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Die Entwicklungproblematik Überlegungen zum Stand der Diskussion | APuZ 8/1987 | bpb.de

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APuZ 8/1987 Die Entwicklungproblematik Überlegungen zum Stand der Diskussion Überwindung der Not in der Dritten Welt durch marktwirtschaftliche Ordnung? Militante Konflikte in der Dritten Welt Kommentar und Replik

Die Entwicklungproblematik Überlegungen zum Stand der Diskussion

Dieter Senghaas

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die gegenwärtige entwicklungspolitische Diskussion ist durch eine große Ratlosigkeit gekennzeichnet. Viele alte und manche neuere praktische Ansätze nationaler und internationaler Entwicklungspolitik scheinen nicht zu greifen. Ist auch die Entwicklungsforschung durch solche Ratlosigkeit geprägt? Der Autor versucht in diesem Beitrag, eine Art von positiver Bilanz aus vergangener Entwicklungsforschung zu ziehen. Noch einmal wird der Zusammenhang von Weltwirtschaftsordnung und Entwicklung im Lichte neuerer wissenschaftlicher Befunde thematisiert. Die erhebliche Bedeutung von institutionellen Rahmenbedingungen und soziostrukturellen Voraussetzungen für die Kanalisierung von Entwicklungsprozessen wird dabei hervorgehoben. Ein wichtiger Stellenwert kommt der Innovations- bzw. Transformationsfähigkeit von Gesellschaften zu. In den Frühphasen der Entwicklung, solange Entwicklungsgesellschaften noch im wesentlichen Agrargesellschaften sind, muß das Augenmerk vor allem auf die Struktur des Agrarsektors gerichtet werden. Von der Art seiner Entwicklung wird die Richtung der allgemeinen Entwicklung weithin vorausbestimmt. Hinzu kommt der Erwerb von nationalen Kompetenzen zur Steuerung des Entwicklungsprozesses und als Grundlage für die Erzeugung von Innovationen. Dabei wird der politische Charakter von Entwicklungsprozessen nachdrücklich unterstrichen: Entwicklung ist eingebettet in politische Macht-und Herrschaftsverhältnisse; und in praktisch verfolgter Entwicklungspolitik sedimentieren sich gesellschaftspolitische Kompromisse unterschiedlicher Interessen. Der Beitrag stellt schließlich die Entwicklungsproblematik in einen ordnungspolitischen Problemzusammenhang. In ihm ergibt sich erneut die Frage, warum Entwicklung vor allem im europäischen Nordwesten und nicht anderswo eine Dynamik gewann, die die weitere Evolution der Weltgeschichte zu bestimmen imstande war. Kontrastiert wird die aus politischer Zersplitterung resultierende europäische Dynamik mit den in der Regel überzentralisierten Hochkultur-Großreich-Strukturen. Dabei zeigt sich in einer langfristigen Betrachtung, daß der langwierige Prozeß der erkämpften Demokratisierung für die europäische Entwicklung konstitutiv war. Die Entwicklungsproblematik stellt sich also nicht nur auf der ökonomischen Ebene als Problem nachholender wirtschaftlicher Entwicklung, sondern auf politischer Ebene als ein Problem der Machtverlagerung sowie der sozialen Aufwärtsmobilität und wachsender demokratischer Partizipation bisher nicht oder noch nicht politisierter Sozialschichten dar. Da diese Prozesse angesichts des ihnen zugrundeliegenden sozialen Wandels unaufhaltsam sind, werden sie in der Dritten Welt die Entwicklungsszenerie der nächsten Jahrzehnte bestimmen.

Vorbemerkung

In den vergangenen Jahren verbreitete sich einmal mehr erhebliche Skepsis in der entwicklungspolitischen Diskussion. Nationale und internationale Entwicklungsagenturen sowie private und öffentliche Hilfsorganisationen stellten eine deutliche Diskrepanz zwischen selbstdefinierten Entwicklungszielen und tatsächlich erreichten Ergebnissen fest. Gegenwärtig reichen die praxisbezogenen Plädoyers von einem Abbruch der soge-nannten „tödlichen Hilfe“ bis hin zu einer erneuten Differenzierung des entwicklungspolitischen Instrumentariums. Daß das erstgenannte Plädoyer von Einzelpersonen stammt und das zweite von privaten oder öffentlichen Organisationen mit entwicklungspolitischem Auftrag, dürfte kaum überraschen: Nach zwanzig-bis vierzigjähriger Existenz haben Entwicklungsagenturen ein eigenes bürokratisches Gewicht gewonnen; sie werden wie in der Vergangenheit so auch in Zukunft bei der Re-und Neuformulierung von „entwicklungspolitischen Strategien“ erfinderisch sein. Dabei ist der „symbolische Gebrauch von Politik“ ganz besonders unübersehbar: Die Entwicklungsplanung kann den kurzlebigen entwicklungspolitischen Moden kaum noch folgen. So erhöht sich das allgemeine Unbehagen an einem lebenswichtigen Politikfeld. Allerdings wurde dadurch die individuelle Bereitschaft zur Katastrophenhilfe bisher nicht geschmälert. Vor dem genannten Hintergrund ist dies ein durchaus bemerkenswerter Sachverhalt.

Die Wissenschaft ist an den Orientierungen, die der Entwicklungspolitik zugrunde gelegt werden, nicht unbeteiligt gewesen. Wahrscheinlich wird ihre Rolle für die aktuelle Praxis erheblich überschätzt. Aber die öffentlichen Vorstellungen über die Entwicklungsproblematik sowie über Erfolg und Mißerfolg der Entwicklungspolitik wurden doch nachdrücklich von ihr beeinflußt: Die Entwicklungsforschung hat Kernprobleme formuliert und programmatische Akzente gesetzt; empirische Untersuchungen haben zu wichtigen Datensätzen geführt, die über den engeren entwicklungspolitischen Bereich hinaus relevant sind. Ohne die institutionalisierte Dauerreflexion vor allem in Forschungsinstituten internationaler Organisationen ist ein Verständnis der Struktur und Entwicklungsdynamik internationaler Gesellschaft sowie der internationalen Politik kaum noch vorstellbar.

Dennoch greift auch in der Entwicklungsforschung Unbehagen um sich. /Die Vorstellung, überkommene inhaltliche Leitlinien hätten allenthalben in eine Sackgasse geführt, verbreitet sich. Große, Forschung und Praxis inspirierende Kontroversen werden vermißt. Routine als Reflex von Langeweile oder ziellose Hektik wird diagnostiziert. Bestandsaufnahmen sind an der Tagesordnung

Daher erscheint ein Fazit sinnvoll. Hat die Entwicklungsforschung wirklich nur einen analytischen Scherbenhaufen und — direkt oder indirekt verursacht — Entwicklungsruinen erzeugt und zurückgelassen? Wenn schon die Entwicklungspraxis nicht von großen Erfolgen gekrönt war, hat dann wenigstens einschlägige Forschung zu einer Kumulation von Wissen und Einsichten geführt? Und sollte die These über das Scheitern der Praxis überhaupt stimmen, lassen sich dann wenigstens aus den Befunden der Forschung Gründe für den Mißerfolg der Entwicklungspraxis benennen — oder auch für den relativen Erfolg, falls die genannte These unzutreffend sein sollte?

Antworten zu formulieren ist immer schwieriger als Fragen zu stellen. In einer kurzen Abhandlung wie der vorliegenden können solche Antworten nur umrißhaft entwickelt werden

Versucht man eine positive Bilanz der bisherigen Entwicklungsforschung zu ziehen, ist hinsichtlich des Zusammenhangs von Weltwirtschaftsordnung und Entwicklung die erhebliche Bedeutung von institutioneilen Rahmenbedingungen und soziostrukturellen Voraussetzungen für die Erfolgschancen von Entwicklungsprozessen hervorzuheben. Ein wichtiger Stellenwert kommt der Innovations-bzw. Transformationsfähigkeit von Gesellschaften zu. In den Frühphasen der Entwicklung, solange Entwicklungsgesellschaften noch im wesentlichen Agrargesellschaften sind, muß das Augenmerk vor allem auf die Struktur des Agrarsektors gerichtet werden. Von der Art seiner Entwicklung, selbst Ausdruck politischer Konflikte, wird die Richtung der Entwicklung weithin vorausbestimmt. Hinzu kommt der Erwerb von nationalen Kompetenzen zur Steuerung des Entwicklungsprozesses und als Grundlage für die Erzeugung von Innovationen. Nachdrücklich zu unterstreichen ist der politische Charakter von Entwicklungsprozessen: Entwicklung ist eingebettet in politische Macht-und Herrschaftsverhältnisse; und in praktisch verfolgter Entwicklungspolitik sedimentieren sich gesellschaftspolitische Kompromisse unterschiedlicher Interessen.

Im Hinblick auf den ordnungspolitischen Aspekt der Entwicklungsproblematik stellt sich die Frage, warum Entwicklung vor allem im europäischen Nordwesten und nicht an anderer Stelle eine Dynamik gewann, die die weitere Evolution der Weltgeschichte zu bestimmen imstande war. Kontrastiert man die aus politischer Zersplitterung resultierende europäische Dynamik mit den in der Regel überzentralisierten Strukturen außereuropäischer Hochkultur-Weltreiche der Vergangenheit, zeigt sich, daß der Prozeß der erkämpften Demokratisierung langfristig für die europäische Entwicklung konstitutiv war. Die Entwicklungsproblematik stellt sich also nicht nur auf der ökonomischen Ebene als Problem nachholender wirtschaftlicher Entwicklung dar, sondern gerade auch auf politischer Ebene als ein Problem von Machtverlagerung, sozialer Mobilität und wachsender demokratischer Partizipation bisher nicht oder noch nicht politisierter Sozial-schichten. Da diese Prozesse angesichts der ihnen zugrundeliegenden sozialen Umbrüche unaufhaltsam sind, werden die aus ihnen resultierenden politischen Konflikte die Entwicklungsszenerie der nächsten Jahrzehnte bestimmen.

I. Einige entwicklungspolitisch relevante Sachverhalte

1. Weltwirtschaft und Entwicklung Zu den großen entwicklungstheoretischen Kontroversen der vergangenen zwei bis drei Jahrzehnte gehörte die Auseinandersetzung über den Zusammenhang von Weltwirtschaftsordnung und Entwicklung Spätestens seit der agroindustriellen Revolution Englands im 18. Jahrhundert wird das Weltwirtschaftssystem durch ein erhebliches Kompetenzgefälle zwischen höher und weniger entwickelten Gesellschaften gekennzeichnet. Wären sie alle voneinander völlig abgeschottet, ergäbe sich daraus kein Problem. Sobald aber Gesellschaften mit ungleichem Entwicklungsniveau miteinander in Berührung kommen, entsteht ein Verdrängungswettbewerb. Es kommt zu einem Peripherisierungsdruck von Seiten höher entwickelter Gesellschaften gegenüber weniger entwickelten.

Dieser Sachverhalt ist aus der Gegenwart bekannt, aber er kennzeichnete auch schon die Entwicklungsproblematik seit Mitte des 18. Jahrhunderts Aus der Perspektive der „EntwicklungsPolitiker“ der Vergangenheit war er nicht weniger gravierend als heute, wenngleich einiges für die These spricht, daß das Gefälle zwischen hochentwickelten Gesellschaften und „Nachzüglern“ heute größer ist als seinerzeit: Die technologische Kluft ist in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft relativ groß und zeitigt angesichts einer intensiveren Kommunikation bzw. nur schwer abwehrbarer Demonstrationseffekte erhebliche abträgliche Folgewirkungen. Für weniger entwickelte Gesellschaften besteht dabei immer die besondere Gefahr, von den Gütern, Fertigkeiten und dem Lebensstil der höherentwickelten Gesellschaften überrollt zu werden. Peripherisierung als Folge von Überforderung war und ist der Inbegriff der internationalen Entwicklungsproblematik.

Unter günstigen Umständen läßt sich jedoch ein Kompetenzgefälle auch als Chance nutzen. In der Vergangenheit und in der Gegenwart ist es wenigen Gesellschaften gelungen, sich an die „Entwicklungslokomotiven“ anzuhängen und die sich dabei ergebenden Wachstumschancen in eine breitgefächerte Entwicklung zu übersetzen. Innerhalb weniger Jahrzehnte führte nachholende Entwicklung dann zu einem Binnenprofil, das demjenigen der „Vorreiter-Gesellschaften“ vergleichbar war. Auf diesem Wege, wurde die Gefahr einer Peripherisierung durch Überforderung abgewendet und konstruktiv verarbeitet.

Dafür waren allerdings jeweils ganz erhebliche Eigenanstrengungen erforderlich

Entwicklungsgeschichtlich betrachtet, gehören die letztgenannten Fälle zu den Ausnahmen; die Fälle, in denen sich Peripherisierungsdruck in tatsächliche Peripherisierung übersetzte, sind die Regel gewesen. Wo eine überlegene militärische Gewalt dem ökonomischen Verdrängungswettbewerb nachhalf bzw. ihm sogar vorausging, bestand ohnehin keine Chance, der Peripherisierung zu entgehen. Bis heute sind die in der Folge von Kolonialismus und Imperialismus entstandenen Strukturdefekte in solchen Gesellschaften noch nicht überwunden Dies festzustellen heißt nicht, diese Gesellschaften hätten sich ohne Kolonialismus und Imperialismus Europa vergleichbar entwickelt, und es heißt auch nicht, daß nicht nach erfolgter Entlassung in die politische Unabhängigkeit eine vernünftigere nationale und internationale Entwicklungspolitik hätte betrieben werden können.

Wo jedoch Entwicklung zustande kam, spielte die jeweilige Mischung von Ausrichtung auf die Entwicklungslokomotiven und Entkoppelung von ihnen eine besondere Rolle. Das eigentliche Kunststück bei Entwicklungspolitik scheint darin zu bestehen, ein der jeweiligen Gesellschaft zuträgliches Mischungsverhältnis von Öffnung nach außen und Abkoppelung zu finden. Dabei ist naturgemäß die Größe der betroffenen Gesellschaft richtungweisend Kleine Gesellschaften sind an und für sich mehr auf Außenkontakte angewiesen als große Territorialstaaten. Sie sind also auch ganz besonders dem Peripherisierungsdruck ausgesetzt, während bevölkerungsstarke Gesellschaften angesichts ihrer Größe einen natürlichen Schutz genießen. Außeneinflüsse produktiv zu verarbeiten, müßte ihnen eigentlich „von Natur aus“ besser gelingen als kleinen, extrem den Weltmarktkräften ausgesetzten Gesellschaften. Daß dies jedoch nicht naturnotwendig der Fall war, macht die Entwicklungsgeschichte überdeutlich

Auch dieser letztgenannte Sachverhalt weist auf den zentralen Punkt hin: Ob es Gesellschaften, die über sich selbst und ihre Ressourcen souverän verfügen konnten, gelungen ist, die von höher-entwickelten Gesellschaften ausgehenden Wachstumsimpulse vermittels einer Eingliederung in.den internationalen Handel produktiv zu verarbeiten und dadurch in eigene Entwicklungsfortschritte zu übersetzen, hing im wesentlichen von den jeweiligen institutionellen Rahmenbedingungen und von soziostrukturellen Voraussetzungen ab Vom internationalen Kompetenzgefälle nicht überrollt zu werden, erfordert also bereits entsprechende eigene, historisch gewachsene Kompetenzen. Wo sie in Ansätzen nicht vorhanden sind, übersetzt sich Peripherisierungsdruck unausweichlich in eine tatsächliche Peripherie-entwicklung. Auch der Rückzug aus dem Welt-wirtschaftssystem, also eine weitgehende Abkoppelung oder teilweise Entkoppelung, hätte unter diesen Umständen nur dann einen Sinn, wenn die dabei entstehende, durch Außeneinflüsse problematisierte Situation zum Aufbau eigener Kompetenzen genutzt würde, um zu einem späteren Zeitpunkt dem technologischen und ökonomischen, aber auch dem politischen und ideologischen Verdrängungswettbewerb standhalten zu können. Ein solches Vorhaben ist allemal ein schwieriges Unterfangen. Es ist nicht unmöglich, aber nur unter spezifischen Bedingungen erfolgversprechend. Der entwicklungsgeschichtliche und aktuelle Befund läßt es also ratsam erscheinen, dem Mischungsverhältnis von Öffnung für Außeneinflüsse und Abkapselung große Beachtung zu schenken und der Frage nachzugehen, wie es zu der unterschiedlichen Fähigkeit kommt, den aus dem internationalen Kompetenzgefälle sich ergebenden Problemdruck konstruktiv zu verarbeiten. Das ist aber letztlich die Frage nach der Innovations-und Transformationsfähigkeit betroffener Gesellschaften. 2. Innovations-bzw. Transformationsfähigkeit und Entwicklung Innovations-und Transformationsfähigkeit einer Gesellschaft sind kein naturgegebener Tatbestand; es sind erworbene Eigenschaften. Wie kommen sie zustande? Läge die Antwort auf der Hand, gäbe es keine Entwicklungsproblematik. Dennoch gibt es Fingerzeige für eine Antwort.

Gesellschaften mit niedrigem Entwicklungsniveau sind aller Erfahrung nach — und deshalb per definitionem — Agrargesellschaften. Die Frage nach der Innovations-und Transformationsfähigkeit einer Gesellschaft im Frühstadium ihrer Entwicklung verlagert sich also auf das Problem des Strukturwandels von Agrargesellschaften. Und hier liegen einige Sachverhalte unabweisbar auf der Hand: Agrargesellschaften unterscheiden sich erheblich nach der sie bestimmenden Agrarverfassung, und manche Agrarverfassungen wirken jeglichem Entwicklungsimpuls entgegen (Latifundismus, Parzellenwirtschaft, Teilpachtsystem etc.), und nur wenige Agrarverfassungen (z. B.freischaffende bäuerliche Familienwirtschaften) sind für Entwicklungsimpulse von außen aufgeschlossen bzw. entwickeln solche aus sich heraus

Die entscheidende Frage zu Beginn eines potentiellen Entwicklungsprozesses lautet also: Wie gelingt es, entwicklungsabträgliche Agrarstrukturen aufzulösen und eine solide Agrarbasis für den Entwicklungsprozeß zu schaffen? So formuliert, klingt die Frage technokratisch, aber sie ist äußerst politisch gemeint. Denn Auflösung entwicklungsabträglicher Agrarstrukturen heißt: Verlagerung der Verfügung über Grund und Boden zugunsten der Bauernschaft. Auf dieser frühen Entwicklungsstufe begründet aber eine solche Verfügung die entscheidenden Macht-und Herrschaftspositionen in der Gesellschaft insgesamt. Eine solche Verlagerung beinhaltet also eine Entmachtung. Und noch nie hat Entmachtung kampflos stattgefunden. Auch ist solchen Versuchen nicht von vornherein Erfolg beschieden: Späte Erfolge oder Mißerfolge von Entwicklungsprozessen sind schon aus der wechselvollen Frühgeschichte des politischen Konflikts zwischen Grundherren und Bauernschaft im Kontext der jeweiligen Gesellschaft ablesbar. Auch die Richtung der Modernisierung einer Gesellschaft wird in diesem frühen Stadium vorgezeichnet Sie ist gewissermaßen die Resultante des politischen Kräfteverhältnisses der potentiellen Konfliktgruppen einer Agrargesellschaft (Königshaus, Staatsbürokratie, Grundherren, Bauernschaft, Städte). Diese bestimmt das Ausmaß der Auflösung überkommener Agrarverfassungen, in Sonderheit die Reichweite der Entfeudalisierung (positiver Fall) bzw. das Beharrungsvermögen des überkommenen gesellschaftspolitischen Status quo (negativer Fall)

Schon aus dieser Beobachtung wird klar, daß die Innovations-und Transformationsfähigkeit einer Gesellschaft nicht das Ergebnis kluger Planung ist, sondern in der Regel ungeplant aus Machtverlagerungen in der Folge sich verändernder und neuer gesellschaftlicher Interessen hervorgeht. Es handelt sich auch nicht um eine Eigenschaft, die zu einem bestimmten Punkt ein für allemal erreicht werden könnte; schon gar nicht ist die Herausbildung einer Innovations-und Transformationsfähigkeit einer Gesellschaft ein unumkehrbarer Prozeß. Unumkehrbarkeit zu unterstellen, wäre ein ganz unhistorischer, weil unpolitischer Gedanke. Eine solche Annahme würde der politischen Natur des Sachverhalts kraß entgegenstehen. Die Geschichte der Herausbildung von Entwicklungspotentialen ist, so gesehen, also die positive Kehrseite des fortschreitenden Kampfes um Entfeudalisierung. Hier spielen natürlich eine ganze Reihe von bisher nicht zur Sprache gekommenen Faktoren eine Rolle: das Ausmaß an Machtkonzentration bzw. Machtdiffusion in einer Gesellschaft; insbesondere die Überlappung oder Unterschiedlichkeit weltlicher und geistlicher Gewalten; die strukturbedingte Existenz von Freiräumen für eine alternative Entwicklung, insbesondere die Chance, ob sich neue Produktionsweisen noch im alten Kontext in Anfängen entwickeln können; geistige Freiräume; und nicht zuletzt, möglicherweise an erster Stelle zu nennen, die Entwicklung von inneren Widersprüchen, die in der überkommenen Ordnung nicht mehr beherrschbar sind und deshalb zu politischer Destabilisierung führen. Es ist ein Irrtum, in solcher Destabilisierung immer nur Ansätze für gesellschaftlichen Fortschritt ausmachen zu wollen. Gerade die jahrhundertealte Geschichte von Agrargesellschaften ist vor allem durch erfolgreiche Versuche der Restauration gekennzeichnet. Darin spiegelt sich die in Agrargesellschaften durch räumliche Zersplitterung vorgezeichnete politische Schwäche der Bauernschaft. Politisches Gewicht haben die Bauern in der Regel erst gewonnen, als sie in einer späten Phase der Entwicklung zu einer lobbyistisch gut durch-organisierten Minorität in der erwerbstätigen Bevölkerung von Industriegesellschaften wurden. Grund und Boden waren in Agrargesellschaften immer eine knappe Ressource, auf die sich die zentralen politischen Konflikte konzentrierten. Diese Ressource konnte durch militärische Expansion extensiv vermehrt werden; andererseits gab es den Weg der Vermehrung durch Intensi-vierung der agrarischen Produktion. Für letzteren sind Wissen und Kenntnisse erforderlich. Sie wurden zur Grundlage eines neuen Aktivpostens, dessen Ausmaß nicht von Naturgegebenheiten abhing, sondern das Ergebnis bewußter eigener Anstrengungen war. In Ergänzung zum „sichtbaren Kapital“ hat man das Bildungsniveau einer Gesellschaft als „unsichtbares Kapital“ (Karl W. Deutsch) bezeichnet, und ohne Zweifel hat dieses im Laufe der Zeit weit mehr als natürliche Ressourcen zur Herausbildung neuen materiellen Kapitals (Infrastruktur, Maschinenpark usw.) beigetragen. Was Ökonomen mit dem Begriff „Humankapital“ bezeichnen, d. h. die Fülle von intellektuellen, technischen und administrativen Kompetenzen, wurde langfristig zum wichtigsten Entwicklungsmotor; denn Entwicklung ließ sich schon beim Übergang von Agrar-zu Industriegesellschaften, insbesondere aber im Verlauf der Differenzierung von Industriegesellschaften nur durch eine Erhöhung der Flächen-und Arbeitsproduktivität im Agrarsektor bzw.der Arbeitsund Kapitalproduktivität in der industriellen Produktion und im Dienstleistungssektor erreichen. Und Produktivitätssteigerungen sind hier und dort ohne neues Wissen und neue Fertigkeiten nicht vorstellbar.

Die überragende Bedeutung dieser Faktoren zeigt sich vor allem auch in jenen Gesellschaften, die von Natur aus nicht mit reichlichen Gütern (Grund und Boden, Mineralien, Energieressourcen usw.) ausgestattet sind: Sie hatten und haben nur dann eine Entwicklungschance, wenn sie Fertigkeiten breit mobilisieren. Selbst von der Natur reichlich ausgestattete Gesellschaften tendieren ohne eine solche Mobilisierung immaterieller Ressourcen dazu, ihren „Reichtum“ zu vergeuden. 3. Entwicklungsstrategien und nationale Verfügungsgewalt Entwicklung wurde konzeptuell lange Zeit mit Industrialisierung gleichgesetzt. Ein solcher Ansatz ist, entwicklungsgeschichtlich betrachtet, falsch, und er zeitigt verheerende praktische Folgewirkungen. In ihm kommt ein schädlicher Eurozentrismus zum Ausdruck, nämlich die Übertragung wirtschaftlicher Modelle von schon hoch industrialisierten Gesellschaften, in denen der Agrarsektor durchrationalisiert und hochproduktiv ist, auf kaum oder nur in Anfängen industrialisierte Agrargesellschaften, in denen die Masse der erwerbstätigen Bevölkerung immer noch in bzw. im Umkreis einer wenig produktiven Landwirtschaft lebt. Ein sinnvoller Eurozentrismus hätte demgegenüber auf die positiven und auf die negativen Entwicklungserfahrungen Europas rekurrieren müssen vor allem auf den unleugbaren Tatbestand, daß ohne eine vorausgehende oder mit der Industrialisierung parallel verlaufende Leistungssteigerung des landwirtschaftlichen Sektors Entwicklung nicht oder nur in seltenen Grenzfällen möglich ist.

Zwar sind auch durch gezielte, aber aufgesetzte Maßnahmen zur Industrieförderung Wachstums-schübe vorstellbar. Aber der entscheidende Punkt ist nicht Wachstum an sich; entscheidend sind die Ausweitungseffekte von Wachstum und damit die Frage, inwieweit sich aus sektoralen Wachstumsschüben allmählich eine kohärente Volkswirtschaft herausbildet In den seltensten Fällen ist dieser Prozeß, wo er gelungen ist, ausgewogen gewesen. Ungleichgewichte sind unvermeidbar, aber viel hängt langfristig vom Ausmaß und der Reichweite solcher Ungleichgewichte ab. Eine „organische“ Rückkoppelung zwischen landwirtschaftlichem und industriellem Sektor bei einer Beteiligung und Vermittlung des Dienstleistungssektors ist zwar wünschenswert, aber entwicklungsgeschichtlich war ein solches Profil selten. Je mehr allerdings auf alten Strukturen aufgebaut oder an ihnen vorbei Industrialisierung betrieben wurde, um so weniger erfolgreich blieben solche Versuche und um so größer waren schließlich auch die politischen Verwerfungen. Denn jede Industrialisierung, ob organisch oder kraß ungleichgewichtig, löst eine soziale Mobilisierung im Sinne von Urbanisierung, Alphabetisierung und Proletarisierung der Bevölkerung aus, deren politische Folgen im überkommenen Status quo nur schwerlich eingefangen werden können Nicht selten scheitern deshalb auf alte Sozial-strukturen aufgesetzte Industrialisierungsversuche politisch, selbst wenn sie im industriellen Sektor leidlich erfolgreich sind. Aber in der Regel scheitern sie schon im engeren ökonomischen Sinne, weil sie sich nicht zu einer leistungsfähigen Volkswirtschaft verdichten.

Eine solche setzt nämlich Wachstum und nur mäßige Ausmaße von Ungleichheit voraus, weil nur unter diesen Prämissen Akkumulation bei gleichzeitiger Binnenmarkterschließung vorstellbar wird. Das Dilemma vieler Industrialisierungsversuche besteht darin, Wachstumsschübe auszulösen, ohne zur breiten Binnenmarkterschließung beizutragen. Eine solche Sackgasse kann sowohl bei den überkommenen Strategien der Industrialisierung zum Zwecke der Importsubstitution als auch neuerdings bei exportorientierten Strategien beobachtet werden. Die abwegigste Situation liegt vor, wenn die Industrialisierung auf soge-nannte Anlagerung in freien Produktionszonen abgestellt ist, wo die Rückkopplung zum eigenen Binnenmarkt schon im Ansatz kaum gegeben ist Die Strategien der Importsubstitution und der Exportorientierung müssen aber nicht per se in eine Sackgasse führen, wenn sie in einem Zusammenhang verfolgt werden, der breitgefächerte Ausweitungseffekte erlaubt bzw. erzwingt. In Ostasien wiederholen sich gegenwärtig diesbezügliche europäische Erfahrungen des späten 19. und 20. Jahrhunderts Aber die hier und dort zu b und 20. Jahrhunderts 17). Aber die hier und dort zu beobachtende Kombination von administrativer Kompetenz und mäßiger Ungleichheit in der Gesellschaft ist außergewöhnlich und nicht die Regel. Deshalb werden in fast allen übrigen Fällen entwicklungspolitische Krücken erforderlich, sei es eine Ausrichtung auf die Grundbedürfnisse an der jeweiligen nationalen Entwicklungsstrategie vorbei oder auf diplomatischem Parkett die Forderung nach einer „Neuen internationalen Wirtschaftsordnung“.

Beide Programme reflektieren nur allzu deutlich die Hilflosigkeit gängiger Entwicklungspolitik. Denn selbst eine erfolgreiche Grundbedürfnis-strategie, wäre sie überhaupt neben der jeweils vorherrschenden offiziellen nationalen Entwicklungsstrategie vorstellbar, könnte sich kaum zu einem volkswirtschaftlichen Erfolg hochaddieren, solange nicht die offizielle Entwicklungsstrategie selbst auf sie ausgerichtet wäre. Und eine Neue internationale Wirtschaftsordnung könnte in Teilbereichen nützlich sein (beispielsweise bei der Stabilisierung der Erlöse von Rohstoffexporten), wenn sonst die entwicklungspolitischen Prämissen vor Ort stimmten 18). Aber das tun sie in der Regel nicht. Und neue internationale Regime (Rahmenvereinbarungen über den internationalen Handel, Direktinvestitionen, Technologietransfer usf.) waren noch nie ausschließlich das Ergebnis kluger Überlegungen; viel eher sind sie der Reflex von neuen und neu konsolidierten Machtverhältnissen in der internationalen Gesellschaft. Damit zeigt sich auch in diesem Zusammenhang, nicht anders als bei der Bewertung gängiger Entwicklungsstrategien (Importsubstitution/Exportorientierung) oder ihrer „Alternativen“ (Grundbedürfnisstrategie), der politische Charakter von Entwicklungsvorhaben.

Dies zu formulieren, verweist in gewisser Hinsicht auf eine Selbstverständlichkeit. Doch in der Regel werden Entwicklungsstrategien als ökonomische Vorhaben mit spezifischen Schwerpunkt-setzungen vorgestellt, während sich in ihnen in Wirklichkeit gesellschaftliche Machtkonstellationen, insbesondere gesellschaftspolitische Kompromisse, herauskristallisieren. Ob eine Agrarreform durchgeführt wird oder nicht, ob schwerpunktmäßig eine Konsum-oder Schwerindustrialisierung verfolgt wird, ob auf eine breitgefächerte Entwicklung oder auf zukünftige Sickereffekte gesetzt wird, ob Ungleichheit bewußt akzentuiert oder abgebaut wird usf. — in diesen Optionen kommen weit mehr als nur wirtschaftspolitische Alternativen zum Ausdruck. Deshalb kann eine ökonomische Argumentation mit Wirklichkeitsgehalt in der Entwicklungsforschung nur in politischer Ökonomie begründet sein.

Eine ihrer wesentlichen Problemdimensionen ist die souveräne Verfügung über nationale Ressourcen. Entwicklung findet, wie eingangs dargelegt, immer in einem breiteren internationalen Zusammenhang statt. Aber sie ist, wo sie erfolgreich war und sein soll, vornehmlich eine nationale Aufgabe. Auf ökonomischer Ebene besteht sie in der Herausbildung einer kohärenten Volkswirtschaft (Nationalökonomie), die ungeachtet ihrer, auch größenbedingt, unterschiedlichen Verflechtungen mit der Weltwirtschaft ihre Entwicklungsdynamik aus sich selbst heraus erzeugt 19). Alle historische Erfahrung weist darauf hin, daß ein solches Vorhaben nur bei souveräner Verfügung über die nationalen Ressourcen gelingen kann. Denn nur unter dieser Bedingung können die für die Entwicklung einer Gesellschaft erforderlichen Prioritäten im wohlverstandenen nationalen Eigeninteresse gesetzt werden. Was immer über die Rolle des Staates im Entwicklungsprozeß in den vergangenen Jahren geschrieben wurde, unbestreitbar ist, daß auch in den klassischen Entwicklungsländern der Vergangenheit staatliche Instanzen nach innen und nach außen in den Entwicklungsprozeß regulierend eingegriffen haben; insbesondere wurden gerade in der Entwicklung heute hochindustrialisierter und freihändlerisch orientierter Industriegesellschaften staatlicher-seits außenwirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen, die entsprechende Spielräume für die binnenwirtschaftliche Entwicklung absicherten oder gar erst schufen. Aus einsichtigen Gründen war freihändlerische Liberalität in der Regel erst ein Spätprodukt von Entwicklungsprozessen.

Aber die Chance einer nationalen Verfügung über die eigenen Ressourcen kann auch, wie Geschichte und Gegenwart nur allzu oft dokumentieren, zur Grundlage der Verschwendung solcher Ressourcen werden. Diese Beobachtung trifft insbesondere auf jene Fälle zu, wo Exporte, die mit einträglichen Gewinnen vermarktbar sind, ein erhebliches Deviseneinkommen ermöglichen, ohne daß dieses in produktive Entwicklungsvorhaben übersetzt würde. Dann wird das aus agrarischen und mineralischen Exporten resultierende Einkommen auf vielfältige Weise vergeudet.

Der Interventionsbedarf war bei Spätentwicklern immer größer als bei „Vorreiter-Gesellschaften“. Aber auch in diesen hat es immer kritische Früh-phasen der Entwicklung gegeben, in denen die Intervention staatlicher Instanzen eine wichtige steuernde Funktion hatte. Auch diese Beobachtung sollte nicht technokratisch mißverstanden werden. Außenwirtschaftliche Rahmenbedingungen zur Förderung binnenwirtschaftlicher privater und öffentlicher Entwicklungsvorhaben zu setzen oder auch nicht, war in der Regel in-und außerhalb Europas der Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen. Ihr Ergebnis war keineswegs immer nur der Förderung nationaler Ökonomie dienlich. Im Gegenteil haben sich weit öfter Interessengruppierungen (wie beispielsweise die Agraroligarchie und die Handelsbourgeoisie) politisch durchgesetzt und damit den Weg zu einem „nationalen System politischer Ökonomie“ verbaut. Was für solche Interessen einträglich war, beispielsweise der Export aus Monokulturen, gereichte in der Regel der Gesellschaft und ihren Entwicklungschancen zum Schaden, weil die Möglichkeit einer autozentrierten Entwicklung verspielt wurde.

Auch hinsichtlich des „Entwicklungsfaktors“ der nationalen Verfügung über Ressourcen gilt, was über alle anderen festzustellen ist: Für sich allein genommen können sie Entwicklung nicht „erklären“. Sie werden nur im Zusammenhang der Beobachtung von ganzen Entwicklungskonfigurationen aussagekräftig Damit stellt sich die ordnungspolitische Frage in Entwicklungsprozessen.

II. Entwicklung in ordnungspolitischer Perspektive

Worin besteht die übergeordnete Entwicklungskonfiguration, in der einzelne Faktoren einen spezifischen positiven oder negativen Stellenwert einnehmen und von der her Entwicklung bzw. Fehlentwicklung erklärbar werden soll? Diese Frage führt auf eine noch umfassendere zurück: Warum hat die heute weltweit wirksame Entwicklungsdynamik ihren Ursprung in Teilen Europas, besonders in Nordwesteuropa, gehabt, und warum sind nicht andere Regionen der Welt zum Ausgangspunkt dieser oder einer vergleichbaren Dynamik geworden?

Die Verkoppelung der beiden Fragen scheint weit hergeholt zu sein, doch ist sie wahrscheinlich weniger abwegig als zunächst vermutet. Im Vergleich zu älteren Hochzivilisationen bestand, rückblickend betrachtet, die Entwicklungschance Europas darin, von Anfang an nicht in die typischen Entwicklungssackgassen der Struktur von Großreichen und Hochkulturen außereuropäischer Zivilisationen geraten zu sein. Europas Dynamik erwuchs von unten nach oben, aus einer Fülle vieler kleiner, miteinander konkurrierender sozialer Kräfte, überlagert von nur zeitweise stärkeren zentralisierenden Kräften, die aber in der Regel ebenfalls relativ schwach waren, lange bevor — nach Jahrhunderten — der klassische Nationalstaat und Konkurrenzkapitalismus zum Durchbruch kamen. Alle diese in der Tendenz zersplitterten weltlichen und geistlichen Kräfte — Kaiser-und Königshäuser, hohe und niedrige Aristokratie, Bauernschaft und Städte, überregionale, regionale und lokale geistliche Gewalten (wie Papsttum, Bischofssitze und Klöster) — waren durch mehr oder weniger ausgeprägte Autonomiebestrebungen gekennzeichnet. Die Zergliederung, wenn nicht gar Zersplitterung politischer Gewalt und die aus ihr hervorgehenden anhaltenden politischen Rivalitäten haben geholfen, eine frühzeitige Überzentralisierung, wie sie in der Regel in Hochkultur-Großreichen zu beobachten war, zu verhindern. An deren Strukturen gemessen, war Europa in seiner klassisch-feudalen Frühphase, die zum Ausgangspunkt der späteren Entwicklung wurde, „unterentwickelt“

In den großen außereuropäischen Zivilisationen (nicht aber in Japan!) überlagerte eine kopflastige Zentralgewalt die über Jahrhunderte hinweg in relativer Stagnation verharrenden bäuerlichen Dorfgemeinschaften. Diese waren nur insofern für die ferne Zentralgewalt von Interesse, als aus ihnen Tribute zum Unterhalt der Zentralgewalt abgezogen werden konnten. Der Leistungssteigerung des ländlichen Sektors galt wenig Aufmerksamkeit, viel eher schon dem administrativen Apparat, der den Tribut einzutreiben hatte. Seine Verselbständigungstendenzen in Kombination mit einer nur begrenzten Belastbarkeit überkom. mener Subsistenzwirtschaft wurden zum Ausgangspunkt der inneren Erosion von überdehnten Sozialgebilden, wie sie Hochkultur-Großreiche darstellten. Ihr Zerfall führte dann zu einer Art von „Feudalisierung“ der politischen Macht, ohne daß dadurch eine der europäischen Ausgangslage vergleichbare Situation entstanden wäre. Oft genug wurde dieses „feudalistische“

Zerfallsprodukt machtpolitisch überwältigt, indem sich eine neue Zentralgewalt, deren Durchsetzungsvermögen in dem verfügbaren Militärpotential begründet war, gegen rivalisierende Potentaten durchsetzte und die Reichsstruktur neu konsolidierte. Manche von ihnen (insbesondere China) haben diesen Zyklus mehrfach durchlaufen, ohne daß über Jahrhunderte hinweg die Lebens-und Produktionsbedingungen der bäuerlichen Gemeinschaften verändert worden wären.

So führte die „Entwicklung“ dieser außereuropäischen Hochkultur-Großreiche immer wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück „Entwicklung“ gleicht hier einem Teufelskreis, der in die Herrschafts-und Gesellschaftsstruktur eingebaut war.

Wäre es im europäischen Kontext zu einer vergleichbaren frühzeitigen Ausbildung einer exklusiven Zentralgewalt gekommen, wäre eine die außereuropäischen Erfahrungen wiederholende Entwicklung nicht unwahrscheinlich gewesen. Aber die europäische Frühentwicklung war durch den anhaltenden politischen Konflikt und Wettbewerb vielfältiger sozialer Kräfte gekennzeichnet. Man hat oft in der Wettbewerbswirtschaft, also dem Konkurrenzkapitalismus, den Ausgangspunkt der westlichen Entwicklungsdynamik gesehen. Doch Jahrhunderte, ehe überhaupt der moderne Konkurrenzkapitalismus zum Durchbruch kam, wurde die europäische Entwicklung durch den politischen Wettbewerb und durch eine Fülle von in der Regel kleinkarierten und sich erst allmählich hochschaukelnden politischen Ausscheidungskämpfen gekennzeichnet Sie führten nicht nur, darwinistisch formuliert, zum Sieg des Stärkeren, sondern angesichts der Zersplitterung in der Machtbasis zu einer Fülle von institutionalisierten politischen Kompromissen („checks and balances"). Diese wurden zum Ausgangspunkt für die Erkämpfung politischer Freiheiten und Rechte, die schrittweise und über Jahrhunderte hinweg den Rechtsstaat („rule of law“) entstehen ließen. Seine Aufgabe war es nicht, die materiellen Interessen von Interessengruppen zufrieden-zustellen, sondern in einer vom Ansatz her auf politischen und später auch auf wirtschaftlichen Wettbewerb ausgerichteten Gesellschaft die Chance der Berechenbarkeit des politischen, sozialen und ökonomischen Handelns zu erhöhen

Gemessen an Großreichen und Hochkulturen war Europas Entwicklungschance also in der fragmentierten Machtbasis der typischen nord-westeuropäischen Feudalgesellschaft begründet, ergänzt durch den eher zufälligen und glücklichen Umstand, daß alle politischen Versuche einer Großreichbildung gescheitert sind. Als nach Jahrhunderten als Ergebnis politischer Ausscheidungskämpfe von unten nach oben der Zentral-staat in Form von Königshäusern und ihren Bürokratien entstand, waren viele Errungenschaften westlicher Zivilisation, wie der Schutz von Rechten und Freiheiten, die Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt, Freiräume für autonome geistige Entwicklungen, einschließlich Wissenschaft und Technologie usf., schon erkämpft und, was wichtiger ist, institutionell abgesichert. Im übrigen machte der politische und später auch der wirtschaftliche Wettbewerb nicht an den Grenzen des jeweiligen Nationalstaates Halt. Lange ehe der ökonomische Wettbewerb zu einem wichtigen Motor europäischer Politik wurde, war diese durch den politischen Wettbewerb der Dy- nastien und Staaten — durch kompetitive Ausscheidungskämpfe, aber auch durch Versuche der Einhegung internationaler Konflikte — gekennzeichnet

Vor diesem Hintergrund wird die Innovationsund Transformationsfähigkeit mancher europäischer Gesellschaften, die zum Ausgangspunkt der europäischen Entwicklungsdynamik wurden, verständlich. Politischer, geistiger und wirtschaftlicher Wettbewerb begründeten die Bereitschaft und die Fähigkeit zu Innovation und ließen anhaltend neue soziale Kräfte entstehen, die vermittels Innovation und sozialer Mobilität ihre Lebenschancen zu verbessern trachteten und dabei auch im Laufe der Zeit Erfolg hatten. Zu keinem Zeitpunkt war dieser Prozeß ein Selbstläufen Seine Entwicklungsrichtung hing von den Kräftekonstellationen innerhalb einzelner Gesellschaften und von den Machtkonstellationen zwischen den Gesellschaften ab. Wettbewerb bedeutet Konflikt um Verfügungschancen und Beteiligung, und einer der Schlüssel europäischer Entwicklung ist in den Machtverlagerungen als Ergebnis politischer Auseinandersetzungen zu sehen, die in neuen Verfügungs-und Partizipationschancen aufsteigender sozialer Kräfte mündeten. Ohne diesen Prozeß der erkämpften Demokratisierung ist die europäische Entwicklung nur schwer vorstellbar. Denn Demokratisierung bedeutet immer auch Freisetzung von neuen immateriellen Ressourcen und damit die Erhöhung der Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft. Demgegenüber bleiben in nicht oder wenig mobilen Gesellschaften autokratischen Zuschnitts die für eine Entwicklung erforderlichen geistigen Kräfte brach liegen.

III. Ausblick auf die Lage in der Dritten Welt

Das Entwicklungsproblem vieler europäischer und der meisten außereuropäischen Gesellschaften bestand, wie eingangs formuliert, in der Gefahr, von der Dynamik der „Frühentwickler“ Europas überrollt zu werden. Je schwächer und zurückgebliebener sie sind, um so größer die legitime Versuchung, staatlicherseits einen Entwicklungsprozeß zu „inszenieren“, der aus autonomem Antrieb (nicht vorhandener) gesellschaftlicher Kräfte nicht zu erwarten wäre. Es liegt auf der Hand, daß bei einer solchen Ausgangssituation die Konzentration politischer Macht und die zentrale Festlegung von Entwicklungsprioritäten als Schlüssel für Entwicklungsdurchbrüche verstanden werden.

Dies ist der Hintergrund, warum die staatssozialistische Doktrin einer zentral verwalteten Gesellschaft zur Grundlage von Entwicklungsprogrammatik werden konnte und heute die Entwicklung von Gesellschaften mit 1, 5 Milliarden Menschen bestimmt. Sozialismus wurde, weltgeschichtlich betrachtet, zu einem Instrument, gewissermaßen einer Krücke für nachholende Entwicklung unter innergesellschaftlich und international widrigen Umständen. Die Alternative zu ihm sind meist nicht weniger autokratische Regime in peripher-kapitalistischen bürokratischen Entwicklungsgesellschaften. Während sozialistische Gesellschaften meist die für Entwicklungsprozesse erforderlichen gesellschaftlichen Reformen und Umwälzungen durchgeführt haben, erstickt ihre Entwicklungsdynamik an der bis heute allenthalben zu beobachtenden Unfähigkeit, dabei entstandene autokratische und autoritäre Strukturen abzubauen, insbesondere die Wirtschaftslenkung zu dezentralisieren und Freiräume zu schaffen sowie die Chancen für eine Beteiligung am politischen Leben auszuweiten.

Ohne solche Reformen ist jedoch selbst das schon erreichte Entwicklungsniveau gefährdet Aber solche Reformen sind nur vorstellbar bei Übernahme einiger westlicher Errungenschaften: Rechtsstaatlichkeit, Freiräume für Marktkräfte, geistige Freiräume, legalisierter Wettbewerb eigenständiger politischer Gruppierungen im politischen System, Freizügigkeit. Die Problemsituation ist nicht einfach, denn der Problemdruck aus dem Innern wird verstärkt durch den Problem-druck von außen, und beide sind in einem Innovationsdruck begründet, der für eine innovationsfeindliche und weithin undemokratische Gesellschaft politisch unberechenbar erscheinen muß.

In peripher-kapitalistischen bürokratischen Entwicklungsgesellschaften sind die autokratischen Systeme von erheblicher Beharrlichkeit; schlimmstenfalls verharren sie im Zustand von Militärdiktaturen; bestenfalls führt das Scheitern von Militärdiktaturen zu Versuchen einer Art von Redemokratisierung. Auch hier ist der Innovationsdruck erheblich. Ungeachtet aller Fehlentwicklungen ist doch in einer Vielzahl von gegenwärtigen Entwicklungsgesellschaften der Dritten Welt eine erhebliche soziale Umstrukturierung zu beobachten: Nur noch in 50 Prozent aller Fälle ist die Masse der erwerbstätigen Bevölkerung im ländlichen Sektor tätig; die Alphabetisierung schreitet voran, obgleich das absolute Ausmaß von Analphabetismus immer noch erheblich ist;

das Ausmaß an Urbanisierung ist unvergleichbar; die soziale Marginalisierung großer Teile der Bevölkerung hat zugenommen. All diese Faktoren erhöhen die Politisierung der betroffenen Gesellschaften, und mit ihr erhöhen sich die Konfliktpotentiale, gleichzeitig auch die Versuchungen zu militärischen Abwehrreaktionen. Das Dilemma dieses Typs von Entwicklungsgesellschaft besteht darin, daß in der Regel soziostrukturelle Reformen nicht stattgefunden haben und insbesondere das Ausmaß an Ungleichheit erheblich ist. Gleichzeitig wird die Lage durch ein alle historischen Maßstäbe sprengendes Bevölkerungswachstum verschärft.

In beiden Fällen, den sozialistischen und den peripher-kapitalistischen Entwicklungsgesellschaften, sind derzeit die Chancen für eine autonome Entwicklung liberaler Institutionen, die auch heute noch für eine sich selbst tragende Entwicklungsdynamik erforderlich sind, nicht allzu groß.

Wenn die Kluft zwischen Problemdruck und der • Bereitschaft, ihn konstruktiv zu verarbeiten, wächst, können politische Konvulsionen nicht ausbleiben. Sie werden die Entwicklungsszenerie der nächsten Jahrzehnte bestimmen.

In mancher Hinsicht gleicht die politische Struktur der heutigen Entwicklungsgesellschaften den hochzentralisierten Großreichen der Vergangenheit. Doch gibt es einen bemerkenswerten Unterschied: Die kopflastigen ZentralVerwaltungen der Vergangenheit überlagerten stagnierende, in Subsistenzwirtschaft verharrende dörfliche Gemeinschaften. Die heutigen Staatsbürokratien der einen oder anderen Variante können sich dem Entwicklungsdruck nicht entziehen und versuchen, ihre Gesellschaft zu modernisieren Das setzt auf ganz andere Weise und viel verläßlicher neue politische und gesellschaftliche Kräfte frei, die über kurz oder lang im überkommenen politischen Rahmen nicht mehr zu kontrollieren sind.

Die Entwicklungsproblematik stellt sich also nicht nur auf der ökonomischen Ebene als Problem nachholender wirtschaftlicher Entwicklung dar. Sie ist auf politischer Ebene nicht weniger virulent wenngleich oft um ein Vielfaches undurchsichtiger. Und so wenig die ökonomischen Entwicklungsprobleme von heute auf morgen lösbar sind, so wichtig sind die richtigen politischen Rahmenbedingungen für ihre schrittweise Lösung. Dazu gehört auch die Öffnung der politischen Systeme, deren autoritärer Charakter möglicherweise umständehalber historisch unausweichlich war. Gerade die westlichen Industrie-gesellschaften könnten einiges tun, um diesen Prozeß zu erleichtern. Dabei sollten sie nicht selbstherrlich den heute erreichten Zustand ihrer eigenen politischen Systeme zum Maßstab von Bewertungen machen. Man sollte nicht vergessen: Die heutigen politischen Systeme sind das Ergebnis Jahrzehnte-und jahrhundertelanger, oft bitterer sozialer Konflikte; und einige von ihnen waren noch vor wenigen Jahrzehnten äußerst autoritär und überdies von erschreckender Brutalität (Deutschland, Japan, Italien etc.).

Liegt das politische Kunststück in heutigen Entwicklungsgesellschaften darin, angesichts des internationalen Kompetenzgefälles Überforderungen abzuwehren, aber sich gleichzeitig nicht zu unterfordern so könnte man das entwicklungspolitische Kunststück der heute hochindustrialisierten westlichen Gesellschaften darin sehen, angesichts des unvermeidlichen Innovationsdruckes von ihnen zu Gesellschaften nachholender Entwicklung letztere weder politisch zu über-noch zu unterfordern. Beides ist leichter allgemein formuliert als konkret getan, und diese Aufgabe verlangt — trotz aller drängenden tages-politischen Probleme — eine langfristige Perspektive.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Besonders interessant ist Gerald M. Meier/Dudley Seers (Eds.), Pioneers in Development, Oxford 1984. In diesem Band werden die modernen Klassiker der Entwicklungsdiskussion (Hirschman, Lewis, Myrdal, Prebisch, Rostow usw.) diskutiert. Vgl. im deutschen Zusammenhang vor allem Franz Nuscheler (Hrsg.), Dritte-Welt-Forschung. Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik, Opladen 1985.

  2. Eine ausführliche Auseinandersetzung findet sich jetzt in: Ulrich Menzel/Dieter Senghaas, Europas Entwicklung und die Dritte Welt. Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt 1986.

  3. Mein eigener Beitrag hierzu findet sich in: Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungspolitik. Plädoyer für Dissoziation, Frankfurt 1977.

  4. Vgl. dazu Dieter Senghaas, Von Europa lernen. Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen, Frankfurt 1982.

  5. Vgl. hierzu Ulrich Menzel, Auswege aus der Abhängigkeit, Frankfurt 1987.

  6. Vgl. Menzel/Senghaas (Anm. 2), S. 31 ff.

  7. Vgl. ebd., S. 121 ff.

  8. Zur analytischen Erschließung dieses SachVerhalts sind historisch-komparative Analysen unerläßlich; s. z. B. Senghaas (Anm. 4), S. 147 ff.

  9. Georg Sorensen hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß natürlich diese Rahmenbedingungen und Voraussetzungen ihre eigene Vorgeschichte in einem größeren Kontext haben; The Twists and Turns of Development Theory. A Comment on „The European Ex-perience“ by Dieter Senghaas, in: Journal of Peace Research, 23 (1986), S. 77— 85. Dennoch zeigt die konkrete Analyse, daß ein methodisch vorstellbarer Rekurs ad infinitum in die Vergangenheit faktisch natürlich nicht sinnvoll ist.

  10. Vgl. Senghaas (Anm. 4), S. 66 ff.

  11. Vgl. hierzu auch die klassische Studie von Barrington Moore, Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie. Die Rolle der Grundbesitzer und Bauern bei der Entstehung der modernen Welt, Frankfurt 1969.

  12. Vgl. zu diesem Zusammenhang die sogenannte Brenner-Debatte über die unterschiedlichen Entwicklungswege Europas: T. H. Aston/C. H. E. Philpin (Eds.), The Brenner Debate, Agrarian dass Structure and Economic Development in Pre-Industrial Europe, Cambridge 1985.

  13. Vgl. Senghaas (Anm. 4), S. 7 ff.

  14. Zu den Details eines solchen Entwicklungsprozesses (und zur Erläuterung der entsprechenden Terminologie) s. Menzel/Senghaas (Anm. 2), S. 178 ff. Zum Sachverhalt jetzt auch Jane Jacobs, Cities and the Wealth of Nations. Principles of Economic Life, Harmondsworth 1986.

  15. Vgl. Wolfgang Zapf (Hrsg.), Theorien des sozialen Wandels, Königstein 1979.

  16. Vgl. Folker Fröbel/Jürgen Heinrichs/Otto Kreye, Die neue internationale Arbeitsteilung, Reinbek b. Hamburg 1977.

  17. Vgl. dazu Ulrich Menzel, In der Nachfolge Europas. Autozentrierte Entwicklung in den ostasiatischen Schwellenländern Südkorea und Taiwan, München 1985.

  18. Diese Problematik hat auf klassische Weise Friedrich List 1841 in seinem Hauptwerk „Das nationale System der politischen Ökonomie“ (Tübingen 1959) thematisiert; s. hierzu jetzt auch die erhellende Monographie von W. Henderson, Friedrich List, Düsseldorf-Wien 1984.

  19. Vgl. Senghaas (Anm. 4), S. 79 ff.

  20. Vgl. Samir Amin, Classe et nation dans l’histoire et la crise contemporaine, Paris 1979.

  21. Eine klassische Darlegung dieses Sachverhalts findet sich bei Karl August Wittfogel, Die Theorie der orientalischen Gesellschaft, in: Zeitschrift für Sozial-forschung, 7 (1938), S. 90— 122. Vgl. neuerdings auch John A. Hall, Powers and Liberties. The Causes and Consequences of the Rise of the West, London 1986; John Hall/Michael Mann/Jean Baechler (Eds.), Europe and the Rise of Capitalism, London 1986; Peter Pawelka, Warum ist der Orient zurückgeblieben?, in: Der Bürger im Staat (Hrsg.), Brennpunkt Mittel-Ost, Stuttgart 1981, S. 33— 56.

  22. Vgl. hierzu Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde., Frankfurt 1986; E. L. Jones, The European Miracle. Environments, Economies and Geopolitics in the History of Europe and Asia, Cambridge 1981; Daniel Chirot, The Rise of the West, in: American Sociological Review, 50 (1985) 2, S. 181— 195.

  23. Vgl. Nathan Rosenberg/L. E. Birdzell, How the West Grew Rich. The Economic Transformation of the Industrial World, New York 1986; Richard Löwenthal, Die Gemeinsamkeiten des geteilten Europa, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.), Die Identität Europas, München 1985, S. 43— 65; Karl W. Deutsch, On Nationalism. World Regions and the Nature of the West, in: Per Torsvik (Ed.), Mobilization, Center-Periphery Structures and Nation-Building (Festschrift für Stein Rokkan), Oslo 1982, S. 51— 93.

  24. Vgl. Dieter Senghaas, Die Zukunft Europas. Probleme der Friedensgestaltung, Frankfurt 1986, Kap. 1.

  25. Auf diesen Sachverhalt wurde seit langem in Osteuropa aufmerksam gemacht; China hat aus ihm seit 1978 Konsequenzen gezogen; und neuerdings zwingt auch ein entsprechender Problemdruck in der Sowjetunion zu einer Reorientierung. Als klassisches Dokument bezüglich der Diskussion in der Sowjetunion gilt inzwischen die sogenannte Studie von Nowosibirsk. Der Text findet sich in Übersetzung in: Osteuropa-Archiv, 34 (1984) 1, S. 1— 25. Zur Problematik im allgemeinen vgl. Senghaas (Anm. 4), S. 297 ff.

  26. Vgl. Hartmut Elsenhans, Abhängiger Kapitalismus oder bürokratische Entwicklungsgesellschaft, Frankfurt 1981; ders., Nord-Süd-Beziehungen. Geschichte— Politik — Wirtschaft, Stuttgart 1984, Kap. 2; ders., Dependencia, Unterentwicklung und der Staat in der Dritten Welt, in: Politische Vierteljahresschrift, 27 (1986), S. 133— 158.

  27. Vgl. hierzu die Beiträge in: Dieter Oberndorfer/Theodor Hanf (Hrsg.), Entwicklungspolitik, Stuttgart 1986.

  28. Vgl. Jochen Röpke, Die unterentwickelte Freiheit, Göttingen 1982.

Weitere Inhalte

Dieter Senghaas, Dr. phil., geb. 1940; Professor für internationale Politik und internationale Gesellschaft, insbesondere Friedens-, Konflikt-und Entwicklungsforschung an der Universität Bremen; Forschungsprofessor in der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen. Veröffentlichungen u. a.: Abschreckung und Frieden, Frankfurt 19813; Aggressivität und kollektive Gewalt, Stuttgart 19722; Rüstung und Militarismus, Frankfurt 19822; Aufrüstung durch Rüstungskontrolle, Stuttgart 1972; Gewalt — Konflikt — Frieden, Hamburg 1974; Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungspolitik, Frankfurt 19833; Von Europa lernen, Frankfurt 1982; Die Zukunft Europas. Probleme der Friedensgestaltung, Frankfurt 1986; (zusammen mit Ulrich Menzel) Europas Entwicklung und die Dritte Welt. Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt 1986. Herausgeber zahlreicher Sammelwerke über Politikwissenschaft, Friedensforschung, internationale Politik, Rüstungs-, Rüstungskontroll- und Abrüstungsprobleme, Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungspolitik sowie zur Technokratieproblematik.