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Weltwirtschaftlicher Wandel und internationale Wirtschaftsordnung | APuZ 35/1986 | bpb.de

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APuZ 35/1986 Weltwirtschaftlicher Wandel und internationale Wirtschaftsordnung Die Differenzierung der Abhängigkeit: Mikroelektronik und Dritte Welt Die kulturelle Dimension von Entwicklung. Aspekte eines Defizits im entwicklungspolitischen Instrumentarium

Weltwirtschaftlicher Wandel und internationale Wirtschaftsordnung

Elke Thiel

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Weltwirtschaftsbeziehungen sind vielfältiger geworden: 1945 dominierten die USA ganz eindeutig das internationale Wirtschaftsgeschehen; heute teilen sie sich diese Rolle mit anderen großen Industrieländern. Länder der Dritten Welt treten als wirtschaftliche Konkurrenten zu den alten Industrieländern auf. Ganz im Sinne ihrer Zielsetzung hat die internationale Wirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer starken Verflechtung der Volkswirtschaften geführt. Keine Regierung kann mehr eine unabhängige nationale Wirtschaftspolitik betreiben. Diese Interdependenz schafft neue Konflikte. Das Prinzip fester Wechselkurse — zentraler Bestandteil der Währungsordnung von Bretton Woods — wurde 1973 aufgegeben. Im gleichen Jahr mußte die Weltwirtschaft mit einer Vervierfachung der Ölpreise fertig werden. Mit dem Recycling der Petrodollar kam es zu einer enormen Ausweitung der internationalen Kreditvergabe privater Banken. Die wachsende Auslandsverschuldung in der Dritten Welt legte den Keim für die Verschuldungskrisen der achtziger Jahre. Dem GATT gelingt es nicht, den immer stärker werdenden Protektionismus aufzuhalten. Eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitiken soll zu einer größeren Stabilität der Wechselkurs-beziehungen beitragen; der Baker-Plan soll den Entwicklungsländern einen Weg aus der Verschuldungskrise weisen. Im September wird über den Beginn einer neuen GATT-Runde zu entscheiden sein. Verfügen wir noch über die richtigen Instrumente, um die Probleme der Weltwirtschaft in den achtziger Jahren zu bewältigen?

I. Probleme wirtschaftlicher Interdependenz

Tabelle 1: Entwicklung der Weltexporte nach Regionen Quelle: GATT, International Trade 1984/85, Genf 1985, Tab. A 2.

Verfügen wir noch über die geeigneten Instrumente, um die Probleme der Weltwirtschaft in den achtziger Jahren zu meistern? Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unter Führung der USA eine internationale Handels-und Währungsordnung geschaffen, deren Ziel es war, einen möglichst unbehinderten Wirtschaftsaustausch zwischen den Staaten zu gewährleisten. Der Zusammenbruch des internationalen Wirtschaftssystems in den dreißiger Jahren hatte verhängnisvolle wirtschaftliche und politische Folgen gehabt. Um eine Wiederholung solcher Entwicklungen zu vermeiden, kam es 1945 darauf an, verbindliche Regeln für die Handels-und Währungsbeziehungen festzulegen, die allen Staaten eine vorteilhafte Zusammenarbeit versprachen. Grundlage hierfür waren das Währungsabkommen von Bretton Woods von 1944 und das Allgemeine Zoll-und Handelsabkommen (GATT) von 1947.

Ganz im Sinne ihrer Zielsetzung hat die internationale Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Volkswirtschaften erheblich ansteigen lassen. Wir sind es heute gewohnt, unseren täglichen Bedarf mit Waren aus aller Welt zu decken. Umgekehrt hängt die Sicherheit vieler Arbeitsplätze von unseren eigenen Exporten ab. Multinationale Unternehmen haben ein weltweites Produktions-und Vertriebssystem aufgebaut. Internationale Finanzgeschäfte können dank moderner Kommunikationstechniken in kürzester Zeit abgewickelt werden. So verwundert es nicht, daß das wirtschaftliche Wohlergehen jedes einzelnen nicht zuletzt auch davon abhängt, was in anderen Ländern passiert.

Durch die wirtschaftliche Interdependenz entstehen also neue Probleme: Auf der einen Seite kann keine Regierung mehr eine unabhängige Wirtschaftspolitik verfolgen; auf der anderen Seite sind aber gleichzeitig die innenpolitischen Anforderungen, die an die nationale Wirtschaftspolitik gestellt werden, größer geworden. So werden z. B. von den Regierungen Maßnahmen zum Schutz von Arbeitsplätzen erwartet, die oftmals gegen die Regeln eines offenen Welthandelssystems verstoßen. Solche und ähnliche Konflikte zwischen innenpolitischen Prioritäten und außenwirtschaftlichen Prinzipien werden in den siebziger und achtziger Jahren immer häufiger zu Lasten des internationalen Systems entschieden. Dadurch kommt es zu einer langsamen Erosion der Regeln, die die Wirtschaftsordnung nach 1945 getragen haben. Nach dem Ende der Währungsordnung von Bretton Woods Anfang der siebziger Jahre befindet sich das GATT ebenfalls in einer Krise. Den seit 1975 jährlich stattfindenden Weltwirtschaftsgipfeln der großen Industrieländer, von denen ein Beitrag zu einer größeren weltwirtschaftlichen Stabilität erwartet wird, ist es bisher nicht gelungen, den Verlust an ordnungspolitischen Regeln durch eine engere wirtschaftspolitische Kooperation wettzumachen. Die Länder der Dritten Welt machen geltend, daß ihre Interessen im internationalen Wirtschaftssystem nicht genügend berücksichtigt werden. Spätestens die drohende Zahlungsunfähigkeit einiger hochverschuldeter Entwicklungsländer und Befürchtungen, daß es in diesem Zusammenhang — wie in den dreißiger Jahren — zu krisenhaften Kettenreaktionen im internationalen Finanzsystem kommen könnte, haben deutlich gemacht, daß in den wirtschaftlichen Nord-Süd-Beziehungen eine wechselseitige Abhängigkeit besteht. Mit den Worten der Erklärung des Weltwirtschaftsgipfels von Tokio 1986 über gemeinsame politische Zielsetzungen gesprochen, werden auch die Industrieländer „ohne Stabilität und Wohlstand in den Entwicklungsländern und ohne eine diesen Zielen dienende Zusammenarbeit Stabilität und Wohlstand nicht auf Dauer bewahren können“

Dies alles erklärt den hohen politischen Stellenwert, der der internationalen Wirtschaftspolitik heute beigemessen wird. In Bewegung gekommen ist die Diskussion über Fragen der internationalen Wirtschaftsordnung nicht zuletzt dadurch, daß sich die amerikanische Politik in der zweiten Amtszeit Präsident Reagans wieder stärker als zuvor diesen Problemen zugewandt hat. Der Bonner Weltwirtschaftsgipfel im Mai 1985 stand im Zeichen der Bestrebungen, eine neue Runde von Handelsvereinbarungen im Rahmen des GATT zustande zu bringen; inzwischen sind die Vorbereitungsarbeiten dazu in Gang gekommen. Im September 1986 soll die GATT-Ministerkonferenz in Punta del Este, Uruguay, über die Empfehlungen des Vorbereitungsausschusses entscheiden.

Auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Seoul im vergangenen Herbst stellte der amerikanische Fi-nanzminister den nach ihm benannten Baker-Plan vor.der den Entwicklungsländern einen Weg zur Überwindung ihrer Verschuldungskrisen weisen soll. In den Währungsbeziehungen wird eine größere Stabilität der Wechselkurse angestrebt. Dies soll insbesondere durch eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung zwischen den Hauptwährungsländern erreicht werden — eine Forderung, die nicht zuletzt den Weltwirtschaftsgipfel von Tokio im Mai 1986 beschäftigt hat.

Was ist von diesen Initiativen zu erwarten? Ein Rückblick auf die Entwicklung der internationalen Handels-und Währungsbeziehungen seit 1945 kann gewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung der aktuellen Probleme der internationalen Wirtschaftspolitik geben.

II. Die internationale Wirtschaftsordnung nach 1945

Tabelle 2: Anteile von Industrieländern am Weltexport in 0/0 Quelle: GATT, International Trade, 1984/85, Tab. A 7.

1. Allgemeine Zielsetzungen Mit dem Währungsabkommen von Bretton Woods von 1944 und dem Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, kurz GATT genannt) von 1947 wurde unter Führung der USA zum ersten Mal in der Geschichte der Versuch unternommen, der Weltwirtschaft auf der Basis multilateraler Vereinbarungen eine neue Ordnung zu geben. Die Grundsätze für eine Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegszeit, für alle Staaten — Sieger und Besiegte — einen gleichberechtigten Zugang zu einem freien Handelsaustausch und eine gerechte Verteilung der Ressourcen zu gewährleisten, waren bereits im August 1941 (vor Kriegseintritt der USA) von US-Präsident Roosevelt und dem britischen Premierminister Churchill in der Atlantic Charta festgelegt worden

Der Abbau von Handelsschranken sollte sicher-steilen, daß jedes Gut dort produziert wird, wo dies mit den geringsten Kosten möglich ist, und so zu einer allgemeinen Steigerung des Wohlstandes beitragen. Der internationale Handelsaustausch sollte den wirtschaftlichen Wiederaufbau unterstützen und gemeinsame Interessen entstehen lassen, so daß militärische Konflikte weniger wahrscheinlich werden würden. Ein Währungssystem mit festen Wechselkursen sollte den Unternehmen eine verläßliche Kalkulationsbasis im Außenhandel bieten, gleichzeitig aber auch einen indirekten Zwang auf die Regierungen ausüben, ihre Wirtschaftspolitiken zu koordinieren.

Von entscheidender Bedeutung für das Zustande-kommen dieser Weltwirtschaftsordnung war es, daß die USA — anders als nach dem Ersten Weltkrieg — diesmal die wirtschaftliche und politische Führungsrolle übernommen hatten. Durch die Öffnung des amerikanischen Marktes und den Dollar-Goldstandard als Basis internationaler währungspolitischer Stabilität wurde eine Teil-nähmean diesem System für andere Länder attraktiv. Die amerikanische Marshallplanhilfe, die für die Empfänger mit der Forderung nach einer außenwirtschaftlichen Liberalisierung einherging, erleichterte gleichzeitig den vom Krieg zerstörten europäischen Ländern die Teilnahme an einem offenen Weltwirtschaftssystem. 2. Das Allgemeine Zoll-und Handelsabkommen Das Allgemeine Zoll-und Handelsabkommen (GATT) wurde im Oktober 1947 von 23 Staaten unterzeichnet; das GATT ist mit nunmehr 92 Vollmitgliedern die auch heute noch geltende internationale Handelsordnung. Um der wachsenden Zahl von Mitgliedern aus der Dritten Welt Rechnung zu tragen, wurde der GATT-Vertrag 1966 um das Kapitel „Handel und Entwicklung“ ergänzt, in dem die Sonderprobleme der Entwicklungsländer im Welthandel grundsätzlich anerkannt werden.

Zu den wichtigsten Regeln des GATT gehören das Prinzip der Meistbegünstigung und das Verbot von mengenmäßigen Handelsbeschränkungen und anderen Formen der Diskriminierung zwischen inländischen und ausländischen Produkten, mit Ausnahme von Zöllen. Dadurch sollten Handelsschranken überschaubar werden. Im Rahmen von bis jetzt sieben Verhandlungsrunden wurde außerdem ein Abbau der Zollschranken auf eine durchschnittliche Zollbelastung von 4% erreicht. Nach dem Prinzip der Meistbegünstigung müssen Handelsvorteile, die ein Land einem anderen gewährt, zugleich allen übrigen GATT-Vertragsparteien zugestanden werden. Diese Regel soll verhindern, daß Handelsbeziehungen als Instrument politischer Machtausübung genutzt werden und so vor allem kleinere Länder vor einem Machtmißbrauch schützen. Für den Fall, daß sich Staaten zu einer Zollunion, wie z. B. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, oder einer Freihandelszone zusammenschließen, findet das Prinzip der Meistbegünstigung gegenüber dritten Ländern allerdings keine Anwendung. Eine weitere Ausnahme bilden Handelspräferenzen, die von Industrieländern zugunsten von Entwicklungsländern eingeführt werden. Kritiker des GATT weisen darauf hin, daß dadurch ein großer Teil des internationalen Handelsaustausches vom Prinzip der Meistbegünstigung ausgespart bleibt.

Das Verbot mengenmäßiger Importbeschränkungen läßt ebenfalls Ausnahmen zu, insbesondere im Handel mit landwirtschaftlichen Produkten. Länder, die in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten sind, können vorübergehend Importbeschränkungen einführen. Mit dem weitgehenden Abbau von Zöllen sind alle möglichen Formen nicht-tarifärer Handelshemmnisse gewichtiger geworden, wie z. B. technische Normen, Zulassungsbeschränkungen, Gesundheitsschutzbestimmungen, Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge etc. Hier auch nur annähernd eine Gleichbehandlung zwischen inländischen Produkten und Importen herzustellen, ist dem GATT bis heute nicht gelungen. 3. Die Währungsordnung von Bretton Woods Der Aufbau einer offenen Weltwirtschaft wurde durch ein Währungssystem unterstützt, das die Austauschbarkeit (Konvertibilität) verschiedener nationaler Währungen zu einem festen Wechselkurs garantierte. Der Wert jeder einzelnen Währung war gegenüber dem Dollar festgelegt. Für die D-Mark galt z. B. von März 1961 bis Oktober 1969 ein Austauschverhältnis von 4, — DM = 1 US-Dollar. Die Wertstabilität des Dollars sollte durch einen festen Goldpreis (35 $= 1 Feinunze Gold) gesichert werden (Dollar-Goldstandard). Die amerikanische Notenbank war verpflichtet, Dollarguthaben des Auslandes jederzeit zu diesem Kurs in Gold umzuwechseln (Dollar-Goldkonvertibilität). Der Dollar übernahm damit, ähnlich wie das Pfund Sterling vor dem Ersten Weltkrieg, die Funktion einer internationalen Leitwährung. a) Feste Wechselkurse und nationale Wirtschaftspolitik Der Bestand eines Systems fester Wechselkurse hängt davon ab, daß die nationalen Regierungen eine Wirtschaftspolitik verfolgen, die auf mittlere Sicht eine ausgeglichene Zahlungsbilanz gewährleistet. Das bedeutet, daß der Handlungsspielraum für die nationale Konjunkturpolitik unter Umständen erheblich eingeschränkt ist. Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten müssen z. B. die Nachfrage im Inland begrenzen und die Inflationsrate senken, um auf dem Weltmarkt wieder wettbewerbsfähig zu werden, und meist höhere Zinssätze in Kauf nehmen, um per Saldo einen Kapitalzufluß aus dem Ausland zu erreichen. Der Zwang zu einer Politik des Zahlungsbilanzausgleichs wurde allerdings dadurch abgeschwächt, daß zum einen bei fundamentalen Ungleichgewichten der Zahlungsbilanz Änderungen der Währungsparitäten (d. h. Abwertungen oder Aufwertungen) möglich blieben, und daß außerdem im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) Kredite zur Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten zur Verfügung standen. Das Bretton-Woods-System war in gewisser Weise der Versuch, die Stabilität des Goldstandards mit der Flexibilität des heute geltenden Regimes floatender Wechselkurse zu vereinbaren.

Die Kreditgewährung des IWF sollte grundsätzlich mit der Auflage an die betreffenden Länder verbunden sein, ihre Wirtschaftspolitik zu ändern. Tatsächlich kam es allerdings im Laufe der Jahre zu einer starken Ausweitung der Kreditmöglichkeiten, so daß an sich notwendige wirtschaftspolitische Kurskorrekturen häufig unterblieben. Auch die an sich vorgesehenen Paritätsanpassungen fanden nur selten und meist erst dann statt, wenn krisenhafte Entwicklungen auf den Devisenmärkten einen solchen Schritt unvermeidlich werden ließen. Die mangelnde Bereitschaft, die Regeln eines Festkurssystems zu beachten, besiegelte das Scheitern der Währungsordnung fester Wechselkurse Anfang der siebziger Jahre. b) Die Überforderung des Dollars Die USA waren nicht in der Lage, die Stabilität des Bretton-Woods-Systems auf Dauer zu gewährleisten. Bereits in den sechziger Jahren kamen Zweifel auf, ob die USA die eingegangene Verpflichtung einer Dollar-Goldkonvertibilität würden einhalten können. Ab 1960 überstiegen die Dollarguthaben des Auslandes die amerikanischen Goldbestände in Fort Knox. In den Verhandlungen, die dem Währungsabkommen von Bretton Woods vorausgingen, hatte der britische Nationalökonom und Verhandlungsführer, John Maynard Keynes, die größte Gefahr für die Währungsordnung der Nachkriegszeit darin gesehen, daß zu wenig Dollar verfügbar sein würden, um den Bedarf der Weltwirtschaft an diesem begehrten internationalen Zahlungsmittel zu decken. Das Gegenteil trat ein: Amerikanische Wirtschafts-und Militärhilfe, Truppenstationierungen im Ausland, ausländische Investitionen amerikanischer Firmen und der Tourismus sorgten dafür, daß aus der befürchteten Dollarlücke ein Dollarüberfluß wurde. Den USA gelang es in diesen Jahren nicht, selber einen Ausgleich der Zahlungsbilanz zu erreichen und so das Vertrauen in den Dollar als internationale Leitwährung zu rechtfertigen. Ab 1968 galt die Dollar-Goldkonvertibilität nur noch für Transaktionen von Währungsbehörden, bis sie im August 1971 durch US-Präsident Nixon ganz aufgekündigt wurde

Mit diesem Schritt versuchten die USA zugleich, eine Abwertung des Dollars gegenüber allen anderen Währungen durchzusetzen, um so die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie gegenüber dem Ausland wiederherzustellen. Alarmzeichen war die amerikanische Handelsbilanz, die 1971 zum ersten Mal in diesem Jahrhundert mit einem Defizit abschloß. Nach einer vorübergehenden Freigabe der Wechselkurse wurden im Dezember 1971 zunächst neue Fest-kurse mit einem abgewerteten Dollar vereinbart, bis nach weiteren Währungskrisen im März 1973 das Bretton-Woods-System fester Wechselkurse endgültig aufgegeben wurde. Seitdem bestehen zwischen den Hauptwährungen des internationalen Systems floatende Wechselkurse. c) Managed Floating Bestrebungen Anfang der siebziger Jahre, eine Reform des Weltwährungssystems in Gang zu bringen, mißlangen In der im Rahmen des IWF arbeitenden Zwanziger-Gruppe, der Vertreter von Industrie-und Entwicklungsländern angehörten, wurden Vorschläge unterbreitet, wie eine Ablösung des Dollars durch das vom IWF geschaffene Sonderziehungsrecht (SDR) und eine größere währungspolitische Disziplin von Überschußund Defizitländern zu erreichen sei. Dadurch sollten die Schwachstellen des Bretton-Woods-Systems behoben und eine Rückkehr zu festen Wechselkursen möglich werden. Sehr bald wurde jedoch offensichtlich, daß die Regierungen nicht bereit waren, die Beschränkungen, die ein System fester Wechselkurse für die nationale Wirtschaftspolitik beinhaltet, erneut zu akzeptieren. Hinzu kam, daß als Folge der ersten Ölpreiserhöhung im Herbst 1973 erhebliche Verschiebungen in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen auftraten, die man nur mit einer Beibehaltung floatender Wechselkurse bewältigen zu können glaubte. So kam es 1978 lediglich zu Anpassungen der IWF-Bestimmungen an die faktische Entwicklung. Diese betrafen u. a. die Verwendung der Goldbestände des IWF, nachdem das Gold seine währungspolitischen Funktionen verloren hatte, die Bewertung des Sonderziehungsrechtes nach Maßgabe eines Währungskorbes der wichtigsten Währungen und die Wechselkursbestimmungen. Den Mitgliedsländern des IWF steht es nunmehr frei, ihre Währungen floaten zu lassen, an den Kurs einer anderen (meist größeren) Währung oder an einen Korb verschiedener Währungen zu binden oder aber mit einer Gruppe von Währungen ein Festkurssystem zu bilden, wie z. B. das Europäische Währungssystem.

III. Die Entwicklung einer interdependenten Weltwirtschaft

Tabelle 3: Anteile der Dritten Welt am Weltexport in 0/0 Quelle: UNCTAD, Handbook of International Trade and Development Statistics, Supplement 1981, New York 1982, S. 25; Supplement 1985, New York 1985, S. 26.

1. Wirtschaftliche Expansion in den sechziger Jahren Die Jahre bis 1973 können im nachhinein als die goldenen Jahre der Weltwirtschaft bezeichnet werden. Wirtschaftliches Wachstum und internationaler Handelsaustausch begünstigten sich wechselseitig. Zwischen 1950 und 1973 erzeugte jedes Wachstum des Welteinkommens um 1 % eine Steigerung des Welthandels um 1, 6% Vor allem in den Expansionsjahren 1963 bis 1973 nahm das Welthandelsvolumen mit durchschnittlich 9% pro Jahr deutlich schneller zu als die Weltgüterproduktion mit jährlich 6%. Der Handel mit Industriegütern stieg sogar um durchschnittlich 11, 5 %

f Der Handel zwischen den westlichen Industrie-ländern erlebte durch die Öffnung der Märkte einen besonders starken Aufschwung. 1973 wurde etwa die Hälfte aller Weltexporte zwischen diesen Ländern abgewickelt (Tabelle 1). Ein besonderes Merkmal dieses Handelsaustausches liegt darin, daß in etwa gleichartige Produkte exportiert und importiert werden. So importiert z. B. Europa Autos aus den USA, setzt aber zugleich auch einen Teil seiner eigenen Autoproduktion in den USA ab (Intraindustriehandel). Eine gegenseitige Durchdringung der Märkte bietet in jedem Land dem Verbraucher eine größere Vielfalt des Angebotes und den Unternehmen einen breiteren Absatzmarkt. Hiervon zu unterscheiden ist der soge-nannte Interindustriehandel, d. h.der Austausch von Produkten unterschiedlicher Produktionsstufen, der im Nord-Süd-Handel vorherrschend ist — z. B. arbeitsintensive Produkte gegen Produkte, die mit einem hohen Aufwand an Kapital und Technologie hergestellt werden. Dieser Handel wirft wesentlich größere Probleme auf, da er mit einer Verlagerung von Industriestandorten und einem Zwang zur Strukturanpassung in alten Industrieländern einhergeht.

Mit dem Wiederaufbau in Europa und der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft traten für die USA neue Konkurrenten auf. Befürchtungen auf amerikanischer Seite, vom Gemeinsamen Markt der Europäer ausgeschlossen zu bleiben, wurden 1963 zum Anstoß für die wohl erfolgreichste Zollsenkungsrunde im GATT, die sogenannte Kennedy-Runde, die 1967 mit einer Senkung der durchschnittlichen Zollbelastungen für Industriegüter auf 10% abschloß.

Japan, seit 1955 GATT-Mitglied, stieg in den sechziger Jahren in den Kreis der westlichen Industrieländer auf und war schon 1973 nach der Bundesrepublik der drittgrößte Weltexporteur. Die Exporterfolge Japans ließen erstmals die Strukturanpassungsprobleme im Handel zwischen alten und neuen Industrieländern spürbar werden, die dann in den siebziger und achtziger Jahren immer häufiger zu Verstößen gegen das Prinzip eines freien Welthandels führten. In den sechziger Jahren sorgte noch ein günstiges wirtschaftliches Wachstum dafür, daß diese Probleme gegenüber den Vorteilen einer offenen Weltwirtschaft zurücktraten (Tabelle 2). 2. Die weltwirtschaftliche Entwicklung seit 1973

Das Jahr 1973 stellt eine Zäsur in der Entwicklung der Weltwirtschaft dar. Einschneidende Ereignisse sind der Übergang zu floatenden Wechselkursen im März und die erste Vervielfachung der Ölpreise im Herbst 1973. Die nun folgende Epoche ist gekennzeichnet durch einen Verlust an währungspolitischer Stabilität, ein geringeres Wirtschaftswachstum sowie ein ebenfalls langsameres Wachstum des Welthandels.

Die GATT-Verhandlungen von 1973 bis 1979 erbrachten zwar noch eine weitere Senkung der Zölle auf durchschnittlich 4 %, konnten aber nicht verhindern, daß andere Formen von Handelsbeschränkungen seitdem stärkere Anwendung finden. Die Relation zwischen der Entwicklung von Welt-einkommen und Welthandel ist ungünstiger geworden: Mit jeder Steigerung des Welteinkommens um 1 % nimmt der Welthandel zwischen 1973 und 1984 nur noch um 1, 1 % zu was nicht zuletzt eine Folge neuer protektionistischer Tendenzen und restriktiver Handelspraktiken in allen Ländern sein dürfte. Von 1973 bis 1983 wuchs die Weltgüterproduktion nur noch durchschnittlich um 2% pro Jahr, das Welthandelsvolumen um 3 % und der Handel mit Industriegütern um 4, 5 %. Erst 1984 wurde mit einer Zunahme der Weltgüterproduktion um 5, 5 %, des Welthandelsvolumens um 9 % und des Handels mit Industr % und des Handels mit Industriegütern um 12% wieder ein mit der Zeit vor 1973 vergleichbar günstiges Ergebnis erzielt 8). 3. Neue Akteure Auch wenn der internationale Handel 1984 nach wie vor von den Industrieländern dominiert wird, so haben doch Länder der Dritten Welt in den Jahren ab 1973 an Bedeutung gewonnen. Hierzu gehören die erdölexportierenden Länder (OPEC), deren Anteil am Weltexport im Zuge des Ölpreisanstieges 1980 mit 15% einen vorläufigen Höhepunkt erreichte und danach bei sinkenden Ölpreisen 1985 auf 9% zurückfiel. Hohe Öleinnahmen machten die OPEC-Staaten zugleich zu einem wichtigen Absatzmarkt der Industrieländer 9). Langsamer vollzog sich der Aufstieg einer anderen Gruppe von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft, die als neue Industrieländer (NICS) in Konkurrenz zu den alten Industrien in Europa und den USA getreten sind. Vor allem arbeitsintensive Produktionszweige wurden in den siebziger Jahren in Länder der Dritten Welt verlagert, um die Vorteile niedriger Lohnkosten zu nutzen. Die Exporteure von Industriegütern unter den Entwicklungsländern haben 1983 schon einen Weltmarktanteil von 6, 8 % erreicht, der auch weiterhin ansteigen dürfte. Besonders erfolgreich waren die industriellen Schwellenländer in Süd-und Südostasien. Diese Wachstumsregion deckte 1983 8, 8 % des Weltexports und nahm 9, 1 % der Weltimporte auf. Demgegenüber konnten die Länder mit den niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen ihre Position im Welthandel nicht verbessern (Tabelle 3).

Die Liste der 20 führenden Exporteure, die zusammen etwa drei Viertel der Weltexporte bestreiten, hat sich 1984 gegenüber 1973 entscheidend geändert. Die fünf größten Industrieländer haben mit Ausnahme von Japan Exportmärkte verloren. Sechs Länder sind neu in diesen Kreis aufgestiegen, darunter Taiwan, Südkorea, Hongkong und Singapur. Diese vier führen nicht nur die traditionellen Güter des Südens aus, sondern konnten z. B.seit 1979 ihre Elektronik-Exporte um ein Drittel steigern (Tabelle 4).

Der pazifische Raum gilt heute als Zentrum wirtschaftlicher Dynamik. Dies äußert sich auch in der Entwicklung der Handelsströme. Noch 1963 ging über 19 % des Welthandels über den Atlantik. Der Handelsaustausch zwischen Nordamerika und Westeuropa betrug fast 10%, der zwischen Nordamerika und Japan dagegen nur 2, 4% des Welthandels. 1984 hat der Transpazifik-Handel den Transatlantik-Handel leicht überflügelt. Der Handel zwischen Nordamerika und den asiatischen Anrainern des Pazifiks sowie Australien und Neuseeland ist auf 9, 7% (1963: 5, 1 %) des Welthandels angestiegen. Demgegenüber fiel der Handelsaustausch zwischen Nordamerika und Westeuropa auf 7, 5 % des Welthandels.

IV. Steuerungsprobleme der siebziger und achtziger Jahre

Tabelle 4: Rangliste der führenden Exporteure Quelle: GATT, International Trade 1984/85, S. 11.

1. Die Vervielfachung der ölpreise Als die arabischen Förderländer im Oktober 1973 im Zusammenhang mit dem Yom Kippur-Krieg ihre Ölförderungen drosselten und den Ölpreis heraufsetzten, ging für die Verbraucherländer eine Phase niedriger Energiekosten zu Ende. Der offizielle Listenpreis für ein Barrel saudiarabischen Rohöls vervierfachte sich von Oktober bis Dezember 1973 von 3 US-Dollar auf 12 US-Dollar. Produktionsausfälle nach dem Umsturz im Iran lösten im Dezember 1978 einen neuen Anstieg des offiziellen Ölpreises von 13 US-Dollar auf 32 US-Dollarje Barrel im Dezember 1980 aus (also das Zehnfache gegenüber 1973).

Der weltweite Konjunktureinbruch und Einsparungen im Energieverbrauch sorgten in den folgenden Jahren dafür, daß die Nachfrage nach Rohöl zurückging und die Ölpreise an den Spot-Märkten unter Druck gerieten. Die in der OPEC organisierten Förderländer versuchten zunächst, den offiziellen Ölpreis zu verteidigen, indem insbesondere Saudiarabien seine Förderung erheblich drosselte. Der im Herbst 1985 einsetzende

Preisverfall ließ die Rohölpreise im Frühjahr 1986 wieder auf das Niveau der Jahre vor dem zweiten Ölpreisschock zurücksinken. a) Anpassung an höhere Ölpreise Die Vervielfachung der Ölpreise in den siebziger Jahren hatte verschiedene Konsequenzen. Beide Male fiel der Ölpreisansteig in eine Phase des beginnenden Konjunkturabschwungs, der durch die Belastungen höherer Energiepreise noch verstärkt wurde. Das wirtschaftliche Wachstum fiel in den großen Industrieländern wesentlich niedriger aus als im Durchschnitt der vorhergehenden Jahre. Gleichzeitig beschleunigte sich der Inflationsauftrieb in den Verbraucherländern.

Die Verbraucherländer reagierten auf den ersten Ölpreisschock in unterschiedlicher Weise: Während einige Länder ihre Antiinflationspolitik verschärften, versuchten andere zunächst, der wirtschaftlichen Rezession durch eine expansive Geldpolitik zur Stärkung der Nachfrage im Inland entgegenzuwirken mit der Folge, daß der Preisanstieg in diesen Ländern wesentlich stärker ausfiel. Dagegen schlugen nach dem zweiten Ölpreisschock alle Länder einen Antiinflationskurs ein. Die Rückführung der z. T. zweistelligen Inflationsraten auf das niedrige Niveau von 1985 war allerdings mit einer mehrjährigen weltwirtschaftlichen Rezession und hohen Zinsen verbunden.

Der Anstieg der Ölpreise brachte den Erdölexportländern erhebliche Überschußeinnahmen, während alle Ölverbraucherländer Defizite in den Leistungsbilanzen hinnehmen mußten (Tabelle 5). zeß war, die starke Zunahme internationaler Finanzgeschäfte, die sich weitgehend der Kontrolle der Währungsbehörden und Regierungen entziehen, wirft neue Steuerungsprobleme auf. Die Risiken, die hier entstanden sind, wurden bereits deutlich, als mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit einiger Länder der Dritten Welt Befürchtungen laut wurden, daß sich die Finanzkrise der dreißiger Jahre wiederholen könnte.

Reichliche Kredite flossen insbesondere auch in Entwicklungsländer, die so ihre Leistungsbilanz-Für die Verbraucherländer entstand dadurch das Problem, entweder Leistungsbilanzdefizite durch höhere Exporte und eine Drosselung der Importe abzubauen oder aber durch eine Kreditaufnahme im Ausland zu finanzieren. Wenn auch die Entwicklung in den einzelnen Ländern unterschiedlich verlief, so gelang es den Industrieländern als Gruppe doch relativ bald wieder, Leistungsbilanzüberschüsse zu erwirtschaften. Dies war zum Teil das Ergebnis sinkender Importe als Folge der wirtschaftlichen Stagnation. Zugleich konnten diese Länder aber auch davon profitieren, daß die Ölexporteure ihren neuen Reichtum für ehrgeizige Industrialisierungsprojekte verwendeten und dafür die Hilfe amerikanischer, japanischer und westeuropäischer Unternehmen benötigten. Während die Industrieländer ihre Exporte in die Ölförderländer erheblich steigern konnten, hatten die Länder der Dritten Welt wenig anzubieten, so daß die Leistungsbilanzdefizite letztlich bei ihnen hängen blieben. b) Recycling der Petrodollar Die Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite verlief zunächst scheinbar reibungslos. Die Ölförderländer legten ihre Einnahmeüberschüsse vorzugsweise im westlichen Bankensystem an. Die Banken übernahmen das sogenannte Recycling der Petrodollar, indem sie den Kreditbedarf der Defizitländer befriedigten. Der Eurodollarmarkt erfuhr in den siebziger Jahren eine erhebliche Ausdehnung. Die Forderungen und Verbindlichkeiten der im internationalen Geschäft tätigen Banken haben sich allein von Dezember 1975 bis Dezember 1980 in etwa verdreifacht So erwünscht die Vermittlerrolle der Banken im Recyclingpro-defizite zunächst relativ leicht finanzieren konnten, sich zugleich aber immer stärker bei internationalen Banken verschuldeten. Die Verschuldungskrisen der achtziger Jahre sind aus dieser Sicht auch eine Spätfolge der Ölpreissteigerungen und des Petrodollar-Recycling. Der Rückgang der Ölpreise bringt zwar den Entwicklungsländern, die über kein Öl verfügen, eine Entlastung, verschärft zugleich aber die Verschuldungssituation für die z. T. ebenfalls hochverschuldeten Ölexportländer, und hier vor allem für die bevölkerungsstarken Länder mit einem hohen Finanzierungsbedarf (wie z. B. Mexiko). 2. Fehlende Währungsstabilität a) Abwertungen und Inflation Nach der Freigabe der Wechselkurse 1973 waren die Währungsbehörden nicht mehr verpflichtet, ein bestimmtes Austauschverhältnis zwischen der eigenen Währung und dem Dollar (feste Währungsparitäten) aufrechtzuerhalten. Damit entfiel auch der unmittelbare Zwang zu einer Wirtschaftspolitik, die einen Ausgleich der Zahlungsbilanz gewährleistet. Floatende Wechselkurse schienen den einzelnen Ländern mehr Spielraum zu geben, um nationale Preisstabilitäts-und Beschäftigungsziele zu verfolgen und den Ölpreisschock auf ihre Weise zu bewältigen. Die Vernachlässigung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts hatte allerdings die Konsequenz, daß einzelne Währungen erheblich auf-oder abgewertet wurden. Für die deutsche Währungspolitik, die in den sechziger Jahren unter den Bedingungen fester Wechselkurse ständig mit den Problemen einer importierten Inflation zu kämpfen hatte, bestand nun die Möglichkeit, die eigene Preisstabilitätspolitik durch DM-Aufwertungen nach außen abzusichern. Länder mit höheren Inflationsraten mußten Abwertungen hinnehmen. Da dadurch für diese Länder Importe teurer wurden — und insbesondere die Ölpreise noch stärker anstiegen —, beschleunigte sich der Inflationsprozeß im Inland, was weitere Abwertungen zur Folge hatte. So verwundert es nicht, daß die Inflationsunterschiede zwischen den einzelnen Ländern in den siebziger Jahren wesentlich größer waren als zuvor. Gleichzeitig gelang es den abwertenden Ländern kaum, die Beschäftigungssituation im Inland zu verbessern.

Diese Erfahrung hat dazu beigetragen, daß etwa ab 1978 in den meisten Industrieländern die Bekämpfung der Inflation zu einem vorrangigen Ziel der Wirtschafts-und Währungspolitik geworden ist. Nach dem zweiten Ölpreisschub waren alle Länder bestrebt, Abwertungen möglichst zu vermeiden, da dies die Ölrechnung zusätzlich verteuert hätte. Dem Wunsch nach einer größeren Stabilität der Wechselkurse entsprechend, schlossen sich die Länder der Europäischen Gemeinschaft 1979 zu einem Währungssystem fester Wechselkurse zusammen, dem Europäischen Währungssystem. b) Auswirkungen der Dollarkursentwicklung Die Errichtung des Europäischen Währungssystems wurde 1978 nicht zuletzt in dem Bestreben beschlossen, die Länder Westeuropas vor starken Veränderungen des Dollarkurses zu schützen. Der Handel innerhalb des Gemeinsamen Marktes sollte wieder unter den Bedingungen fester Wechselkurse abgewickelt werden. Der Dollar stand in den Jahren 1977— 1979 unter einem starken Abwertungsdruck und erreichte mit 1 $= 1, 71 DM im Januar 1980 seinen bislang tiefsten Punkt. Der Wertverlust des Dollars trug dazu bei, daß die D-Mark, der Yen und der Schweizer Franken in zunehmendem Maße als internationale Anlage-und Reservewährung verwendet wurden. Durch internationale Kapitalumschichtungen kam es zu einer starken Überbewertung der genannten Währungen und zu einer Unterbewertung des Dollars. Während ausländische Unternehmen um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporte in die USA fürchten mußten, war für die amerikanische Regierung die Dollar-Abwertung zunächst noch ein willkommenes Mittel der Exportförderung. Erst als deutlich wurde, daß die anhaltende Abwertung des Dollars die Inflation im Inland beschleunigte und dem internationalen Ansehen der USA erheblichen Schaden zufügte — die OPEC signalisierte z. B., daß sie den Ölpreis künftig nicht mehr auf Dollarbasis festlegen würde —, ergriffen die

USA ihrerseits ab November 1978 Maßnahmen, um den Dollarkurs zu stabilisieren

Die Wende des Dollarkurses setzte im Februar 1980 ein. Im Herbst 1979 hatte die amerikanische Zentralbank einen restriktiven geldpolitischen Kurs eingeschlagen, woraufhin die Zinssätze in den USA stark anstiegen, so daß ein Kapitalzustrom in die USA einsetzte. Nach der Wahl Präsident Reagans verstärkte sich dieser Aufwertungstrend des Dollars. Die Regierung senkte die Steuern, um die private Wirtschaftstätigkeit zu beleben. Da jedoch die Staatsausgaben nicht in entsprechender Weise gekürzt werden konnten und die Verteidigungsausgaben sogar erhöht wurden, wuchs das amerikanische Budgetdefizit auf eine Größenordnung von 200 Mrd. Dollar an. Da zugleich die amerikanische Geldpolitik restriktiv blieb, um die Inflation zu bekämpfen, führte die wachsende Kreditnachfrage des Staates zu einem weiteren Zinsanstieg in den USA. c) Dollarüberbewertung und hohe Zinsen Diese Entwicklung hatte verschiedene Konsequenzen für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Zunächst setzte ein starker Kapitalabfluß aus allen übrigen Ländern in die USA ein, so daß der Dollarkurs noch weiter anstieg. Die Zinssätze im Ausland paßten sich an das hohe amerikanische Zinsniveau an. In den Ländern, deren Währungen gegenüber dem Dollar abgewertet wurden, kam es über steigende Ölimportpreise zu einem Inflationsanstieg mit der Folge, daß diese Länder ihren restriktiven wirtschaftspolitischen Kurs verschärften. In den folgenden Jahren gelang es allerdings, die Inflationsrate auf ein niedriges Niveau zurückzuführen, wie es zuletzt in den sechziger Jahren zu verzeichnen war. Zugleich erlebte die Weltwirtschaft jedoch eine mehrjährige Rezession. Solange aber die Zinssätze in den USA hoch blieben und der Dollarkurs weiter anstieg, bestand insbesondere auf europäischer Seite wenig Spielraum für eine Politik zur Stärkung der Nachfrage im Inland, obwohl dies angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit jedenfalls in einigen Ländern erwünscht gewesen wäre. Für die Länder der Dritten Welt bedeuteten Dollaraufwertung und hohe Zinsen eine beträchtliche Erhöhung ihrer Schuldendienstleistungen.

Erst ab 1984 begann sich der Ende 1982 in den USA einsetzende Konjunkturaufschwung günstig auf die Weltwirtschaft auszuwirken. Der hohe Dollarkurs bot ausländischen Unternehmen gute Absatzchancen auf dem amerikanischen Markt, so daß die Exporte in die USA rasch anstiegen. Die Kehrseite dieser Entwicklung war ein wachsendes Defizit in der amerikanischen Handelsbilanz in Höhe von 148, 5 Mrd. Dollar für 1985. Hatte die amerikanische Regierung bis dahin dem Dollarkurs wenig Beachtung geschenkt, so wurde nun für sie selbst die Überbewertung des Dollars zu einem wirtschaftspolitischen Problem. Die amerikanische Industrie mußte erhebliche Markteinbußen hinnehmen und reagierte darauf mit Forderungen nach Importbeschränkungen. Im amerikanischen Kongreß sollen zur Zeit mehr als 300 handelspolitische Schutzbegehren vorliegen. Die Rückführung des Dollarkurses wurde dadurch zu einem zentralen Anliegen der amerikanischen Politik.

Nachdem der Dollarkurs im Februar 1985 gegenüber der D-Mark mit 3, 45 DM einen Höchststand erreicht hatte, ging der Wert des Dollars in den folgenden Monaten zwar langsam zurück, wurde aber — gemessen an den realen Kaufkraftverhältnissen — immer noch als zu hoch angesehen. Erst als das Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure der fünf großen Währungsländer USA, Japan, Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Frankreich — der sogenannten Fünfergruppe — im September im New Yorker Plaza-Hotel signalisierte, daß alle Beteiligten eine weitere Dollar-Abwertung wünschten, gelang es, die Erwartungen der Devisenmärkte in diese Richtung zu lenken. Der Dollar sank gegenüber der D-Mark auf etwa 2, 06 DM (August 1986). Besonders stark war die Abwertung des Dollars gegenüber dem Yen mit etwa 50%. Diese Entwicklung ging einher mit einer koordinierten Zinssenkung in allen Ländern. d) Wirtschaftspolitische Koordinierung Auch wenn Einigkeit darüber besteht, daß eine Rückkehr zu festen Wechselkursen heute nicht möglich ist, so gilt doch andererseits der Wechselkurs als eine Größe, die für die nationale Wirtschaftspolitik zu wichtig ist, um sie allein den Entscheidungen auf den Devisenmärkten zu überlassen. Angestrebt wird daher eine Entwicklung der Wechselkurse, die in etwa im Einklang mit den wirtschaftlichen Grunddaten steht, die für die internationalen Konkurrenzverhältnisse maßgeblich sind. Das Problem liegt darin, daß insbesondere zwischen den Hauptanlagewährungen — Dollar, D-Mark, Yen — durch internationale Kapitalverschiebungen Über-und Unterbewertungen der Wechselkurse auftreten, die zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen, wie es sich gerade am Beispiel der Dollarüberbewertung gezeigt hat. Eine größere Stabilität der Wechselkurse setzt allerdings eine bessere Übereinstimmung in den nationalen Wirtschaftspolitiken voraus.

Die großen Industrieländer haben zuletzt auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio 1986 ihre Bereitschaft erklärt, auf eine Koordinierung der Wirtschaftspolitiken hinzuwirken und den Internationalen Währungsfonds in seiner Aufgabe zu unterstützen, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer zu überwachen. Die Erfahrung hat allerdings gelehrt, daß gerade dann, wenn eine Koordinierung besonders dringlich erscheint, keine Abstimmung der Wirtschaftspolitiken stattfindet. So haben z. B. die übrigen Gipfelteilnehmer in den Jahren steigender Zinsen in den USA vergeblich auf Maßnahmen zum Abbau des amerikanischen Budgetdefizits gedrungen. Erst als eine Abwertung des Dollars im Interesse aller Beteiligten lag, zeigten die USA mit dem Plaza-Abkommen vom September 1985 wieder eine größere Bereitschaft zur Kooperation. Man muß daher davon ausgehen, daß insbesondere im Verhältnis zwischen den großen Währungen immer wieder starke Wechselkursverschiebungen auftreten werden. Das Fehlen einer stabilen internationalen Währungsordnung schafft neue Probleme, die nicht zuletzt die internationalen Handelsbeziehungen belasten. 3. Protektionismus a) Strukturanpassungsprobleme Ein offenes Welthandelssystem verlangt von allen Beteiligten die Bereitschaft, den internationalen Wettbewerb zu akzeptieren. In einer sich rasch verändernden Weltwirtschaft müssen die Unternehmer ihre Wettbewerbsfähigkeit ständig neu behaupten; alte Betriebe, die nicht mehr rentabel arbeiten, werden geschlossen; Arbeitskräfte werden freigesetzt und müssen eine Beschäftigung in modernen Produktionszweigen finden, die einen internationalen Wettbewerbsvorsprung haben. Ganz offensichtlich ist der Zwang zur Strukturanpassung mit wachsender wirtschaftlicher Verflechtung, dem Auftreten neuer Akteure und einem raschen technologischen Wandel größer geworden Gleichzeitig sind die innenpolitischen Voraussetzungen, unter denen dynamische Strukturanpassungsprozesse durchgesetzt werden müssen, ungünstiger geworden.

So wird es verständlich, wenn heute praktisch alle Länder versuchen, sich in den Fällen, in denen Importe Arbeitsplätze bedrohen, partiell aus der internationalen Konkurrenz zurückzuziehen. Hohe Arbeitslosigkeit, vermindertes Wachstum und Zahlungsbilanzprobleme, vor allem auf Seiten der verschuldeten Entwicklungsländer, geben genügend Anlaß für handelspolitische Schutzmaßnahmen. b) Handelspolitische Schutzmaßnahmen Nachdem die Wiedereinführung von Zöllen nach den GATT-Regeln unzulässig ist, bietet es sich geradezu an, auf oft schwer zu identifizierende nicht-tarifäre Maßnahmen, wie technische Normen, Gesundheitsschutzbestimmungen etc., zurückzugreifen, um bestimmte Importe zu unterbinden. Das GATT kennt inzwischen etwa 600 verschiedene Formen nicht-tarifärer Handels-Hemmnisse Ein besonderer Stein des Anstoßes ist Japan, das im Verdacht steht, seinen Markt für Industriegüter durch besonders undurchsichtige Praktiken zu verschließen.

Solche Schutzmaßnahmen entziehen sich meist der Kontrolle des GATT. Im Bereich der handelspolitischen Grauzone liegen auch die zahlreichen Vereinbarungen über „freiwillige“ Exportbeschränkungen. Mit diesem Instrument versuchen vor allem die USA und die Europäische Gemeinschaft, bei bestimmten Produkten den Import-druck aus Japan und einigen industriellen Schwellenländern abzuwenden. Mit den Lieferländern werden stillschweigende Übereinkommen dahingehend getroffen, daß für die betreffenden Produkte die Lieferungen eine gewisse Höchstgrenze nicht überschreiten sollen. Auch die amerikanisch-europäischen Handelskonflikte werden im allgemeinen auf diese Weise geregelt.

Für die alten Industrieländer schafft insbesondere das rasche Vordringen Japans und der asiatischen Schwellenländer Probleme. Industrien, die traditionell in Europa und den USA angesiedelt waren, sind inzwischen durch die asiatische Konkurrenz verdrängt worden. Die Regierungen können sich dem innenpolitischen Druck, hier Abhilfe zu schaffen, kaum entziehen. Dies erklärt den eklatanten Widerspruch, der darin liegt, daß sich z. B. die Staats-und Regierungschefs der großen Industrieländer anläßlich der Wirtschaftsgipfel stets zu den Prinzipien eines freien Handelsaustausches bekennen, daß aber gleichzeitig die Verstöße gegen dieses Prinzip immer häufiger werden.

Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang im Augenblick die Entwicklung in den USA. Die amerikanische Regierung versucht zwar, sich protektionistischen Forderungen zu widersetzen, die nicht zuletzt eine Folge der Markteinbußen sind, die die amerikanische Industrie durch die Dollarüberbewertung erlitten hat. Sie steht damit aber zugleich unter dem innenpolitischen Druck, harte Verhandlungen zu führen, um amerikanische Handelsinteressen durchzusetzen. c) Neue GATT-Runde Vor diesem Hintergrund soll im September dieses Jahres in Punta del Este über den Beginn und die Agenda einer neuen GATT-Runde entschieden werden. Grundsätzlich geht es dabei um folgende Punkte:

— Stärkung der GATT-Regeln, — Abbau protektionistischer Maßnahmen, — Liberalisierungen im Handel mit Agrarprodukten, Technologie und im Dienstleistungsverkehr, — Liberalisierung im Nord-Süd-Handel

Bereits der erste Punkt zeigt, auf welche Schwierigkeiten die bevorstehenden Verhandlungen stoßen werden. Das GATT war erfolgreich, solange es darum ging, Zollschranken abzubauen. Die verschiedenen Erscheinungsformen eines „neuen“ Protektionismus, wie sie zuvor beschrieben wurden, konnte das GATT nicht verhindern. Vor allem die handelspolitischen Supermächte USA, EG und Japan neigen dazu, Handelskonflikte untereinander beizulegen. Die im GATT vorgesehenen Schlichtungsverfahren gelten als zu langwierig; bilaterale Vereinbarungen lassen sich häufig mit politischem Druck rascher durchsetzen.

Dadurch geht jedoch eine wichtige Funktion des GATT verloren. Die multilaterale Anwendung der GATT-Regeln und die Anwendung der GATT-Schlichtungsverfahren soll insbesondere kleinere Länder vor einem Mißbrauch handelspolitischer Macht schützen. Die Weiterentwicklung der GATT-Regeln war bereits Gegenstand der Tokio-Runde (1973— 1979) und gehört zu den noch nicht erledigten Aufgaben des Arbeitsprogramms, das die GATT-Vertragsparteien im November 1982 verabschiedet haben

Die USA drängen darauf, daß die GATT-Prinzipien eines freien Handelsaustausches nun endlich auch auf den Agrarhandel angewendet werden. Die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft, die der Landwirtschaft einen hohen Außenschutz gewährt, gibt schon lange Anlaß zu Handelskonflikten mit den USA. Als letztes Beispiel hierfür macht gerade der Streit über die Beschränkung amerikanischer Agrarexporte nach Spanien und Portugal, die seit Anfang des Jahres EG-Mitglieder sind, Schlagzeilen.

Der internationale Austausch von Dienstleistungen hat in den letzten Jahren zugenommen: Anlagebau, Datenverarbeitung, Kommunikation, Versicherungs-und Finanzierungsgeschäfte. Die Industrieländer versprechen sich von einer Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs günstige Wachstumschancen in den Bereichen, in denen sie ihre wirtschaftliche Zukunft sehen. Die Länder der Dritten Welt stehen solchen Forderungen eher skeptisch gegenüber, da sie befürchten, daß ihre eigenen Dienstleistungsindustrien bei einer zu raschen Marktöffnung mit der Konkurrenz der Industrieländer nicht werden Schritt halten können. d) Nord-Süd-Handel Ein zentrales Anliegen der neuen GATT-Runde ist die Liberalisierung im Nord-Süd-Handel. Das GATT läßt für Entwicklungsländer handelspolitische Schutzmaßnahmen zu, um den Aufbau eigener Industrien zu fördern. Dieses Zugeständnis war allerdings mit der Erwartung verknüpft, daß die Länder der Dritten Welt mit fortschreitender wirtschaftlicher Entwicklung die Liberalisierungsverpflichtung des GATT übernehmen würden. Nachdem die industriellen Schwellenländer inzwischen zu Konkurrenten geworden sind, wird auch von ihnen eine Marktöffnung gefordert.

Die Entwicklungsländer halten dem entgegen, daß die Industrieländer inzwischen so viele Importbeschränkungen für Waren aus der Dritten Welt eingeführt hätten, daß von einem freien Marktzugang keine Rede sein könne. Für sie ist daher der Abbau protektionistischer Maßnahmen auf Industrieländerseite eine wichtige Voraussetzung für neue Liberalisierungsverhandlungen. Nur bei einem besseren Zugang zu den Industrieländermärkten können die Länder der Dritten Welt ausreichende Exporterlöse erwirtschaften, um ihre Verschuldungskrisen zu überwinden. 4. Verschuldungskrisen a) Weltwirtschaftliche Hintergründe Durch kaum etwas kann die internationale wirtschaftliche Verflechtung so anschaulich dargestellt werden, wie durch die Verschuldungskrise der Dritten Welt Anfang der achtziger Jahre. Ohne die Existenz eines internationalen Bankensystems, das bereitwillig das Recycling der Petrodollar übernahm, wäre eine Kreditaufnahme seitens der Entwicklungsländer in diesem Umfang wohl kaum möglich gewesen. Die leichte Verfügbarkeit von Krediten und relativ niedrige Zinssätze erlaubten es den Entwicklungsländern in den siebziger Jahren, ihre Leistungsbilanzdefizite — zum großen Teil eine Folge hoher Ölimportpreise — zu finanzieren. Während sich die Industrieländer durch ein niedrigeres wirtschaftliches Wachstum an die veränderten internationalen Austauschverhältnisse anpaßten, konnten die Länder der Dritten Welt nach den beiden Ölpreiserhöhungen zunächst noch relativ hohe Wachstumsraten erzielen. Dies lag durchaus im Interesse der Industrieländer, die auf diese Weise nicht nur ihre Lieferungen in die OPEC-Staaten, sondern auch in andere Länder der Dritten Welt steigern konnten. Hohe Rohstoffpreise in den siebziger Jahren brachten jedenfalls für einen Teil der Dritten Welt günstige Exporterlöse.

Anfang der achtziger Jahre änderte sich das weltwirtschaftliche Umfeld entscheidend. Mit anhaltender wirtschaftlicher Rezession verschlechterten sich auch die Exportmöglichkeiten der Dritten Welt, zumal die Industrieländer unter dem Druck wachsender Arbeitslosigkeit die Importe aus der Dritten Welt durch verschiedene Maßnahmen zu beschränken suchten. Die Weltmarktpreise für Rohstoffe (ohne Erdöl) fielen von 1980 bis 1985 um 30%. Während sich die Exportsituation für Entwicklungsländer verschlechterte, bewirkten hohe Zinsen und die Aufwertung des Dollars zugleich einen Anstieg der Zins-und Tilgungszahlungen für Auslandsschulden. Für die verschuldeten Länder der Dritten Welt bedeutete dies, daß sie einen immer größeren Anteil ihrer Exporterlöse allein dazu verwenden mußten, die fälligen Zinsen und Rückzahlungen zu begleichen. In vielen Fällen überstiegen die Schuldendienstleistungen die Exporterlöse. Umschuldungsaktionen mußten eine drohende Zahlungsunfähigkeit abwenden, ließen aber zugleich die Auslandsverschuldung noch weiter anwachsen. Die gesamte Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer wird derzeit auf über 800 Mrd. $geschätzt. b) Umschuldung und Anpassung Die eigentliche Verschuldungskrise begann, als Mexiko im August 1982 die fälligen Zins-und Tilgungszahlungen nicht mehr begleichen konnte. Zu dieser Zeit bestand durchaus die Gefahr, daß sich die Zahlungsunfähigkeit Mexikos zu einer internationalen Bankenkrise ausweiten könnte. In einer „beispiellosen Zusammenarbeit“ der privaten Banken, der nationalen Regierungen und Notenbanken und des IWF ist es damals gelungen, für Mexiko ein Umschuldungspaket zu schnüren Vom Januar 1983 bis April 1984 wurden nach ähnlichem Muster für 17 Entwicklungsländer Umschuldungen in die Wege geleitet

Dem Internationalen Währungsfonds kommt bei diesen Umschuldungen eine zentrale Rolle zu. Der IWF gewährt Beistandskredite im Rahmen des den Mitgliedern zustehenden Kreditrahmens. Solche Kredite sind mit der Auflage verbunden, daß das betreffende Land einen mit dem IWF vereinbarten wirtschaftspolitischen Kurs einhält. Der IWF übernimmt damit praktisch die Kontrolle der nationalen Wirtschaftspolitik. Wichtig war, daß durch diesen Schritt auch die Banken — Hauptgläubiger der Entwicklungsländer — veranlaßt werden konnten, alte Kreditverbindlichkeiten durch neue Kredite abzulösen

Unter dem Druck der Auslandsverschuldung sahen sich die Entwicklungsländer gezwungen, das wirtschaftliche Wachstum zu drosseln und ihre Importe einzuschränken. Der Lebensstandard der Bevölkerung fiel auf das Niveau Anfang der siebziger Jahre und noch weiter zurück. Auf diese Weise gelang es z. B.den zehn Hauptschuldnerländern Lateinamerikas in der Zeit von 1983 bis 1985, einen Überschuß der Handelsbilanz von insgesamt 100 Mrd. $zu erzielen, wozu nicht zuletzt der starke Importsog in die USA beigetragen haben dürfte Dank des internationalen Konjunkturaufschwungs konnten ab 1984 auch eine Reihe von Entwicklungsländern wieder Wachstumsraten aufweisen.

Dennoch ist, wie die Schlagzeilen über Mexiko gerade wieder zeigen, die Verschuldungskrise der Dritten Welt noch keineswegs überwunden. Keinem Schuldnerland ist es bisher gelungen, die Kreditwürdigkeit wiederzugewinnen, die eine Voraussetzung dafür ist, daß diese Länder sich wieder unter normalen Marktbedingungen bei den internationalen Banken finanzieren können Das fehlende Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder erzeugt außerdem eine starke Kapitalflucht ins Ausland. c) Der Baker-Plan Die Entwicklungsländer müssen wieder günstige Wachstumsaussichten bieten, damit private Investitionen und Kapitalanlagen in diesen Ländern lohnend werden. Auf diese Formel läßt sich der Weg aus der Verschuldungskrise bringen, den der Baker-Plan vorzeichnet: Abbau des Staatsdirigismus, Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien, mehr wirtschaftliche Stabilität und offene Märkte sollen die private Wirtschaftstätigkeit anregen und die Voraussetzung dafür schaffen, daß wieder privates Kapital in diese Länder fließen kann.

Der Baker-Plan richtet sich an 15 Entwicklungsländer, darunter zehn lateinamerikanische Länder. In einer gemeinsamen Aktion von IWF, Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken sollen in den nächsten drei Jahren zusätzliche Mittel in Höhe von jährlich 3 Mrd. $an die Länder vergeben werden, die geeignete interne Reformprogramme durchführen. Von den privaten Gläubigerbanken wird erwartet, daß sie sich an der Finanzierung dieser Vorhaben beteiligen. Neu hieran ist, daß eine Brücke zwischen den projektbezogenen Krediten der Weltbank und den Zahlungsbilanzkrediten des IWF geschlagen wird. Nicht die Anpassung der Zahlungsbilanzen steht im Vordergrund, wie dies bei den traditionellen IWF-Krediten der Fall ist, sondern eine Politik zur Stärkung des Wachstums und zur Verbesserung der internen Wirtschaftsstrukturen. Die Entwicklungsländer sollen konkurrenzfähig werden. Ob dies gelingt, hängt allerdings auch von den weltwirtschaftlichen Bedingungen ab; wirtschaftliches Wachstum und offene Märkte in den Industrieländern und stabile Währungsbeziehungen sind sicher eine zusätzliche Voraussetzung für den Erfolg des Baker-Plans

V. Was ist zu erwarten?

Tabelle 5: Leistungsbilanzsalden einzelner Ländergruppen in Mrd. US-Dollar Quelle: International Monetary Fund, Annual Report 1981, S. 8, 1985, S. 16.

Einen großen Entwurf für eine Reform der internationalen Wirtschaftsordnung nach dem Beispiel von 1945 gibt es nicht. Für den Währungsbereich werden verschiedene Vorschläge diskutiert, um eine stärkere Koordinierung zwischen den Hauptwährungen zu erreichen. Vereinbarungen über wechselkurspolitische Zielzonen oder das auf dem Tokio-Gipfel vorgelegte Konzept einer wirtschaftspolitischen Abstimmung auf der Basis gesamtwirtschaftlicher Indikatoren sollen mehr Stabilität in die internationalen Währungsbeziehungen bringen. Gegenüber beiden Konzeptionen bestehen erhebliche Bedenken, nicht zuletzt auf deutscher Seite. Koordinierung könnte damit enden, daß alle das Falsche tun! Befürchtet wird, daß die amerikanische Regierung anhand von Indikatoren und Zielzonen versuchen könnte, einen stärkeren wirtschaftspolitischen Druck auf Westeuropa und Japan auszuüben

Man muß damit rechnen, daß sich die bevorstehende GATT-Runde über einen längeren Zeitraum hinziehen wird. Ob es währenddessen gelingt, protektionistische Forderungen zurückzudrängen, ist zumindest offen. Wichtig wäre es, daß nicht nur die Entwicklungsländer, sondern auch die Industrieländer ihre internen Strukturprobleme in den Griff bekämen. In den Jahren nach 1945 fiel den USA die Rolle zu, für die Stabilität des internationalen Systems zu sorgen. In einer multipolaren Weltwirtschaft hängt die internationale Stabilität von vielen Akteuren ab.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Wortlaut der Tokio-Erklärung über gemeinsame politische Zielsetzungen, abgedruckt in: Süddeutsche Zeitung vom 6. Mai 1986, S. 10.

  2. Eine umfassende Darstellung der Entstehungsgeschichte von Bretton Woods und GATT liegt vor in: Richard N. Gardner, Sterling-Dollar Diplomacy in Current Perspective. The Origins and Prospects of Our International Economic Order, neue erw. Aufl. New York 1980.

  3. Vgl. Hans Möller, Das Ende einer Weltwährungsordnung?, München 1972.

  4. Vgl. Franz E. Aschinger, Das neue Währungssystem. Von Bretton Woods bis zur Dollarkrise 1977, Frankfurt 1978.

  5. GATT, International Trade 1984/85, Genf 1985, S. 18.

  6. Ebd., S. 4.

  7. GATT, International Trade 1984/85, S. 18.

  8. Ebd., S. 16.

  9. Newly Industrializing Countries.

  10. Banken im Berichtsgebiet der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und Niederlassungen von US-Banken im karibischen Raum und im Fernen Osten. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 47. und 51. Jahresbericht, Basel 1977/1981, S. 121 bzw. 114.

  11. Elke Thiel, Die Dollarstabilisierungspolitik der USA, in: Außenpolitik, 30 (4979) 4, S. 363-371.

  12. Vgl. Detlef Lorenz, A GATT for the Mercontalists?, in: Intereconomics, (1985) 6, S. 255— 260.

  13. Siegfried Schultz, Neuer Protektionismus: Formen und Folgen im industriellen Bereich, in: Konjunkturpolitik, (1985) 3, S. 189— 207 (194).

  14. Elke Thiel, Vor neuen GATT-Verhandlungen: Protektionismus und Freihandel im Widerstreit, in: Europa-Archiv, 41 (1986) 10, S. 285— 294.

  15. Helga Steeg, Die Tokio-Runde. Eine Bilanz der siebten multilateralen Verhandlungsrunde im Rahmen des GATT (1973— 1979), in: Europa-Archiv, 34 (1979) 17, S. 523— 536.

  16. Die Ministerkonferenz 1982 des GATT in Genf, in: Europa-Archiv, 38 (1983) 5, Dokumente, S. D 121 ff.

  17. Anton P. Müller, Internationale Schuldenkrise. Bedingungen und Risiken ihrer Bewältigung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 51-52/84, S. 3— 11.

  18. International Monetary Fund, Ännual Report 1984, S. 91.

  19. Vgl. A. P. Müller (Anm. 18.), S. 6.

  20. Morgan Guaranty Trust Company of New York, World Financial Markets, Febr. 1986, S. 1.

  21. Vgl. auch Morgan Guaranty Trust Company of New York, World Financial Markets, Okt. /Nov. 1984, S. 2.

  22. Vgl. auch OECD, Economic Outlook, Nr. 38, Dez. 1985, S. XVII.

  23. Elke Thiel, Weltwirtschaftsgipfel in Tokio, in: Außenpolitik, 37 (1986) 3 (erscheint demnächst).

Weitere Inhalte

Elke Thiel, Dr. rer. pol., Fachgruppenleiterin am Forschungsinstitut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen bei München; Lehrtätigkeit an den Universitäten Bamberg und Bochum. Veröffentlichungen u. a.: Dollar-Dominanz, Lastenteilung und amerikanische Truppenpräsenz in Europa, Baden-Baden 1979; Bilanz und Perspektiven der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1983; Aufsätze zu Fragen der internationalen Währungs-und Handelsbeziehungen, der westeuropäischen Integration und der europäisch-amerikanischen Beziehungen.