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Das Währungssystem der RGW-Länder | APuZ 4/1986 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 4/1986 Die Wirtschaft der DDR 1981-1985. Bilanz des Fünfjahrplans Technologischer Wandel in der Industrie der DDR 1945-1985 Das Währungssystem der RGW-Länder

Das Währungssystem der RGW-Länder

Adam Gwiazda

/ 24 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den Ländern des RGW ein Währungssystem nach dem Vorbild der Sowjetunion eingeführt, das die nationalen Währungen zwangsläufig auf ihre reine Binnenfunktion reduzierte. Erklärtes Ziel der Mehrzahl der osteuropäischen Regierungen war es, die eigene Währung von den Einflüssen des Weltmarktes abzuschirmen. Die Währungen der RGW-Länder sind daher nicht konvertierbar, das heißt, sie können nicht gegen Dollar, DM oder andere konvertierbare Währungen eingetauscht werden. Selbst innerhalb des östlichen Wirtschaftsverbundes ist ihre Gültigkeit begrenzt, sind sie ebenfalls nicht konvertibel und somit jeweils reine Binnenwährungen. Dieses noch heute gültige Gefüge von monetären Beziehungen der sozialistischen Staaten untereinander ist die Konsequenz eines überzentralisierten Systems von Planung und Management, das u. a. zu der willkürlichen Festsetzung von Wechselkursen für Handel und Tourismus, unabhängig von Markteinflüssen, geführt hat. Sowohl gegenüber den harten Fremdwährungen als auch gegenüber den anderen osteuropäischen Währungen gibt es keinen „ökonomisch begründeten“ Wechselkurs. Einige osteuropäische Währungen wurden daher von Anfang an im Verhältnis zu den anderen RGW-Währungen über-, andere unterbewertet. Noch heute ist dies eine Quelle permanenter Kontroversen zwischen mit währungspolitischen Angelegenheiten betrauten Regierungsbeamten der einzelnen sozialistischen Länder. Zugleich liegt hier die Hauptursache für das Entstehen eines sogenannten Schwarzmarkt-Wechselkurses innerhalb der RGW-Staaten. Bis heute haben sich die östlichen Planwirtschaften nicht in der Lage gezeigt, ihren Währungen die üblichen Marktfunktionen des Geldes einzuräumen bzw. eine Währung zu schaffen, deren Funktion besser auf ihre eigenen Wirtschaftsstrukturen zugeschnitten ist. Die von vielen Wissenschaftlern geforderten „grundlegenden Reformen“ der sozialistischen Volkswirtschaft werden sich indessen nicht ohne die gleichzeitige Einführung einer sich am internationalen Kapitalmarkt orientierten Währung und realistischer Marktpreise erfolgreich durchführen lassen.

Übersetzung aus dem Englischen: Michael Clauß, Bonn

Tabelle 1: Die Goldparitäten von Währungen der RGW-Länder Quelle: Jerzy Wesolowski, Das Währungssystem der RGW-Länder, Warschau 1977 (in polnisch), S. 10.

Für Fachleute im Westen wie im Osten, die mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) wohlvertraut sind, ist es oft nicht leicht, das Wesen und die Funktionsweise des Währungssystems der RGW-Staaten zu begreifen Es ist ebenfalls schwierig, die Absichten jener östlichen Politiker und Regierungsbeamten zu verstehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ein System eingeführt haben, das die nationalen Währungen zwangsläufig auf ihre reine Binnen-funktion reduzierte und somit für die relative Schwäche dieser Währungen gegenüber der soge-nannten harten Valuta, dem am meisten geschätzten „Gut des Weltmarkts“, verantwortlich ist.

Wie allgemein bekannt sein dürfte, sind die RGW-Währungen nichtkonvertierbar und können nicht gegen Dollar, DM oder andere konvertible Währungen eingetauscht werden Darüber hinaus sind sie selbst innerhalb des östlichen Wirtschaftsverbundes nicht konvertibel und somit reine Binnenwährungen. Trotz der von den Regierungen offiziell festgelegten Wechselkurse zu den Währungen östlicher und westlicher Länder gibt es kein ökonomisch begründbares Tauschverhältnis des östlichen Geldes zu diesen. Viele Studien, die sich mit den Geld-und Währungsproblemen der RGW-Länder beschäftigen, haben gezeigt, daß die osteuropäischen Länder keine Veranlassung gesehen haben, angemessene Währungsinstrumente im Intra-RGW-Handel oder in den Wirtschaftsbeziehungen zum Westen und zur Dritten Welt zu entwickeln, solange auch eine Währung mit begrenzter Geltung und Funktion den internen Erfordernissen der Planwirtschaften genügte Bereits Mitte der fünfziger Jahre wurde es aber offenkundig, daß Währungen mit einer reinen Binnenfunktion zwar in der Anfangsphase, als die östlichen Planwirtschaften nach Autarkie strebten, angemessen gewesen sein mögen, sich anschließend aber als großes Handikap erwiesen angesichts der Tatsache, daß die internationale Arbeitsteilung eine notwendige Bedingung für den technischen Fortschritt und für vergleichbare Kostenvorteile als Voraussetzung für Wirtschaftlichkeit darstellt

Das auch heute, Mitte der achtziger Jahre, noch vorhandene Gefüge von monetären Beziehungen der einzelnen sozialistischen Staaten untereinander ist die logische Konsequenz eines überzentralisierten Systems von Planung und Management, das nach dem Zweiten Weltkrieg aus politischen Gründen in den osteuropäischen Ländern eingeführt wurde. Dieses System hat u. a. zu der willkürlichen Festsetzung von Wechselkursen für Handel und Tourismus, unabhängig von Markt-einflüssen, geführt. Einige osteuropäische Währungen wurden von Anfang an im Verhältnis zu den anderen RGW-Währungen über-, andere unterbewertet. Dies ist noch heute eine Quelle permanenter Kontroversen und Diskussionen zwischen Regierungsbeamten der einzelnen sozialistischen Länder, die mit währungsund finanzpolitischen Angelegenheiten befaßt sind. Gleichzeitig liegt hier die Hauptursache für das Entstehen eines sogenannten Schwarzmarkt-Wechselkurses innerhalb der RWG-Staaten.

I. Kurzbeschreibung des östlichen Währungssystems — Eine historische Perspektive

Tabelle 2: Die Wechselkurse vom l. Jum 1978 Quelle: A. Zwass, Money, banking and credit in the Soviet Union and Eastern Europe, New York 1979, S. 182.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es erkärtes Ziel der Mehrzahl der osteuropäischen Regierungen, die eigene Währung von den Einflüssen des Weltmarkts abzuschirmen. Im Handel mit der nichtsozialistischen Welt entwickelten die RGW-Staaten zwei Verfahren des gegenseitigen Zahlungsverkehrs. Diese betreffen:

— Erlöse oder Zahlungen im Handelsverkehr, d. h. Güter-und Dienstleistungsaustausch, der zu Fremdpreisen (ausgedrückt in künstlichen Währungseinheiten) und ohne jede Beziehung zu dem Binnen-Preissystem und dem offiziellen Wechselkurs des handeltreibenden RGW-Mitgliedslandes abgewickelt werden konnte.

— Einnahmen und Zahlungen, die nicht aus dem Handelsverkehr herrühren, z. B.der gegenseitige Verkauf von Dienstleistungen auf dem Gebiet eines bestimmten sozialistischen Landes, und natürlich zu inländischen Preisen und nur in der entsprechenden nationalen Währung abgerechnet werden konnten (die wiederum nur auf der Basis des aktuellen Wechselkurses dieser Währung zu den anderen osteuropäischen Währungen zu verrechnen war).

Alle direkten Verbindungen zwischen dem Weltmarktpreis, der in Devisen bezahlt werden muß, und den inländischen Preisen (in der nationalen Währung des betreffenden osteuropäischen Landes) wurden aus dem Zahlungsverkehr eliminiert, was man „ganz einfach“ dadurch erreichte, daß man im Rahmen des Systems zentraler Planung eine Direktive erließ, die alle nationalen Währungen der osteuropäischen Staaten vom internationalen Güteraustausch ausschloß, insbesondere in ihrer Funktion als Wertmaßstab und Zahlungsmittel. Gleichzeitig wurde ein zweistufiges System der Verrechnung von Handelsgeschäften eingeführt.

Auf der einen Seite mußte die Verrechnung von Außenhandelsgeschäften über die jeweilige nationale Bank nach vorher festgelegten Umrechnungsfaktoren für ausländische Währungen, die man jeweils einnahm oder ausgab, erfolgen. Die andere Seite betraf, sozusagen in einer zweiten Stufe, das Außenhandelsgeschäft und den jeweiligen östlichen Handelspartner, sei es als Exporteur oder als Importeur. Diese Geschäfte wurden natürlich auf der Basis inländischer östlicher Preise getätigt.

An dieser Stelle sollte erklärt werden, daß dieses dualistische und höchst bizarre Abrechnungssystem im Außenhandel seinen Ursprung in der dem sowjetischen Modell von 1917/18 folgenden Einführung eines staatlichen Außenhandelsmonopols hat.

Die traditionelle Form dieses Staatsmonopols ist von Heinrich Machowski folgendermaßen beschrieben worden:

„— Außenhandelsgeschäfte werden ausschließlich von spezialisierten staatlichen Außenhandelsunternehmungen (AHU) durchgeführt, die unmittelbar dem Außenhandelsministerium unterstellt sind. Zwischen der Binnenwirtschaft und diesem Außenhandelsapparat bestehen keine organisatorischen Querverbindungen.

— Dem Zahlungsverkehr zwischen Binnenwirtschaft und den staatlichen Außenhandelsunternehmungen liegen Inlandspreise zugrunde, die von den staatlichen Preisbehörden autonom, d. h. nach den Bedürfnissen der staatlichen Wirtschaftsplanung, festgesetzt werden und in keinem direkten Zusammenhang zu den entsprechenden Devisenpreisen stehen. Für den auswärtigen Zahlungsverkehr in Fremdwährungen sind ausschließlich die staatlichen Außenhandelsunternehmungen zusammen mit der staatlichen Außenhandelsbank, einer Filiale der Staatsbank, zuständig. Die Differenzen zwischen diesen Zahlungen und dem inländischen Gegenwert der Devisenaufwendungen und -erträge werden automatisch über das sogenannte Preisausgleichskonto mit dem Staatshaushalt verrechnet; dieser ist der letzte Träger des Außenhandelsrisikos“

Hinzugefügt werden muß, daß alle Unterschiede — ohne Rücksicht darauf, wie kalkuliert wurde — zwischen ausländischen Preisen, getauscht in heimischen Währungen aufgrund vorher festgelegter Verrechnungsraten, und den nationalen, einheimischen Preisen am Ende auch im Staatshaushalt verrechnet werden.

Wie bereits angedeutet, haben die osteuropäischen Währungen keinen „ökonomisch begründeten“ Wechselkurs gegenüber Fremdwährungen. Dies gilt im übrigen auch gegenüber den anderen osteuropäischen Währungen 5). Außerdem ist der Handel mit Devisen verboten. Zwar gibt es einen amtlichen Wechselkurs, der bis etwa Anfang der siebziger Jahre von der Staatsbank aufgrund einer offiziellen Goldparität festgesetzt wurde (vgl. Tabelle 1). Seither wird dieser Kurs an die Wertschwankungen westlicher Währungen — nach für Außenstehende nicht immer erkennbaren Kriterien — laufend angepaßt. Dieser amtliche Kurs bestimmt aber nur den „Außenwert“ der Währung (Valuta-Rubel, Devisen-Forint, De-visen-Zloty bis 1982 und von diesem Jahr nur Zloty), denn zu diesem Kurs werden keine Devisen eingetauscht. Die Funktion dieser „Außenwährung“ wurde damit umschrieben, daß sie „die Preise für Exporte und Importe, die in kapitalistischer Währung beglichen werden, in einer geeigneten Einheit mit einem patriotischen Namen ausdrücken“

Die Vorteile dieses — grob skizzierten — Währungssystems liegen auf der Hand: Es schirmt die eigene Währung von dem Einfluß des Weltmarktes ab, unterbindet den direkten internationalen Preiszusammenhang vollständig und verhindert so, daß über die Export-und Importpreise irgendein ungewollter Einfluß auf das inländische Preisniveau durchschlägt. Es ist somit ein Instrument, das den Import von Inflation verhindert.

Dieses System hat aber auch seine Nachteile: Es verhindert eine exakte Berechnung der Rentabilität von Export-und Importgeschäften sowie die auch nur einigermaßen genaue Kalkulation von Kosten und Nutzen der internationalen Arbeitsteilung und der RGW-Integration. Diese Nachteile haben sich im Laufe der Zeit immer stärker bemerkbar gemacht und dazu geführt, daß es inzwischen in allen osteuropäischen Volkswirtschaften — die Sowjetunion ausdrücklich ausgenommen — mehr oder weniger weitreichende Veränderungen im Außenwirtschaftssystem gegeben hat

Bei nicht zum Handelsverkehr gehörenden Ge-

schäften/Zahlungen war es jedoch unmöglich, die Wechselkursmechanismen außer Kraft zu setzen. Alle Dienstleistungen innerhalb eines osteuropäischen Landes konnten nur zu Inlandspreisen, ausgedrückt in der nationalen Währung des betreffenden Landes, beglichen werden. Deshalb war es absolut notwendig, den offiziellen Wechselkurs als Verrechnungsbasis zwischen den nationalen Währungen der sozialistischen Länder zu benutzen. Am Anfang wurden diese Wechselkurse ohne Rücksicht auf die wirkliche Kaufkraft der nationalen Währungen sowie auf ihre rein fiktive und rein formale Goldparität festgelegt.

Die osteuropäischen Währungen waren nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch nie wirklich durch Gold gedeckt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß man einigen Geldeinheiten, wie z. B.der tschechischen Krone, eine solche „bindende“ Verpflichtungserklärung aufgedruckt hat. Ihre Golddeckung ist fiktiv und rein formal. Sie hat bis in die siebziger Jahre lediglich dazu gedient, das Austauschverhältnis der sozialistischen Währungen untereinander festzulegen.

Die erwähnte Abschottung der nationalen Währungen der osteuropäischen Länder vom internationalen Währungssystem und Güteraustausch (insbesondere in ihrer Funktion als Wertmaßstab und Zahlungsmittel) machte ein vertraglich abgesichertes System zur Regelung des gegenseitigen Austausches und des Zahlungsverkehrs innerhalb des RGW notwendig.

Das erste Problem bestand darin, angemessene Preise festzulegen, zu denen der Güteraustausch abgewickelt werden konnte. Bis zum Beginn der fünfziger Jahre wurde der Warenaustausch innerhalb des RGW zu Weltmarktpreisen abgerechnet. Als aber nach dem Korea-Krieg die Weltmarktpreise kräftig anstiegen, einigten sich die RGW-Staaten auf das Einfrieren der Preise (sogenannte „stabile Preise“) im gegenseitigen Zahlungsverkehr. Nach Ablauf von vier Jahren sollten diese wieder dem Weltmarktniveau angeglichen werden. Während des 9. Treffens der RGW-Mitgliedstaaten 1958 in Bukarest kam man überein, die durchschnittlichen Weltmarktpreise des Jahres 1959 als Basis für den Außenhandel und den Zahlungsverkehr aller sozialistischen Staaten in den Jahren 1960 bis 1964 zugrunde zu legen. Nach 1964 wurden dann die durchschnittlichen Weltmarktpreise von 1960 bis 1964 als Basis für „neue“ oder „stabile Preise“ in den Handelsbeziehungen der RGW-Länder für die Jahre 1965 bis 1970 übernommen usw.

In den folgenden Jahren übten die nicht unbeträchtlichen Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten Preisniveau einen starken und in vielen Fällen negativen Einfluß auf die Zahlungsbilanz einiger sozialistischer Länder, insbesondere auf die kleineren von ihnen, aus. Seit Mitte der sechziger Jahre erfolgten die Preiskorrekturen nicht mehr im Vierjahresrhythmus, sondern bereits nach Ablauf von zwei Jahren. Trotzdem lagen die Preise im Außenhandel der sozialistischen Staaten untereinander im Schnitt um 20% bis 30% über den vergleichbaren Preisen in westlichen Ländern oder auf dem Weltmarkt Auch muß erwähnt werden, daß bis 1963 der gesamte Handelsverkehr der europäischen sozialistischen Länder untereinander durch bilaterale zwischenstaatliche Verträge geregelt wurde. Zuerst vereinbarte man sogenannte Clearing-Abkommen auf Dollarbasis, später dann auf der Basis des sogenannten „Transferrubels“, dessen Parität zu Gold gleich zu dem in der Sowjetunion zirkulierenden Rubel war. Aufgrund der großen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Handelspartnern änderte sich der Wert des „Transferrubels“, der ersten künstlichen Währung innerhalb des RGW, bei jedem neuen Verrechnungsabkommen. Erwirtschaftete ein bestimmtes Land einen Überschuß in der Handelsbilanz, war es ihm jedoch nicht möglich, sich diesen Überschuß in Gold, „harten Währungen“ oder gar durch zusätzliche Warenlieferungen aus anderen osteuropäischen Ländern vergüten zu lassen, da diese ihre Produktion ja strikt geplant hatten und normalerweise nicht über zusätzliche Mengen an Gütern und Dienstleistungen für den Export verfügten. Der Überschuß in einer in Wirklichkeit nicht existierenden Währung, dem „Transferrubel“, wurde einfach auf ein Bankkonto des betreffenden sozialistischen Landes gutgeschrieben, das aber in der Praxis von dem so „blockierten“ Geld keinen Gebrauch machen konnte.

Die Grundlage hierfür bilden die alle bindenden Regeln des Intra-RGW-Zahlungsund Verrechnungsverkehrs. „Für den gegenseitigen Warenaustausch — das ist die mit Abstand wichtigste Form der internationalen Zusammenarbeit im RGW — gelten folgende Regelungen:

— Er wird ausschließlich auf der Grundlage bilateraler Handelsabsprachen auf Regierungsebene abgewickelt (fünfjährige Handelsabkommen und jährliche Waren-Protokolle).

— Er unterliegt einem strengen Kontingentierungsregime, d. h. für die jeweils volkswirtschaftlich wichtigsten Handelsgüter (. harte Waren') werden mengenmäßige Ausfuhr-und Einfuhrkontingente, für alle übrigen Waren (. weiche Waren') Wertkontingente festgesetzt.

— Er wird bilateral mit Hilfe des Transferrubels — einer künstlichen Verrechnungseinheit (seit 1963) — verrechnet.

— Er wird auf der Grundlage von Vertragspreisen abgerechnet, die ebenfalls auf Regierungsebene bilateral ausgehandelt werden. Basis der RGW-Vertragspreise sind — wie es das soge-nannte RGW-Komplexprogramm von 1971 formuliert hat — . die Weltmarktpreise, die vom schädlichen konjunktureller Einfluß Faktoren des kapitalistischen Marktes bereinigt sind'. Die so vereinbarten Vertragspreise blieben bis 1974 grundsätzlich für fünf Jahre konstant. Seit 1975 werden diese Preise jährlich neu festgelegt, ausgehend von der Entwicklung der Weltmarktpreise in den jeweils vorausgegangenen fünf Jahren.“

Es erstaunt nicht, daß der Naturaltausch noch immer die Hauptform des Handels innerhalb des RGW ist. Schon immer haben die östlichen Plan-wirtschaften nach einem bilateralen Gleichgewicht im Bereich der gegenseitigen Güterlieferungen gestrebt, unabhängig davon, welche Form der Verrechnung benutzt wurde — ob durch multilaterale Verrechnung im Intra-RGW-Handel, auf bilateraler Basis mit den Entwicklungsländern oder in US-Dollar (oder anderen harten Währungen) im West-Handel

Die einzige Möglichkeit, am Welthandel teilzunehmen, bestand für die Planwirtschaften in bilateralen Clearing-Abkommen mit dem jeweiligen Handelspartner, da ja die Voraussetzungen für die freie Konvertibilität der östlichen Währungen nicht gegeben waren. Viele Wirtschaftswissenschaftler haben bereits auf die negativen Folgen dieser bilateralen Clearing-Abkommen hingewiesen. In einem solchen System bleibe „der Außenhandel notgedrungen auf Länder mit geringem Interesse am Warenaustausch oder geringen Möglichkeiten des Handels beschränkt“

Radikale Maßnahmen zur Lösung oder Überwindung der Probleme, die sich aus dem Bilateralis-mus in den Handels-und Währungsbeziehungen der RGW-Staaten ergeben, wurden bereits im Oktober 1963 untersucht. Noch 1963 wurde das Abkommen über multilaterale Verrechnungen und über die Bildung der „Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit“ (IBWZ) unterzeichnet. Die Gründungsmitglieder der IBWZ, die ihre Tätigkeit am 1. Januar 1964 aufnahm, waren Bulgarien, die Tschechoslowakei, die DDR, die Mongolei, Polen, Rumänien, die UdSSR und Ungarn; später folgten Kuba (1974) und Vietnam (1977) als Mitglieder. Das Stammkapital der Bank beträgt laut Satzung 305, 3 Mio. Transferrubel, wovon ein Teil in Gold oder konvertiblen Währungen aufzubringen ist. Zuletzt waren rund 122 Mio. Transferrubel (40%) eingezahlt, davon die Hälfte in konvertiblen Währungen.

II. Die Funktion des „Transferrubels“ im Außenhandel der sozialistischen Staaten

Tabelle 3: Vergleich von offiziellem und Schwarzmarktwechselkurs in Polen (Juli 1985)

Wie bereits erwähnt, ist der „Transferrubel“ die gemeinsame Recheneinheit der RGW-Banken. Deren Tätigkeit hängt deshalb von der Funktionsfähigkeit dieser Recheneinheit, von ihrer „Geldwertigkeit“, ab Wenn wir die verschiedenen Auffassungen über die Funktion des „Transferrubels“ der ja in Wirklichkeit überhaupt nicht einlösbar ist, verstehen wollen, dürfen wir nicht vergessen, daß es sich bei dieser künstlichen Einheit lediglich um ein Verrechnungsinstrument für vorher festgelegte Waren-kontingente handelt, die unabhängig davon geliefert werden, ob der Käufer das für deren Bezahlung nötige Geld hat oder nicht. Geld ist keine Voraussetzung für die Lieferungen an den Kunden, denn die IBWZ stellt die Gelder automatisch zur Verfügung. Geld fungiert lediglich als Notbehelf, um etwaige Disparitäten in den gegenseitigen Warenlieferungen (die zwar ausgewogen sein sollten, es aber nicht immer sind) zu überbrücken. In diesem Fall erhält das Land mit dem Defizit einen Überbrückungskredit, um an das andere Land zahlen zu können. Das Darlehen wird jedoch nur zur Bezahlung der Güter gewährt, die zu festgelegten Quoten als Teil der multilateralen Verrechnungsabkommen geliefert worden sind, nicht aber, um andere Waren kaufen zu können.

Die hier grob skizzierte Konzeption der Verrechnung vermittels des „Transferrubels“ erinnert an die Arbeitsweise der westeuropäischen Verrechnungseinheit ECU, allerdings ohne irgendeine Einschaltung von Gold oder Dollar in den Verrechnungsverlauf. Dieser Unterschied „war entscheidend für die weitere Entwicklung der Handels-und Währungsbeziehungen. Da der , Trans-ferrubel’ generell nicht tauschbar ist und ein aktiver Rubelsaldo weder innerhalb des RGW-Marktes noch nach außen irgend etwas zu leisten vermag, verliert eine Ansammlung von Rubelguthaben jeden Sinn. Kein Wunder, daß die Mitgliedsländer eine vollständig ausgeglichene Zahlungsbilanz nicht generell, sondern mit jedem Mitgliedsland gesondert anstreben. Unter diesen Umständen wurde die Funktion der Bank auf die einer reinen Verrechnungsstelle reduziert.“ Zwar wurden mit der IBWZ und dem „Transferrubel“ die technischen Möglichkeiten zur Multilateralisierung des Intra-RGW-Handels geschaffen, aber nach wie vor werden die Verträge zwischen den RGW-Partnern bilateral abgeschlossen. Die Verwendungsmöglichkeit von „Transferrubeln“ ist stark eingeschränkt, denn Guthaben in „Transferrubeln“ ermöglichen keine unmittelbaren Käufe in einem anderen Partnerland; ihre Verwendung muß vielmehr jedesmal in einem neuen Handelsabkommen vereinbart werden. Die Zinsgutschriften, die ein Überschußland von der IBWZ erhält, sind ebenfalls nur sehr schwer in Güter umzuwandeln, so daß der „Transferrubel“ weder die Funktion eines uneingeschränkten Zahlungsmittels noch die eines Akkumulationsmittels (Wertaufbewahrungsfunktion) erfüllt

Der „Transferrubel“ war von Anfang an nie das Produkt eines Marktes, also keinen den Wert bestimmenden Bedingungen ausgesetzt. Daher ist seine Funktion mit denen einer marktabhängigen Währung nicht zu vergleichen. Der Grund hierfür ist nicht nur in dem Währungssystem (und seinen Subsystemen) der osteuropäischen Länder und der Sowjetunion, sondern in der Natur der Planwirtschaft selbst zu sehen. Es mutet fast paradox an, daß die östlichen Planwirtschaften einerseits bis heute nicht in der Lage waren, ihren Währungen die üblichen Marktfunktionen des Geldes einzuräumen, und daß sie sich andererseits unfähig zeigten, eine Währung zu schaffen, deren Funktion besser auf ihre eigenen Wirtschaftsstrukturen zugeschnitten ist. Wie bereits erwähnt, ist es dem „Transferrubel“ nicht gelungen, sich als ein echtes Zahlungsmittel durchzusetzen. Der Grund hierfür liegt nicht in den bestehenden Handelsbeziehungen innerhalb des RGW (die auf Austauschquoten basieren), sondern in dem Verhältnis der Produktionsbereiche einzelner Mitgliedstaaten zu anderen begründet. In den Wirtschaftssystemen der Sowjetunion und der osteuropäischen Länder gibt es ebenso viele Vernunftwidrigkeiten und Absurditäten wie es Gründe für eine radikale Reform dieser Systeme gibt. Aber nur Reformen, die auf die Gesundung aller Teile dieser Systeme gleichzeitig zielen, werden die Leistungsfähigkeit insgesamt tatsächlich verbessern können und nicht nur an Währungsoder Finanzproblemen herumkurieren.

III Konsequenzen des östlichen Währungssystems

Tabelle 4: Westliche Kurse östlicher Währungen (August 1985)

Es kann hier nicht diskutiert werden, welche grundlegenden Reformen notwendig wären, um die Leistungsfähigkeit der sozialistischen Plan-wirtschaften zu verbessern. Trotzdem aber sollte kurz angemerkt werden, daß viele Wissenschaftler, die den Begriff „grundlegende Reformen“ verwenden, fordern, die zentralen Planer sollten ihre Versuche, den alltäglichen Betrieb der Unternehmen zu kontrollieren, aufgeben; die einzelnen Unternehmen müßten selbst entscheiden, was wie zu produzieren sei, von wem Produktionsinputs gekauft und wem das fertige Produkt anschließend angeboten werden sollte. Die Preise — einschließlich des Wechselkurses und des Zinssatzes — sollten, so ihre Forderung, freigegeben werden, so daß die Unternehmen den realen Wert ihrer Produktion richtig einschätzen können. Der Staat würde aber weiterhin öffentliche Güter wie Verteidigung und Gesundheitsfürsorge bereitstellen und würde über die Steuern, Subventionen und die Kontrolle des Kapitals sowie des Devisenmarktes einen beträchtlichen Einfluß auf die Wirtschaft ausüben

Derartige grundlegende ökonomische Reformen lassen sich allerdings nicht ohne die gleichzeitige Einführung einer starken Währung und realistischer Marktpreise erfolgreich durchführen. Mit anderen Worten: Solange es keine echte Grundlage für einen realistischen Wechselkurs zwischen den nationalen Währungen der sozialistischen Länder und den konvertiblen westlichen Währungen (ebenso zwischen „Transferrubel“ und konvertiblen Währungen) gibt, sind Ziele wie z. B. ein ausgewogener Güteraustausch, Kalkulationen von Produktionskosten, Profiten etc. nicht erreichbar. Deshalb müßte die Verbesserung des Währungssystems der erste Schritt in Richtung auf die erwähnten „grundlegenden Reformen“ aller Bereiche der sozialistischen Volkswirtschaft sein.

Ein realistischer bzw. ökonomisch vernünftiger Wechselkurs kann indessen nur auf der Basis angemessener Preise zustande kommen, die der wirklichen Situation auf dem Markt eines bestimmten sozialistischen Landes (oder innerhalb des RGW) entsprechen. Deshalb ist es auch unsinnig, die Einführung eines sogenannten „wirtschaftlich gestützten Wechselkurses“ als ökonomische Kategorie des Sozialismus zu diskutieren bzw. zu erwägen

Selbst die Befürworter einer solchen Konzeption geben zu, daß ein wirtschaftlich begründeter Wechselkurs — der ja zuallererst ein Instrument zur Optimierung des nationalen Wirtschaftsplans wäre — niemals den realen Wert dieser Währung im Verhältnis zu anderen Währungen wiedergeben würde.

Da der Wechselkurs selbst einen Hebel zur Wirtschaftsregulierung darstellt, muß er relativ stabil bleiben, während sich der relative Wert der Währungen konstant ändert. Dies trifft insoweit zu, als ein exaktes, stabiles Verhältnis der Währungen untereinander praktisch niemals hergestellt werden kann. Der objektive relative Wert von Währungen steht im selben Verhältnis zum wirtschaftlich begründeten Wechselkurs wie der Warenwert zum Warenpreis. Obwohl der Wechselkurs die Basis darstellt, gilt er gleichzeitig als wertender Ausdruck für die Tatsache, daß die Bedingungen für die Reproduktion in einer sozialistischen Wirtschaft innerhalb der Gesamt-struktur der Weltwirtschaft einmalig sind. Diese Einmaligkeit beruht auf den Unterschieden von Produktivität und Einkommensverhältnissen einer wirtschaftlichen Gesamtheit zu anderen Bereichen, sei es nun regional betrachtet oder mit Blick auf die Weltwirtschaft insgesamt.

Solche Unterschiede werden in der realen Kaufkraft der einzelnen nationalen Währungen deutlich. Folglich entspricht die relaltive Kaufkraft dieser Währungen nicht dem realistischen Wechselkurs, sondern dem objektiven relativen Wert dieser Währungen, der ja bekanntlich immer vom Wechselkurs abweicht

Es sei hier betont, daß selbst der sogenannte „realistische Wechselkurs“ keine besondere Bedeutung für das Rechnungswesen oder die „Optimierung von Wirtschaftsplänen“ hat, solange die wirtschaftliche Kontrolle zentralisiert ist und der Außenhandel auf makroökonomischer Ebene durch das „Ausbalancieren der Preise“ (wie die Wirtschaftsliteratur in den sozialistischen Staaten das nennt) abgewickelt wird. Angesichts dieser Sachlage dient der Wechselkurs nicht als Parameter für die Wirtschaftspolitik.

In einer dezentralisierten Planwirtschaft allerdings, wie es sie seit 1968 in Ungarn und seit 1981/82 in Polen gibt, wo mehrere größere Unternehmen die Befugnis erhalten haben, sich am Außenhandel zu beteiligen und wo die Außenhandelsverrechnung in die Produktionskalkulation integriert ist, muß der Wechselkurs realistisch sein (und dem Marktkurs entsprechen). Bereits Mitte der sechziger Jahre haben einige osteuropäische Länder (nämlich Polen, die CSSR und Ungarn) sogenannte Umrechnungsfaktoren eingeführt, die den Wirtschaftsplanern ein realistisches Bild der Kaufkraft ihrer nationalen Währungen auf den Weltmärkten vermitteln sollen.

Diese Faktoren wurden auf der Basis von Ausgaben für Devisenkäufe (in nationaler Währung)

im Intra-RGW-Handel oder im Handel mit der Dritten Welt berechnet. Man fand heraus, daß das Verhältnis von nationaler Währung zum „Transferrubel“ und zum US-Dollar, wenn dieses in Kaufkraftparität gemessen wurde, sehr verschieden von den offiziellen festgesetzten Wechselkursen war: 1 Transferrubel = 1, 11 US-Dollar im Jahr 1971; 1, 2 US-Dollar 1972; 1, 39 US-Dollar 1975 und 1, 41 US-Dollar 1980.

Ungarn erkannte diese Disparität als erstes RGW-Mitglied offiziell an, indem es am 1. Januar 1976 den offiziellen Wechselkurs bei 41 Forint zu einem US-Dollar und 35 Forint zu einem „Transferrubel“ festsetzte. 1982 folgte dann Polen und legte den offiziellen Wechselkurs — seitdem immer gleich mit dem sogenannten „Touristen-Wechselkurs“ — bei 124 Zloty pro US-Dollar und 69 Zloty zu einem „Transferrubel“ fest. Heute werden die Währungen der einzelnen sozialistischen Länder nur in Fällen des nicht-kommerziellen Zahlungsverkehrs zwischen den RGW-Staaten und im Tourismusgeschäft mit dem Westen zu einem mehr oder weniger realistischen Wechselkurs geund verkauft. Die Wechselkurse für nicht-kommerzielle Zahlungen wurden auf der Prager Konferenz im Februar 1963 auf der Basis eines vereinbarten Waren-und Dienstleistungskorbs festgelegt.

Die in der Tabelle aufgeführten „realistischen Wechselkurse“ vom Juni 1978 kann man kaum als realistisch für das Verhältnis der einzelnen Währungen zum US-Dollar sowie zum sowjetischen Rubel (oder „Transferrubel“) bezeichnen. Das gilt nicht nur für den völlig unrealistischen offiziellen Kurs des polnischen Zloty zum US-Dollar (bis 1982 3, 33 Zloty zu einem US-Dollar und später 4, 44 Zloty zu einem US-Dollar), sondern auch für die Wechselkurse der Währungen anderer sozialistischer Staaten zu konvertiblen und auch nicht-konvertiblen Währungen.

Da es keinen freien Geldverkehr im Nicht-Handelsverkehr (z. B. im Tourismus) zwischen den einzelnen RGW-Ländern gibt, darf z. B. jeder polnische Bürger nur einen strikt begrenzten Zlotybetrag in andere RGW-Währungen eintauschen (1983 waren es 20 000 Zloty in einem Zeitraum von zwei Jahren; 1985 bereits 30 000 Zloty in zwei Jahren). Ähnliche Höchstgrenzen sind für rumänische, tschechische, bulgarische, ungarische, sowjetische und ostdeutsche „Touristen“, die ihre Währung gegen die eines bestimmten sozialistischen Landes einzutauschen wünschen, vereinbart worden Es stimmt also nicht, daß „die Nachfrage nach fremder Währung in den Intra-RGW-Beziehungen mehr oder weniger befriedigt wäre und ein Schwarzmarkt für Ost-Devisen nicht existieren würde“ Dies stimmt deshalb nicht, weil — wie bereits erwähnt — der Wechselkurs der einzelnen osteuropäischen Währungen zueinander (besonders im Fall des ungarischen Forint) völlig willkürlich festgelegt wird und daher fast zwangsläufig zu einem blühenden Devisen-Schwarzmarkt und Schmuggel unter den osteuropäischen Touristen führt.

Obwohl der polnische Zloty in den letzten Jahren wiederholt gegenüber dem Forint abgewertet worden ist (von 1, 6 Zloty zu einem Forint im Jahre 1978 auf ungefähr 6 Zloty zu einem Forint im Jahr 1985), entspricht der heutige offizielle Kurs für nicht-kommerzielle Zahlungen (z. B. Tourismus) nicht der realen Kaufkraft des Forint. Paradoxerweise sind in den vergangenen Jahren die tschechische Krone zweimal (von 1, 6 auf 2, 22 Forint pro Krone) sowie die Ostmark (von 5, 85 auf 6, 1 Forint) gegenüber dem Forint aufgewertet worden. Trotzdem bieten die tschechoslowakischen Touristen, die Ungarn besuchen, die Krone zu einem sehr viel niedrigeren Schwarzmarktkurs von 1 Krone zu 1 Forint an und die Ostdeutschen verkaufen ihre Mark im Verhältnis 1 : 4.

Anzumerken ist noch, daß die Wechselkurse für den Tourismus in Osteuropa 1963 auf den Berechnungen der Lebenshaltungskosten einer vierköpfigen Diplomatenfamilie basierend festgelegt wurden und auch heute noch gültig sind — mit einigen Anpassungen allerdings, die immer dann vorgenommen wurden, wenn die Lebenshaltungskosten um mehr als 5% innerhalb eines Landes stiegen. Wie einige Kritiker dieser Berechnungsmethode zu Recht bemerken, sieht der „Einkaufskorb“ eines Diplomaten jedoch völlig anders aus als der eines „normalen“ Touristen.

Es muß hier auch erwähnt werden, daß sich innerhalb des RGW nie ein „echter Tourismus“ mit dem Ziel, andere Länder und Völker kennenzulernen, entwickelt hat. In Wirklichkeit ist der so-genannte „Touristenverkehr“ innerhalb Osteuropas für die Masse der Touristen nichts anderes als eine Einkaufsreise — die Leute wollen ein-, fach Waren im Ausland kaufen, die es zu Hause nicht gibt oder die dort sehr viel teurer sind.

Diese Motivation trifft für die meisten osteuropäischen Touristen, mit Ausnahme der Ungarn, zu und beruht auf dem chronischen Mangel an Waren innerhalb der einzelnen Mitgliedsländer

Auch das Ansteigen der Schwarzmarktkurse innerhalb Osteuropas ist hierauf zurückzuführen. Da die Menge an Geld, die den polnischen, tschechoslowakischen, ostdeutschen und rumänischen Touristen in Ungarn (für Polen auch in der DDR und CSSR) zur Verfügung steht, „nicht ausreicht“, um die Waren zu kaufen, die knapp, teuer und nur in den „Inter-Shops“ (gegen „harte Währung“) oder in den Privatläden (zu freien Marktpreisen) zu haben sind, steigen die Schwarzmarktpreise in Osteuropa. Die Wurzeln dieses Übels sind wiederum im Bereich der Produktion und der Preisregelung zu suchen. Die Mehrheit der RGW-Länder hält die Preise für die meisten Konsumgüter auf einem relativ niedrigen Niveau, so daß kein Anreiz zur Produktionsund Produktivitätssteigerung entsteht. Nur Ungarn, gefolgt in den letzten drei Jahren von Polen (jedoch ohne die gleichen Resultate wie in Ungarn), hat seine Preise um mehr als 40% zwischen 1980 und 1984 angehoben. Deshalb wurde Ungarn zum teuersten RGW-Land, aber auch zugleich zum beliebtesten Reiseziel osteuropäischer Touristen, denn dort gibt es eine reichliche Versorgung mit Waren.

Im Hinblick auf die „harten Währungen“ ist die Lage ähnlich, die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage noch viel größer und offensichtlicher. Aus diesem Grund sind die Unterschiede zwischen offiziellem und Schwarzmarktkurs hier (siehe Abb. 3) weitaus größer. Es muß jedoch betont werden, daß beide Wechselkurse nicht realistisch sind und in keinem Fall die echte Kaufkraft widerspiegeln, sondern lediglich das Resultat einer bestimmten Angebots-und Nachfragesituation darstellen

Diese Faktoren scheinen zugleich einen gewissen Einfluß auf einen recht gut florierenden Schwarzmarkt — oder besser: „Graumarkt“, wie er in westlichen Publikationen genannt wird — auszuüben. Auf diesem „Graumarkt“ werden Ost-Währungen von westlichen Banken angekauft und verkauft — natürlich zu Kursen, die weit unter dem offiziellen von den RGW-Staaten festgesetzten Touristenkursen liegen. In der ersten Augusthälfte dieses Jahres hat die deutsche Verkehrs-Kredit-Bank in West-Berlin Ost-Devisen zu folgenden Kursen gehandelt:

Die oben aufgeführten Zahlen vermitteln einen interessanten Einblick in das Verhältnis des „westlichen Graumarktkurses“ zu den offiziellen Touristenkursen. In Polen muß der West-Tourist der Bank 2, 20 DM bezahlen um 200 Zloty zu erhalten, auf dem westlichen „Graumarkt“ zahlt man dagegen nur 1, 30 DM für 200 Zloty und auf dem polnischen Schwarzmarkt kann man schon für 1, — DM 200 Zloty erstehen. Das zuletztge-nannte Tauschgeschäft ist jedoch illegal und sowohl für den West-Touristen als auch für den polnischen Staatsbürger mit Risiken verbunden. In diesem Fall beträgt das Verhältnis zwischen dem „grauen“ Marktkurs (West-Berlin 1985) und dem offiziellen Kurs mehr als 4: 1, für Forint ist es dagegen nur 1, 3: 1 — die Disparität ist hier deshalb kleiner, weil in Ungarn die Nachfrage nach Konsumgütern besser befriedigt wird als in den anderen RGW-Staaten.

IV. Einige Schlußfolgerungen

Wie bereits festgestellt, ist es sehr schwierig, die Grundlagen und Funktionsweisen des Währungssystems der RGW-Länder lediglich aus einem wirtschaftlichen Verständnis heraus zu erklären. Tatsächlich können die nicht-konvertiblen Währungen dieser Länder weder zu Handelstransaktionen eingesetzt werden noch als Grundlage für die Entwicklung wirklicher Kreditbeziehungen dienen.

Einige Hoffnungen waren mit dem letzten Wirtschaftsgipfel der RGW-Staaten im Juni 1984 verbunden, von dem man erhoffte, die oben skizzierte Situation könnte dadurch geändert werden, daß die Mitgliedstaaten des RGW ihre Währungen frei konvertierbar machten, zunächst den „Transferrubel“, in naher Zukunft dann die einzelnen nationalen Währungen. Statt dessen tauchte im Schlußdokument am Ende des Wirtschaftsgipfels lediglich eine nebulöse Erklärung auf, die dazu aufforderte, das bereits Bestehende im Währungs-und Preissystem der RGW-

Länder zu verbessern: „Das geltende System der Preisbildung sowie die Valuta-und Finanzinstrumente sollen auch weiterhin vervollkommnet werden“ — was auch immer darunter zu verstehen ist. Ob die als Basis für die langfristigen Handelsverträge und für die jährlichen Protokolle geltenden gleitenden Fünfjahresdurchschnitts-Weltmarktpreise weiterhin angewendet werden oder ob es diesbezüglich zu Modifikationen gekommen ist, kann aus der „Erklärung“ nicht ersehen werden

Die Frage muß somit offen bleiben, ob die RGW-Länder in der näheren Zukunft sich zu weitreichenden und grundlegenden Reformen ihrer Wirtschaft entscheiden werden und eine konvertible Währung schaffen oder — wie einige Wirtschaftswissenschaftler vermuten — erst die Konvertibilität ihrer nationalen Währungen und dann auf dieser Basis eine gemeinsame internationale Währung innerhalb der RGW-Staaten schaffen. Man sollte sich aber davor hüten, die Konvertibilität der einzelnen Währungen als Lösung oder Allheilmittel für alle wirtschaftlichen und sozialen Probleme dieser Länder zu sehen. Auch kann die Konvertierbarkeit einer Währung nicht einfach per Dekret erlassen werden.

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, daß die Einführung der Konvertierbarkeit der osteuropäischen Währungen angesichts des existierenden Planwirtschaftssystems schlicht unmöglich ist. Durch die Einführung der Konvertierbarkeit würden die RGW-Länder zum einen nicht alle Probleme lösen können, die mit ihrer großen Auslandsverschuldung verbunden sind, dafür aber das zentrale Planungssystem funktionsunfähig machen. Wenn andererseits z. B. Ausländer ihre Währungen frei in russische Rubel oder polnische Zloty tauschen dürften, könnten sie versuchen, alle die Güter, die in diesen Ländern relativ billig sind, ungehindert zu kaufen. Eine solch ungezügelte Kaufkraft würde die zentralen Wirtschaftspläne, die Produktion und Verteilung in den RGW-Ländern bis in Detail regeln, durcheinanderbringen und undurchführbar machen. Weil in Osteuropa das Preisniveau nicht durch Angebot und Nachfrage geregelt wird, könnten Ausländer subventionierte Waren, die künstlich billig gehalten werden, kaufen, während der Einheimische im Ausland nur die Güter kaufen könnte, die im Inland absichtlich teuer gehalten werden.

Zweifellos würden solche Kaufgeschäfte das Plansystem zerstören und Handelsnachteile für die RGW-Länder nach sich ziehen. Selbst wenn die RGW-Währungen — durch irgendein Wunder — ungehindert gegen andere Währungen getauscht werden könnten, würde dies wohl nicht hilfreich für den Handel innerhalb des RGW und auch nicht. für den Handel mit dem Westen und der Dritten Welt sein, da es so etwas wie eine „Nicht-Konvertierbarkeit von Gütern und Waren“ gibt. Mit anderen Worten: Der einzige Weg zu einem „normalen Währungssystem“, das auf vollkonvertierbaren Währungen basiert, führt über ein marktwirtschaftliches System innerhalb des „sozialistischen Kontextes“, das helfen würde, die oben erwähnte „Nicht-Konvertierbarkeit von Gütern und Waren“ sowie die anhaltenden Probleme des Ungleichgewichts und der Knappheit zu lösen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Mit dem Begriff „RGW“ bzw. Osteuropa sind folgende Länder gemeint: Sowjetunion, Polen, Ungarn, CSSR, DDR, Bulgarien und Rumänien.

  2. Zumindest sind sie nicht frei konvertierbar zu einem realistischen Wechselkurs.

  3. Siehe z. B. Z. Fedorowicz, The foundations of the theory of money in a socialist economy, Warschau 1975 (in polnisch); M. Kurcharski/W. Pruss, Money and credit in socialism, Warschau 1975 (in polnisch); J. Vincze, The international exchange System of the CMEA, Warschau 1981 (in polnisch); A. Zwass, Money, banking and credit in the Soviet Union and Eastem Europe, New York 1979.

  4. Vgl. A. Zwass (Anm. 3), S. IX.

  5. H. Machowski, Aktuelle Probleme der Währungspolitik der RGW-Staaten, in: H. Besters (Hrsg.), Währungspolitik auf dem Prüfstand, Baden-Baden 1984, S. 154f.

  6. Vgl. P. Wiles, Communist international economy, Oxford 1968, zitiert nach H. Machowski (Anm. 5), S. 155.

  7. H. Machowski (Anm. 5), S. 155 f.; J. Wesolowski, The monetary System of the CMEA member-countries, Warschau 1977 (in polnisch).

  8. Vgl. S. Polaczek, Economic integration of the socialist countries and Poland’s foreign trade, Warschau 1971 (in polnisch), S. 159.

  9. H. Machowski (Anm. 5), S. 157 f.

  10. Es sollte angemerkt werden, daß einige sozialistische Länder sogenannte „harte Währungen“ (US-Dollar, Schweizer Franken) zur Grundlage von Handels-vereinbarungen haben. Z. B. werden Zahlungen für die Warenlieferungen zwischen Polen und der Volksrepublik China in Schweizer Franken abgewickelt. Seit den achtziger Jahren sind einige RGW-Länder wie z. B. Ungarn und die Sowjetunion dazu übergegangen, sich zusätzliche Warenlieferungen, die in den vorher beschlossenen Handelsabkommen nicht vereinbart worden waren, in „harter Währung“ vergüten zu lassen.

  11. Vgl. A. Schüler, Osthandelspolitik als Problem der Wettbewerbspolitik, Frankfurt/M. 1973, S. 212.

  12. A. Zwass (Anm. 3), S. 162.

  13. Sehr kritische Würdigungen der Funktion des „Transferrubels“ sind in den Untersuchungen polnischer und ungarischer Wissenschaftler enthalten (vgl. J. Wesolowski (Anm. 7), und J. Vincze (Anm. 3). Optimistischere Darstellungen dieser „bizarren“ künstlichen Währung finden sich in sowjetischen Publikationen; siehe J. Konstantinov, The transferable rouble in the System of economic co-operation of CMEA member-countries, in: Ekonomices Koje Sotrudnicestvo Stanclenov SEW, (1982) 9, S. 68— 71.

  14. Vgl. A. Zwass, Die Entwicklung des Außenhandels-und Währungsmodells der RGW-Länder, in: Osteuropa Wirtschaft, (1970) 1, S. 29.

  15. Vgl. H. Machowski (Anm. 5), S. 158— 161; S. Polaczek, The strengthering of the role of money and economic development, Warschau 1983 (in polnisch).

  16. Eine detailliertere Erörterung dieser Probleme findet sich bei J. Kornai, Growth, shortage and efficiency. A macroeconomic model of the socialist economy, Oxford 1982, und A. Nove, The economics of feasible socialism, London 1983.

  17. Ein gutes Beispiel für die Darstellung des Konzepts „eines wirtschaftlich begründbaren Wechselkurses“ als spezifisch sozialistisches Konzept in der wissenschaftlichen Literatur der sozialistischen Länder ist der in einer ungarischen Zeitschrift abgedruckte Artikel von L. Rus-mich, Value aspects of the development of socialist Integration, in: Acta Oeconomica, 31 (1983) 3— 4, S. 241— 258.

  18. Ebd., S. 253.

  19. Mit Ausnahme der ungarischen Touristen, die in die CSSR, Polen und die DDR reisen, sowie der ostdeutschen Touristen, die Polen besuchen.

  20. Vgl. A. Zwass (Anm. 3), S. 183.

  21. Für detailliertere Informationen siehe J. Winiecki, Permanent problems of disequilibria and shortage in centrally-planned economies, in: Skandinaviska Enskilda Banken Quarterly Review, (1984) 3, S. 95— 102.

  22. Zur zusätzlichen Erläuterung der in Tabelle 3 aufgeführten Daten sollte erwähnt werden, daß z. B. das durchschnittliche Monatsgehalt eines Industriearbeiters in Polen im Juli 1985 ca. 23 000 Zloty betrug: die Preise für ausgesuchte Lebensmittel und Dienstleistungen waren wie folgt: 1 kg Brot 30— 40 Zloty; 1 Liter Milch 12— 18 Zloty; 1 kg Fleisch 450— 600 Zloty, 1 kg Kartoffeln 15— 20 Zloty, 1 Busticket (innerhalb der Stadt) 3— 9 Zloty.

  23. Siehe die Deklaration der Mitgliedsländer des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe: „Die Erhaltung des Friedens und die internationale ökonomische Zusammenarbeit“ und „Erklärung über die Hauptrichtung der weiteren Entwicklung und Vertiefung der ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit der Mitgliedsländer des RGW“, in: Neues Deutschland vom 16. /17. Juni 1984.

  24. Vgl. F. Levcik, Was brachte der RGW-Gipfel vom Juni 1984?, in: Osteuropa Wirtschaft, (1984) 4, S. 327, mit H. Machowski, RGW-Gipfeltreffen: Interessenausgleich, in: DIW-Wochenbericht, (1984) 29.

  25. Siehe z. B. I. Vincze, Das internationale Währungssystem des RGW, Warschau 1983 (in polnisch) S. 312— 328.

Weitere Inhalte

Adam Gwiazda, Dr. rer. oec. habil., geb. 1946; seit 1973 Lehrbeauftragter an der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Torun (Thorn); seit 1978 an der Universität Danzig, ab 1984 als Dozent; zugleich wissenschaftlicher Mitarbeiter des Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten, Abt. Torun (Thorn). Veröffentlichungen u. a.: Internationale Interdependenz in der gegenwärtigen Welt, Warschau 19852; Dilemma der gegenwärtigen Ökonomie, Danzig 1985; weitere Veröffentlichungen zu Fragen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und Wirtschaftssysteme in polnischen, westdeutschen, englischen und niederländischen Zeitschriften.