs von einer Sättigung des Bedarfs weder bei „traditionellen" Gütern noch bei Dienstleistungen die Rede sein kann.

Auf der anderen Seite ist es aber sicher an der Zeit — gegebenenfalls auch durch öffentliche Anreize —, die gesellschaftliche Phantasie und Produktivität stärker auf dieses Feld zu lenken. Das gilt schon deshalb, weil ein ausschließliches Setzen auf eine konventionelle Wachstumsstrategie sicherlich zu noch massiveren ökologischen Belastungen führen würde, und auch eine massive Exportoffensive höchstwahrscheinlich zu ausgeprägten Gegenreaktionen, vor allem der internationalen Konkurrenten, u. U. aber auch der Abnehmerstaaten beitragen könnte.

Daß sich in der Bundesrepublik zweifellos überdurchschnittlich günstige Voraussetzungen für eine sinnvolle Kombination der beiden Strategien zum Ausgleich natürlicher Nachteile vorfinden, liegt nicht zuletzt daran, daß hier die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern durch ein vergleichsweises hohes Ausmaß an Bereitschaft zur vernünftigen Zusammenarbeit geprägt sind. Seitens der Arbeitskräfte war die Voraussetzung für diese Bereitschaft allerdings die bis in die letzten Jahre anhaltende lange Erfahrung ziemlich stetig steigender Realeinkommen und verhältnismäßig sicherer Arbeitsplätze. Wenn es gelingen soll, auch weiterhin die bestehenden Nachteile bei den natürlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik wettzumachen, ist eine Aufrechterhaltung dieser kooperativen Haltung unabdingbar, da davon die Fähigkeit der Wirtschaft zur strukturellen Anpassung und zur Innovation entscheidend mit abhängt.

Die Aufgabe nämlich, die ansteht, ist eine Umschichtung der Produktion in Richtung auf zukunftsweisende, hohe Qualifikation der Ar-27 beitskräfte erfordernde Produkte und Verfahren, während sich ein Abbau von Produktion (und Arbeitsplätzen) in Bereichen, die bereits jetzt oder künftig nicht mehr wettbewerbsfähig sind, nicht vermeiden lassen wird.

Die erforderliche Anpassungs-und Innovationsfähigkeit wird im wesentlichen durch zwei Größen beeinflußt: die Realkapitalinvestitionen und die Ausstattung der Arbeitskräfte mit Qualifikationen (man spricht hier auch vom „Humankapital“).

Der im internationalen Vergleich relativ hohe Qualifikationsstand in der Bundesrepublik dürfte einer der entscheidenden Gründe dafür sein, daß die außenwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit bislang erhalten werden konnte. Bei der Ausfuhr von schlüsselfertigen Anlagen und Ausrüstungen — einem gewichtigen Bestandteil der Exportfähigkeit — zählt der Preis oft weniger als Qualität, fristgerechte Lieferung und produktbezogene Serviceleistungen, allesamt Faktoren, die entscheidend von der fachlich-technischen und organisatorischen Kompetenz der Arbeitskräfte abhängig sind. Die gleiche Kompetenz wiederum ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Erschließung neuer Binnenwachstumsfelder z. B. in den Bereichen Umweltschutz, Energieeinsparung und -rückgewinnung usw.

Die Bedeutung der Qualifizierungspolitik für die Modernisierung der Wirtschaft liegt darüber hinaus darin, daß Anpassung und Neuerung ständiger und selbstverständlicher Teil des täglichen Arbeitsvollzugs sind, d. h. daß man an technisch-organisatorische Umstellung gewöhnt ist, wozu nicht nur eine entsprechende Arbeitsorganisation erforderlich ist, sondern auch eine Mindestausstattung mit Qualifikationen und deren Nutzung. Widerstand gegen technisch-organisatorische Veränderung macht sich nicht nur dort breit, wo das Ergebnis sehr ungewiß oder die Beteiligung am Innovationsprozeß stark eingeschränkt ist, sondern verständlicherweise auch dort, wo Arbeitskräfte Veränderungen nicht gewöhnt sind oder über längere Zeit keine Neuqualifizierung erfahren haben.

Voraussetzung für die bislang vorherrschende Zustimmung der betrieblichen A* r beitnehmervertretungen und der Gewerkschaften zu Umstrukturierungen, Modernisierungen und Rationalisierungen des Produktionsapparats war, daß bisher eine Abschirmung der Arbeitnehmer vor individuellen und sozialen Risiken im Zuge der Anpassungsprozesse einigermaßen gewährleistet wurde — durch Schutzrechte einerseits und staatliche Arbeitsförderung andererseits. Diese Voraussetzungen werden seit einiger Zeit durch Einsparungen in der Sozialpolitik massiv verletzt. Eine Politik der Modernisierung wird aber nur erfolgreich sein können, soweit die Arbeitnehmer vor negativen Belastungen wie Entlassung, Arbeitslosigkeit, De-Qualifizierung und Einkommenseinbußen bewahrt werden. Da es aber auf der anderen Seite kaum möglich sein dürfte, ohne eine auf Produkt-und Verfahrensinnovation gerichtete Strategie die Einhaltung dieser Errungenschaften wieder sicherzustellen, führt kein Weg an einer zukunftsgerichteten Qualifikationspolitik vorbei.

Für die Haltung der Arbeitnehmer gegenüber Modernisierungs-und Rationalisierungsvorgängen ist nicht nur das Ausmaß des Strukturwandels, sondern die Art und Weise, wie Anpassungsflexibilität erzielt wird, von Bedeutung. Hier scheint es nützlich, eine Unterscheidung zwischen externem und internem Strukturwandel zu treffen.

Externer Strukturwandel entspricht im wesentlichen der herkömmlichen Vorstellung vom Niedergang von Branchen, Unternehmen und Berufen und dem Entstehen neuer Berufszweige, neuer Betriebe und Branchen. Praktisch alle Meßverfahren zur Ermittlung von Umfang und Tempo des Wandels stellen auf diese Prozeßvariante ab. Sie erfassen den Wandel als Umschichtung von Kapital und Arbeitskraft zwischen statistischen Kategorien.

Mit internem Strukturwandel dagegen ist die Neuordnung von Kapital und Arbeit innerhalb von Branchen, Unternehmen (bzw. Betrieben) und Berufen, bezogen auf neue Verfahren, Produkte und Leistungen, gemeint $Die für die weiteren Betrachtungen wichtigste organisatorische Einheit für den strukturellen Wandel ist der Betrieb. Es ist in mehrfacher Hinsicht von entscheidender Bedeutung, ob sich Neuerungen innerhalb eines Unternehmens oder Betriebs vollziehen oder über Betriebsstillegungen und -neugründungen. Neben dem externen Wandel, der sich über Neugründungen und Löschungen vollzieht (auch in den Jahren der Krise überwogen trotz steigender Zahl der Firmenzusammenbrüche per saldo die Unternehmensgründungen, vor allem naturgemäß im klein-und mittelbetrieblichen Bereich), haben betriebsinterne Umstellungen und Anpassungsvorgänge im gesamtwirtschaftlichen Erneuerungsprozeß eine wichtige, im Laufe der Nachkriegszeit gewachsene Stellung eingenommen. Zur internen Bewältigung von Strukturwandel gehörte die Herausbildung „betriebsinterner Arbeitsmärkte“. Sie zeichnen sich einerseits durch hohe Flexibilität in der mengenmäßigen und qualitativen Anpassung an Nachfrageveränderungen und andererseits durch Betriebsbindung und sichere Arbeitsplätze der Belegschaften, zumindestens der Stammbelegschaften, aus und haben in den letzten Jahrzehnten ebenfalls stark an Bedeutung gewonnen.

Die in international vergleichenden Untersuchungen ermittelte hohe Anpassungsfähigkeit der deutschen Betriebe steht in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit dem System der Berufsausbildung und der daraus erwachsenden Grundqualifikation eines Großteils der Arbeitnehmerschaft. Diese Grundausrüstung ist eine wesentliche, wenn nicht entscheidende Voraussetzung für die zur Bewältigung von Innovationen erforderlichen innerbetrieblichen Arbeitsplatzveränderungen und Personalumsetzungen oder -anpassungen.

Auch das deutsche Sozialrecht bevorzugt betriebsinterne Lösungen von Anpassungsproblemen. Der gesamte Kündigungsschutz, in Deutschland früher und stärker entwickelt als in den meisten anderen Industrieländern, weist klar in Richtung einer Verstetigung und Stabilisierung von Beschäftigungsverhältnissen im Betrieb. Diese Stabilisierung ist auf der anderen Seite eine wichtige Voraussetzung für die hohe Umsetzungs-und Mobilitätsfähigkeit innerhalb des Betriebs. Auch durch die deutsche Betriebsverfassung wird die interne Bewältigung von Strukturwandel ausdrücklich gefordert bzw. nahegelegt. 2. Die verteilungspolitische Aufgabe: Korrektur ungleicher Chancen bei der beruflichen Bildung Die Qualifizierungspolitik der Zukunft hat die Aufgabe, für eine gleichmäßigere Verteilung von Qualifikation unter den Arbeitskräften zu sorgen, d. h. u. a., Fehlkonzeptionen und Fehlentwicklungen aus der Vergangenheit sowohl in der betrieblichen wie in der öffentlichen Qualifizierungspolitik zu korrigieren. Die Schwäche der vor allem in den sechziger Jahren sehr verbreiteten Vorstellung von der Ertragskraft von Bildungsinvestitionen (besonders bekannt war der sogenannte „Humankapitalansatz") lag nicht darin, daß grundsätzlich die Produktivkraft von Bildung propagiert wurde. Unrichtig war vielmehr die Annahme, daß jede Mark, die in Bildung oder Ausbildung investiert wird, notwendig zu Produktivitätsgewinnen führt, und weiter die Unterstellung, daß die Investition in Humankapital am effizientesten über den Markt gesteuert und das gebildete Kapital auch tatsächlich „automatisch" genutzt würde.

Die Rechnung konnte schlicht deshalb nicht aufgehen, weil die Verteilung von Qualifizierungschancen nicht nach ausgleichbewirkenden Marktgesetzen erfolgt, sondern stark durch die Zuweisung von Arbeitskräften auf Arbeitsplätze bedingt ist, die bereits massiv von den sehr ungleichen Chancen bei der vorberuflichen Bildung geprägt wird. Entsprechend der bestehenden Ungleichverteilung von Arbeitsplatzchancen wird dann eine Schieflage bei den Chancen beruflicher (Weiter-) Bildung reproduziert: Die Bildungsinvestitionen der vergangenen zwanzig Jahre haben die Ungleichheit der Bildungschancen jedenfalls nicht nachhaltig verringert.

Das Ergebnis der Förderung der beruflichen Bildung nach dem Arbeitsförderungsgesetz war mindestens so lange ähnlich, wie man von einem formal gleichen Rechtsanspruch aller Arbeitnehmer auf Förderung ausging. Die Förderung führte insgesamt zu einer Festschreibung der bestehenden Verteilung des Qualifikationsbestandes der Arbeitskräfte, wenn nicht sogar zu einer Verstärkung des Gefälles zwischen Gelernten und Ungelernten. Erst mit einer stärker gezielten Ausrichtung der Förderungskriterien durch die Arbeitsverwaltung und durch Novellierungen des Arbeitsförderungsgesetzes hat sich das Verteilungsergebnis zugunsten der schwächeren Arbeitskräftegruppen verschoben. Unter anderem als Folge der vorberuflichen Bildungschancen, aber auch betrieblicher wie öffentlicher Qualifizierungspolitik besteht daher ein erhebliches Qualifikationsgefälle bei den Arbeitskräften. — Es besteht ein erhebliches Qualifikationsgefälle der Arbeitnehmer nach dem Lebensalter. Sowohl der Ausbau des allgemeinbildenden Schulwesens wie auch der Berufsgrundbildung und letztendlich die Förderung der beruflichen Weiterbildung sind im wesentlichen der jüngeren Hälfte der Arbeitnehmerschaft zugute gekommen. Verstärkt wurde das Gefälle noch zusätzlich in den siebziger Jahren, als man bildungspolitische Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einsetzte (z. B. Einführung des 10. Schuljahres und des Berufsgrundbildungsjahres). — Es gibt ein bedeutendes Gefälle zwischen Kern- und Randbelegschaften in den Betrieben. Von der betrieblichen Qualifizierungspolitik werden größtenteils jene Teile der Belegschaften erreicht, die zum festen Stamm mit relativ dauerhaften Arbeitsverhältnissen gehören, weniger die Randbelegschaften, über die konjunkturell und saisonal sich ändernder Arbeitskräftebedarf abgepuffert wird und die als Auswahlreserve für die Stammbelegschaft dienen.

— Auch bei der betrieblichen Qualifizierung besteht noch ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen. Während es bei der vorberuflichen Ausbildung zu einer starken Annäherung wenigstens der erreichten Qualifikationsniveaus gekommen ist (dies ist sicher ein unbestreitbarer Erfolg der in anderem Zusammenhang kritisierten „Bildungsexpansion"), hält die betriebliche und insbesondere die arbeitsplatznahe Qualifizierung damit noch nicht Schritt — Es gibt ein Gefälle zwischen Deutschen und Ausländern. Während es für einen beträchtlichen Teil der deutschen Erwerbspersonen in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Folge von Bildung und Ausbildung zu beruflichem Aufstieg kam, war dies für die ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland nur ausnahmsweise der Fall. Sie besetzen zu großen Teilen die unattraktiven Sackgassenarbeitsplätze mit geringen Qualifizierungschancen.

— Mit der stärkeren Akzentuierung der beruflichen und sozialen Integration der Ausländer tritt einerseits, insbesondere für die zweite Generation, die Benachteiligung stärker hervor, andererseits eröffnen sich durch die Stabilisierung des Arbeitskräfteangebots (bedingt durch Zuzugssperren usw.) auch Möglichkeiten, ihren beschäftigungspolitischen Status zu verbessern. Neben der Gleichstellung bei der Allgemeinbildung muß die effektive Gleichstellung in der beruflichen Qualifizierung zu einem Eckpfeiler des Ausgleichs werden.

Die Qualifizierungspolitik der achtziger Jahre muß die bislang stark benachteiligten oder vernachlässigten Arbeitskräftegruppen nicht nur verstärkt an die Qualifizierungsförderung (Schule, Hochschulen, berufliche Erstausbildung) heranführen, sondern auch das bestehende Qualifikationsgefälle bei den Beschäftigten abbauen. Dies entspricht einmal einer eigenständigen, im Arbeitsförderungsgesetz genannten Zielsetzung; dem Abbau des Qualifikationsgefälles kommt aber auch große Bedeutung für die Funktionsfähigkeit von Arbeitsmärkten zu, weil sich Arbeitsplätzeprofil und Arbeitskräfteprofil wechselseitig beeinflussen. Abweichungen werden über das Scharnier'betrieblicher Personalpolitik von der einen Seite auf die andere übertragen. Je größer die Diskrepanzen und je enger das Wechselspiel zwischen Arbeitskräfte-und Arbeitsplatzprofil sind, desto mehr kommt es auf dem Gesamtarbeitsmarkt zu Spaltungen in „gute“ und „schlechte" Arbeitsplätze und „gute" und „schlechte" Arbeitskräfte.

Der Prozeß der schrittweisen qualitativen Anpassung der Arbeitskräfte an polarisierte Arbeitsplatzanforderungen wird gefördert, wenn er in der betrieblichen Personalpolitik über leicht faßbare Merkmale von Arbeitskräften (Alter, Geschlecht, Schulbildung, Nationalität usw.) und von Arbeitsplätzen (wie Betriebsgröße, Branche usf.) gesteuert wird. Das Ergebnis ist am Ende ein recht direkter Bezug von Arbeitstätigkeit und Qualifizierungsfähigkeit. Er ist einerseits nur Schein, insoweit er die „wahren" Fähigkeiten der Arbeitskräfte ohne Qualifizierungschancen mißachtet, andererseits aber auch insoweit wirklich, als große Unterschiede von Arbeitsplätzen (bzw. Arbeitsplatzketten) hinsichtlich der eingebauten oder von ihnen ausgehenden Lernanforderungen und Lernmöglichkeiten tatsächlich zu entsprechend großen Unterschieden in der Lernmotivation und Lernfähigkeit bei den Arbeitskräften führen. Der Prozeß zur Verschärfung von Arbeitsmarktspaltung durch wechselseitige Verstärkung von Qualifikationsanforderungen und Qualifikationsfähigkeit und -bereitschaft kann im Prinzip von beiden Seiten her aufgebrochen werden: von der Gestaltung der Arbeitsplätze wie vom qualifikatorisehen Zuschnitt des Arbeitskräfteangebots. Hier steht die letztere Möglichkeit zur Diskussion. Insoweit es gelingt, die Beeinflussung des Arbeitsplatzprofils durch das Arbeitskräfteprofil tatsächlich in Gang zu setzen, eröffnet sich in der Qualifizierungspolitik auch eine Perspektive zur menschengerechteren Gestaltung der Arbeit. Es hat sich gezeigt, daß Humanisierungsmaßnahmen zumeist nur dann zu wirklich besseren Arbeitsbedingungen führen, wenn sie gleichzeitig dem betrieblichen Interesse an Produktivitätssteigerung gerecht werden oder wenigstens betriebliche Arbeitskräfteprobleme wie fehlende Motivation, erhebliche Abwesenheit, hohen Krankenstand, Mangel bei der Produktqualität, Schwierigkeiten der Personalstrukturierung usf., entschärfen. Von einem besser qualifizierten Arbeitskräfteangebot sind durchaus solche Effekte zu erwarten. Um eine ausreichende Breitenwir-B kung zu erzielen, muß aber zunächst einmal der mögliche positive Effekt solcher Lösungen über Qualifikation demonstriert werden. Erst dann darf man erwarten, daß es „von selbst" zu einer Weiterverbreitung solcher Maßnahmen kommt. 3. Die versorgungspolitische Aufgabe: Vorbeugende Qualifizierung zur Vermeidung zukünftiger Qualifikationslücken

Nachfrage und Angebot an Arbeitskräften sind beträchtlichen zyklischen Schwankungen unterworfen. Nach zwei Jahrzehnten mäßiger konjunktureller Ausschläge haben sich die Konjunktureinbrüche in den siebziger Jahren wieder verstärkt. Gegenwärtig ist ein Tiefpunkt der wirtschaftlichen Aktivität festzustellen, mit entsprechend hoher registrierter und verdeckter Arbeitslosigkeit. Auch das gesamtwirtschaftliche Arbeitskräfteangebot bewegt sich in Zyklen: als Reaktion auf Veränderungen des Arbeitsplatzangebots, aber auch unabhängig davon als Folge der Bevölkerungsentwicklung. Die hauptsächlichen Bestimmungsgrößen hierfür sind die jeweiligen Stärken der aus Altersgründen ausscheidenden und der ins Arbeitsleben eintretenden Jahrgänge. Der derzeitige starke Zugang zum Arbeitsmarkt resultiert aus dem Babyboom der frühen sechziger Jahre, während der etwa zehnjährige drastische Rückgang der Geburtenrate nach 1974 (Pillenknick) sich etwa ab 1988 in verringertem Neuangebot auf dem Arbeitsmarkt zeigen wird. Diese zyklische Bewegung schafft Notwendigkeiten, aber auch Möglichkeiten einer gezielten Gegensteuerung. Eine dieser Möglichkeiten ist die variable Gestaltung der Förderung von Qualifizierung.

Während zeitliche Lage und Stärke konjunkturell bedingter Nachfrageschwankungen kaum prognostizierbar sind, kann man auf die absehbaren Wellen der Bevölkerungsentwicklung geplant reagieren. Es läßt sich zwar nur schwerlich der Zukunftsbedarf nach Fachrichtungen bestimmen, doch ist vorhersehbar, wann mit Versorgungsengpässen bei Fachkräften zu rechnen ist. Demnach lassen sich auch Zeiträume für Qualifikationsbevorratung bestimmen, um für die Phase der Verknappung des Angebots an qualifizierten Arbeitskräften gerüstet zu sein. Die Möglichkeiten zu einer antizyklischen Qualifikationspolitik ergeben sich zum einen aus dem Brachliegen von Produktions-und Ausbildungsreserven in Perioden reduzierter Nachfrage. Das bedeutet bei unterschiedlichen Konjunkturverläufen zwischen Branchen und gespaltenen Konjunkturen innerhalb von Branchen, daß nahezu ständig unausgelastete Kapazitäten vorhanden sind. Erweiterte Qualifizierungsmöglichkeiten müßten sich indessen auch durch größere Flexibilität bei der Bereitstellung von Ausbildungskapazitäten für Zwecke der Qualifizierung außerhalb wie innerhalb von Betrieben ergeben. Warum sollte es nicht möglich sein, die betrieblichen Kapazitäten insbesondere für die Qualifizierung von Erwachsenen kompensatorisch zur Unterauslastung der Belegschaften in der Produktion mehr oder weniger auszudehnen? Für den Ausbau solcher Schwankungsreserven für Qualifizierungsaufgaben im betrieblichen (und überbetrieblichen) Bereich könnten wesentlich bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Einmal dadurch, daß die Infrastrukturausstattung für Qualifizierung erweitert und verbessert wird, und zwar vor allem in kleineren Betrieben, wo es nennenswerte Defizite gibt. Dies würde u. a. bedeuten, die Mittel für die institutionelle Förderung der beruflichen Bildung gezielter nach Bedarf oder Notwendigkeit einzusetzen. Einbezogen werden müssen dabei sowohl eine geeignete Sachausstattung als auch die Vergrößerung des Angebots an qualifizierten Ausbildern. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, diesen Ausbau der Infrastruktur mindestens teilweise über Mittel zu finanzieren, die sonst für nichtinvestive Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitslosengeld sowie Kurzarbeitergeld) verausgabt werden und so für investive Zwecke verlorengehen. Zumindest erscheint es naheliegend, die Perioden längerer Kurzarbeit (oder anderweitiger Unterbeschäftigung) von Fachkräften dazu zu nutzen, diese in Perioden der Unterbeschäftigung zu Ausbildern für den weiteren Einsatz für Qualifizierungsaufgaben auszubilden.

Die Alternative bzw. zusätzliche Möglichkeit zum Ausbau von Ausbildungskapazitäten bestünde in der Förderung größerer zwischen-betrieblicher Mobilität von Arbeitskräften zu Qualifizierungszwecken bei unterschiedlicher Auslastung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten. So zahlen beispielsweise die Japaner anstelle von Kurzarbeitergeld bei rezessions-oder umstellungsbedingter Unterbeschäftigung von Teilen der Belegschaft dem abgebenden wie dem aufnehmenden Betrieb Ausbildungsbeihilfen, wenn ein entsprechender Ausbildungsvertrag zwischen zwei Betrieben zustande kommt. Möglich wäre auch ein systematisches Weiterleiten von Erfahrungen und Kenntnissen über Erwachsenenqualifizierung von Betrieben, die diese bereits erfolgreich durchgeführt haben, an solche, die zwar entsprechenden Bedarf haben, sich bis-B lang aber aus den verschiedensten Gründen zu einer Durchführung nicht entschließen konnten.

Eine antizyklisch gestaltete Qualifizierungspolitik wurde bereits vor zwei Jahrzehnten von der OECD als Teil aktiver Arbeitsmarkt-politik vorgeschlagen. Erforderlich sind jetzt Konzeptionen zur Ausgestaltung und Entwicklung geeigneter Förderungskriterien für dieses Instrument.

Viele Betriebe nutzen von sich aus die vorhandenen Möglichkeiten nicht, da diese sich zumindest ihrer Ansicht nach nicht mit ihren Einzelinteressen decken. Zwar haben die Betriebe ein elementares Interesse an einem auch über längere Zeiträume ausreichenden Qualifikationsangebot auf dem Arbeitsmarkt. Sie sind aber von sich aus nicht in der Lage oder bereit, dem durch eine entsprechende Bevorratungspolitik, wie sie gesamtwirtschaftlich wünschenswert ist, nachzukommen, da sie in der Regel weder ihre Planung auf die hierfür erforderlichen langen Zeiträume ausrichten, noch gewillt sind, die Qualifikationsinhalte so breit anzulegen, daß damit eine vorbeugende Qualifizierung zustande kommt Deshalb bedarf es, um betriebswirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Belange stärker zur Deckung zu bringen, einer öffentlichen Förderung und Steuerung.

Auch bei hoher Arbeitslosigkeit und globaler Unterbeschäftigung gibt es in Teilbereichen der Wirtschaft Personalknappheit und Mangel an spezifischen Fähigkeiten, zu deren Überwindung Qualifizierungsmaßnahmen allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen beitragen können. Obgleich in der Bundesrepublik seit der Rezession 1974/75 ein großes Überangebot an Arbeitskräften existiert, gab es in bestimmten beruflichen Bereichen und in einigen Regionen noch lange Zeit einen Mangel an Facharbeitern, der teils darauf zurückzuführen ist, daß eine große Zahl von Fachkräften aus ihrem ursprünglichen Beruf abgewandert ist. Seit Beginn der achtziger Jahre allerdings ist bei über zwei Millionen Arbeitslosen eine gleichmäßigere Betroffenheit der Qualifikationsgruppen von Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. Das angesprochene Abwanderungsproblem (besonders ausgeprägt war es in der Baubranche) ist wesentlich auf schlechte Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzrisiken in den betroffenen Sektoren zurückzuführen. Beispiele dafür bilden der Bergbau und Gießereien, wo seit dem Anwerbestopp für Ausländer Schwierigkeiten bestehen, genügend Arbeitskräfte zu finden.

In Bereichen mit großer Verbreitung schlechter Arbeitsbedingungen können durch Qualifikationsmaßnahmen kurzfristig aktuelle Personalengpässe abgebaut werden. Damit verringert sich einerseits die Überlastung der vorhandenen Belegschaft, andererseits wird der Anreiz zu einer beschleunigten arbeitssparenden Rationalisierung verringert. Langfristig können von der verbesserten Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften Anstöße zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ausgehen, so daß die Branche insgesamt attraktiver wird.

Angesichts der mittlerweile erreichten Größenordnung der Unterbeschäftigung liegt es zweifelsfrei auf der Hand, daß die Arbeitslosigkeit nicht mehr zu einem wesentlichen Teil durch das Fehlen qualifizierter Arbeitskräfte verursacht ist, sondern eindeutig in erster Linie auf zu geringe Arbeitskraftnachfrage zurückgeht. Daraus folgt aber gerade nicht — wie das häufig unterstellt wird —, daß deshalb Qualifizierung und insbesondere Qualifizierung im Betrieb an Bedeutung verliert. Zwar ist davon auszugehen, daß auch umfassende und moderne Qualifikationen nicht als absoluter Schutz vor (konjunktureller) Arbeitslosigkeit angesehen werden können. Auf der anderen Seite ist aber zu unterstellen, daß ein Wiederanstieg der Arbeitskraftnachfrage zwar zunächst nicht zu nennenswerten Problemen bei der Beschaffung geeigneter Arbeitskräfte führt, dann aber — mit abnehmender Arbeitslosenquote und noch lange vor Erreichen eines hohen Beschäftigungsstandes — Schwierigkeiten bei der Beschaffung geeigneten Personals akut werden. Ursachen hierfür sind zum einen die verschiedentlich beschriebenen wiederholten Ausleseprozesse durch die Betriebe anläßlich von Personalabbau und Personalaufstockung (prägnant als die Heranbildung „olympiareifer Mannschaften" beschrieben), die zur Folge haben, daß die Zahl der Arbeitslosen mit vermeintlichen oder tatsächlichen Eignungs-und Verwendungseinschränkungen stark steigt. Zum anderen gewinnt mit länger werdender durchschnittlicher Arbeitslosigkeitsdauer das „Veralten" vorhandener Qualifikationen an Bedeutung. Bei den Arbeitskräften handelt es sich hier vor allem um Prozesse der Arbeitsentwöhnung und des Verlernens der Fähigkei-B ten. Aber auch Veränderungen bei den angebotenen Arbeitsplätzen sind von Bedeutung. Weil der Prozeß der Stillegung von Betrieben oder Abteilungen, der Modernisierung von Anlagen, der Umstrukturierung von Arbeitsplätzen während der Rezession keineswegs zum Stillstand kommt, sondern sich im Gegenteil eher beschleunigt, verschwinden viele

Tätigkeiten entweder ganz oder es ist zumindest ein starker Wandel der geforderten Qualifikationen zu verzeichnen, öffentlich geförderte Qualifizierungsmaßnahmen könnten dazu beitragen, daß mögliche Anstöße zu einer Verbesserung der Beschäftigungssituation nicht frühzeitig an Qualifikationsengpässen scheitern.

II. Innerbetriebliche Qualifizierung von Erwachsenen als Teil einer integrierten öffentlichen Qualifizierungspolitik

Aus den vorstehenden Überlegungen läßt sich der Schluß ziehen, daß für die achtziger Jahre eine Reihe von wichtigen arbeitsmarkt-und gesellschaftspolitischen Aufgaben benannt werden kann, zu deren Bewältigung Qualifizierungspolitik selbständig oder flankierend wichtige Beträge leisten kann. Bislang war nur allgemein von Qualifizierungspolitik die Rede. Nachfolgend wird erörtert, welche Form diese annehmen sollte.

Um die Möglichkeiten arbeitsmarktpolitisch wünschbarer Qualifizierungsmaßnahmen besser auszuschöpfen, sollte zur bisherigen öffentlichen Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz die Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen für erwachsene Arbeitskräfte im Betrieb hinzutreten. Vorteile innerbetrieblicher Qualifizierung liegen einerseits in den erleichterten Lernmöglichkeiten für jene Arbeitskräftegruppen, denen formalisiertes schulisches Lernen Schwierigkeiten bereitet

Von öffentlicher Arbeitsförderung wurde bislang die berufliche Qualifizierung von Arbeitskräften im Betrieb und durch den Betrieb weitgehend ausgeschlossen. In der Regel fanden die entsprechenden Maßnahmen außerhalb des Betriebes in schulischen oder quasi-schulischen Bildungseinrichtungen statt. Zur Teilnahme an den Maßnahmen war eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich bzw. üblich. Arbeit und berufliches Lernen waren weitgehend voneinander getrennt. Der Erfolg der entsprechenden Maßnahmen war insoweit begrenzt, als die von Arbeitsmarktrisiken besonders betroffenen Arbeitskräftegruppen von der Förderung nur zum Teil erreicht wurden. Die öffentliche Qualifizierungsförderung muß von daher bestrebt sein, künftig eine gleichmäßigere Beteiligung der Arbeitskräftegruppen anzustreben, ohne deshalb aber Abstriche bei der Qualität der erreichbaren Ausbildungsabschlüsse hinzunehmen. Dazu sind Qualifizierungsmaßnahmen im Betrieb aus mindestens drei Gründen besser als solche außerhalb des Betriebes geeignet: 1. Der Lernort Betrieb, d. h. die Nähe zum praktischen Arbeitsvollzug, kann die Qualifizierung für jene Arbeitskräfte erleichtern, für die Lernen und Erwerbsarbeit bisher eng, im Grenzfall unmittelbar miteinander verknüpft waren. Dies trifft vor allem für jene zu, die lange nicht mehr mit schulischem Lernen zu tun hatten und für die „Lernen durch Tun“ häufig die „normale" Form des Zuerwerbs von Fähigkeiten und Kenntnissen ist Daher erscheint es auch bei öffentlich geförderten Maßnahmen angebracht, diese Lernform und Lerngewohnheit zu nützen, wenn sich durch Einüben wirkliche Zusatzqualifizierung erzielen läßt. Eine Voraussetzung ist, daß Einübung einen wesentlichen Teil des Erwerbs der Qualifikation ausmacht. Werden dagegen theoretische Kenntnisse für die Qualifizierung erforderlich, ist eine arbeitsplatznahe Einübung weniger geeignet und eine örtliche und zeitliche Trennung von Lernort und Arbeitsort mehr oder weniger unumgänglich.

Eine zweite Voraussetzung für „praxisnahe" Qualifizierung im Betrieb sind Arbeitsplätze, an denen die angestrebten Qualifikationen aufgrund der Anforderungen des Arbeitsplatzes tatsächlich erworben werden können. Schließlich liegt eine weitere Voraussetzung darin, daß nicht erwartet werden darf, das während der Qualifizierungsperiode die übliche Arbeitsleistung erbracht wird. Auch im Zuge des Qualifizierungsprozesses entstehende Arbeitsergebnisse können natürlich verwertet werden, doch sollte das Hauptziel „Qualifizierung" nicht hinter die Arbeitsleistung zurücktreten.

Bei einer Reihe von Qualifizierungsgängen bzw. Qualifizierungszielen mögen alle genannten Voraussetzungen für arbeitsnahes Lernen nicht gegeben und mithin formalisier33 tes und räumlich vom Arbeitsvollzug getrenntes Lernen unverzichtbar sein, zum Beispiel bei eher theoretischer und wissensbezogener Qualifizierung oder Lernvorgängen, die bei unvollständiger Beherrschung der Tätigkeit physische Gefahren oder andere unakzeptable Belastungen herbeiführen könnten. Während sich in letzterem Falle „Qualifizierung durch Tun" schlicht verbietet, sind in bezug auf Theorieaneignung die Grenzen zwischen arbeitnahem und arbeitsfernem Lernort fließend. Auch abstrakte Kenntnisse und Erkenntnisse sind aus praktischen Erfahrungen zu gewinnen, und diejenigen, denen dieser Zugang leichter fällt, sollten auch vom praxisnäheren Lernen nicht abgeschnitten werden, solange damit gleichwertige Qualifizierungsergebnisse erreicht werden können.

Qualifizierung im Betrieb kann aber jenseits der Frage der Qualifizierungsinhalte und -niveaus für manche auch deshalb angemessen sein, weil soziale und psychologische Hemmschwellen niedriger liegen. So kann das Lernen in oder in der Nähe der gewohnten Arbeitsumgebung die Unterstützung durch Arbeitskollegen und Ausbilder bedeuten und von daher die Entscheidung für die Qualifizierungsteilnahme sowie das „Durchstehen“ der Maßnahme erleichtern. 2. Mindestens ebenso bedeutsam, wenn nicht wichtiger als didaktische Erwägungen für den Lernort Betrieb, ist die Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses während der innerbetrieblichen Qualifizierung. Das Risiko, nach außerbetrieblichen Maßnahmen nicht wieder eingestellt zu werden, ist für bestimmte Arbeitskräftegruppen besonders in Perioden hoher Arbeitslosigkeit groß und führt zu Zurückhaltung oder gar Abneigung, selbst wenn sich eine objektiv drohende Gefährdung des Arbeitsplatzes durch Teilnahme an Fortbildung oder Umschulung verringern ließe Dieses Risiko dürfte entscheidend zur ungleichen Inanspruchnahme der AFG-Förderung beigetragen haben.

Bei Aufrechterhaltung des regulären Beschäftigungsverhältnisses während der Qualifizierungsmaßnahme kann dagegen im allgemeinen von einer Weiterbeschäftigung ausgegangen werden, da der Betrieb die Qualifizirungsinhalte am zukünftigen Bedarf orientiert. Dies dürfte den Entschluß zur Teilnahme an Maßnahmen erheblich erleichtern. 3. Seit der Beschäftigungskrise 1974/75 hat man sich bei der AFG-Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen stärker auf die Beteiligung von Arbeitslosen konzentriert. Diese Umorientierung war und ist insoweit gerechtfertigt, als die Verbesserung der Wiedereingliederungschancen von Erwerbslosen ein vorrangiges Ziel der Arbeitsförderung sein muß. Die traditionelle AFG-Förderung hat auch angesichts der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage eine wichtige Funktion, weshalb Mitteleinschränkungen unangebracht sind.

Auch wenn die Arbeitslosigkeit zweifellos in erster Linie eine Folge ungenügender Arbeitskräftenachfrage ist, könnte man doch mindestens insoweit von einem Mangel der Arbeitsförderung sprechen, als dem Gedanken einer aktiven, der Arbeitslosigkeit vorbeugenden Arbeitsmarktpolitik offensichtlich nicht voll entsprochen wurde. Durch vorbeugende Maßnahmen wird zwar am Umfang der Arbeitslosigkeit nicht notwendig etwas geändert. Soweit damit aber Beschäftige im Betrieb gehalten werden können, werden die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit und die Unterwerfung unter die betrieblichen Auswahlprozesse bei Entlassung und Einstellung verhindert, die zur verstärkten . Aussiebung“ sogenannter Problemgruppen und damit zur wachsenden Strukturierung von Arbeitslosigkeit beitragen. Besser mit der Konzeption einer präventiven Arbeitsförderung ist es demnach vereinbar, wenn — soweit möglich — Arbeitskräfte qualifiziert werden, noch ehe sie ihre Beschäftigung verlieren.

Den angesprochenen Qualifizierungsmaßnahmen im Betrieb kann aber selbst dann ein im weiteren Sinne vorbeugender Charakter zugesprochen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis nach Abschluß aufgrund von vermindertem Arbeitskräftebedarf des Betriebes beendet wird, dem Betroffenen aber eine arbeitsmarktgängige Qualifikation mit auf den Weg gegeben wurde. Eine solche „Qualifizierung für den Arbeitsmarkt" ist mindestens im Ansatz im Betriebsverfassungsgsetz und in vielen Tarifverträgen angelegt und hat auch im Rahmen des Sonderprogramms der Bundesregierung von 1979 für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen bereits faktisch eine Rolle gespielt. Dieser Weg bietet sich u. a. in Betrieben an, die — etwa infolge verringerter Arbeitskräftenachfrage — ungenutzte, aber qualitativ hochwertige Ausbildungskapazitäten aufweisen. Der Betrieb ist in diesem Falle nicht, wie sonst üblich, Träger wie Nutzer der Qualifizierungsmaßnahme, sondern er führt die Maßnahme nur durch und nutzt allenfalls für eine kurze Frist deren Ergebnis. Diese Situation ist z. B. bei der Ausbildung von Jugendlichen nicht mehr völlig ungewohnt, insoweit Betriebe über ihren aktuellen Bedarf hinaus ausbilden. Sinnvoll und anzustreben wäre bei der „Qualifizierung für den Arbeitsmarkt" eine möglichst enge Zusammenarbeit mit den möglichen . Abnehmern" der qualifizierten Arbeitskräfte bei der Konzipierung und Durchführung der Maßnahmen.

Angesichts der dramatischen Situation auf dem Arbeitsmarkt und der Finanzkrise des Staates sowie der daraus in den letzten Jahren abgeleiteten verschiedenen „SanierungsOperationen" bei der Beschäftigungs-, Arbeitsmarkt-und Bildungspolitik ist hier ein Hinweis erforderlich: Sinnvoll ist die Förderung von Qualifizierung im Betrieb zusätzlich zu der in der Tat notwendigen gezielten und bevorzugten Förderung Arbeitsloser über die verschiedenen bereits vorhandenen Instrumente des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Durch das Haushaltsstrukturgesetz von 1975 sowie das Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz (AFKG) von 1982 ist es bereits zu einer besorgniserregenden Verschlechterung der Zugangsbedingungen und der Lohnersatzleistungen für Teilnehmer an Förderungsmaßnahmen gekommen; ein weiterer Rückgang ist absehbar Würden Maßnahmen im Betrieb nun auf Kosten der jetzt schon zu gering dimensioniert eingesetzten AFG-Instrumente gefördert, so würde das zu fatalen Ergbnissen führen, denn das dominierende Problem ist zur Zeit eindeutig, daß ingesamt zuwenig Qualifizierung stattfindet. Das noch immer beliebte Argument, daß eine Ausweitung solcher Maßnahmen nicht finanzierbar wäre, ist dabei bereits verschiedentlich und überzeugend durch Gegenüberstellung der Kosten auf der einen und der Einsparungen und Wachstumsimpulse auf der anderen Seite widerlegt worden

Die Förderung innerbetrieblicher Qualifizierung für Erwachsene darf aber auch nicht in Konkurrenz zur Jugendlichenausbildung geraten. Ihr Ziel muß eindeutig darin liegen, zusätzliche Potentiale und zusätzliche organisatorischeFormen der Qualifizierung zu finden, die mit den bisherigen Maßstäben arbeitsmarktgängiger Qualifizierung vereinbar sind. Die Zielsetzung würde folglich dann verfehlt, wenn mit Hilfe innerbetrieblicher Qualifizierung die bei externen Maßnahmen üblichen Ausbildungsstandards unterschritten bzw. aufgeweicht würden. Arbeitsmarktpolitisch unbefriedigend wäre allerdings ebenso die Fortdauer der bisherigen Situation, in der nur ein Teil der Arbeitskräfte das Ziel einer vollwertigen Berufsausbildung erreichen kann. Deshalb müssen die Qualifizierungsformen erweitert werden.

III. Notwendigkeit und Möglichkeiten öffentlicher Steuerung innerbetrieblicher Qualifizierung

1. Steuerungsbedarf In einer repräsentativen Erhebung über Struktur und Kosten beruflicher und nichtberuflicher Weiterbildungsaktivitäten von Betrieben in Bayern wurde die These aufgestellt, daß das betriebliche Weiterbildungsangebot nach Art und Umfang den Interessen der einzelnen Unternehmen wie auch übergeordneten arbeitsmarktpolitischen Zielen entspricht In den Ergebnissen der Studie wie auch in der darin zumindest indirekt ausgesprochenen Forderung nach staatlicher Finanzierung bei gleichzeitigem Verzicht auf jegliche Eingriffe kommt die betriebliche Sicht der Dinge zum Ausdruck: Berufliche Weiterbildung sei am besten in der Hand der Betriebe aufgehoben, da diese am ehesten den individuellen Bedarf der Arbeitskraft und betriebliche Erfordernisse auf einen Nenner zu bringen vermögen.

Denkt man in die Zukunft, so sind daran erhebliche Zweifel angebracht Es läßt sich nämlich nachweisen, daß aus der weitgehenden Gestaltungshoheit der Betriebe in der Qualifizierungspolitik strukturelle Folgen im Arbeitsmarktprozeß entstehen, die mit einem reibungslosen Funktionieren des überbetrieblichen Arbeitsmarkts sowie mit übergeordneten langfristig orientierten Zielsetzungen der öffentlichen Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik nicht im Einklang stehen. überläßt man die Qualifizierungspolitik allein den Betrieben, so erhält man, wie empirische Untersuchungen deutlich gezeigt haben, folgende Resultate: eine sehr ungleiche Verteilung der Qualifizierungsaktivitäten nach Betriebsarten und Arbeitskräftezielgruppen; eine mehr oder weniger starke Betriebsorientierung bei der inhaltlichen Gestaltung; damit verbunden eine mangelnde Arbeitsmarktgängigkeit der Qualifikationen; Uberausbildung für Berufe mit sinkender Arbeitskraftnachfrage; eine recht kurzfristige Orientierung der Qualifizierungspolitik, die selten über den nächsten Produkt-oder Absatzzyklus hinausreicht; die Bevorzugung von Kurzausbildungsgängen anstelle von Vollausbildung; schließlich ein in der Hochkonjunktur eher steigendes und bei Unterbeschäftigung sinkendes Qualifizierungsvolumen

Das betriebliche Weiterbildungsverhalten und sein Konfliktverhältnis zu den Anforderungen einer gesamtwirtschaftlich orientierten Qualifizierungspolitik werden verständlich, wenn man die Weiterbildung als wichtiges Teilinstrument im Rahmen der betrieblichen Personal-und Beschäftigungspolitik sieht. Diese Politik ist in erster Linie darauf gerichtet (wobei es beträchtliche Unterschiede nach Branchen, Betriebstypen und konjunktureller Lage gibt), dafür zu sorgen, daß möglichst viele Veränderungen bei der Produktgestaltung, der Arbeitsorganisation, der Produktnachfrage usw. innerbetrieblich bewältigt werden können (d. h. darauf, den internen Arbeitsmarkt des Betriebes zu entwikkeln und zu stärken), um so von den äußeren Bedingungen und Zwängen unabhängiger zu werden.

Um die widersprüchlichen einzel-und gesamtwirtschaftlichen Interessen in der Qualifikations-und Arbeitsmarktpolitik auszugleichen, bedarf es daher öffentlicher Einwirkungen, auch auf betriebliche Qualifizierungspolitik. Die betrieblichen Aktivitäten auf dem Weiterbildungssektor sind mittlerweile nach Ausmaß und Intensität gesamtwirtschaftlich viel zu bedeutsam und in ihrem Wirken so wenig mit den Zielvorstellungen einer aktiven und vorausschauenden Arbeitsförderung vereinbar, als daß man sie völlig unbeeinflußt laufen lassen könnte. 2. Die Notwendigkeit einer Zielorientierung öffentlicher Einflußnahme Sollen die Qualifizierungsaktivitäten der Betriebe auch an den Zielen öffentlicher Arbeitsmarktpolitik ausgerichtet werden, so bedarf es eines „Zielmodells" eines funktionsfähigen Arbeitsmarktes, auf das hin Umfang, Qualität und Art der Maßnahmen auszurichten sind. Es kann nicht darum gehen, jegliche betriebliche Qualifzierungsaktivität zu unterstützen bzw. zu akzeptieren, sondern darum, jene Maßnahmen zu fördern, die vom Qualifikationsergebnis her diesem Zielmodell entsprechen. Das Zielmodell müßte eine Erweiterung der Anpassungskraft und Anpassungseffizienz innerbetrieblicher Arbeitsmärkte und eine Verbesserung des zwischenbetrieblichen Markts miteinander verknüpfen, indem eine möglichst große Anzahl von Arbeitskräften mit berufsfachlichen, arbeitsmarktgängigen Qualifikationen ausgestattet wird.

Das wesentliche Strukturprinzip dieses Arbeitsmarktmodells liegt nicht in Aufstiegs-und Abstiegsleitern, d. h. vertikalen Arbeitsplatzketten, sondern in der Fähigkeit, dank breiter Grundqualifikation verschiedene Arbeitsplätze auf einem gleichen Anforderungsniveau einzunehmen, d. h. in der horizontalen Flexibilität. Die ausgeprägte Über-und Unterordnung von Arbeitsplätzen und ein entsprechendes Gefälle in der Qualifikation von Arbeitskräften, wie sie bislang auf innerbetrieblichen Märkten üblich waren, sollten eher abgebaut werden. Beides zusammen genommen, die größere Vielseitigkeit der Arbeitskräfte und die verringerten Unterschiede bei den Arbeitsplatzanforderungen, erweitern die innerbetrieblichen Umsetzungsfähigkeiten der Belegschaft. Das bedeutet letzten Endes eine größere Gleichstellung bei Arbeitskräften und Arbeitsplätzen, eine Verringerung der inneren Arbeitsteilung, eine betriebliche Organisationsstruktur, die zwar durch höheren Qualifizierungsaufwand kurzfristig höhere Kosten verursachen kann, dies auf längere Sicht aber rechtfertigt durch überlegene Anpassungsfähigkeit und höhere Produktivität. Dieses Strukturmodell ist keineswegs neu, sondern wiederholt in der Arbeitsmarkt-und Bildungspolitik propagiert worden; verglichen mit den meisten anderen Industrieländern, ist es in der Bundesrepublik auch verhältnismäßig weit verwirklicht. Dennoch sind seine Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft, wofür die — gemessen an diesen Zielvorstellungen — großen Unterschiede der jeweiligen Arbeitsmarktstrukturen zwischen Betrieben, Branchen und Regionen sprechen. 3. Zur Instrumentierung der Steuerung Nach allen Erfahrungen mit öffentlicher Arbeitsmarktpolitik im allgemeinen und Son-B derprogrammen im besonderen muß in Zweifel gezogen werden, ob es „das“ optimale Steuerungsinstrument gibt. Die Anwendung verschiedenartiger Steuerungsmittel scheint daher allein schon deshalb angemessen, weil die Vielfalt innerer und äußerer betrieblicher Bedingungen für den Einsatz von Qualifizierungspolitik außerordentlich groß ist und die Instrumente einigermaßen „situationsgerecht" gewählt werden müssen. Im Hinblick auf diese Zielsetzungen sind die verschiedenartigen Instrumente durchaus nicht als konkurrierend oder sich wechselseitig ausschließend zu betrachten, sondern eher als einander ergänzend. Abschließend sei eine sinnvoll erscheinende Instrumentenkombination angedeutet, ohne daß damit irgendwie der Anspruch optimaler oder vollständiger Ausschöpfung der Steuerungsmöglichkeiten verbunden werden soll. a) Steuerung über positive finanzielle Anreize

Das Sonderprogramm von 1979 sah eine Steuerung über positive finanzielle Anreize vor und hielt Lohnkostenzuschüsse für Betriebe bereit, die die vorgesehenen Maßnahmen durchführten. Finanzielle Zuschüsse sollten allerdings nur dort als Steuerungsmittel eingesetzt werden, wo nicht erwartet werden durfte, daß die Betriebe von sich aus eine aus übergeordneter Perspektive wünschenswerte Qualifizierungspolitik betrieben, z. B. dann, wenn betriebliche und gesamtwirtschaftliche Interessen relativ stark auseinanderlaufen. Wird öffentliche Förderung für (im Hinblick auf das Zielmodell) unterschiedlich zu beurteilende Maßnahmen angeboten, so sollte sich das in einem entsprechend unterschiedlichen Förderumfang niederschlagen. Bei der Qualifizierungsförderung im Rahmen des Sonderprogramms z. B. war das Anreizgefälle von 90% Lohnkostenersatz bei Umschulungs-und Fortbildungsmaßnahmen, die zu einem anerkannten arbeitsmarktgängigen Abschluß führen (15 % der Teilnehmer), und 80%iger Erstattung bei den „sonstigen Qualifizierungsmaßnahmen“ (meist Anlernprozesse am Arbeitsplatz, die zu „betriebsspezifischen", kaum transferierbaren Qualifikationen füh-’ ren, 85% der Teilnehmer) sicherlich viel zu gering, wenn man erstere als arbeitsmarkt-und qualifikationspolitisch wesentlich besser einschätzt. Daß die für Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen des Sonderprogramms zur Verfügung gestellten Mittel bereits am ersten Tag der einjährigen Beantragungsfrist um über 100% überzeichnet waren, zeigt jedenfalls, daß es erhebliche Spielräume für eine Umsteuerung zugunsten anspruchsvollerer Maßnahmen gegeben hätte. b) Normative Regelung Unter diesem Regelungstyp lassen sich jene Instrumente zusammenfassen, die durch Gebote oder Verbote den Betrieb zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen bewegen sollen. Im Gegensatz etwa zur weitgehenden staatlichen Gestaltung der Rahmenbedingungen beruflicher Erstausbildung haben die Betriebe bei der betrieblichen Weiterbildung bislang weitreichende Gestaltungsfreiheit Weder engen rechtliche Regelungen den betrieblichen Handlungsspielraum in größerem Umfang ein, noch haben sich die Betriebsräte auf diesem Gebiet stark engagiert. Das dürfte mit dazu beigetragen haben, daß mit Hilfe von Erwachsenenbildung in betrieblicher Regie die Abschließung betrieblicher Arbeitsmärkte gefördert wurde mit dem Ergebnis, daß Qualifizierung, Arbeitskräfteeinsatz und -entlohnung nur noch begrenzt von äußeren Markt-kräften gesteuert werden. Zugleich wird betriebliche Weiterbildung fast unverzichtbar dort, wo sich betriebliche Arbeitsmärkte mit spezifischem Qualifizierungsbedarf fest etabliert haben. Dies erklärt auch die relativ konstante Aktivität der Betriebe in diesem Bereich über den Konjunkturzyklus hinweg.

Eine schematische Regelung wird allerdings um so schwieriger, je stärker man besondere betriebliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen versucht. Das Sonderprogramm von 1979 hat hier einen Ausweg aus dem Konflikt zwischen überbetrieblicher Normierung und einzelbetrieblichen Sonderbedingungen dadurch gesucht, daß es neben der Einschaltung der Arbeitsverwaltung die Mitwirkung der betrieblichen Arbeitnehmervertretung an der Gestaltung und Durchführung der Maßnahmen förderte und mehr oder weniger die Zustimmung des Betriebsrats zur Voraussetzung für die Mittelbewilligung machte. Damit wurde die Erwartung verbunden, daß durch die Einflußnahme der Betriebsräte nicht nur einzelbetriebliche Interessen, sondern auch betriebsübergreifende Erwägungen zur Geltung kommen würden Die Erfahrungen aus dem Sonderprogramm sind teilweise ermutigend, teilweise stimmen sie aber auch skeptisch. Eine wirksame Einflußnahme des Betriebsrates ist nur zu erwarten, wo der Betriebsrat selbst Vorstellungen über die be-triebsübergreifende Bedeutung von Qualifizierungsmaßnahmen hat bzw. ihm solche etwa über die Gewerkschaft zugänglich sind und wo er über die zeitlichen, personellen und sachlichen Voraussetzungen für eine Einflußnahme verfügt. Im allgemeinen sind aber die Möglichkeiten einer verstärkten Steuerung über die Betriebsräte bei weitem nicht ausgeschöpft. Sie können auch mit Unterstützung durch andere Steuerungsformen wesentlich verbessert werden, z. B. durch Kontrollen der Mittelverwendung, der Einhaltung von Unterweisungsplänen oder durch die Blockierung von erheblichen Teilen der zugesagten Mittel bis zum nachgewiesenen erfolgreichen Abschluß. c) Demonstration und Beratung Manchmal kann ein allgemein erwünschtes Verhalten dadurch erreicht werden, daß demonstriert wird, daß dieses Verhalten möglich und sinnvoll ist und zur Lösung von Problemen beiträgt. Dazu kann öffentliche Einflußnahme beitragen. Ausgegangen wird dabei von der Überlegung, daß die meisten Betriebe kaum in völligem Einklang mit ihren einzelbetrieblichen Interessen handeln, da diese Interessen häufig widerspruchsvoll sind und oft nicht genau erkannt werden. Betriebe ahmen oft ein bestimmtes Handeln nach, weil die damit verbundene Problemlösung anderswo „funktioniert" hat.

Im Rahmen des Sonderprogramms gab es Fälle, in denen Betriebe über Qualifizierung aktuelle Personalprobleme zu lösen vermochten. So sind durch sorgfältige methodische Einarbeitung von Mitarbeitern an neuen Arbeitsplätzen oder in neue Arbeitsverfahren oder -techniken Fluktuations-und Absentismusprobleme gemildert oder die Aufnahme anspruchsvoller Produktionen möglich geworden. Betriebe haben gelernt, daß sich auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bessere Qualifizierung auszahlt.

Im Bereich der betrieblichen Personalplanung sind mit Informations-und Demonstrationstechniken bereits vielversprechende Breiten-wirkungen erzielt worden Im Bereich der innerbetrieblichen Qualifizierung von erwachsenen Arbeitnehmern gibt es hierfür große Potentiale. Bislang ist aber nicht absehbar, daß selbst die bereits verfügbaren Erfahrungen systematisch umgesetzt, d. h. einer möglichst großen Zahl von Betrieben zugänglich gemacht werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. z. B. B. Hotz, Productivity Differences and Industrial Relations Structures — Engineering Companies in the U. K. and the Federal Republic of Germany, in: Labour and Society, 7 (1982) 4.

  2. Vgl. M. Maase/W. Sengenberger, Wird Weiterbildung konjunkturgerecht betrieben? über die Vereinbarkeit von betrieblicher Personalplanung und öffentlicher Arbeitsmarktpolitik, in: MittAB, 9 (1976) 2.

  3. Vgl. E. Sauter, (Anm. 3).

  4. E. Sauter, Berufliche Weiterbildung und Arbeitsmarkt — Zur Förderung betrieblicher Qualifizierung im Rahmen des Arbeitsmarktpolitischen Programms der Bundesregierung für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen (AMP), in: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, (1982) 1.

  5. D. Mertens, Haushaltsprobleme und Arbeitsmarktpolitik, in:Aus Politik und Zeitgeschichte, B 38/81 vom 19. September 1981, S. 25.

  6. R. Falk, /W. Bönisch, Weiterbildung in Betrieben der Bayerischen Metall-und Elektroindustrie — Ergebnisse einer empirischen Umfrage, in: U. Göbel/W. Schlaffke (Hrsg.), Berichte zur Bildungspolitik 1980/81 des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln 1980.

  7. W. Sengenberger, Beschäftigungs-und arbeitsmarktpolitische Anforderungen an betriebliche Weiterbildung, in: D. Mertens/M. Rick (Hrsg.), Berufsbildungsforschung, BeitrAB 66, Nürnberg 1982.

  8. G. Bosch, Das Arbeitsmarktpolitische Sonderprogramm der Bundesregierung von 1979, in: Soziale Welt, (1981) 3, S. 70— 76.

  9. Als beispielhaft hierfür können die Umsetzungsaktivitäten im Rahmen des Projekts Z 36 des Rationalisierungskuratoriums der Deutschen Wirtschaft, vor allem das in diesem Zusammenhang entstandene Handbuch „Praxis der Personalplanung", gelten.

Weitere Inhalte

Werner Sengenberger, Diplom-Soziologe, Ph. D„ geb. 1941; Studium der Soziologie und Volks-und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Mainz, FU Berlin, London School of Economics und University of Chicago; seit 1972 Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung, München. Veröffentlichungen u. a.: Der gespaltene Arbeitsmarkt (Hrsg.), Frankfurt-New York 1978; Personalwirtschaft im Zusammenwirken mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten — Die Bundesrepublik im internationalen Vergleich, in: Der Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.), Technischer Wandel, Personalplanung und Personalwirtschaft, Schriftenreihe Technologie und Beschäftigung, Bd. 7, Düsseldorf-Wien 1983. Hans Gerhard Mendius, Diplom-Soziologe, geb. 1944; Studium der Soziologie und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Heidelberg und Frankfurt; freier Mitarbeiter in der Jugendbildung; seit 1974 Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung, München. Veröffentlichungen u. a.: Qualifizierung im Betrieb als Instrument öffentlicher Arbeitsmarktpolitik (mit W. Sengenberger, Chr. Köhler und M. Maase), Bonn 1983; verschiedene Beiträge in Sammelbänden und Zeitschriften zu Problemen der betrieblichen Beschäftigungspolitik, der Arbeitnehmervertretung und der Arbeitszeitpolitik.